Joseph Viktor von Scheffel Gaudeamus Widmung Vergnüglich flüsternd ziehn des Neckar Wogen Vorbei dem Ursitz deutscher Wissenschaft, Hoch ob der Brücke schlanken Pfeilerbogen Hebt sich des Schlosses giebelstolze Kraft. Ein Blütenschnee von Kirschen, Pfirsich, Flieder Flockt duftverhauchend um das junge Grün, Und prangt Altheidelberg im Lenzschmuck wieder, Sorgt niemand viel sich um des Lebens Mühn. In diesem Tal der weißen Blütenbäume Kam mir des Ortes Genius oft genaht Und fügte Scherz, Humor und heitre Träume Zum Wissensernst der alten Musenstadt. Er ging nicht steif in klassischen Gewanden, Ging keck und flott und trank wie ein Student Und glich nicht viel den neun antiken Tanten, Die man im Mythus mit Apollo nennt. Was er mich lehrte, bracht' ich in den Engern , Wo eine treubewährte Freundesschar Den Mittwoch in den Donnerstag zu längern Bei goldnem Rheinwein oft beflissen war. Da fiel's nicht schwer, die Saiten hell zu schlagen, Selbst würdige Pfarrherrn wurden singend laut, Wenn uns ein Meister dessen Tod wir klagen, Mit kundiger Hand den Maientrank gebraut. Zwei Kesselpauken dienten als Orchester Und eines Ofenschirms gewalztes Blech, Das dröhnte oft zum Rundgesange fester Denn Meeressturm und wilden Heers Gezech. Zum lustigen Wort fand sich die lustige Weise Und oft scholl Beifall unsrer schlichten Art, Als läg' in diesem Maiweinnipekreise Waldmeisters Wunderhorn als Schatz verwahrt. Als von der Neckarstadt, der ewig heitern, Zur Ferne sich mein Lebenspfad gewandt, Ward manch ein Schreibebrief noch aus dem Weitern Mit Freundesgruß dem Engern zugesandt. Von welschen wie von deutschen Landschaftsbildern Hielt dies und das Erinnerung zurück Gleich Blättern eines Skizzenbuchs: sie schildern Harmloser Wanderlust verflüchtigt Glück. Nun schau' ich aus solidem Schwabenalter Auf dieser Lyrik jugendtollen Schwung Und reiche lächelnd meinen Liederpsalter Den Zechern allen, die im Herzen jung. Wer Spaß versteht, wird manchmal kräftigst lachen, Und wen manch Lied schier allzu durstig deucht, Der tröste sich: 's war anders nicht zu machen, Der Genius Loci Heidelbergs ist feucht! Im Mai 1867. Naturwissenschaftlich Der Granit In unterirdischer Kammer Sprach grollend der alte Granit: »Da droben den wäßrigen Jammer Den mach' ich jetzt länger nicht mit. Langweilig wälzt das Gewässer Seine salzige Flut übers Land, Statt stolzer und schöner und besser Wird alles voll Schlamm und voll Sand. Das gäb' eine mitleidwerte Geologische Leimsiederei, Wenn die ganze Kruste der Erde Nur ein sedimentäres Gebräu. Am End' würd' noch Fabel und Dichtung, Was ein Berg – was hoch und was tief; Zum Teufel die Flözung und Schichtung, Hurra! ich werd' eruptiv!« Er sprach's, und zum Beistand berief er Die tapfern Porphyre herbei, Die kristallinischen Schiefer Riß höhnisch er mitten entzwei. Das zischte und lohte und wallte, Als nahte das Ende der Welt; Selbst Grauwack, die züchtige Alte, Hat vor Schreck auf den Kopf sich gestellt. Auch Steinkohl' und Zechstein und Trias Entwichen, im Innern gesprengt, Laut jammert im Jura der Lias, Daß die Glut ihn von hinten versengt. Auch die Kalke, die Mergel der Kreiden Sprachen später mit wichtigem Ton: »Was erstickte man nicht schon beizeiten Den Keim dieser Revolution?« Doch vorwärts, trotz Schichten und Seen, Drang siegreich der feurige Held, Bis daß er von sonnigen Höhen Zu Füßen sich schaute die Welt. Da sprach er mit Jodeln und Singen: »Hurra! das wäre geglückt! Auch unsereins kann's zu was bringen, Wenn er nur herzhaftiglich drückt!« Der Ichthyosaurus Es rauscht in den Schachtelhalmen, Verdächtig leuchtet das Meer, Da schwimmt mit Tränen im Auge Ein Ichthyosaurus daher. Ihn jammert der Zeiten Verderbnis, Denn ein sehr bedenklicher Ton War neuerlich eingerissen In der Liasformation. »Der Plesiosaurus, der Alte, Er jubelt in Saus und Braus, Der Pterodaktylus selber Flog neulich betrunken nach Haus. Der Iguanodon, der Lümmel, Wird frecher zu jeglicher Frist, Schon hat er am hellen Tage Die Ichthyosaura geküßt. Mir ahnt eine Weltkatastrophe, So kann es ja länger nicht gehn; Was soll aus dem Lias noch werden, Wenn solche Dinge geschehn?« So klagte der Ichthyosaurus, Da ward es ihm kreidig zumut'; Sein letzter Seufzer verhallte Im Qualmen und Zischen der Flut. Es starb zu derselbigen Stunde Die ganze Saurierei, Sie kamen zu tief in die Kreide, Da war es natürlich vorbei. Und der uns hat gesungen Dies petrefaktische Lied, Der fand's als fossiles Albumblatt Auf einem Koprolith. Der Tazzelwurm Festlied bei Aufstellung des Herbergschildes »Zum feurigen Tazzelwurm« am Bergwirtshäuslein zur Rehau, beim Übergang über die Audorfer Almen. Als noch ein Bergsee klar und groß In dieser Täler Tiefen floß, Hab' ich allhier in grober Pracht Gelebt, geliebt und auch gedracht Als Tazzelwurm. Vom Pentling bis zum Wendelstein War Fels und Luft und Wasser mein, Ich flog und ging und lag gerollt, Und statt auf Heu schlief ich auf Gold Als Tazzelwurm. Hornhautig war mein Schuppenleib Und Feuerspei'n mein Zeitvertreib, Und was da kroch den Berg herauf, Das blies ich um und fraß es auf Als Tazzelwurm. Doch als ich mich so weit vergaß Und Sennerinnen roh auffraß, Da kam die Sündflut grausenhaft Und tilgte meine Bergwirtschaft Zum Tazzelwurm. Jetzt zier' ich nur gemalt im Bild Des Schweinesteigers neuen Schild, Die Senn'rin hört man jauchzend schrei'n, Und keine fürcht't das Feuerspei'n Des Tazzelwurms. Und kommt so ein gelahrtes Haus, So höhnt's und spricht: »Mit dem ist's aus, Der war ein vorsündflutlich Vieh, Doch weise Männer sahn noch nie Den Tazzelwurm.« Kleingläub'ge Zweifler! kehrt nur ein Und setzt auf Bier Tiroler Wein ... Ob ihr dann bis nach Kufstein fleucht, Ihr spürt, daß ich euch angekeucht Als Tazzelwurm. Und ernsthaft spricht der Klausenwirt: »Schwernot! woher sind die verirrt? Das Fußwerk schwankt ... im Kopf ist Sturm ... Die sahen all' den Tazzelwurm! Den Tazzelwurm!« Das Megatherium Was hangt denn dort bewegungslos Zum Knaul zusammgeballt So riesenfaul und riesengroß Im Ururururwald? Dreifach so wuchtig als ein Stier, Dreifach so schwer und dumm – Ein Klettertier, ein Krallentier: Das Megatherium! Träg glotzt es in die Welt hinein Und gähnt als wie im Traum, Und krallt die scharfen Krallen ein Am Embahubabaum. Die Früchte und das saftige Blatt Verzehrt es und sagt: »Ai!« Und wenn's ihn leer gefressen hat, Sagt's auch zuweilen: » Wai !« Dann aber steigt es nicht herab, Es kennt den kürzern Weg: Gleich einem Kürbis fällt es ab Und rührt sich nicht vom Fleck. Mit rundem Eulenangesicht Nickt's sanft und lächelt brav: Denn nach gelungener Fütterung kommt Als Hauptarbeit der Schlaf. ... O Mensch, dem solch ein Riesentier Nicht glaublich scheinen will, Geh nach Madrid! dort zeigt man dir Sein ganz Skelett fossil. Doch bist du staunend ihm genaht, Verliere nicht den Mut: So ungeheure Faulheit tat Nur vor der Sündflut gut. Du bist kein Megatherium, Dein Geist kennt höhere Pflicht, Drum schwänze kein Kollegium Und überfriß dich nicht. Nütz' deine Zeit, sie gilt statt Gelds, Sei fleißig bis zum Grab, Und steckst du doch im faulen Pelz, So fall' mit Vorsicht ab! Der Basalt »Mag der basaltene Mohrenstein Zum Schreck es erzählen im Lande, Wie er gebrodelt in Flammenschein Und geschwärzt entstiegen dem Brande: Brenn's drunten noch jahraus, jahrein, Beim Wein soll uns nicht bange sein, Nein, nein! Soll uns nicht bange sein!« F.v. Kobell, »Urzeit der Erde«, p. 33. Es war der Basalt ein jüngerer Sohn Aus altvulkanischem Hause, Er lebte lange verkannt und gedrückt In erdtief verborgener Klause. Vulkanische Kraft war damals gehaßt Ob ihrer zerstörenden Schläge, Dem Ruhebedürfnis der Erde entsprach Entwicklung auf feuchtem Wege. Eintönig wogte die Flut und litt Nichts Hartes mit scharfer Kante, Die Felsen zerrieb sie zu Kieselstein, Die Kiesel zerrieb sie zu Sande. Erdmännlein, die klugen, erkannten betrübt Die Gefahr allmähl'cher Versumpfung, Da schürten sie unten leis am Basalt: »Erwach' aus deiner Verdumpfung! Erwach', sei ein Mann und erhebe dein Haupt, Zerspreng' die beengenden Bande, Aus himmelansteigender Felsenburg Beherrsch' die geschichteten Lande! Erwach' und ruf': ›perrumpendum est!‹ Wie drüben im Alpenbezirke Deine tapfern Ahnen Granit und Porphyr, Die Stammherrn der kühnsten Gebirge.« Da hub der Basalt zu seufzen an, Er hatte, von Langweil' betrübet, Ein geologischer Romeo, Sich in die Molasse verliebet. Molasse, der Erbfeinde Töchterlein, Moderne, marinische Schichten!... Drum nagte der Gram wie verzehrender Rost An seinem Trachten und Dichten. Um der Tiefe zentrale Urfeuer lag Er träumend und sprach wie im Fieber: »O wär' ich ein wäßriger Niederschlag Und bei ihr ... das wäre mir lieber!« Erdmännlein, die klugen, sie trugen stets Den Fortschritt des Ganzen im Sinne; Was kümmert solch doktrinäres Volk Des einzelnen Herzweh und Minne? Und wieder hetzten und schürten sie scharf: »Laß ab von deinen Visionen, Du erntest nur einen Korb und den Spott Der sämtlichen Formationen. Schon flüstert's der Onkel Steinsalz dem Kalk, Schon basen es höhnisch die Wellen: ›Wie kann sich des Meeres drittältestes Kind Dem Auswurf des Feuers gesellen!‹« ... Was weiter geschah, man erfuhr es nie, Doch plötzlich faßt' ihn ein Wüten, In feuriger Lohe schnob er heraus, Seine Adern glühten und sprühten. Lautrasend drang er nach oben vor Und sprengte mit sengenden Gluten Die Decke der Schichten, die wie ein Alp Schwerlastend über ihm ruhten. Auch sie, für die er einst schwärmte, sank Als Opfer der grimmen Verheerung. ... Auflacht' er höhnisch und hüllt' sich in Rauch Und stürmte zu neuer Zerstörung. Und Schlag auf Schlag – dumpfkrachend Getös Von tausend und tausend Gewittern ... Die Erde barst, es durchzuckte sie tief Ein Schüttern und Zittern und Splittern. Bis steil majestätisch der feurige Kern Den klaffenden Spalten entsteiget, Und trümmerbesäet sich Land und Flut Dem Säulengewaltigen neiget. Da stand er und schaute die blauende Luft Und der Sonne lichtspendendes Walten, Dann seufzte er tief ... kühl weht es vom See ... Dann sank er in starres Erkalten. Doch in dem Gefelse wohnt heute noch Ein seltsam Tönen und Klingen, Als woll' es von seliger Jugendzeit Ein Lied der Sehnsucht uns singen. Und ein goldgelb Tröpflein Natrolith Im geschwärzten Stein oft erscheinet ... Das sind die Tränen, die der Basalt Der gesprengten Molasse weinet. Der erratische Block Einst ziert' ich, den Äther durchspähend, Als Spitze des Urgebirgs Stock, Ruhm, Hoheit und Stellung verschmähend, Ward ich zum erratischen Block. Man sagt, wenn's dem Denker zu wohl ist, So wagt er sich kecklich aufs Eis: Mir winkten, wo's klüftig und hohl ist, Schneejungfraun, verführend und weiß. Doch als ich mit Poltern und Lärmen Abstürzend aufs Firnfeld mich hub, Verbüßt' ich mein jugendlich Schwärmen Mit tausendjährigem Schub. Scharf wies mir der Gletscher die Zähne: »Hier, Springinsland, wirst du poliert, Und im Schutt meiner großen Moräne Als Fremder talab transportiert.« Geritzt und gekritzt und geschoben Entrollt' ich in spaltige Schluft, Ward stoßweis nach oben gehoben, Gewälzt und gepufft und geknufft. Da bleib' einer sauber und munter In solchem Gerutsch und Geschlamm; ... Ich kam immer tiefer herunter, Bis der Eiswall ins Urmeer zerschwamm. Und der spielt die traurigste Rolle, Dem die Basis mit Grundeis ergeht ... Ich wurde auf treibender Scholle In des Ozeans Brandung verweht. Plimp, plump! Da ging ich zugrunde, Lag elend versunken und schlief, Bis in spät erst erlösender Stunde Sich Gletscher und Sündflut verlief. Den entwässerten Seegrund verklärte Die Sonne mit wärmerem Strahl, Und mit der Rhinozerosherde Spazierte der Mammut durchs Tal. Nun lagern wir Eiszeitschubisten Nutzbringend als steinerne Saat Und dienen dem Heiden wie Christen Als Baustoff für Kirche und Staat. Dies Lied ist zwei Forschern gelungen Im Gau zwischen Aare und Reuß; Das Wirtshaus, in dem sie es sungen, War ganz von erratischem Gneus. Sie sungen es ernst und dramatisch In die Findlinglandschaft hinein Und schoben sich selbst dann erratisch Mit Holpern und Stolpern vom Wein. Der Komet Ich armer Komet in dem himmlischen Feld, Wie ist's doch so windig mit mir bestellt! Ich leb' in steten Sorgen, Mein Licht selbst muß ich borgen ... Ich erscheine nur von Zeit zu Zeit, Dann muß ich wieder fort in die Dunkelheit. Frau Sonne die hat mir's angetan, Sie zieht mich magnetisch zu sich hinan, Doch kann mir's nie gelingen, Zu ihr mich aufzuschwingen, Ich schmachte nach ihr nur aus luftiger Fern', Denn leider bin ich wirklich ein exzentrischer Stern. Die Fixstern' all' in bittrem Hohn Betrachten mich wie einen verlorenen Sohn, Sie sagen, ich tät' wanken Und hin und wieder schwanken, Und wo ich einmal des Wegs gestrichen wär', Sei nichts als Dunst und Nebel ringsumher. Die Planeten sehn mich verächtlich an, Als wollt' ich sie durchkreuzen auf ihrer Bahn; Frau Venus und ihre Schwestern Tun boshaft mich verlästern: »Sein Schweif ist zu groß, sein Kern ist zu klein, Ich möchte kein so mißgestalter Nachtwandler sein!