53. Gesang an die Harmonie Schöpferin beseelter Töne, Nachklang, dem Olymp enthallt! Holde, körperlose Schöne, Sanfte, geistige Gewalt, Die das Herz der Erdensöhne Kühn erhebt und mild umwallt! Die in innrer Stürme Drange Labt mit stillender Magie, Komm mit deinem Sühngesange, Himmelstochter, Harmonie! Seufzer, die das Herz erstickte, Das, mißkannt, sich endlich schloß – Thränen, die das Aug' zerdrückte, Das einst viel' umsonst vergoß, Dankt dir wieder der Entzückte, Den dein Labequell umfloß. Der Empfindung zarte Blume, Die manch frost'ger Blick versengt, Blüht erquickt im Heiligtume Einer Brust, die du getränkt. Des Vergangnen Traumgebilde, Amors Morgenphantasien, Heißt dein Ruf, so still wie milde Mondesschatten, uns umziehn; Auf des Lebens Herbstgefilde Längst verwelkte Veilchen blühn. Süßer Täuschung Zauberblüte, Die Erfahrung knickt und rafft, Weckt im ödesten Gemüte Deines Wohllauts Schöpfungskraft. Holder, nun ein süßes Wähnen, Kehrt das Bild verfloßner Zeit; Zarter strebt der Liebe Sehnen, Milder glüht die Innigkeit, Wenn dein Chor den Trauerscenen Höhern Trost und Anmut leiht – Giebt, wo Worte nichts vermögen, Labsal dem zerstörten Geist; Der Ergebung stillen Segen, Wo die Thrän' erschöpfend fleußt Hefte auf die lichtern Stellen Unsrer Bahn der Schwermut Blick, Trag den Geist auf Wohllautswellen In ein Friedensland zurück; Solch ein Leben zu erhellen Braucht man Täuschung und Musik! Wo der Sturm des Zeitenganges Meist der Bessern Plan zerreißt, Träufl' im Balsam des Gesanges Hoffnung in der Edeln Geist. Komm, Momente zu verschönen Dem, der nicht der Zukunft traut; Schleuß den Blick mit Schlummertönen, Der zu starr ins Dunkel schaut; Wie den Säugling beim Entwöhnen Eines Wiegenliedes Laut, Lull auch uns in goldne Träume Einer bessern innern Welt, Bis ein sanftres Licht die Räume Unsers Kerkers still erhellt. Engel! den zum Seelenkranken Sanftes Mitleid niederträgt; Der erquickende Gedanken In der Töne Hülle legt; Lindernd, statt der Dornenranken, Seinen Fittig um ihn schlägt: Dem kein Erdentrost geblieben, Seiner stummen Schwermut treu, Lehr ihn weinen, lehr ihn lieben, Und sein Leben blüht ihm neu. Gabe, Sterblichen verliehen, Zart Gefühltes, scheu verhehlt, Zu vertraun an Melodieen, Süße Macht, die nie verfehlt Seel' an Seele hinzuziehen! – Was beseligt, was uns quält, Was mit Worten auszudrücken Keiner Sprache Kraft gelang: Sehnsucht, Schauer und Entzücken Zu ergießen im Gesang. Stimm' aus jenen lichtern Sphären, Sprach' aus Psyches Vaterland, Mit des Heimelns süßen Zähren Hier im fremden Thal erkannt – Ach! sie fühlt noch ihr Begehren, Höhern Zonen zugewandt; Kennt die Sprache mehr als Worte Und vernimmt der Seelen Ton; Wähnt sich an des Himmels Pforte, Der Verbannung Kluft entflohn. Tön' in leisen Sterbechören Durch des Todes Nacht uns vor! Bei des äußern Sinns Zerstören Weile in des Geistes Ohr! Die der Erde nicht gehören, Heb mit Schwanensang empor! Löse sanft des Lebens Bande, Mildre Kampf und Agonie, Und empfang im Seelenlande Uns, o Seraph-Harmonie!