8. Das Abendrot 1784. Wie lieblich, wenn dein roter Schein Den stillen See bemalt, Und in den taubesprengten Hain Durch Blütenzweige strahlt; Auf goldner Wogenflut des Korns Leicht hin und wieder schlüpft, Und funkelnd auf des Wiesenborns Umschäumtem Silber hüpft! Wie lieblich, wenn er mit dem Bach Die Blumenau durchspielt, Und sich durch das Holunderdach In meine Laube stiehlt; Wenn wolligkrauser Wölkchen Heer Sein Purpur überzieht Und, rot vom Wiederschein, das Meer Wie Lavaströme glüht! O Pracht, wenn du der Berge Blau Mit goldnem Saume zierst, Bevor du dich ins matte Grau Der Dämmerung verlierst! Noch wunderschöner strömt die Flut Von deinem Rosenlicht Dem Mädchen unterm Halmenhut Ins blühende Gesicht. Wenn bei der Heidelerchen Sang Dein letzter Strahl erstirbt, Im Totenacker, leis' und bang', Noch die Cikade zirpt; Dann lächelt die Vergangenheit Durch der Erinn'rung Flor, In mildem Lichte steigt der Zeit Verblichnes Bild empor. Aus deines Kranzes Rosen taut Wehmütiges Gefühl; Im Spiegel stiller Ahndung schaut Mein Geist der Wallfahrt Ziel; Vom Hauch der Hoffnung kühl umweht, Vergißt er Gram und Schmerz; Die Erde rings um ihn vergeht, Er schwingt sich himmelwärts.