« So hat man mir einen Leumund gemacht Als Schwärmer und als Irrgeist, den jeder verlacht; Und drunten auf der Erden Verkünden die Gelehrten: »Es ist an ihm nichts fest, nichts dicht, Und kreist er bis in Ewigkeit, solid wird er nicht.« Selbst Humboldt , der Greis von forschender Kraft, Behandelt mich im » Kosmos « sehr wenig schmeichelhaft; Treib' ich solch' Schwindelwesen, Daß man von mir darf lesen: »Es füllt der Komet, viel dünner denn Schaum, Mit allerkleinster Masse den allergrößten Raum??« Aber warte nur, du Sternguckerneid, Ihr kennt mich noch nicht von der innersten Seit', Einst werd' ich euch begegnen, Dann sollt ihr euch besegnen: Dann fahrt ihr durch mich durch und ich schnupp' euch noch was Und hagl' euch Meteorstein' ins Fernrohrglas. Guano Ich weiß eine friedliche Stelle Im schweigenden Ozean, Kristallhell schäumet die Welle Am Felsengestade hinan. Im Hafen erblickst du kein Segel, Keines Menschen Fußtritt am Strand; Viel tausend reinliche Vögel Hüten das einsame Land. Sie sitzen in frommer Beschauung, Kein einz'ger versäumt seine Pflicht, Gesegnet ist ihre Verdauung Und flüssig als wie ein Gedicht. Die Vögel sind all' Philosophen, Ihr oberster Grundsatz gebeut: »Den Leib halt' allezeit offen Und alles andre gedeiht.« Was die Väter geräuschlos begonnen, Die Enkel vollenden das Werk; Geläutert von tropischen Sonnen, Schon türmt es empor sich zum Berg. Sie sehen im rosigsten Lichte Die Zukunft und sprechen in Ruh': »Wir bauen im Lauf der Geschichte Noch den ganzen Ozean zu.« Und die Anerkennung der Besten Fehlt ihren Bestrebungen nicht, Denn fern im schwäbischen Westen Der Böblinger Repsbauer spricht: »Gott segn' euch, ihr trefflichen Vögel, An der fernen Guanoküst', – Trotz meinem Landsmann, dem Hegel, Schafft ihr den gediegensten Mist!« Asphalt Bestreuet die Häupter mit Asche, Verhaltet die Nasen euch bang, Heut gibt's bei trübfließender Flasche Einen bituminösen Gesang. – Schwül strahlet die Sonne der Wüste, Am Toten Meere macht's warm; Ein Derwisch spaziert an der Küste, Eine Maid aus Engeddi am Arm. Nicht Luftzug noch Wellenschlag kräuselt Den zähen, bleifarbigen See, Nur Naphthageruch kommt gesäuselt Und dunstig umflort sich die Höh'. 's ist eine versalzene Gegend Und niemand ringsum ist gerecht; Zu Lots Zeit hat's Schwefel geregnet Und heut noch ist alles verpecht. Keine Wäscherin naht mit dem Kübel, Kein Durstiger naht mit dem Krug, Und dem Durstigsten selber wird übel, Wagt er aus der Flut einen Zug. Zwei schwarzbraune Klumpen lagen Am Ufer faulbrenzlig und schwer; Drauf satzte mit stillem Behagen Das Paar sich und liebte sich sehr. Doch wehe! sie saßen auf Naphtha, Und das läßt keinen mehr weg, Wer harmlos sich dreinsetzt, der haft't da Und steckt im gediegensten Pech. Sie konnten sich nimmer erheben, Sie jammerten: »Allah ist groß! Wir kleben – wir kleben – wir kleben! Wir kleben und kommen nicht los!« Umsonst hat ihr Klagen und Weinen Die schweigende Wüste durchhallt, Sie mußten zu Mumien versteinen Und wurden, ach, selbst zu Asphalt. Ein Vögelein wollte um Hilfe Hinüber zum Städtlein Zoar, Betäubt fiel's herab ins Geschilfe, Es stank, daß zu fliegen nicht war. Und blaß, mit erschaudernden Seelen Sah man einen Wallfahrtzug fliehn – Den Pilgern sowie den Kamelen War's benzoesauer zu Sinn. So geht's, wenn ein Derwisch will minnen Und hat das Terrain nicht erkannt ... O Jüngling, fleuch eiligst von hinnen, Wo Erdpech entquillet dem Land. Kulturgeschichtlich Der Pfahlmann Dichtqualmende Nebel umfeuchten Ein Pfahlbaugerüstwerk im See, Und fern ob der Waldwildnis leuchten Die Alpen in ewigem Schnee. Ein Mann sitzt auf hölzernem Stege In Felle gehüllt, denn es zieht; Er schnipft mit der Feuersteinsäge Ein Hirschhorn und summelt sein Lied: »Da seht mein verschwollen Gesichte Und seht, wie bei Durchzug und Wind Der Ureuropäer Geschichte Mit Rheuma und Zahnweh beginnt. Zwar klopf' ich mit steinernen Beilen Und Keulen mir Bahn durch die Welt, Doch ist ein gemütlich Verweilen Noch täglich in Frage gestellt. Im Wald stört das Raubtier mit Schreien Den Schlaf im durchhöhleten Stamm, Und bau' ich mein Hüttlein im Freien, So stampft mir's der Urochs zusamm'. Drum lernt' ich vom biederen Biber Und stelle als Wohnungsbehilf, Je weiter vom Festland je lieber, Den Pfahldamm in Seegrund und Schilf. Auch hier muß ich vieles noch meiden, Was späterer Zeit einst gefällt: Gern trüg' ich ein Schwert an der Seiten – Es gibt weder Eisen noch Geld. Gern zög' ich Gewinn vom Papiere – Noch sind keine Börsen gebaut; Gern ging' ich des Abends zum Biere – Es wird noch keines gebraut. Und denk' ich der Art, wie wir kochen, Gesteh' ich selber: 's ist arg. Wir spalten dem Torfschwein die Knochen Und saugen als Kraftsaft das Mark. Wie kann sich der Geist da schon lenken Auf höh'res Kulturideal? In all unserm Fühlen und Denken Steckt rammeltief Pfahl neben Pfahl.« Der Mann sang's mit heiserer Kehle, Da schwoll mit dem Rheuma sein Grimm, Zwei Bären beschlichen die Pfähle Und schnupperten kletternd nach ihm. Da schmiß er zum Pfahlküchenkehricht Beil, Hirschhorn und Trinkkrug von Ton, Sprang husch! wie ein Frosch ins Geröhricht Und schwamm mit Fluchen davon. Wo einst man die Stätte errichtet Zum keltischen Seehüttendorf, Ruht jetzt eine Fundschicht geschichtet, Tief unter dem Seeschlamm und Torf. Der diesen Gesang schuf zum Singen, Hat selber den Moder durchwühlt Und bei den gefundenen Dingen Einen Stolz als Kulturmensch gefühlt. Altassyrisch Im Schwarzen Walfisch zu Askalon Da trank ein Mann drei Tag, Bis daß er steif wie ein Besenstiel Am Marmortische lag. Im Schwarzen Walfisch zu Askalon Da sprach der Wirt: »Halt an! Der trinkt von meinem Dattelsaft Mehr als er zahlen kann.« Im Schwarzen Walfisch zu Askalon Da bracht' der Kellner Schar In Keilschrift auf sechs Ziegelstein Dem Gast die Rechnung dar. Im Schwarzen Walfisch zu Askalon Da sprach der Gast: »O weh! Mein bares Geld ging alles drauf Im Lamm zu Niniveh!« Im Schwarzen Walfisch zu Askalon Da schlug die Uhr halb vier, Da warf der Hausknecht aus Nubierland Den Fremden vor die Tür. Im Schwarzen Walfisch zu Askalon Wird kein Prophet geehrt, Und wer vergnügt dort leben will, Zahlt bar, was er verzehrt. Hesiod »Laßt mein Lied mich beginnen von Helikonischen Musen.« »Theogonie« 1 u. ff. Licht glühte des Helikon Klippe In Mittagspurpur und Blau, Da schlief bei dem Quell Aganippe Ein Hirtenknabe im Tau. Die Lämmer von Askra zu hüten War er zum Gebirge entsandt, Nun hatte den allzufrüh Müden Des Helios Kraft übermannt. Da stieg aus den sonnigen Klüften Eine göttliche Neunzahl herab, Der schwebende Anmut die Hüften Und Goldreif die Locken umgab; Sie schritten in rhythmischem Reigen Zum Hain, dem die Quelle entfloß, Und stellten in heiligem Schweigen Dem Träumer Geschenke ins Moos. Die erste von Erz eine Feder, Die zweite für Tinte ein Faß, Die dritte ein Zwickbuch in Leder, Die viert' ein geschliffenes Glas. Die fünft' einen Siegellackbarren, Die sechst' eine goldene Brill', Die siebte ein Kistlein Zigarren, Die acht' einen Strauß Asphodill. Die neunte, die beugte sich nieder Und küßte die Lippen ihm zart, Dann schwanden in Wolken sie wieder Als Wesen von höherer Art. Der Schlummerer sprang von der Erde Und sang wie von Geistern gepackt Und schwang mit verzückter Gebärde Einen Lorbeerbengel im Takt. Da liefen die Mithirtenknaben Zusammen und priesen sein Glück Und führten ihn samt seinen Gaben Nach Askra im Festzug zurück. Und alle askräischen Männer Berieten die Sache im Rat, Bis daß der Nomarchos als Kenner Böotiens den Urteilsspruch tat: »Bei dem ist's mit Weidung der Herden Und Schafzucht für immer vorbei, Er muß ein Unsterblicher werden Mit Dichtkunst und Schriftstellerei!« ... Sie kauften ihm lange Gewänder Und weihten ihn ganz seinem Gott, Da verfaßte den Bauernkalender Und die Theogonie – Hesiod . Übung im Neugriechischen Nach Athanasios Christopoulos. Πλοῦτον δὲν ϑέλω Δόξαν δὲν ϑέλω Οὐτ᾽ ἐξουσίαν Ποτε καμμίαν. Δὲν ϑέλω γνῶσιν Οὔτε κἂν τόσην Ὁσ᾽ εἶν τοῦ φύλλου Κὶ ὅσ᾽ εἶν τοῦ ξύλου. Τούτες ἡ κρύες Ἡ φαντασίες Ὅσῳ εὐφραίνουν Τόσῳ πικραίνουν. Θέλω εἰρήνην Ψυχῆς γαλήνην Χοροὺς ἐρώτων Τρέλαις καὶ κρότον. Θέλω τραγούδια, Κήπους, λουλούδια Καὶ χωρατάδαις ᾽Σ ταῖς πρασινάδαις. Τοῦτα λατρεύω, Τοῦτα ζηλεύω, Κ᾽ εἶς τοῦτ᾽ ἀπάνω Θέλ᾽ ᾽νὰ ποϑάνω. Reichtum und Ehre Nimmer ich 'gehre, Herrschaft und Würde Wär' mir nur Bürde. Bin selbst um Wissen Mehr nicht beflissen Als in dem Wald draus Käfer und Grasmaus. All' jene kalten Schwindelgestalten, Statt zu erquicken, Plagen und drücken. Mir sei beschieden Himmlischer Frieden, Sturmfreies Herze, Narrheit und Scherze. Minnigen Singsang, Ballspiel und Klingklang, Flöten und Geigen, Wirbelnde Reigen: Solche verehr' ich, Solche begehr' ich; Rosen im Haare Schreit' ich zur Bahre. Pumpus von Perusia Feucht hing die Sonne. Des Novembers Schauer ging Mit leisem Frösteln durch das Land Hetruria. Ein mildes Kopfweh, erst der jüngsten Nacht entstammt, Durchsäuselte die Luft mit mattem Flügelschlag Und ein Gefühl von Armut lag auf Berg und Tal. Der heilige Ölbaum, dem das letzte gelbe Blatt Der Wind verweht, reckt' traurig seine Äste aus, So kahl und öd', als fehl' ihm das Notwendigste. Verdächtig selbst das Straßenpflaster. Blödem Aug' Schien des Basaltes urgebirgig fester Stoff Verwandelt heut in sehr poröses Tropfgestein, Und alles – alles – alles sah durchlöchert aus. So war der Tag, da in der ersten Frühestund' Ein müder Held aus Populonias Toren zog. Vergeblich warf von dem kyklopischen Mauerwall Der Wächter einen trinkgeldhoffnungvollen Blick, Er hielt ihn aus – und schaute starr – und gab ihm nichts. Dort, wo der Weg sich einbiegt gegen Suessulae Und eines Priesters kegelturmgeziertes Grab Trübtraurig seinen Schatten wirft ins Blachgefild, Dort hielt er still – und stieß den Speer ins Riedgras ein Und suchte lang' in seiner Chlamys Faltenwurf, Und suchte wieder – suchte auch zum drittenmal Und fand nicht, was er suchte ... O wer kennt den Schmerz Der auf sich bäumt im biederen Etruskerherz, Wenn alles – alles – alles auf die Neige ging Und nur der Graus des Leeren in der Tasche wohnt, Wo der Sesterz sonst fröhlich beim Denar erklang!... Den Helm abnehmend von dem schwerbedrückten Haupt, Fuhr mit der Rechten langsam er zur Stirn empor. Gen Populonia rückwärts flog sein feuchter Blick Und blaue Blitze leuchteten im Heldenaug'. »O Wirtshaus zur Chimära!« sprach er wehmutvoll, »Ist das das Ende? Winkte das der Vögelflug, Der vor drei Tagen krächzend mir zur Linken strich? Sprach das des Stieres rätselvolles Eingeweid'? O Wirtshaus zur Chimära! was ist lieblicher Als einzuziehn, ein Gastfreund, in dein Gastgemach? Verständig waltet dort ein vielgeübter Wirt, Und edle Helden sitzen um den kühlen Trank, Den von dem Berg herabgesendet Dimeros. Weisheit entströmt bedachtsam zechender Männer Mund Zumal an jenem obern, linnenweißen Tisch, Wo Tegulinums Augur, später Mitternacht Trotz bietend, ausharrt, einer ehernen Säule gleich, Und sternenkundig vorsingt in dem Rundgesang. O Wirtshaus zur Chimära! doch sag' an, wohin, Wohin verschwindet ... ha! was spricht mein Mund es aus, Das dreimal gottverfluchte Wort, von dem allein Des Tuskers Schicksal abhängt, ha – das bare Geld?! O Fufluns, Fufluns! unheilvoller Bacchus du! 's ist alles fort und hin und hin und fort ... hahumm! ... Doch eine Tat, ich schwör's, sei itzt von mir getan, Wie sie die blöde Welt sich nicht im Traume träumt, Gräßlich und kalt ... mein Name soll zur Nachwelt noch Durch diese Tat sich überpflanzen, schreckenvoll; So wahr ich hier an diesem Priestergrabe steh', Ich – Pumpus von Perusia, der Etruskerfürst!...