Karls des Fünften letzte Stunde Hallt um mich, ihr Sterbeglocken! Mönche, reicht das Kruzifix! Wie die Atemzüge stocken, Sinkt die Wucht des Mißgeschicks; Lang genug auf Erden büß' ich, Wankend an dem Pilgerstab, Als den ersten Rastort grüß' ich Wandermüde nun das Grab. Schon als Knabe, da die bleiche Mutter weinend mich umschlang, Sie, die an des Vaters Leiche Wahnsinnsvoll die Hände rang, Irrt' ich mit ihr Jahr' um Jahre Durch die Welt im Trauerzug, Neben mir die Totenbahre, Die den blassen Vater trug. Ziemte mir, dem Unglückssohne – Früh schon war ich todeskrank – Mir von jenem Reich die Krone, Dem die Sonne nie versank? War ich würdig, daß in Aachen Bei des großen Karl Gebein Jene schwarzen Wähler sprachen: Dieser Karl soll Kaiser sein? Immer noch vor meinen Sinnen Schwebt der ungeheure Tag, Da in Worms auf morschen Zinnen Sonnengleich die Zukunft lag; Jeder Blick sah hoffnungstrunken Zu ihr auf, dem Licht erwacht; Ich allein, in mich versunken, Starrte in die alte Nacht. Unbekannte Rufe stiegen An mein Ohr mit fremdem Klang; Neue Fahnen sah ich fliegen, Die ein neuer Glaube schwang; Rauschen zwischen ihren Falten Hört' ich eine junge Zeit; Aber finstre Nachtgestalten Geißelten mich in den Streit. O die Banner! Wohl zertreten, Nicht bezwingen konnt' ich sie, Und der Klang der Siegsdrommeten Scholl wie Trauermelodie, Und das Auge mußt' ich senken Vor dem hingestürzten Aar – Soll ich noch an Mühlberg denken, Denken noch an Villalar? Horch! Durch diese Glockenklänge, Seufzerschwer, im Trauerchor, Tönen mir die Grabgesänge Meiner Völker an das Ohr. Zu der Welt, die ich besessen, Schweift das Auge mir hinab, Wie sie weithin, unermessen Liegt, ein riesenhaftes Grab! Fern, vom letzten Strahl beschienen, Dämmert mir das deutsche Reich; Schon auf stürzende Ruinen Sinkt die Nacht, dem Tode gleich; Matte Stimmen hör' ich, lallend Von vergangner, großer Zeit, Doch der Glockenruf, verhallend, Trägt sie in die Ewigkeit. Näher mir auf wirrem Schutte Steht ein florumhüllter Thron, Und ein König in der Kutte – Ich erkenne meinen Sohn – Zählt die leichenvollen Särge, Die, der seine Reiche lenkt, Jener herzogliche Scherge In den großen Friedhof senkt. Spanien, wirf sie hin, die Lanze, Da dein letzter Ritter fiel! Sterbend zittert die Romanze Auf dem letzten Saitenspiel! Statt der Lieder nun, der frohen, Füllt dich dumpfer Kettenklang, Und der Scheiterhaufen Lohen Leuchtet deinem Untergang. Aber fernehin im Westen Seh' ich Küsten, frisch und grün, Mit den morgentaugenäßten Fluren aus dem Meer erblühn; Und ein Kiel mit segelvollen Masten naht dem schönen Strand, Und die Anker hör' ich rollen, Und die Schiffer rufen: Land! Ja, das Schiff der Menschheit steuert Zu dem Port der jungen Welt, Wo das Leben sich erneuert, Und das Dunkel sich erhellt. Doch für mich und diese alte, Die mit mir zu Tode geht, Nun der Glockenton verhallte, Mönche! sprecht ein Grabgebet!