Joseph Franz Ratschky Gedichte Vorrede Wohlan, es sey! Auch ich will's wagen, Was ich in Tagen Der Wonne, frey Vom Joch der Sorgen, Und fern vom Zwang, Dem grauen Morgen Entgegensang, Dem Vaterlande In diesem Bande Trotz allem Dräun Der Zoilaster Und Kritikaster Getrost zu weihn. Zieht hin, ihr Spiele Der Jugendzeit, Wo, unentweiht Vom Weltgewühle, An Klio's Arm Mir fern vom Schwarm Der Sauertöpfe Manch Lied gedieh! Zieht hin, Geschöpfe Der Phantasie, Die im Genusse Der frohsten Musse Mein Geist gebar! Zieht hin in Frieden! Die holde Schaar Der Pieriden Mög' auf der Bahn Zum hochgeweihten Parnass hinan Euch sanft geleiten! Verzagt nicht gleich, Ihr meine Lieder, Wenn hin und wieder Im deutschen Reich Sich Journalisten Kühn wider euch Zur Fehde rüsten! Oft ist ihr Muth Nur Kinderwuth, Und halten Männer, Die man als Kenner Des Schönen ehrt, Euch lieb und werth, So lasst die frechen Pedanten schreyn, Die insgemein Nur Sylben stechen! Doch solltet ihr Mit Pfefferdüten Und Zuckerhüten, Wie Löschpapier Je, klein zerstückelt, Um Häringe Herumgewickelt, Als Flüchtlinge, Gleich hundert andern, Das Land durchwandern, Nähm' euch das Heer Der lockern Schneider Zum Mass für Kleider, Ja fänd' ich leider! Euch ungefähr In Käseläden Bey Leichenreden, Busspredigten Und Fasts Scharteken, Bey kritischen Bibliotheken Und Zeitungen Zu meiner Schande, O so verweilt In diesem Stande Der Schmach nicht! eilt Im schnellsten Trabe Nur bald zu Grabe, Und sträubt euch nicht; Ein schlecht Gedicht Bringt seine Schwächen Durch Widersprechen Nur mehr an's Licht. Wenn aber (schüchtern Hoff' ich's) die Welt Beglücktern Dichtern Mich zugesellt, Wenn ihr zu Zeiten Durch eure Kunst, Ihr sanften Saiten, Bey wackern Leuten Mir Beyfall, Gunst Und Lieb' erringet, Wenn's euch gelinget, Ihr Liederchen, Schwermüthigen Ihr Leid zu mindern, Wenn ihr, geschätzt Von schönen Kindern, Lehrt und ergetzt, Und mir hiernieden Die kurze Frist Mit Lust versüsst, So seyd zufrieden Mit diesem Lohn, Wenn euch auch schon Des Nachruhms Adel Ein Recensent Dreist aberkennt, Und euch den Tadel Der Enkel dräut! O mir gedeiht Ein Bisschen Ehre Bey Lebenszeit Mehr, als die leere Unsterblichkeit. Was hilft im Grabe Der Nachruhm mir, Wenn ich dafür Kein Ohr mehr habe? Der verpachtete Parnass Furth nächst Göttweig im Herbstmond 1775. Der Musengott war lange schon Auf seine Jünger böse, Weil am geweihten Helikon Beym stäten Mordgetöse Der zügellosen Dichterschaar Kein kluges Wort zu sprechen war. Des Morgens Herold, Vater Hahn, Entkroch dem stillen Bette Der Henne kaum, so hörte man Auch schon die tolle Mette, Oft trieb der scythische Tumult Apollen von dem Bücherpult. Er liess sich von Thaliens Hand Den Fliegenwedel reichen, Und zwang die Herrn, bis an den Rand Des Pindus zu entweichen: Allein beym nächsten Morgenroth Gerieth er in die alte Noth. Einst ward dem Gott der Kopf so warm, Dass er in's Weinhaus eilte, Wo Bachus oft mit seinem Schwarm Die halbe Nacht verweilte. Bon soir, sprach Thyrsiger, mon Cher! Silen! lang' einen Sessel her! Sprich, Bruder Phöbus! was, beym Styx! Bringst du für neue Zeitung? Freund! sprach Apoll nach einem Knicks Mit Mienen voll Bedeutung, Ich hab' es hin und her bedacht, Ich gebe den Parnass in Pacht. Für hundert Stück Zechinen bist Du heuer Herr der Dichter, Und was für dich ein Hauptpunkt ist, Du wirst durch neun Gesichter, Die Momus selbst sich nicht erkühnt Zu tadeln, Tag und Nacht bedient. Ha! schrie der Traubenvater auf, Der Handel lässt sich hören: Ich gebe dir den Handschlag drauf. Topp! ohne viel zu schwören! Was gilt's? beym nächsten Festtagsschmaus Sieht mir der Pindus anders aus. Stracks rief er seiner Dienerschaft, Den Satyrn und Mänaden, Und gab Befehl, den Rebensaft Hübsch hurtig aufzuladen, Und Evoe! nun gieng's im Nu Dem steilen Dichterhügel zu. Der ganze Pindus lief, als man Den Zug ersah, entgegen, Wie, wenn dem Hafen Schiffe nahn, Die Waarenträger pflegen. Willkommen, Nektar! nur herab! Rief man, und lud die Fässer ab. Der Wein lag kaum im Keller fest, So hatten auch, beym Plunder! Die Herrn Poeten schon den Rest, Und plötzlich stand, o Wunder! Wo man sonst Lorberwälder sah, Ein ganzer Hain von Reben da. Nun war alltäglich Bachanal: Man soff sich halb zu Tode. Ein derber Rausch beym Abendmahl Ward allgemach zur Mode. Da schleuderte man Teller, Topf Und Krug einander an den Kopf. Oft sucht' ein trunkner Dichterling Ein Küsschen zu erschleichen: Allein die keusche Mus' empfieng Den Faun mit Backenstreichen. Wie hurtig schlich mit seinem Lohn Das junge Herrchen sich davon! Die Musen wollten anfangs noch Vom Traubensaft nichts hören: Bald aber liessen sie sich doch, Bescheid zu thun, bethören. Pfui, Mädchen, pfui! besorgt ihr nicht Ein kupferfarbiges Gesicht? Die rasche Pachtzeit strich vorbey, Und Phöbus kam nun wieder: Schon fern durchdrang ihm das Geschrey Der Säufer Mark und Glieder. Er trat, vor Ärger starr und stumm, In sein entweihtes Heiligthum. Seit dieser Zeit versucht' er zwar Gelindigkeit und Strenge: Allein noch tönen immerdar Unbändige Gesänge Von Nektarglut und Traubennass Herab vom taumelnden Parnass. Wem immer nur ein Reimchen glückt, Prahlt in den schalsten Jamben, Dass ihm der Wein den Kopf verrückt: Es hagelt Dithyramben, Und mangelt Wein, so stimmet man Beym Wasserkrug ein Zechlied an. An Nadinen Nach Horazens drey zehnter Ode im ersten Buch. Wien im Wintermond 1775. Wenn dich mein Ohr den Schwanenarm, Den Rosenhals Amynts, Nadine, preisen höret, Wie fühl' ich dann mit bangem Harm Von reger Eifersucht mein pochend Herz empöret! Die Farbe weicht, es starrt mein Blut: Manch Tröpfchen, das geheim zur Wange niedergleitet, Verräth in mir die wilde Glut, Die, langsam nagend, sich bis in das Mark verbreitet. Ich brenne, wenn, vom trunknen Streit Entstellt, dein Busen oft unbändig sich beweget, Und mit verwägner Lüsternheit Der Satyr einen Kuss dir auf die Lippe präget. O traue nicht der Leidenschaft Des Flüchtlings, dessen Herz ein dauernd Bündniss scheuet, Und der den Kuss, den in den Saft Des Nektars Cypris taucht, so faunenhaft entweihet! Beglücktes Paar, das Unbestand Und Leichtsinn nie entzweyt, das Hadersucht nicht kennet, Und dessen festes Liebesband Gott Amor erst am Rand des Schattenreiches trennet! Warnung Wien im März 1776. Ihr Herren, die ihr euch, verführt von eitler Ehre, Den Namen starke Geister gebt, Und bloss nach dem Gesetz, das die Natur gab, lebt, Die ihr der frommen Vorwelt Lehre Zum Ziel profanen Witzes macht, Der Blindheit unsrer Ahnen lacht, Euch lieblos des Verfalls der Bonzenherrschaft freuet, Und Klausnerheiligkeit als Gleissnerey verschreyet, Die ihr auf Bann und Interdikt Mit stolzem Lächeln niederblickt, Und sie als Gaukelspiel verachtet, Ja selbst die Hölle wenig achtet, Verwägne! spitzt die Ohren nur, Und höret, was mir jüngst (noch klappern mir die Zähne Bey der Erinnerung an diese Schreckenscene) Zur Mitternachtzeit wiederfuhr! Ich stand auf einmal an der Pforte Zu jenem unterird'schen Orte, Von dem manch Buch mit Recht so böse Ding' erzählt, Und wo, von gleicher Pein gequält, Der Erde stolze Potentaten Mit armem Bettlervolk auf einem Roste braten. Rings um die Mündung wallte hoch Ein dicker Dampf empor, der schwefelähnlich roch: Es herrschte weit und breit ein schaudervolles Schweigen, Und da ich weder Mensch, noch Their Entdeckte, wagt' ich es, gereitzt von Neubegier, Den finstern Schacht hinabzusteigen. Doch stellt euch mein Entsetzen vor! Kaum war ich innerhalb der Schwelle, So schloss mit wildem Knall sich hinter mir das Thor, Und ach! ich armer Tropf befand mich in der Hölle. Dem Wandrer, neben dem ein Blitz herabfährt, gleich, Stand ich, bis in das Mark erschüttert, stumm und bleich, Und streckte zitternd beyde Hände Verzweiflungsvoll empor: doch eh' ich mir's versah, War schon ein scheusslich Unthier da, Das einem Teufel der Legende, So wie ein Ey dem andern, glich. Wen sucht er, brüllte fürchterlich Der Unhold, hier bey uns? was führt ihn von der Erde Zur Unterwelt herab? will er an Satans Herde Sich wärmen? Nur herbey! ... Ein kalter Schauer lief Bey diesem Antrag mir vom Kopf bis zu den Füssen Durch jedes Glied. Nein, nein, ich bitte, rief Ich zitternd, nur das Thor mir wieder aufzuschliessen. Gemach! erwiedert' er, so ist es nicht gemeint: Wer einmal hier ist, guter Freund! Muss nolens volens sich bequemen, In Ewigkeit bey uns fürlieb zu nehmen. Drum denk' er ja an keine Wiederkehr! Das Privilegium, von hier einst loszukommen, Das Abbadona sich, so wie ich jüngst vernommen, Erschlichen haben soll, erhält wohl keiner mehr. Auf! folg' er mir, wohin ich ihn geleite! Nur da hinaus zur linken Seite! Mein Sträuben half hier nichts; drum gieng ich willig mit, Wir wanderten ganz sachte, Schritt für Schritt, (Denn wo kein Scheiterhaufen glühet, Bey dem man Sünder brät und brühet, Ist's, wie sich leicht erachten lässt, Nicht wenig finster in der Hölle) Und kamen endlich an die Stelle, Wo Seelen ohne Zahl, in Pfannen eingepresst, Gebraten auf dem Rost, und aufgehenkt an Spiessen, Für eines Stündchens Lüsternheit, Die keinem Beichtiger zur österlichen Zeit In's Ohr geflüstert ward, nun ewig schmachten müssen. O Himmel, hilf! welch ungeheure Schaar Verworfener von mancherley Gelichter Bot rings umher sich meinen Blicken dar! Hier schnitt ein Potentat erbärmliche Gesichter, Und rief: ich Thor! warum gab ich des Volkes Schweiss, Den öffentlichen Schatz nicht meinen Bonzen preis? Ich wäre dann wohl fern von Satans Bratenwender, Ja stünd' als Heiliger im römischen Kalender. Dort riss ein Philosoph das Haar sich aus dem Kopf, Und heulte laut: weh mir! ach! hätt' ich armer Tropf Doch alles blind geglaubt, und meine dreiste Nase In kein profanes Buch gesteckt, So läg' ich nun nicht hier auf Kohlen hingestreckt, Und wär' im Himmelreich bey meiner alten Base. Dienstfertig und galant, wie jeder Franzmann ist, Kam Meister Rabelais, mich freundlich zu empfangen, Und als er mich wohl zwanzigmal geküsst, Begann er mich auf mein Verlangen Mit der verwägnen Frevlerzunft, Die, was von Bändigung der menschlichen Vernunft Die schwarzen Herrn von ihrem Dreyfuss sprachen, Nicht achtete, bekannt zu machen. Hier, sprach er, sehen Sie den Spötter Lucian, Den Erbfeind frommer Scharlatane, Der lächelnd dem verjährten Wahne Die Spitze bot. O Freund! das ist ein Wundermann, Der durch des Witzes Talisman Nicht selten selbst dem bösen Feinde Ein Lächeln abgewinnen kann. Die ganze höllische Gemeinde Ist ihm von Herzen zugethan. Dort sitzt Professor Bayl', und sinnt auf neue Zweifel, Wodurch er dann und wann die Existenz der Teufel Auch hier trotz allem, was er sieht Und höret, ungewiss zu machen sich bemüht, Bis Lucifers Gefolg zu neuer Wuth erwachet, Und ihn ein schwarzer Polyphem Unwiderlegbar fühlen machet, Des Teufels Wirklichkeit sey mehr als ein Problem. In einer heissen Tonne sitzend, Und, einem Braten gleich, am ganzen Leibe schwitzend, Seufzt in dem Winkel dort der arme Dechant Swift, Der einst des Spottes ätzend Gift Hohnlächelnd auf Kalvin und auf den Papst zu triefen Sich unterstand, und drum itzt in den Tiefen Des Höllenschlunds, vermaledeit Von zweyer Kirchen Theologen, Die er durch seinen Kiel sich auf den Hals gezogen, Sich hinterm Ohre kratzt, und, was er schrieb, bereut. In jener Ecke harrt schon vorlängst auf Voltären Nicht fern von Lucian ein unbesetzter Stuhl, Falls Frankreichs Bonzen nicht, eh' ihn der Feuerpfuhl Mit Haut und Haar verschlingt, den alten Gauch bekehren. Noch zeigte Meister Rabelais Im traulichen Gespräch mir manchen, dessen Schriften Beym blinden Layenvolk so vieles Unheil stiften, Und der dafür nun ewig Ach und Weh Im Höllenabgrund ruft. So ist denn wirklich, dachte Ich endlich bey mir selbst, so ist denn alles das, Was ich von Satans Reich in Kochems Werken las, Kein blosses Märchen? und erwachte. O möchte doch diess grässliche Gesicht, Ihr losen Spötter, euch zur ernsten Lehre dienen! Möcht' euer frecher Mund der Hölle Strafgericht Kein Pfaffenmärchen mehr zu schelten sich erkühnen! Doch leider! hör' ich schon die Herren eures Schlags Auch über diese Warnung spassen: »Mit Lucian und seinen Schülern mag's »Sich selbst im Höllenpfuhl nicht übel leben lassen.« Ja, Freunde, dürfte man dort unten sich die Zeit Durch munteres Gespräch und frohen Witz vertreiben, So stünd' auch meine Hand bereit, Durch Ketzereyn sich wund zu schreiben. Allein beym mindsten Scherz, der euch entschlüpfet, giesst Ein Teufel, der schon alt und wetterlaunisch ist, Euch siedend Pech auf's Haupt: dann lasst ihr's gerne bleiben. Drum, meine Herren, überdenkt Die Sache reiflich, und beschränkt Die leidige Vernunft um eures Heiles willen! Bereuet, widerruft, wirkt Buss', und schreibt Postillen! Denn wahrlich, wahrlich sag' ich euch: Die Ewigkeit ist lang, zumal im Höllenreich. Der Barde und der Minnesänger Wien im April. 1776. Ihr Götter, helft! ein Waldgott, dünket mich, Und Don Quixot' aus Mancha raufen sich. Welch eine Scene! Lasst uns näher gehn! ... Ey! hab' ich je was Tolleres gesehn, So strafe Venus mich mit einem Kuss Von Chloens welken Lippen! Bergelfuss, Der Barde, balgt mit Niethard Effterkrum, Dem Minnesänger, sich auf's Blut herum. Ein alter Kranz von Eichenblättern laubt Sich bardenhaft um Bergelfussens Haupt: Sein schnurrend Instrument, die Harfe, hängt Ihm auf dem Rücken: seinen Leib umfängt Ein Bärenfell. Den süssen Niethard schmückt Ein Panzer, dessen Glanz das Aug' entzückt: Der bunte Schild, den seine Linke führt, Ist minniglich mit Hulda's Bild geziert, Für die er lebt und webt. »O edles Paar! »Was soll der Zwist? verschonet euer Haar Und eure Fäuste!« »Kühner Fremdling! Wir Entscheiden nach den Dichterrechten hier Den Werth und Vorrang unsrer Lieder. Doch Du kömmst uns, wie gerufen: weile noch! Du sollst der Schiedsmann seyn.« Sie setzten ganz Vertraulich nun, der Barde seinen Kranz, Und seinen Schild der werthe Rittersmann, Zum Wettpreis auf, und Bergelfuss begann: Auf! reichet mir die Leichenruthe Und Odins Schlachthemd von der Wand! Mich lüstet's, ha! nach Armyrs Blute. Den Tyr den Schiffweg hergesandt. Hulda! dir nur bin ich pflichtig, Keinem Fräulein sonder dir; Wank und Trug verschwör' ich: züchtig Traun! ist meine Kussbegier. Kommt, Klingenröther, Flammenschwinger, Zu Gonduls Hagel lad' ich euch: Kommt, schickt den feigen Methverschlinger Hinab nach Hela's Schlangenreich! Deine preislichzarten Hände Und dein Mündlein sind fast schön: Wonnespenderinn! ohn' Ende Wollt' ich dir in's Äuglein sehn. Da soll in Naftronds Mördertiefen, Wo Lok, der Göttertäuscher, heult, Ihm Drachengift in's Antlitz triefen, Bis Skoll einst Imers Licht ereilt. Hey! wie wär's mir so behäglich, Bötst du mir den Minnekuss! Und wie ächzt mein Sang so kläglich, Weil ich soldlos minnen muss! »Genug, beym Herkules! genug für jetzt, Sonst berst' ich vor Entzücken. So ergetzt Mich oft das, Säuseln eines Sturmwinds nicht, Als, Bergelfuss, dein göttliches Gedicht. Wie wenn Megärens Schoosshund, Cerberus, Den Husten hat (des weiten Erebus Entfernteste Gewölbe schütteln sich, Wenn er sich räuspert) so erschüttert mich Ein jeder Ton von dir. Und Niethards Lied Fliesst lieblich fort, wie man ein Bächlein sieht Gar sanftiglich durch Wüsteneyen hin Sich schleichen ... Allerliebst! Verzeiht, ich bin Nicht kühn genug, den Urtheilsspruch zu thun. Gehabt euch wohl, und lasst die Fäuste ruhn!« An meinen kranken Freund Leon Wien im May 1778. Ich bin gesund: wie steht's mit dir, mein Lieber? Ist's wirklich Ernst, dass dich ein böses Fieber Drey Tage schon nicht aus dem Bette lässt? Ey, Freund! das ist ein arger Hausarrest. Und wär's nur noch in trüben Wintertagen, Da liesse sich's viel leichter übertragen: Allein im Lenz, im anmuthvollen Lenz Ist allerdings ein solches Akcidenz Ein Streich, bey dem selbst Epiktet, die Zierde Der Stoiker, ein Bisschen fluchen würde. Du dauerst mich, o armer Pazient! Indessen wir, das blaue Firmament Ob unserm Haupt, im grünen Prater sitzen, Musst du daheim im warmen Pfühle schwitzen. Statt deines Kleists und Bürgers liegt ein Wisch Von Recipe auf einem Nebentisch: Statt Lottens sitzt, mit einer Staatsperücke Belastet, dir der Arzt auf dem Genicke: Statt eines Tranks von frischem Haberbier Bedient man dich mit einem Elixir. Ihr Götter, helft! Zevs, Juno, Athenäa, Apoll, Merkur, Mars, Bachus, Cytherea, Und wie ihr bass nach Rang und Dignität In Griechenlands und Roms Legenden steht, Helft meinem Freund; sonst traun! bey meiner Ehre! Sonst schimpf' ich laut auf eurer Priester Lehre, Und falle stracks dem Bardenglauben bey. Doch Scherz und Ernst! nimm fleissig Arzeney, Und halt Diät; denn sieh da! zum geringsten Erwart' ich dich, mein Trauter, diese Pfingsten. O komm gewiss! Erdbeeren harren dein, Dick angeschwellt mit Bisambergerwein. König Arnulphs Hasenjagd Wien im Herbstmond 1778. Im Jahr des Heiles, ungefähr Achthundert Fünf und Neunzig, Griff König Arnulph zum Gewehr: Es folgt' ihm nur ein kleines Heer, Doch an Bravur war's einzig. Fern, sprach er, in der Römer Land Ist Meuterey entstanden: Auf, Kinder! lasst, in's Kriegsgewand Gehüllt, uns mit bewehrter Hand, Walt's Gott! den Unfug ahnden! Diess Aufgebot war Gross und Klein Gar lieblich zu vernehmen. Dortorts, rief man, wächst süsser Wein: Kommt, lasst uns guter Dinge seyn! Den wollen wir schon zähmen. Nun fördert Arnulph sich, zu ziehn Wohl gegen Wälschlands Gränzen. Schon kömmt er bis nach Florenz hin, Und allerwärts empfängt man ihn Mit tausend Reverenzen. Nur bey den stolzen Römern war Ihm Thür' und Thor verriegelt. Sie aufzubieten, sandt' er zwar Zween Boten: doch das gute Paar Ward schimpflich fortgeprügelt. Erbosst rief Arnulph: »Habt ihr so Das Völkerrecht in Ehren? Ihr Lotterbuben! lichterloh Soll eure Stadt mir flammen! ... O! Ich will euch Mores lehren. Auf, Brüder! zähmet das Geschmeiss! Lasst uns die Stadt berennen!« Potz Blitz! nun ward den Römern heiss: Der Stadtrath sprang, als ob der Steiss Schon anfieng' ihm zu brennen. Für diessmal galt wohl auch fürwahr Kein Zaudern und Besinnen; Denn sieh! der Deutschen wilde Schaar Sucht schon, trotz jeglicher Gefahr Die Wälle zu gewinnen. Wohl sieben Stunden kämpfte man So derb von beyden Seiten, Dass ringsum Blut wie Wasser rann, Bis allgemach die Nacht begann Den Schleyer auszubreiten. Genöthigt wendeten nunmehr Die Deutschen die Standarten, Und Arnulph, sinnend hin und her, Beschloss, ein glücklich Ungefähr Im Lager abzuwarten. Rom, das den Feind schon für verzagt Und muthlos hielt, verlachte Des Königs Heer, bis eine Jagd Urplötzlich, wie die Chronik sagt, Dem Spott ein Ende machte. Ein Rammler aus dem nahen Hain Sprang schüchtern vor den Wällen Der Stadt umher, und hinterdrein Ein Spürhund und mit derbem Schreyn Ein Schwarm von Weidgesellen. Halb Rom, vom heftigen Rumor Der Jagenden betroffen, Lief, ohne Hut und Roquelaur, Ripsraps beym Tempel aus, und Thor Und Angel blieben offen. Der König sah am Horst hinab Der Flüchtigen Gedränge, Halt! rief er, lasst vom Hasen ab! Was soll euch Einer? dort bergab, Dort kriegt ihr eine Menge. Nun gieng's aus einem andern Ton. Seht! spornstreichs galoppiren Die Jäger nach: doch ferne schon Hört man die Memmen um Pardon Und Gnade lamentiren. Bewegt ward Arnulph, frank und frey Sie alle heimzuschicken: Doch liess er, Rom zu Schimpf und Scheu, Von Fünfzigen je Zwey und Zwey Mit Hasenschwänzen schmücken, Wenn solche Ordenszeichen heut Zu Tag noch Sitte wären, So würd' auch wohl zu unsrer Zeit Manch liebes Söhnchen aus dem Streit Damit nach Hause kehren. Über Leons Tonsur Wien im Weinmond 1778. Aequam memento rebus in arduis Seruare mentem. Horat. Ey, Meister Gottlieb! fangt doch an, Mal freundlich drein zu gucken! Ihr seht ja aus, als zwänge man Euch Heerlinge zu schlucken. Wer kann, wenn Ihr es für und für So treibt, in Euch sich finden? Ihr schleicht herum, als solltet Ihr Erlahmen und erblinden. Pfui doch, Gevatter, pfui! entsagt Dem stäten Spintisiren! Was nützt's, dass Ihr Euch selber plagt? 