Gustav Sack Die drei Reiter Gedichte (1913–14) »Und doch zerbracht ihr Toren mein Geschick« Widmung Nicht daß du mich liebst und mich verstehst – daß du wie Kamoëns Negerknabe abends für mich betteln gehst, sei zum dauernden Gedächtnis ihnen hinters Ohr gerieben und als erster Reim hierher geschrieben. Das Hopsassa Was du nur willst! Dieweil du reimen kannst und in beliebtem Hopsassa erzählst was dir zu Leids geschah, schmähst du auf jeden braven Wanst, der reimlos seine Wege geht und von der Narrheit nichts versteht, die dich, indes er ißt und trinkt, in schmerzliche Ekstase bringt und dich ekstatisch hungern läßt. Er soll dir deine Narrenqualen etwa mit seinem Gelde zahlen? Dir ist dein Narrsein ja ein Fest! So zahle deine Feste selber und neide nicht voll Prahlerei und widriger Phantasterei ihm seine wohlgeratnen Kälber, du elendiger Hopsassa und Tschingterassa Bum! Frühling Nun blühen wieder goldig schwer die Weiden in meinem märzensonndurchglühten Moor, als ob ich in das windzerschlißne Rohr geworfen einen Knäuel gelber Seiden. Als ob ich meines Winters süße Leiden und seiner Wünsche hadernd lauten Chor gepreßt in diesen feinen Seidenflor, um so von ihnen freundlich mich zu scheiden. Nun liege ich mit leidbefreiter Seele und schaue ihnen nach aus Rohr und Ried versenkt in sinnende Melancholie, da rauscht's im Schilf, und eh' ich fort mich stehle, da tanzt sie zu mir, die mich Winters mied, und – hebt kokett ihr Röckchen bis zum Knie. Im Englischen Garten Als ich aus meiner Stammtaberne mich gestern fortgemacht, hing in die spöttisch stille Gartennacht der Mond herab gleich einer leuchtenden Papierlaterne. Mit einem Sichelschwert, krumm wie die Hülse der Luzerne, hat ungehört die Nacht unter dem Rasen einen Schnitt gemacht und läßt die Erde stürzen in die sammetschwarze Ferne; und singend hält sie in den weichen Händen dies Rund von wulstigen Schattenwänden, in dem ich wie von einer tönereichen Schale getragen viele tausend tausend Male an Leonor gedacht, in dieser braunen spöttisch stillen Gartennacht. Der Traum Er kam von Nirgendwo, er nahm mir leise der Dinge Metermaß und Stundenglas und gab mir, was ich lange schon vergaß, zurück in wundersam verzerrter Weise: Was einst ich stammelnd schrieb zu deinem Preise, wird nun ein Jauchzen ohne Ziel und Maß – oh deine Nacktheit, die ich nie besaß, tanzt um mich weiße fieberwilde Kreise! Sie tanzt –! du rast, du bist ganz tolle Glut, umwogt von deines Haars wildgoldnen Strähnen umkreist mich deine liebesgierige Wut gleich einem Roß mit sturmzerzausten Mähnen – – oh schönen Traumes heiße Bilderflut, aus der ich aufwach unter bitteren Tränen! Das Moor Oh du Geliebte, wenn ich je gedächte, dich einem Erdendinge zu vergleichen, so wählte ich den Berg unzähliger Leichen, so wählte ich das Moor und seine Nächte. Du schmutziger Knäuel bodenloser Schächte verborgen unter sammetseidenweichen und tief türkisenblaun Nymphäenteichen – daß dich dein eigener Gestank umbrächte! Denn arg hast du mein Tölpelherz verführt mit deiner glatten Haut Melancholie und deinem gramdurchtränkten Liebesschwure und mitternachts mir einen Trank gerührt aus Kot, Gestank und Teufelspoesie – vergib mir! – oh vergib mir, große Hure! Der Schuß Drei wilde Nächte hab ich durchgebracht, Nun häng ich zitternd in der hohlen Stadt, die alle Lichter schon verloren hat vor Regengraus und Sturm – weh! welche Nacht! All meine Jahre sind hell aufgewacht und haben mir heißhungrig, nimmersatt mein wüstes Trinkerleben Blatt für Blatt auf einem grellen Filmband vorgelacht. Sie winken mir und grinsen: war's nicht so? umfluten mich und fragen: weißt du noch? und streicheln mich und flüstern: bist du's nicht? Da hallt ein Schuß, laut, scharf, von irgendwo – der reißt in meinen Film ein schwarzes Loch, daß er entsetzt aufkreischt und – stumm zerbricht. Der Tote Da, hinten, in der Heide, wo der Westwind stößt, hat seine Stunde geschlagen; da hat sich der Narre die Adern gelöst und sich zu Grabe getragen. Bald kreisten die Raben rabenschwarz und dicht über dem armen Kadaver, auf seine hungernden Därme erpicht hielten sie laut ihr krächzend Palaver. Dann nagte der Fuchs in windiger Nacht seine steifgefrorenen Glieder, und als der p.p. Lenz erwacht, tanzten die Schmeißen nieder. Im Herbste aber glänzten blank seine Knochen wie Kreide und Seide, und klagend stieß seinen Regengesang der Westwind über die Heide. Vorbei! Sie hielt mich fest an ihren gelben Haaren ein ganzes schmachvoll süßes Sklavenjahr, bis sie des schönen Spielzeugs müde war und schnöd mich hieß zum alten Eisen fahren. Und traurig träumend, was sie einst besessen, lag meine Seele irgendwo versteckt unter dem alten Eisen ausgestreckt und ließ vom Rost sich wollüstig zerfressen. Da sah sie deine jungenhafte Schlankheit und flog aus ihrem Winkel unversehrt und, leuchtend wie ein blank geschliffen Schwert, klirrend lacht sie ihrer Kinderkrankheit. Paralyse Hallo! die liebe Seele stirbt – da liegt sie zuckend in meiner Hand – ein Druck, und wir sind frei! Sie schreit, und wallt und zuckt und schwillt, da fällt sie quäkend von meiner Hand – ein Tritt, und wir sind frei! Sie kriecht, kriecht wie ein fetter Wurm – und glänzt und springt und sie tanzt und lacht – sie lacht – und ich bin frei! Abend Und wieder ein Abend; ein Tag