Das erwachende Schloß Der Morgen dämmert. Seine ersten Lichter Erhellen matt und kühl des Parkes Grün. Rings tiefe Stille; leise zwitschernd nur Regt's in den Wipfeln sich, und aus dem Spiegel Des Teiches schnellt ein Silberfisch empor. Mit dicht verhüllten Fenstern lautlos liegt Das Schloß, und in den dunkelnden Gemächern, Vom Schlaf umfangen, liegen die Bewohner. Selbst jene, die der kurzen Sommernacht Langsame Stunden schlummerlos gezählt, Im Seelenaufruhr hin und her sich werfend – Selbst jene hat des Morgens Schauer jetzt Zur Ruh' gebracht ... Noch eine Stunde. Dann ein erster Ruck – Und nach und nach belebt sich dieses Schweigen. Emporgerüttelt aus dem kurzen Schlaf Der Arbeit hat die Pflicht den Dienertroß. Mit unvergnügter Hast geht er an's Tagwerk, Indeß verschlaf'ne Bonnen, leisen Fußes, Vorsorglich seid'nen Kinderbetten nah'n, Und gähnend ihre Brust die träge Amme Dem Säugling reicht, der schon nach ihr gewimmert. Und später dann, von einsam öden Lagern, Aus öden Träumen, heben seufzend sich Empor die Lehrer und die Gouvernanten, Die mit ergrau'nden Häuptern immer noch Als lebende Vocabelntrichter wandeln. Sie schlüpfen rasch in abgenützte Tracht Und blicken in den Hof stumpfsinnig nieder, Wo wiehernd schon die stolzen Rosse stampfen Der stolzen Herren, die mit Sporngeklirr Zum Morgenritt hinab die Treppen eilen. So Jung, wie Alt. Mit leerer Stirn die Einen Und leerem Herzen; And're kühnen Geistes, Die Brust zerwühlt vom Drang der Leidenschaften, Von Herrschsucht, Ehrgeiz, Eifersucht und Haß, Die Brau'n gefaltet und durchfurcht das Antlitz Von Sorgen des Besitzes und der Macht, Von Sorgen, die schon früh die Haare bleichen, Doch auch zum Widerstand die Glieder stählen ... Schon blitzt es gold'ger um das Laub des Parks; Thaufrischer Rosen Duft dringt süß durch Fenster, So man geöffnet leise zur Erquickung Für heiße Stirnen, die auf Spitzenkissen Im Wachen noch fortträumen jene Träume, Wie sie die Frauen träumen ... Allgemach Bewegen weiße Arme sich und Schultern, Und von dem Schnee der Linnen richtet sich In unbelauschter Pracht die Schönheit auf, Hier im Erblühen – dort schon im Verblüh'n. Stets höher steigt die Sonne. Würzig duften Jasmin und Nelke. Heimgekehrt, erhitzt, Ist schon die Reiterschaar. Einladend blinken Unter Platanenwipfeln Silberkannen, Von holden Lippen tönen Morgengrüße, Es strecken zarte Hände sich entgegen Zum Druck und Kuß; von Stimmen wird es laut, Es klirren Tassen – und nun rollt der Tag Durch jedes Leben dieser Welt im Kleinen, Der Tag mit seinem Schicksal – bis sich wieder Zum Schlummer sanft das letzte Aug' geschlossen.