'S hilft doch kein Protestiren, Müsst Eure Scheitel schmücken sehn Mit einem Zopfperückchen; Denn denkt, so kahl herumzugehn, Das wär' ein feines Stückchen. Zwar säh' ich diess mein schwarzes Haar So jämmerlich verschnitzeln, Ein solcher Streich würd' unfehlbar Auch mich gar höchlich kitzeln. Allein mit Gunst! den weisen Mann Macht kein Geschick verlegen: Er stellt, wenn er's nicht ändern kann, Dem Unglück Trost entgegen. Seht! geht's Euch mal wie Absalon, (Habt Euch's doch wohl notiret, Was man in Parua schon davon Uns zu Gemüth geführet, Als wir als Diktatoren dicht An dem Katheder sassen, Und, um den Judenstaat uns nicht Viel kümmernd, Kirschen assen?) Ihr könnet dann gar säuberlich Dem Lanzenstoss entrinnen: Ihr lasset die Perück' im Stich, Und tummelt Euch von hinnen. Drum, wie gesagt, ermannet Euch, Und hängt nicht stäts die Ohren! Ihr habt ja doch kein Königreich Durch Euern Zopf verloren. Seyd froh, dass Ihr der Todsgefahr So leichten Kaufs entkommen, Und diessmal mit dem Büschlein Haar Der Tod fürlieb genommen. Astronomische Observazionen eines Dorfpfarrers Zum Behuf gewisser Ehemänner seines Kirchsprengels. Wien im April 1779. Kommt, Kinder, die ihr wissen wollt, Was über euern Köpfen rollt, Wie's steh' um Sonn- und Mondenlicht, Hört eures Pfarrers Unterricht! Der Erde Nachtlicht, wie bekannt, Wird Luna, oder Mond genannt, Und was euch oftmals Kraut und Kohl Versengt, heisst Sonne, fiue Sol. Der Mond, ni fallor, stellet zwar Zum Schein den Herrn vom Hause dar: Doch muss er, wie in unsrer Welt, Meist thun, was seinem Weib gefällt. Kaum steigt Frau Sonn' in ihrem Lauf Am hohen Himmel stolz herauf, So macht der arme Hauspatron Sich über Hals und Kopf davon. Denn seht! wie sie einherspatziert, Mit goldnen Spitzen schamarrirt, Indess ihn, um und um befleckt, Ein Kleid von Flittersilber deckt. Sie gönnt ihm keine bessre Tracht, Und dennoch schämt in ihrer Pracht Die Stolze seines Anzugs sich: Diess kränkt den Armen bitterlich. Er lässt, wenn sie sich drob entzweyn, Sich oft in einen Zweykampf ein: Doch geht er stäts den Abend drauf Blutrünstig und verschwollen auf. Bey solcher Wirthschaft, dächte man, Sey's um den Nachwuchs schlecht gethan: Allein sie brüten, wie ihr seht, Von Sternen eine Quantität. Und dieses ganze Sternenheer Muss nachts Herr Mond oft kreutz und queer, Gleich einer alten Kindermagd, Spatzierenführen, bis es tagt. Denkt, wie ihn all das quälen muss! Und trotz dem stäten Hausverdruss Sieht einen doch der gute Mann Fast immer lieb und freundlich an. Drum, liebe Christen, die ihr hier Versammelt seyd, denkt für und für, Wenn Zank und Hausverdruss euch quält, Was euer Pfarrer euch erzählt! Tragt's mit Geduld! Fiel doch dem Mond, Der hoch in Gottes Lüften wohnt, Und stolz auf unsern Erdenkloss Heruntersieht, kein besser Loos. Auf die Entzündung des Pulverthurms in Wien Wien im Brachmond 1779. Noch steh' ich da, verwirrt, betäubt und bange, Mit starren Augen, leichenblass, Die Füsse schwach und wankend, Stirn' und Wange Von kaltem Angstschweiss nass. Denn ach! ich sah die schreckliche Verheerung, Wie unter Prasseln Stein und Kloss, Emporgetrieben durch des Pulvers Gährung, Hoch in die Lüfte schoss. Ich sah, wie ringsum, gleich ergrimmten Schlossen, Die Kugeln unter Wuth und Graus Mit donnerndem Geknalle niederschossen Auf Garten, Feld und Haus; Sah aufgeschlitzt die Mauern der Gebäude, Der Dächer Giebel eingedrückt, Die Flur mit Schutt bedeckt, und Buch' und Weide Wie schwaches Rohr zerknickt. Noch hallt das Schreyn der Säuglinge, das Wimmern Der Mutter, die ihr Kind verlor, Der bange Todeslaut der unter Trümmern Zerquetschten mir im Ohr. Ha! welch ein Anblick! Ach! auf jeder Seite Der grässlichen Verwüstung Spur: Hier Leichen, dort noch wild im Todesstreite Die kämpfende Natur. Ein Unmensch ist's, den nicht die schwarze Scene Des Elends zum Erbarmen zwingt, Dem sanft und mild des Mitleids edle Thräne Nicht in das Auge dringt. O sieh! wie rang Theresens Sohn die Hände, Und stand voll bittern Jammers da, Als er, umringt von Reihn zermalmter Wände, Das wilde Schauspiel sah! Sein Blick entdeckt ein Schlachtfeld voll von Todten: Doch klomm er mit entschlossnem Sinn Von Schutt, auf Schutt, und sandte seine Boten, Zu retten, her und hin. Gott lohn' ihm für die väterliche Liebe! Gott lohn' ihm! Hohe Dankbegier Füllt jedes Herz, und mit dem wärmsten Triebe Der Inbrunst bitten wir: Erhalt ihn uns! verleih ihm deinen Segen, O Gott, und deiner Allmacht Schutz! Dein Engel sey auf allen seinen Wegen Der Hüter seines Muths! Über den Tod eines Stutzers Wien im Heumond 1779. Weint, ach! weint, ihr süssen Herrchen! Ritter Marcipan ist todt. Seht! hier liegt das arme Närrchen, Ähnlich einem Liebesgott. An Erfindung neuer Moden Für das ganze Stutzerreich That's von allen Stadtpagoden Keine weit und breit ihm gleich. Sagt, wer duftete von süssen Wohlgerüchen je so sehr? Und wer liebte Leckerbissen, Meth und Zwieback so, wie er? Held Achill, der Trojens raschen Hector einst Respekt gelehrt, Ward als Kind im Styx gewaschen, Und mit Löwenmark genährt. Aber Marcipans Frau Mutter Tauchte diesen kleinen Tropf, Glaub' ich, in ein Fass voll Butter Oder in den Honigtopf. Syrupp, Milchkoch, süsse Süppchen, Zuckersäftchen aller Art Klebten unserm lieben Püppchen Immer an dem Pflaumenbart. Sieh! drum ward der Held so schwächlich, Wie von Gyps ein Wackelmann, Zart und niedlich und zerbrechlich, Gleich dem feinsten Porcellan. Musst' er in der Traufe gehen, So zerfloss er, gleich dem Salz: Blieb er in der Sonne stehen, So zerrann er euch, wie Schmalz. Und diess Püppchen musste fallen! Ach! ein Kork, den ungestüm Des Schampagners Kraft mit Knallen Ausstiess, fuhr an's Näschen ihm. Leblos sank das arme Närrchen Von dem sammtnen Stuhl hinab: Weint, ach! weint, ihr süssen Herrchen! Weint an eures Helden Grab! Ballade Wien im Sommermond 1779. Ein trotziger Ritter im fränkischen Land, Im Spiele der Waffen gar rühmlich bekannt, Bestieg einst, umgürtet mit Panzer und Schwert, Zum Streite zu wandern, sein muthiges Pferd. Schon hatt' er so manche gefährliche Nacht Im Dienste der Waffen getreulich durchwacht, Als plötzlich ein rüstiger Knecht vor ihm stand: »Gott grüss' euch, Herr Ritter vom fränkischen Land! »Gott grüss' euch!« so sprach er, und neigete tief Das Haupt vor dem Ritter. »Wer sendet dich?« rief Ihm dieser entgegen, »was suchest du hier »Im Waffengetümmel? was bringest du mir?« »Ach leider! ich bringe gar bösen Bericht: »Seyd mannhaft, o Ritter! entsetzet euch nicht! »Denn wisset, das Fräulein daheim auf dem Schloss »Hat heimlich getragen ein Kindlein im Schooss.« Kaum hörte der Vater die schreckliche Post, So fasst' ihn ein Schauer. »Auf!« schrie er erbosst, »Auf! sattelt das Pferd mir! ich brenne vor Wuth, »Ich brenne, zu rächen mein adelich Blut.« Und als er nur abstieg im einsamen Schloss, Da sprang er voll Wuth auf sein Töchterlein los: »Wo ist der Verführer, du Hurengezücht? »Wo ist er, der Bube? verläugne mirs nicht!« »Ach, Vater! ach, glaubt nicht dem lügenden Ruf; »Mein Herz ist so rein noch, als Gott es erschuf.« So sprach sie noch förder manch gleissendes Wort: Umsonst! er ergriff sie, und schleppte sie fort. Er schleppte sie fort in ein finstres Gemach: »Komm,« sprach er, »du Reine! komm, folge mir nach!« »O Vater, mein Vater! wo führt ihr mich hin? »Ach! Gott sey mir gnädig! was habt ihr im Sinn?« »Du sollst's wohl erfahren, du sollst es wohl sehn!« So sprach er, und hieb sie, trotz Bitten und Flehn, Mit Dornen und Geisseln so heftig und lang, Bis stromweis das Blut aus den Adern ihr drang. Itzt sank sie wohl nieder im finstern Gemach: Ihr Auge ward dunkel, ihr Odem ward schwach. »Lasst ab, o mein Vater! erbarmet euch mein! »Der Himmel mög' euch es und mir es verzeihn! »Verwahret mein Kindlein, und pflegt es ja gut! »Denn ach! es ist Chilperichs königlich Blut.« »Oh!« seufzte der Ritter, »Gott sey es geklagt! »O Töchterlein, hätt'st du das eher gesagt!« Und sieh, als der stürmische Winter verfloss, Zog Chilperich selber vor's einsame Schloss. »Gott grüsse dich, Ritter vom fränkischen Land, »In Waffen und Schlachten gar rühmlich bekannt! »Dein schönes, dein züchtiges Fräulein zu freyn, »Verliess ich mein Lager am brausenden Rhein: »Drum bist du's zufrieden, so führe mich hin, »So gieb ihr den Segen und lass sie dann ziehn!« »Wohl wär' ich's zufrieden, wohl liess' ich sie ziehn! »Doch leider, o König! mein Kind ist dahin. »Dort siehst du den Grabstein am Hügel hinauf: »Ach! wachsen schon gelbliche Blümlein darauf.« Und sieh da! kaum endet der Ritter, so fährt Aus Chilperichs Scheide das flammende Schwert: Hoch fährt es empor in des Königes Hand, Und strecket den Ritter dahin in den Sand. »Fahr hin,« sprach der König, »du trotziger Mann! »So hast du es meiner Geliebten gethan.« Drauf hub er das Kindlein zu sich auf das Ross, Und weinend verliess er das einsame Schloss. Ix und Ypsilon, ein Dialog Bey Gelegenheit der itzigen Rechtschreibungsunruhen in Deutschland. Wien im May 1780. Freund Ypsilon, mein theurer Nachbarsmann, Was hast du vor? warum im Reiserocke? Warum versehn mit diesem Wanderstocke? Wozu das Haar in einen Kadogan So pilgerlich hinaufgeschlagen? Sag an, mein Freund, wo geht die Reise hin? Ach, Nachbar Ix! lass dir mein Schicksal klagen, Und sprich, ob man in diesen Tagen, Wo die Verbessrungssucht von Hamburg bis nach Wien Gleich einem Strom sich anfängt auszubreiten, Wo jedermann an Sprach' und Glauben fegt, Feilt, glättet, zwacket, stutzt und egt, Um Tresp' und Unkraut auszureuten, Bis gar zuletzt kein Weitzen übrig bleibt, Urtheile, Freund, ob man in diesen Zeiten Den Undank nicht auf's höchste treibt. Ich diene nun schon unter Deutschlands Fahnen, Wie du wohl weisst, so manches lange Jahr, Liess nie zu meiner Pflicht mich mahnen, Gieng allenthalben hin, wo ich zu brauchen war. Mein stolzer Vetter I hielt's jederzeit für Schande, Der letzte Mann im Glied zu seyn: Ich trabte stäts statt seiner hinterdrein, Und nun zum Lohn jagt man mich aus dem Lande. Du dauerst mich: doch, Freund! man legt dir viel zur Last; Man nennt dich einen schlauen Griechen, Der, Parasiten gleich, im Anfang nur als Gast Ganz demuthsvoll ein Plätzchen sich erschlichen, Und nun nicht loszubringen sey. Man hält dich überdiess für völlig überley, Und Meister I, aus deutschem Stamm geboren, Ist wirklich schon an deine Stell' erkoren. Mich wundert nur, o Nachbar, dass man dich Nicht ebenfalls von Haus und Hof verdrungen; Bist du nicht auch in Griechenland entsprungen? Wärst du nicht auch entbehrlich, so wie ich? Hm! du hast Recht: doch ich begnügte mich, Und habe nicht wie du nach jedem Platz gerungen. Ich hielt mich still, liess selten nur mich sehn, Bloss um dem Falkenblick des Neides zu entgehn. Wer klug ist, wird sich nie um allzuviel bewerben; Man kömmt dabey am Ende stäts zu kurz: Erschlichne Macht war einst der Tempelherrn Verderben, Und jüngst der Jesuiten Sturz. Wärst du wie ich von Ehrsucht frey geblieben. Man hätte nie aus Deutschland dich vertrieben. Zu spät kömmt nun dein wohlgemeinter Rath. Zwar schützt mich noch Kanzlist und Advocat, Die jederzeit mir hold und günstig waren: Doch Philolog, Poet und Recensent Und Pädagog sind wider mich entbrennt, Sind fest gesinnt, ihr Ansehn nicht zu sparen, Bis Deutschland ganz mich in die Acht erklärt. Nun sprich, wo soll ich hin? Mein Griechenland ernährt In seinem Schooss unwissende Barbaren: Italiens beblümtes Paradies Darf ich mit keinem Fuss betreten: Auch Frankreich, ob es schon nicht völlig mich verwies, Hat meiner doch nur halb und halb vonnöthen. Du, England! warst von jeher mir geneigt, Zu dir will ich Verstossener mich kehren. Ha! deine Sprach', aus deutschem Stamm erzeugt, Ist gastfrey, Fremden hold, und hielt mich stäts in Ehren. O nimm mich auf, du freye Nazion! Du Sitz der Duldsamkeit! du edles Albion! An Herrn von Retzer Johannstein am Sparbach im Sommermond 1780. God made the country, and Man made the town. Cowper. Den Auserwählten geht's gewiss, Obwohl in diesem Punkt die Bibel So ziemlich uns im Dunkel liess, In ihrem Paradies nicht übel, Doch wahrlich nicht so wohl als mir In diesem herrlichen Revier. Befreyt von trocknen Amtsgeschäften, Die Muth, Gefühl und Geist entkräften, Lieg' ich hier ruhig hingestreckt Im Schatten einer dunkeln Fichte, Die mich mit ihren Zweigen deckt, Und denk' an dich, o Freund! und dichte. O welche Luft! rings um mich hin Im finstern Thal, auf Felsensteinen Prangt die Natur im frischen Grün Von unermessnen Tannenhainen, Ein schmaler Bach, der über Sand Und Kiesel glitscht, und sanft den Rand Des bunten Ufers küsst, verschwistert Sein süsses Plätschern mit dem Laut Des Morgenwindes, der vertraut Die Blätter meines Buchs durchflüstert. Von Moos und Dorngesträuch verhüllt, Steht dort auf jener Felsenspitze, Mit scheuen Eulen angefüllt, Der Rest von einem Rittersitze, Den einst zu unsrer Ahnen Zeit, Wie mich ein Landmann hier belehrte. Der Muselmänner Grausamkeit Mit räuberischer Hand verheerte. Diess Schloss giebt meiner Neubegier Oft Anlass zu gelehrten Fragen: Wer führt' es auf? wer hauste hier? Doch niemand weiss mir das zu sagen. Durch dunkles Dickicht klettr' ich dann Mit meinem Stabe frisch und munter Den höchsten steilsten Berg hinan: Da seh' ich froh in's Thal hinunter, Und staune mein Stück Arbeit an, Als hätt' ich wer weiss was gethan. So fliesset Tag für Tag, mein Lieber! In's Meer der grauen Zeit hinüber, Und täglich wächst in mir der Hang Zu dichterischem Müssiggang. Oft, wenn mit wonnetrunknen Blicken Mein Aug' im fröhlichsten Entzücken Die stille Gegend übersieht, Wünsch' ich im Ernst als Eremit Mir eine Zelle hier zu bauen: Doch eitle Wünsche! Das Geschick Fasst bald mich an mit ehrnen Klauen, Und schleppt mich nach der Stadt zurück. Dann lebet wohl, ihr Dämmerungen Des kühlen Walds! Um Lohn gedungen, Kriech' ich an meine Ruderbank, Wo ich dem Gram erliegen würde, Erleichterte dein Bücherschrank Mir, Theuerster, nicht meine Bürde. Liebeslied Wien im Herbstmond 1780. Ich labe gern an deinen holden Wangen, An deinem Mund, o süsses Klärchen, mich, Kann stundenlang an deinen Blicken hangen, Bin in der Welt nie froher, als um dich. Ich mag so gern an deine Brust mich schmiegen, Die sich empor zu meiner Wange bläht, Und lauschen so in wonnigem Vergnügen, Bis spät der Mond am hohen Himmel steht. Denn süss, o süss sind treuer Liebe Freuden: Das blinde Glück mag seinen Überfluss, Mag Ruhm und Macht, an wen es will, vergeuden! Mir gnügt ein Blick, ein Händedruck, ein Kuss. O lass uns stäts in trauter Eintracht leben, Bis einst der Tag, der trübe Tag, erscheint, An dem zugleich der Erde wir entschweben, Und eine Gruft im Tod uns noch vereint! Lob des Weins Wien im Herbstmond 1780. O du, der du an mancher Tafelrunde Mir Wonne gabst, o königlicher Wein! Beseele mich, und lass mit frohem Munde Mich deines Lobs entzückten Herold seyn! Du offenbarst des Heuchlers schlauste Lügen, Machst, Göttersaft! den Freund uns doppelt werth, Und füllst das Herz mit traulichem Vergnügen, Das Liebe selbst nicht halb so dauernd nährt. Der Liebe Glut erkaltet mit den Jahren: Ihr süsser Rausch fliegt nur zu bald dahin, Indess, o Wein, noch Männer, grau an Haaren, Trotz Schlag und Gicht, von deinem Feuer glühn. Du stärkst den Geist, giebst Nahrung und Gedeihen, Und strömest Kraft in alle Glieder mir, Du tröstest mich, wenn Sorg' und Gram mir dräuen, Und meinen Muth, wem dank' ich ihn, als dir? Drum sey mein Freund! Von deiner Glut begeistert, Wandr' ich beherzt durch's Labyrinth der Welt, Bis einst der Tod, der alles übermeistert, Auch mich dem Schwall der Schatten zugesellt. An Klarissen Wien im Weinmond 1780. Klarisse! wie? ich hätte mich So sträflich je an dir vergangen? Ich nährte je nach fremden Wangen In diesem Busen ein Verlangen? Leichtgläubige! man täuschet dich. Entzieh dein allzuwillig Ohr Dem lügenzüngigen Gerüchte! Die unverdächtigste Geschichte Zeigt oft der Neid in falschem Lichte, Und stellt für Wahrheit Lügen vor. Lass deines Herzens Zuversicht Von bösen Zungen nicht bethören! Mich soll Verläumdung nie empören: Mit kaltem Gleichmuth werd' ich hören, Was Bossheit von dir arges spricht. Drum sprich, soll Zwietracht und Verdruss Auf ewig unsre Lieb' ersticken? O nein! schon schlägt diess Händedrücken Mir Frieden vor, und mit Entzücken Nehm' ich ihn an in diesem Kuss. An Herrn Blumauer Johannstein am Sparbach im May 1781. Als, rings bepflanzt mit wolkennahen Thürmen, Das stolze Wien mir aus den Augen kam, Und, vor der Glut der Sonne mich zu schirmen, Der Brühl mich drauf in seine Schatten nahm, Verband ich mich bey mehr als zwanzig Göttern Mit einem Eid: die Sonne sollte nicht Zum zweytenmal den Berg herüberklettern, Es läge denn das stattlichste Gedicht, So elegant, wie meines Wissens keiner Im deutschen Reich, als etwan Unsereiner, Zu schreiben pflegt, an dich, o Freund! bereit. Doch da nun schon wir Dichter jederzeit Beym Layenvolk für Lügenschmiede galten, So liess es denn auch meine Wenigkeit, So sehr ich sonst der Mann bin, Wort zu halten, Dem Handwerksbrauch zu Liebe, hübsch beym alten; Denn wirklich hat bereits zum viertenmal Die kühle Nacht nun Flächen, Berg und Thal Und Feld und Wald mit Dunkel rings umhüllet. Und doch ist noch mein Eidschwur unerfüllet, Und blieb' es auch, hätt' ein Gewitter hier In's Gartenhaus mich nicht hereingeschrecket, Und hätte nicht der Donner über mir Mein schlafendes Gewissen aufgewecket. So höre denn, was meine Neubegier Von Ort zu Ort auf meiner Fahrt entdecket. So wie ich mich durch einen breiten Strom Von wallendem Getreide durchgewunden, Stand Medling da, wo Gänse, wie zu Rom Im Kapitol, am Thore Wache stunden. Von dannen gien'gs ganz sachte durch den Brühl, Wo plötzlich links der Rest von öden Mauern Auf einem Fels, zu dem man ohne Schauern Nicht aufsehn kann, mir in das Auge fiel. Hier hatten einst in jenen Ritterzeiten, Als man bey uns Begier und Muth zu streiten Noch höher hielt als Wissenschaft und Witz, Viel Herzoge von Östreich ihren Sitz. Nun schlängelte die schmale Bahn sich mitten Durch Klippen fort und durch das frische Grün Des Wienerwalds, an Bächen, die mit Hütten Umzingelt sind, bis zu dem Ziele hin. Hier leb' ich nun so gänzlich abgeschieden Von eurer Welt und ihren Plackereyn, Dass ich nicht weiss, wie's ausser meinem Hain Indessen geht, ob Krieg ist oder Frieden. Heut morgens, Freund! als kaum die Sonne sich Den Berg empor an meine Fenster schlich, Gieng alsogleich die Reise nach der Klause Zum heil'gen Kreutz. Hier zeigt vor der Karthause Ein Kreutzgang sich, an Reitz und Anmuth reich, Und weniger dem Weg zur Schädelstätte, Als einer Bahn zum Paradiese, gleich; Denn links erhebt sich eine kleine nette Einsiedeley, mit Bäumen rings besetzt: Zur Rechten winkt die niedlichste Kapelle Zur Andacht hin, wobey die schönste Quelle, Rein wie Krystall, ein Rasenplätzchen netzt. Im Stifte selbst fand ich mit Missvergnügen In einem Saal so manche Seltenheit Bey Spielwerk oft, das höchstens Kinder freut, Unordentlich, wie Kraut und Rüben, liegen. Nebst andern ragt ein schöngeschnitztes Chor Im Mittelpunkt des Tempels hoch empor, Das einst ein Mönch, den, wie's so manchem gebet, Kein guter Geist zur Reimerey entzückt. Mit einer Art von Versen ausgeschmückt, Wovon mir noch das Haar zu Berge stehet. Lies sie nur selbst! kein Sylbchen ist verrückt: Psalle Deo soli, sed voci parcere noli. Hic locus est flendi, locus est peccata luendi. Hic sta, ne cesses, venient post tempora messes, Post fletum risus, mera gaudia, plus paradisus. Psalle, sed attento resonet nisi corde, memento, Quod, licet os oret, frustra tua lingua laboret. Hic memor huius eris, ne orando mente vageris, Et nequo fraudes, domini pia cantica laudes. Noch hätt' ich dir, mein Bester! Vielerley Von Bonzenstolz, Verstellung, Gleissnerey. Unwissenheit und feisten Ordensbäuchen, Von kupfrigen Gesichtern und dergleichen Artikeln mehr sub rosa zu vertraun. Allein ich mag mir keinen Scheiterhaufen Im Höllenpfuhl durch meine Zunge baun; Was hat denn auch ein Laye drauf zu schaun. Ob Mönche sich kasteyen oder saufen? Auch galoppirt bereits in vollem Lauf Die düstre Nacht in ihrem Trauerwagen, O Theuerster! den Horizont herauf, Und zwinget mich, dir Lebewohl zu sagen. Parodie von Hamlets Monolog: Seyn oder nicht seyn? Nach dem Englischen. Wien im Herbstmond 1781. Freyn oder nicht? Das ist die Frage! Ob's klüger ist, dass man im wilden Drang Der Leidenschaft nach jeder Dirne jage, Als dass man plötzlich lebenslang Sich in den Pfühl des Ehebettes tauche, Und all das Feuer da verhauche, Das die Begier in unsern Herzen nährt? ... Freyn! ... was ist's mehr, als sich ein Weib zu nehmen? Und durch ein Weib die Glut, die uns verzehrt. Den Aufruhr der Natur, der stäts im Innern gährt, Und der, o Fleisch, dein Erbtheil ist, zu zähmen, Das ist, bey Gott! der wärmsten Wünsche werth. Ha freyn! ... ein Weib! ... ein Weib? ... vielleicht auch einen Teufel! ... Ey ja, da stockt's! denn dass so oft Das zahmste Lamm als Gattinn unverhofft Den Wolfszahn zeigt, das ist der Zweifel, Der manchem Jüngling schon den Muth zur Ehe nahm. Ha! wer ertrüge sonst der Mädchen Sticheleyen, Der Metze frechen Blick, der Spröden Neckereyen, Der Buhlerinn Verzug, verschmähter Liebe Scham, Der Schönheit Übermuth, die das Verdienst verhöhnet, Und einen Gecken oft zu ihrem Günstling krönet, Wär's durch ein Weib so leichtlich gut gemacht? Sagt, wer ertrüg' es dann, so manche schwüle Nacht Allein zu seufzen und zu sinnen? Wer schlenderte schamlosen Buhlerinnen Heisshungrig nach, ertheilte nicht die Scheu Vor etwas nach den Flitterwochen, (Denn diese süsse Zeit glitscht selten ganz vorbey, So wird, o Liebe, dir bereits der Stab gebrochen) Dem wankenden Entschluss den wohlgemeinten Rath, Viel lieber sich auf dem bekannten Pfad Des Junggesellenstands durch's Leben durchzuschlagen, Als in die Wüsteney des Ehstands sich zu wagen? ... So machet Vorbedacht allein Uns alle hagestolz, und daher sind die Wangen Verliebter Mädchen insgemein Bleich übertüncht von Sehnsucht und Verlangen, Und Jünglinge, voll Mark und Saft, Verschwenden ihre Jugendkraft, Zum Trotz und Hohn der ehlichen Gesetze? Am Busen einer feilen Metze. An Themiren Nach Horazens achter Ode im zweyten Buch. Wien im Wintermond 1781. O hätten zur Strafe gebrochener Schwüre Die Götter ein einziges Härchen, Themire, Dir jemals gekrümmet, so glaubt' ich auf's neue An weibliche Treue. Doch jeglicher Meineid, durch den du den Himmel, Beleidigst, verschönert dich, und das Gewimmel Der Jünglinge mühet sich doppelt, vor allen Nur dir zu gefallen. Vortrefflich gedeiht dir's, die Gottheit der keuschen Diane durch sträfliche Schwüre zu täuschen, Die Götter des ganzen Olympes durch Lügen Und Frevel zu trügen. Cythere mit ihrem Gefolg und der kleine Schalk Cypripor, welcher auf blutigem Steine Sich Pfeile schärft, sehn dich mit lächelnden Blicken, Den Jüngling berücken. Mit jeglichem Knaben reift auch dir ein neuer Leibeigner: zwar dräuen die älteren Freyer Dir oft, dich zu fliehn, doch du missest von deinen Vasallen noch keinen. Dein Reitz macht so manche von unseren Müttern Für ihren milchbärtigen Herzenssohn zittern, Und drohet der bangen Verlobten, ihr ihren Adon zu entführen. Die Pfarrerköchinn und Schuster Veit Der Inhalt ist aus einer alten Chronik. Wien im Christmond 1781. Ein Sohn des heil'gen Benedikt, Herr Pfarrer Ambros Dinkel, Soff wacker drauf, und unverrückt Lag sein Brevier im Winkel. Ja, was dem Bauernvolk durchaus Nicht in die Köpfe wollte, Er lebte mit der Magd im Haus Vertrauter, als er sollte. Doch murrte man auch noch so sehr, So war doch alles eitel; Er liebte seine Köchinn mehr, Als selbst den Klingelbeutel. Es gab auch in der Gegend da Kein Kind, wie Jungfer Lene: Wer im Vorbeygehn nur sie sah, Dem wässerten die Zähne. Es strotzten, von Gesundheit voll, Der Dirne rothe Wangen: Die Brust zersprengte, wenn sie schwoll, Oft fast die Miederspangen. Was es noch ferner schönes gab Vom Kopf bis zu den Füssen, Das würde, läg' er nicht im Grab, Der Pfarrer besser wissen. Denn Lene traun! liess ihrem Herrn Nicht allzuhart geschehen; Sie liebt' ihn. Zwar er keifte gern: Allein beym Schlafengehen Ward Lenchen nach Verdienst gerühmt, Und man verglich sich wieder: Sie legten, wie es Christen ziemt, Nie unversöhnt sich nieder. Doch Liebe, Glück und Einigkeit Sind, wie des Hofes Gnaden, Von kurzer Dauer. Schuster Veit, Ein Kerl mit derben Waden, Der sich auf's Schäkern wohl verstund, Gieng Dinkeln in's Gehäge, Und machte wohl nicht ohne Grund Des Pfarrers Argwohn rege. Lass, schrie der Pfaff' oft ungestüm, Lass mir den Schuhknecht, Mädel! Sonst jag' ich eine Kugel ihm, Glaub's sicher! durch den Schädel. Wie magst du doch, dem Galgenstrick Und seinen Narrenpossen Zu Liebe, dein gewisses Glück Mit Füssen von dir stossen? Doch stumpf war seine Redekunst; Sie lässt durch seine schwachen Schreckmittel keinen blauen Dunst Sich vor die Augen machen. Veit gilt, so sehr der Pfarrer schmäht, Doch (mit Respekt zu sagen) Mehr als die Herrn von A bis Z, Die schwarze Röcke tragen. Einst schleppte Pater Dinkel sich Von einem Festtagssehmause, Wie leicht zu denken, kümmerlich Zu seiner Magd nach Hause. Sein Bisschen Klugheit, deren Last Ihn niemals viel gedrücket, War, bis auf's letzte Quentchen fast, Im Traubensaft ersticket. Indess schlich Veit