Ein Blatt aus alter Zeit An Julius Grosse. Mit alten Schätzen, die ich lang bewahre, Von Briefen, Zeichnungen, vergilbten Zügen, Verkehr' ich immer gern im Lauf der Jahre. Da zog ich heut mit freudigem Genügen Ein Blatt hervor, aus Tagen, da wir fleißig Versucht uns in den ersten Geistesflügen. Ein Blatt von Dir, o Freund! Die Zeiten, weiß ich, Sind dir, wie mir, noch deutlich, unvergessen, Obgleich vergangen fast der Jahre dreißig! Wie seine Welt sich jeder unterdessen, Nicht fremd, doch immer fern, erschuf und baute, Heut will ich's nicht berühren, noch ermessen. Heut sucht sich die Erinnrung altvertraute Begrenzte Stätten, Giebeldächer, Straßen, Verschönt durch alter Lieder Jugendlaute. Auch wessen Kreise weit die Welt durchmaßen Weiß einen Ort wohl, den Erinnrung lichtvoll Mit Bildern schmückt, die einst sein Herz besaßen. Viel Größres mocht' er leben, das gewichtvoll Des Daseins Form und Wesen ihm erhoben, Ob er's erlebt empfangend, ob verzichtvoll; Viel Schöneres auch weiß er wohl zu loben, Was Meer' und Länder vor ihm ausgebreitet, Und fördernd seinen Sinnen sich verwoben; Um engsten Kreis in guter Stunde gleitet Sein inn'rer Blick, weitauf die Thore machend, Durch die er zu willkomm'ner Stätte schreitet. Sie ist's, wo er mit Seel' und Geist erwachend Zuerst sein Eigenstes in sich erkannte, Jedweder Schrank' in Hoffensreichthum lachend! Da sind Genossen, Strebens-Geistverwandte, Mit denen er, von Muth erfüllt unendlich, Für das Erringen jedes Siegs entbrannte! So fanden wir uns, Freund! Ist dir verständlich Daß Saiten leise nur zu schwingen brauchen, Mich immer neu zu fesseln unabwendlich? Die Thürme seh' ich aus dem Nebel tauchen Der alten Saalestadt, um deren Dächer Gelehrsamkeit und Kohlendünste rauchen; Den Markt, mit seiner Gassen krausem Fächer. Das Haus am Zwinger dort umschloß als Hürde Der Lehrlingsjahre dürftige Gemächer. Und doch, der Kunst, des Strebens ganze Würde War mit umschlossen von den engen Räumen, Und im Genügen lag uns keine Bürde. Der Garten war uns lieb mit seinen Bäumen, Der Platz, am Zwingergraben aufgemauert, Um Tag' und Sternennächte zu verträumen. Und auch von Leidenschaften angeschauert, Der Jugend erstem Antheil im Erfahren, Ward mancher Tag durchgrollt und hingetrauert. Wenn nicht erfüllbar Wunsch und Hoffnung waren, Blieb ungestört der Wuchs gefaßten Muthes, Das beßre Theil aus jenen Jugendjahren. Und eine Prob' auch unsres innern Gutes Ward von jedwedem schon der Welt behändigt, Durchglüht vom Sprudel unsres Lebensblutes. Das Flügelroß schon hattest du gebändigt Für Roms Tribunen zu dramatischem Ritte; Vom Rhein und Wein ein Lied hatt' ich beendigt. Nun war ich um des schönsten Frühlings Mitte Verreist, des Elternhauses mich zu freuen. Mein Hausrath stand dir frei, nach unsrer Sitte. Du wartetest der Briefe mir in Treuen, Zu prüfen, ob der Inhalt von Belang war, Denn kein Geheimniß gab es noch zu scheuen. Du faßtest einen, der vom ersten Rang war! Die Meldung, daß mein Lied, nach kaum sechs Wochen, Vergriffen schon, und günstig sein Empfang war. Du ließest deinen Jubel nicht verkochen, Beschriebst das leere Blatt, und Wünsche knüpfte Dein Wort daran, vom wackren Freund gesprochen. Noch zeigt die Schrift, daß deine Feder hüpfte, Zugleich, wie groß der Augenblick gewaltet, Der Tintenklecks, der deiner Hast entschlüpfte; Der Tintenklecks, der, künstlerisch gestaltet Zum Tänzer, mir erneuert schöne Züge, Die damals illustrirend du entfaltet. – Wer sich die Welt versucht, weiß zur Genüge, Wie Zeit und Raum so feindlich nie uns grollen, Daß man mit ihnen sich nicht auch vertrüge. Und kommt, was fördern soll, nicht aus dem Vollen, So fördert oft was dürftig und unscheinbar, Wenn wir es nützen und begreifen wollen. Sei wem da will sentimental beweinbar, Daß Jugendsinn, Genuß und Glück entschwunden! Mein Schaffen hielt ich jeder Zeit vereinbar. Doch schön war jene, da wir uns gefunden! Möcht' heut ein Blatt von mir in gleicher Weise Dich freu'n, wie Deines mich aus jenen Stunden! Fliegt hin ihr Reime! Glück zur Frühlingsreise!