« Er sprach's und ging. Unheimlich fiel ein Sonnenstrahl Auf Speer und Helm. Fahl leuchtet's im Zypressenwald, Dumpf braust ein Windstoß, grabtief, fernem Seufzen gleich. Die Welt war damals harmlos noch. Man kannte nicht Des bürgerlichen Rechtes vielverschlungnen Pfad, Und selbst der Greis im Silberbart, er wußte nicht Die Antwort auf die Frage, was ein Darlehn sei. Doch jenen Tages ward im Wald bei Suessulae Zum erstenmal, seit daß die Welt geschaffen stand, Ein Held von einem andern Helden – angepumpt ! Das ist der Sang vom Pumpus von Perusia. Die Teutoburger Schlacht Als die Römer frech geworden, Zogen sie nach Deutschlands Norden, Vorne beim Trompetenschall Ritt der Generalfeldmarschall, Herr Quinctilius Varus. Doch im Teutoburger Walde Huh, wie pfiff der Wind so kalte; Raben flogen durch die Luft Und es war ein Moderduft Wie von Blut und Leichen. Plötzlich aus des Waldes Duster Brachen krampfhaft die Cherusker; Mit Gott für Fürst und Vaterland Stürmten sie von Wut entbrannt Gegen die Legionen. Weh! das ward ein großes Morden. Sie erschlugen die Kohorten; Nur die römische Reiterei Rettete sich noch ins Frei', Denn sie war zu Pferde. O Quinctili, armer Feldherr! Dachtest du, daß so die Welt wär'? Er geriet in einen Sumpf, Verlor zwei Stiefel und einen Strumpf Und blieb elend stecken. Da sprach er voll Ärgernussen Zum Centurio Titiussen: »Kamerade, zeuch dein Schwert hervor Und von hinten mich durchbohr', Da doch alles futsch ist.« In dem armen römischen Heere Diente auch als Volontäre Scävola, ein Rechtskandidat, Den man schnöd gefangen hat, Wie die andern alle. Diesem ist es schlimm ergangen; Eh' daß man ihn aufgehangen Stach man ihn durch Zung' und Herz, Nagelte ihn hinterwärts Auf sein Corpus Juris. Als die Waldschlacht war zu Ende, Rieb Fürst Hermann sich die Hände, Und um seinen Sieg zu weihn, Lud er die Cherusker ein Zu 'nem großen Frühstück. Nur in Rom war man nicht heiter, Sondern kaufte Trauerkleider. G'rade als beim Mittagmahl Augustus saß im Kaisersaal, Kam die Trauerbotschaft. Erst blieb ihm vor jähem Schrecken Ein Stück Pfau im Halse stecken, Dann geriet er außer sich Und schrie: »Varus, Fluch auf dich! Redde Legiones!« Sein deutscher Sklave, Schmidt geheißen, Dacht': »Ihn soll das Mäusle beißen, Wenn er sie je wieder kriegt, Denn wer einmal tot da liegt, Wird nicht mehr lebendig.« Und zu Ehren der Geschichten Tat ein Denkmal man errichten, Deutschlands Kraft und Einigkeit Verkündet es jetzt weit und breit: »Mögen sie nur kommen!« Am Grenzwall ... barritum civere vel maximum. Qui clamor ipso fervore certaminum a tenui susurro exoriens paullatimque adulescens ritu extollitur fluctuum cautibus illisorum ... Ammian. Marcellin. XVI, 12. Ein Römer stand in finstrer Nacht Am deutschen Grenzwall Posten, Fern vom Kastell war seine Wacht, Das Antlitz gegen Osten ... Da regt sich feindlich was am Fluß, Da schleicht und hallt was leise ... Kein Päan von Horazius, Ganz wildfremd war die Weise: »Ha' ... hamm' ... hammer dich emol, emol, emol An dei'm verrissene' Kamisol, Du schlechter Kerl!« An eine Jungfrau Chattenstamms Hatt' er sein Herz vertandelt Und war ihr oft im Lederwams Als Kaufmann zugewandelt. Jetzt kam die Rache ... eins, zwei, drei! Jetzt war der Damm erklettert ... Jetzt kam's wie wilder Katzen Schrei Und Keulenschlag geschmettert: »Ha' ... hamm' ... hammer dich emol, emol, emol An dei'm verrissene' Kamisol, Du schlechter Kerl!« Er zog sein Schwert, er blies sein Horn, Focht als geschulter Krieger, Fruchtlos war Mut und Römerzorn, Die Wilden blieben Sieger. Sie banden ihn und trugen ihn Wie einen Sack von dannen; Als die Kohort' am Platz erschien, Scholl's fern schon durch die Tannen: »Ha'... hamm'... hammer dich emol, emol, emol An dei'm verrissene' Kamisol, Du schlechter Kerl!« Versammelt war im heiligen Hain Der Chatten Landsgemeinde, Ihr Odinsjulfest einzuweihn Mit Opferblut vom Feinde. Der fühlt' sich schon als Bratenschmor In der Barbaren Zähnen, Da sprang sein blonder Schatz hervor Und rief mit heißen Tränen: »Ha'... hamm'... hammer dich emol, emol, emol An dei'm verrissene' Kamisol, Du schlechter Kerl!« Und alles Volk sprach tiefgerührt Ob solcher Wiederfindung: »Man geb' ihn frei und losgeschnürt Der Freundin zur Verbindung! Nimmt sie ihn hier vom Fleck als Frau, Sei alle Schuld verziehen. Und heut noch wird im ganzen Gau Als Festbardit geschrien: Ha'... hamm'... hammer dich emol, emol, emol An dei'm verrissene' Kamisol, Du schlechter Kerl!« Das Hildebrandlied Hiltibraht enti Handhubrant ... Hildebrand und sein Sohn Hadubrand, Hadubrand, Ritten selbander in Wut entbrannt, Wut entbrannt Gegen die Seestadt Venedig. Hildebrand und sein Sohn Hadubrand, Hadubrand, Keiner die Seestadt Venedig fand, Venedig fand, Da schimpften die beiden unflätig. Hildebrand und sein Sohn Hadubrand, Hadubrand, Ritten bis da, wo ein Wirtshaus stand, Wirtshaus stand, Wirtshaus mit kühlen Bieren. Hildebrand und sein Sohn Hadubrand, Hadubrand, Trunken sich beid' einen Riesenbrand, Riesenbrand, Krochen heim auf allen vieren. Lied fahrender Schüler O liberales clerici nû merchet rehte wie dem sî. Date: vobis dabitur ir sült lân offen iwer tür Vagis et egentibus so gewinnet ihr daz himmelhûs, et in perenni gaudio alsus alsô, alsus alsô! Pfarrherr, du kühler, öffne dein Tor, Fahrende Schüler stehen davor. Fahrende Schüler, unstete Kind, Singer und Spieler, wirbliger Wind. Eisern die Kehlen, Mägen von Erz, Goldklare Seelen ... doch keiner begehrt's. Kleidung ist dünne, Spreitung ist roh, Ach und die Minne?... im Heu und auf Stroh. Pfarrrherrr, du kühler, öffne dein Tor, Fahrende Schüler stehen davor. Franken und Schwaben kennen uns gut, Lüftige Knaben, fräßige Brut. Müssen uns nähren, Gotteserbarm, Gleich dem verheerenden Heuschreckenschwarm. Was wir durchstrichen, Bergflur und Tal, Alles verblichen, abgegrast, kahl. Pfarrrrherrrr, du kühler, öffne dein Tor, Fahrende Schüler stehen davor! Sparst du den Habersack, knaus'riger Kropf, Packen zum Schabernack wir dich am Kopf, Ziehen die Hosen, den Kuttrock dir aus, Hängen die losen vors Fenster als Strauß. Wer um den süßen Labtrunk uns klemmt, Der muß uns büßen in Strümpfen und Hemd. Pfarrherr, du kühler, öffne den Turm, Fahrende Schüler rüsten zum Sturm! Ho, ho, heiadihoh! Avoy, avoy, alez avanz! Alsûs alsô, alsûs alsô! Ho, ho, heiadihoh, hoh, ho, ho! Wanderlied Wohlauf, die Luft geht frisch und rein, Wer lange sitzt, muß rosten; Den allersonnigsten Sonnenschein Läßt uns der Himmel kosten. Jetzt reicht mir Stab und Ordenskleid Der fahrenden Scholaren, Ich will zu guter Sommerzeit Ins Land der Franken fahren! Der Wald steht grün, die Jagd geht gut, Schwer ist das Korn geraten; Sie können auf des Maines Flut Die Schiffe kaum verladen. Bald hebt sich auch das Herbsten an, Die Kelter harrt des Weines; Der Winzer Schutzherr Kilian Beschert uns etwas Feines. Wallfahrer ziehen durch das Tal Mit fliegenden Standarten, Hell grüßt ihr doppelter Choral Den weiten Gottesgarten. Wie gerne wär' ich mitgewallt, Ihr Pfarr' wollt mich nicht haben! So muß ich seitwärts durch den Wald Als räudig Schäflein traben. Zum heiligen Veit von Staffelstein Komm' ich emporgestiegen Und seh' die Lande um den Main Zu meinen Füßen liegen: Von Bamberg bis zum Grabfeldgau Umrahmen Berg und Hügel Die breite, stromdurchglänzte Au – Ich wollt', mir wüchsen Flügel. Einsiedelmann ist nicht zu Haus, Dieweil es Zeit zu mähen; Ich seh' ihn an der Halde draus Bei einer Schnitt'rin stehen. Verfahrner Schüler Stoßgebet Heißt: »Herr, gib uns zu trinken!« Doch wer bei schöner Schnitt'rin steht, Dem mag man lange winken. Einsiedel, das war mißgetan, Daß du dich hubst von hinnen! Es liegt, ich seh's dem Keller an, Ein guter Jahrgang drinnen. Hoiho! die Pforten brech' ich ein Und trinke, was ich finde ... Du heiliger Veit von Staffelstein, Verzeih' mir Durst und Sünde! Des Klosterkellermeisters Sommermorgenklaggesang Huh weh! mir ist des Tages bang! Tret' ich hinaus in den schweigenden Bergwald, Den kaum das erste Frühlicht erhellet, Wehe! noch lagert die Hitze von gestern Über versengtem Moos und Gesträuch, Und schon umschwirrt mich ein Bremsengesumm, Stechend und frech, Als ob die Sonne im Mittag ersprühte; Klaffende Sprünge spalten das Erdreich, Gras dürrt zu Heu, bevor es gemäht ist, Und in der Luft schwebt Staub ... Huh weh! mir ist des Tages bang! Such' ich beim Stamme der riesigen Buche Kühlung auf gröblich behauenem Steinsitz, Wo um achteckige Platte des Tisches Fröhlicher Waldrast die Brüder oft pflegen: Weh! auch der Stein speit glühende Hitze, Duldet mich nicht. Häher und Spechte und Drosseln, sie lachen, Daß ich, kaum niedergelassen, so jählings Auf und davon sprang. Verschlafene Heuschrecken sitzen im Wege, Rühren sich nicht, Faul ... Huh weh! mir ist des Tages bang! Das sind die Zeiten, wo Tier und Menschheit Glühheiß schmachten, gleich Eisen im Schmiedherd; Träufst du auch Tropfen und Fluten drauf nieder, Saugt es sie gierig, doch löscht es nicht. Weh! kaum läutet das Frühmorgenglöcklein Und schon zwingt mich allmächtige Sehnsucht, Eiligst zum Klosterkeller zu wandeln ... Ob ich dort harre in trinkender Arbeit, Bis sich die Nacht neigt, Oder ein läuternd Gewitter am Himmel Diese unendliche Schwüle zerbricht?... Weiß nicht ... Aber mein Durst ist Sehr groß ... Hu weh! mir ist des Tages bang ! Die Maulbronner Fuge – – Wem das Kloster Maulbronn bekandt, der hats können mit seinen Augen sehen, wie in dem Vorhoff selbiger schönen erbauten Kirchen oben im Schwibbogen unter anderen Gemälden auch eine Gans abgemahlt steht, an welcher eine Fläsch, Bratwürst, Bratspiß und dergleichen hangen, neben einer zur nassen Andacht gar wohl komponierten Fuga folgenden Tenors mit ihrem unterlegten Text, gleichwohl nur den initialibus literis A.V.K.L.W.H. All Voll, Keiner Leer, Wein Her, welches villeicht dieser durstigen Münch und Religiosen Commentarius gewest über das Hohelied Salomonis: Comedite amici et bibite et inebriamini charisimi etc. etc. Tob. Wagner, »Evangel. Censur der Besoldischen Motiven etc« Tübingen 1640, p. 652. Die Maulbronner Fuge Im Winterrefektorium Zu Maulbronn in dem Kloster Da geht was um den Tisch herum, Klingt nicht wie Paternoster: Die Martinsgans hat wohlgetan, Eilfinger blinkt im Kruge, Nun hebt die nasse Andacht an Und alles singt die Fuge: A.V.K.L.W.H. Complete pocula! Der Abt Johannes Entenfuß Kam unwirsch hergewatschelt: »Was wird so spät als Festtagschluß Beim Geigenschall gefratschelt? Laßt ab, Ihr stört den Doktor Faust Im Gartenturm dahinten: Wenn solch ein Singsang zu ihm braust, Kann er kein Gold nicht finden: A.V.K.L.W.H. Cavete scandala!« Derweilen bracht der Zellerar, Herr Godefrit von Niefern, Den Sankt Martinuszuspitz dar Vom Keller mit den Küfern. Der rief: »Herr Abbas, was Ihr sagt, Soll man in Züchten ehren, Doch wenn kein andrer Schmerz Euch plagt, So mögt Ihr uns nicht wehren: A.V.K.L.W.H. Der Faust sitzt selbst schon da!« Der Faust saß rückwärts an der Wand Und trank vergnügt im Dunkeln, Nun ließ der blasse Nekromant Sein Glas am Licht karfunkeln Und sprach: »Ich brüt' schon Tag und Jahr Am schwarzen Zauberbuche Und merk' erst heut, ich bin ein Narr, Daß ich das Gold dort suche: A.V.K.L.W.H. Das echte Gold ist da!« »Mit Hermes Trismegistos List Wird keins erlaborieret, Die Sonne ist der Alchimist, Der's flüssig destillieret: Wenn's durch die Adern glüht und rollt Mit des Eilfingers Wonnen, Dann habt Ihr Gold, habt echtes Gold, Und ehrlich selbst gewonnen. A.V.K.L.W.H. Haec vera practica!« Da lacht der Abt:»Mit solcher Lehr' Zwingt Ihr auch mich zum Kruge, Denn All Voll, Keiner Leer, Wein Her Ist eine feuchte Fuge. Als Fausti Goldspruch lass' ich sie Jetzt in den Kreuzgang malen, Man kennt die ganze Melodie Schon an den Initialen: A.V.K.L.W.H. Sit vino gloria!« Die eiserne Hand Pfingsten 1519. »Urfehde schwört! ansonst ich Euch in den Brummturm setz'«, Sprach Heilbronns Bürgermeister Zum Berlichinger Götz. Zu besserm Nachdruck standen Den Rathausgang entlang Weinschröter, Schmied' und Flözer Mit Haken, Spieß und Stang'. Doch wie ein Ratsherrnfinger Den Hinterhalt winkt vor, Hub grimm der Berlichinger Die Eisenfaust empor. Und still ward's auf den Bänken Und still in Saal und Haus: In Fingern und Gelenken Sah sie so schlagbar aus, Als wüchsen nächstens Feigen So saftig und kandiert, Wie sie noch nie auf Erden Ein sterblich Ohr geziert. Derweil klang's wie Trompeten Vom Neckartor herauf; Sickingens Reiter trabten, Und Fußvolk kam im Lauf. »So seid doch nicht so zornig!