in's Pfarrhaus hin. Was Veit und Lene thaten, Wird, ohne mich zu Rath zu ziehn, Der Leser leicht errathen. Mit einem Wort, es gab so viel Zu schwatzen und zu küssen, Dass keins von beyden drauf verfiel, Das Hausthor zuzuschliessen. Durch diess Versehn kam ungehört Mein Pfarrer in die Stube: Hab' ich zur Unzeit dich gestört, Rief er, vermessner Bube? Dem Schuster ward nicht wenig heiss, Doch heisser noch dem Pfaffen: Er sprach: verfluchtes Hundsgeschmeiss! Ich will mir Ruhe schaffen. Schnell lief er weg, und kam voll Wuth Mit einem Terzerole. Wo, schrie er, ist die Henkersbrut? Dass ihn der Teufel hole! Doch Veit, der von des Pfarrers Zorn Nichts gutes sich versprochen, War fort, und hatt' in's nahe Korn Indessen sich verkrochen. Du Hure! sprich, ist das mein Lohn? Fuhr Dinkel fort zu schelten, Wo ist er? Halfst du ihm davon, So magst nun du's entgelten! Sie weint' und bat. Umsonst! er schoss Sie durch's Gehirn: die Dirne Sank todt dahin, und rauchend floss Das Blut ihr von der Stirne. Zur wohlverdienten Strafe glaubt Ihr nun für sein Vergehen Vielleicht des Thäters Hand und Haupt Auf's Rad gepflanzt zu sehen. Ihr irrt. Es ward der Kirchenrath Zum Richter ihm bestimmet, Und so ward, trotz der schwarzen That, Kein Härchen ihm gekrümmet. Denn wie mein alter Oheim spricht, Auf den ich trau' und glaube, Ein Geyer hackt den andern nicht, Es wäre denn beym Raube. Des Mörders Strafe war, ein Jahr Kein Pfarramt zu verwalten, Und sich von Kanzel und Altar Und Beichtstuhl zu enthalten. Veit unterdess auf Monatsfrist Zum Arbeitshaus verdammet, Weil er die Magd durch Zauberlist Zu geiler Brunst entflammet, Schrie fruchtlos von Partheylichkeit Und Tyranney der Pfaffen, Und schwur, sich selbst in kurzer Zeit Am Pfarrer Recht zu schaffen. Gesagt, gethan. Als Dinkel sich Einst durch den Gottesacker Mit Schaudern nächtlich heimwärts schlich, Kam Veit, und rief: du Racker! Suchst du vielleicht, wo Lene ruht? Hier, mörderischer Drache! Hier ist ihr Grab, hier schreyt ihr Blut Zum Himmel laut um Rache. Versöhne denn, so gut du kannst, Mit Gott dich, und erwecke Nun Reu' und Leid! denn lebend, Wanst! Kömmst du mir nicht vom Flecke. Als Dinkel drob sich sträubte, stach Veit stracks ihn durch die Kehle. Er sank dahin, sein Auge brach, Und zückend schied die Seele. Veit hatte zwar sich nach dem Mord Zu flüchten nicht geweilet; Er wanderte von Ort zu Ort: Allein so schnell er eilet, Gelingt's doch einem alten Weib, Den Flüchtling auszuforschen, Und sieh! man fällt den Schluss: sein Leib Soll auf dem Rad vermorschen. Kaum wurde diess ihm kundgethan, So schrie er: seyd ihr Richter? Nein, Buben seyd ihr Mann für Mann! Nicht wahr? ihr Bösewichter! Des Pfaffen That war gut und recht? Der wusst' euch zu bestechen: Allein mich armen Schusterknecht, Mich wollt ihr radebrechen. Und doch war er des Hochgerichts Weit würdiger, der Schächer! Er war ein Mörder: ich bin nichts. Als eines Mordes Rächer. So tobte Veit. Das Volk erfuhr Des Delinquenten Schreyen, Strömt' auf das Rathhaus los, und schwur Den Schuster zu befreyen. Man sucht' umsonst durch Flehn und Drohn Des Pöbels Wuth zu kühlen: Das aufgebrachte Volk drang schon Bis zu den Richterstühlen. Siegprangend ward vom Pöbel nun Ein neuer Rath bestellet, Und, um dem Volk genugzuthun, Veits Urtheil so gefället: Es werde, weil, was Veit verbrach, Der Pfarrer auch verbrochen, Das Urtheil, das man Dinkeln sprach, Auch Veiten nun gesprochen! Der Pfarrer durft' ein Jahr Altar Und Beichtstuhl nicht verwalten: So soll denn Veit sich auch ein Jahr Der Schusterey enthalten! Lied der Treue Wien im März 1782. Schön sind die blumichten Matten, Hold ist das blühende Reis, Mild sind, im kühlenden Schatten Gaukelnd, die Lüfte des Mays. Aber dir weichen, o Beste! Blumen und blühendes Reis, Weichet die Milde der Weste, Weichet die Anmuth des Mays. Und o mein Alles! an Treue Gleicht dir kein Weib in der Welt. Arm bist du zwar: doch ich freye Weder nach Würde, noch Geld. Müsst' ich auch alles ertragen, Wählen den schmählichsten Stand, Brüdern und Freunden entsagen, Fliehen mein mütterlich Land; Müsst' ich in Wildnissen wohnen, Hätt' ich zur dürftigen Kost Täglich nur Wurzel und Bohnen, Alles ertrüg' ich getrost. Alles ertrüg' ich zufrieden; Denn was dem Glücklichsten hier Je das Verhängniss beschieden, Alles das fand ich in dir. Drum sollt' ich je dich verlassen, Dich, die allein mir gefällt, Dann mag der Himmel mich hassen, Und mich verachten die Welt. Grabschrift eines Kleingläubigen Nach dem Französischen des Chevalier Parny. Wien im April 1782. Hier liegt ein Mann, der, als er lebte, Stäts zwischen Glaubenszweifeln schwebte. Er gieng, den Kopf von Skrupeln voll, Aus dieser Welt, um von den Schaaren Im Reich der Todten zu erfahren, Was man im Leben glauben soll. An den kaiserl. königl. Leibarzt Freyherrn von Quarin Wien im Brachmond 1782. Gekrönt mit Veilchen, liess in rosenfarbnem Kleid Der junge May vom Himmel sich hernieder, Und ihm zur Seite schwebt' auf wallendem Gefieder Der Gott der Munterkeit. Und sieh! es schmückte nun die Blumenköniginn Mit Blühten rings die neubelebten Äste: Muthwillig gaukelten in Schwärmen laue Weste Im Grase her und hin. Es trillerten entzückt im säuselnden Gewühl Des zarten Laubs die süssen Nachtigallen. Die halbe Welt ward froh: doch mir gebrach's bey allen Den Reitzen an Gefühl. Denn ach! im schwarzen Reich der grauenvollen Nacht, Wo, aufgebläht vom Gifte fauler Drachen, Der Seuchen Heerschaar stäts mit aufgesperrtem Rachen, Voll Gier nach Beute, wacht, Riss zähnefletschend sich ein tückisch Fieber los, Und schlich heran mit mörderischen Blicken An meine Lagerstatt, mir in die Brust zu drücken Sein giftiges Geschoss. Und weh mir! kaum begann die schlummernde Natur Den frischen Hauch der Morgenluft zu wittern, So weckte mich der Schmerz, und ich empfand mit Zittern Des Giftes schnelle Spur. Umnebelt war mein Blick, ich fühlte heisse Glut Mit Ungestüm mein schwindelnd Haupt zernagen, Mein wankendes Gebein war bis in's Mark zerschlagen, Und tobend rann mein Blut. In Flammen eingepresst, als wär' ich angethan Mit Nessus Kleid, wälzt' ich, nach Heilung lechzend, Mich ängstlich her und hin, und rief den Himmel ächzend Um seinen Beystand an. Da sandte dich der Herr, wohlthätiger Quarin! Der Tausende zum Leben neu geboren, Auf die das Schattenreich mit angelweiten Thoren Bereits zu harren schien. Beflügelt eiltest du, und Hygieja kam An deinem Arm vertraut einhergegangen: Der Göttinn holder Blick, die Anmuth ihrer Wangen Verscheuchten meinen Gram. Mit brünstigem Vertraun fasst' ich, emporgerafft Durch neuen Muth, ihr Kleid mit schwachen Händen: Da strömt' in mein Gebein aus ihres Mantels Enden Urplötzlich Heilungskraft. Dank sey dir, edler Mann! dir, dem kein heilend Kraut Verborgen ist vom Grashalm bis zur Eiche, Dir, welchem die Natur zu ihrem weiten Reiche Den Schlüssel anvertraut! Dank sey dir, Menschenfreund! du reichtest mir den Stab, Mich aus dem Pfuhl der Krankheit aufzuringen: Sieh! dankbar steigt, den Kranz dir um das Haupt zu schlingen, Die Muse selbst herab. Denn wer dem Ungestüm des Todes Schranken stellt, Wie du, Quarin! verdient den Kranz der Ehren Mehr, als der wilde Held, der mit gedungnen Heeren Zehntausend Feinde fällt. An die heutige Kritik Wien im Brachmond 1782. Ausgeartete, die, gleich dem Wetterhahne, Jeder Windstoss hin und wieder weht, Die, gleich einem lecken Schifferkahne, Keiner Woge widersteht! Einst der Weisheit Magd, nun jedes Knaben Dirne, Dessen Steiss noch heut die Ruthe fühlt, Und der morgen mit verwägner Stirne Schon Minervens Priester spielt! Sprich! soll lange noch dein toller Unfug währen? Stürzt noch lange deiner Schüler Tross Schlau vermummt auf Männer, die wir ehren, Gleich Banditen, rücklings los? Thörinn! soll der Mann des Nachruhms edle Krone Von der Gunst des Knaben sich erflehn? Soll er knechtisch vor dem Richterthrone Eines jungen Miethlings stehn? Ziemt es Lehrlingen, mit Männerruhm zu spielen, Wie und wann es sie gelüstet? ... Nein! Stürzt die Afterrichter von den Stühlen, Die Vernunft und Recht entweihn! Denn wo Knaben dreist verdammen und begnaden Und ein Jünger sich erfrechen kann, Seinen Meister vor Gericht zu laden, Da erscheint kein braver Mann. Der Zufriedene Wien im Heumond 1782. Eya! mir ist wohl hiernieden: Gäb's auch eine bessre Welt, Sey's! ich bin mit der zufrieden, Wenn sie manchem auch missfällt. Ich bin reicher, als ein König; Denn mein Herz bedarf nicht viel. Ich besorg' und hoffe wenig Von des Glückes Gaukelspiel. Knechtisch geitzt nach Ordensbändern Mancher hocherlauchte Thor: Ruhig durch die Welt zu schlendern, Zieh' ich allen Würden vor. Froh geniess' ich jede Gabe, Die der Zufall mir bescheert: Aber nichts, was ich nicht habe, Scheint mir drum beneidenswerth. Geht kein Weib mit mir zu Bette, Hm! man schläft ja auch allein: Fehlt mir Wein ... an jeder Stätte Lädt ein frischer Quell mich ein. Reichthum, Geld und Gut sind eitel; Adam, Seth und Abraham Lebten ohne Geld im Beutel Dennoch frey von Sorg' und Gram. Sagt, was nützte mir auch alles, Was der Perser Schach besitzt? Selbst als Herr des Erdenballes Wär' ich froher nicht, als itzt. Kaum der Himmel, dessen Pforte Alle Freuden in sich schliesst, Reitzt mich, da an jedem Orte, Wo ich bin, der Himmel ist. Recept wider die Heterodoxie Wien im Heumond 1782. Ihr stolzen Mönchsverächter, bebt, Und nehmt euch wohl in Acht! Ich weiss ein heilsames Recept, Das Orthodoxen macht. Ihr wisst, Nabuchodonosor War auch den Mönchen gram: Verriegelt waren Thür' und Thor, Sobald ein Sammler kam. Legenden schalt er ein Gedicht, Trug nie ein Skapulier, Und schätzte Lukaszettel nicht Viel mehr, als Löschpapier. Der Mönche hochgeweihte Schaar, Die leider! nun nicht mehr Bey Hofe Hahn im Korbe war, Verdross der Unfug sehr. Was dermaleinst in jener Welt Dem Frevler wiederfährt, Ward zwar oft ernstlich vorgestellt, Doch lächelnd angehört. Man rief umsonst, der Antichrist Mit Sack und Pack sey da: Er lachte nur, der Atheist! Doch hört nun, was geschah. Die Strafe kam in vollem Lauf: Der Frevler ward ein Ochs, Frass Heu und Gras, und wurde drauf Ächtmönchisch orthodox. Der feste Vorsatz Wien im Weinmond 1782. Gott Amor, der du unverhofft Den Schwärmer Treue lehrest, Und einen weisen Graubart oft In einen Faun verkehrest! Dich ehret man, o Cypripor! In Hütten und in Hallen, Und sieh! der Weise wie der Thor Sind deiner Macht Vasallen. Es küssen deinen Zepterstab Der wildsten Völker Rotten Vom kalten Lappen bis hinab Zum braunen Hottentotten. Dir huldigen in Hindostan Die finsteren Braminen, Dir muss der ernste Grosssultan, So wie sein Sklave, dienen. Man kennet deine Macht nicht nur Bey ungeweihten Layen: Man ehrt dich auch, trotz Eid und Schwur, In Klöstern und Abteyen. Zwar wähnen, durch Kasteyn gestärkt, Die Bonzen dich zu zwingen, Doch weiss man, dass sie unbemerkt Dir manches Opfer bringen. Du darfst nur winken, so befällt Den klügsten Kopf der Schwindel, Und Herkules, der stolze Held, Erniedrigt sich zur Spindel. Doch, Gott der Liebe! deine Macht Mag auch noch weiter reichen, Ich bin es müde, Tag und Nacht An deinem Joch zu keichen. Unzählbar, wie der Sand am Meer, Unzählbar sind die Plagen, Die ich in deinem Dienst bisher Bey Tag und Nacht ertragen. Zwangst du nicht nachts, wenn alles ruht, Mich stundenweit zu laufen, Und in des Mittags strenger Glut Nach Athem oft zu schnaufen? Und triebst du mich nicht hundertmal Des losen Mädchens wegen, Das mir Vernunft und Freyheit stahl, Durch Sturmwind, Frost und Regen? Sonst pries man als ein Muster mich: Mein Ruf war ohne Makel, Und ach! nun dien' ich rings durch dich Dem Volke zum Spektakel. Ich bin es satt, ein Thor zu seyn. Du magst mit deinen Pfeilen Und deinem bunten Köcherlein Nun in das Rüsthaus eilen. So rief ich auf. Da kam, o weh! Mit frischen Rosenwangen Und einem Busen, weiss wie Schnee, Ein schönes Kind gegangen. Dionen glich es an Gestalt. Wie sollt' ich widerstehen? Wie konnt' ich ungerührt und kalt So viele Reitze sehen? Es schlang den weichen sammtnen Arm Mir lächelnd um den Nacken, Und sieh! mein Blut ward brennendwarm, Es glühten meine Backen. Ich überliess mich taumelblind Dem mächtigsten der Triebe, Und fand, dass Ketten süsser sind, Als Freyheit ohne Liebe. Mag jeder, den diess Schwachheit däucht, Mich auch der Thorheit zeihen; Wenn jede Schwachheit dieser gleicht, So soll mich keine reuen. Ermunterung zur Arbeit für Brüder Freymaurer Wien im März 1783. Brüder, lasst mit frohem Muth Uns die Arbeit nun beginnen! Denn der Zeiten rasche Flut Soll uns nicht umsonst verrinnen. Singt mit freudigem Gefühl: Arbeit ist des Maurers Ziel. Diese Schürz' und Kelle hier Dienen, nicht, uns bloss zu zieren, Dienen uns, o Tugend, dir Einen Tempel aufzuführen: Drum, ihr lieben Brüder, seyd Stäts zu diesem Bau bereit! Arbeit ist das stärkste Glied An der Kette dieses Lebens: Jede leere Stunde flieht Wie ein Traum, und ist vergebens. Arbeit ist des Menschen Pflicht; Wer nicht säet, ärntet nicht. Auf eine Rasenbank Nach dem Französischen des Chevalier Parny. Wien im April 1783. Lieblichste von allen Blumenstätten, Thron der Lust, erbaut von Amoretten, Opferherd der Liebesköniginn! Mit Entzücken, o geweihte Stelle, Wall' ich Tag für Tag zu jener Quelle Grünem Rand, dich zu bethauen, hin. Du gewährst mir, wenn ich manches süsse Stündchen hier in Klärchens Arm geniesse, Treue Dienste, holde Rasenbank! Wenn der heisse Mittag flammt, so schwinge Zephyr sich herab zu dir, und bringe Angenehme Kühlung dir zum Dank. Schmiege sanft, o üppig Grün, dich nieder Unter Klärchens Reitz, doch hebe wieder Dich empor nach süssgepflogner Ruh! Lass den Spähern, die mein Glück beneiden. Keine Spuren unsrer süssen Freuden! Niemand wisse sie, als wir und du? Lied bey Eröffnung der Gesellenloge Wien im May 1783. Strahl der Klugheit, des Verstandes! Leitstern unsers Bruderbandes! Gottesgabe! Geist der Ruh! Steig herab auf unsre Brüder! Wer dich liebt, den liebst du wieder: Wer dir folgt, den leitest du. Himmelstochter! deinem Schimmer Weicht des reinsten Goldes Flimmer: Still und friedlich ist dein Pfad. Rechts an deinem Throne winken Recht und Wahrheit, und zur Linken Sitzen Vorsicht, Lieb' und Rath. Wer von Wissgier flammt, der eile Muthig hin zur rechten Säule Um den Lohn, den er verdient! Komm, o Weisheit, streng zu prüfen, Ob auch unsers Herzens Tiefen Rein, wie unsre Kellen, sind! Lied zum Schluss der Gesellenloge Wien im May 1783. Nicht wenige wandern zur Halle Der Weisheit: doch, Brüder, nicht alle Vollenden die mühsame Bahn; Denn Wüsten und Dornengehäge Verhüllen die mystischen Wege Zu Salomo's Tempel hinan. Doch hat man des Heiligthums Schwelle Erreichet, dann labet die Quelle Der Weisheit den dürstenden Sinn. Und wie wenn ein Wunder dem Blinden Die Augen eröffnet, so schwinden Die Nebel des Geistes dahin. Ihr, die ihr die siebente Stufe Erstiegen, gehorchet dem Rufe Der Weisheit! ihr huldigen wir; Sie lehret uns inneren Frieden, Genuss und Erkenntniss hiernieden: Drum ringet und strebet nach ihr! Tafellied für Brüder Freymaurer Lemberg im Brachmond 1783. Legt für heut den Werkzeug nieder! Lasst die blanken Kellen ruhn! Denn der Hammer ruft, ihr Brüder, Euch zum frohen Mahle nun. Sehet! manche süsse Gabe, Die den Körper neu erfrischt, Hat aus ihrer reichen Habe Mutter Erd' uns aufgetischt. Doch Genügsamkeit umschwebe Ewig unsern stillen Kreis: An des Prassers Tafel klebe Unterjochter Armen Schweiss, Heilig sey der Alten Sitte, Als man noch genüglich ass, Und der Vater froh in Mitte Seiner trauten Kinder sass. Wenn es unserm Brudermahle Nur an Liebe nicht gebricht, O so reitzt im goldnen Saale Uns der Prunk der Fürsten nicht. Eintracht sey des Maurers Streben, Liebe sey sein schönstes Gut! Ohne Liebe gleicht das Leben Einem Körper ohne Blut. An meine lieben Freunde Blumauer und Prandstetter Przemysl im Heumond 1783. Seyd mir gegrüsst! Wie lebt ihr, meine Freunde, Seit ich im Land der wilden Lechen bin? Bringt ihr, vereint in friedlicher Gemeinde, Den Abend noch mit Vater Bachus hin? Ist euer Kreis noch stäts an süssen Schwänken, An Liederchen und Epigrammen reich? Liebt ihr mich noch, und ist mein Angedenken Noch unentweiht und heilig unter euch? Nun denn, ihr Herrn! hier send' ich euch zum Pfande, Dass euer Freund sein Handwerk nicht vergisst, Diess Pröbchen zu, gereimt in einem Lande, Das wahrlich nicht der Musen Heimath ist. Trägt hie und da ein Verschen einen Flecken, So fegt ihn aus, wenn's eurer Feile glückt: Doch fügt es sich, dass ihr an allen Ecken Geistlosigkeit und lahme Vers' erblickt, So zücket kühn den Recensentensäbel; Ein schlecht Gedicht verdienet keine Huld. Nur meiner schont! an meines Geistes Nebel Ist bloss der Dunst des dicken Klima Schuld. Drum mässigt euch! des Dichters Flamme lodert Am Ister selbst in eurem attischen Revier noch schwach: zum Geyer! und ihr fodert Horazens Geist hier in Böozien? Doch diess beyseit'! Erzählt mir, was hanthieren Die Skribler Wiens? was macht die Bonzenzunft? Verheert die Flut tollsinniger Broschüren Noch immerhin die Früchte der Vernunft? Wird viel vom Gräul des jüngsten Tags gepredigt, Und Witzlingen die Hölle heiss gemacht? Hat Pochlin sich die Lunge schon beschädigt, Und ist zeither kein neuer Fast erwacht? O ganz gewiss! denn eure Kanzelhelden Sind stäts bereit zum geistlichen Turnier. Da lob' ich mir, nicht ohne Ruhm zu melden, Die Priesterschaar der Russniaken hier. All das Gezänk um lächerliche Grillen, Wodurch bey euch sich Pater Zipf und Zopf Ihr Kürbisshaupt mit Hirngespinnsten füllen, Erhitzet nie des trägen Popen Kopf. Ihm gilt es gleich, was eigentlich das Manna, Ob's Butterteig, ob's Pfefferkuchen war: Nach welchem Schnitt die badende Susanna Ihr Hemdchen trug, macht ihm kein graues Haar: Er zankt sich nicht, um wie viel Simsons Wade Mehr Pfunde wog, als ein Philisterwanst, Ob David auch, als er der Bundeslade Nachtaumelte, mitunter deutsch getanzt. Sagt, was ihr wollt, er füttert Gäns' und Enten: Und hört euch nicht; sein Dorf ist ihm die Welt, Er lebt vergnügt, wenn er nebst seinem Zehnten Nur hie und da ein Stückchen Huhn erhält. Was kümmern ihn polemische Gezänke? Der theure Hirt, in schmutziges Gewand Gehüllet, sitzt in einer Judenschenke, Das Brandweinglas in seiner braunen Hand. Hier trägt der Mann Gesetz und Sittenlehre Dem Volke vor: er predigt, schreyt und trinkt, Bis er, geschwächt vom Eifer für die Ehre Des Christenthums, vom Stuhl hinuntersinkt. Hier, wenn der Schwarm der Bauern, aufgewiegelt Vom Brandweindunst, zum Knotenstocke greift, Wird oft zuletzt der Pope derb zerprügelt, Und jämmerlich vom Kampfplatz weggeschleift. Doch gnug, ihr Herrn! mein Lied hat nun ein Ende; Denn sieh! schon schwebt auf hellgestirnter Bahn Der Mond einher, streut auf der Berge Wände Sein Silberlicht, und spiegelt sich im San. Wie öd' und still ist alles! Frösch' und Kröten Sind nur noch wach, und singen ihren Chor. So lebt denn wohl! auch mir ist Ruh vonnöthen; Denn noch steht mir ein weiter Weg bevor. An einen moldauischen Bojaren Czernowiz in der Bukowine im Sommermond 1783. Du schiltst, und sagst, ein Fremder sey Der Vater deines Sohns. Ey, ey! Wie kannst du doch hierüber schmähen? Dein Zorn ist ungerecht; ihr Herrn Bojaren ärntet sonst ja gern, Was andre säen. Dithyrambe auf die Einweihung einer neuerbauten Weinschenke Wien im Jäner 1784. Auf, Brüder, kränzt mit Epheu die Perücken Und das Toppee, Und jauchzt, Bachanten gleich, mit trunkenem Entzücken: O Evan Evoe! Tischt Gläser auf wie Mörser und Karthaunen Für jedermann, Und kündigt allen Hühnern, Enten und Kapaunen Das Todesurtheil an! Und ihr, Amphions kunsterfahrne Schüler, Die ihr von Haus Zu Hause klimpernd zieht, zerlumpte Lautenspieler, Verherrlicht unsern Schmaus! Denn heute weihen wir dem Gott der Reben Diess Heiligthum: Schon funkeln hundert goldne Lampen. Seht, sie schweben Von Hand zu Hand herum. Komm, Vater Bachus! eine Nektartonne Sey dein Altar: Entzückt bringt unser Schwarm im Taumel seiner Wonne Dir täglich Opfer dar. Zum Hohenpriester sey der Wirth erkoren; Sein Domherrnbauch Ist stadtberüchtigt: Kupfernas' und lange Ohren Gab die Natur ihm auch. Ja selbst als Wunderthäter ist er, Brüder! Uns schon bewährt; Hat er nicht oft genug uns Birnenmost und Cider In reinen Wein verkehrt? Wenn du nicht noch vom letzten Göttermahle Halbtaumelnd bist, So sieh, Gott Liber! wie aus schäumendem Pokale Der Opferwein hier fliesst. Gieb, wie dem König Midas, unsern Renten Ein gut Gedeihn, So wollen wir mit Lust von unserm Gut den Zehnten Stäts diesem Tempel weihn. Wir wollen ihn zum Wallfahrtsorte wählen: Nie sey er leer, Und jeder Murrkopf, den Verdruss und Kummer quälen, Verlobe sich hieher! Auf die Hochwürdigen Vorsteher des Freymaurerordens Wien im März 1784. Heil den Edlen, die im Schooss Weiser Freyheit uns regieren, Und mit Ruhm den Hammer führen! Dank und Liebe sey ihr Loos! Joch und Knechtschaft hassen sie, So wie wir Despoten hassen; Denn selbst brüderlichen Bassen Beugt sich keines Maurers Knie. Freyheit nur giebt uns Gedeihn: Sie beherrsche diese Stätte! Nie soll unsre Brüderkette Eine Sklavenkette seyn. An eine Exnonne Nach dem Französischen des d' Hermitte de Maillane. Wien im May 1784. Du rühmst umsonst, o Gottgeweihte! Mir Der Unschuld Reitz, und tadelst meine Wege. Dein Mund verdammt die leiseste Begier, Und ach! dein Blick macht ihrer tausend rege. Du heissest mich den Keim der Sinnlichkeit Durch Reu' und Leid aus meinem Herzen reuten: Mir aber thut im Grund der Seele leid, Dass nichts vermag, zur Sünde dich zu leiten. Du sprichst, es sey des Erdepilgers Pflicht, Dass er dem Drang der Sinne widerstehe. Das weiss ich wohl: allein ich glaub' es nicht, So lang' ich dich mir gegenüber sehe. Wenn mich dein Mund der Tugend Pflichten lehrt, So wünscht mein Herz, du glaubtest meinen Lehren. Längst hätte mich dein Eifer schon bekehrt, Glaubt' ich nicht stäts, du würdest dich bekehren. Lobpreisest du den Schöpfer der Natur, O so vergess' ich seiner Macht und Stärke Bey deinem Lob, und denke staunend nur An dich allein, du schönstes seiner Werke! Ich wünsche nie, so rühmlich auch die Bahn Zum Himmel ist, als Heiliger zu schimmern; Der, den du liebst, ist hier zu wohl daran, Um sich noch viel um jene Welt zu kümmern. Schwesterngedicht Wien im Heumond 1784. Verurtheilt mich ein schwärmerisch Gericht, Weil ich gescherzt, als einen Bösewicht? Uz. Die ältesten Mysterien Sind wohl die eleusinischen: Diess soll mir niemand disputiren; Herr Adam stiftete sie schon, Und ich als Adams treuer Sohn Liess jüngst mich auch iniziiren. So wie bey uns der Neophyt Nach Maurersitt' auf Reisen zieht, So musst' auch ich ein