Formstudien Hinkende Jamben an Wilhelm Lübke. Für würdigen Inhalt ging ich heute formsuchend Hoch in der Musen vollgestopfte Dachkammer, Wo die Modele stehn von allen Versmaßen. Unübersehbar schien der bunte Wirrwarr mir. Hier standen der Antike Metra reih'nweise: Gewichtiger Chorgesänge schwere Grundrythmen, Dann Odenkrams verhundertfachte Nachbildung, Senare dort; daneben gleich, zur Abschreckung, Des zopfigen Alexandriners Pfuschmachwerk; Ganz Rom und Hellas, bis zum letzten Sechsfüßler. Nach diesem, mittelalterlich mit Vierstabung Allitterirenden Urgesangs Granitblöcke; Dann Nibelungenstrophenbauwerks Spitzbogen, Voll gothisch hoch erhabner Heldensteinbildung; Dazu der ganzen Minnedichtung Verskränzlein Und Sprachfigürchen in reizumblühter Vielfachheit. Dann kam handwerklichen Meistersangs Holzschnitzwerk, Sehr eulenspiegelscheckig, aber grundehrsam, Durchgängig doch urvätermöbelwurmstichig. Und immer mehr! Dort stehn in Renaissancegrazie Romanischen Geistes zierlich feine Formspiele. Hier des Terzinengangs Reliefbild, friesartig Dahingedehnt:, dort der Ottaverime schalkhaftes Amorettenbüstenvölkchen; endlich unzählbar Sonnettengefäß und Schalen höchster Formfeinheit. Sogar des maurischen Stils Gaselenlaubwerk war Einreimig ausgestellt zur Wahl nur. – Da stand ich, Und sah und sah, und weilte, gänzlich unschlüssig, In welch Gehäus des tausendfachen Formreichthums Ich kneten sollte die Gedankenthonmasse Zum Wiegenlied dem formverständigen Kunstfreunde. Bis endlich, unten tief im letzten Staubwinkel Die mächtige Form ich sah von Pindars Festhymnen. Entschlossen, scheu' ich nicht das schwierige Durchkriechen Durch aufgestapelt tausendjährige Verstrümmer, Hervorzuziehn den Fund. Da – bricht, der Hauptstütze Beraubt, von allen Brettern des Parnaßgiebels Das ganze Formeninventar mit Staubwolken Und Krachen über mir zusammen! Todähnlich Erschrocken, halb erdrückt, erstickt, voll Quetschungen, Tauml' ich bei Seit', erreich' die Thür, zurückgreifend Nach einem Ersten Besten, um doch nutzlos nicht Und völlig beutelos zu flieh'n, komm' hinkend Hinab – was hab' ich? Ach, ein Bündel Hinkjamben! Von all der Herrlichkeit den letzten Ausschuß nur! O Freund, so kommt der Inhalt meines Festliedes, Erdrückt von Formvollendungsstudien, nachhinkend! Nun, mag's! Und hinkte gleich die ganze Bildreihe – Sind Bild doch und Vergleiche selten zutreffend! Du aber, der aus halbverlornen Formtrümmern Des Grundgedankens Urgestalt und Ausprägung Weißt zu ergänzen auf historischer Grundlage, Wirst auch aus diesen Hinkejamben freundschaftlich Zusammenconstruiren dir die Fest-Ode. Schlag' in die offne Hand, die sich dir darbietet, Und laß es unter uns beim Alten stets bleiben!