28. Psyches Trauer Psyche seufzt, in tiefer Kerkerhalle, Nach Erlösung; ach! sie forscht nach Licht: Bangt und hofft, und lauscht bei jedem Schalle, Ob das Schicksal ihre Riegel bricht. Psyches Ätherflügel sind gebunden; Doch voll Mutes, wenn sie leise stöhnt, Weiß sie: Nur in schwülen Prüfungsstunden Sproßt die Palme, die den Sieger krönt; Weiß, daß Dorngestrippe Rosen tragen, Blumengold entkeimt der öden Gruft; Ihren Kranz erringt sie durch Entsagen, Ihre Kräfte stählt die herbe Luft. Ihre Freuden kauft sie durch Entbehren, Durch verlängter Sehnsucht Wehmutstraum; Daß nicht Strahlen ihr den Schlummer stören, Dämmern Schatten um des Lebens Baum. Psyches Klag' ist Lispel einer Flöte Aus dem mondbeglänzten Weidenstrauch; Ihre Zähren Tau der Morgenröte; Ihre Seufzer Nachtviolenhauch. Bei Cypressen sproßten ihre Myrten; Weil sie viel geduldet, liebt sie viel. Liebe führt nur durch der Trennung Syrten Zu des Wiederfindens Wonneziel. Dulden kann sie; Bürden mutig tragen; Stumm sich beugen vor des Schicksals Schluß; Ihre Wonn' ist in gelaßnen Klagen, Und ihr Labsal des Gefühls Erguß. Ach! das Vorgefühl in Finsternissen, Das zum Aufflug ihre Schwingen sträubt, Ist nur Ahndung; Stückwerk all' ihr Wissen; Ihre Wahrheit, was sie redlich gläubt. Dunkel birgt das Ziel von Psyches Sendung; Und ein Blick, der oft in Thränen blinkt, Reicht nicht bis zum Gipfel der Vollendung, Wo der Täuschung Nebelschleier sinkt.