« Sprach jetzt der Magistrat, »Es kommt in Stadt wie Land vor, Daß man sich mißverstât. Wer drohte je mit Brummturm? Wir bieten Losament Und laden den Herrn Schwager Samt Euch zum Traktament.« »Ah so, liebwerte Nachbarn«, Sprach Götz, »viel Dank, ich komm'... Der Teufel soll Euch holen, Wie seid Ihr plötzlich fromm. Mir scheint, die Faust von Eisen Bringt Wunderwerk zuweg: Wär's ein Glanzleder-Handschuh, Weiß Gott, wo ich heut läg'!« Der Enderle von Ketsch In der Beschreibung der Pfalz von Merian (1645) wird bei Erwähnung des Dorfes Ketsch erzählt: »Pfaltzgraf Oth Heinrich, nachmals Churfürst, fuhr vmb das Jahr 1530 ins gelobte Land, nach Jerusalem. In seiner zurück Reyse kam er über die Offenbahre See herauß, da jhme dann ein Schiff, nach Nordwegen zu, begegnete, darinn diß Geschrey gehört wurde: ›Weichet, weichet, der dick Enderlein von Ketsch kompt.‹ Der Pfaltzgraf vnd sein Cammermeister Mückenhäuser kannten den gottlosen Schuldtheiß allhie zu Ketsch vnnd auch den Orth wol; daher als sie heimbkamen, sie nach dem dicken Enderle, vnnd vmb die Zeit seines todts gefragt vnd vermerkt haben, daß es mit der Zeit vberein gestimmt, da sie das Geschrey auff dem Meer gehört hatten; wie Weyland ein Professor zu Heydelberg in seinen Schriften auffgezeichneter hinderlassen hat.« Der Enderle von Ketsch »Jetzt weicht, jetzt flieht! Jetzt weicht, jetzt flieht Mit Zittern und Zähnegefletsch: Jetzt weicht, jetzt flieht! Wir singen das Lied Vom Enderle von Ketsch!« Ott' Heinrich, der Pfalzgraf bei Rheine, Der sprach eines Morgens: »Rem blemm! Ich pfeif' auf die saueren Weine, Ich geh' nach Jerusalem! Viel schöner und lilienweißer Schaun dort die Jungfrauen drein: O Kanzler, o Mückenhäuser, Fünftausend Dukaten pack' ein!« Und als sie lagen vor Joppen, Da faltet der Kanzler die Händ': »Jetzt langt's noch zu einem Schoppen, Dann sind die Dukaten zu End'!« Ott' Heinrich, der Pfalzgraf, sprach munter: »Rem blemm! Was ficht uns das an? Wir fahren nach Cyprus hinunter Und pumpen die Königin an.« ... Schon tanzte die alte Galeere Vor Cyprus in funkelnder Nacht, Da hub sich ein Sturm auf dem Meere Und rollender Donner erkracht. Umzuckt von gespenstigem Glaste Ein schwarzes Schiff braust vorbei, Hemdärmlich ein Geist steht am Maste Und furchtbar gellet sein Schrei: »Jetzt weicht, jetzt flieht! Jetzt weicht, jetzt flieht Mit Zittern und Zähnegefletsch: Jetzt weicht, jetzt flieht! Im Sturm herzieht Der Enderle von Ketsch!« Der Donner klang leise und leiser Und glatt wie Öl lag die See, Dem tapferen Mückenhäuser, Dem Kanzler, war's wind und weh. Der Pfalzgraf stund an dem Steuer Und schaut' in die Wogen hinaus: »Rem blemm! 's ist nimmer geheuer, O Cyprus, wir müssen nach Haus! Gott sei meiner Seele gnädig, Ich bin ein gewitzigter Mann: Zurück, zurück nach Venedig! Wir pumpen niemand mehr an. Und wer bei den Türken und Heiden Sein Geld wie ich verschlampampt, Der verzieh' sich geräuschlos beizeiten, Es klingt doch höllenverdammt: Jetzt weicht, jetzt flieht! Jetzt weicht, jetzt flieht Mit Zittern und Zähnegefletsch: Jetzt weicht, jetzt flieht! Im Sturm herzieht Der Enderle von Ketsch!« Die drei Dörfer 1. Wer reit't mit zwanzig Knappen ein Zu Heidelberg im Hirschen? Das ist der Herr von Rodenstein, Auf Rheinwein will er pirschen. »Hollaheh! den Hahn ins Faß! schenkt ein, Ich fürcht', die Kehlen rosten! Wir wöll'n ein Jahr lang lustig sein, Und sollt's ein Dorf auch kosten! Ein Dorf, was ist's?... Nur Mist und Rauch, Ich hab' ja ihrer dreie ... Gersprenz und Pfaffenbeerfurt auch Und Reichelsheim, das treue!« Trommeten klangen mit Schalmei'n Und Pauken um die Wette, Zwölf Monden saß der Rodenstein Beim fürstlichen Bankette. Und als er sich nach Jahr und Tag Die Rechnung hergewunken, Da sprach er: »Blitz und Donnerschag! Jetzt ist Gersprenz vertrunken! Gersprenz ist hin! Gersprenz ist fort! Gersprenz der fromme, der züchtige Ort, Gersprenz ... ist ... veritrunken. Hollaheh! doch wie man's treibt, so geht's, Was liegt an dem Verlurste? Man spricht vom vielen Trinken stets, Doch nie vom vielen Durste. Gersprenz ist hin! Gersprenz ist fort! Gersprenz der fromme, der züchtige Ort, Gersprenz ... ist ... veritrunken.« 2. Wer reit't mit sieben Knappen ein Zu Heidelberg im Hirschen? Das ist der Herr von Rodenstein, Auf Rheinwein will er pirschen. »Hollaheh! den Hahn ins Faß! schenkt ein! Ich fürcht', die Kehlen rosten! Wir wöll'n ein halb Jahr lustig sein, Und sollt's ein Dorf auch kosten! Ein Dorf, was ist's?... Ein rußig Loch, Und ich hab' ihrer zweie, Ich hab' ja Pfaffenbeerfurt noch Und Reichelsheim, das treue.« Trommeten klangen mit Schalmei'n, Die Pauken täten schweigen ... Sechs Monden saß der Rodenstein Beim süßen Rheinweinreigen. Und als nach halber Jahresfrist Der Rechnung er gewunken, Da sprach er: »Hollaheh! jetzt ist Auch Reichelsheim vertrunken! Reichelsheim ist hin! Reichelsheim ist fort! Reichelsheim, der treue, schnapsbrennende Ort, Reichelsheim ... ist ... veritrunken. Hollaheh! doch wie man's treibt, so geht's! Was liegt an dem Verlurste? Man spricht vom vielen Trinken stets, Doch nie vom vielen Durste. Reichelsheim ist hin! Reichelsheim ist fort! Reichelsheim, der treue, schnapsbrennende Ort, Reichelsheim ... ist ... veritrunken.« 3. Wer wankt zu Fuße ganz allein Gen Heidelberg zum Hirschen? Das ist der Herr von Rodenstein, Vorbei ist's mit dem Pirschen. »Herr Wirt, ein Kännlein dünnes Bier Und einen Harung im Salze! Ich hab' vom vielen Malvasier Das Zipperlein am Halse. Der schönste, größte Durst der Pfalz Muß früh in Ruh'stand sinken; Das letzte Dorf des Odenwalds Kann ich nicht mehr vertrinken. Einen Notary ruft herein, Der schreib' die Testamenten: Pfaffenbeerfurt soll der Hochschul' sein, Mein Durst den Herrn Studenten! Stets bin ich alter Mann gerührt, Seh' ich die wackern Jungen, Und schlucken sie wie ich, so wird Dereinstmals doch gesungen: Pfaffenbeerfurt ist hin! Pfaffenbeerfurt ist fort! Pfaffenbeerfurt, die duftige Mistfinkenhöhl', Pfaffenbeerfurt, des Odenwalds Kronjuwel, Pfaffenbeerfurt ... ist ... veritrunken! Hollaheh! doch wie man's treibt, so geht's! Was liegt an dem Verlurste? Man spricht vom vielen Trinken stets, Doch nie vom vielen Durste. Pfaffenbeerfurt ist hin! Pfaffenbeerfurt ist fort! Pfaffenbeerfurt, die duftige Mistfinkenhöhl', Pfaffenbeerfurt, des Odenwalds Kronjuwel, Pfaffenbeerfurt ... ist ... veritrunken!« Die Lieder vom Rodenstein Der Willekumm Und als der Herr von Rodenstein Zum Frankenstein sich wandte, Empfing er seinen Ehrenwein, So wie es Brauch im Lande. In Beerbach vor dem Rathaus bracht' Der Zentgraf mit den Bauern Den Kauzenkrug. Der Alte lacht: »Nur her mit Euerm Sauern! Ihr Mannen macht das Armbein krumm, Der Willekumm gaht um, gaht um, Holliro, das Bauernkäuzlein Gaht um, gaht um!« Als er von dort sich durchgezerrt Zur Frankensteiner Linde, Stand Weg und Durchpaß dicht gesperrt Vom jungen Burggesinde: Ein Reiterstiefel lebensgroß Von Ton, ein feinbemalter, Ward ihm gefüllt kredenzt aufs Roß Und alles sang den Psalter: »Ihr Mannen, macht das Armbein krumm, Der Willekumm gaht um, gaht um, Holliro, der große Stiefel Gaht um, gaht um!« Im Burghof grüßt' ein zweiter Schwarm Ihn mit Kartaunenzündung, Da schwang der Burgherr selbst im Arm Des zweiten Stiefels Ründung. Des Schloßbergs Feinsten goß man ein Und würdig sprach der Ritter: »Herr Nachbar, nit auf eynem Bein! Der hier schmeckt auch nicht bitter. Ihr Mannen, macht das Armbein krumm, Der Willekumm gaht um, gaht um, Holliro, der große Stiefel Gaht um, gaht um.« Der Rodenstein trank aus und rief: »Gott segne deine Nase! Die meine bog sich beinah schief Von solchem Strom im Glase. Jetzt wöll'n wir in dem Rittersaal Ausruhn vom ersten Tosen; Mir ahnt, dort füllt dein Eh'gemahl Das Trinkhorn Karls des Großen. Und nochmals heißt's: das Armbein krumm, Der Willekumm gaht um, gaht um, Holliro, des Kaisers Hörnlein Gaht um, gaht um.« ... Beim Abschied andern Morgens war Ein Nebel weit und breite, Da bracht' man ihm das Stammbuch dar Zum Eintrag, eh' er scheide. Und zittrig schrieb er: »Kund soll sein, Daß ich hie eingeritten Und lob' das Haus zum Frankenstein Als Haus von guten Sitten: Der Willkumm hat mir so gemund't, Daß ich das Bett nicht finden kunnt', Holliro, nicht nur der Stiefel, 's ging alles um !« Die Pfändung Und wieder saß beim Weine Im Waldhorn ob der Bruck Der Herr vom Rodensteine Mit schwerem Schluck und Gluck. Der Wirt sprach tief in Trauer: »Daß Gott sich mein erbarm'! Der sitzt wie eine Mauer Und trinkt mich nächstens arm. Wie soll das all noch enden? Kein' Pfenning gibt er her ... Ich glaub', ich laß ihn pfänden, Sonst weicht er mir nicht mehr!« Der Fronvogt samt dem Büttel Kam handfest an im Horn: »Heraus den Sammetkittel, Die Stiefel und die Sporn. Heraus des Mantels Zierde, Handschuh und Zobelhut! Verfallen diesem Wirte Ist all Eu'r Hab und Gut!« Da lacht der Rodensteiner: »Nur zu!... wie wird mir wohl! 's trinkt leichter sich und feiner Im Unterkamisol! Und bis ihr mir die Kehlen Könnt pfänden aus dem Hals, Werd' ich noch manchen quälen, Der Wein schenkt in Kurpfalz!« Der Knapp Der Herr vom Rodensteine Sprach fiebrig und schabab: »Ungern duld' ich alleine, Wo steckt mein treuer Knapp? Ich spür' in Haupt und Magen Ein Stechen und Geschlapp ... Diesmal geht mir's an Kragen, Wo steckt mein treuer Knapp?« Der Reitersjungen viere Durchsuchten Weg und Steg: Der Knapp saß fest beim Biere, Juhei! im Bremeneck. Er trank und sprach mit Trauern: »Du braver Rodenstein! Allein ich muß bedauern, Ich kann nicht bei dir sein! Ist dir was zugestoßen – Auch ich hab' was erlebt: Ich bin mit Rock und Hosen Hier völlig festgeklebt.« Die Jungen meld'ten traurig Dem Kranken, was geschehn, Da sprach er fieberschaurig: »O Knapp, das ist nicht schön! Lässest du dein'n Herren schwitzen In solcher Not und Plag', So sollt du übersitzen Bis an den Jüngsten Tag!« Er sprach's und starb im Fieber, Sein letztes Wort traf zu, Der Knapp sitzt heut noch über, Es läßt ihm keine Ruh'. Und nachts wie Sturmgewitter Jagt's oft straßauf, straßab, Das ist der alte Ritter, Er ruft: »Wo steckt mein Knapp?!« Das wilde Heer Das war der Herr von Rodenstein, Der sprach: »Daß Gott mir helf', Gibt's nirgend mehr 'nen Tropfen Wein Des Nachts um halber zwölf?« 'raus da! 'raus aus dem Haus da! Herr Wirt, »daß Gott mir helf', Gibt's nirgend mehr 'nen Tropfen Wein Des Nachts um halber zwölf?« Er ritt landauf, landab im Trab, Kein Wirt ließ ihn ins Haus; Todkrank noch seufzt vom Gaul herab Er in die Nacht hinaus: »'raus da! 'raus aus dem Haus da! Herr Wirt, daß Gott mir helf', Gibt's nirgend mehr 'nen Tropfen Wein Des Nachts um halber zwölf?« Und als mit Spieß und Jägersrock Sie ihn zu Grab getan, Hub selbst die alte Lumpenglock' Betrübt zu läuten an: »'raus da! 'raus aus dem Haus da! Herr Wirt, daß Gott mir helf', Gibt's nirgend mehr 'nen Tropfen Wein Des Nachts um halber zwölf?« Doch wem der letzte Schoppen fehlt, Den duld't kein Erdreich nicht; Drum tobt er jetzt, vom Durst gequält, Als Geist umher und spricht: »'raus da! 'raus aus dem Haus da! Herr Wirt, daß Gott mir helf', Gibt's nirgend mehr 'nen Tropfen Wein Des Nachts um halber zwölf?« Und alles, was im Odenwald Sein' Durst noch nicht gestillt, Das folgt ihm bald, das schallt und knallt, Das klafft und stampft und brüllt: »'raus da! 'raus aus dem Haus da! Herr Wirt, daß Gott mir helf', Gibt's nirgend mehr 'nen Tropfen Wein Des Nachts um halber zwölf?« ... Dies Lied singt man, wenn's auch verdrießt, Gestrengem Wirt zur Lehr'; Wer zu genau die Herberg' schließt, Den straft das wilde Heer: »'raus da! 'raus aus dem Haus da! Rumdiridi, Freijagd! Hoidirido, Freinacht! Hausknecht hervor! Öffne das Tor! 'raus! 'raus! 'raus!« Der Überfall Und wieder sprach der Rodenstein: »Halloh! mein wildes Heer! In Tiefschluckhausen fall' ich ein Und trink' den Pfarrer leer. 'raus da! 'raus aus dem Haus da! Herr Pfarr', daß Gott Euch helf'! Gibt's nirgend mehr 'nen Tropfen Wein Des Nachts um halber zwölf?« Der Pfarr', ein tapfrer Gottesmann, Trat streitbar vor sein Tor, Mit Weihbrunn, Skapulier und Bann Die Geister er beschwor: »'raus da! 