[O Bild von meinem Knaben] O Bild von meinem Knaben, Du bist nicht ganz getroffen, Und doch so sprechend ähnlich, Will das sich widersprechen? Ich weiß es auszugleichen, Und löse so das Räthsel. Als ich in meiner Burg hielt, Das heißt in meinem Hause, Den Freund von Hildburghausen, Und ihm der Geist es eingab, Zum Unglück um zum Glücke, Zum leid'gen Trost im Leide, Mit Farbenglanz ein Scheinbild Des Lebens zu erschaffen, Und mir ins Haus zu stiften Zu ewigem Gedächtniß, Von meinen beiden Kindern, Die früh erblassen sollten; Da malt er erst das Mädchen, Das nun zuerst gestorben, Darauf nach vierzehn Tagen Den Knaben, der dem Mädchen In vierzehn Tagen nachstarb. Wie wenig sah er damals Zum Sterben aus, zum Welken, Der Lebensblüthenreiche; Der Blüthenlebensvolle! Da saß er gegenüber Dem Maler in der Kammer, Der vor der Staffelei saß, Von der Natur gemalet, Ein Bild der Liebesanmuth. Mit Lächeln, das zum Voraus Beschämend, das der Zauber Der Kunst ihm wollt' entwenden; Dem Künstleraug' entgegen Mit kühner Unschuld haltend Den Abgrund seiner Augen, Die unbewußten Trotzes Zum Kampf den Pinsel fordern, Ein dunkles Licht zu malen. Ich ließ in diesem Kampfe Den Bildner und das Urbild Und schrieb an meinem Stehpult Im Zimmer an der Kammer. Doch konnt' ich viel nicht schreiben, Denn immer mußt' ich lauschen Dem nebenan inzwischen In Gang gekommen, strömend Im Zug erhaltnen Sitzungs- Gespräche meiner Nachbarn. Der Künstler hat den Grundsatz, Und auch dazu die Gabe, Im Sprechen so viel möglich Die Sitzenden zu setzen, Daß ihre Mienen sprechen, Und so dann auch die Bilder. Und diesem Umstand dank' ich's (Somit lös' ich das Räthsel), Daß ich das Bild des Knaben Nun sprechend ähnlich finde, Wenn auch nicht ganz getroffen. Der Maler traf die Züge, Die Mienen, die belebten, Die hielt er fest, die Worte, Die sie belebten aber, Ließ er dabei verfliegen; Womit konnt' er sie halten? Ich aber hab' im Ohre, Dem lauschenden, behalten Den süßen Schwarm von Bienen, Der dieser Rosenknospe Des Mundes honigduftend Entquoll, vom Athem trunken. Und seh' ich nun das Bild an, So hängen sich die Trauben Von Bienen an die Rose, Und summen ins Gemüth mir Schwermüthge Schwärmereien, Ansprechend mit dem Nachklang Der nun versiegten Quelle Des kindlichen Geschwätzes, Ansprechend die Erinnrung Im tiefsten Grund der Seele, Um ew'ge Lieb' und Trauer Und Freud' am schönen Bildniß. So wird das Bild nun freilich, Als wie zu mir, zu keinem Beschauer sprechen können, Der es nur sieht, nicht hört auch.