35. Der Entfernten 1789. Wohl denk' ich allenthalben, O du Entfernte, dein! Früh, wenn die Wolken falben, Und spät im Sternenschein. Im Grund des Morgengoldes, Im roten Abendlicht, Umschwebst du mich, o holdes, Geliebtes Traumgesicht! Es folgt in alle Weite Dein trautes Bild mir nach, Es wallt mir stets zur Seite, In Träumen oder wach; Wenn Lüfte sanft bestreifen Der See beschilften Strand, Umflüstern mich die Schleifen Von seinem Busenband. Ein Abglanz seines Schleiers Scheint auf die Saat gewebt; Sein Hauch, was des Gemäuers Bewegten Eppich hebt; Der Kleidung weiche Falten, Geformt aus Glanz und Duft, Entschwinden in den Spalten Der öden Felsenkluft. Wo rauschender und trüber Der Strom Gebirge trennt, Weht oft sein Laut herüber, Den meine Seele kennt; Wenn ich den Fels erklimme, Den noch kein Fuß erreicht, Lausch' ich nach jener Stimme; Doch Kluft und Echo schweigt. Wo durch die Nacht der Fichten Ein Dämm'rungsflimmer wallt, Seh' ich dich zögernd flüchten, Geliebte Luftgestalt! Wenn, sanft dir nachzulangen, Der Sehnsucht Arm sich hebt, Ist dein Phantom zergangen, Wie Taugedüft verschwebt.