Der Rheinfall Schafhausen im Heumond 1786. Horch! welch ein dumpfer Laut, wildmurrend, wie der träge Geschwächte Ton entfernter Donnerschläge, Dringt feyerlich an mein erstauntes Ohr, Und welch ein fremdes banges Zischen Steigt schauderhaft aus den Gebüschen Des steilen Abhangs dort empor! Führt dieser enge Pfad mich zu der Feueresse Des lahmen Donnerschmieds Vulkan? Wie? oder wälzt nicht fern sich über Stein' und Klösse Der Flammenschwall des Phlegetons heran? Beflügle deinen Schritt, o Führer! solch ein Feuer Blies Neubegier noch nie in meinen Adern an. Beflügle deinen Schritt! ein grosses Abentheuer Harrt unser. Lass uns kühn der Tiefe Rand uns nahn! Ha! wo bin ich? welche niegeseh'ne Majestätischfürchterliche Scene Der Natur enthüllt sich meinem Sinn! Täuschen mich die Augen? oder raffte Zaubertrug mich in die fabelhafte Heimath wunderbarer Feen hin? Sieh! ein Schneestrom, aufgepflügt von Klippen, Drängt durch kahlgenagter Berge Rippen Sich heran an eine Felsenwand, Und entstürzt wildschnaubend, gleich dem Winde, Der dem Rachen engverschlossner Schlünde Sich entreisst, dem schaudervollen Rand. Wie erbebt die schwache bange Mühle, Deren Wand im heftigsten Gewühle Diessseits die erbosste Flut beschäumt! Selbst die Veste Laufen scheint zu wanken, Deren Giebel zwischen grünen Ranken Jenseits einem schroffen Berg entkeimt. Nur die Zwillingsfelsen, deren nackte Scheiteln mitten in dem Katarakte Dort des Stroms vereinte Wuth bestürmt, Und von deren Häuptern Schaum in Flocken Dick emporstaubt, ragen unerschrocken Aus der Flut, die wolkenwärts sich thürmt. Beym Himmel! nicht umsonst verhiess des Rufes Stimme Mir grosse Wunder hier. Lass uns bergunter gehn, O Führer, und beherzt in seinem vollen Grimme Den Sturz der wilden Wogen sehn! Komm! lass uns hin zu jenem Nachen eilen, Der am Gestade dort uns freundlich zu sich winkt, Und die beschäumten Fluten theilen, Aus denen spiegelhell die Sonne wiederblinkt!... Schon tanzt, vom Ufer fern, der kühne Harmlose Kahn mit uns durch den empörten Schwall: Sieh! höher hebt sich itzt des Falles breite Bühne, Und blanker Schaum verhüllt der Sonne Flammenball, Wie sauset und braust nun im schnellen Gewirbel die Fülle der Wellen Vom schäumenden Walle herab! So rollen von Gletschern Lauwinen Mit donnerndem Schall auf die grünen Gefilde des Thales hinab. Wie sprüht aus dem raschen Gedränge Der berstenden Flut das Gemenge Des luftigen Schneestaubs empor! Wie dampfet im sonnigen Schimmer Vom wogenbestürmten Getrümmer Des Felsen der Nebel hervor! Wie balgt das Gewässer, gespalten Von Steinen, in hundert Gestalten Sich ringsum im wilden Turnier! O herrlicher Anblick! du füllest Mit Staunen den Sinn, und enthüllest Die Allmacht des Schöpfers vor mir. Ermüde nicht, o Schiffer! schon beschatten Des festen Landes Höhn das Ruder. Lass den Arm So nah am Ziele nicht ermatten! Vergebens stürmt der Fluten frecher Schwarm Mit Ungestüm die Wand des Nachens: fruchtlos dräuen Lautknirschend unter uns verborgne Felsenreihen. Der kleine schlaue Kahn bahnt trotz dem Widerstand Der Wellen sich den Weg, und wühlt sich bald gerade, Bald seitwärts durch den Strom ... Schon fass' ich an dem Rand Des Ufers das Gesträuch: schon sind wir am Gestade. Sieh! diese steile schmale Bahn Am Flusse führt uns dicht zum Katarakt hinan. Ha! welch ein Wogengetümmel Wallt auf mich los! Hat der Himmel Sich mit dem Erdball entzweyt? Stürzen die Wolken sich wieder Wüthend in Strömen hernieder, Wie zu Deukalions Zeit? Sieh! wie die Wasserflut, schäumend Sich auf der Felsenwand bäumend, Hoch wie ein Berg sich erhebt, Und, von dem Schwalle von oben Abwärts geschleudert, mit Toben Sich in den Abgrund vergräbt! Tosendes Krachen erschüttert Ringsum den Boden: es zittert Bang auf den Bäumen das Reis. Schwindel ergreifet die gähen Häupter der Berge: sie drehen Magisch herum sich im Kreis. Taumelblind wendet mein irres Auge, des Wellengewirres Satt, sich zur stilleren Flut: Sieh! da entsteiget den Wogen, Iris! dein reitzender Bogen Röthlich, wie dämmernde Glut. Erhabner Vater Rhein! von staunendem Entzücken Begeistert, trenn' ich mich mit wundertrunknen Blicken Von diesem Zauberort. Bald werd' ich fern von hier, Wo deine Fluten wild um Felsentrümmer brausen, Ehrwürdigster der deutschen Flüsse! dir In sanftern Gegenden mich nahen, wo der krausen Gebüsche Wölbungen mich, froh dir nachzuspähn, An deine grünen Ufer laden, Und muntre Haine sich und rebenreiche Höhn In deinem wirthlichen Gewässer ruhig baden.