'raus aus dem Haus da! Daß Euch der Satan helf', Kriegt Ihr ein' einzigen Tropfen Wein Des Nachts um halber zwölf!« Doch fröhlich brummt der Rodenstein: »O Pfarr', ich fang' dich doch! Ein Geist, der nicht zum Tor kommt 'rein, Probiert's am Kellerloch! 'nein da!...'nein zu dem Wein da! Hurra! schon sind wir drin! Sein Keller ist nicht schlecht besetzt, Hurra, wir trinken ihn!« O armes, frommes Pfarrerherz, Heut hat der Böse Macht! Vergeblich rief er kellerwärts, Daß das Gewölbe kracht: »Schwein' da ... Schwein' da ... bei dem Wein da! Heißt das sich aufgeführt? So laßt mir doch die Kompetenz, Die einem Pfarr' gebührt!« Und als die Glocke ein Uhr schlug, Das Heer sang dumpf und hohl: »Herr Pfarr', Herr Pfarr', jetzt ha'n wir g'nug, Herr Pfarr', jetzt lebet wohl! 'raus jetzt! 'raus aus dem Haus jetzt! Herr Pfarr', und bleibt gesund! 's fließt nirgend mehr ein Tropfen Wein Aus Krug und Hahn und Spund.« Da flucht der Pfarr': »Ich dank' recht sehr, Schwernot! Ist alles hin, So will ich selbst im wilden Heer Als Feldkaplan mitziehn! 'naus jetzt! 'naus aus dem Haus jetzt! Herr Ritter, ich schlag' ein: Ist all mein Wein zum Teufel, soll Ein andrer Pfarrherr sein! Hussah, halloh! Jo, hihaho! Rumdiridi, langt's nit, Hoidirido, selbst mit! Höllischer Chor, Heut reit' ich vor: 'naus! 'naus! 'naus!!« Die Fahndung Und wieder sprach der Rodenstein: »Pelzkappenschwerenot! Hans Breuning, Stabstrompeter mein, Bist untreu oder tot? Lebst noch?... Lebst noch und hebst noch? Man g'spürt dich nirgend mehr ... Schon naht die durstige Maiweinzeit, Du mußt mir wieder her!« Er ritt, bis er gen Darmstadt kam, Kein Fahnden war geglückt; Da lacht' er, als am schwarzen Lamm Durchs Fenster er geblickt: »Er lebt noch!... Lebt noch und hebt noch! Doch frag' mich keiner: wie? Wie kommt mein alter Flügelmann In solche Kompagnie?« In Züchten saß der Stammgastschar Nach Rang und Würden dort, Dünnbier ihr Vespertrünklein war, Es klang kein lautes Wort. »Sacht stets!... Sacht und bedacht stets Ist Lebens Hochgenuß«, So flüstert ein Kanzleimann just Zum Kreisamtssyndikus. In dieser Schöppleinschlürfer Reih' Saß auch ein stilles Gast, Und als es acht Uhr war vorbei, Nahm's Stock und Hut mit Hast. »Acht jetzt!... acht jetzt ... gut Nacht jetzt! Einst war ich nicht so brav, Doch ehrbar wandeln ist das best'! Ich geh' ins Bett und schlaf'.« Der Rodenstein in grimmem Zorn Hub graunhaft sich empor; Dreimal stieß er ins Jägerhorn Und blies mit Macht den Chor: »'raus da! 'raus aus dem Haus da! 'raus mit dem Deserteur! Das lahme, zahme Gast da drin Gehört zum wilden Heer!« Da faßt das Gast ein Schreck und Graus, Erst sank es tief ins Knie, Dann stürzt es einen Maßkrug aus, Schlug's Fenster ein und schrie: »'naus da! 'naus aus dem Haus da! O Horn und Sporn und Zorn! O Rodenstein! O Maienwein! Noch bin ich nicht verlor'n. Rumdiridi, Freijagd! Hoidirido, Freinacht! Alter Patron, Empfah' deinen Sohn! Hussah, halloh! Jo, hihahoh! 'naus, 'naus, 'naus!« Heidelbergisch Numero acht im Holländer Hof zu Heidelberg Zwei Schatten seh' ich schweben In später, später Nacht; Wißt ihr, wohin sie streben? – – Beide auf Numero acht! Der Hausknecht, als es läutet, Mit einem Fluch erwacht; Er weiß schon, was es bedeutet: Beide auf Numero acht! »Alt Holland steht in Nöten, Weh' uns, die wilde Jagd! Weh' uns, die alten Schweden Beide auf Numero acht! Heißt das als fleißiger Schreiber Ein neues Buch gemacht, Ihr grausamen Überkneiper Beide auf Numero acht? Heißt das als frommer Pastor An die Gemeinde gedacht? Ihr sündenharte Laster Beide auf Numero acht?!« Der Hausknecht, ungewaschen Murrt er's und ungeschlacht, Da lärmt's: »He! noch zwei Flaschen, Beide auf Numero acht!« Und weiter singt es und klingt es Und jubiliert und lacht, Und bis zum Hausherrn dringt es: »Beide auf Numero acht!« Der spitzt betrübt die Füße, Die Bettstatt seufzt und kracht; Stumm nimmt er eine Prise: »Beide auf Numero acht!!« Die Martinsgans Tischlied beim großen Gansschmaus im Museum am 11. November 1857. Eram nive candidior Quavis ave formosior Modo sum corvo nigrior Refl. miser! miser! Nunc in scutella iaceo et volitare nequeo, dentes frendentes video Refl. miser! miser! modo niger et ustus fortiter. »Carmina Burana«, p. 173. Der Mensch ist ein Barbar von Natur, Er achtet nicht im mindesten die Nebenkreatur, Tut sieden sie und braten, Verspeist sie mit Salaten, Schütt't Wein oben drauf aus güldnem Gefäß Und nennt das gelehrt: Ernährungsprozeß. Mich gute Gans haben s' auch erwischt Und allezeit gerupft und aufgetischt. Zum Könige Gambrinus Sprach einst schon Sankt Martinus: »Die Welt, edler Herr, ist nicht viel nütz, Doch trefflich schmeckt zu Bier wie Wein ein Pfaffenschnitz.« Der eilfte Novembris war der Tag, Allwo er dieses Wort mit Nachdruck sprach; Drum braten brave Leute Die Martinsgans noch heute, Ich armer Vogel, ist das mein Lohn, Daß man mich tot verzehret auf Subskription? Wie anders war's, da auf der Weid Als Gänsulein ich prangte im Flügelkleid?! Auf einem Fuße stehend Und Aug' und Schnabel drehend Zum Liebsten, der just über den Rhein In männlicher Reife als Gänserich kam heim. O hätt' ich nie gemußt in die Stadt, Wo niemals eine Köchin eine Bildung hat! Sie lachte sehr gemeine Und preßt' mich an die Beine Und sprach: »Ob's dich auch drückt und verkropft, Mit Welschkorn wirst du jetzt vollgestopft!« So werd' ich schon bei lebender Zeit Zu Braten und Pasteten vorbereit't; Mein Geist geht sehr zurücke, Die Leber nur wird dicke; Sie fragen nicht mehr: »Ist schön ihr Gesicht?« Sie fragen allein: »Wie fällt sie ins Gewicht?« Ist das der Dank, daß unsere Schar Der Hauptstadt der Welt Erretterin einst war? Von wegen Weinverkosten Schlief alles auf den Posten, Ohn' unser tapfer Schnattern und Schrei'n Hätt' Rom schon anno Tubak französisch müssen sein. Ihr schmausende Herrn, doch spart Euern Hohn, Wir retten nicht zum zweitenmal die Zivilisation: Und stürmt am Kapitole Rheinwein, Bordeaux und Bowle, Keine Gans wird Euch mehr warnen und krähn, Doch jammernd werden morgen die Katzen vor Euch stehn. Die letzte Hose Letzte Hose, die mich schmückte, Fahre wohl! dein Amt ist aus, Ach auch dich, die mich entzückte, Schleppt ein andrer nun nach Haus. Selten hat an solchen Paares Anblick sich ein Aug' erquickt; Feinster Winterbuckskin war es, Groß kariert – und nie geflickt! Mit Gesang und vollen Flaschen Grüßt' ich einst in dir die Welt; Zum Hausschlüssel in der Taschen Klang noch froh das bare Geld. Aber längst kam das Verhängnis, Die Sechsbätzner zogen fort, Und das Brückentorgefängnis Ist ein dunkler stiller Ort ... Längst verschwand, was sonst versetzlich, Frack – und Rock – und Mantels Pracht. Nun auch du! es ist entsetzlich!... Letzte Hose, gute Nacht! Tag der Prüfung, o wie bänglich Schlägt mein Herz und fühlt es hell: Alles Irdische ist vergänglich Und das Pfandrecht schreitet schnell! Nirgend winkt uns ein Erlöser, Letzte Hose!... es muß sein!... Elkan Levi, dunkler, böser Trödler, nimm sie!... Sie sei dein! Stiefelfuchs, du alter treuer, Komm und stütz' mein Dulderhaupt! Noch ein einziger Schoppen Neuer Sei dem Trauernden erlaubt. Dann will ich zu Bett mich legen Und nicht aufstehn, wenn's auch klopft, Bis ein schwerer goldner Regen Unverhofft durchs Dach mir tropft. Zeuch denn hin, die ich beweine, Grüß den Rock und 's Kamisol! Weh! schon friert's mich an die Beine!... Letzte Hose, fahre wohl!! Der letzte Postillon Bald ist, soweit die Menschheit haust, Der Schienenweg gespannt; Es keucht und schnaubt und stampft und saust Das Dampfroß rings durchs Land. Und wiedrum in fünfhundert Jahr Weiß der Gelahrteste nicht Zu sagen, was ein Hauderer war, Was Fuhrmanns Recht und Pflicht. Nur in der Nacht der Sonnenwend', Wo dunkle Schemen gehn, Wird zwischen Erd' und Firmament Ein fremd Gespann gesehn. Der Schimmel trabt, die Peitsche schwirrt, Laut schmettert Posthornton, Als Geist kommt durch die Luft kutschiert Ein greiser Postillon. Fahl glänzt am gelben Sperlingsfrack Thurn Taxis' Wappenknopf, Er raucht uralten Rauchtabak Aus braunem Ulmerkopf. Er raucht und spricht: »O Erdenball, Wie anders schaust du drein, Seit ich mit Sang und Peitschenknall Reichspostdienst tat am Rhein! O Zeit des Paßgangs und des Trabs, Des Trinkgelds und des Trunks, Des Poststalls und des Wanderstabs, Des idealen Schwungs! Jetzt geht die Welt aus Rand und Band, Die Besten ziehn davon, Und mit dem letzten Hausknecht schwand Der letzte Postillon. Jetzt rennt der Dampf, jetzt brennt der Wind, Jetzt gilt kein Fruh und Spat, Die Sonne malt und blitzgeschwind Briefschreibt der Kupferdraht. O neues Rüstzeug, alter Kampf! Wo treff' ich Glück und Ruh'?... O Erdenphosphor, Gas und Dampf! Fahr' zu, mein Schimmel, fahr' zu!« Der Fünfundsechziger In luftiger Trinkkemenaten – Den Ort gesteht man nicht ein – Da prüften drei späte Nomaden Den edelsten pfälzischen Wein. Aus rötlichen Römern erblinkte Des Rieslings feinperlendes Gold, Des Höhensaums Rebgeländ' winkte Im Mondschein den Trinkenden hold. Der erste, ein weitum gereister Philologus, spitzte den Mund: » Das kochten uns Erdfeuergeister Mit Äther und Sonne im Bund. Drum flutet's und glutet im Becher Geistfunkelnd, sanftrhythmisch und voll, Als sängen homerische Zecher Ein jonisches Kneiplied in Moll.« Der zweite, ein trockener Kenner Und Deuter des römischen Rechts: »Proficiat«, sprach er, »ihr Männer, Wir läppern allhiero nichts Schlechts. Wer schaut nicht, wenn bacchisches Donum So goldklar im Kelchglase scheint, Das Justum, Aequum et Bonum In diesem Römer vereint?« Der dritte, der putzte die Lichter, Die mächtig heruntergebrannt, Und sprach: »Zwar bin ich kein Dichter Und kunstlos und schlicht von Verstand; Doch nähert sich solch einem Schoppen Mein Herz ... dann überwallt's ... 's is halt e verflucht feiner Troppen, Ich segne die Hügel der Pfalz!« Derweilen ging draus auf dem Damme Spießtragend ein vierter vorbei, Der blies eine wundersame Gewaltige Melodei: »Ihr Herren, und lasset Euch sagen, Die Stadtgemeinde braucht Schlaf, Die Glocke hat eilf Uhr geschlagen, Wer jetzt nicht zu Bett geht, zahlt Straf'.« Perkêo Das war der Zwerg Perkêo im Heidelberger Schloß, An Wuchse klein und winzig, an Durste riesengroß. Man schalt ihn einen Narren, er dachte: »Liebe Leut', Wärt ihr wie ich doch alle feuchtfröhlich und gescheut!« Und als das Faß, das große, mit Wein bestellet war, Da ward sein künftiger Standpunkt dem Zwergen völlig klar. »Fahr' wohl«, sprach er, »o Welt, du Katzenjammertal, Was sie auf dir hantieren, ist Wurst mir und egal! Um lederne Ideen rauft man manch heißen Kampf, Es ist im Grund doch alles nur Nebel, Rauch und Dampf. Die Wahrheit liegt im Weine. Beim Weinschlurf sonder End' Erklär' ich alter Narre fortan mich permanent.« Perkêo stieg zum Keller; er kam nicht mehr herfür Und sog bei fünfzehn Jahre am rheinischen Malvasier. War's drunten auch stichdunkel, ihm strahlte inneres Licht, Und wankten auch die Beine, er trank und murrte nicht. Als er zum Faß gestiegen, stand's wohlgefüllt und schwer, Doch als er kam zu sterben, klang's ausgesaugt und leer. Da sprach er fromm: »Nun preiset, ihr Leute, des Herren Macht, Die in mir schwachem Knirpse so Starkes hat vollbracht: Wie es dem kleinen David gegen Goliath einst gelang, Also ich arm' Gezwerge den Riesen Durst bezwang. Nun singt ein De Profundis, daß das Gewölb' erdröhnt, Das Faß steht auf der Neige, ich falle sieggekrönt.