in das Nichts, das grenzenlose Nichts gerollt – in den bleiernen Wolken ein Sterben des Lichts und über den Wäldern der Mond, gelb wie altfränkisches Gold. Nun dunkelt es schnell; ein Wind macht sich auf und rasselt im Schiefergedäche am Turm – kopfüber purzelt der Tage Lauf vor der Ewigkeit drohendem Sturm. Der faule Mucker Der Regen schlägt, als geißelten des grenzenlosen Himmels wilde Winde den alten Mucker jagend hoch und meißelten aus Schnee und Schmutz und Stubendunst des Sommers nackte Glut heraus. Das gießt und bläst und faucht und raucht, bis über Nacht des Frühlings Hülle fällt und – breit und ungeschlacht fiebert der Sommer durch die Welt! Puerilia Da war einmal ein Maientag mit Primelduft und Lerchenliederleiter, mit blauem Himmel und so weiter – doch meine liebeswunde Seele lag an einem Strom und unter gelben Weiden trank schluchzend sie ihr erstes Leiden. Und diese Stunde muß ich wiederfinden mit ihrer jungen, jungendummen Trauer und ihrem stolzen Überwinden. Vorfrühling Die Sonne, die den schwülen Frühlingstag tückisch in ihren Wolken lag, zog blitzend ihren Degen und stieß in jäher Wut ihn in des Himmels Purpurblut – und ohne Ende strömt der Regen! Der – spült mich fort; und meine Seele fließt und fließt und schwimmt, ein träges Boot, das überladen gleich zur Tiefe schießt, in Nacht und Tod. All meine Jahre lastete ich ein und alles, was ich von mir selber litt, mein Hoffen, mein Verachten gab ich mit und meinen Hohn noch obendrein. Sink! sink, mein Kahn! Denn Tag ist Tag und Nacht ist Nacht und was dir Tag und Nacht gebracht –: Sink! sink, mein Kahn! Julitag Heut aber lief der Tag sich wild! Was hat er nur gejagt, daß ihm gleich einem Hunde, dem die Zunge rot schlottern? und lechzend aus dem Halse hängt, die Blätter welk und dürstend an den Bäumen Nun wirft er sich aufs Land und blickt mit seinen wilden Augen fiebernd in die stählern blaue Welt, in die das schöne Beutestück entfloh. Er schläft – doch morgen, morgen wird er wieder weiter jagen ruhlos vorbei, ruhlos zurück, denn nur in seinem Fieber, seinem Flankenschlagen, in seinem Lechzen liegt sein Glück. Der Föhn Der Atem stockt; denn schwer und trunken schmiegt sich heut der Tag der Erde an und eines dummen Vogels Lied fliegt, fliegt, ein Ding das noch nicht fliegen kann und immer wieder gleich zur Erde fällt, ängstlich durch die wüstenwarme Welt und regt mich auf! Wie sich der Tag mit unerträglich weicher Schwere drängt in dieses jungen Vogels Lied! Und himmelan mit Hast und Flügelschlag flattert in die kühle braune Leere! Und ihn ewige Ermattung mit tausend Armen immer wieder niederzieht! Doch auf den Bergen lauert schon der Föhn und wird noch über Nacht aus seinen Höhn und Wolkenhallen brausend in die Ebne fallen! Der Herbst So komm, du wilder West, und sing geheimnisvoll und runenkundig in meinen Kiefern und Wacholderbüschen das uralt düstere Jahreslied des Todes! Und reiß aus meinem Herz des Sommers Freuden, reiß sie gleich müd gewordenen Blättern ab, auf daß mein Fuß sie raschelnd von sich stoße. So wie von jenem Ahorn taumelnd dort die schwarzgefleckten Blätter landwärts wirbeln, laß all des Sommers gaukelnde Gestalten zu krausen Scharen windgewiegt ins graue Land Vergessenheit hinflattern! Und dann, oh West, oh wilder West, saug aus des Weltmeers weitgeebbten Brüsten dir Sturmeskräfte hoch und schleudere mich hohnlachend jenen Spukgestalten nach und brause, laut aus vollen Lungen tobend, über das Sommerglück, das du zerstört! Ekstase Oh dieser griesgrämig graue Himmel! Könnt ich mit diesen beiden Händen zusammenballen die nebele Feuchte, und einen Sonnenstrahl drein fesselnd zu einer Perle pressen dies Gemisch, zu einer durchsichtigen goldblauen Perle! Oh dieser mürrisch pfeifende nörgelnde Wind! Könnt ich mit diesen beiden Armen zusammenschlingen den ruhlosen Nörgler, ein blankes Bekenntnis ihm einhauchend ihn dann loslassen, eine fegende Erklärung, wolkenzerreißend, länderdurchtönend! An der Reuß Wie gelbe Stiere schäumt ihr und tobt und brüllt ohne Ende zu Tal, doch die Felsen, die ihr durchrannt und durchklobt, all eure wütende Qual wird in drei Stunden vergessen sein – Hoppla! du Narr und trolle dich, für dich ist kein Ruhbett gemacht, hebe die Füße und trolle dich kalt und vergrämt durch die ewige Nacht. An einen Wacholderbaum Denn wenn der Westwind in dich fiel, schien mir dein nadelscharfes Rauschen als dieser gottverfluchten Heide auserlesen Saitenspiel. Die Maske Des Daseins Proteusmaske scheint und klingt und mag dem Kind als Wirklichkeit genügen, es wird zu Lust und Tränen blind sich fügen, je wie der Popanz ihm entgegen springt. Du möchtest ihn enthüllen – ach! es dringt kein Blick durch diese schillernd bunten Lügen zu dem, der mit geheimnisvollen Pflügen das Chaos in die Kosmosmaske zwingt. Nenn ihn das Furchtbare und deine Welt sein Maskenkleid und bleibe dir bewußt, daß jede Maske käuflich ist für Geld – und diesen Glauben, hörst du Glauben, mußt als Sprungbrett du betrachten, das dich schnellt zu aller Deutung grenzenloser Lust. Der Stein So bist du mir das Symbolum der Welt, ein Zwitter frostiger Erhabenheit und zynisch schweigender Gleichgültigkeit; gefährlich nahe schon dem Nichts gesellt hast du dich auf den höchsten Stolz gestellt und hebst dich herrisch aus dem Strom der Zeit