An einen neuaufgenommenen Freymaurer Wien im Christmond 1784. I wish not others to confine: Be their opinions unrestrain'd as mine. Churchill. So bist denn nun auch du, mein wackrer Freund Und Günstling meiner Seele! bist auch du Der Eingeweihten Einer? Hast du nun Nach langem Kampf es über dich vermocht, Dein Ehrenwort auf Pflichten blindlings zu Verbürgen, die man vor der Weihe dir Geheimnissvoll in dichten Schleyer hüllt, Und die du doch nachher gewissenhaft Als Biedermann, dem Eid und Männerwort Mehr ist, als Schellenklang, erfüllen musst? Glück zu, mein Bruder, den ein neues Band Nun fester noch an meinen Busen schlingt! Und dreymal Heil dem Orden, der an dir Ein Glied gewann, das seiner würdig ist! Doch, junger edler Mann! du, dessen Herz An Lauterkeit dem reinen Äther gleicht, Und dessen angeborner warmer Hang Für alles, was da gut ist, mir schon längst Ein Zeugniss deines innern Werthes war, An dem ich, seit dein offner freyer Sinn Mein Herz an deines schloss, und Sympathie Uns eng verbrüderte, mich nie betrog, Lass uns nunmehr die Bahn, die du betratst, Weil früher es zu thun des Maurers Pflicht Nicht zugab, mit der Fackel der Vernunft Beleuchten, wie es Wahrheitsforschern ziemt Lass uns, dem weisen Scheidekünstler gleich, Der das Metall von Schlacken sorgsam trennt, Die Hoffnungen, die sich die Phantasie Des Neugeweihten schwärmerisch erträumt, Von jenen ächten sondern, die der Geist Des denkenden geprüften Maurers oft In Stunden heil'ger Weihe sich erschafft! Die Hoffnung, die das unbefangne Herz Des reisern Maurers mit dem Vorgefühl Beglückter Zukunft füllt, ist der Vernunft Bescheidne Tochter. Ruh, Zufriedenheit Und Mässigung sind die Gespielinnen Der biederen Matrone. Kunstlos wallt Ihr grünliches Gewand den Leib hinab. Ihr hehrer feyerlicher Blick verheisst Nur das, was weise Prüfung billiget. Ernst und bedachtsam tritt sie in den Kreis Erfahrner Denker, leitet ihren Rath, Wählt und verwirft, und wieget Plan für Plan Stäts auf der Wage der Erfahrung ab. Ein Wesen andrer Art ist, was der Thor Unrichtig Hoffnung heisst: der Kluge nennt Die Dirne Täuschung; denn ein luftig Kind Der Schwärmerey, von Träumen grossgesäugt, Wirft diese freche feile Buhlerinn Sich jedem Gecken kosend in den Arm, Und füllt ihm das benebelte Gehirn Mit tollen läppischen Erwartungen, Die oft das weite Reich der Möglichkeit Kaum in sich fasst. Erklärten Metzen gleich, Schweift sie geputzt, in prahlerischem Pomp, Geschminket, bunt wie ein Chamäleon, Den lärmerfüllten Heerweg auf und ab. Stolz, Unzufriedenheit und Eitelkeit Sind ihr zur Seite. Gierig folget ihr Ein lächerliches Heer geblendeter Glücksritter nach, das theils durch trügende Trübangehauchte Brillen sieht, und theils Der Sehkraft ganz beraubt ist. Das Gewand Der Afterhoffnung ist dem Scheine nach Zwar leicht und niedlich, doch von dichtem Stoff, Damit kein Auge je die Missgestalt Der Schändlichen in ihrer Blösse sieht. Sieh! in der Hand trägt sie ein Füllhorn, voll Phantastischer Entwürfe, die den Schwarm Schwachköpfiger von der geraden Bahn Der prüfenden Vernunft in's Labyrinth Zweckloser Grillen locken, und sogar Genossen unsrer königlichen Kunst In's Netz des Wahns am Zauberbande ziehn. Das Licht erleuchtete hellschimmernd zwar Die Finsterniss: doch sie erkannten's nicht. Licht war die tröstliche Verheissung, Freund, Die