« ... Perkêo ward begraben. – Um seine Kellergruft Beim leeren Riesenfasse weht heut noch feuchte Luft, Und wer als frommer Pilger frühmorgens ihr genaht: Weh' ihm! Als Weinvertilger durchtobt er nachts die Stadt. Das große Faß zu Heidelberg der XXIV. Versammlung deutscher Philologen und Schulmänner zum 27. September 1865 Tischlied beim Festmahl im Bankettsaal des Schlosses. Glück auf! ein guter Genius Kommt heut zum Schloß gezogen, Kollegialisch dröhnt mein Gruß Euch deutschen Philologen: Denn ihr durchforscht mit Blick und Glück Die Vorzeit Schicht' um Schichte, Und ich, durchmorscht, bin selbst ein Stück Kultur und Sprachgeschichte. Ägypten hat die Mumien gut, Den Geist schlimm aufgehoben Und sog des Palmsafts heil'ge Flut Aus dicken Nilkanoben . Auch dem Assyrer fiel's nicht ein, Getränk zu überwintern, Verschimmelt stand sein Dattelwein In Keilschrifttonzylindern . Der Stoff des weisen Salomo Kam nie zu feinem Hauche, Denn sein Bukett blieb immer roh Im dunkeln Geißbockschlauche . Erst als Phöniker Sand zu Glas Umschmolzen in den Aschen, Sah Israel ... zwar noch kein Faß, Doch schon ... pitschierte Flaschen . Europa , sumpfig, feucht und leer, Ließ wild die Rebe treiben, Die Salamander drohten sehr Den Menschen aufzureiben. Der erste, der im Urwald keck Sich briet den Urstierschlegel, Trug seinen Meth als Handgepäck In einem schmalen Legel . Der Kelte , der auf Pfählen saß Und niedrer Bildungsstufe, Barg ein sehr zweifelhaftes Naß In zweifelhafter Kufe . In der Kimmerier Nebelgrau, Bei Völkern rauh und zottig, Kam auch kein großes Faß zum Bau, Nur Bütte, Pott und Pottich . Alt-Hellas fand die Faßform früh, Doch nicht für Bacchos Wonnen; Man pflag statt Weins Philosophie In leeren hohlen Tonnen . Das zweckbewußte Römertum Bedurfte starker Labe : Zum magnum vas vinarium Schlich Plinius schon als Knabe. Doch das antike vasum war Von Ton und spitz nach unten, Und auch vom cadus ist nicht klar, Ob Reif er trug und Spunten. Das echte Faß zeigt deutschen Schwung, Es gingen die Germanen Schon auf die Völkerwanderung Mit Trinkglas, Faß und Hahnen . Dietrich von Bern rief oftmals froh Im Keller seines Schlosses: »Thata liubo fat, thata mikilo! Du liebes Faß, du großes!« Und oft sah ihn der Goten Heer Vergnügt dem Reichsschenk winken: »Schafft eine Maß zu trinken her! Scapia maziaia drinkan! Des Rotbarts Kaisermacht empfing Den Reichstag gern beim Fasse Und sang, wenn's auf die Neige ging, In althochdeutschem Basse: Iz rinnit nich ein tropho mêr , Der wîn ist vortgehupfit ... Ou wê mîn grôzaz vaz stât lêr , Sie hâ'n't mirz ûz gesupfit !...« Als edler Bildungsdurst die Welt Erfüllt mit edlem Streben, Rief mich ein Kurfürst und ein Held Als Burgfaß hier ins Leben. Noch steh' ich fest, wo alles fiel, Des Pfälzer Geists ein Funken: Groß im Gedanken, flott im Stil Und gänzlich – leergetrunken. O wär' ich voll heut, Mann und Glas Füllt' ich mit Rheinweinmassen! Doch weh und ach!... dem Hauptwort »Faß« Fehlt längst sein Zeitwort » fassen «. » Geleerter Größe « bricht der Mut Zu bacchischem Gedichte ... ... Ich bitt' nur um die Note »gut« In »Sprache und Geschichte«. Neueres Festgruß der sechzehnten Versammlung deutscher Architekten und Ingenieure dargebracht von der Stadt Karlsruhe 1872. Willkommen hier, baukundige Wandergäste, Septembersonne lacht auf euren Pfad Und Land wie Leute grüßen auf das beste Der Deutschen Technik Hort und Ehrenrat. Nicht Hamburgs Alster zwar, noch Wiens Paläste, Bescheiden ist, was man zu zeigen hat, Doch sonder Bangnis rüstet sich zum Feste Karl Wilhelms wohlgeplante Fächerstadt. Sie wuchs als Kind im Hardtwald, knapp gehalten, Weinbrenner wies ihr, wie man »klassisch« baut, »Gefrorene Musik« hieß er sein Walten, Drum ist sie auch so lang' nicht aufgetaut. Spät erst durch Hübsch erlöst vom Bann des Alten, Ward sie des Werts der Schönheit sich bewußt, Nun darf ihr Fächer sich modern entfalten, Vertraun auf gute Zukunft schwellt die Brust. In Heidelberg umschwebt euch ander Wesen Wie Geisterhauch. Beredt, ehrwürdig, groß Weiß ein Kollegium Renaissance zu lesen, Das alte Schloß in seiner Trümmer Moos; Doch, eh' man noch am Neckar froh gewesen, Führt euch der Festzug zu des Schwarzwalds Schoß, Zum Quellendampf, drin Gichtische genesen, Zur Bäderstadt im milden Tal der Oos. Wenn dort vor Badens Burg nach Festessitte Ihr tafelt unter grünem Wipfeldach, So kommt noch einer mit bedächt'gem Schritte Den Berg empor. Das Richtscheit zeigt sein Fach, Barett und Mantel sind stilvoll im Schnitte, Verwittert und steinrötlich sein Gesicht; Er nimmt vertrauend Platz in eurer Mitte, Hebt den Pokal, ergreift das Wort und spricht: »Als ältster Baurat dieses Badischen Landes Und Torwardein des Polytechnikums, Doch längst bei Steinbach froh des Ruhestandes, Begrüß' ich euch, Genossen deutschen Ruhms; Daß dies Jahrhundert ein der Kunst verwandtes Ist Saat und Frucht des Bauingeniums; Ihr legt die Schienen engen Volksverbandes Und schafft das Wohnhaus freien Bürgertums. Ich hab' mein Werk spitzbogig einst gewoben Und viel mit Maß- und Stabwerk mich gepeint; Harmonisch hat mein Langhaus sich erhoben Und ›gut in Wirkung‹, wie Freund Lübke meint. Auch darf man der Fassade Reichtum loben, Mein Rosenfenster ist nicht schlecht erdacht, Und der durchbrochne Turmhelm strebt nach oben Wie ein Gedankenflug in kühner Pracht. Seht dort des Rheines Streif, den silberweißen, Dort ragt, was ich ersann, verklärt und fern Im Purpurduft des Abends, und mit leisen Glutstrahlen küßt die Sonne seinen Kern. Das war ein Mauern, Meißeln, Grundrißreißen, Da Bischof Konrad mich als Hüttenherrn Zu jenem Bau berief, da galt's, sich fleißen; Doch Frau und Sohn und Tochter folgten gern. Gott und dem Reich in freiem Steinmetzorden Zu dienen, schien uns frommer Zunftberuf, ›Aus rauhem Stein sind zarte Heil'ge worden‹, Schrieb man zum Bildwerk, das Sabina schuf. Doch wie wir unserer Zeit gerecht geworden, So freut uns, was bewußt die eure schafft, Nicht schickt sich eines stets und allerorten, In neuer Form bewährt sich neue Kraft. Drum soll ein Trinkspruch kräftig hier erschallen Zu meiner Heimat goldnem Mauerwein : › Dem Bau der Zukunft !‹ – bis die Schranken fallen, Leg' Süd wie Nord vorplanend Ehre ein: Zwei Preisaufgaben stell' ich heut euch allen Und wer sie löst, mag Baudirektor sein: Architektur: des deutschen Reichstags Hallen, Ingenieurs die Brücken übern Main!« Festlied zur Gründungsfeier der Universität Straßburg 1. und 2. Mai 1872. Heut trennt unser minniglich Sehnen Kein deutscher, kein gallischer Rhein, Wir ziehen gleich Lohengrins Schwänen Maifröhlich in »Strazzeburc« ein; Der Hochschulen jungjüngste Schwester Sei als bräutliches Ziel uns ersehn: Sie steht noch im ersten Semester, Drum ist sie auch jung noch und schön. Wo Gottfried den Tristan gesungen, Wo Erwin sein Münster erbaut, Wo Gutenbergs Kunst sich erschwungen, Da ist uns der Boden vertraut. Was sonst noch zu Argentoratum Einst Römer – und andre gemacht, Dem sei als entschwundenem Fatum Ein sühnend Glas Lethe gebracht! »Es konnt' ja nicht immer so bleiben Hier unter dem wechselnden Mond«, So würde Schöpflinus jetzt schreiben, Der als Jubelgreis einst hier gewohnt; Doch wenn unter pflegenden Händen Die Wissenschaft stolz erst floriert, So wird durch die deutschen Studenten Alsatia »neu illustriert«. Was schaust du noch trauernd nach Westen, Elsässischer Landsmann und Freund? Du zählst ja schon heut zu den Besten, Die unsre Matrikel vereint. Bedenk', was die Reben all' wollen Von Wolxheim hinauf bis nach Thann: Der Wein reift fürwahr nicht zum Schmollen, Der reift zum Schmollieren heran! Wir gründen ein kerngesund Wesen Und scheiden erst, wenn uns als Trost Das sämtliche Moos der Vogesen Die eigenen Häupter bemoost. Stoßt an drum: Neustraßburg soll leben, Soll wachsen und kraftvoll gedeihn, Als Straße für geistfrisches Streben, Als Burg der Weisheit am Rhein! Festlied zur Gründungsfeier der Universität Czernowitz Oktober 1875. Verwundert hebt der Pruth im Schilf Sein Haupt, das flutumschwemmte, Denn hoch zu Roß, im Frührotschein Naht eine hohe Fremde: Einst ehrten Griechenland und Rom Die Himmlische, die Muse; Jetzt hält sie vor des Ostens Strom Und hebt die Hand zum Gruße! Glückauf, mein bergschön Buchenland, O Cäcina, wie glühst du! Ich komme mit dem Morgenrot, Hauptstadt am Pruth, nun blühst du! Ich bring' euch, wie Aurora, Licht, Denn Finsternis tut Schaden; Ich bringe Licht und fürchte nicht Die Wölfe der Karpathen. Ihr sollt mit Gott- und Weltweisheit Des Schöpfers Lob bekunden, Als Richter üben Gerechtigkeit, Als Ärzte heilen die Wunden: Und jugendfrisch mit Hall und Schall Den freien Künsten dienen, Sangfröhlich wie die Nachtigall, Treufleißig wie die Bienen. Schau auf, schon zieht und braust daher, An deinem Ufer zu wohnen, In vollem Wichs mein flottes Heer Mit Koller und Kanonen, Ruthenisch, deutsch, rumänisch Blut Vielzüngig miteinander! Und staunend hört der Vater Pruth Den ersten Salamander: »Heil dir, gewaltig Österreich, Heil Wissen dir, im Osten, In Sprachen bunt, im Geiste gleich Ziehn wir am Pruth auf Posten: Nun blühe, jüngster Musensitz, Francisco-Josephina! Frau Muse lehrt in Czernowitz Und schirmt die Bukowina!« Würzburger Festlied Zum dreihundertjährigen Jubiläum der Universität. 2. August 1882. Herr Julius Echter von Mespelbrunn, Fürstbischof und Herzog in Franken, Trank seinen Becher Leisten und sprach: »Mir kommt ein guter Gedanken: Meine Würzburger Glöcklein Haben schönes Geläut, Und die Würzburger Mägdlein Sind kreuzbrave Leut', Jetzt fehlt nur noch eines: Die Stadt ist zu leer, Ich schaff' etwas Feines: Eine Hochschul' muß her!« Herr Julius Echter von Mespelbrunn, Fürstbischof und Herzog in Franken, Sprach weiter: »Ein deutscher Mann und Christ Denkt auch der Armen und Kranken. Zwar heilt uns am besten Ein fröhlicher Sinn, Und Mainwein und Steinwein Sind auch Medizin. Doch wenn der Mensch krank ist, Wird die Welt ihm zur Qual, Drum stift' ich zur Hochschul' Das Julius-Spital.« Herr Julius Echter von Mespelbrunn, Fürstbischof und Herzog in Franken, Als Domherrngeiz nichts steuern wollt', Tat stramm er sie verzanken: »Ihr wollt mich vexieren?! Aus Nichts wird ja Nichts; Tut auf eure Truhen Für Werke des Lichts! Das Hochstift braucht Umgeld Und viel Kapital, Daß Schnabelweid werde Für Schul' und Spital!« Herr Julius Echter von Mespelbrunn, Fürstbischof und Herzog in Franken, Hing stolz den Rektormantel um Mit Purpur und goldenen Ranken; Denn er war ja selber Wohl an die zehn Jahr' In Paris und Pavia Ein tapfrer Scholar. Und was so ein frommes, Bemoostes Haupt schafft, Das hat für die Nachwelt Noch Segen und Kraft. Herr Julius Echter von Mespelbrunn, Fürstbischof und Herzog in Franken, Seit drei Zentennien reift die Frucht Von jenem guten Gedanken. Und die Würzburger Glöcklein Haben schönes Geläut Und die Würzburger Mägdlein Sind kreuzbrave Leut'. Und die Alma Frau Julia Kommt strahlend stolziert: »Hoch lebe ein jeder, Der mitjubiliert!« Jubiläum der Universität Heidelberg (1386-1886.) Dies ist der Tag, den der Herr gemacht hat; lasset uns freuen und fröhlich darinnen sein. O Herr, hilf; o Herr, laß wohl gelingen! Psalm 118, V. 24 und 25. Nun grüß' dich Gott, Altheidelberg! Laut rufen alle Glocken Vom Heil'gen Geist durch Tal und Berg Zu jubelndem Frohlocken: Fünfhundert Jahr' – ein hohes Wort, Doch lang' noch nicht das hehrste; Blüh' du nur glückhaft tausend fort, Dann kommt das tausend erste. Ein Segen ist's der Wissenschaft, Stets Neues zu gestalten Und gleich des Frühlings Zauberkraft Lichtspendend nie zu alten. Wer sich in solchem Jungbrunn feit, Fühlt jung sein Herzblut kreisen, Solang' ums Schloß im Maienkleid Die Wälder Knospen weisen. Dem Kurfürst Ruprecht ward der Ruhm, In rauher Zeit der Waffen Hier ein geweihtes Heiligtum Des Studiums zu schaffen. Und treulich half ein frommer Mann Das Bildungswerk vollbringen, Den er sich in Paris gewann: Marsilius ab Inghen. Wer nennt sie all' von nah und fern In Kutten und Talaren Die hier intitulierten Herrn Magister und Scholaren? Wetteifernd wie um Pfingstenzeit Sich Blüte drängt an Blüte, Tat jeder seine Schuldigkeit, Doch in verschiedner Güte. Scholastiker und Humanist, Schiffhut, Barett, Perücken Erprobten Kunst, Talent und List In wechselnden Geschicken: Gottlob, daß starrer Zunftverstand Nie Zeit fand, lang' zu schaden, Und neu als Stifter auferstand Karl Friederich von Baden. Des Ahnherrn weise Milde hat Sein Enkel treu bewähret, Den froh als höchsten Rektor Stadt Wie hohe Schule ehret. Ruperto-Karolina will Beschirmt durch Friedrich strahlen: Ob ihr und ihm schwebt hoch und still Der Stern des Idealen. Und jubelnd dürfen alt wie jung Spät nach vielhundert Jahren In heiliger Begeisterung Wied'rum des Weges fahren: Der Geist ist's, der das Rechte weist, Der Wahrheit schafft und Leben, Der starke, freie, deutsche Geist, Der uns das Reich gegeben! Heil allen, die im Wissensschacht Nicht Müh' noch Arbeit scheuten, Die manche Nacht durchdacht, durchwacht Und sich der Jugend freuten. Und Heil der Stadt, wo Schöpfungspracht Mit Weisheit im Vereine: Ein brausend Hoch sei dir gebracht, Altheidelberg, du Feine! Aus dem Weiteren Ausfahrt