paarmal wandern, Bis man mich aufnahm. Eisenfest Wallfahrtet' ich von Ost bis West Von einer Schwester zu der andern. Den ersten Strauss auf meiner Fahrt Wagt' ich beherzt nach Ritterart Mit einer grundgelehrten Schwester. Sie war so klug, als Salomo, Sprach ihr Latein, wie Cicero, Und war dabey so schön, als Esther. Sie hörte Wolfs Philosophie, Und kannte die Geographie Von Otaheite bis nach China. Doch sprach ich von Mysterien, So rief sie, gleich Vestalinnen: Quousque tandem, Catilina? Hier war ich nun, wie jedermann, Der sein Latein nur halb noch kann, Leicht merkt, nicht auf dem rechten Wege. Verscheucht durch ihren Eigensinn, Zog ich zu ihrer Nachbarinn: Doch hier gieng vollends alles schräge. Denn die war fühllos, kalt und stumm Und exemplarisch fromm und dumm: Man könnte sie kanonisiren. Umsonst sucht' ich der Schüchternen Die Reitze der Mysterien Mit aller Kunst zu demonstriren. Sie blieb trotz aller meiner Müh Stäts von der Scheitel bis zum Knie Eiskalt, wie eine Marmorbüste: Auf jedes Wort, das ich verlor, Kam der Bescheid, dass sie zuvor Den Pater Rektor fragen müsste. Hier war ich nun, wie jedermann Aus ihrer Dummheit schliessen kann, Wohl auch nicht auf dem rechten Wege. So oft zu irren, gieng mir nah: Doch hiess es, jetzt sey Hoffnung da, Dass ich darauf gelangen möge. Ich wagt's, mit diesem Trost versehn, Die dritte Schwester zu bestehn. An dieser fand ich Wohlbehagen; Sie war nicht überklug, nicht dumm: Beati tenent medium, Hört' ich einst in der Schule sagen. Zwar that auch die mir Widerstand: Doch endlich bot sie mir die Hand, Und nahm mich huldreich in die Pflege. In ihren Armen endigte Mein Weh sich, und der Leidende War endlich auf dem rechten Wege. Nicht albern und nicht zu gelehrt Sey die Geliebte, deren Werth Euch, Brüder, reitzt, sie zu erlangen. Wohlan denn! feuert rings umher Auf jeder Schwester Wohl, bey der Der Suchende nicht irrgegangen! An meinen Freund Alxinger Pressburg im Heumond 1784. Du, dessen Kopf, gleich andern unerfahrnen Selbstdenkern, zwar in Satans Netz gerieth, Doch dessen Herz so warm für Tugend glüht, O Theuerster! lass dich vor Unheil warnen! Lies dieses Blatt! es ist kein Traumgesicht: Lies es, o Freund! und wundere dich nicht, Dass ich so schnell, als folgten schon die Schaaren Beelzebubs mir rücklings auf dem Fuss, Zum Flüchtling ward, und ohne Gruss und Kuss Mich in das Land schnurbärtiger Madjaren, Wo man noch gern nach Amuleten greift, Und Gold dafür in Bonzensäcke häuft, Wo noch bis itzt die leidige, verruchte Philosophie, die Seuche dieser Zeit, Ihr Unkraut nur verstohlen ausgestreut, Incognito hieher zu retten suchte. Denn horch! als jüngst Gott Morpheus (der bisher Mich nie verwaist', und oft nur allzusehr Ob meinem Haupt sein Mohnsaftschälchen leerte) Zurückgescheucht vom Hundsstern, dem der Süd Glutathmend stäts dicht an der Seite zieht, Hartnäckig mir den spröden Rücken kehrte, Las ich mit Graun Sankt Johanns Vision Vom Sündenmass der Hure Babylon Und ihrem Fall in der Apokalypse. Sieh! da erschien, ein Stückchen Feuerbrand In seinem Mund, ein Schwert in seiner Hand, Bald blendendweiss, als wär' er ganz von Gypse, Bald scharlachroth vom Kopfe bis zum Knie, Itzt riesengross, nun wie ein Kolibri, Ein Cherub mir an meinem keuschen Bette. Weh, rief er aus, dir, Kaiserstadt! es ist Schon ausgestreckt das Rachschwert! denn du bist Der Ketzer Sitz, der Heiden Zufluchtstätte. Abtrünnige! verhärtet ist dein Sinn; Du opferst nicht, raubst des Altars Gewinn Der Priesterschaft, lachst, wenn Prophetenlippen Dir Unheil drohn, siehst, voll von eitlem Wahn, Den Thaumaturg für einen Heuchler an, Und beugst kein Knie vor heiligen Gerippen. Dein freches Volk kunstrichtert Gottes Wort, Stürmt Bilder, glaubt an keinen Gnadenort, Und scheut sich nicht, auf Bullen selbst zu schelten. Dein Mass ist voll: gezählt ist Gräul für Gräul: Der Rächende, mit Blitz und Donnerkeil Bewaffnet, naht, dir bitter zu vergelten. Wie Sodom einst bis auf den Grund ein Raub Der Flamme ward, so sollst auch du zu Staub, O Kaiserstadt! dich bald verwandelt sehen. Kein Menschenohr vernehme mehr hinfür Der Harfe Klang, der Geige Laut in dir! Es soll kein Stein mehr auf dem andern stehen. Der Engel schwieg, und blitzschnell flog er fort, So wie er kam. Sein grauenvolles Wort Betäubte mich. Was konnt' ich thun, als fliehen? Denn ach! ich roch den Schwefelregen schon, Und sah im Geist das neue Babylon Schon um und um gleich einem Ofen glühen. Erst griff die Glut die zügellose Schaar Broschüren an, die nun schon manches Jahr Der Himmel uns statt Landesplagen sandte, Und die, weil sie, wie männiglich bekannt, Aus trocknem Stoff und wenig Saft bestand, Im Augenblick, wie dürres Stroh, verbrannte. Doch helft! ach helft! nun dränget fürchterlich Des Feuers Grimm zu edlern Werken sich, Woran sich noch die spätsten Enkel freuten. Ach! rettet mir die Monachologie! Schon schrumpfen sich die Blätter: rettet sie! Umsonst! umsonst! sie brennt von allen Seiten. Hier wird ein Blatt, das Sonnenfelsens Muth Verewigte, das Opfer wilder Glut: Sieh! wie der Neid vor Schadenfreude tanzet! Dort prasselt Prinz Äneas, dessen Haupt Blumauer jüngst des Heldenschmucks beraubt, Und säuberlich mit Mambrins Helm bepflanzet. Hier wirbelt sich ein kühnes Meteor Aus Haschka's Kiel, schon halb verbrannt, empor: Welch ein Triumph für Wiens Inquisitoren! Dort sieht mein Blick vom redlichen Faustin Die Katastroph' in heller Lohe glühn: Hier glimmt ein Stück der Predigercensoren, Und ach! nun fällt der wüthende Vulkan Das Manuskript von deinen Liedern an. Was half's, o Freund! dass du sie mühsam feiltest, Und den Gewinn, von freudigem Gefühl Durchglüht, im Geist schon unter das Gewühl Nothleidender mit milder Hand vertheiltest? Dem Landmann gleich, der ängstlich Rettung sucht, Wenn Schlossen ihm des Halmes reife Frucht, Da ihrer schon die Sichel harrt, zerknicken, Steht trostlos rund um deines Hauses Brand Der Armen Schaar, und ringt die starre Hand Mit stummem Schmerz und thränenvollen Blicken Die Feuerwach' eilt fruchtlos rings herbey; Am jüngsten Tag nützt keine Polizey. Wohl mir, dass ich der grässlichen Verheerung Mit heiler Haut, Gottlob! entronnen bin! Verlass auch du das ketzerische Wien! Noch ist es Zeit zur reuigen Bekehrung. Nimm deinen Stab! komm! Ungarns Töchter sind Nicht männerscheu, und sieh! in Strömen rinnt Tockayer hier von orthodoxer Währung. Lass uns, o Freund! fern von der bösen Stadt, Uns gütlich thun, wie Vater Loth einst that. Lied zur Gesellenreise Wien im Herbstmond 1784. Die ihr einem neuen Grade Der Erkenntniss nun euch naht, Wandert fest auf eurem Pfade! Wisst! es ist der Weisheit Pfad. Nur der unverdrossne Mann Dringt zum Quell des Lichts hinan. Nehmt, o Pilger, zum Geleite Eurer Brüder Segen mit! Vorsicht sey euch stäts zur Seite! Wissgier leite jeden Schritt! Prüft, und werdet nie dem Wahn Träger Blindheit unterthan! Rauh ist zwar des Lebens Reise, Aber süst ist auch der Preis, Der des Wandrers harrt, der weise Seine Fahrt zu nützen weiss. Überglücklich ist der Mann, Der des Lichts sich rühmen kann. Siegeslied Nach Ovids zwölftem Gedicht im zweyten Buch seiner Liebeslieder. Wien im Weinmond 1784. Schlingt Lorbern um mein Haupt! Triumph! Triumph! o Freunde! Korinn' ergiebt des Siegers Armen sich: Umsonst vereinigten sich alle meine Feinde, Sich Gatte, Schloss und Wächter wider mich. Es töne doppelt laut des Ruhmes Siegstrompete! Denn meine Beut' ist unbefleckt von Blut: Nicht einen schwachen Wall, nicht unhaltbare Städte, Ein stattlich Weib bezwang mein Heldenmuth! Als einst im zehnten Jahr die Stadt der Dardaniden Ein banger Raub der Griechen wurde, schrieb Der Ruf so Vielen Lob und Preis zu, dass Atriden Für seinen Theil nur wenig Ehre blieb. Mir bleiben meines Siegs Verdienste ganz; nicht Einer Nahm hilfreich Theil an meinem Heldenstreich: Ich kämpft' und siegt' allein, war Feldherr und Gemeiner, War Füsilier und Kürassier zugleich. Mein Sieg ist nicht das Werk des Zufalls einer Stunde, Ich überwand durch Geistesgegenwart: Mein Unternehmen ist nicht Neuerung; die Kunde Der Vorzeit strotzt von Fehden dieser Art. Als Tyndars Tochter einst mit Paris floh, geriethen Europa nicht und Asien in Streit? Ward nicht ein rauher Schwarm Centauren und Lapithen Einst durch ein Weib beym Trinkgelag entzweyt? Ein Weib riss das Gefolg Äneens in des milden Latins Gebiet zu neuen Kämpfen hin: Des Weibes Reitz bewog Roms Stifter, sich den wilden Verwägnen Grimm der Schwäger zuzuziehn. Oft reitzt die blendende milchfarbne Kuh, zur süssen Begattung reif, die Bullen zum Turnier: Seht! so erhob auch ich, doch ohne Blutvergiessen, Auf Amors Wink der Liebe Kriegspanier. An einen neuaufgenommenen Freymaurer Wien im Christmond 1784. I wish not others to confine: Be their opinions unrestrain'd as mine. Churchill. So bist denn nun auch du, mein wackrer Freund Und Günstling meiner Seele! bist auch du Der Eingeweihten Einer? Hast du nun Nach langem Kampf es über dich vermocht, Dein Ehrenwort auf Pflichten blindlings zu Verbürgen, die man vor der Weihe dir Geheimnissvoll in dichten Schleyer hüllt, Und die du doch nachher gewissenhaft Als Biedermann, dem Eid und Männerwort Mehr ist, als Schellenklang, erfüllen musst? Glück zu, mein Bruder, den ein neues Band Nun fester noch an meinen Busen schlingt! Und dreymal Heil dem Orden, der an dir Ein Glied gewann, das seiner würdig ist! Doch, junger edler Mann! du, dessen Herz An Lauterkeit dem reinen Äther gleicht, Und dessen angeborner warmer Hang Für alles, was da gut ist, mir schon längst Ein Zeugniss deines innern Werthes war, An dem ich, seit dein offner freyer Sinn Mein Herz an deines schloss, und Sympathie Uns eng verbrüderte, mich nie betrog, Lass uns nunmehr die Bahn, die du betratst, Weil früher es zu thun des Maurers Pflicht Nicht zugab, mit der Fackel der Vernunft Beleuchten, wie es Wahrheitsforschern ziemt Lass uns, dem weisen Scheidekünstler gleich, Der das Metall von Schlacken sorgsam trennt, Die Hoffnungen, die sich die Phantasie Des Neugeweihten schwärmerisch erträumt, Von jenen ächten sondern, die der Geist Des denkenden geprüften Maurers oft In Stunden heil'ger Weihe sich erschafft! Die Hoffnung, die das unbefangne Herz Des reisern Maurers mit dem Vorgefühl Beglückter Zukunft füllt, ist der Vernunft Bescheidne Tochter. Ruh, Zufriedenheit Und Mässigung sind die Gespielinnen Der biederen Matrone. Kunstlos wallt Ihr grünliches Gewand den Leib hinab. Ihr hehrer feyerlicher Blick verheisst Nur das, was weise Prüfung billiget. Ernst und bedachtsam tritt sie in den Kreis Erfahrner Denker, leitet ihren Rath, Wählt und verwirft, und wieget Plan für Plan Stäts auf der Wage der Erfahrung ab. Ein Wesen andrer Art ist, was der Thor Unrichtig Hoffnung heisst: der Kluge nennt Die Dirne Täuschung; denn ein luftig Kind Der Schwärmerey, von Träumen grossgesäugt, Wirft diese freche feile Buhlerinn Sich jedem Gecken kosend in den Arm, Und füllt ihm das benebelte Gehirn Mit tollen läppischen Erwartungen, Die oft das weite Reich der Möglichkeit Kaum in sich fasst. Erklärten Metzen gleich, Schweift sie geputzt, in prahlerischem Pomp, Geschminket, bunt wie ein Chamäleon, Den lärmerfüllten Heerweg auf und ab. Stolz, Unzufriedenheit und Eitelkeit Sind ihr zur Seite. Gierig folget ihr Ein lächerliches Heer geblendeter Glücksritter nach, das theils durch trügende Trübangehauchte Brillen sieht, und theils Der Sehkraft ganz beraubt ist. Das Gewand Der Afterhoffnung ist dem Scheine nach Zwar leicht und niedlich, doch von dichtem Stoff, Damit kein Auge je die Missgestalt Der Schändlichen in ihrer Blösse sieht. Sieh! in der Hand trägt sie ein Füllhorn, voll Phantastischer Entwürfe, die den Schwarm Schwachköpfiger von der geraden Bahn Der prüfenden Vernunft in's Labyrinth Zweckloser Grillen locken, und sogar Genossen unsrer königlichen Kunst In's Netz des Wahns am Zauberbande ziehn. Das Licht erleuchtete hellschimmernd zwar Die Finsterniss: doch sie erkannten's nicht. Licht war die tröstliche Verheissung, Freund, Die bey der Weihe dir von dem Altar Entgegentönte. Lasst den Leidenden Das Licht sehn, dessen er seit der Geburt Beraubt war, scholl des Meisters ernster Ruf. Was du nachher, als du den grossen Schwall Der Eingeweihten staunend übersahst, Mir in die Ohren rauntest, hat sich tief In mein Gehirn geprägt. Wie? sagtest du Halb zweifelhaft, hat dieses ganze Heer Am Lichte Theil? Fürwahr! ich wähnte nicht, Dass unsre Gegend an Erleuchteten So, überreich sey ... Wahr ist's leider! Freund! Dass sich die ehrnen Pforten, die den Blick Profaner Neugier von dem Heiligthum Der Maurerey entfernen, heut zu Tag Zu willig öffnen. Wahr ist es, dass itzt Manch armes Wichtchen in dem Kleid des Lichts Einhergeht, dessen Wandel wahrlich mehr Von Finsterniss, als von Erleuchtung zeugt. In Mitte dieses traulichen Gesprächs Kam, wie du weisst, ein Hocherleuchteter So feyerlich, als hätt' er eben erst Den ganzen Plan zum Tempel Salomo's Mit eigner Hand entworfen, auf dich zu. Willkommen, sprach er, Bruder! und ergriff Dich bey der Hand, willkommen! Freun Sie sich Des seltnen Glücks, das Ihnen heute ward! Sie näherten dem Quell des Wissens sich. Sie sind nun auf dem grossen Scheideweg, Wo plötzlich das verworrenste Problem Zum klarsten Axiom wird. Nur Geduld, Geduld, mein Bruder! Ihre Hauptpflicht sey Von Stund' an Hoffen, Schweigen und Vertraun! Betrachten Sie nie müde Tag und Nacht Die grossen Wunder und Geheimnisse, Die dieses Teppichs enger Raum umschliesst! Was Sokrates und Aristoteles, Was Plato, Epikur und Epiktet, Was Newton, Leibnitz und viel andere Nur oberflächlich sahn, liegt deutlich hier In dieses Teppichs Zeichen aufgedeckt. Sie werden einst ... Doch mehr zu sagen lässt Mein Eid nicht zu: wohl dem, der's fassen kann! Du lächeltest, als dieser Mystagog Uns nun den Rücken wies, und sprachst erstaunt: Sah dieser auch das Licht? ... Ja, junger Mann! Auch dieser sah das Licht. Doch im Vertraun! Es giebt der Lichter vielerley, und eins Giebt helleren, das andre düstrern Schein. Es flammt nicht nur der Sonne goldner Strahl; Es leuchtet auch des Irrlichts schwacher Glanz. Was aber dich ein Wunder dünken wird, Ist, Freund! dass mancher seines Irrlichts Schein Für heller hält, als andrer Sonnenglanz. So viel es Maurerhallen giebt, beynah So viel verschiedne Lichter giebt es auch, Und wenig Brüder nur sind eines Sinns, Wenn man sie ausforscht, welche Wissenschaft Doch eigentlich das grosse Mittel sey, Wodurch der Suchende zum Zweck gelangt. Chemie! Chemie! raunt nun ein Schwärmer dir In's Ohr, und zeiget den geheiligten Schmelztiegel dir. Magie! Magie! ruft drauf Ein Seher andrer Gattung, und verweist Voll Zuversicht dich an die Kabbala. Politik! flüstert eine dritte Art Von Träumern dir entgegen, und empfiehlt Das Ordenskreutz der Tempelritter dir. Nun sprich, o Freund! was kann, was soll ein Mann, Dem die Natur gesunde Wissbegier Und Geist verlieh, von einer Wissenschaft, Die hin und wieder schwanket, wie ein Rohr, Das jedem leichten Wind zu Willen steht, Mit Grund wohl hoffen? Ist es Unvernunft, Ist's Hochverrath, wenn er bescheiden sich Zur kleinen Zahl der Sceptiker gesellt? Sieh! sassen nicht bisher die Weisesten Der Brüder mehr als einmal schon zu Rath, Und forschten fruchtlos nach, was doch das Ziel Des freyen Maurers, ob es Wissenschaft, Ob's blosse Tugend sey? Von neuem zwar Versammelt nun sich ein Synedrium Von Eingeweihten in dem Orient Von Gallien, das diesen grossen Punkt Entscheiden soll: doch bis dahin, o Freund! Geh mit dir selbst zu Rath, ob du mit Fug Erwarten kannst, dass Kell' und Schürze dir, So wie zur Stunde noch die Sache steht, Ein neues Feld von höhern Kenntnissen Eröffnen wird, ob dir's behäglich ist, Des Lebens Spanne, die uns die Natur So kärglich zumass, einer Wissenschaft Zu weihen, deren Daseyn immer noch Ein mystisches verworrnes Räthsel ist. Ist dir es Ernst, der Seele heissen Durst Nach Licht zu stillen, so beschäftige Dich mit dem Schatz entschiedner Kenntnisse, Den grauer Weisen Mund uns hinterliess, Und kein Gewebe von missgünstigen Mysterien in dunkle Schatten hüllt. Doch wenn dich auch die süsse Hoffnung täuscht, Dass König Salomo's gepriesne Kunst Je deinem Geist mehr Licht gewähren wird, So darf dich's doch des Schrittes nie gereun; Denn sieh! ein Strahl von Hoffnung, der die Nacht Der ungeweihten Welt nur schwach erhellt, Glänzt in dem Heiligthum der Maurerey In voller Schöne. Bruderliebe, Trost Und Hilfe, wenn des Schicksals strenge Wuth Dich anfällt, feste Treu', Ergebenheit Und Wohlthun sind des Ordens süsser Lohn, Auf den du festes Muths vertrauen kannst. Wenn eines Freunds Besitz Entschädigung Für den Verlust der Welt ist, welch ein Glück Verheisst dir ein Verein, der jedes Glied Des ganzen Bunds zu deinem Bruder macht! Glaub', edler Jüngling! ächte Maurerey Wohnt nicht im Kopf: ihr Wohnsitz ist das Herz. Ich neige vor dem theoretischen Freymaurer tief und ehrfurchtsvoll das Haupt: Den praktischen fass' ich mit traulichem Entzücken bey der Hand. Der ist mein Mann, Der ein gefühlvoll Herz im Busen trägt, Der Mensch zu Teyn nie säumet, und so gern Für andrer Wohl und Weh empfänglich ist. Gross ist es zwar, wenn der Erleuchtete Sich einst des Steins der Weisen rühmen kann: Doch süsser ist's, wenn mein Gewissen mir An der Vollendung Ziel das Zeugniss giebt: Ich war ein guter Mann ... ich half, so viel Es meine Habe zuliess, Darbenden ... Ich rettete den Bruder mitleidsvoll, Als ihn des Schicksals eisernes Gewicht Schon halb zu Boden drückte ... meine Hand War's, die der Wittwe Thränen trocknete ... Ich stillete das wimmernde Geschrey Verlassner armer Waisen ... ohne mich Wär' itzt die edle Mutter, die ein Kreis Von wohlerzognen Kindern eng umschliesst, Der Schande Raub, erkaufter Lüste Ziel. Der ist beglückt, der andre glücklich macht. Wohlthätigkeit ist ein Naturgeschenk, Das Kunst und Wissenschaft weit überwiegt. Ich kenne, Freund! kein grässlicher Geschöpf Auf Gottes Erde, denn ein menschlich Thier, Das nie des Mitleids sanfte Regung fühlt. Du sahst gewiss hilfloser Menschen Noth Nie unempfindlich an, warst jederzeit Der Menschheit wärmster Freund: sey es nunmehr. Da Schürz' und Kelle dir zur Pflicht es macht, Gedoppelt! Lass durch Zeichendeuterey Und durch Symbolenkram dir nie die Zeit, Die du dem Wohlthun widmetest, entziehn! Verirre nie auf Nebenwegen dich! Bleib auf der offnen Bahn! Die Stimme des Verkünders in der Wüste, wenn doch je Solch eine Stimme schallt, wird dir auch hier Wohl ruchtbar werden. Ist sie aber, Freund! Ein Bild des Wahns, ein nichtig Traumgesicht, So opfertest du keinem Hirngespinst Dein kurzes Daseyn auf, so glaubtest du Nicht ohne Grund, dass ächte Maurerey Im Herzen nur, nicht in dem Kopfe wohnt. Die Hundeträgerinnen Wien im Jäner 1785. O Weib, das die Milde des Himmels mir gab, Ach! trockne die thauenden Thränen dir ab! Lass ab, o Margrethe, zu trauern! Nie weiche der Segen des Himmels von dir! Sey glücklich! Mich rufet das Kriegespanier Vor Kiow's unbändige Mauern. Denn sieh da! es fertigte Boleslaw's Hand Ein königlich Aufgebot rings durch das Land: »Ihr meine getreuen Vasallen! Lang trotzt schon der weibische Russe der Macht Des polischen Säbels. Ihr Tapfern, erwacht, Als Rächer in's Schlachtfeld zu wallen! Wer feig sich dem Wassengetümmel entzieht, Der rühme sich förder nicht aus dem Geblüt Der edlen Piasten zu sprossen!« Nun sprich, o du Theuerste, die ich erkor, Mein Ehbett zu theilen, war jemals mein Ohr Dem Rufe der Ehre geschlossen? Es fasse, statt Waffen, der üppige Gauch Nach weichlich erzogener Völker Gebrauch Des Weibes wollüstige Lenden! Und wär' er mein König, ich trotzte dem Knecht Mit bitterer Lache. Mein Heldengeschlecht Soll knechtische Feigheit nicht schänden. Erfährst du, Margrethe, das bange Gerücht: Dein Mann sey gefallen, so säume ja nicht, Durch Beten und Fasten die Sünden Des Todten zu tilgen! Doch komm' ich zurück, So lass mich, Geliebte, mit freudigem Blick Treu, wacker und redlich dich finden! So sagte Graf Niklas von Zambozin, schwang Sich hastig zu Pferd, dass die Rüstung erklang, Und drückte der wiehernden Mähre Den Sporn in den Leib; denn es flammte sein Muth, Im Kampfe zu wagen sein ritterlich Blut Bey Boleslaw's tapferem Heere. Die Gräfinn flog schnell nun den Söller hinan: Das Flimmern der Waffen verrieth ihr die Bahn Des lieben, des traulichen Gatten. Noch blinkte der Helm durch die Blätter, doch bald Verbarg ihn das Dickicht im tieferen Wald In düstre verschlingende Schatten. Nun konnte Margrethe dem drängenden Schmerz Nicht länger mehr wehren: es bricht ihr das Herz, Die rosigen Wangen erbleichen. Sie wanket lautschluchzend die Treppe hinab; Ach! aber ihr Schlafgemach scheint ihr dem Grab, Ihr Ehbett dem Sarge zu gleichen. Bereit zu entsagen dem nichtigen Tand Der Freuden, ergreift sie das Büssergewand Statt gräflichen Schmucks und den Psalter Und Rosenkranz statt der hellglänzenden Schnur Von Perlen. So beyspiellos liebte man nur Im patriarchalischen Alter. Indess zog Margrethens erlauchter Gemahl Mit Boleslaw fern schon vom lieblichen Thal Der Heimath auf feindlicher Erde. Ein Wirbel von Staub, der dem Boden entquoll, Umhüllte den Heerzug, und fürchterlich scholl Das Stampfen und Schnauben der Pferde. Erbarmungslos düngten, von Rachgier entbrannt, Die Polen mit Blute das russische Land, Ermordeten oder verscheuchten Das Landvolk, und stürzten in Trümmer und Staub Manch trotziges Schloss, bis sie endlich, mit Raub Beladen, itzt Kiow erreichten. Nun klangen die Zinken: nun tönte das Horn. Wie spielende Winde das wallende Korn Bald hiehin, bald dahin bewegen, So sieht, als der Vortrab dem Dnieper sich naht, Man fernhin am Ufer die eiserne Saat Der polischen Lanzen sich regen. Drey Tage lang lagen nun Wurfspiess und Speer Friedfertig im Gras: doch als Boleslaw's Heer Der labenden Ruhe gepflogen, Begann mit der Frühe des Morgens der Sturm: Wild strömten die Polen zum westlichen Thurm Der Mauer gleich stürmischen Wogen. Ein fürchterlich Schreyen erfüllet die Luft. Zwar öffnet der Widder sich Kluft schon an Kluft Im Walle, zwar strotzen die Sprossen Der Leitern von Helden: doch löwenhaft ficht Der Städter. Es fliegen die Pfeile so dicht Herab von den Mauern, wie Schlossen. Als Boleslaw's Auge den Graben entlang Die Schichten von Körpern betrachtete, drang Das Missgeschick seiner Schwadronen Ihm bitter zu Herzen: er konnte die Noth Der Seinen nicht förder mehr sehn, und gebot, So wackeren Blutes zu schonen. Schon wähnten die Städter sich frey: schon umlaubt Die festliche Krone des Siegers ihr Haupt. Doch träufelnd vom Gifte der Hyder, Naht plötzlich die länderentvölkernde Pest Mit tödtlichem Athem aus Süden, und lässt Ergrimmt sich auf Kiow hernieder. Rings wüthet der Tod: das gefrässige Grab Schlingt zahllose Haufen von Körpern hinab. Die Lebenden wanken wie Leichen Hohläugig und bleich durch die Strassen dahin: Dem Aufenthalt irrender Kobolde schien Das einsame Kiow zu gleichen. Bang sandte die Stadt nun vor Boleslaw's Zelt Den Herold des Friedens: glorwürdiger Held! Sprach flehend der Bote, wir winden Vor dir uns im Staube: du siehest es, was Für Elend wir dulden. Erbarme dich! lass Uns Mitleid und Huld bey dir finden! Diess Flehen erregte des Königs Gefühl; Denn Kunde des Krieges und Schlachtengewühl War zwar seit der zartesten Blühte Der Jugend sein Lieblingsgeschäft: doch es schlug Auch unter dem eisernen Wamms, das er trug. Ein Herz voll Empfindung und Güte. Zieh, Herold! zieh hin zu den Deinigen! spricht Der König mit Würde, denn Boleslaw ficht Nicht wider halbmorsche Gerippe. Lautjauchzend schloss Kiow die Pforten nun auf, Und Boleslaw ward zu den Sternen hinauf Erhoben von jeglicher Lippe. Kaum schwand itzt die Seuche, so strömten die Reihn Der rüstigen Polen durch's Stadtthor hinein. Nun griff man vom Waffengeräthe Zu muntern Pokalen: das freudige Herz Eröffnete froh sich dem traulichen Scherz Beym üppigen Ritterbankete. Die russischen Weiber behagten dem Schwarm Der Woywoden Polens: ihr kriegrischer Arm Entnervt sich in weichlichen Lüsten. Nur Zambozin sehnt sich zur Heimath zurück: Kalt bleibt für die Töchter von Kiow sein Blick, Als schaut' er auf leblose Büsten. Umsonst sahn indessen die polischen Fraun Von Monden zu Monden mit neuem Vertraun Der Rückkehr der Gatten entgegen. Als endlich der siebente Sommer verstrich, Erkiesten sie treulos Leibeigene sich, Der Liebe mit ihnen zu pflegen. Zum Tummelplatz knechtischer Miethlinge ward Das ehliche Bett nun, und mancher Bastard Verkündigte laut schon die Schande Der buhlenden Mutter den Augen der Welt. Nur Zambozins redliche Gattinn erhält Allein sich noch züchtig im Lande. Man mühte sich fruchtlos, durch geiles Geschwätz Und ehrlose Ränke sie mit in das Netz Der schlauen Verführung zu locken; Sie wandte dem Schloss, als die Buhlen zu arg Sie ängstigten, heimlich den Rücken, und barg Sich unter des Kirchenthurms Glocken. Gar bald macht des Rufes geschäftiger Mund In Kiow den Frevel der Gattinnen kund: Wie flogen die rüstigen Polen, Gespornet von Eifersucht, Ärger und Wuth, So hastig zur Heimath, als brennte die Glut Der Hölle sie unter den Sohlen! Bang wittern die sträflichen Knechte schon fern Die Gegenwart ihrer entrüsteten Herrn, Und fliehn mit zerknirschtem Gewissen. Wie wird's nun den wehrlosen Frauen ergehn? Seyd gnädig, ihr Männer! denn sehet! sie flehn So reuig zu eueren Füssen. Schon waren die Gatten zu schonendem Glimpf Entschlossen: doch Boleslaw brannte, den Schimpf Des polischen Adels zu rächen. »Zu offenbar,« sprach er, »zu arg ist die Schuld: »Nach solchen vermessenen Thaten ist Huld »Nur Anlass zu neuen Verbrechen. »Drum meldet den Frauen von edlem Geschlecht, »Vor mir sich zu stellen, um Urtheil und Recht Zu hören.