bey der Weihe dir von dem Altar Entgegentönte. Lasst den Leidenden Das Licht sehn, dessen er seit der Geburt Beraubt war, scholl des Meisters ernster Ruf. Was du nachher, als du den grossen Schwall Der Eingeweihten staunend übersahst, Mir in die Ohren rauntest, hat sich tief In mein Gehirn geprägt. Wie? sagtest du Halb zweifelhaft, hat dieses ganze Heer Am Lichte Theil? Fürwahr! ich wähnte nicht, Dass unsre Gegend an Erleuchteten So, überreich sey ... Wahr ist's leider! Freund! Dass sich die ehrnen Pforten, die den Blick Profaner Neugier von dem Heiligthum Der Maurerey entfernen, heut zu Tag Zu willig öffnen. Wahr ist es, dass itzt Manch armes Wichtchen in dem Kleid des Lichts Einhergeht, dessen Wandel wahrlich mehr Von Finsterniss, als von Erleuchtung zeugt. In Mitte dieses traulichen Gesprächs Kam, wie du weisst, ein Hocherleuchteter So feyerlich, als hätt' er eben erst Den ganzen Plan zum Tempel Salomo's Mit eigner Hand entworfen, auf dich zu. Willkommen, sprach er, Bruder! und ergriff Dich bey der Hand, willkommen! Freun Sie sich Des seltnen Glücks, das Ihnen heute ward! Sie näherten dem Quell des Wissens sich. Sie sind nun auf dem grossen Scheideweg, Wo plötzlich das verworrenste Problem Zum klarsten Axiom wird. Nur Geduld, Geduld, mein Bruder! Ihre Hauptpflicht sey Von Stund' an Hoffen, Schweigen und Vertraun! Betrachten Sie nie müde Tag und Nacht Die grossen Wunder und Geheimnisse, Die dieses Teppichs enger Raum umschliesst! Was Sokrates und Aristoteles, Was Plato, Epikur und Epiktet, Was Newton, Leibnitz und viel andere Nur oberflächlich sahn, liegt deutlich hier In dieses Teppichs Zeichen aufgedeckt. Sie werden einst ... Doch mehr zu sagen lässt Mein Eid nicht zu: wohl dem, der's fassen kann! Du lächeltest, als dieser Mystagog Uns nun den Rücken wies, und sprachst erstaunt: Sah dieser auch das Licht? ... Ja, junger Mann! Auch dieser sah das Licht. Doch im Vertraun! Es giebt der Lichter vielerley, und eins Giebt helleren, das andre düstrern Schein. Es flammt nicht nur der Sonne goldner Strahl; Es leuchtet auch des Irrlichts schwacher Glanz. Was aber dich ein Wunder dünken wird, Ist, Freund! dass mancher seines Irrlichts Schein Für heller hält, als andrer Sonnenglanz. So viel es Maurerhallen giebt, beynah So viel verschiedne Lichter giebt es auch, Und wenig Brüder nur sind eines Sinns, Wenn man sie ausforscht, welche Wissenschaft Doch eigentlich das grosse Mittel sey, Wodurch der Suchende zum Zweck gelangt. Chemie! Chemie! raunt nun ein Schwärmer dir In's Ohr, und zeiget den geheiligten Schmelztiegel dir. Magie! Magie! ruft drauf Ein Seher andrer Gattung, und verweist Voll Zuversicht dich an die Kabbala. Politik! flüstert eine dritte Art Von Träumern dir entgegen, und empfiehlt Das Ordenskreutz der Tempelritter dir. Nun sprich, o Freund! was kann, was soll ein Mann, Dem die Natur gesunde Wissbegier Und Geist verlieh, von einer Wissenschaft, Die hin und wieder schwanket, wie ein Rohr, Das jedem leichten Wind zu Willen steht, Mit Grund wohl hoffen? Ist es Unvernunft, Ist's Hochverrath, wenn er bescheiden sich Zur kleinen Zahl der Sceptiker gesellt? Sieh! sassen nicht bisher die Weisesten Der Brüder mehr als einmal schon zu Rath, Und forschten fruchtlos nach, was doch das Ziel Des freyen Maurers, ob es Wissenschaft, Ob's blosse Tugend sey? Von neuem zwar Versammelt nun