und über des Geschehns Formlosigkeit bleibst du der Einzige, der Form behält. Oh kalten Gleichmuts lautberedter Hohn, des Unbegreifbarn greifbare Erscheinung hast du gepreßt in einen Klumpen Ton und – nur ein Ding, ein Nichts in unsrer Meinung stehst du auf deiner Weisheit kahlem Thron als dieser Welt sarkastischste Verneinung. Die Zeit Noch kommt mit der Unsterblichkeit gepaart die Zukunft ewig strömend zu dir her und schafft auf ihrem unbewegten Meer in dir den Wellenschaum der Gegenwart; sie prallt in unergründlich schneller Fahrt aufgischtend an an deiner Seele Wehr und bricht durch dich in einem Sturze, der schon als Vergangenheit sich offenbart. Bis eines Tages sich der Schaum zerstreut und deiner Seele Balkenwerk zerfällt – und Strom ist nicht mehr Strom, still steht die Zeit: fort strömt die Zeit und trägt die tote Welt auf ungeteilter Flut zur Ewigkeit, wo sie mit ihrer Last als Wort zerschellt. Die Seifenblase Wie sie mit ihren Dünsten sich umgeben! Wie sie, den Finger an der Himmelsnase, weislich erforschen ihre eignen Gase, wie diese Klötze an der Erde kleben! Doch immer hohler, weiter wird mein Leben, es wird noch, glänzend wie die Seifenblase, in schwereloser, wiegender Ekstase mit allen Winden in die Weite schweben; und wenn auf ihren dünnen Kugelschalen sich eure schweren Nebelgründe bunt verzerrt zu einem schönen Spuk abmalen, wird sie in ihrer höchsten Pracht der Schlund des Frostes und der Einsamkeit verzehren, nichts wird in eure Tiefen wiederkehren. Die Sprache Sprachlos willst du die nackte Welt genießen und tief einfühlend dich in ihr verlieren, ohne in Worten sie zu porträtieren und sie in hohle Klänge umzugießen? Doch aus der Sprache deine Wunder sprießen, in deiner Sprache nur kristallisieren die jähen Bilder, die gleich wilden Tieren chaotisch wütend durcheinander schießen, zu deiner schimmernd festgefügten Welt. Und daß dich diese Worte selbst nur malen, klag sie nicht an, denn ohne sie zerfällt des Daseins Klang und siebenfarbig Strahlen in ewig wüste Nacht, schaurig erhellt von aller Nöte flammenden Fanalen. Das Leben 1. Ich rief dich nicht, du zerrtest mich hervor aus meines Nichtseins tiefer Seligkeit in diese qualgedehnte Spanne Zeit und hämmertest mir stündlich dann ins Ohr: »Das Sein, in das ich dich heraufbeschwor, sieh, es ist nichts; ein Knäul von Widerstreit endend im Tod; und Unerkennbarkeit ist deiner Weisheit Schluß: zeuch fort, du Tor!« – Ich rief dich nicht, doch gabst du mir die Kraft zum Fluch, so fluch ich dir: vermaledeit in Grund sei jener lustverbrämte Saft und süße Höllenschaum, der, todgefeit, des Lebens Ringe ewig weiter trägt und blutige Ketten um die Erde schlägt, 2. verflucht – – doch fluch ihm nicht: es flucht durch dich; und lieb es nicht: das sich in dir nur wieder liebt wie in jeder Rose, jedem Flieder, ob auch ein Wurm sich in die Blüte schlich. Denn was du tust, das tut das Leben sich, es singt in dir eins seiner bunten Lieder, wenn es durch tausend Skalen auf und nieder streicht seinen ungeheuren Geigenstrich. Drum fluch ihm nicht und laß es nur geschehn, daß jeder neue Morgen dich erneut, und laß dich treiben, wie die Wolken wehn, in wolkenhoher Unbekümmertheit. Flieg! Flieg! der Gipfel ist schon festgestellt, der deinen Flug zerbricht und dich zerschellt. Gott Aus Furcht geboren und vom Wunsch verschönt, ein Bild unsrer Vollkommenheit zu malen, wurdest du Jude und zum Kannibalen, der eifervoll dem Bruderfraße frönt; dann nährtest du dich, opferblutgewöhnt, von unsrer Selbstzerfleischung Folterqualen, bis deine Wut verdämmerte zum fahlen Gespenst, das hohl und wimmernd uns umstöhnt: Oh Ding an sich! Oh Wahrheit! Letzter Grund! Nun stirbst du – – dennoch fachte dieses Wort all unsrer Sehnsucht Narrenschmerzen und Gelüste an und unsre Welt verdorrt noch in den Dünsten, die dein toter Mund aushaucht, zu einem runden Narrenort. Die Welt Aus eins ward zwei, dann strichen wir die zwei und schrieben: wahrlich! es ist eine Welt, die in sich Stoff und Geist zusammen hält, und auch kein Pfaffe bricht sie mehr entzwei. Dann aber: es ist alles Bilderei, was sich so bunt vor unsre Sinne stellt, ein X, von dem niemals der Schleier fällt, ja unsre Sinne selbst sind Malerei, die Welt, das Ding, die Folge, Zeit und Raum alles ein schwerer, rätselwirrer Traum. Und heute schreit man laut auf allen Gassen: nein, sie ist da, ist harte Wirklichkeit – – fortrollt die Welt im wilden Strom der Zeit, wir rollen mit und können sie nicht fassen. Die Sterne Wenn sich die Nacht zaghaft mit euch besteckt, wie eine dunkle Tänzerin den seide- weichen Leib mit spärlichem Geschmeide, wenn ihr gleich brennendem Staub den Himmel deckt und leuchtend in das Nichts hinüberleckt, fliegt wohl von dieser dürren Lämmerheide und abgegrasten Trübsalsrinderweide die Seele lechzend zu euch hoch und reckt der Sehnsucht Fackel hoch in euch empor, bis sie vom Weine der Unendlichkeiten trunken taumelt und ein wirrer Flor sich um die Sinne legt –: aus euren Weiten, die ewig grenzenlos ich hochbeschwor, fall ich zurück in Staub und Sterblichkeiten. Der Tod Wenn alles mißgerät und ganz zersplittert sogar des Stolzes harte Ruhewiegen in armen Brocken mir zu Füßen liegen, wenn mich der Ekel grau und grün umwittert, mich die Verzweiflung mauernhoch umgittert, weiß ich