Aprilreiseblätter 1. Im Gebirg 1811. Wohin, ach! sollen aus des Markts Gewühle Sich eure Götter retten, wenn die Dichten Des ew'gen Hains auch unterm Beil sich lichten, Qualm des Gewerks auch dämpft die heil'ge Kühle? Es seufzt der Fels, daß ihr sein Steingestühle Zerbrecht, um eure Wände draus zu schichten; Der freie Waldbach zürnt, daß er verpflichten Sich muß, nutzbar zu treiben Rad und Mühle. Die Echo klagt, daß statt der Heldenlieder, Ins orgelnde Gebraus des Sturms gesungen, Sie jetzt nur hört Geächz' des tauben Hammers. Und selbst die Berge schütteln ihre Glieder In Unmut, daß sie dazu sind gedungen, Euch auszuspei'n die Goldschlack' eures Jammers. 2. Die Burgen Zu Trümmern sankt ihr unter Schicksalsstreichen, Doch noch in Trümmern scheint ihr stolz zu stehen, Verdammend von den Höh'n herabzusehen Auf eine Welt, die nicht an euch kann reichen. Ein enger Sinn baut Hütten, die ihm gleichen, Im Thal, wo nicht der Freiheit Lüfte wehen! Ihr seht sie baun, seht wieder sie vergehen, Und ihr steht droben, ewige Todeszeichen. Niemand erkühnt sich, eure Riesenwälle Mit des Besitztums Anspruch anzutasten, Auf euren Schutt zu flicken seine Schwelle. Ja kaum der Wandrer wagt auf euch zu rasten, Gleich als entehr' er alter Kraft Grabstelle Durch seines Feiglingstrittes nichtige Lasten. 3. An einen Leinenweber Beglückt bist du, der du mit stetem Fleiße Von der zufriednen Spule still und eben In deine Weberei wie in dein Leben Stets gleiche Fäden wirkest, ruhig weiße; Da täglich ich ein bunt Geweb' zerreiße, Im Drang, es morgen bunter noch zu weben; Dazu muß Hoffnung grüne Fäden geben, Die Liebe gibt das Rot dazu, das heiße. Dazwischen schlinget sich ein Schillerstreifen, Die Poesie, bald wie ein Sonnenflitter Goldgelb, bald wie ein Ätherblick, ein blauer. Doch wie die Fäden ineinander greifen, Bricht doch, gedämpft durchs bunte Farbengitter, Hervor der Grund der Wehe, dunkle Trauer. 4. Beglückt die Pflanze, die im Spiel der Lüfte Still in des Zeitlaufs fester Ordnung lebet, An ihrem heimischen Boden ruhig klebet Und doch zum Himmel aufhaucht ihre Düfte. Beglückt der Strom auch, der im Waldgeklüfte, Von seiner Ufer sichrem Maß umwebet, Im vorgeschrieb'nen Gleise vorwärts strebet, Und endlich geht zur Ruh' in Meeresgrüfte. Ach, daß allein der Mensch zu irrem Schweifen Gebraucht des Fußes und des Geistes Flügel, Um schrankenlos durch Zeit und Raum zu streifen. Ach, daß nur er so früh zu Sporn und Bügel Sich selbst wird und so spät erst lernt begreifen, Daß er auch selbst sich werden muß zum Zügel. 5. Mir träumt', ich stünd' auf einem Felseilande Allein mit mir, und wie aus Nebelflore Späht' ich mit Augen, horcht' ich mit dem Ohre Hinüber fern nach einem festen Lande; Und sähe, wie sie drüben an dem Strande Einzäunten Gärten, bauten Häuserthore, Im Brautreih'n gingen und im Leichenchore Und lebten, webten, all in ihrem Tande. Ihr dumpfes Summen drang zu mir herüber, Doch sahn sie mich nicht stehn in meiner Ferne, Sie hatten keine Zeit zum Sehen über. Auch zugerufen hätt' ich ihnen gerne, Doch drang mein Laut zu ihnen nicht hinüber, Und einsam blickt' ich auf zu meinem Sterne. 6. Erschöpft von langen winterlichen Wegen, Auf meines Lebens allertrübster Reise, Kam ich hieher, in froher Hoffnung, leise Mein Herz an eines Freundes Herz zu legen. Da starrte mir das Freundesherz entgegen Noch starrer als vom starrsten Wintereise; Da klang das Freundeswort in kalter Weise, Noch kälter als der kältste Winterregen. Weh mir! Natur, wohin soll ich mich wenden? Wenn draußen du stehst mit den Winterschauern Und hier die Herzen mit den Winterfrösten? Ich bitte dich, laß deinen Winter enden Und werde Lenz! Mag Menschenfrost dann dauern; An deiner Frühlingsbrust will ich mich trösten. 7. Durchmessen habt ihr längst Gebirg und Wogen Mit Wanderschritt und mit des Schiffes Kiele; Nur noch gekommen seid ihr nicht zum Ziele, Wo auf der Erde steht der Himmelsbogen! Ihr habt dem Vogel auch sein Recht entzogen, Den angebornen Vorzug seiner Kiele Und fliegt wie er; wenn es euch nur gefiele, Ihr hättet schon das Paradies erflogen! Ihr habt entwaffnet selbst des Himmels Waffen, Den Blitz habt ihr durch eure Kunst gebunden, Daß er nicht mehr euch treffen kann, die Spötter! Ihr habt, um selbst dafür euch hinzuraffen, Den irdischen Blitz und Donner euch erfunden, Und haltet ihr euch denn noch nicht für Götter? 8. Drei Kiele kenn' ich, die gewaltig sind! Der erste Kiel ist, den die Vögel spannen, Womit sie über Berg und Thal von dannen Ziehn, hingeschaukelt auf des Himmels Wind. Der zweite Kiel, nicht weniger geschwind, Ist der, womit ein Wunderbau von Tannen Gerüstet ist, worauf sich zum Tyrannen Des Meeres macht das kühne Menschenkind. Der dritte Kiel ist aber, der gewaltig Vor allen ist; wohin kein Vogel fliegt, Kein Schiff, da geht sein Fußtritt doppelspaltig. Er ist's, der den Gedanken selbst besiegt, Den unsichtbaren Riesen vielgestaltig, Daß er gebannt auf zarten Blättern liegt. 9. Wir stilles Volk in des Gebirges Kluft, Tief schlummernd in der Mutter Schoß, Metalle; Was habt ihr uns mit eurer gierigen Kralle Heraufgezogen aus der dunklen Gruft? Daß unsre Starrheit an des Himmels Luft, Der uns verhaßten, euch zum Spiel zerfalle! Ihr zwinget unsre Stummheit, daß sie schalle; Der Schall ist Klage, die nach Heimat ruft. Und unsre Heimat ist die ewige Nacht; Ihr aber habt, zu unserm Weh beflissen, Zu eurem Weh uns an das Licht gebracht. Denn wie ihr uns der Finsternis entrissen, So reißen wir nun selbst mit dunkler Macht Euch mit uns nieder zu den Finsternissen.