sich ein Synedrium Von Eingeweihten in dem Orient Von Gallien, das diesen grossen Punkt Entscheiden soll: doch bis dahin, o Freund! Geh mit dir selbst zu Rath, ob du mit Fug Erwarten kannst, dass Kell' und Schürze dir, So wie zur Stunde noch die Sache steht, Ein neues Feld von höhern Kenntnissen Eröffnen wird, ob dir's behäglich ist, Des Lebens Spanne, die uns die Natur So kärglich zumass, einer Wissenschaft Zu weihen, deren Daseyn immer noch Ein mystisches verworrnes Räthsel ist. Ist dir es Ernst, der Seele heissen Durst Nach Licht zu stillen, so beschäftige Dich mit dem Schatz entschiedner Kenntnisse, Den grauer Weisen Mund uns hinterliess, Und kein Gewebe von missgünstigen Mysterien in dunkle Schatten hüllt. Doch wenn dich auch die süsse Hoffnung täuscht, Dass König Salomo's gepriesne Kunst Je deinem Geist mehr Licht gewähren wird, So darf dich's doch des Schrittes nie gereun; Denn sieh! ein Strahl von Hoffnung, der die Nacht Der ungeweihten Welt nur schwach erhellt, Glänzt in dem Heiligthum der Maurerey In voller Schöne. Bruderliebe, Trost Und Hilfe, wenn des Schicksals strenge Wuth Dich anfällt, feste Treu', Ergebenheit Und Wohlthun sind des Ordens süsser Lohn, Auf den du festes Muths vertrauen kannst. Wenn eines Freunds Besitz Entschädigung Für den Verlust der Welt ist, welch ein Glück Verheisst dir ein Verein, der jedes Glied Des ganzen Bunds zu deinem Bruder macht! Glaub', edler Jüngling! ächte Maurerey Wohnt nicht im Kopf: ihr Wohnsitz ist das Herz. Ich neige vor dem theoretischen Freymaurer tief und ehrfurchtsvoll das Haupt: Den praktischen fass' ich mit traulichem Entzücken bey der Hand. Der ist mein Mann, Der ein gefühlvoll Herz im Busen trägt, Der Mensch zu Teyn nie säumet, und so gern Für andrer Wohl und Weh empfänglich ist. Gross ist es zwar, wenn der Erleuchtete Sich einst des Steins der Weisen rühmen kann: Doch süsser ist's, wenn mein Gewissen mir An der Vollendung Ziel das Zeugniss giebt: Ich war ein guter Mann ... ich half, so viel Es meine Habe zuliess, Darbenden ... Ich rettete den Bruder mitleidsvoll, Als ihn des Schicksals eisernes Gewicht Schon halb zu Boden drückte ... meine Hand War's, die der Wittwe Thränen trocknete ... Ich stillete das wimmernde Geschrey Verlassner armer Waisen ... ohne mich Wär' itzt die edle Mutter, die ein Kreis Von wohlerzognen Kindern eng umschliesst, Der Schande Raub, erkaufter Lüste Ziel. Der ist beglückt, der andre glücklich macht. Wohlthätigkeit ist ein Naturgeschenk, Das Kunst und Wissenschaft weit überwiegt. Ich kenne, Freund! kein grässlicher Geschöpf Auf Gottes Erde, denn ein menschlich Thier, Das nie des Mitleids sanfte Regung fühlt. Du sahst gewiss hilfloser Menschen Noth Nie unempfindlich an, warst jederzeit Der Menschheit wärmster Freund: sey es nunmehr. Da Schürz' und Kelle dir zur Pflicht es macht, Gedoppelt! Lass durch Zeichendeuterey Und durch Symbolenkram dir nie die Zeit, Die du dem Wohlthun widmetest, entziehn! Verirre nie auf Nebenwegen dich! Bleib auf der offnen Bahn! Die Stimme des Verkünders in der Wüste, wenn doch je Solch eine Stimme schallt, wird dir auch hier Wohl ruchtbar werden. Ist sie aber, Freund! Ein Bild des Wahns, ein nichtig Traumgesicht, So opfertest du keinem Hirngespinst Dein kurzes Daseyn auf, so glaubtest du Nicht ohne Grund, dass ächte Maurerey Im Herzen nur, nicht in dem Kopfe wohnt.