mich noch an einen Trost zu schmiegen, auf purpurrot belegten Marmorstiegen vom Dufte des Vergessens schon umzittert selbstherrlich in dein Königreich zu schreiten, in dem der Sturm Begehren endlich schweigt, in dem erstickt von tiefsten Sicherheiten der zungenlaute Zweifel von mir weicht und mir nicht mehr zu kurzen Trunkenheiten die Hoffnung ihren Lügenbecher reicht. Mystika Tausend, viel mal tausend Jahre rollten ab gleich einem Blitz, eh' ich aus verliebtem Paare sprang hervor, ein dummer Witz eines ewig Namenlosen. Armer kleiner Narrensang, der in wilder Jahre Tosen schwindet, eh' er kaum erklang! Aber dennoch berge ich in mir aller Welten Qualen und was sein wird, das muß sich vorher erst in mir abmalen. Ja, der Vater, der mich rief, kann in mir erst Dasein werden, ohne mich sogar verlief, sich der wilde Tanz der Erden. – Wie die Narrenkappe schellt! Aber ohne solches Klingen wirst du und die ganze Welt blitzschnell in ein Nichts zerspringen! Okkulta Durch ihren Leib die Sterne scheinen, durch ihren Körper bläst der Wind, für diese ewig Überreinen sind unsere Sinne taub und blind. Sie lieben nicht wie Menschenkinder und grübeln nicht dem Dasein nach töricht und blind und immer blinder für Wirklichkeit und Licht und Tag. Sie hungern nicht, sie dursten nicht, sie schweben wie der Staub im Strahl in einem erdenfernen Licht und spotten ewig unserer Qual. Der Tag Und wiederum entquoll ein Tag dem alten qualzerrißnen Schoß der Nacht – und hat sich gleich daran gemacht mit Hottehü! und Peitschenschlag durch alle Straßen zu rumoren, bis sich das Uhrwerk wieder dreht und alles seine Wege geht; dann räkelt er sich traumverloren und wälzt sich ohne Ziel und Sinn und faul und grau, ganz überflüssig und seiner selber überdrüssig über die feuchten Dächer hin; und sehnt sich nach der Nacht zurück, in der er weich und brunnentief sein Nichtsein selig weiterschlief, und sehnt sich nach der Nacht zurück den ganzen Tag, den langen Tag sehnt er sich nach der Nacht zurück, nach ihrem daunenweichen Glück und unhörbaren Stundenschlag. Die Drossel Wie sich das Pack zusammenballt! Indes die Trambahn schrillt und gellt, die Musik lärmt, die Peitsche knallt, und wie ein Hund das Auto bellt, hört keiner sie, die unentwegt von einem Dach ihr Flötenlied volltönend in die Lüfte trägt. – Wie sich das schwitzend, brüllend müht, wie sich das stier und stumpf vermischt, das strömt wie ein verschmutzter Bach, Abwasserhub und Gassengischt, indes von jenem Giebeldach hoch über Kehricht, Staub und Wust des kleinen Glücks Melancholie harmlos und selig unbewußt ausströmt aus diesem kleinen Vieh, das heiß und frech und elegant sein schwarzes Konterfei poussiert – wie ich dich hasse, feiner Fant, der nichts verlor, der nichts verliert, der nur ein Ding ist, das man spielt, das nur der Frühling musiziert, das sich nicht kennt, das sich nicht fühlt, das nichts verlor und nichts verliert. Die Nacht Des Mondes silberweiße Serpentine sticht wie ein Riesenspeer weit in den See hinaus, um den mit finsterer Heroenmiene der Berge weißköpfiges Heer sich aufgetürmt – das ist ihr Haus, in dem sie immer wieder Ruhe hält, wenn flüchtig sie durch alle Welt Wohn und Schlummer streute; nun ruht sie zwischen den Bergen und über dem See, bis über der Gipfel vereiste Höh des Morgens bellende Strahlenmeute wie eine feurige Kugel Gold klingend in die Täler rollt und die Verschlafene wolkig zerfetzt tief in die Berge und Klüfte hetzt. Die Uhren In weichen Riesenknäueln, darin Traum und tiefer Schlummer brünstig sich umschlangen, durchfloß die Nacht den hochgewölbten Raum; so unaufhaltsam drangen ihre Sammetwogen und so schwer und breit aus einer unerschöpfbaren Unendlichkeit, daß sie die Stadt, die Tages hier gestanden, fortschwemmten in die fernste Ewigkeit und meine Sinne sie nicht wiederfanden, daß mich das Bodenlose ganz umfing und zitternd ich in seinem Brunnen hing – – – da ging ein Schlagen durch die Nacht, von allen Türmen auf und nieder schwatzten die Uhren ihre Stunde wieder, wirr, hastig, auf und ab und ohne Ende zerbrachen sie mir meines Brunnens Wände und riefen: es ist vier! ist vier! ist viere! – Da hab ich meines Schlummers laut gelacht und ihrer, dieser braven Uhrentiere. Der Mondbrunnen Doch als sie wieder sich in Träumen wiegte und schwer an meiner müden Schulter lag, gedachte ich, da leuchtend wie der Tag der Mond sich an die hohen Dächer schmiegte, der Lust, wie sie seit Jahren mich bekriegte und meinen Stolz mit weichem Wellenschlag und tausend Armen immer tiefer brach – oh daß sie doch gleich einem Quell versiegte, auf den man einen Block aus schwerem Golde wälzt! Da, ohne Ende unaufhaltsam rollte ein Strom von Reinheit von den Dächern nieder, der türmte sich zwischen den steilen Mauern zu einem lichten Brunnen hoch und unter Schauern kam meine reine Seele aus ihm wieder. Die reine Seele Die reine Seele, dieses tote Gold, das blinkend in der weiten Wüste liegt und das sein Herr verehrungsvoll umkriecht, indes sein leerer Magen knurrt und grollt, daß er den Klumpen nicht zu Markte bringt und feilschend ihn zu Wein und Datteln macht und ihn in einer roten Haremsnacht verpraßt – nun liegt sie da und gleißt und blinkt voll Arroganz und heiliger Begier, die reine Seele – in den Dreck mit ihr! Einsam Ich habe niemals