« Gehorsam erschienen Mit ängstlichem Herzen und bangem Gesicht Die Weiber vor Boleslaw's ernstem Gericht, Und Zambozins Gattinn mit ihnen. »Weib,« sprach zu Margrethen mit freundlichem Ton Der König, »du hieltest dich wacker: zum Lohn »Empfange diess Kleinod, und trag es Als Denkmal der Treu' an dem züchtigen Hals! Stäts sey dir die Lauterkeit dieses Krystalls Erinnrung des heutigen Tages! Ihr Lieben! wie Boleslaw Tugenden ehrt, Das saht ihr nun: wie er mit Lastern verfährt, Soll folgendes Urtheil euch zeigen: Man raube die Früchte meineidiger Lust Den Händen der Mütter! Es möge die Brust Leibeigener Mägde sie säugen! Die Väter verdamm' ich zum Kantschug, und ihr, O Mütter, bequemt euch, zur Busse hinfür Ein Hündlein am Arme zu tragen: Lässt ohne diess Zeichen sich eine von euch Erblicken, so sey durch den Henker sogleich Das Haupt ihr vom Rumpfe geschlagen!« Sieh, günstiger Leser! seit Boleslaw's Zeit Giebt manche der edelsten Damen noch heut Dem niedrigsten Knecht aus dem Schwarme Der Miethlinge, was sie dem Gatten versagt, Lässt säugen ihr Kind von der schmutzigen Magd, Und schaukelt ihr Hündchen am Arme. Lied einer jungen Ehefrau Nach dem Englischen. Wien im April 1785. Lang warb Alcid um meine Gunst. Mein Herz zwar schlug ihm laut entgegen: Allein vertraut mit Amors Kunst, That ich verschämt, wie Mädchen pflegen. Wenn er mir schmachtend Liebe schwur, War ich zum Schein zerstreut und flüchtig, Und wagt' er auch ein Küsschen nur, So hiess es: junger Herr, hübsch züchtig! Vergebens hört' ich ihn betrübt Dem Schicksal meine Härte klagen; Denn wenn man noch so feurig liebt, Man darf's aus Sittsamkeit nicht sagen, Bat er oft gar zu ungestüm Um diess und das, so scholt ich tüchtig Ihn aus, und gab halblächelnd ihm Die Lehre: junger Herr, hübsch züchtig! Doch allgemach erhielt Alcid Mein Herz, nach dem er lang gegeitzet. Ach aber welch ein Un erschied! Seit uns der Priester traute, reitzet Ihn auch die höchste Gunst nicht sehr, Und sonst war ihm ein Blick schon wichtig. Nun sträub' ich mich gewiss nicht mehr; Denn itzt ist er nur allzuzüchtig. Kettenlied Bey Gelegenheit der von dem Hochw. Grossmeister von B*n erfundenen Art, die edlen Metalle anzuquicken. Wien im May 1785. Umschlingt mit dem Bande der Liebe Den Vater der Eintracht! Vom Triebe Des Dankes sey jeder beseelt! Er ist's, der die Glieder der Kette, Die wir in des Heiligthums Stätte Hier schliessen, so weislich gewählt. Die edelsten Erze nur schied er Zum Stoff für die Kette: drum, Brüder, Riss keiner der Ringe bisher, Und freudig bezeugen wir alle: Nie schied noch die edlen Metalle Ein Künstler so sicher, als er. An meinen Freund Prandstetter Wien im Brachmond 1785. Gerne hätt' ich Hymens Flitterwochen, Wo, o Freund! sich Freud' an Freude drängt, Und der Himmel voller Geigen hängt, Hie und da ein Stündchen abgebrochen, Gerne manchen spröden Reim gehascht, Und dich für dein stattlich Hochzeitkarmen Plötzlich durch ein Danklied überrascht. Aber konnt' ich aus geliebten Armen Stoisch fliehn, dem Zaubernetz der Lust Trotzig mich entwinden, und durch Reimen, Kalt an einer jungen Gattinn Brust, Hymens süssen Opferdienst versäumen? Lieber! solch ein Kriminalvergehn Würde mir, der nun in seinem neuen Ämtchen wünscht mit Ehren zu bestehn, Mein geliebtes Weibchen nie verzeihen. Wenn dein Freund nun noch dich sträflich däucht, So bedenk', es machte wohl vielleicht Eines Weibes Kuss auch dich zum Sünder. Drum vergieb, mein Bester! Spät erscheint Zwar mein Dank: doch ist er drum nicht minder Liebevoll, nicht minder gut gemeint. Herzlich grüss' ich dich in meinem, Freund! Und in meiner trauten Gattinn Namen. Freudig las ich ihr dein Liedchen vor: Sieh! sie horchte mit entzücktem Ohr, Und als wir zur Katastrophe kamen, Die den wonniglichen Wunsch enthält, Dass ein Sohn, erzeugt aus meinem Samen, Mir erwachse, den die Afterwelt Einst den Biedermännern zugesellt, Fiel sie um den Hals mir, und rief: Amen! Nun wohlan! ihr Wille soll geschehn! Ungeschwächt von Amors Dienst, durch den Junge Schwelger vor der Zeit zu schlaffen Greisen werden, will ich wohlgemuth Eine kleine Welt um mich erschaffen, Und, in meinem frohen Lilliput Eingebannt, mich meines Lebens freuen. Wie ein Schiff, das in dem Hafen ruht, Trotz' ich sorglos dann des ungetreuen Glückes wandelbarer Ebb' und Flut, Und hat einst auf ihrem schnellen Rädchen Klotho mir das letzte Lebensfädchen Abgesponnen, rafft mit kalter Hand Mich der Tod von meiner Gattinn Seite Hin nach jenem ew'gen Otaheite, Das bisher kein kühner Cook noch fand, Und kein Mann, wie Forster, je beschrieben, O so drücke meiner guten lieben Kinder Erstling mir die Augen zu! Ein bewährter treuer Freund, wie du, Folge meinem stillen Leichenzuge, Und es schall' an meinem Aschenkruge Laut das Zeugniss: dieser Leichenstein Decket eines braven Manns Gebein! Kurzweilige Liebesbegebenheit wie die eifersüchtige Jungfrau Klyzia von dem heidnischen Sonnengott Apoll, sonst auch Phöbus genannt, in eine Sonnenwende verwandelt wurde. Wien im Brachmond 1785. In einer Stadt (war's Stockholm, Wien, Fünfkirchen, Koppenhagen, Konstantinopel oder Brün, Das konnt' ich nicht erfragen). Lebt' einstens Jungfer Klyzie, Ein blühend Kind. Stäts blinzelte Ein Heer verliebter Ritter Nach ihrem Fenstergitter. Doch Thetys, ihre Frau Mama, Litt keinen Pflastertreter, Und Ocean, der Herr Papa, Rief: fort, ihr Schwerenöther! Er war ein Seemann, der, ergieng Ihm's nicht nach Wunsch, gleich jedes Ding Bey seinem Namen nannte, Und keinen Weltton kannte. So ward die Kleine fromm und zahm Erzogen nach dem Schnürchen: Sie eilte, wenn ein Festtag kam, In mehr als zwanzig Kirchen, Und liebte Mess' und Rosenkranz Mehr als Theater, Spiel und Tanz, Bis Phöbus sie erblickte, Und ihr den Kopf verrückte. Mich wundert's nicht; Herr Phöbus war Ein Mann, der durch Koncerte Und Wunderkuren Jahr für Jahr Sein Geldchen brav vermehrte. Auch trugen seine Reimereyn Ihm manchmal ein paar Groschen ein: Er reimt', als ob er hexte. Doch weiter nun im Texte! Apoll wollt' eben heimwärts schon Die Sonnenrosse führen, Um noch mit Wielands Oberon Ein Stündchen zu passiren: Da sah er plötzlich Klyzien In eines Gartens schattichten Kastanienalleen Nach einer Grotte gehen. Flugs band der feurige Galan Der Hengste goldne Zügel Fest an des Steinbocks Hörner an, Sprang über Ebne, Hügel, Steinklippe, Berg und Gartenzaun, Stiess sich die Nase blau und braun, Und kam in vollem Trotte Zum Mädchen in die Grotte. Nett wie ein Klosterkandidat, Und rings mit goldnen Tressen Bebrämt, war Phöbus in der That Ein Stutzerchen zum Fressen. Er sprach: Pardon, ma belle enfant, Si mon amour trop brusquement ... Mais je suis hors d'haleine: Excusez–moi, ma Reine! Wen suchen Sie so hastig? ach! Wer sind Sie? rief die Schöne. Ich bin der Herr des Lichtes, sprach Apoll, und notabene. Auch Arzt, Poet und Musikus, Und kam, weil ich's doch sagen muss, Mit meinem Herzchen Ihnen, Mein schönes Kind, zu dienen. Viel Dank! sprach Klyzie, nicht wahr? Glaubt' ich den süssen Lügen, So könnt' ich in dem nächsten Jahr Ein Jungferkindchen wiegen? Nein, Engel, nein! schwur Phöbus ihr, Man raube meine Gottheit mir, Wenn ich, du liebe Kleine, Wenn ich's nicht redlich meine! Man reisse mich mit Stumpf und Stiel Heraus aus dem Kalender, Zerschmettre mir mein Saitenspiel, Häng' einen Bratenwender Mir statt des Köchers um den Leib, Und meinen Lorber soll ein Weib Zum Strohwisch sich verwandeln, Sollt' ich nicht edel handeln! Fest schlang er nun den Arm um sie, Und prägt' ein feurig Mäulchen Ihr auf den Mund. Die Schöne schrie, Wie's Jungfern ziemt, ein Weilchen, Scholt, und zerzauste wacker ihm Die Locken: doch ihr Ungestüm Ward mählich immer lauer; Ihr Muth war nicht von Dauer. Ermüdet musste sie zuletzt Dem Feind den Wahlplatz lassen. Potz Blitz! wie hurtig sah man jetzt Apollen Posto fassen! Sie wurde von des Feindes Hand Recht ritterlich traktirt, und fand, Dass ihre Niederlage Ihr trefflich wohl behage. Seit diesem kleinen Duodram Gab's tägliche Visiten. Die Ältern selbst, als Bräutigam Ihn schon betrachtend, bieten Herrn Phöbus alles an im Haus, Und machen sich viel Ehre draus, So einen feinen Knaben Zum Schwiegersohn zu haben. Denn vor den Ältern that Apoll Gar ehrbar und bedachtsam, Als wär' er noch so unschuldsvoll: Er schwatzte traulich nachts am Kamin dem alten Ocean Ein Märchen vor vom Tamerlan, Und gab der Mutter Pillen, Die Gicht und Hundswuth stillen. Dafür durft' er mit Klyzien Auf dem beblümten Anger Selbander sich erlustigen. Wenn's dann zu kühl ward, sang er Zu Haus ihr Weissens Lieder vor, Und amüsirte drauf ihr Ohr Mit Arien der beyden Tonkünstler Gluck und Hayden. Verführt von eitlem Selbstvertraun, Begann nun Jungfer Klyzchen Manch Schlösschen in die Luft zu baun. Erhob ihr Nasenspitzchen Von Tag zu Tage mehr, und liess Schon deutschen Atlas von Paris Nebst Schmuck und Zobelfellen Zum Brautkleid sich bestellen. Doch Klyzchens treuer Seladon Ward plötzlich zum Verräther; Denn unstät war Latonens Sohn Gleich einem Thermometer. Er schlich durch Schmeicheln unversehns Sich in das Herz Leukothoens, Und Klyziens Karessen Begann er zu vergessen. Entzückt von seiner neuen Wahl, Hielt er sein Schelmenstückchen Für löblich; denn Apolls Moral War links und rechts voll Lückchen, Und da an Reitz Leukothoe Viel reicher war, als Klyzie, So schien sein Fehltritt freylich Noch halb und halb verzeihlich. Indess zum drittenmale nun Die Sonne meerwärts sinket, Und bey dem Wassergott Neptun Den Sauerbrunnen trinket, Erfährt die Tochter Oceans Den Meineid ihres Herrn Galans, Und fängt, trotz Wäschernymphen, Erbärmlich an zu schimpfen. Voll Eifersucht und voll Verdruss, Wie ein gereitzter Kater, Trollt sie zum alten Orchamus, Dem königlichen Vater Leukothoens, sich hin, und spricht: Herr Graubart, traut Apollen nicht! Er schläft zur Zeit der Mette In eurer Tochter Bette. Der Teufel soll's dem Lumpenhund Vergelten! sprach der Alte, Und warf das Pfeifchen aus dem Mund: Es drängte Falt' an Falte Auf seinem Antlitz sich. Hatschier! Lauft alsogleich, und holet mir Die unverschämte Dirne! Rief er mit finstrer Stirne. Leukothchen kam. »Was that Apoll »In deinem Schlafgemache? »Du läugnest? Ha! dein Heucheln soll »Dich reun, du falscher Drache!« So schrie der grausame Papa, Und liess in prima furia In einen Sarg sie stecken, Und rings mit Erde decken. Nach ein paar kurzen Nänien Zu seines Liebchens Ruhme Verwandelt Phöbus Klyzien In eine Sonnenblume, Die seit der Zeit noch, wie ihr wisst, Der Eifersücht'gen Sinnbild ist, Und wo Apoll sich zeiget, Ihr Köpfchen zu ihm neiget. Ihr Schönen, Klyzchens Strafe mag Zur Toleranz euch leiten; Denn Eifersucht taugt heut zu Tag Noch minder, als vor Zeiten. Die Dame, die zu leben weiss, Giebt ihren Trauten willig preis, Und lässt von muntern Gästen Für den Verlust sich trösten. Der Bär und die Krähe Wien im Heumond 1785. Ein alter Bär, den die Musik Des Jagdhorns einst aus seinem Walde jagte, Erhohlte nach und nach sich von der Angst, und wagte Hübsch sachte sich nach seinem Hain zurück. Bey seiner Ankunft war die erste seiner Sorgen, Sich nach dem Eichbaum umzusehn, In dessen hohlem Bauch er sich beym kalten When Des Wintersturmes oft verborgen. Als er der Eiche nahe kam, Entdeckt' er mit Verdruss und Gram Auf einem Zweig ein Nest voll junger Krähen. Du Metze! fieng er flugs die Mutter an zu schmähen, Was hast du hier auf meinem Baum zu thun? Fort! packe dich von dannen ohne Zaudern! Denn deiner Fratzen stätes Plaudern Und Zwitschern liesse mich den ganzen Tag nicht ruhn, Und falls mich auch ihr Lärm nicht molestirte, So müsst' ich stäts in Sorgen seyn, Ob deine junge Brut nicht etwan obendrein Mir auf den Kopf herab hofierte. Der Bär schloss seine Rede kaum, So fieng die alte Kräh' ihr Recht auf diesen Baum Durch manchen Grund vor Meister Petzen Weitläufig an in's Licht zu setzen. Doch der erbosste Bär vertrug Nicht gerne Widerspruch. Er kletterte die Eiche Hinan mit Brummen, und erschlug Die junge Brut mit einem Streiche. Gespornt von Wuth und Rachbegier, Flog Mutter Krähe nun zum Jäger, und entdeckte Ihm das verwilderte Revier, Wo sich der alte Bär versteckte. Der Jäger wandert' alsobald Mit seinen Doggen in den Wald, Und fand den armen Petz in seines Baumes Lücke. Vergebens sucht der Bär dem Tode zu entfliehn: Die tapfern Hunde fassen ihn Erbarmungslos bey der Perücke. Vertrage dich mit jedermann, Um niemands Hass auf dich zu laden; Denn wer dir auch nicht nützen kann, Kann doch in manchem Fall dir schaden. Der beruhigte Geliebte Nach dem Lateinischen des Joannes Secundus. Wien im Sommermond 1785. Weil ich, ein Feind von heuchlerischem Zwang, Mein trunknes Herz der Liebe süssem Hang, Den Regungen des Blutes überlasse, Weiht man mich laut dem allgemeinen Hasse: Es feindet mich der düstre Murrkopf an, Weil sich dem Ernst der steifen Urgrossväter Mein freyer Sinn nicht sklavisch fügen kann, Und fliehet mich gleich einem Missethäter. Wie? soll ich wohl, wenn ich mit heissem Arm Den Schwanenhals Amaliens umschlinge, Und so vor Lust halb mit dem Tode ringe, Voll Ängstlichkeit mich kümmern, ob der Schwarm Milzsüchtiger und finstrer Sauertöpfe Nichts arges denkt? Ihr albernen Geschöpfe! Wie könnt' ich das? An meiner Trauten Brust Macht Wonne mich mir selber unbewusst. Mit Lächeln hört' Amalie mich jammern, Und hurtig kam sie auf mich zugerannt Gleich einem Reh, mit ihrer Liljenhand Sich an den Hals des Klagenden zu klammern. Dann folgt' ein Kuss, so süss, so wonnevoll, Als einer je zur feyerlichen Stunde Geheimer Nacht aus Cypris Nektarmunde, O Kriegesgott! auf deine Lippen quoll. Was fürchtest du, sprach sie voll Huld, die strenge Gerichtsbarkeit der unbiegsamen Menge? Sey gutes Muths! mein Tribunal allein Hast du, o Freund, in diesem Fall zu scheun. Das Loos des Biedermanns An Herrn Haschka. Wien im Sommermond 1785. Freund, der du deine Harfe stäts Dem Dienste strenger Wahrheit weihtest, Und laut und ernst das eiserne Gesetz Der Allgewaltigen mit deutschem Muth bestreitest! Lass mich den Unmuth, der mein Herz In bangen Stunden oft zernaget, In deine Brust ergiessen; denn der Schmerz Wirkt schwächer, wenn man ihn fühlbaren Seelen klaget. Oft steigt das wallende Geblüt Mir auf die Wange, wenn, geschmücket Mit schnödem Gold, ein mächtiger Bandit Dem armen Biedermann den Nacken stolz zerdrücket. Sieh dort! ein goldner Mandarin Rollt mit vier Rappen durch die Strassen: Lass mich die Mask' ihm von dem Antlitz ziehn, So fegt er als ein Schelm im braunen Filz die Gassen. Indess der Bosheit Knechte sich Den Wanst mit leckern Speisen füllen, Ächzt mancher Freund der Tugend kümmerlich, Und kann des Hungers Wuth oft kaum mit Brode stillen. Freund! wem vor krummen Pfaden graut, Wird stäts mit Noth und Mangel kriegen. Ward denn die Welt für Böse nur gebaut, Und muss der brave Mann sich stäts im Staube schmiegen? Zwar schwingt (ein seltnes Meteor!) Wohl auch die Tugend sich: doch ziehet Sie Billigkeit auch dann noch Ränken vor, So hat, kaum halb gesehn, der neue Stern verglühet. Sieh! Aristid, der Biedermann, Fällt, weil er seine Bürgerpflichten Zu treu erfüllt, unschuldig in den Bann, Und muss sich aus Athen mit Schimpf und Schande flüchten. So pflegt man, Freund! der Redlichkeit Von jeher unterm Mond zu lohnen: Doch tröste dich! denn Selbstzufriedenheit, Die Tugend uns gewährt, hat höhern Werth, als Kronen. Der keusche Einsiedler Pachon Der Inhalt ist aus der Legende der Heiligen. Saubersdorf im Steinfeld im Herbstmond 1785. Zu oft schon leider! hab' auch ich Der Mönche Kunden freventlich Bisher bezweifelt und bewitzelt. Ihr andachtsvollen Herrn und Fraun, Vergebt mir's! von des Teufels Klaun Ward, was ich schrieb, mir vorgekritzelt. Doch reuig leg' ich mich zum Ziel: In Zukunft soll aus meinem Kiel Gewiss kein arges Wort mehr triefen. Von wahrem Eifer angefacht, Will ich von nun an Tag und Nacht In Kochems Schriften mich vertiefen. Dank sey dir, Fast! dein Unterricht Erfüllte meinen Geist mit Licht: Bussfertig küss' ich dir die Hände Zum Zeichen meiner Huldigung. Die Ächtheit meiner Besserung Bewährt dir folgende Legende. In einem öden Zedernhain Wählt' einst auf einem Felsenstein, Bewohnt von Schlangen und von Drachen, Sich Pachon, der Anachoret, Ein Plätzchen, um durch sein Gebet Verjährte Sünden gutzumachen. Der Eingang in die Felsenkluft, Worin er, wie in einer Gruft, Sich einschloss, mass kaum eine Elle. Ein Kreutz, ein Betstuhl und ein Paar Vermorschter Todtenköpfe war Der ganze Hausrath seiner Zelle. Ein enges härnes Wamms zerrieb Ihm mit der Haut zugleich den Trieb Zur Unzucht und zu bösen Lüsten. Er als nur Wurzeln, und genoss Sie nie aus Essgier, sondern bloss Sein Büsserleben sich zu fristen. Durch diese strenge Disciplin Bracht' es der heil'ge Mann dahin, Das geile Fleisch im Zaum zu halten. Umsonst versuchte Lucifer, Der Erbfeind frommer Büssender, Ihn unter mancherley Gestalten. Einst abends um die Vesperzeit Stellt', in das schönste Frauenkleid Aus Satans reicher Garderobe Vermummt, ein junges Teufelchen Von schlankem Wuchs des heiligen Waldbruders Keuschheit auf die Probe. Es trat die saubre Höllenbraut Als Negerinn mit schwarzer Haut, Die von Natur den Höllenschaaren Gemein ist, zur Klausur hinein. Man sagt, dass damals allgemein Die schwarzen Damen Mode waren. Erst suchte sie durch dreisten Scherz Und freche Zoten Pachons Herz Vom Weg der Tugend abzuleiten, Und dann, als unser Eremit Der Dirne kein Gehör gab, schritt Sie zu den kühnsten Thätlichkeiten. Mit schlauem Lächeln setzte sie Sich auf des spröden Klausners Knie, Strich buhlerisch ihm Kinn und Wangen, Und hielt mit geilem Ungestüm Ihn fest umschlungen, um von ihm Durch Raub ein Schmätzchen zu erlangen. Doch Pachons nervenvolle Hand Vertrieb dem kühnen Höllenbrand Mit ein paar wackern Backenstreichen Die Lüsternheit nach einem Kuss, Und zwang durch diesen derben Gruss Das schwarze Fräulein zu entweichen. O frommer Jüngling, spiegle dich An diesem Beyspiel! Ritterlich Verfocht der strenge Mann die Tugend. Wenn sich ein schönes Kind dir naht, So schütz' auch du, wie Pachon that, Mit Backenstreichen deine Jugend! Wenn dich auch drob die böse Welt Vielleicht für ungesittet hält, So schweig, und lass dich's nicht verdriessen! Wer nach der Gunst des Himmels strebt, Darf, weil er jener Welt nur lebt, In dieser nicht zu leben wissen. Der junge Odendichter Wien im Weinmond 1785. Blest art indeed and glorious eloquence, Where empty noise supplies the want of sense! Pitt. In einer Feyerabendstunde, Als Titans röthlichgoldner Strahl Sich allgemach bergunter stahl, Macht' ich jüngst um den Wall die Runde: Da stiess mir in gesporntem Lauf Ein junger Musenzögling auf. Willkommen, Bruder! sprach der rasche Bartlose Dichterling zu mir, Und zog ein Blättchen aus der Tasche. Welch Glück für mich, dass ich Sie hier Zu so gelegner Zeit getroffen! Sie sollen über ein Paar Strophen, Die ich, Gottlob! so eben nun Nach langem schmerzlichen Bestreben Zur Welt gebar, den Ausspruch thun. Der Neugebornen Tod und Leben Vertrau' ich Ihrer Willkühr an; Denn, Freund! Sie sind ein wackrer Mann, Der selber aus dem Quell der Dichter Gern der Begeistrung Wonne schlürft, Und dem, als einem biedern Richter, Mein Geist sich willig unterwirft. Entscheiden Sie als Freund und Kenner, Ob diesem kleinen Lobgedicht Der Stempel des Genies gebricht! Die dreymaldreyfach grossen Männer, Die durch ihr Licht das Labyrinth Der Maurerey erhellen, sind Der Inhalt meiner kühnen Ode. Ich suchte nach der neusten Mode Die Sprach' ein Bisschen zu verdrehn, Und Worte, die hübsch nervicht