Freie Rhythmen Die Lyrik Ob auch ein überkluges Geschlecht Dich belächelt als Unverstand; Ob der banausische Schwarm, Der in den Tempel der Kunst sich drängt, Um bei des Altars heiliger Flamme Mahlzeit zu halten, Dir, weil du den Mann nicht nährst, Hochmüthig den Rücken kehrt, Indeß ein Heer frecher Stümper Dich entweiht zu nichtigem Spiel: Immer und ewig Bleibst du, hochaufstrebende Lyrik, Blüthe und Krone der Dichtkunst. Denn überall sonst befehden sich Stoff und Form, Und der Meister selbst, Der den Zwiespalt zu lösen scheint, In tiefster Brust empfindet er Vor dem beendeten Werk Vorwurfsvollen Mißklang Des Unbewältigten. Du aber, athmend reinster Empfindung Hauch, Folgst in sanften Rhythmen Willig dem Geist Und lenkst ihn zuletzt, Da du Worte hast für das Unsagbare, Siegreich hinan zu ahnungsvollster Erkenntniß. Und wie du der Freude Höhen Als leuchtendste Rose schmückst, Blühst du auch, schwermuthsvoll, Als Passiflore hervor Aus den Abgründen des Lebens.