Du zu euch gesagt – wohin ich kam und wen ich immer sprach und wenn er auch in meinen Armen lag, ich habe niemals Du zu ihm gesagt. Und doch hab ich mich nie darob beklagt und wenn die Sehnsucht auch mit wildem Schlag mein selbstgewähltes Klausnertum durchbrach, hab ich doch niemals Du zu euch gesagt und hatte immerdar an mir genug, berg ich doch ewig in mir Gott und Tier und Licht und Kot und heiligste Begier, und hielt mein stilles Zwiegespräch mit mir, bis über mir gleich einem Totentuch der Schrei der Einsamkeit zusammenschlug. Der Tempel Da sprang er fluchend aus dem Grab, in das er grübelnd sich verloren, und suchte Markt und Straßen ab, um seine Unzucht auszuschmoren. Hei! wie die wackre Dirne brennt! Doch in dem roten Lotterbette steigt schon der Ekel hoch und rennt mit seinen Freuden um die Wette. Und doch – ein Mensch; und still umspannt des Zweiseins wundersame Ruhe wie eine hohe Tempelwand die dampfumhüllte Unzuchtstruhe. Der Prolet Was treibt dich, dieses Leben fortzufahren, Prolet in deinem schmierigen Gewand, nachdem der Wollust jugendlicher Brand erlosch nach allzu schnell verrauschten Jahren? Hohläugig, hager, mit ergrauten Haaren, so stehst du vor dir selber angespannt und schleppst dich in ein sonnenloses Land, um dich zuletzt dem Ekel zu verpaaren und in der nächsten Pfütze zu verenden. O könntest du den Blick noch einmal heben, o könnt ich dir mit meinen weißen Händen der Rache Fackelbrände übergeben, daß sie in einem seligen Berschwenden verzehrten uns und dein zertretnes Leben! Der Morgen Es kräht der Hahn! Da nimmt die Maid sich noch einmal den Liebsten kräftig zwischen ihre Beine, da schreibt die allerletzte Zahl der Geizhals müde unter seine Scheine und einer ganzen Nacht gehäufte Qual fällt mich zum letzten Male würgend an – Gottlob! da kräht der Hahn! Die Klage Durch diese unerträglich flachen Tage, die ihren endlos grauen Frühlingsregen wie einen Sarg um meine Seele legen, zog eines Traumes wundersame Frage ein feines Band; schlägst du dies Band, so prägen sie zitternd einen Klang von tiefer Klage. – Nun küß mich wieder! sprach der Traum, da trat ich in den Streifen, dessen fahler Glanz und strähniges Gewinde meinen Pfad schon lang verwirrt und nun im Taumeltanz der Abendnebel, deren weiße Saat von allen Wiesen kräuselnd stieg, mich ganz verzaubert weiter führte; und ich ging ihm nach und lief und stolperte und sprang ihm nach durch Tau und Ried, bis wie ein Ring und gläsern dünner Unkenglockenklang er schwebend über meinem Haupte hing und diese Klage zu mir nieder sang: »Als meine Liebe trunken überquoll, als ich besessen war und meine Brüste nichts andres schienen als zwei wollusttoll lechzende Kissen deiner wilden Lüste, und als mein Leib von deiner Liebe schwoll und ich schon wußte, daß ich sterben müßte, bat ich dich wohl: sag mir ein armes Mal, daß du mich liebst. – Du sagtest es mir nicht; ich starb und noch in meiner letzten Qual bat ich dich – doch du sagtest es mir nicht; ich war dir lieb, mehr als der Sonne Strahl dir lieb – doch warum sagtest du es nicht? Nun trägst du deine einsam kalten Tage durch eine Welt, die nichts von dir versteht, und die – – –« und wie ein Blitz, mit einem Schlage verschwand mir Bild und Traum; doch mich umfleht noch immerfort der Stimme süße Klage wie eines Toten heimliches Gebet, das lockend aus dem Nichts herüberweht. Das Zauberlied Wohin du gehst, du wirst mir nie entgehen, denn meiner Sehnsucht feine Witterung wird schneller, als du glaubst, den kühlen Sprung in das verführerische Land verstehen, in dessen ewig glatten Schattenseen du dich vor mir geborgen wähntest – jung und mittagheiß wird die Erinnerung an deine Liebe brausend dich umwehen und wenn du aufwachst, siehst du mich, der dich mit blanken Armen an das Ufer zieht und dir mit einem Kuß, dem wehen Stich der glühen Lanze gleich, das Zauberlied einhaucht: uns schwanden längst schon Raum und Zeit was flüchtest du dich in die Ewigkeit? Umsonst Es hilft dir nichts, du bist dir ewig gleich, und wenn du auch in jede Pfütze rennst und dich mit jedem Lumpen Bruder nennst, es hilft dir nichts, du bist doch rein und reich und bleibst in deiner Pöbel-Trunkenheit, in deinem schmerzlichen Dich selbst Verachten und deinem aberwitzigen Narrentrachten ein goldnes Rad im Spiele der Notwendigkeit. Der Findlingsblock In weiter Heide auf den Hügelwellen vom Meer der Vorzeit dünend aufgeschlagen, liegt einer der granitenen Gesellen, die einst der Gletscher Strom ins Land getragen. Und ob der Himmel ihn mit Schloßen schlägt, die Sonne brennt, ein Schneewall ihn ummauert, oder ein Waldbrand heulend ihn umfegt, er liegt und ruht, schweigsam und stolz, und dauert. Doch als ich gestern nächtlich vor ihm stand, schien er mir in der Sterne fahlem Licht verwandelt, dieser tote Klumpen Sand in Gottes gramdurchrißnes Angesicht. Genug! Genug! jetzt halte ich den Kreisel stille, der ohne Rast sich um sich selber dreht und den ein wütend blinder Weltenwille mit Peitschen treiben muß, daß er nur steht und nicht im nächsten Augenblicke matt und ewig regungslos zu Boden fällt. Genug! ich bin der Peitsche übersatt, satt bin ich dieser qualgepeitschten Welt und gebe den Gehorsam endlich auf, ein Ding zu sein, das alle Nöte hetzen, bis es nach richtig abgerastem Lauf umsinkt ein Haufen