Fabel: Der rab mit dem toten fuchsen Das buch natürlicher weisheit das saget uns, wie auf ein zeit in eim höl lag ein alter fuchs, in dem der hunger groß aufwuchs. in solchem begab sich hernach, der fuchs ein raben fliegen sach, der inbrünstig hungriger weis begeret zu suchen sein speis, wo etwan leg ein totes as. als nun der fuchs vermerket das, war er mit listen gar nit treg, legt sich gestrecket an den weg, mit eingfallen kinbacken als und mit lang ausgestrecktem hals, mit stil diebischem atem ganz, mit ganz aufgeflattertem schwanz, mit allen viern gestreckt on spot, als ob er da leg und wer tot, den hungring raben zu betriegen, ob er herab auf in wolt fliegen und im seine augen aushacken, ob ern möcht bei dem hals erzwacken und möcht ein nachtmal an im haben. als aber der fuchs von dem raben also sam tötlich wart gesehen, da wolt er vor dem grunt nachspehen, wan er war fürsichtig und klug, nahet ob dem fuchsen hinflug; da sach er gewiss an der stet, wie der fuchs atem holen tet und zog den heimlich aus und ein. dardurch erkent die liste sein der rab und flog von im, allein nam in schnabel ein kiselstein und flog auf in den luft mit schallen, ließ den stein auf den fuchsen fallen. der fuchs erstunt balt auf vom tot, da sprach zu im der rab im spot: fuchs, meinst, das nit das rebisch aug so scharpf und wol zu listen taug als dein füchsisch aug vol arglist? derhalb ich auch zu mancher frist eim so liegenden fuchs geschicket sein aug mit meim schnabel auspicket, ließ im denn den spot zu dem schaden. der fuchs sprach: ich hab mit ungnaden auch oft ein raben in den tagen also ertappt und gen walt tragen und den gerupfet und gefreßen, darumb sei nicht also vermeßen, dem weisen oft in diser zeit widerfert nit ein klein torheit, voraus wo in des hungers fraß darzu übet on unterlaß. der geizhunger an manchem ent das herz verdunkelt, augen blent; wo der aufsperret seinen rachen, zu füllen sich und feist zu machen, und er als waget hin auf glück, schlegt alle erbarkeit zurück oft wider billichkeit und recht, das er oft mit dem hals behecht, umb leib, er, gut und leben kum. im antwort der rab widerumb: wiß, das ein fürsichtiger man sich weislichen fürsehen kan vor der arglisting trüglichkeit, wenn er vertraut zu keiner zeit und sich gar wol umbschauen muß, e er setzt nider seinen fuß, das er nicht alle augenblick gefangen werd und sich verstrick mit der welt unzeligen netzen, die in bescheding und verletzen; und wil er in der welt beleiben, muß er oft list mit list vertreiben und muß die fuchslistigen fliehen, von ir gemeinschaft sich abziehen und sich nur zu den frommen halten. der fuchs sprach: des muß als glück walten, mein rab, wo müst ein man hinkommen, das er beisamen fünt die frommen, dieweil ir ist auf ert so wenig? der listing ist ein große menig, die all schauen auf iren nutz und nemen ir arglist zu schutz, darmit iren geizhunger neren, es sei mit er oder uneren, mit gutem schein die leut betriegen, übervorteilen und beliegen mit süßen, schmeichelhafting worten und können auch an allen orten den schalk gar meisterlich verbergen, als ob im herzen sie herbergen nichtes denn lieb, treu unde gunst; das ist denn aller heuchler kunst, darmit sie die einfelting fangen, die darnach in irm netz behangen; derhalb, mein rab, wilt sicher sein, so schick dich nur fürsichtig drein. nach den worten sie beidesander schiden mit friden von einander. Der beschluß Aus der fabel der weisen alten sol ein mensch in gdechtnus behalten, das er allzeit fürfichtig sei, weil untreu ist so mancherlei auf erden gar in allen stenden, geistlich und weltlich regimenten, und ist in aller welt gemein, verdecket doch mit gutem schein, als sei nichts da denn lieb und treu. ist doch Judas kus teglich neu! lach mich an unde gib mich hin, das ist fast aller welte sin. des nem ein man die ler allein: wo er wil unbetrogen sein, da tu er nicht zu weit vertrauen, sonder tu mit fleiß für sich schauen, auf das er nicht betrogen wer; wan wo zu weit vertrauet er, so wirt gewislich er betrogen und mit der nasen umbher zogen, dardurch im denn nachreu erwachs, mit spot zum schaden, spricht Hans Sachs. Anno salutis 1559, am 11. tage Februarij.