An meinen Freund Alxinger Linz im Heumond 1787. Nihil mihi nunc seito tam deesse, quam hominem eum, quocum omnia, quae me cura aliqua afficiunt, vna communicem, qui me amet, qui sapiat, quicum ego colloquar, nihil fingam, nihil dissimulem, nihil obtegam. Cicero. Kein Gut, und wenn es auch das summum bonum ist, Wird nach Verdienst geehrt, so lang man es geniesst: Erst, wenn es uns den Rücken kehrte, Erst dann schätzt man's nach seinem wahren Werthe. Vergieb mir (falls dein Ohr, o Theuerster! den Witz, Der, Flammen gleich, aus deinem Munde lodert, Auch von den Lippen andrer fodert) Wenn meines Briefes Frontispitz Vermuthlich dich durch diesen längstbekannten Gemeinsatz gähnen macht, der in den Folianten Der steifen Moralistenschaar Schon hundertmal der Motten Speise war! Alt ist das Sprüchlein zwar, und tüchtig Genug durchdroschen, Freund! doch seit mir das Geschick Jüngst, wie ich hoffen will, nur deines Umgangs Glück, Nicht auch dein Herz entzog, ward es mir neu und wichtig. Ich fühle nun, geliebter Pylades! Mit banger Sehnsucht fühl' ich es, Was du mir warst, und bist, wie sehr ich dich vermisse. Oft seit dem letzten unsrer Küsse Gedenk' ich, wenn mein Blick beym Glanz des Hesperus Mit stillem Neid zu euch den stolzen Isterfluss Hinunter eilen sieht, der frohen Abendstunden, Die beym sokratischen Pokal Halb ernst, halb lächelnd uns entschwunden. Bald wurde feyerlich vor unserm Tribunal Das Schicksal eines Reims entschieden: Bald rächten lachend wir an dummen Verseschmieden Des Musengotts beschimpfte Majestät: Bald gab ein plumper Musaget Und unsrer kritischen Tagschreiberzunft verstecktes Gefühl zum Spott uns Stoff, bis endlich unverhofft Die schwarze Mitternacht zu Bett uns rief. O noctes Caenaeque Deum! ruf' ich oft Mit unserem Horaz inbrünstig auf, und eile Nach meiner Stube hin, wo ich die lange Weile, Die manchmal unversehns mich armen Robinson Auf meiner kleinen wüsten Insel Zu unterjochen sucht, durch Maro's Heldenton, Horazens muntern Witz und Naso's Klaggewinsel, Durch Swifts verwägnen Muth und Popens Energie, Durch eine schlaue Blasphemie Des leidigen Voltärs, durch Wielands zauberreiche Urbanität von Zeit zu Zeit verscheuche. O Freund, wie öd' und leer scheint mir mein Aufenthalt, Wo keiner Muse Lied erschallet, wo man, kalt Für Wollust feinrer Art, für geistiges Vergnügen, Nur thierische Begierden kennt, Bloss für des Pöbels Freuden brennt, Die Herz und Geist in dumpfen Taumel wiegen, Nur stäts dem Ombregott und seiner Kebsfraun Schaar, Der allvermögenden Spadille, Der flugs, wie Proteus, sich verwandelnden Manille Und ihrem jüngern Schwesternpaar, Der Balta und der Ponto, fröhnet, Und dieser Götzen Lob von allen Lippen tönet! Oft nah' ich mich, von Eifer angefacht, Apolls verschmähten Dienst zu rächen, einem Tempel Des schnöden Ombregotts: doch muthlos leider! macht Mich manches Märtyrers Exempel; Denn weh dir, wenn du nur mit einem freyern Wort Die Allmacht der papiernen Götter An diesem hochgeweihten Ort Zu profaniren wagst! weh dir verruchtem Spötter! Ein solches Sakrilegium Wird nicht so leicht verziehn: ein lautes Crucifige Ertönt durch's ganze Heiligthum, Und, wer kein Waghals ist, sucht gern den Weg zur Stiege. Entwaffnet von dem kühnen Muth Des Götzendienerschwarms, verwandelt meine Wuth Sich allgemach in bittre Klagen: Ach! lass in meiner Noth, o Herr! mich nicht verzagen, Fang' ich mit David inniglich Zu psalmodiren an, und denke, Freund! an dich. Wenn nun, wie's einem Freund von biedrer Art gebühret, Die Stimme meines Flehns dich rühret, So komm, bevor der Hauch der Sommerlüfte flieht! Vertausch' auf kurze Zeit Wiens lärmende Quiriten Mit einem stillen Eremiten, Der dir so sehnsuchtsvoll, so froh entgegensieht!