Staub und Trümmerfetzen. Mein sei der Augenblick, in dem ich falle, ich will in meiner Nöte größter Not und voller Hohn und bitterschwarzer Galle eingehn in einen freiherrlichen Tod! Am Strand Da hilft denn also nichts, du bist allein – so beiße deine Zähne fest zusammen, halt deinen Nacken grad und schaue drein, als wolltest du dich in die Erde rammen ein stolzer Damm gegen das Leid der Welt, das dich in brausender Begier umbrandet und ohnmächtig an dir zu Schaum zerschellt, bis es im Wintersturm der Zeit versandet und fernabbrausend von dir weicht. Dann – sieh dich um und sieh den Stein, wie ihn, umklebt von Krusten grenzenloser Apathie, der Wüstenwind der Ewigkeit begräbt. Blauer Himmel So liebe ich dich nicht; doch wenn der Sturm durch deine Weiten brüllt und wenn die Wolken wiederum wie Winterwölfe durch dich fahren heißhungrig und vor Hunger stumm, wird meine Unruh offenbaren, wie ich nach deiner Freiheit lechze. So liebe ich dich nicht, so nicht in deinem wolkenlosen Prahlen, denn diese prahlerische Reinheit drückt mich tot, wie man ein Blatt zerdrückt. Liebe Dann wacht ich auf und sah den Ziegelschlot vor meinem Fenster leuchten frühlichtrot und über ihm und über Dach und Wand den Morgen kalt und stählern ausgespannt. Und während sie sich noch in Träumen wiegte und fester sich in meine Schulter schmiegte, überfiel mich Schauer über Schauer der Einsamkeiten namenlose Trauer, und wie sie dann aufstöhnte lustverloren, wünschte ich, ich wäre nie geboren. Serenade Mir kann nun von den schönen Dingen allen am wenigsten das Abendrot gefallen, zumal der grünlich gelbe Schein darüber macht meine Seele banger nur und trüber, und jener Gegendämmrung Violett, aus dem des Mondes silbernes Stilett blaßrote Streifen Blutes zapft, zerklafft mir meiner Saiten allerletzte Kraft und drückt mich müde in die müden Knie, mich »Renommisten der Melancholie«. Frühlingsmorgen Von diesen frühlingskitschigen Vergnügen mag mir der reine Himmel nur genügen – wie liegt er keusch und ewig unbewegt, der mich aus dieser geilen Zeugungskraft hoch in die quellenfrische Kühle rafft und meine Sehnsucht in die Berge trägt! Der Schrei Aus dieser steingewordenen Not, aus dieser Wut nach Brunst und Brot, aus dieser lauten Totenstadt, die sich mir aufgelagert hat härter als Erz, schwerer als Blei, steigt meine Sehnsucht wie ein Schrei quellend empor nach Meeren und Weiten und ungeheuren Einsamkeiten, aus all dem Staub und Schmutz und Gewimmel nach einem grenzenlosen Himmel. Wache Nächte Tief schläft die Stadt und wieder schlägt es drei; doch eine Ewigkeit muß noch verfließen, bis aus den feucht verhangenen Verließen der alte lichtdurchtönte Tag sich frei gemacht und ihn mit ihrem Morgenschrei die schwarzen Amseln von den Dächern grüßen. Drei Nächte – drei endlose Nächte stießen sich hohl und qualenwach an mir vorbei – doch während sie die längst verharschten Wunden blutig aufbrachen und im bangen Schoß der gähnend grenzenlos gedehnten Stunden des Tages Bitternisse riesengroß aufbauschten, sah ich, obwohl ganz zerschunden, hellseherisch mein vorbestimmtes Los. Auf einen Giftbecher »Dir war noch nie so froh und leicht wie heute, wo der Hoffnung letzter Schein freundlich verdämmernd von dir weicht, und dir aus meinem kühlen Wein aufquillt des Todes Sicherheit von nun an bis in Ewigkeit.« Der Speer Was ich auch seh und höre, glaub ich nicht, und was ich glaube, glaub ich nimmermehr, doch diese Weisheit, die sich selbst zerbricht, wirft mich wie einen blanken Eschenspeer, der tönend an der Scheibe Erz zerspellt, mitten hinein ins tiefe Herz der Welt. Amor fati Als ich ins Licht der Sonne sprang, stand meines Lebens Zickzackgang schon unzerstörbar vorgeschrieben; nun springe ich die Wege lang und fange diesen Zickzackgang wahrhaftig leise an zu lieben – doch dieser letzte Zickzackgang und lendenlahme Liebessang ist eben auch schon vorgeschrieben. Der Rubin (1915) Wie Heidehonig aus den Waben herbstsüß in schweren Tropfen fließt, erwuchs euch Buch um Buch – ihr ließt sie Bücher sein; und tief vergraben vom bunten Berg der Konfitüren verschliefen sie zu dritt die Zeit und wurden alt samt ihrem Leid und ihren faustischen Allüren. Im Traum nur dehnten sie die Glieder, im tiefen Traum nur schlangen sie um ihrer Welt Melancholie den Zauber ihrer stolzen Lieder. Jetzt werf ich dich, du grell Gebinde, du narrenroter, geiler Zwerg, hohnlachend in den bunten Berg – schlag deine Bresche und verschwinde! Das Opfer Diesmal sollst du noch entrinnen, heil aus meinen Händen schlüpfen, morgen werd ich dich einspinnen, dich an meine Feder knüpfen, nackt auf meine Feder spießen werde ich dein kleines Herz, Licht soll von ihm niederfließen strömend ewig tiefenwärts, schüren wirst du ihre Glut, daß du meine Fackel wirst, bis in unsrer Feuerflut Feder sowie Herz zerbirst. Der Federkiel Gleich einem umgestülpten Glas, das von der Lerchen Liederschlag in endlosem Bibrieren tönt, hängt nun der Himmel jeden Tag über dem strotzend fetten Gras. Doch mir ward diese blaue Welt feindlich zu einem Satyrspiel, das meiner Nöte lächelnd höhnt und mich gleich einem Federkiel in seinen losen Händen hält. Die Flamme Auch ich weiß, woher ich stamme; schwälend trüb gleich einer Flamme, die das Moor zum Schwälen brachte – dieses Moor, das ich verachte, Not