klingen, Die Backen, wie ein Segel, blähn, Und stürmend um die Ohren wehn, In's Sylbenmass hineinzuzwingen; Denn Dichter, die bis zu den Höhn Der Sonn' empor auf Adlerschwingen Die Mus' erhebt, muss unter zehn Nur einer halb und halb verstehn. Die Zeit ist hin, wo unsre alten Reimstümper Uz und Hagedorn Trotz ihrem schlechten Schrot und Korn Für ächte gute Münze galten. Bey diesem drollichten Prolog, Wodurch mein Männchen mit Emphase Für seinen Unsinn focht, verzog Ich Auge, Stirne, Mund und Nase, Um des Gelächters Ungestüm, So gut ich konnte, zu bekämpfen; Denn eines jungen Dichters Grimm Ist, wie bekannt, gar schwer zu dämpfen, Und flammet, gleich verdorrtem Stroh, Im Augenblicke lichterloh. Ich suchte weislich mich zu fassen, Und musste halb aus Bruderpflicht Und halb aus Furcht durch sein Gedicht Mein Trommelfell erschüttern lassen. Mit tollen seltsamen Grimassen Fieng unser junger Versemann Nun seinen rauhen Päan an, Und zog mit seinem Versgepolter Mein Ohr, wie einst Domizian Die Christen, schrecklich auf die Folter. Geneigter Leser, hör' auch du, Wie ich es that, mit ernster Stille Dem skandinavischen Gebrülle Des Herolds deutscher Skalden zu! Dreymal drey Sonnenwenden vergeudet' ich, Die Midasohren Geistesverschnittener Durch Reimgetön zu kitzeln. Nimmer Fröhn' ich dem Schellengeklingel förder. Fleug Odenflug, mein kühner Gesang, hinfür! Sternschnuppen gleich, scheuss stolz durch den Äther hin! Sprich Hohn dem weichen Brautlenzreihnsang! Schalle nur donnernden Feldschlachtzornlaut! Wer ist der Erstling, den du, mein Saitenspiel! Mit Windsbrautssturmkraft schnell wie Gedankenflug Zum Sternenocean hinanhebst? ... Edle Dynasten des königlichen Dreydrillingsbundes, ihr seyd des Barden Stoff: Euch hebt die Tuba bis an den Sternenkamp; Ihr seyd die sicheren Piloten Aufschlusserwartender Lichtumsegler. Ihr seyd der tausendarmige Strom, der, ein Leitfaden, strömt durch's mystische Labyrinth: Ihr seyd der Pfeiler, der die grosse Ampel des strahlenumströmten Lichts trägt. Ihr seyd der Pfeilblitz, welcher den Waller durch Gewitternachtgraun wonnige Pfade führt: Ihr seyd der Aar, der unterm Fittig Seiner befiederten Kindlein Brut schirmt. Lobtönt, Posaunen! lispelt, o Harfen, Dank! Psalmt Preis, ihr Zymbeln! jubelt, Trompeten! Feyrt Laut von Äon hin zu Äon die Ehre der Erben des Lichtstrahlquellstroms! Vortrefflich! rief ich, meisterlich! Sie liessen, wär's um eine Wette Zu thun, selbst Pindarn hinter sich. O pulcre, bene, recte! ... Hätte Mir die Natur auch einen Mund Von Stahl und Eisen, einen Schlund Von Kupfer, tausend ehrne Zungen Und tausend adamantne Lungen, Ihr Loblied kundzuthun, verliehn, Nie reichten meine Kräfte hin; Denn höher, feuriger und kühner Schwang wahrlich keiner noch vom Chor Der Odensänger sich empor ... Ich bin Ihr ganz ergebner Diener. Schwesterngedicht Wien im Christmond 1785. Ihr wähnet, dass die Maurerey Kein Werk für Schwesternköpfe sey: O Brüder, höret auf zu lästern! Denn was ihr könnet, alles das Gelinget ohne Winkelmass Und Zirkel mancher unsrer Schwestern. Ihr bringt's durch Theophrasts Arkan Nun schon so weit, dass dann und wann Die Tiegel sammt dem Golde scheitern: Die Schwestern können, Gott weiss wie, Doch sicher sonder Alchymie, Euch euer Gold weit besser läutern. Durch Schröpfers magische Gewalt Bezähmt, muss manche Luftgestalt Zu allem, was ihr wollt, euch taugen: Die Schwestern fesseln einen Tross Dienstbarer Geister manchmal bloss Durch die Magie verliebter Augen. O Brüder! Edelmuth verkennt Nie neidisch fremden Werth, und gönnt Gern jedermann sein Bisschen Ehre. Drum gönnt sie unsern Schwestern auch! Es tön' ihr Lob nach Maurerbrauch Aus unserm blinkenden Gewehre! Auf die dem Freymaurerorden von Kaiser Joseph dem Zweyten öffentlich bewilligte Duldung Wien im Christmond 1785. Warum ertönt in jeder Maurerhalle Der laute Ruf des Hammers? warum ziehn Erwartungsvoll die scheuen Brüder alle Zu ihren Tempeln hin? Kam wiederum mit einer Hiobskunde Ein banger Schwarm verjagter Brüder an? Dräut irgendwo dem königlichen Bunde Ein neuer Fürstenbann? Drang abermal sich eine ungeweihte Zelotenschaar in einen Maurerkreis Wuthschnaubend ein, und gab des Tempels Beute Ergrimmten Flammen preis? Riss wiederum die schon besiegte Hyder Des Mönchthums sich aus ihrer Kluft hervor, Und hob zur Rache wider unsre Brüder Die scharfe Klau' empor? Nein, Brüder, bannt des Unmuths trübe Wolke Von eurer Stirn', und jauchzet! Josephs Mund That feyerlich vor seinem ganzen Volke Uns Schutz und Duldung kund. Ihr schüchternen zerstreuten Maurerhorden, Fasst neuen Muth! die Hand des Starken schlug Das ehrne Joch zu Trümmern, das der Orden In unserm Osten trug. Verkündigt es den Brüdern jeder Zone, Dass unsern Bau, auf Menschenwohl gestützt, Der grösste Fürst auf Deutschlands Kaiserthrone Mit seinem Schilde schützt. Ihm danken wir's, dass um des Tempels Schwelle Nicht mehr ein Schwarm verkappter Häscher irrt, Und nun nicht mehr, wie vormals, Schürz' und Kelle Des Hasses Losung wird. Zwar schäumen drob, voll Galle, Zions Wächter, Die, Eulen gleich, den Strahl des Lichtes scheun, Und mühn sich, uns beym Pöbel als Verächter Der Gottheit zu verschreyn. Doch, Brüder, scheut der Bonzen niemals müde Erbittrung nicht! sie grinse, wie sie will! Fiel nicht vor Josephs schrecklicher Ägide Manch stärkres Krokodill? Bleibt standhaft! zeigt, dass wir in Josephs Staaten Vor Tausenden des Schutzes würdig sind, Und machet euch durch ächte Maurerthaten Um seine Huld verdient! Beweist es laut, dass euern fesselfreyen Erhabnen Blick des Lichtes Glanz umschwebt, Und nach dem Tand verjährter Gaukeleyen Kein heller Maurer strebt! Lasst Weisheit, Lieb' und Tugend stäts euch leiten! Dann, Brüder, dann wird unser Bund gedeihn, Und einst noch in den fernsten Afterzeiten Der Menschheit Segen seyn. Amor und der Tod Nach dem Lateinischen des Sautel. Wien im Jäner 1786. Der Tod, ein alter hagrer Mann, Traf einst zur Nachtzeit auf der Reise Den jungen kleinen Amor an. Ein Regenguss, der eimerweise Aus einer Wetterwolke drang, Und Rheens irdenes Gehäuse Dem Weltmeer ähnlich machte, zwang Die zween berittnen Bogenschützen Vor einem Gasthof abzusitzen. Weil es kein klügres Mittel gab, Als willig hier zu übernachten, So legten sie die Köcher ab, Und liessen sich ein Ferkel schlachten. Nachdem ihr kleiner Abendschmaus Verzehrt war, zogen die zween Gäste, Vor Schlummer gähnend, die durchnässte, Vom Regen schwere Kleidung aus, Versenkten tief sich in ein niedlich Bepfülbtes Bett, und pflegten friedlich Des Schlafes, der mit raschem Flug Sie bald in's Reich der Träume trug. Die Wirthinn, der der blinde Bube Samt dem verdorrten Greis, der ihn Begleitete, verdächtig schien, Schlich nun aus Neugier in die Stube. Sie steckte bald in Amors Pack, Bald in des Todes Mantelsack Die mit dem feinsten Brillenglase Zu diesem Zweck verseh'ne Nase, Und leert', als sie die Köcher fand, Auf's Tischchen, wo die Lampe stand, Die Pfeile forschend hin, als plötzlich Der schelmische Beelzebub Kupido träumend ein entsetzlich Geheul in seinem Bett erhub. Betroffen las sie nun in Eile Die blindlings ausgeleerten Pfeile Zusammen, die beym matten Schein Der Lampe sich so arg verwirrten, Dass in Kupidens Köcherlein Des Todes Pfeile sich verirrten, Und manches Pfeilchen Amors sich Mit in des Todes Köcher schlich. Seit diesem feinen Abentheuer Sieht man, dass, gleich dem jüngsten Freyer, Der Graukopf nun um Liebe wirbt, Und oft zu früh der Jüngling stirbt, Weil itzt der Tod aus seinem Köcher Kupidens Pfeil' auf alte Schächer Aus Irrthum oft zu schleudern pflegt, Und mit des Knochenmannes Pfeilen Der kleine blinde Gott zuweilen Dem Jüngling Todeswunden schlägt. Der lockere Chorherr Nach dem Französischen. Wien im März 1786. Aus der Chorherrnschaar des alten Kirchenlehrers Augustin, Der, bis seine Mutter ihn Schärfer in der Zucht gehalten, Auch kein Mädchen von sich stiess, Gab ein junger lockrer Priester Satans üppigem Geflüster Nach und nach Gehör, und liess Sich mit einem schönen Kinde In ein Liebsverständniss ein. Lucifern die Nacht zu weihn, Wäre, dacht' er, keine Sünde, Wenn man nur die Morgenzeit Gott und seinem Dienste weiht. Als des Chorherrn Liebeshandel Seinem Abt zu Ohren kam, Fragt' er ihn, ob solch ein Wandel Mit der Keuschheit, Zucht und Scham Und der Regel sich vertrage. Aufgebracht durch diese Frage, Sprach der Chorherr rasch und kühn: Ich weiss meinen Augustin Selbst und besser auszulegen, Als so manches Kirchenhaupt, Das der stolzen Insel wegen Mehr als ich zu wissen glaubt. Das, was unsers Ahnherrn Lehren Feyerlich für Sünd' erklären, Billigt seine Lebensart; Denn er ist, wie ich gelesen, Vater eines Kinds gewesen, Eh' er Kirchenvater ward. An einen Rangsüchtigen Wien im May 1786. Bene qui latuit, bene vixit. Ovid. Freund, willst du, Thoren gleich, die, um vergnügt zu seyn, Der wandelbaren Gunst des blinden Glücks bedürfen, Erträumter Möglichkeit und täuschenden Entwürfen Der Zukunft deine Tage weihn? Sey klüger, und geniess des Daseyns kurze Frist, Statt sie mit nichtigen Phantomen zu verträumen! O sieh! der Lenz beginnt. Sieh, wie den Ahornbäumen Das jugendliche Laub entspriesst! Horch! Lerch' und Nachtigall verkünden rings umher Den frohen Wonnemond helltrillernd durch die Lüfte: Der Weste lauer Hauch, der Blühten Balsamdüfte Sind Boten seiner Wiederkehr. Sieh! alles, was sich regt, was auf beblümter Flur, Im hohen Luftrevier, im Wasserreiche lebet, Was rings im weiten Raum der Schöpfung Odem hebet, Freut sich der Anmuth der Natur. Die Freude beut auch dir ihr reiches Füllhorn dar: Lass nach der Grösse Tand des Stolzes Knechte dürsten! Vergnügen sey dein Ziel, nicht schnöde Gunst der Fürsten, Die stäts des Grams Gefährtinn war! Sieh jenen Höfling an! des Sturzes Bild umschwebt Prophetisch seinen Blick: der bangen Ahnung Leiden Verbittern stündlich ihm die unbefangnen Freuden, Die der nur kennt, der sorglos lebt. Drum zähme deinen Wunsch! leb' als ein freyer Mann! Was man nicht sehnlich sucht, vermisst man ohne Sorgen. Der Weise lässt durch nichts sich fesseln, was ihm morgen Des Zufalls Laune rauben kann. An das adriatische Meer Trieft im Brachmond 1786. Adria, deren elastischem blauen Busen manch blühendes Eyland entspriesst, Holde schilfhaarichte Tochter des grauen Oceans, sey mir, o Göttinn, gegrüsst! Ehrfurchtsvoll nah' ich der heiligen Urne, Deren vielfärbiger zackichter Rand, Ringsum mit Städten gekrönt, die azurne Ebene deines Gebietes umspannt. Schön bist du, Nymphe, wenn Zephyr die Falten Deines smaragdenen Mantels durchpflügt, Und in den flimmernden silberbestrahlten Furchen die blitzende Sonne sich wiegt. Lieblich ist's, wenn dein Gewässer, sich schaukelnd, Sachte den Rand des Gestades benagt, Oder, in schäkerndem Wirbeltanz gaukelnd, Hastig ein Wellchen das andere jagt. Sey mir, o Wogenbeherrscherinn, gnädig! Schütze die schüchterne Barke, die bald Fern nach dem flutenentstiegnen Venedig Hin mit mir gleitet, vor Äols Gewalt! Schirme mich friedlichen Zögling der Musen, Wenn sich, von tobenden Stürmen durchbrüllt, Abgrunderöffnend dein gährender Busen Plötzlich bald senket, bald felsenhoch schwillt! Schütze das Schiff, wenn mit schrecklichem Dräuen Eurus das knasternde Segel durchpfeift, Und mit zerstörendem Grimme den scheuen Mast ein unbändiger Windstoss ergreift! Dankbar gelob' ich, alsdann dir, o traute Göttinn, ein festliches Loblied zu weihn: Lauschend vernehm' es in Osten der laute, Ister, in Westen der wallende Rhein! An Herrn Pezzl Venedig im Brachmond 1786. Du, dessen redliches trugloses Angesicht Der Seele Lauterkeit beym ersten Blick verkündet, O Freund, mit dem das Band der brüderlichen Pflicht, Doch mehr noch eigne Wahl des Herzens mich verbindet, Diess Blatt, mit welchem dich dein ferner Freund begrüsst, Sey dir ein Unterpfand, wie theuer du mir bist Du warst mir gut auf festem Lande: Sey mir's nicht minder hier am feuchten Meeresstrande, Wenn gleich itzt zwischen uns so manche Wolke schwebt, Und mancher steile Berg sein Riesenhaupt erhebt! Geliebter! dreymal hat nun Titans goldner Wagen In Amphitritens flimmernd Grün Hinunter sich getaucht, seitdem ich (so zu sagen) In Einem Element hier mit den Fischen bin. Der Anblick dieser Stadt, die auf dem weichen Rücken Des mächtigen Neptuns, von der beschäumten Flut Des Meeres rings bespült, fest, wie auf Felsen, ruht, Ist in den ersten Augenblicken Für eines Neulings Aug' ein magisch Phänomen. Statt Menschen würdest du Amphibien hier sehn, Die täglich halb auf trocknem Boden leben, Halb auf der See in schwarzen Gondeln schweben. Du wähntest, durch die Allgewalt Des Zaubers unsichtbarer Feen In eine neue Welt dich hingebannt zu sehen. Doch, Theuerster, nur allzubald Hat man aus hundert tollen Streichen, Wodurch die Menschen sich hiernieden alle gleichen, Bey diesem Völkchen sich belehrt, Dass es nur zu gewiss zum Narrenrund gehört. Freund! wär' ich Heraklit, so weint' ich nun wohl freylich, Dass ich, wie überall, hier wieder Narren fand: Doch ein gewisses Mass von Tollsinn ist verzeihlich; Die Welt ist ja der Thorheit Vaterland. Man mag sie weit und breit von einem Pol zum andern, Zu Wasser und zu Land durchwandern, So trifft man allerwärts der Menschheit Schwächen an. Wer drob sich härmen will, ist wahrlich schlimm daran, Besonders hier; denn traun! bey allen Völkerschaaren Kann Aberglaube sich mit Sittenlosigkeit, Schamlose Betteley mit Aufgeblasenheit Wohl nirgendwo, als hier, in solcher Blösse paaren. Von einem Baldachin umschanzt, Und mit Akazien und Rosen rings bepflanzt, Zeigt sich, von Fackeln hell umschimmert, deinem Blicke Am höchsten Rand der stolzen Marmorbrücke Rialto hier das wundervolle Bild Des Mönchs von Padua, der einem Schwarm von Fischen, Die höchlich, wie mir scheint, sich seiner rednerischen Talente wunderten, einst eine Predigt hielt. Gleich Strömen, welche wild aus ihren Ufern treten, Drängt sich das Volk herzu, den Götzen anzubeten, Schlägt mit geballter Faust die fromme Brust sich wund, Bekreutzt sich, und verzerrt den andachtsvollen Mund. Nicht fern davon in einer Nebengasse Sitzt, öffentlich geschützt von einem freyen Passe, Der ungestraft zum fleischlichen Kommerz Berechtigt, dort in geilen Gruppen Ein Amazonenschwarm von Aphroditens Truppen, Und rufet dich durch ungezähmten Scherz, Durch freche Schmeicheleyn und buhlerische Künste Im Angesicht des Volks zu Cypris Opferdienste. Mit Staunen stehst du da, wenn nun zum erstenmal Vor dir der Markusplatz sich öffnet, und dich dünket, Du seyst in jenem Zaubersaal, Wo mit der Götterschaar Zevs seinen Nektar trinket: Doch dieser süsse Wahn fliegt wie ein Blitz vorbey, Und deine Täuschung nimmt ein tragikomisch Ende; Denn hier naht plötzlich sich mit kläglichem Geschrey Ein ganzes Bettlerheer, und ringt die eklen Hände, Um einen Sold dich bittend, rings empor: Dort steigt mit Kato's Ernst stolz zwischen den Arkaden Des Platzes, mit der Last des ganzen Staats beladen, Im Senatorenputz ein Pantalon hervor. Sein schwarzer Amtsornat, der oben am Genicke Entspringt, und feyerlich bis auf den Boden reicht, Hat eines Schlafrocks Form: die komische Perücke, In Locken ohne Zahl emporgeringelt, gleicht Dem Haupthaar des berühmten Leuen, Den einst Sankt Markus zum getreuen Gespielen sich erkor, und der nun, aufgestellt Am Markusplatz, mit ihm die Wache hält. Doch still! mein kühner Mund beginnt sich zu verirren; In diesem knechtischen Kakistokratenstaat Gilt jedes freye Wort für einen Hochverrath. Belauschte mich das Heer der immerwachen Sbirren, So stünd' es schlimm mit mir: man würde mich fürwahr Nicht wie den Schmeichler Sannazar Mit einem Beutel voll Zechinen Für meine Reimerey bedienen. Drum lebe herzlich wohl, bis dich in Wiens Gebiet, Wo keine Sbirren sind, mein Auge wiedersieht! Grabschrift des heil. Antons von Padua Padua im Brachmond 1786. Wen weder Frank, noch Merz, noch Fast bekehren kann, Den schickt zu diesem Grab. Hier ruht ein Wundermann, Der selbst ungläubigen Meeraalen und Makrelen Zu predigen nicht unterliess, Und viel verstockte Häringsseelen Dem Teufel aus dem Rachen riss. An Fräulein Gabriele von Baumberg Innsbruck im Brachmond 1786. Ein junger Musensohn, der, seine Milz zu heilen, Nun frische Bergluft schnappt, entbeut durch diese Zeilen Der schönen Sängerinn am stolzen Isterfluss Hier vom bescheidnen Inn der Freundschaft trauten Gruss. Verehrungswerthe Gabriele, Die du des Körpers Reitz durch Bildung deiner Seele Verschönerst, Häuslichkeit mit Geist und Witz vereinst, Und wider den Gebrauch der weiblichen Pagoden, Für die das Studium der Moden Das Non plus vltra ist, mehr zu bedürfen meinst, Als das Talent, das Lärvchen weiss zu schminken, Von hundert Bändern flugs das schönste zu erspähn, Mit Artigkeit Kafee zu trinken, Auf weichen Sophen sich recht adelich zu blähn, Des Gatten Zuversicht mit schlauer Kunst zu täuschen, Und wackrer Leute Ruf mit Anstand zu zerfleischen, Wenn meine rohe Zeichnung dir Nicht missfällt, so vergönne mir, O süsse Schwester der Kamönen, Die mannigfaltigen Schattirungen und Scenen Der unverkünstelten Natur, Die hier zu Land mir zu Gesichte kamen, Mit ungeübter Hand, im Schattenrisse nur, Auf diesem Blatte nachzuahmen. So wie man sich, von Wälschlands Reitzen satt, Von der berühmten Vaterstadt Des lockeren Katulls (der hier bey manchem süssen Gedichtchen, dem es noch an Politur gebrach, Nach ältrer Dichter Art die Nägel sich zerbissen) Nach Norden kehrt, thürmt allgemach Die Erde sich empor, und wolkenhoch erheben, Von grauen Nebeln rings umgeben, Der Berge Häupter sich, die Wälschlands milder Luft Den Eintritt in Tyrols verwachsne Thäler wehren. Es reiht sich Berg an Berg: des Thales enge Kluft, Voll finstrer Tannen, gleicht der Heimath wilder Bären. Hier richtet senkrecht sich bis in der Wolken Saum Die steilste Steinwand auf, aus deren dunkler Ritze Einsiedlerisch ein halbverwelkter Baum Emporzuwachsen strebt: dort streckt die nackte Spitze Ein traurigkahler Berg empor, Den grünlichgelbes Moos und grauer Kies umhüllen. Aus seinem Rücken ragt ein Felsenstück hervor, Und droht, zum Sturze reif, der Tiefe Schlund zu füllen. Des Thales Raum ist dicht mit Steinen übersät, Aus denen hie und da ein Distelstrauch entsteht. Es herrschet weit und breit ein schauerliches Schweigen: Vergebens sucht man nur ein Hüttchen zu erspähn. Nichts regt sich rings umher im Thal und auf den Höhn: Kaum ächzt ein Vögelchen auf dürrer Bäume Zweigen. Wie freut' ich mich, als dieses wüste Land, Mit schroffen Felsenhöhn so wie mit einer Kette Umschlossen, mehr und mehr vor meinem Blick verschwand, Und ich in eines Thals gewässerreichem Bette, In dem, umschanzt von Höhn, auf einer mildern Flur Sich Rovereith, Trient und Botzen Erheben, beyderseits durch grüne Schatten fuhr! Zwar scheint die Erd' auch hier verwildert; denn es trotzen Noch, schichtenweis' in blanken Schnee verhüllt, Mit Tannenbäumen dicht und wild Bewachsen, und mit Wolkenschleyern Bemäntelt, steile Reihn von rauhen ungeheuern Gebirgen um und um dem nahen Horizont. Es stürzen brausende mit Schaum bedeckte Bäche Sich rasch von Fels auf Fels hinunter in die Fläche: Doch ist der Boden rings bepflanzet, und besonnt Blinkt bald ein Thurm, bald eine Hütte, Bald der zerfallne Rumpf von einem Ritterschloss Durch schattichtes Gesträuch, bald weidet sorgenlos Ein Schaafhirt seine Heerd' auf eines Hügels Mitte. Aus diesem langen Thal und seiner Haine Grün Zieht nun der enge Pfad sich gegen Brixen hin. Hier wird, obwohl auch da nicht weniger gigantisch Das waldichte Gebirg sich in die Luft erhebt, Und oft sein Gipfel frey auf niedern Wolken schwebt, Die Aussicht um und um viel heller, und romantisch Bald falb, bald grün schattirt, und mit Gesträuch besäumt, Erweitert sich das Thal, durch das die Eisack schäumt. An Korn und Reben reich, erhöhen stufenweise Sich Alpenreihen rings im Kreise. Hier zeigt ein Sommerhaus sein rothgefärbtes Dach; Dort gleitet sanft ein silberheller Bach Den Hang des Bergs hinab, und wässert eine Wiese: Kurz, dieses holde Thal gleicht einem Paradiese. Doch allen diesen Reitz und mehr noch überwiegt Des Hügels Anmuth weit, auf welchem Ambras liegt. Hier hat das Auge Raum, sich rings an Matten, Auen, Fruchtfeldern, Rebenhöhn und Quellen satt zu schauen. Diess alte Schlösschen ist's, wo an der Schwanenbrust Der schönen Welserinn im Taumel süsser Lust Einst Herzog Ferdinand so manches Stündchen säumte, Als er, trotz seines Vaters Drohn Und Philippinens Stand, bey Tag' ihr auf dem Thron Und nachts in seinem Bett ein kleines Plätzchen räumte. O Freundinn, wenn ein Mann von deutscher Biederart Bald das, was Ferdinand einst Philippinen ward, Auch dir wird, und dich liebt, wie treue Gatten lieben, So denkt dabey an den, der dieses Blatt geschrieben, Und mit dem warmen Wunsch es schliesst, Einst im zufriednen Kreis von Kindern dich zu sehen, Die mit Entschlossenheit die Bahn der Tugend gehen, Und gut und edel sind, wie's ihre Mutter ist. Wehklage über Kostnitz Kostnitz im Heumond 1786. O Kostnitz, die du einst von Deutschlands freyen Städten Mit nichten die geringste warst, Und Krämer, deren Gold der Erde Majestäten Geschmeidig huldigten, gebarst! Dahin ist nun die Zeit, als aus der Fremden Säckeln In deine Pforten Reichthum quoll, Und laut bis in die Nacht von stolzer Wuchrer Mäkeln Dein lärmerfüllter Marktplatz scholl. Verwelkt ist deine Zier. Der Erde Völker wallen Nicht mehr zu deinen Mauern hin: Tief, wie einst Tyrus fiel, tief, tief bist du gefallen, Des Bodensees Beherrscherinn! Wie auf dem Weingebirg ein Winzerhaus im kalten Eismonde wüst und einsam steht, So stehst du öd' und leer, und bist gleich einer alten Reitzlosen Buhlerinn verschmäht. Auf deinen alternden entvölkerten Gebäuden Keimt traurig, wie auf einem Grab, Die dürre Nessel auf: in deinen Gassen weiden Der Schaafe Heerden auf und ab. Auf deinen Thürmen wohnt ein banger Schwarm von Eulen, Der jammernd dein Geschick beklagt: Dein Volk ist rings zerstreut, wie Stoppeln, die mit Heulen Der Nordwind in die Wüste jagt. Wie herrlich warst du einst, als Priester und Leviten, Die, Roms erhabnen Vatikan Zu rächen, manchen Feind des Pfaffenstolzes brieten, Zu Hussens Richtplatz dich ersahn! Da drang durch deine Thor' ein Schwall von schwarzen Bäuchen, Die sich vom Evangelium Wie Fürsten mästeten, herbey aus allen Reichen Zum heiligen Synedrium. Da schwand der frohe Tag den üppigen Prälaten. Beym Trinkgelag: da ward die Nacht In feiler Dirnen Schooss, der Zehnten und Annaten Mit heisser Gier verschlang, durchwacht. Bejammernswerthe Stadt! seit diesen Tagen wandten, Verscheucht von träger Lustbegier Und von der Schwelgerey hochwürdiger Bachanten, Sich Fleiss