Berggipfel erglühen, Waldwipfel erblühen Vom Lenzhauch geschwellt; Zugvogel mit Singen Erhebt seine Schwingen, Ich fahr' in die Welt. Mir ist zum Geleite In lichtgoldnem Kleide Frau Sonne bestellt; Sie wirft meinen Schatten Auf blumige Matten, Ich fahr' in die Welt. Mein Hutschmuck die Rose, Mein Lager im Moose, Der Himmel mein Zelt: Mag lauern und trauern, Wer will, hinter Mauern, Ich fahr' in die Welt! Alpenstraße Engiadina, terra fina, Se non fosse la pruina. Alter Spruch. Wie schnaubt der Ostwind rauh mich an, Wie pfeift's in allen Schluchten, Als ob mich sündenleichten Mann Vieltausend Teufel suchten! Oymê! an welch ein End' der Welt Bin ich allhie geraten: Auf Welschland ist mein Sinn gestellt Und muß im Eise baden. Am Lärchenwald erschimmert's weiß Von Riffen, Zacken, Schrunden ... Ein Wall von Schutt, ein Strom von Eis Hat sich zu Tal gewunden, In dämmernder Schneekönigspracht, Auf finstrem Wolkensitze Reckt Piz Bernina durch die Nacht Die demantblanke Spitze. Sein Nebel deckt des Passes Höh'. Durchblasen und durchfroren Schwank' ich umher am schwarzen See Und hab' den Pfad verloren ... Wär' nicht ein Trost im Tal Valtlin, Genannt der Valtelliner, Ich fluchte auf das Engadin Und auf die Engadiner. Runglstein bei Bozen (1855.) Noch heute freut's mich, o Runglstein, Daß einstmals zu guter Stunden In der Talfer felsenges Tal hinein Zu dir den Weg ich gefunden. Melodisch scholl aus der Tiefe empor Des Wildbachs entströmendes Tosen, Am Burgpfad erblühten in lustigem Chor Glutnelken und wilde Rosen. Des Runglsteins verfallen Gebäu Weiß nichts von Grämen und Trauern, Der Geist der Dichtung, fröhlich und frei, Nistet in seinen Mauern. Herr Konrat Vintler einst oben saß Des Kurzweil war allerwegen Beim Klang der Laute und Stengelglas Der freien Künste zu pflegen. Längst war des Minnelieds Glanz vorbei Und anderes wollt' sich gestalten, Drum dacht' er, ein künstlerisch Konterfei Entschwundener Pracht zu behalten. Viel sinnige Männer malten ihm gern Die Helden der altdeutschen Lieder; Noch schauen Herr Hagen und Dietrich von Bern Vom Söller zum Burghof hernieder. Und Grau in Grau – dort den Saal entlang, Wer deutet die Gruppen, die holden? 's ist Gottfrieds von Straßburg minniger Sang Von Tristan und Isolden. Tristan und Isolde auf weitem Meer – Isolde und Tristan im Walde – Brangäne lächelt – betrüblich sehr Steht König Marke der Alte ... Noch heute freut's mich, o Runglstein, Daß einstmals zu guter Stunden In der Talfer felsenges Tal hinein Zu dir den Weg ich gefunden. Durch der Fenster farbige Scheiben entsandt' Die Sonne ihr Gold vor dem Scheiden; Es umflammte die Schildereien der Wand Wie ein Gruß vergehender Zeiten. Im Rittersaale am hohen Kamin Saß lang' ich, in Sinnen versunken, Und habe im feurigen Wein von Tramin Des Vintlers Gedächtnis getrunken. Wer immer ins sonnige Etschland fährt, Halt' Einkehr in diesen Räumen, Und ist ihm eine Isolde beschert, Mag er von ihr hier träumen. Abschied von Olevano Trauernd tief stand Sir Juseppe In dem Saal der Casa Baldi, Wohl war keiner je so traurig. Traurig packt er seine Koffer, Packt die Studien in die Mappen, Zahlt die lange Wirtshausrechnung, Zahlt den Schwarm der Ragazzini, Buben, Träger, Maultiertreiber, Zahlt acht Paul auch für den Schuster, Jenen gottverfluchten Zögling Macchiavellis, der die Stiefel So heimtückisch weiß zu sohlen, Daß nach vierundzwanzig Stunden Sie von neuem ruiniert sind. Leer war Portemonnaie und Börse, Auch in seinem Skizzenbuch lag Kein Papiergeld mehr verborgen, Und die Westentasch', wo fröhlich Der Bajokk' sonst vorgeklimpert, Klang jetzt hohl – doch war's nicht dieses, Was ihm seine Stirne furchte. Nein, die Stunde war gekommen, Wo der Mensch zur Abfahrt rüstet, Wo selbst rauhgebeizte Maler Dem Novemberwind sich beugen Und gen Genazzano schreiben, Daß der schnöde Raganelli Sie nach Rom zurückbefördre. Abschied – Abschied! bittre Stunde! Darum brannt' er sich wehmütig Einen Scelto an und dampfend, Während schwerer Sturm und Regen An die mürben Fenster prasselt, Sprach er solches: »Wohl in manche gute Herberg' Kam ich schon auf meinen Fahrten, Hab' an manchem guten Tropfen Da und dort schon mich geletzet, Stahl mir auch von schönem Mund schon Manchen Kuß als Gotteslohn. Aber nirgend war's so wohl, so Waldursprünglich grundbehaglich Wie allhier in Casa Baldi Ob der Stadt Olevano. Hochgesegnet sei der Biedre, Der auf steilen Sandsteinhügel Hier sich einst die Villa baute, Wo der Kardinal Borghese In dem samtgeschmückten Armstuhl Einstmals seines Rundbauchs pflegte Und – zwar schweiget die Geschichte, Doch dem Dichter ziemt Vermutung – Die schwarzbraunen Römerdamen, Deren Kontrafei noch jetzo Im Salon so herrlich pranget, Kirchenväterlich und würdig In die Wangen einstens kniff. Hochgesegnet sei der andre, Der die wirkliche Bestimmung Dieser Villa tief erfühlend, Strengerem Privatbesitze Sie entzog und menschenfreundlich Sie zur Malerherberg' umschuf. Denn nur Maler und wem sonst noch Künstlerische Adern pulsen, Wissen ihren Wert zu schätzen, Mehr als Scipio Borghese, Kardinal und Arciprete. Hier im Zentrum der Gebirge Lauschet Tag für Tag dem stillen Ewig jungen Herzensschlage Der Natur der Eingeweihte, Und es kreisen die Gedanken, Wie die Geier bei San Sisto , In des Äthers reinen Höhen. Unter uns, in fernem Nebel, Liegt der ganze Menschenkehricht, Und aus Fels, aus Baum, aus Fernen Lesen wir die alte Keilschrift, Die der Haufe nie verstehn mag, Das Gesetz des ewig Schönen. Wannen werd' ich diese Pfade Wieder klimmen, wo aus grünen Schattigen Kastanienwäldern Der Serrone stolz emporsteigt; Wo auf altkyklopischer Mauer Jetzt die Sau von Civitella Grunzend ihre Eicheln frißt, Und die Hüterin der Schweine, Die blauäugige Salomea, Fruchtlos den Bajokko bettelt? Wannen werd' ich bei den alten Eichen in der Serpentara Wieder Mittagmahlzeit halten, Wo gelockt vom Duft der Schüsseln Züngelnd uns die Schlange naht? Wannen endlich – denn dem Schönen Eng verbunden ist das Gute – Werd' ich wieder hier am Tische Solche Makkaroni kosten? Solche Hühner – solche Tauben? Solche Fritti – solche Trauben? Und dazu auf Diskretion das Indiskrete Quantum tilgen Dieses rot samnitischen Landweins? Nimmer wahrlich soll verstummen Der Gesang des Danks und Preises, Und wenn der Serrone selber Ganz mit Lorbeer wär' bewachsen: Nicht genügt's, den Kranz zu flechten, Der der Schöpferin des Guten, Der der Schaffnerin der Küche, Der der würdigen Regina Um das Haupt zu winden wäre. Wenn wir jetzt schon solches denken, Wie wird erst zu Rom im Lepre Und im schäbigen Fiano, Wenn der magre Tag beginnet, Die Erinn'rung sich vergrößern? Unerreichbar, duftig, glanzreich, Stillverklärt wie erste Liebe, Fern wie alte Heldensage Wird der Mythus von Reginas Feiner Küche vor uns stehn: Von den Fritti – von den Trauben – Von den Hühnern – von den Tauben Einstmals in Olevano. O Regina, stolzes, dunkles Kleinod der Sabinerberge, Warum lebten wir nicht beide In der Zeit des Frauenraubens Unter König Romulus? Bei dem Lob der kunstverständigen Meisterin sei nicht vergessen Sie , die in bescheidner Sphäre Reinlich kaum, doch nützlich wirket, Sie , der nächtlich der Capraro Scheußlich monotone Weisen An das Kammerfenster krächzt, Die dem fremden Gast so gern ihr Unerhörtes, sprachgewalt'ges 'rella mi! ... entgegenjohlt. Geltru – Geltru ! nimmer wird zwar Dieser Sang dein Ohr berücken Wie die Lieder des Capraro, Dennoch ruft er dir: ›Addio, Ziegenhirtlich rauh geliebte, Ritornellbesungne, kluge Walterin des Hofs und Stalles, Braune Tochter Samniums!‹ Oft noch wecke dich im Schlafe Deines Landsmanns Klaggeheul: ›Avete l'occhio nero e il ciglio biondo, Denti d'avojo e labbra di corallo, Siete la maraviglia del mondo.‹ ... Selbst das Kind, die pockennarbige Lala mit der rauhen Stimme, Die so ganz unsalonmäßig Sich uns oft entgegentummelt, Hat auf einen Platz in unserm Herzen einen vollen Anspruch. Denn sie trug so manchen großen Ungemischten Krug vom Keller, Und sie lachte mit dem ganzen Elfenbein der weißen Zähne: ›Trinkaswein alla tedesca!‹ Wannen endlich werd' ich wieder Solch ein Häuflein treuer, biedrer Farbenkundiger deutscher Meister, Wie allhier, beisammen finden? Deutschen Fleiß und deutsches Streben, Deutsche Kunst im welschen Bergland! Manchen seh' ich, der die Träne Einst im Aug' zerdrücken wird, Wenn er, rostend in der Heimat, Seine Mappen wieder öffnet Und die Bilder dieses Herbstes Farbreich vor ihm auferstehn: Der Mamellen feine Ründung, Civitellas Kalkfelskämme, San Francescos Klostertälchen; Pagliano, Volskerberge , Die Kastanien von Rojate Und der Serpentara kühne, Immergrüne Eichwaldpracht! ... Lebt nun wohl! Die Zithern schweigen, Nimmer lockt des Tamburin Schlag Uns zum kecken Saltarello; Einmal nur wird unser Lied noch Im Olivenhain erklingen, Aber klagend, denn der Text heißt: ›Muß i denn zum Städtle 'naus!‹ Und dieweil ein deutsch Gemüte Innersten Gedankens Ausdruck Gern im Weine sucht und findet, Füll' ich mir zum letztenmal das Glas mit diesem dunkelroten: ›Dir gilt's, Hochland der Sabiner ! Dir gilt's, wackere Regina , Dir, Bergnest Olevano!‹« Also klagte Sir Juseppe In dem Saal der Casa Baldi, Kummer furchte seine Stirne, Keinen Tropfen trank er weiter, Und als Denkmal schweren Abschieds Schrieb er's in das Hausbuch ein. Der Hut im Meere Das Sorrentiner Marktschiff trug Orangen über Meer Und flog mit leichtem Möwenflug, Als wenn's ein Dampfer wär'. Viel Volk fuhr mit; die Luft war lind Und alles frohgemut, Dann blies von Capri starker Wind – – Fahr' wohl, mein grauer Hut! Bis eingerefft das Segel war Lag Kiel und Mastbaum schief, Der Bootsmann schalt, der Weiber Schar Zum Sant' Antonio rief. Noch einmal mir der Freund erschien Im Kampf mit Schaum und Flut, Dann trieb's ihn gen Pompeji hin – Fahr' wohl, mein grauer Hut! Er füllte sich, schlug um und sank Salzschwer hinab zum Grund; Nun tut ihm die Korallenbank Der Tiefen Wunder kund. Asträen nisten um ihn her Und Madreporenbrut, Und der Polypen scheußlich Heer – Fahr' wohl, mein grauer Hut! Hoch am Vesuviusgipfel stand Ein Wölklein licht gekraust, Als ich den letzten Gruß ihm sandt', Das Haar vom Wind zerzaust: »Sohn Irions ... im Auge quillt's ... Du warst mir weich und gut, Einst Filz und jetzt Salzwasserpilz – Fahr' wohl, mein grauer Hut!« ... Graziella fuhr im Schiff wie ich, Mein Unglück nahm sie wahr Und bot als Schutz vor Sonnenstich Ihr Busenfürtuch dar. Und als mein Haupt, derweil sie's knüpft, In ihrem Schoß geruht, Hat mir das Herz vor Freud' gehüpft ... Fahr' wohl, mein grauer Hut! Der Delphin Kap Campanella war umschifft Und nach Salerno ging's, Amalfis Küste, steilumrifft, Stand hoch und duftig links. Die Barkenführer, kurzbehost Und halbnackt, scherzten roh Und sangen als Matrosentrost: »'sta sera Makkaró!« Im Salzhauch badend Haupt und Brust, Die Seele ätherklar, Genossen wir der Meerfahrt Lust Ein Pästumpilgernd Paar. Wir grüßten Flut und Abendrot In lautem Jubilo Und grüßten auch das Abendbrot: »'sta sera Makkaró!« Wie bei Arions Zitherspiel Versammelte sich bald Ein Schwarm Delphine um den Kiel, Spitzköpfiger Gestalt. Hei wunderseltsam Meergeleit! Sie purzelbaumten froh, Als kennten sie des Spruchs Bedeut: »'sta sera Makkaró!« Vor allen einer aus der Zahl Schien sanft auf uns erpicht Und schnaubte seinen Wasserstrahl Dem Bootsmann ins Gesicht. Doch der verstand die Freundschaft schief, Griff 's Ruder ... he, hoiho!!... Und schlug's ihm um den Kopf und rief: »'sta sera Makkaró!« Spät sah das Boot Salernos Strand, Fein war die Trattorie, Ein Berg von Makkaroni stand Vor uns, schneeweiß wie nie. Die Schiffer lobten Schmaus und Wirt, Wir Pilger ebenso ... Nur der Delphinus war blamiert ... »'sta sera Makkaró!« Doch als das Meer phosphorisch schien In mitternächtigem Schein, Da war's, als schau' uns der Delphin Vom Golf zum Fenster 'rein. Giftstachlig saugten unser Blut Mordschnake, Wanz' und Floh ... Er aber lacht' aus kühler Flut: »'sta sera Makkaró!