und Plage heißt dies Moor – glimm ich in die Nacht empor; diese Nacht, die sturmdurchwütet, in der Graun und Ekel brütet, die mich giftig schweigend tötet, eh der Tag sich mir gerötet. Pro domo Ihr wollt mich nicht? Ihr werdet mich schon wollen und euch nach meiner Zauberpfeife tollen so leicht, als ob ihr ihren Klang verstündet, ihr werdet schrein, ihr hättet sie ergründet, bis ihr sie nächstens selbst zu blasen prahlt; ihr affenelendes Geschlecht, es malt auf eure niedre Stirne tintendick und gänzlich unverkennbar die Natur der unheilbaren Dummheit Signatur – und doch zerbracht ihr Toren mein Geschick. Der Flötenbläser Drum sollt ihr tanzen, bis ihr Hilfe! schreit, ihr sollt in unersättlicher Begier euch überfressen noch an mir und meiner Flöte wilden Traurigkeit, die euch in aller Dinge Rätselstreit taumelnd mitreißt und eure Eselsohren schier verrückt und völlig trunken macht, bis ihr mich und mein Flötenlied ausspeit und dasteht wie der Pöbel, dem der Rausch und Wein der Nacht verflog – ich nehm den Ruhm der Ewigkeit in Tausch, wenn ich nur einmal eure Stumpfheit hoch gejagt und ihr euch zitternd eingesteht: er hat uns wie ein Sturmwind fortgeweht! Nach dem Regen Zwischen des Gartens stierköpfigen Schatten, aus denen des Tages letzte Lichter wie blutrot müde Augen funkeln, wandeln wir um und sprechen leise von unsren geknickten Plänen; von den Bäumen fallen die Tropfen und zuweilen stürzen, dort wo die Wege sich biegen, des Gartens Schatten wie wollige Stiere jählings auf unser Herz – dann klettert mit seinen hageren Armen der Mond an den sparrigen Zweigen hoch und will mit seinen zitternden Händen, seiner messingnen Greisenglatze und süffisanten Magisterfratze unser Leid in ein ironisches Lächeln umwenden; aber ein Wind schüttelt die Wipfel und durchnäßt und schweigend gehen wir heim. Auf den Weg Ihr zuckt die Achseln, weicht mir aus, drückt euch in meines Nachbarn Haus? Drückt euch – ich werd euch dennoch packen und euch auf Schnee und Bergeszacken umbraust von aller Rätsel Plagen, ein Hagelsturm, zu Boden schlagen. Prometheus Abgeleitet aus dem 1906 entstandenen unveröffentlichten Jugendwerk »Erwins Tod« 1. Mit wuchtigen Schlägen war der Sturm gefahren, nun fällt im aufgewühlten Meer zu Tod die Sonne und in schiefergrauen Scharen wehn Regenweiber durch des Abends Rot und schaun der Sonne nach, wie sie verloht. Die Welt ist still und still verblaßt das Bild. Da weckt ein Flügelrauschen mich, da droht ein Schwarm von Adlern über mir, da schrillt ihr Ruf und reißt mich zu des Himmels blankem Schild. 2. Von zweier Klaun ergriffen hob mich linde der braunen Riesenschwingen sanfter Schlag durch Hagelwolken hoch und Wirbelwinde. Und während unter mir der müde Tag in siechen Nebelschwaden welkend lag, von neuem brach die Sonne glühend hoch und krönte mich mit ihrem Gold: so wag es Adlerpaar, und flieg durch Wolkgewog und Dünste hoch zum Äther wie noch Keines flog. 3. Schon sind die Wolken und der Erde Lande zum rollenden Globen fest in eins geballt, schon breitet sich die Welt wie Silbersande, schon hat den öden Raum sie eingekrallt als schimmernd bleiche Riesenringgestalt, die still in ihren kreisenden Spiralen vom Ende sich zum Anfang wälzt, – da prallt mein brausend Adlerpaar zurück, da strahlen ob unsern Häupten gleich hell flammenden Fanalen 4. ankündend die Geburtsstund einer Welt des Lichtes Wogen, wie vom Sturm zerzaust und gischtend wie vom Brandungsfels zerspellt: hindurch, o Adlerflug! Und wo es braust von andren Sonnen, andrer Sonnen Faust der rollenden Planeten Republik an unsichtbaren Zügeln lenkt, umsaust vom Äthersturme stürm, mein Adlerglück, durchbrich den Ring der Welt, mein fliegend Sturmgeschick! 5. Durchbrich den Hades und die narrenden Schatten, o meine höhenbrausende Natur, durchbraus der Sterne und der Nebelmatten gehäufte Ringe und Spiralen nur! – Die Welt versinkt und sonder Pfad und Spur ergreift das Dunkel uns, und unter mir seh ich der Welten rollende Struktur im Riesenkreis sich winden voller Gier und Qualen her und hin wie ein zerplagtes Tier. 6. Der ungeheuren Höhe wüst Gewand mit schwarzen Seidenfransen mich umflattert – und in dies ewig unbetretene Land von einem Eisorkane rings umgattert und gelben Hagelwettern wirr umknattert ich meiner Adler Riesenschwingen zwang! Die Feder stäubt, der wilde Hagel rattert – im Stürmeknäul den Ring ich stolz durchdrang, da unter mir das letzte Licht der Welt versank. 7. Nun hüllt mich ein das flatternd schwarze Kleid, nun schwimme ich in grandiosen Nächten, nun presse ich hervor, was ich an Leid zu schürfen weiß aus meiner Seele Schächten, um es zu Geißeln kreuzweis zu verflechten, und peitsche meine Flügelrosse wund und zwinge meine Räuber mir zu Knechten: ihr rißt mich von der Erde stillem Grund, nun tragt mich zu des Ruhmes goldnem Sonnenrund! 