Auerbachs Keller Denkst du, lieber Goethomane, Den man oft wie mich geneckt, Daß wir unsres Wolfgang Fahne Allzu eifrig aufgesteckt, Denkst du noch der Nacht beim Sekte In dem Keller Auerbachs, Als wir sprachen vom Projekte Unsres Goethe-Almanachs? Im Gewölb mit spitzem Giebel, Wo der Ruhm noch nicht erlosch Des Gelages, welches Siebel Dort mit Altmayr hielt und Frosch, Feierten wir Goetheschüler (Diesmal nicht am Lesepult, Sondern beim Geriesel kühler Rebensäfte) unsern Kult. Vor dem Trinken schon am Eßtisch Waren wir begeistrungsvoll, Daß der Versquell anapästisch Von den Lippen niederquoll; Und als gar ein Glas Burgunder Erst zum Munde wir geführt, Ward der Geist wie trockner Zunder Uns zur Flamme angeschürt. Laut, so daß bei deinem Pathos Fast das Glas vom Tische flog, Deklamiertest du Torquatos Weltberühmten Monolog – Iphigenien in Tauris Pries vor allen Gustav mir, Heinrich zeichnete im Bauriß Goethes Haus uns aufs Papier. Hermann sprach: »Hinweg mit Posa, Der die Welt verbessert hat, Doch zugleich mit schaler Prosa Den Parnaß gewässert hat! Jener Dichter, welcher Thekla, Neben dem, der Mignon schuf, Dünkt mich eisig, wie der Hekla Neben Aetna und Vesuv.« Gustav rief indes: »Mit Rheinwein Laßt uns die Häretiker In den Goethe-Glauben einweihn, Denn zu Sel'gen macht nur er!« Du, berauschter Fürst von Thule, Warfst den Becher in das Meer; Aber, schwankend auf dem Stuhle, Fielst du selber hinterher. Schwächer brannten schon die Lichter; Aus den Rahmen am Gewölb Schauten finstere Gesichter Auf uns nieder fahl und gelb; Siehe! und in unsre Sitzung Drang auf einmal – war es wahr Oder Spuk der Weinerhitzung? – Ein erstaunlich fremdes Paar. Mit dem Wams von gelbem Leder (Braungelb wie ein gift'ger Pilz) Und der roten Hahnenfeder Auf dem Hut von grauem Filz, Den er höflich und fast knechtisch Grüßend in der Rechten hielt, Trat Mephisto an den Zechtisch, Just so, wie ihn Grunert spielt. Ganz dämonisch, nicht geheuer, Dünkte mich der arge Schalk Mit dem Mantel rot wie Feuer Und dem Antlitz weiß wie Kalk; Ihm zur Seite stand in saubrer Rittertracht und Samtkollett Faust, der weitberühmte Zaubrer, Auf dem Haupte das Barett. Bald gescheucht von jeder Wimper War der Schlaf, der sie befiel; Leise tönte das Geklimper Von Mephistos Saitenspiel, Und, indes das Lied vom Flohe Zu der Zither er begann, Zog der wunderbare hohe Seher Faust mich zu sich an. In dem Starren seines Blickes, Da er still und brütend saß, Ahnt' ich, wie er des Geschickes Dunkle Abgrundtiefen maß; Und er sprach, indem die Rechte Er mir reichte: »Denkst du, Freund, Noch der Zeit, da manche Nächte Wir zusammen durchgeweint?« Sprach's, und seiner Stimme Laute Weckten in mir altes Weh, Und aus meinem Auge taute Eine Zähre, heiß wie je; Vor mir lag des Erdenpfades Dunkler, vielverschlungner Lauf, Und aus meiner Seele Hades Stiegen alte Schatten auf. O in jeden Kelch der Freude Wird mir Wermut so gemischt, Wie im blühenden Gestäude Die versteckte Natter zischt! In dem Morgenhauch des Ostes, In der saft'gen Frucht der Trift, Wie im Labetrunk des Mostes Schmeck' ich das verborgne Gift. Da wir trauernd, sympathetisch Saßen, rieft ihr: »Habt Verstand! Die Zerrissenheit, der Fetisch Unsrer Zeit, sei hier verbannt! Hält vielleicht die Mutter Sarah, Weltschmerz, ihre Niederkunft Mit Child Harold oder Lara Oder Manfreds Unvernunft?« Wieder dann, jedoch voll Aerger Naht' ich eurem Tische mich, Wo beim Glas Johannisberger (Wirklich echtem Metternich) Mephistopheles, der Käuze Wundersamster, Witze riß, Doch bisweilen vor dem Kreuze An der Wand die Wut verbiß. Allen uns ein Freudenwecker Ward der Wein, nur Fausten nicht, Und Mephist, der feine Schmecker, Schnitt ein bitteres Gesicht; Jener seufzte: »Wie der Kranich Möcht' ich ziehen übers Meer;« Dieser rief: »Eur Wein ist kahnig, Aber andern schaff' ich her!« Schleunig grub er mit dem Bohrer Löcher in die Tafel ein; Drauf die Höllenmacht beschwor er: »Acht gegeben! Schöpft den Wein!« Sieh! und funkelnd, goldenperlig, Floß in jedes Glas der Strom, Und wir riefen: »Herrlich! herrlich! Wie voll Geist und voll Arom!« Doch genug! die weitre Scene Steht im Goethe Wort für Wort. Endlich ritt – vergleiche jene! – Auf dem Faß Mephisto fort, Und, wie Hexen auf den Sabbat, Führt' er mich – verzeih mir's Gott, Dem ich oft schon Sünden abbat! – Durch die Luft im lust'gen Trott. Fern von Leipzigs Meßgedränge Zog in deinen Blütenhain, Land des Weins und der Gesänge, Schönes Spanien, ich ein! Nicht an was aus euch geworden, Dacht' ich mehr in jener Nacht; Aber ach! im rauhen Norden Bin ich wieder aufgewacht.