Aus einer Sturmnacht Acht Blätter mit einem Titelblatt Titelblatt Die Nacht, vom wachsenden Sturme bewegt, wie wird sie auf einmal weit – , als bliebe sie sonst zusammengelegt in die kleinlichen Falten der Zeit. Wo die Sterne ihr wehren, dort endet sie nicht und beginnt nicht mitten im Wald und nicht an meinem Angesicht und nicht mit deiner Gestalt. Die Lampen stammeln und wissen nicht: lügen wir Licht? Ist die Nacht die einzige Wirklichkeit seit Jahrtausenden... In solchen Nächten kannst du in den Gassen Zukünftigen begegnen, schmalen blassen Gesichtern, die dich nicht erkennen und dich schweigend vorüberlassen. Aber wenn sie zu reden begännen, wärst du ein Langevergangener wie du da stehst, langeverwest. Doch sie bleiben im Schweigen wie Tote, obwohl sie die Kommenden sind. Zukunft beginnt noch nicht. Sie halten nur ihr Gesicht in die Zeit und können, wie unter Wasser, nicht schauen; und ertragen sie's doch eine Weile, sehn sie wie unter den Wellen: die Eile von Fischen und das Tauchen von Tauen. In solchen Nächten gehn die Gefängnisse auf. Und durch die bösen Träume der Wächter gehn mit leisem Gelächter die Verächter ihrer Gewalt. Wald! Sie kommen zu dir, um in dir zu schlafen, mit ihren langen Strafen behangen. Wald! In solchen Nächten ist auf einmal Feuer in einer Oper. Wie ein Ungeheuer beginnt der Riesenraum mit seinen Rängen Tausende, die sich in ihm drängen, zu kauen. Männer und Frauen staun sich in den Gängen, und wie sich alle aneinander hängen, bricht das Gemäuer, und es reißt sie mit. Und niemand weiß mehr wer ganz unten litt; während ihm einer schon das Herz zertritt, sind seine Ohren noch ganz voll von Klängen, die dazu hingehn... In solchen Nächten, wie vor vielen Tagen, fangen die Herzen in den Sarkophagen vergangner Fürsten wieder an zu gehn; und so gewaltig drängt ihr Wiederschlagen gegen die Kapseln, welche widerstehn, daß sie die goldnen Schalen weitertragen durch Dunkel und Damaste, die zerfallen. Schwarz schwankt der Dom mit allen seinen Hallen. Die Glocken, die sich in die Türme krallen, hängen wie Vögel, bebend stehn die Türen, und an den Trägern zittert jedes Glied: als trügen seinen gründenden Granit blinde Schildkröten, die sich rühren. In solchen Nächten wissen die Unheilbaren: wir waren... Und sie denken unter den Kranken einen einfachen guten Gedanken weiter, dort, wo er abbrach. Doch von den Söhnen, die sie gelassen, geht der Jüngste vielleicht in den einsamsten Gassen; denn gerade diese Nächte sind ihm als ob er zum ersten Mal dächte: lange lag es über ihm bleiern, aber jetzt wird sich alles entschleiern –, und: daß er das feiern wird, fühlt er... In solchen Nächten sind alle die Städte gleich, alle beflaggt. Und an den Fahnen vom Sturm gepackt und wie an Haaren hinausgerissen in irgend ein Land mit ungewissen Umrissen und Flüssen. In allen Gärten ist dann ein Teich, an jedem Teiche dasselbe Haus, in jedem Hause dasselbe Licht; und alle Menschen sehn ähnlich aus und halten die Hände vorm Gesicht. In solchen Nächten werden die Sterbenden klar, greifen sich leise ins wachsende Haar, dessen Halme aus ihres Schädels Schwäche in diesen langen Tagen treiben, als wollten sie über der Oberfläche des Todes bleiben. Ihre Gebärde geht durch das Haus als wenn überall Spiegel hingen; und sie geben – mit diesem Graben in ihren Haaren – Kräfte aus, die sie in Jahren gesammelt haben, welche vergingen. In solchen Nächten wächst mein Schwesterlein, das vor mir war und vor mir starb, ganz klein. Viel solche Nächte waren schon seither: Sie muß schon schön sein. Bald wird irgendwer sie frein.