und Wohlstand weg von dir. Doch fasse neuen Muth! denn sieh! es strömt in Schaaren Ein kunstgeübtes Volk herzu, Und suchet, fern von Genfs unrühmlichen Gefahren, In dir die langentwöhnte Ruh. Es führen im Triumph in fernen Afterzeiten Vielleicht noch einst das spröde Glück, Mit dem die Jünger Roms so lange dich entzweyten, Die Zöglinge Kalvins zurück. Der Rheinfall Schafhausen im Heumond 1786. Horch! welch ein dumpfer Laut, wildmurrend, wie der träge Geschwächte Ton entfernter Donnerschläge, Dringt feyerlich an mein erstauntes Ohr, Und welch ein fremdes banges Zischen Steigt schauderhaft aus den Gebüschen Des steilen Abhangs dort empor! Führt dieser enge Pfad mich zu der Feueresse Des lahmen Donnerschmieds Vulkan? Wie? oder wälzt nicht fern sich über Stein' und Klösse Der Flammenschwall des Phlegetons heran? Beflügle deinen Schritt, o Führer! solch ein Feuer Blies Neubegier noch nie in meinen Adern an. Beflügle deinen Schritt! ein grosses Abentheuer Harrt unser. Lass uns kühn der Tiefe Rand uns nahn! Ha! wo bin ich? welche niegeseh'ne Majestätischfürchterliche Scene Der Natur enthüllt sich meinem Sinn! Täuschen mich die Augen? oder raffte Zaubertrug mich in die fabelhafte Heimath wunderbarer Feen hin? Sieh! ein Schneestrom, aufgepflügt von Klippen, Drängt durch kahlgenagter Berge Rippen Sich heran an eine Felsenwand, Und entstürzt wildschnaubend, gleich dem Winde, Der dem Rachen engverschlossner Schlünde Sich entreisst, dem schaudervollen Rand. Wie erbebt die schwache bange Mühle, Deren Wand im heftigsten Gewühle Diessseits die erbosste Flut beschäumt! Selbst die Veste Laufen scheint zu wanken, Deren Giebel zwischen grünen Ranken Jenseits einem schroffen Berg entkeimt. Nur die Zwillingsfelsen, deren nackte Scheiteln mitten in dem Katarakte Dort des Stroms vereinte Wuth bestürmt, Und von deren Häuptern Schaum in Flocken Dick emporstaubt, ragen unerschrocken Aus der Flut, die wolkenwärts sich thürmt. Beym Himmel! nicht umsonst verhiess des Rufes Stimme Mir grosse Wunder hier. Lass uns bergunter gehn, O Führer, und beherzt in seinem vollen Grimme Den Sturz der wilden Wogen sehn! Komm! lass uns hin zu jenem Nachen eilen, Der am Gestade dort uns freundlich zu sich winkt, Und die beschäumten Fluten theilen, Aus denen spiegelhell die Sonne wiederblinkt!... Schon tanzt, vom Ufer fern, der kühne Harmlose Kahn mit uns durch den empörten Schwall: Sieh! höher hebt sich itzt des Falles breite Bühne, Und blanker Schaum verhüllt der Sonne Flammenball, Wie sauset und braust nun im schnellen Gewirbel die Fülle der Wellen Vom schäumenden Walle herab! So rollen von Gletschern Lauwinen Mit donnerndem Schall auf die grünen Gefilde des Thales hinab. Wie sprüht aus dem raschen Gedränge Der berstenden Flut das Gemenge Des luftigen Schneestaubs empor! Wie dampfet im sonnigen Schimmer Vom wogenbestürmten Getrümmer Des Felsen der Nebel hervor! Wie balgt das Gewässer, gespalten Von Steinen, in hundert Gestalten Sich ringsum im wilden Turnier! O herrlicher Anblick! du füllest Mit Staunen den Sinn, und enthüllest Die Allmacht des Schöpfers vor mir. Ermüde nicht, o Schiffer! schon beschatten Des festen Landes Höhn das Ruder. Lass den Arm So nah am Ziele nicht ermatten! Vergebens stürmt der Fluten frecher Schwarm Mit Ungestüm die Wand des Nachens: fruchtlos dräuen Lautknirschend unter uns verborgne Felsenreihen. Der kleine schlaue Kahn bahnt trotz dem Widerstand Der Wellen sich den Weg, und wühlt sich bald gerade, Bald seitwärts durch den Strom ... Schon fass' ich an dem Rand Des Ufers das Gesträuch: schon sind wir am Gestade. Sieh! diese steile schmale Bahn Am Flusse führt uns dicht zum Katarakt hinan. Ha! welch ein Wogengetümmel Wallt auf mich los! Hat der Himmel Sich mit dem Erdball entzweyt? Stürzen die Wolken sich wieder Wüthend in Strömen hernieder, Wie zu Deukalions Zeit? Sieh! wie die Wasserflut, schäumend Sich auf der Felsenwand bäumend, Hoch wie ein Berg sich erhebt, Und, von dem Schwalle von oben Abwärts geschleudert, mit Toben Sich in den Abgrund vergräbt! Tosendes Krachen erschüttert Ringsum den Boden: es zittert Bang auf den Bäumen das Reis. Schwindel ergreifet die gähen Häupter der Berge: sie drehen Magisch herum sich im Kreis. Taumelblind wendet mein irres Auge, des Wellengewirres Satt, sich zur stilleren Flut: Sieh! da entsteiget den Wogen, Iris! dein reitzender Bogen Röthlich, wie dämmernde Glut. Erhabner Vater Rhein! von staunendem Entzücken Begeistert, trenn' ich mich mit wundertrunknen Blicken Von diesem Zauberort. Bald werd' ich fern von hier, Wo deine Fluten wild um Felsentrümmer brausen, Ehrwürdigster der deutschen Flüsse! dir In sanftern Gegenden mich nahen, wo der krausen Gebüsche Wölbungen mich, froh dir nachzuspähn, An deine grünen Ufer laden, Und muntre Haine sich und rebenreiche Höhn In deinem wirthlichen Gewässer ruhig baden. Auf ein schlechtes Gemälde des Grafen Cagliostro, dessen Kopf sich in einer widernatürlichen Wendung zu weit rückwärts drehte Strassburg im Heumond 1786. Mit Billigkeit verrückte man Dir hier den Kopf, du schlauer Scharlatan! Denn du hast Tausenden das nämliche gethan. Parodie von Horazens neunzehnter Ode im zweyten Buch. Augsburg im Heumond 1786. Ich sah (ihr Enkel, ohne Scherz!) Heut nachts im Traum den Eifrer Merz Den Predigtstuhl besteigen, Sah Küchennymphen, halb zerdrückt Von Handwerksjungen, unverrückt Ihr Ohr zur Kanzel neigen. Potz Blitz! wie weidlich klopfte nicht Der wackre Kämpfer das Gezücht Der Ketzer auf die Finger! Mir gellen, traun! die Ohren noch: »Ach, schone, rief ich, schone doch, Du tapfrer Schnupftuchschwinger! Ich will ja glauben, dass die Hand Des Papstes zum gelobten Land, Wo Milch und Honig fliessen, Den Schlüssel hat, um allen Herrn Sektirern und Schismatikern Das Pförtchen zu verschliessen; Will glauben, dass du bibelfest Der Protestanten Drachennest Schon halb, wie Spreu, zerstäubtest, Und manchen armen Pastor schon Durch deiner Stimme Donnerton Auf immer übertäubtest. Du bändigst, grosser Thaumaturg! Halb Augsburg, Ulm und Regensburg, Ja fast das ganze Schwaben, Und keiner von der Ketzerbrut Vermag mit aller seiner Wuth Dir je was anzuhaben. Du hautest Luthern, welcher sich Den Vatikan so freventlich Zu stürmen unterstanden, Und seiner Jünger Riesenschwarm Mit deinem orthodoxen Arm Totaliter zu Schanden. Zwar wähnt das böse Lutherthum, Es stünd' um unsrer Kirche Ruhm Weit besser, wenn du schwiegest: Allein wer kann in Deutschland nun Den Ketzern allen Einhalt thun, Wenn du sie nicht bekriegest? Dich würde selbst, wenn du den Mund Nur öffnetest, der Höllenhund Nicht wagen anzublecken, Und, wedelnd mit dem krausen Schwanz, Die Zehn, o schrecklicher Popanz Der Ketzer! sanft dir lecken.« An den Erzvater der alleinseligmachenden bayrischen Kirche Herrn Pater Frank München im Heumond 1786. Malheur à qui s' éclaire! Voltaire. O du, den zum Gewissensrath Sich Theodor erkoren, O lass, ehrwürdigster Prälat! In deinen hohen Ohren, Die zwar durchlauchtigen Vergehn Sonst bloss allein zu Diensten stehn, Nun auch gemeine Sünden Ein Zufluchtsplätzchen finden! Ich klag', o hochgeweihter Mann! Vor deinem Richterstuhle Mich als ein lockres Herrchen an, Das, von der dreisten Schule Der neuern Philosophenzunft Verführt, der menschlichen Vernunft Oft mehr, als manchem Haupte Der Mutter Kirche, glaubte. Ich wähnte, dass die Maurerey Ein ehrenvoller Orden, Und (Herr, verzeih mir's) besser sey, Als alle trägen Horden Der Derwische, die zum Ruin Des Landvolks rings durch Bayern ziehn, Um frommen Christenkindern Die Häuser auszuplündern. Ich opferte gewissenlos Bey Baylen und Voltären Manch Stündchen auf, und hielt Rousseau's Verblendung hoch in Ehren. Ich pflegte salua venia Herrn Zabuesnigs Opera Oft frevelhaft beym Schmauchen Als Fidibus zu brauchen. Ich glaubte, dass zur Professur Des Kirchenrechts nur Layen, Nicht Mönche, die dem Staat ein Schwur Entwandte, tauglich seyen, Und dass bey einem solchen Amt Den Kuttenträgern insgesamt Nicht mehr zu trauen wäre, Als Katzen bey dem Schmeere. Ich hätte gerne für ein Paar Von Zaupsers lahmen Fingern Die ganze wohlbeleibte Schaar Von Bayerns Ordensjüngern Mit Haar und Bart und Kopf und Fuss Ja (weil ich's doch gestehen muss) O Frank, bey meinem Leben! Dich selber hingegeben. Ich sah (bis du des Bessern mich Vom Predigtstuhl belehrtest, Und, dass dir's Ernst war, feyerlich Am Maurervolk bewährtest) Die Menschen stäts für Brüder an, Und wähnt', es wäre wohlgethan, Wenn man die Menschenliebe So weit, als möglich, triebe. Ich weiss, dass dieser Sündenschwall Mich nach dem Kirchenrechte Der frommen Bayern Knall und Fall Nun an den Bratspiess brächte: Doch, Vater Frank, verzeih! ... Wo nicht, So sey's denn, wenn ich armer Wicht Nur keiner Pfaffenheerde Zum Opferbraten werde! Ich will mich lieber schnurstracks hin In Satans Küche trollen, Um dort mich braten oder brühn Zu lassen; denn es sollen Die schwarzen Herrn der Unterwelt Trotz dem, was Kochems Buch enthält, Nicht halb so gräulich toben, Als unsere hier oben. Der ketzerische Dorfjunge Nach dem Französischen. Linz im Heumond 1786. Der beleibte tonnenschwere Dorfvikar Spiridion Fragte bey der Christenlehre Veiten einst, ob Gottes Sohn Gleichfalls Gott sey, wie der Vater. Nein, sprach Veit, der nicht, Herr Pater! Wie? rief, vor Entsetzen bleich, Der Vikar, ey! wer, zum Plunder! Lehrte dich solch Zeug? Kein Wunder Wär' es, Gott im Himmelreich Lähmte spornstreichs dir die Zunge. Sachte, sachte! sprach der Junge, Macht nur kein so wild Gesicht! Noch bis jetzt ist er es nicht: Doch sollt' einst der Vater sterben, Dann vermuth' ich, Herr Kaplan, Dass es ihm als nächstem Erben Ganz gewiss nicht fehlen kann. An meinen lieben Freund S**r Nach dem Englischen des Swift. Wien im Sommermond 1786. So wie, erpicht auf Braten und Tockayer, Der feiste Mönch, der jede Kirchenfeyer Der Kirche halb, und halb der Küche weiht, Sich auf das Fest des Ordensstifters freut, Weil, während man am Hochaltare singet, Und feyerlich das blanke Rauchfass schwinget, Melodisch auch der Bratenwender schnarrt, Und blinkend schon die volle Flasche harrt, So sehnt' ich, Freund! mich nach dem Freudenmahle, Das gestern du in deinem Gartensaale Mir zugedacht: doch, Lieber! das Geschick Hielt schadenfroh mich in der Stadt zurück. Ich war bereit, mein Wort als Mann zu halten: Doch Klärchen zog die Stirn' in dunkle Falten, Und sprach voll Ernst: »Landstreicher, bleib zu Haus, Und gieb dein Geld nicht stäts für Kutschen aus! Ich wittre Sturm; denn mürrisch sitzt die Katze Im Winkel dort, und haschet mit der Tatze Nicht so, wie sonst, possierlich nach dem Schwanz. Mein hohler Zahn fieng gestern abends ganz Entsetzlich an zu wüthen, und die Düfte Des nahen Schlauchs durchwürzten rings die Lüfte.« Unschlüssig stand ich an der Pforte, so Wie Cäsar einst am Flusse Rubiko. Doch plötzlich ward's am Kahlenberge düster: Ein Wirbelwind erhob sich: längst dem Ister Versammelten die Wassernymphen sich, Ihr Leinenzeug zu retten: fürchterlich Balgt' in der Luft der Wind sich mit dem Staube, Und mancher Hut ward dem Orkan zum Raube. Dem Säufer gleich, der bey dem Trinkgelag Mehr Wein verschlingt, als er ertragen mag, Spie häufig nun die überfüllte Wolke Den Regen aus, und drohete dem Volke, Das im Bezirk der weiten Kaiserstadt Sich gütlich thut, ein zweytes Sündenbad. Manch schönes Kind floh itzt zur Krämerbude, Feilscht' allerhand, bot wie ein karger Jude Nur halben Preis, und kauft' am Ende nichts. Der Wiederkunft des holden Sonnenlichts Gewärtig, stand, wie ein verlornes Schäfchen, Mit leerem Sack manch armes wälsches Pfäffchen Am Kirchenthor, und that beschämt zum Schein, Als wollt' es gern nach einer Sänfte schreyn. Umsonst bestritt mit ihrem Regenschirme Frau Susens Hand des Wirbelwindes Stürme: Ihr Obdach fliegt zersplittert in den Koth, Und spottend lacht der Pöbel ihrer Noth, Welch einen Schwarm von mancherley Gelichter Paart' itzt der Sturm! ein auf den Putz erpichter Exjesuit, dem seines Kleids Ruin Viel näher lag, als Kirchendisciplin, Sprach friedlich hier mit einem Jansenisten, Und dort stand dicht bey Maurern, Atheisten Et cetera der fromme Vater Fast, So wie ein Schaaf sanft zwischen Böcken grast Wie schmiegte sich, als trommelnd Schloss' auf Schlosse Nun über ihm die Wölbung der Karosse Erschütterte, so mancher Seladon! So schmiegte sich, als einst Laokoon Mit frecher Hand dem hölzernen Wallachen Auf offnem Markt zu Troja in den Rachen Die Lanze stiess, in stäter Todsgefahr Im Bauch des Gauls der Griechen feige Schaar, Ein Lumpenvolk, das letztlich, gleich brutalen Kadetten, statt den Fuhrlohn zu bezahlen, Vom Leder zog, die Kutscher Schurken hiess, Und sie zum Dank wie Hunde niederstiess. Nun stand die Stadt, so weit mein Blick zu sehen Vermochte, rings im Wasser, und Trophäen Von mancher Art riss die ergrimmte Flut Wild mit sich fort. Hier kreutzt' ein alter Hut Im Golf herum: dort an der Rhede schifften Zwo Hauben hin: hier legten Merzens Schriften, Die, leider Gott! das Ketzervolk nicht liest, Aus Sympathie an einem Haufen Mist Vor Anker sich: dort segelten die Fetzen Von einem Hemd mit andern seltnen Schätzen Des Trödelmarkts: hier schwamm auf offnem Meer Ein armer Schuh, und kläglich hinterher Der ganze Kram von einem Hökerweibe. Beherzt sah ich durch meine Fensterscheibe, Und dachte froh: wie selig ist der Mann, Der trocken nun im Zimmer sitzen kann! Fastenlied Linz im März 1787. Dorinde, sieh, die Zeit der Maskeraden Ist nun entflohn, Und Komus zieht, mit Geigen schwer beladen, Betrübt davon. Reumüthig schleicht der frommen Magdalenen Zerknirschte Schaar, Des Himmels Zorn durch Beten zu versöhnen, Nun zum Altar. Manch loses Kind, dem noch vom Wirbeltanze Die Wangen glühn, Wallt sittsam itzt mit seinem Rosenkranze Zur Kirche hin. Die Priesterzunft ergreift nun statt der Flasche Den Weihbrunntopf: Das Layenvolk trägt statt des Puders Asche Auf seinem Kopf. Der süsse Herr, der stolz die Silberflocken Des blanken Schnees Durch sein Gesicht beschämet, hört erschrocken: Tu puluis es. Die Kirch' ertönt von Psalmen, Litaneyen Und Bussgeschrey, Und sieh! auch du, Dorinde, stimmst dem Schreyen Der Büsser bey. Mir aber, Kind! mir predigst du vergebens Von Busse vor: Gern fleht' auch ich um Besserung des Lebens Mit dir empor. Gern wollt' ich mich, hätt' ich nur was zu büssen, Mit dir kasteyn: Doch, züchtige Vestalinn! mein Gewissen Ist leider! rein. O möchtest du nur eine kleine Sünde Mir zugestehn! Dann solltest du mich willig, o Dorinde, Als Büsser sehn. An meinen Freund Alxinger Linz im Heumond 1787. Nihil mihi nunc seito tam deesse, quam hominem eum, quocum omnia, quae me cura aliqua afficiunt, vna communicem, qui me amet, qui sapiat, quicum ego colloquar, nihil fingam, nihil dissimulem, nihil obtegam. Cicero. Kein Gut, und wenn es auch das summum bonum ist, Wird nach Verdienst geehrt, so lang man es geniesst: Erst, wenn es uns den Rücken kehrte, Erst dann schätzt man's nach seinem wahren Werthe. Vergieb mir (falls dein Ohr, o Theuerster! den Witz, Der, Flammen gleich, aus deinem Munde lodert, Auch von den Lippen andrer fodert) Wenn meines Briefes Frontispitz Vermuthlich dich durch diesen längstbekannten Gemeinsatz gähnen macht, der in den Folianten Der steifen Moralistenschaar Schon hundertmal der Motten Speise war! Alt ist das Sprüchlein zwar, und tüchtig Genug durchdroschen, Freund! doch seit mir das Geschick Jüngst, wie ich hoffen will, nur deines Umgangs Glück, Nicht auch dein Herz entzog, ward es mir neu und wichtig. Ich fühle nun, geliebter Pylades! Mit banger Sehnsucht fühl' ich es, Was du mir warst, und bist, wie sehr ich dich vermisse. Oft seit dem letzten unsrer Küsse Gedenk' ich, wenn mein Blick beym Glanz des Hesperus Mit stillem Neid zu euch den stolzen Isterfluss Hinunter eilen sieht, der frohen Abendstunden, Die beym sokratischen Pokal Halb ernst, halb lächelnd uns entschwunden. Bald wurde feyerlich vor unserm Tribunal Das Schicksal eines Reims entschieden: Bald rächten lachend wir an dummen Verseschmieden Des Musengotts beschimpfte Majestät: Bald gab ein plumper Musaget Und unsrer kritischen Tagschreiberzunft verstecktes Gefühl zum Spott uns Stoff, bis endlich unverhofft Die schwarze Mitternacht zu Bett uns rief. O noctes Caenaeque Deum! ruf' ich oft Mit unserem Horaz inbrünstig auf, und eile Nach meiner Stube hin, wo ich die lange Weile, Die manchmal unversehns mich armen Robinson Auf meiner kleinen wüsten Insel Zu unterjochen sucht, durch Maro's Heldenton, Horazens muntern Witz und Naso's Klaggewinsel, Durch Swifts verwägnen Muth und Popens Energie, Durch eine schlaue Blasphemie Des leidigen Voltärs, durch Wielands zauberreiche Urbanität von Zeit zu Zeit verscheuche. O Freund, wie öd' und leer scheint mir mein Aufenthalt, Wo keiner Muse Lied erschallet, wo man, kalt Für Wollust feinrer Art, für geistiges Vergnügen, Nur thierische Begierden kennt, Bloss für des Pöbels Freuden brennt, Die Herz und Geist in dumpfen Taumel wiegen, Nur stäts dem Ombregott und seiner Kebsfraun Schaar, Der allvermögenden Spadille, Der flugs, wie Proteus, sich verwandelnden Manille Und ihrem jüngern Schwesternpaar, Der Balta und der Ponto, fröhnet, Und dieser Götzen Lob von allen Lippen tönet! Oft nah' ich mich, von Eifer angefacht, Apolls verschmähten Dienst zu rächen, einem Tempel Des schnöden Ombregotts: doch muthlos leider! macht Mich manches Märtyrers Exempel; Denn weh dir, wenn du nur mit einem freyern Wort Die Allmacht der papiernen Götter An diesem hochgeweihten Ort Zu profaniren wagst! weh dir verruchtem Spötter! Ein solches Sakrilegium Wird nicht so leicht verziehn: ein lautes Crucifige Ertönt durch's ganze Heiligthum, Und, wer kein Waghals ist, sucht gern den Weg zur Stiege. Entwaffnet von dem kühnen Muth Des Götzendienerschwarms, verwandelt meine Wuth Sich allgemach in bittre Klagen: Ach! lass in meiner Noth, o Herr! mich nicht verzagen, Fang' ich mit David inniglich Zu psalmodiren an, und denke, Freund! an dich. Wenn nun, wie's einem Freund von biedrer Art gebühret, Die Stimme meines Flehns dich rühret, So komm, bevor der Hauch der Sommerlüfte flieht! Vertausch' auf kurze Zeit Wiens lärmende Quiriten Mit einem stillen Eremiten, Der dir so sehnsuchtsvoll, so froh entgegensieht! Das beängstigte Kammermädchen Nach dem Englischen. Linz im Sommermond 1787. Pfui, Junker! seyn Sie doch bescheiden! ... Nur klug! ... Ich kann das Ding nicht leiden ... Sie reissen mir ja das Gewand Vom Leibe ... Fort da mit der Hand! ... So hilft denn gar nichts? ... Je! ich glaube, Sie sind besessen ... Ey, potz Blitz! So schonen Sie doch meiner Haube! ... Nur nicht so kindisch, Junker Fritz! O Himmel, hilf mir aus dem Zimmer! ... Nun, nur gemach! ... Sie werden immer Verwägner ... Wird kein Ende seyn? ... Bey meiner Treu'! ich werde schreyn ... So hören Sie doch auf zu küssen! ... Zum Plunder! ist denn keine Ruh? ... Ich möchte fluchen ... Ey, so schliessen Sie wenigstens die Thüre zu! An Herrn Haschka Linz im Weinmond 1787. Ob auch wohl Haschka's Mund noch manchmal mein erwähnt? Ob sich im fernen Wien das Häuflein meiner andern Geliebten in Apoll zuweilen nach mir sehnt? Ob ich noch werth euch bin? Freund! diese Zweifel wandern Oft bang mit mir umher, wenn ich mit irrem Fuss Durch einsames Gesträuch im Abendglanze walle: Doch traulich lispelt mir der holde Genius Der Freundschaft in das Ohr: sie lieben dich noch alle. Sie lieben, wiederholt, des Herzens Lustgefühl Verkündigend, mein Mund, sie lieben dich noch immer, Und rasch ergreif' ich dann den trägen Dichterkiel, Um euch auch meinerseits, dass eher Titans Schimmer, Als meiner Liebe Glut, für euch erlöschen soll, So gut ich's noch vermag, in Reimen zu betheuern: Doch spröde weigert sich der Versegott Apoll, Vom Aktenstaub verscheucht, mich Armen zu befeuern, Und fühl' ich manchmal auch den Einfluss seiner Macht, So sträubt die Sprache sich. Statt munterer Trochäen Naht meinem Pulte sich phlegmatisch, voll Bedacht, Ein gravitätisch Paar schwerfälliger Spondäen: Statt eines Anapästs hinkt langsam, wie ein Dachs, Mit seinem dicken Wanst mir ein Moloss entgegen, Und flüchtig, wie ein Reh, hüpft statt des Amphybrachs Ein Daktylus herbey, und machet mich verlegen. Kurz, Klio hält nicht mehr mich eines Blickes werth, Und wag' ich's, ohne sie ein Lied euch darzubringen, So widersetzet sich das stolze Flügelpferd, Sich mit der schlechten Fracht zu euch hinabzuschwingen. Missmüthig wünsch' ich dann das leidige Geschäft, Vergeblich stundenlang mit Sylben mich zu balgen, Samt der erlauchten Schaar der Musen, die mich äfft, (Apoll vergebe mir die Lästrung!) an den Galgen, Vernichte, was ich erst mit Müh und Schweiss ersann, Und wünsche sehnsuchtsvoll mir bald Medeens Drachen, Mit denen sie Korinths verhasster Burg entrann, Bald Dädals Fittige, bald Blanchards Zaubernachen, Der dreist den Ocean des Äthers rings durchkreutzt, Um plötzlich über Berg' und Hügel fern von hinnen, Wo keines Freundes Lied mich zu Gesängen reitzt, Zu euch, ihr Günstlinge der Dichtkunst, zu entrinnen, Zu euch, in deren Kreis auch ich den süssen Hang Zu Musenkünsten einst in mir sich regen fühlte, Durch deren Zuspruch es mir Blöden oft gelang, Dass Klio's Schwesternschaar huldlächelnd nach mir schielte. O Freund, um dessen Haupt die Hand Kalliopens Den grünen Lorber flocht, mein Haschka! wann erscheinet Der feyerliche Tag, der Tag des Wiedersehns, Der wieder mich mit euch, ihr Lieben! einst vereinet, An dem ich, aus dem Grün des Wienerwalds hervor Mich windend, allgemach des Domes Thurm erspähe, Und freudig wie Ulyss zum Wolkensaum empor Rings meiner Vaterstadt Schorsteine qualmen sehe? Wann werd' ich euerm Kreis von neuem einverleibt? Wie? oder kehr' ich nie vielleicht zu euch, so brünstig Mein Herz es wünscht, zurück? Im schlimmsten Falle bleibt Auch dem entfernten Freund, ihr Theuern, hold und günstig! Lobgesang auf das Kriegsvolk eines kleinen deutschen Reichsfürsten ** im April 1788. Sucht immerhin der Helden Spur Am Ufer des Skamanders! Preist, wie ihr wollet, die Bravur Der Krieger Alexanders! Verkündiget aus vollem Hals Den Ruhm der Truppen Hannibals! Ich lobe mir das zahme Heer, Das hier, vom biedern Städter Gemästet, seit den Staat nicht mehr Das Faustrecht unsrer Väter Mit Krieg bedroht, der Ruhe pflegt, Bald Holz kliebt, und bald Sänften trägt. Der Vorzeit Kriegsvolk war brutal, Und konnte nichts, als morden. Durch dieses Heer ist kein Gemahl Je kinderlos geworden: Es hilft vielmehr dem Ehmann oft Zu Kindern, die er nie gehofft. Roms Krieger reitzten oft die Wuth Des Volks zu blut'gem Hader. Hier strömte noch kein Bürgerblut, Als durch die Hand der Bader: Kein gäher Lärm, kein Aufstand jagt Den Domherrn aus dem Bett der Magd. O wäre man der Mordbegier Verwägner Eisenfresser Doch überall so gram, als hier! Es gienge wahrlich besser: Froh würde sich Jahr aus Jahr ein Die ganze Welt des Friedens freun. Melinde Nach einer Gessnerischen Idylle. Linz im Herbstmond 1788. »Wohin verirrt in dieser Wildniss sich Mein wunder Fuss durch dornige Gesträuche? Ein schauerndes Gefühl durchströmet mich; Denn schwermuthsvoll steigt rings um mich der Eiche Bemooster Stamm aus dem Gebüsch hervor, Und wölbt ein Dach von dunklem Laub empor. Sey mir gegrüsst, o stiller Zufluchtsort Des düstern Grams, wo nichts sich regt, als Bienen, Die, aufgebläht von Honig, sumsend dort Der Buche nahn, und ein im Lenz mit ihnen Erzeugter West, den dieser Hain erzog, Und der noch nie um schöne Busen flog! Hier, wo das Laub kein Sonnenstrahl durchdringt, Wo um und um mit dichtverwebten Netzen Der Epheu fest den hohlen Stamm umschlingt, Hier will ich mich auf welke Blätter setzen: Doch nein, dort wälzt durch wildverschlungnes Grün Und Wurzeln sich ein rascher Bergquell hin. Er wird vielleicht zu ödern Wüsteneyn Mein Führer seyn: drum folg' ich seinen Wellen ... Ha! welch ein Glanz bebt plötzlich durch den Hain! Sieh! hier beginnt das Laub sich aufzuhellen, Und staunend blickt von dieses Felsens Saum Mein Auge tief in eines Thales Raum. Hier, wo der Bach hoch von der steilen Wand Mit dumpfem Laut, wie ferne Donner tönen, Sich stäubend stürzt, hier an des Abgrunds Rand Will ich mich hin an diese Klippe lehnen, Die (wie das Haar auf Timons Stirne wild Herniederhängt) ein dürrer Strauch umhüllt. Sey meinem Gram willkommen, öder Wald! Dich wähl' ich mir zum Zeugen meiner Klagen: Fern von der Welt im dunkeln Aufenthalt Des scheuen Wilds will ich der Lieb' entsagen. Leb' ewig wohl, o Amor! mein Elpin Liebt mich nicht mehr: ach! Doris fesselt ihn.