8. Ich geb euch alles, wenn ihr hoch mich bringt, mein Blut soll tränken eure braunen Schwingen, mein Herzblut, wenn ihr jene Sonne zwingt! O fliegt! zu meinem Schöpfer will ich dringen und ihn mit meiner Kinderfrage niederringen: warum? warum? O du! warum? – Mir blieb auf Erden nichts, nun biet ich mich den Klingen des Frostes dar, und was mir selber lieb an mir noch ist, ist dieser Ruhm- und Rachetrieb. – – 9. In seiner unermeßlich öden Leere geformt wie eines Nebels feinen Zug, der los sich löst vom grauen Nebelmeere in einem abendkühlen Erlenbruch, der Raum ein Dunstgeschiebe schwebend trug. Das leuchtete, wie wohl ein Weidenstumpf in Frühlingsnächten leuchtet, wenn der Flug der liebestollen Eulen und ihr dumpf Geheule schaurig geistert über See und Sumpf –: 10. hoch stehe ich auf meiner Adler Rücken, die blutgetränkte Geißel schwingt die Hand und weist zu jener gasigen Nebelbrücken, die eine Öde an die andre bannt; nun türmt sich's hoch, nun drängt sich Phosphorbrand und Dunst um uns in bleichen Wolkenballen – die Spur verflogen und den Weg verrannt, hintaumeln wir in giftigen Nebelhallen, der Atem keucht, die Schwinge bricht, wir fallen, fallen –. 11. Da reiß ich Fetzen Fleisch aus meiner Brust, zerbeiße mit den Zähnen meine Adern und stille ihre gierdevolle Lust – zurück zu jenen giftgen Dunstgeschwadern! Mit meinem Schöpfer laßt mich grimmig hadern, in tiefste Heiligtümer will ich dringen, in seines eignen Demantbaues Quadern mit meinem Gotte Aug in Auge ringen und ihn mit meiner Kinderfrage niederzwingen! 12. – – – – – – noch immer tiefe Nacht! Da wühlt und nagt in mir der Zweifel Streit und draußen lullt der Frieden leis und sacht sich selber ein! Ein heißer Zwiespalt schreit durch meine Welt! Mit einem Herzen weit geöffnet aller Sinnen bunten Formen vereinigt sich ein Drang nach Wesenheit, nach grauen Formeln und nach ewigen Normen: ich seh in Nymphen stets Sibyllen nur und Nornen. 13. Das ist des Glaubens unheilvoll Vermächtnis, des süßen Kinderglaubens schwerer Fluch, der Ammenworte untilgbar Gedächtnis! Der Vatergott, den ich in mir erschlug, der kleidet sich in Spuk und Schementrug und geistert nun als »Ding« und als »Substanz«, als »Wahres Sein« und »Letzter Grund« –, genug, solange dieser bleiche Schementanz noch spukt, ist zwiefach meines Lebens schöner Sinnenkranz. – 14. Da atmete die Nacht und ein Arom von blühendem Roggenkorn dem Hauch entsank und Flut auf Flut flog durch den blauen Dom der liebeswilden Nachtigall Gesang – Was singt sie nur? Welch letzter Grund nur zwang in solche kleine Brust solch wildes Sehnen? Und grade diesen Ton? Und diesen Klang? Ach! in des Lebens tiefsten Wollustszenen, umwogt von Liebesdüften süß wie der Verbenen, 15. drückt mich im Taumel deiner weißen Glieder von höchsten Lüsten schmerzlich süß zerrissen der alte Zweifel ewig quälend nieder: mich peinigt auf der Liebe Seidenkissen, mich martert unter wollustwütigen Bissen die ewig qualenvolle letzte Frage: warum dies nur? Und in den Finsternissen der Gottheit suchend tief versenkt, zernage ich meiner Jugend taumelbunte Wundertage. – – 16. Aus krauser Formeln Hieroglyphenstil, aus blauer Nacht und weißen Mädchenhüften aus aller Sinne purpurnem Gefühl – durchwirkt mit schwarzen Lettern heiliger Schriften, durchtränkt mit Vogelsang und Roggendüften sinkt wie ein sammetweiches Tuch der Schlaf auf mich und führt zu tiefsten Felsengrüften mich unter eines linden Traumes Architrav – mich Götterfeind und widerwilligen Hierograph! 17. Nun wandre ich in Beni Hassans Grabe, im tiefen Felsenschoß der Pyramiden und wanke, wanke hin am goldnen Stabe des Schlafs und trinke süßen Seelenfrieden. – Der wilde Vater der Ozeaniden lehnt seinen Dreizack an des Berges Wand, da glättet sich der Wogen wallend Sieden und ihres Wütens schäumender Unverstand und es verperlt der Kämme kochend weißer Rand. 18. Doch steigt die Nacht herauf mit tausend Sternen, auf seinem harten Lager stöhnt das Meer, und ruhlos wälzt sich in den grauen Fernen das blaue Ungeheuer hin und her. Es schläft, und seiner Wellen rauschend Heer begleitet seiner Träume leere Leiden –: der Ekel vor der Tage Wiederkehr und was da stöhnt in wüsten Wasserweiten ist nur die Qual der grenzenlosen Einsamkeiten! 19. Die Amsel ruft! Mit goldstaubschweren Händen umfaßt der Morgen meine Seele wieder und führt sie aus des Schlafes Felsenwänden zurück in ihre weichgelösten Glieder. Dann streicht er kosend über Brau'n und Lider mit seiner Morgenröte ersten Strahlen, und kniet vor meinem Lager leise nieder und träuft auf meine Lippen abermalen der Hoffnung Tau aus heckenrosenroten Schalen. 20. Ein neuer Tag! Gottlob ein neuer Tag! Und neue Hoffnung, heut das Wort zu finden, in dessen Klang die Welt ich lieben mag, mit dessen Lettern – wie mit Heckenwinden, die Schilf und Baum zu einem Grün verbinden – ich meine Welt an andre knüpfen kann. Ein neuer Tag! Es rollt aus Abgrundsgründen das Ungeheure purpurgolden an – im Ungeheurn das Ungeheuerste gerann. – 21. Schon trank mit ihren durstigen Strahlenzungen die Sonnenglut der Täler Nebelseen und warf sich leuchtend dann und honigtrunken von dieser Blume, die – wer weiß für wen? – im Äther blüht, in kobaltblaue Höhn. Nun liegt die Welt wie aus dem Nichts entsprungen und wie ein Meisterkunstwerk anzusehn, das meinem Sinnen mühelos gelungen, in krausen Wäldern und in grünen Niederungen. 22. Du meine trunkne Sonne, Wald und Tal, ihr blauen Höhn und silberhellen Weiher, ihr Bäume, Blumen, Gräser ohne Zahl – o meine lichtdurchströmte Morgenfeier! Ich schwebe über euch, ein Riesengeyer, und schwöre mir den souveränen Schwur: ich schuf euch! o bei meiner goldnen Leyer! ich schuf die Welt, ich weckte die Natur, und außer mir ist nichts! – Und doch – was will ich nur?