« So sang, versenkt in tiefe Traurigkeit, Indess ein Schwarm gelinder Abendwinde Allmählich schon ihr nymphenhaftes Kleid Umflatterte, die reitzende Melinde, Als ihr Elpin, der heimlich sie belauscht, Dicht hinter ihr aus dem Gebüsche rauscht. Ein liebend Paar versöhnt sich leicht. Zwar dreht Melinde sich, als sie Elpinen siehet, Hinweg, und flieht, doch wie im Blumenbeet Vor Zephyrs Kuss die junge Rose fliehet, Die, wenn sie kaum von ihm sich weggeneigt, Sich doppelt schnell dem Kuss entgegenbeugt. Klaglied eines österreichischen Bettelmönchs Linz im Weinmond 1788. O Brüder, ringt Die Händ', und singt Ein kläglich Miserere! Wir sind besiegt: Es unterliegt Des grauen Mönchthums Ehre. Wehklagt, und weint! Der böse Feind Singt ringsum Siegeslieder. Man beut, o Gräul! Schon Klöster feil, Und reisst Kapellen nieder. Manch Heiligthum, Wo Gottes Ruhm Einst aus verborgnen Zellen Zum Himmel drang, Tönt vom Gesang Zuchtloser Kriegsgesellen. Wo unser Chor Des Seraphs Ohr So oft entzückt, bereiten Profane nun Sammt und Kattun Nebst andern Üppigkeiten. Voll Übermuth Nennt uns die Brut Der Witzlinge Phantasten, Und lehret frey: Arbeiten sey Verdienstlicher als Fasten. Der Layen Schaar Will itzt sogar, Als ob wir Knaben wären, Wie Doktor Bahrdt Nach neuer Art Die Bibel uns erklären. Man raubt, o Graus! Das Gold im Haus Des Herrn von allen Wänden, Und schmilzt es ein: Selbst unser Wein Ist in profanen Händen. Kein Gnadenbild, Kein Ablass füllt Den Schlund der Opferstöcke, Und in Verfall Ist überall Das Ansehn unsrer Röcke. O wenn vorhin Ein Mönch erschien, Wie neigten Männer, Weiber Und Kinder sich Andächtiglich, Als kämen heil'ge Leiber! Und nun, nun lacht Ob unsrer Tracht Der leidige Profane, Und mancher spricht: Ey! sind das nicht Verkappte Paviane? Mit milder Hand Gab rings durch's Land Einst manche fromme Vettel Uns Butter, Schmalz, Speck, Mehl und Salz Für einen Lukaszettel. Für ein paar Loth Geweihtes Brod, Für Ablassbrief' und Gürtel Erhielten wir Wein, Most und Bier Und fette Kälberviertel. Nun aber hält Die böse Welt Nicht viel von solchen Sachen, Und wagt es, sie, O Blasphemie! Als Possen zu verlachen. Die goldne Zeit Der Geistlichkeit Ist wie ein Traum vergangen: Ach, ach, ach, ach! Ein Thränenbach Rollt über meine Wangen. Mit Recht beugt Scham, Verdruss und Gram, O Brüder, unsre Seelen; Denn, aufgehäuft Gleich Bergen, läuft Die Flut uns in die Kehlen. Das blöde Rom Kann selbst dem Strom Der Zeit nicht widerstehen, Und siehet bang Den Untergang Der geistlichen Armeen. Seit sich der Geist Des Layen dreist Zu denken unterwunden, Wird rings umher Kein Glaube mehr In Israel gefunden. Durch uns erweicht, Liess Gott einst leicht Die Menschen Gnade finden; Denn Fraun und Herrn Bezahlten gern Mit Messgeld ihre Sünden. Doch jetzt nimmt auch Der fromme Brauch Des Messgelds ab: drum wächst die Ruchlosigkeit Der Christenheit, Zumal in puncto sexti. Wie lang verzieht Der Herr, und sieht Geduldig durch die Finger? Trift denn kein Blitz Vom Wolkensitz Des Höchsten Satans Jünger? Doch tröstet euch! Ganz wird das Reich Der Mönche nie sich enden: Diess, Brüder, ward Uns offenbart Durch unsere Legenden. Entweder droht Krieg, Hungersnoth Und Pest dem bösen Samen: Wo nicht, so ist Der Antichrist Das letzte Mittel. Amen! Danklied einer armen Wittwe an Seine Excellenz den oberensischen Herrn Regierungspräsidenten (seitherigen böhmischen obersten Burggrafen) Grafen von Rottenhan Linz im Jäner 1789. Als jüngst in seinem Grimme sich Der Eismond nahte, fühlt' ich mich Vom Fieber übermannt, Und ach! bis auf das letzte Reis War all mein Holz, das ich durch Schweiss Und Flehn erwarb, verbrannt. Mit siechem Körper lag ich da Auf halbvermorschtem Stroh, und sah Mit wehmuthsvollem Sinn, Vergessen, hilflos, ohne Trost, Auf meine Kinder, die vor Frost Und Hunger heulten, hin. So manchen sah mein banger Blick Vorübereilen, dem das Glück Mehr, als erbrauchte, gab. Doch niemand, niemand dachte mein: Verlassen war mein Kämmerlein, Wie eines Fremdlings Grab. Wie fühllos, rief ich ächzend aus, Fährt oft der Glückssohn hin zum Schmaus! Ach! mit dem halben Werth Des Gastgebotes hätten wir, Ich und die armen Kleinen hier, Uns mondenlang genährt. Hart ist das Loos der Dürftigkeit: Doch Glück und Unglück, Freud' und Leid Sind Gottes Fügung bloss. Geduldig ehr' ich sein Gebot: Nur die Gespielen meiner Noth ... Ach! wär' ich kinderlos! So seufzt' ich trostlos, und schon war Das Blut der kleinen nackten Schaar, Die zitternd mich umkroch, Und Wärme suchte, halb erstarrt, Und, Gott im Himmel! immer ward Die Kälte strenger noch. Doch nun erbarmte meines Flehns Der Vorsicht Huld sich: unversehns Erschien ein Retter, sprach Mir Tröstung zu, und sieh! es schwand, Verscheucht von seiner milden Hand, Des Mangels Ungemach. Dem frommen Tugendfreunde gleich, Dem plötzlich aus dem Geisterreich Ein Seliger erscheint, Blickt' ich mit Thränen himmelwärts, Und pries mit stummem Dank dein Herz, Erhabner Menschenfreund! Denn du, o wahrhaft edler Mann, Der, wenn er Hilfe bieten kann, Sich glücklich fühlet, du, Den Rang und Herzensadel ziert, Du sandtest, durch mein Leid gerührt, Mir diesen Retter zu. Der Herr, der gute Thaten lohnt, Geb' allen Grossen unterm Mond Ein Herz, wie deines ist! Wie manche Zähre flösse hier Aus wonnevoller Dankbegier, Die nun aus Kummer fliesst! Alxingers Traumgelicht Nach einem seiner lateinischen Gedichte. Linz im Jäner 1789. Als jüngst des Schlafes sanfte Hand Mit Dunkel mir das Aug' umhüllte, Erbebten plötzlich Thür' und Wand: Ein sonnenheller Schimmer füllte Mein Schlafgemach, und sieh! es stand Ein Jüngling mir erhabnen Mienen, Die hold mich anzulächeln schienen, Vor mir an meines Bettes Rand. An seinem rothen Feyerkleide, Das um die Hüft' ein Silberband Umschlang, erkannt' ich, halb von Freude Und halb von Furcht betäubt, in ihm Wiens Genius. Mit Ungestüm Wollt' ich zu seinen Füssen fallen: Doch freundlich eilt' er mir zuvor, Umfieng mich, und mit frohem Ohr Hört' ich die süssen Worte schallen: »O du, dem Gott Apoll schon früh Der Pierinnen goldne Leyer Und ein empfänglich Herz verlieh, Der du, beseelt vom Götterfeuer Der schöpferischen Phantasie, Jüngst deines Doolins Abentheuer So reitzend sangst, dass am Parnass Das Chor der ältern Musenpriester Und der entzückten neun Geschwister, Frohlauschend rings im Kreise sass, Ja selbst der rohe Flussgott Ister Sein Haupt aus blauen Fluten hob, Durch eines höhern Wesens Lob Den Kaltsinn Wiens, das deutsche Lieder Noch stäts für Possen aus Paris Vertauschet, zu beschämen, liess Ich vom Olympe mich hernieder. Laut würde deines Namens Ruhm In Josephs fernstem Eigenthum Von wonnetrunknen Lippen tönen, Wenn Wien den holden Musensöhnen So günstig wär', als einst Athen, Und auf Germaniens Kamönen Die Grossen nicht mit kaltem Gähnen Und sprödem Stolze niedersähn. Doch ach! in unserm Vaterlande Regt leider! in des Adels Brust Sich bloss der Hang noch träger Lust Und nach des Prunkes eitlem Tande. Wenn Titan fast im Mittelraum Des Himmels wallet, und der Saum Des Schattens um und um sich enger Zusammenziehet, ringt noch kaum Der hochgeborne Müssiggänger Sich aus des Bettes weichem Pflaum, Und wenn er seine schlaffen Glieder, Ein paarmal gähnend, auf und nieder Geschleppet, fängt er endlich nun Sein Tagwerk an. Sein erstes Thun Ist, mit dem schwarzen Saft der Bohne, Den die beglückte warme Zone Arabiens für schimmernd Gold Dem fernen Europäer zollt, Und ein der reitzenden Dione Geweihtes Mädchen aufgetischt, Und mit dem Fett der Milch gemischt, Den leckern Gaumen zu erfreuen, Und Milchbrod, das dem Doppelhorn Des Halbmonds gleicht, dabey zu käuen. Vertieft in den Entwurf zu neuen Buhlschaften, steht indessen vorn Am Fenster schon sein Kammerdiener, Ein plauderhafter, eitler, kühner, Verlaufner Franzmann, voll Genie, Dem die Natur zu bösen Streichen Vor hundert andern seinesgleichen Ein treffliches Talent verlieh; Denn wer vermag, mit leichtrer Müh Unschuldigen Agnesen jeden Gewissenszweifel, der sich hie Und da noch reget, auszureden? Wer weiss so fertig aus den schnöden Syrenen, deren feile Gunst Sich jedem preis giebt, die zu wählen, Die, Amors Zweykampf durch die Kunst Der geilsten Taktik zu empfehlen, Und den Genuss der Lust verschmitzt Durch Zwischenspiele zu beseelen, Das rühmliche Verdienst besitzt? Wer ist mit den geheimsten Tiefen Der Mädchenherzen so genau, Wie er, bekannt? Wer weiss so schlau Die Tugend einer Frau zu prüfen? Wer unter allen Kupplern kennt So gut den kritischen Moment, Wo Danaen dem goldnen Regen Nicht leicht zu widerstehn vermögen? Kühn legt mit diesem Ehrenmann Der Weichling nun ein Plänchen an, Die Unschuld eines schönen Kindes Zu täuschen, das er liebgewann, Und mit der Schnelligkeit des Windes Verfolgt der lockere Merkur, Um seinem Herrn den Weg zu bahnen, Sogleich des holden Mädchens Spur. Der feige Sprössling wackrer Ahnen Lässt voll Erwartung unterdess Die Haare sich, der Kunst gemäss, Auf dem mit Puder rings bestäubten, Mit weissem Kleister dicht bekleibten Erhabnen Haupt in Locken reihn, Und lechzt dabey mit heissem Triebe Nach dem Turnier des Gotts der Liebe. So sehnten einstens, handgemein Mit Stambuls trotzigen Barbaren Zu werden, seiner Ahnherrn Schaaren An Ungarns Gränzen ritterlich Mit halbentblösstem Degen sich. Sieh! unter solchen schweren Sorgen Verfliesst des Sybariten Morgen, Und mit Geschäften gleiches Schlags Verschwendet er den Rest des Tags. Bald lüstet's ihn, im bunten Wagen, Mit Sehnsucht angegafft von Fraun Und Töchtern, durch des Praters Aun Sein werthes Selbst zur Schau zu tragen, Und bald, der Thiere Kampf zu schaun. Mit inniglichem Wohlbehagen Sieht er das Lämmchen in den Klaun Des wilden Bären hilflos zagen, Stimmt laut dem frohen Klatschen bey, Und trägt dann mit zufriedner Miene Die langen Ohren vom Geschrey Des Cirkus hin zur Opernbühne, Um lüstern an dem Zauberklang Des Stimmchens einer wälschen Phryne Und an dem zitternden Gesang Des Halbmanns Herz und Sinn zu weiden. Von dannen eilt er wohlgemuth Zum Spieltisch, um des Vaters Gut Mit kaltem Gleichmuth zu vergeuden, Und wenn er dann die halbe Nacht Nach einem schwelgerischen Schmause Mit Amors Freuden zugebracht, Begiebt er endlich sich nach Hause, Um nach so grossen Thaten nun Bis an den Mittag auszuruhn. Diess üppige Schlaraffenleben, Das sich mit jedem Tag erneut, Raubt unsern Grossen Lust und Zeit, Dem Musenchor Gehör zu geben, Das drum mit gleicher Sprödigkeit Vor den Pallästen der Verächter Des Dichtergotts vorübereilt, Und nur in den Gemächern ächter Verehrer der bescheidnen Töchter Mnemosynens sich gern verweilt. Das Beyspiel der erhabnen Musen Entflamme jedes Dichters Busen Zu edlem Trotz, und flöss' auch dir Den Stolz ein, über die Begier Nach einem Gnadenblick der Götzen Des Pöbels dich hinwegzusetzen! Sieh! Wieland, unsers Pindus Zier, Beut dir mit Lächeln vom Revier Der sanften Ilm die Hand entgegen, Erfreut sich, auf den steilen Wegen Zu Famens lichtem Heiligthum, In dem mit Lorbern ihn der Ruhm Bekränzt, auch dich nun zu erblicken, Und überlässt dir mit Entzücken Und unbesorgt, dass etwa dich Ein Sturz in eines Abgrunds Tiefen Vergrabe, seinen Hippogryphen, Der, ob er gleich mit Schnauben sich Emporbäumt, und sonst einen Reuter Von grösserem Gewichte trug, Dich willig und mit sicherm Flug Zu Höhn, wo dich ein Ungeweihter Erstaunt aus dem Gesicht verliert, Durch das Gebiet des Äthers führt. Drum lass dich auf der Bahn zum hehren Parnasse nicht durch Kaltsinn stören! Wen eines Wielands Beyfall ehrt, Kann, stolz auf seiner Lieder Werth, Das Lob der Grossen leicht entbehren.« So sprach der Genius, die Hand Mir huldreich drückend, und verschwand. Der Einsiedler Nach dem Englischen des Parnell. Linz im Christmond 1790. Ein dunkler Hain, den steile Felsenwälle Umthürmten, schloss einst einen Klausner ein: Seit Jahren schon war eine Kluft die Zelle Des frommen Manns, sein Bett ein harter Stein, Sein Mahl ein Korb voll Waldobst und die Quelle, Und sein Geschäft, sich dem Gebete weihn. So lebt' er lang, freywillig abgeschieden Vom Weltgewühl, mit seinem Gott zufrieden. Schon bleichte sich sein krauses Haar, und sachte Schlich, frey von Gram, des Lebens Herbst vorbey, Als der Verdacht in seiner Seel' erwachte, Ob (da so oft im Joch der Tyranney Des Bösewichts der Tugendhafte schmachte) Die Schöpfung wohl ein Werk der Vorsicht sey. Er grübelte voll zweifelnder Gedanken, Und sein Vertraun auf Gott begann zu wanken. Von Stund' an raubt' ihm seine Sucht zu klügeln Die Seelenruh, die Gott ihm stäts gegönnt. So siehet man, wenn von des Ufers Hügeln Der Bäume Grün und von dem Firmament Die Sonne sich im Teiche ruhig spiegeln, Durch einen Wurf, der das Gewässer trennt, Im Augenblick diess schöne Bild zersplittern, Und Sonn' und Baum wild durcheinander zittern. Der Zweifel satt, die seine Brust zernagen, Rief er einst auf: ich Thor! was hält mich ab, Mich in die Welt beherzt hinauszuwagen, Und Weisere, die, was das stumme Grab Verhüllt, schon hier erforschten, zu befragen? Rasch griff er nun nach seinem Pilgerstab, Und macht', als kaum die Berge rings im Kreise Noch dämmerten, getrost sich auf die Reise. Fern gieng bereits von seinem Aufenthalte Der Eremit, als unversehns ein Mann Voll Jugendreitz an seiner Seite wallte. Gott segne dich, sprach ihn der Jüngling an: Gott segn' auch dich, erwiederte der Alte, Und ein Gespräch voll Traulichkeit begann. Sie wurden eins, da einer an dem andern Gefallen fand, vereinigt fortzuwandern. Als allgemach die Abendlüfte wehten, Und kühler Thau vom Himmel niederfloss, Entdeckten sie auf eines sanfterhöhten Grashügels Rand ein stattlich Ritterschloss, Und eilten nun, besorgt sich zu verspäten, Mit schnellerm Schritt auf das Gebäude los. Itzt nahten sie, und alle Knappen drangen Beym Thor heraus, sie freundlich zu empfangen. Der Herr der Burg, der von des Schlosses Warte Die Pilger sah, führt' eilends sie zum Saal Der Burg hinan, der rings von Golde starrte, Und wo bereits ein köstlichduftend Mahl In silbernen Gefässen ihrer harrte. Sie setzten sich: ein goldener Pokal Gieng rund herum, und um die Zeit der Mette Geleitete der Hauswirth sie zu Bette. Die Nacht zerfloss in Dämmerung, und heiter Stieg an den Höhn der junge Tag herauf: Der Eremit und mit ihm sein Begleiter Erwachten nun, und brachen dankend auf. Schon sahen sie allmählich nur in weiter Entfernung noch des Schlossthurms gelben Knauf, Als im Vertraun der Jüngling itzt bekannte, Dass er bey Tisch den goldnen Kelch entwandte. Dem Wandrer gleich, der plötzlich eine Schlange, Die an dem Rand des Wegs auf Beute harrt, Sich sonnen sieht, und vor Entsetzen lange Den Fuss zur Flucht nicht regen kann, erstarrt Der Klausner nun, und sieht erstaunt und bange Den Jüngling an. Ein Undank dieser Art, Denkt er, ist nur verworfnen Seelen eigen, Und bloss die Furcht heisst seinen Unmuth schweigen. Indessen drang, durchschlängelt rings von Blitzen, Aus dem Gebirg' ein schwarz Gewölk hervor, Und heulend riss bis zu der Berge Spitzen Ein Windstoss Sand und dürres Laub empor. Beängstigt flohn, sich vor dem Sturm zu schützen, Die Pilger schnell vor eines Pächters Thor, Und pochten an: allein mit lautem Fluchen Hiess sie die Magd ein andres Obdach suchen. Nach langem Flehn und Pochen schloss am Ende Der Pächter auf: die Wandrer traten ein, Und sahn bestürzt ein Stübchen, dessen Wände Der Schimmel deckt. Der Hauswirth hohlte Wein, Den kaum der Mund des Bettlers trinkbar fände, Und Haberbrod aus einem alten Schrein, Und hiess, als kaum die Wolken sich zu theilen Begannen, sie feindselig weiter eilen. Die Pilger ziehn, genöthigt durch die Härte Des Manns, nun fort: doch wie vom Wetterstrahl Getroffen steht der Greis, als sein Gefährte Beym Lebewohl den goldenen Pokal. Den er zum Lohn, dass man ihn reichlich nährte, Dem edlen Herrn des Schlosses gestern stahl, Mit lautem Dank dem kargen Pächter reichet, Der lieblos sie aus seinem Hause scheuchet. Nicht ohne Grund däucht, was er sieht, den Alten Ein Traumgesicht voll Widersinnigkeit; Denn frevelhaft schien gestern das Verhalten Des jungen Manns, wahnwitzig scheint es heut. Unfähig, sich diess Räthsel zu entfalten, Entschliesst er sich, bis ihn Geduld und Zeit Ganz auf die Spur der Überzeugung leiten, Getrost am Arm des Fremdlings fortzuschreiten. Sie wallten nun durch manche weite Strecke, Bis abermal die dichte Finsterniss, Worein die Nacht des Himmels blaue Decke Verhüllte, sie ein Obdach suchen hiess. Ein matter Strahl, dem seitwärts eine Hecke Zuweilen Raum, sich durchzudrängen, liess, Ward, kaum entdeckt, die Richtschnur ihrer Schritte, Und führte sie zu eines Jägers Hütte. Der Eremit naht schüchtern und beklommen Der Thüre sich; denn er vergass noch nicht, Wie trotzig sie der Pächter aufgenommen: Doch bald entwölkt die Freude sein Gesicht; Denn traulich heisst der Weidmann sie willkommen. Klein und beschränkt ist meine Habe, spricht Der biedre Mann, doch was mir Gott bescheeret, Sey herzlich gern, o Pilger, euch gewähret. Sein trautes Weib läuft mit vergnügten Blicken Zur Küche nun, sucht, was das Haus vermag, Hervor, und eilt, die Tafel zu beschicken. Ein fettes Huhn und Wein vom besten Schlag Wird aufgetischt, die Gäste zu erquicken, Und froher Muth erheitert das Gelag. Unmerklich war die halbe Nacht verflossen, Und mit Gebet wird itzt das Mahl beschlossen. Als morgens sich die Wandrer fortbegaben, Und noch der Schlaf des biedern Ehpaars Blick Umnebelte, trat zu des Jägers Knaben Der Jüngling hin, und brach ihm das Genick. Der Greis erbebt', als schlöss', ihn zu begraben, Ein Schlund sich auf. Welch neues Bubenstück! Seufzt' er bestürzt, o jammernswerthe Gatten! Ihr einzig Kind! ihr Alles, was sie hatten! Mit dem Entschluss, sich heimlich wegzuflüchten, Sobald die Nacht die Flucht begünstigt, schlich Der Klausner nun im Schatten düstrer Fichten Dem Jüngling nach. Dem schwülen Mittag wich Der Morgen schon, als mitten in dem dichten Gebüsch des Walds, wo labyrinthisch sich Die dunkle Bahn in Seitenpfade theilte, Der Pilger Fuss aus Furcht, zu irren, weilte. Gutmüthig beut ein Bettler, der am Wege Vorbeywallt, sich dem Paar zum Führer an, Und leitet es fern aus des Hains Gehäge In's offne Thal, durch das ein Bergstrom rann. Zum Lohn stürzt hier vom unbezäunten Stege Der Jüngling ihn. Umsonst tönt himmelan Tief aus dem Schwall des Bettlers Angstgewimmer: Die Flut verschlingt den unerfahrnen Schwimmer. Geheime Furcht verschloss bisher des alten Einsiedlers Mund: doch itzt vermocht' er's nicht, Des Herzens Grimm noch länger zu verhalten. Unsinniger, verruchter Bösewicht! Rief er, und schwieg; denn blanke Stern' um strahlten Auf einmal rings des Jünglings Angesicht: In Duft schien sich sein Körper aufzulösen, Und alles zeigt' ein überirdisch Wesen. Stumm steht der Greis, und seine Kniee beugen Tief in den Staub sich nieder. Endlich brach Des Seraphs Mund das feyerliche Schweigen: Ermanne dich! der Himmel sandte, sprach Er tröstend, mich, um dich zu überzeugen, Wie dreist es ist, wenn Menschen sich, zu schwach, Ihr eignes Selbst zu kennen, unterwinden, Die Fügungen der Allmacht zu ergründen. Was du erstaunt vom Anfang unsrer Reise Bis itzt gesehn, so tadelnswerth es schien, That Gott durch mich, und was Gott thut, ist weise; Drum sey getrost, und trau' und bau' auf ihn! Bleib, wie vordem, zufrieden im Geleise Der Endlichkeit, und lerne künftighin, Was dein Verstand unfähig ist, zu fassen, Mit Zuversicht der Vorsicht überlassen! Doch itzt vernimm, bevor ich mich entferne, Aus welchem Grund, was ich gethan, geschah! Den Kelch stahl ich dem Manne, der so gerne Ob seiner Pracht den Wandrer staunen sah, Damit er, frey von Selbstsucht, wohlthun lerne; Denn was du sahst, war bloss zum Prunke da. Er übt seitdem das Gute, fern vom Triebe Der Eitelkeit, aus reiner Menschenliebe. Der karge Filz, dem, ob er der Belohnung Gleich unwerth war, ich den Pokal geschenkt, Schliesst nun, gerührt und dankbar, seine Wohnung Dem Fremdling auf, den Noth und Mangel kränkt. Des Jägers Kind hätt' einst des Vaters Schonung Und blinde Gunst von Gräul zu Gräul gelenkt: Dem Herzensleid der Ältern vorzukommen, Hat Gott den Sohn so früh zu sich genommen. Der Bettler hätt' ein harmlos Dörfchen heute Bey Nacht, vereint mit einer Räuberschaar, In Brand gesteckt: sein Untergang befreyte Unschuldige von Raub und Todsgefahr. Erkenne nun, wie sehr die Aussenseite Der Dinge trügt! Vertrau' unwandelbar Auf deinen Gott, und hüte dich zu grübeln! Ein grössres Gut folgt oft aus kleinern Übeln. Hier endigte der Seraph. Eine Hülle Von purpurnem Gewölke floss herbey, Und nahm ihn auf. In feyerlicher Stille Sah ihn, geheilt von eitler Klügeley, Der Eremit entschwinden. Herr! dein Wille, Rief er, zurück zur Zelle wandelnd, sey Gebenedeyt auf Erden wie im Himmel! Und starb in Ruh fern von dem Weltgetümmel.