« Dem Tode nah (Bei Bordighera am Mittelmeer, Riviera di Ponente.) Zwölf Palmen ragten am Meeresstrand Um eine alte Zisterne; Der Wagen knarrte im Ufersand, Die Sonne versank in der Ferne. Still einsam war's. Die Flut begann Sich im Abendpurpur zu färben, Da rannte der Tod mich plötzlich an, Daß ich vermeinte zu sterben. Der Herzschlag stockte, es stockte das Blut, Die Glieder wollten ermatten, Die Freunde trugen mit trübem Mut Hinab mich in kühlenden Schatten. Da sprach ich ruhig: »O laßt mich hier, Will nichts von der Heimfahrt mehr wissen; Sie fragten dort drüben noch nie nach mir, Können auch meine Asche vermissen. Hier umglänzt mich die alte blaugoldne Pracht, Die der Jugend Leid mir versüßte, Hier murmelt das Meer so träumerisch sacht, Als ob Sorrento mich grüßte. Hier umstehn, eine alt befreundete Schar, Mein Schmerzenslager die Palmen, Im Fächerdach rauscht's voll und klar Wie tröstende Sterbepsalmen. Hier fand ich Schönheit und Liebe und Glück Fern allen Toren und Laffen; Gern kehrt die Seele von hier zurück Zu dem, der das Schöne geschaffen.« Der Tod aber rief von der Straße her: »Gemach, das hat keine Eile; Noch immer magst du im Lebensmeer Abzappeln dich eine Weile. Kein übler Geschmack: so am Palmenstrand Ein Grab in italischer Erden! Du mußt, o Freund, erst im deutschen Land Lebendig zur Mumie werden.« Die Heimkehr Der Pfarrer von Aßmannshausen sprach: »Die Welt steckt tief in Sünden, Doch wo der Meister Josephus steckt, Weiß keiner mir zu künden.« Und als man rüstet auf Weihnachtzeit, Da war der Rhein gefroren, Da stund ein Mann in Pilgramskleid Wohl vor des Pfarrhofs Toren: »Herr Pfarr', Ihr sollt mir Indulgenz Und sollt mir Ablaß spenden, Daß sich mein arm trübtraurig Herz Zu neuer Freud' mag wenden. Herr Pfarr', es war nicht wohlgetan, Vom rheinischen Land zu scheiden, Man trifft halt doch kein zweites an, So weit man auch mag reiten. Bis hundert Stunden hinter Lyon Bin ich ins Frankreich kommen, Manch gutes Frühstück von Austern und Sekt Hab' ich zu mir genommen. Ich hab' zu Marseille im Café Türk Unter Heiden und Mohren gesessen, Ich hab' am Pyrenäengebirg' Lauch und Garbanzos gegessen. Noch saust der Kopf mir, wenn ich gedenk' Der Seealpenmaid Filumene: Zigeunerbraun Antlitz, kohlschwarzkraus Haar, Wie Elfenbein glänzend die Zähne. Doch verpecht und verschwefelt ist alles Land Ohne Freunde und Lieder und Liebe; Vom Fieber geschüttelt und abgebrannt Kehr' ich heim aus dem fremden Getriebe.« Der Pfarr' von Aßmannshausen sprach: »Wohlauf, bußfertige Seele, Mit unserm altheiligen Purpurwein Salbe dir Lippen und Kehle. Zu demselbigen Wein drei Tag, drei Nacht In dunkelen Keller dich schließe Und halt' bei den Fässern trinkend Wacht, Daß Gnade sich über dich gieße. In Krone und Anker ergib dich sodann Den geistlichen Übungen fleißig, Und erst bei des nächtlichen Wächters Nahn Dem Chorgesange entreiß' dich. Dann wird der Himmel ein Zeichen tun, Er läßt keinen Büßer verderben: Ein lichtes Weingrün, ein dunkles Rot Wird Nase und Stirn dir färben. Und prangt dein Gesicht in solchem Ton, Dann wird dein Trübsinn sich hellen, Dann magst du, o lang' verlorener Sohn, Den alten Freunden dich stellen. Wir sind die Alten; noch klingen beim Wein Die Lieder von damals zu Berge, Vom ›Spatzen‹ und vom ›Stieglitz fein‹ Und der ›sommerverkündenden Lerche‹. Wir sind die Alten, wir haben dich gern; Laß das Herz nicht von Kummer umnachten: Und hätt'st du noch ärger geschwärmt in der Fern', Ein Kalb auch würden wir schlachten.« Da seufzte der Pilgram mit Tränen im Aug': »O Pfarr' von Aßmannshausen, Wie Ihr, gottwohlgefälliger Mann, Sprach keiner mit mir da draußen. Nun stoß' ich meinen dürren Stab In diese geweihte Erde, Daß er in neuem Blatt und Laub Ein Schattendach mir werde. Nun ströme, du rheinisch Traubenblut, Du Hort unsäglicher Gnaden; In deiner verjüngenden Feuerflut Will ich gesund mich baden.« Graziella Leis im feuchten Tau der Nacht Kam der Lenz geschlichen, Wo er schritt, ist Grün erwacht Und das Eis gewichen. Knaben jubeln durchs Gefild', Lassen Drachen fliegen, Die sich gaukelnd, windumspielt In den Lüften wiegen. Ewig neut den Stoff Natur, Neuert auch die Drachen: Aus Kanzleimakulatur Pflegt man sie zu machen. Und mit leichter Schnur gebeut Ein Kind den Fabeltieren: Einst Scheusale, sind sie heut Harmlos und papieren. – Wie ich hoch am Kirchenturm Jene Drachen schaue, Fliegt mein Denken wie im Sturm Fern nach andrem Gaue. Gleiches Spiel gilt bei Sorrent, Drach' heißt dort » Cometa «, An Graziellas Arm gelehnt Sah ich's oft in Meta. Selig wie im Paradies Spähten wir nach Napel, Nikola der Bruder ließ Den Komet vom Stapel. Kern und Schweif erglänzt' im Schein Untergeh'nder Sonne: Küste, Golf, Orangenhain, Alles schwamm in Wonne! – O Graziella! goldne Zeit, Da Geist und Herz noch sprühte: Oft hat mir's auf das Haupt geschneit, Seit jener Lenz verblühte. Und darf ich einst vor deinem Dach Spät wied'rum Anker legen: Fliegst du wohl selbst als alter Drach' Dem deutschen Freund entgegen. Der Grindwalfang an den Färöerinseln Was rennt das Volk an Thorhav'ns Strand, Als drohten Korsaren mit Einbruch dem Land, Was schwingt es Spieße und Stangen? Die Färinger heben ein Kampfspiel heut an, Heut füllen mit Speck sich die Tonnen und Tran, Den Grindwal wollen sie fangen. Fern tanzt ein Boot auf der bläulichen Flut, Laut schallt sein Signalruf: »Grindabud! Der schwarze Wal kommt gezogen!« Und »Grindabud« ruft es aus jeglichem Mund, »Hinaus itzt in sonnheller Morgenstund' Zur Hetzjagd auf schäumenden Wogen!« Von Küste zu Küste fliegt hurtig die Mär, Des Nachbardorfs Segel erglänzen im Meer, Rings steigen die Feuersäulen; »Schafft Walfischmesser, schafft Schnüre mit Blei, Schafft Lanze und Axt und Harpune herbei, Frisch zu! heut gilt kein Verweilen.« Und alt und jung kommt gerüstet zum Streit, Selbst der dicke Amtmann macht sich bereit Und verläßt seine friedlichen Tische. Nur die Fraun und der Prediger bleiben zu Haus, Man fürchtet, es breche schlimm Wetter sonst aus Und ihr Nahen verscheuche die Fische. Nach wenig Minuten, bewehrt und bemannt, Stößt ein Dutzend Boote vom felsigen Strand Und schießt pfeilschnell durchs Gewässer. Scharf pfeift der Nordost ... wer macht sich was draus? In die Hände geblasen! die Jacken aus! Hemdärmelig rudert sich besser. Jetzt leis! kein Geräusch!... und schwatzt mir nicht viel! Dort schwimmen die Wale, wir sind am Ziel: Seht ihr den schwarzdunkelnden Streifen? Plumpriesige Häupter tauchen hervor, Wie Springbrunnen blasen sie Strahlen empor Und schnauben wie Orgelpfeifen. Schnell hat sich im Halbrund geordnet der Kreis Umzingelnder Boote ... sie treiben leis Zum Hafen die arglosen Scharen. Eine zwiefache Flotte; wer malt mir das Bild: Die winzigen Treiber, das riesige Wild, Nicht ahnend die Todesgefahren! Der Grindewal, vom Geschlecht des Delphins, Auch Butzkopf geheißen, ist sänftlichen Sinns, Kein Raubtier, nur ungebärdig. Dem Menschen gefällig, treibt oft er vom Meer Die Heringschwärme zum Lande her, Des Überfalls nicht gewärtig. Gutmütiger Sild-Reki! in nächster Frist Erprobst du, was Dank bei den Nordmännern ist! Die Reihen schließen sich enger ... Erreicht ist der Hafen ... sie schwimmen hinein, Mit Steinwurf und Ruderschlag hinterdrein Die Boote ihrer Bedränger. Jetzt halten die Grinden und wollen zurück ... In Graun vor dem kommenden Augenblick Hält auch die hetzende Meute ... Dann dumpfer Schrei: »Vorwärts! Fâll! Fâll!« Vom Muschelhorn tönt Angriffsignal, Das Eisen ereilt seine Beute. Scharf saust die Harpune!... noch eine!... glückauf, Gedoppelter Blutstrahl steigt senkrecht herauf, Wild taucht der Getroffne zum Grunde. Jetzt windet die Leine und rudert zum Land! Haleya! wie rennen sie fest sich am Sand, Wie klafft vom Speerwurf die Wunde! Verraten mühn sich in seichter Bucht Die riesigen Tiere. Unmöglich die Flucht, Gestrandet sind all' und gefangen. Boot drängt sich auf Boot in kampfgieriger Eil', Die Lanze schwirrt, dumpf hallt das Beil, Rot schäumt's um die Ruderstangen. Schon färbt sich Thorhav'ns durchsichtige Flut Tief dunkelrot von der Opfer Blut, Des Mitleids ist heute vergessen. Blind dringen all' auf den Haufen ein Und stechen und hauen und toben und schrein, Vom Dämon des Mordens besessen. Schlachtarbeit links, Schlachtarbeit rechts! Ein jeder in steigender Wut des Gefechts Wird kühner und unbekümmert, Ob zuckend in eisenverschluckender Not Der Wal das kecklich ihm nahende Boot Mit wuchtigem Schwanzschlag zertrümmert. Was tut's! Sie springen bis unter den Arm, In die Flut und mitten hinein in den Schwarm, Den Sterbenden weiter zu hetzen. Schon taumelt er matter im Kreise umher, Die Augen geblendet vom bluttrüben Meer, ... Sein Speck muß das Fahrzeug ersetzen. Und fruchtlos schnaubt im Verenden der Wal Als blutigen Regen des Naslochs Strahl Dem Feind auf Gesicht und Gewandung. Sie hauen ihm eiserne Haken ins Maul Und festigen dran der Stricke Knaul Und schleifen ihn fest durch die Brandung. Wer aber schwimmt jammernd dort drüben zum Land Und hält das geschwollene Haupt mit der Hand Und beginnt betrüblich zu klagen? He, Grindwal! was hat dir der Amtmann getan, Daß den dicken, den tapfern, rechtskundigen Mann Dein Schwanz so unsanft geschlagen? Noch eine Stunde – und Stille ruht Ob Schiffen und Strand und geröteter Flut, Die Wasserschlacht ist zu Ende. Erschlagener achtzig decken den Sand, Die Sieger reihen sie nebeneinand' Und waschen die blutigen Hände. Dann kommt der Taxator und schätzt und schaut Und schneidet die Zahl des Gewichts in die Haut Und bemißt als Gesetzeshüter Des Königs Zehnten, der Kirche Zins Und einem jeden den Teil des Gewinns Nach Größe und Maß seiner Güter. Dem Kampf ward sein Lohn und wir können nach Haus, Drum schneidet Leber und Herz gleich aus, Die geben die leckersten Bissen. Doch du, Christine, bekommst davon nichts; Durchdringt dir das Walfett die Haut des Gesichts, Will niemand vom Küssen mehr wissen. Der Aggstein ... das purcstal hat angvangen tze pawen her Jörig der Schrekk von Wald, des nechsten mantag nach unser Fraun tag navitatis, da von Crist gepurd warn ergangen MCCXXVIII. Inschrifttafel am dritten Tor der Burg. Nun die ersten Lerchen stiegen Und der Himmel freundlich lacht, Hab' auch ich zu neuem Fliegen Wanderfroh mich aufgemacht. Dir gilt's heut, Kuenringer Feste, Aggstein, wetterbraun und rot, Der gleich einem Geierneste Auf die Wachau niederdroht. Leicht ist Einlaß zu gewinnen, Kein Gewaffen sperrt den Pfad Und kein Hornstoß von den Zinnen Meldet, daß ein Wandrer naht. Linder Frühlingsluft erschlossen Stehn des Burgstalls Trümmerreih'n, Und Jerg Schreckenwalds Genossen Reiten nicht mehr aus und ein. Hoch im Innern schlüpft ein Pförtlein Auf den freien Fels hinaus Und ein schaurig schmales Örtlein Überrascht mit starrem Graus. Rosengarten ist's geheißen, Doch vieldeutig klingt das Wort, Nur die dornig wilden weißen Todesrosen blühen dort. Mancher stand hinausgestoßen Auf der Kuppe steilem Rand, Bis ihn Sturm und Wettertosen Und der Hunger übermannt; Mancher, seine Qual zu kürzen, Zog den Sprung zur Tiefe vor, Wo zerschellt in jähem Stürzen Bald sich sein Gebein verlor. ... Schwer empört schau' ich das wilde Denkmal wilder Menschenart ... Sieh – da winkt versöhnlich milde Auch ein Gruß der Gegenwart: Schwindlig ob des Abgrunds Schauer Ragt des höchsten Giebels Zack, Und am höchsten Saum der Mauer Prangt der Name – KISELAK. Der Wasgenstein Interea vir magnanimus de flumine pergens Venerat in saltum, iam tum Vosagum vocitatum. Nam nemus est ingens, spatiosum, lustra ferarum Plurima habens, suetum canibus resonare tubisque. Sunt in secessu bini montesque propinqui Inter quos, licet angustum, specus exstat amoenum Non tellure cava factum sed vertice rupum; Apta quidem statio latronibus illa cruentis. Angulus hic virides ac vescas gesserat herbas. Hunc mox ut vidit juvenis »huc« inquit »eamus, His iuvat in castris fessum componere corpus«. »Waltharius« 489 u. ff. Wer kennt im deutschen Grenzbezirke Des Weidmanns Lust, den Wasgauwald, Der einst den Völkern im Gebirge Gleich einer Gottheit heilig galt? Hei Jagdhornruf und Hundebellen! Wie zog's mit Hall und Schall zur Pirsch, Als noch an kressereichen Quellen Sich stolz geäst der Edelhirsch. Wo sind die Jäger, die einst lachten, Wenn jener stritt im Brautturnier, Daß die Gehörne weithin krachten? ... Still geht der Lenz heut durchs Revier ... Ein Pfad biegt von des Maimont Gipfeln In ein elsassisch Waldtal ein, Und braunrot starrt aus grünen Wipfeln Der Doppelklotz des Wasgenstein . Wie ein vermoostes Waldgeheimnis Ruht das geborstne Riesenhaus In Schutt und schweigender Verträumnis Von dunkler Vorzeit Rätseln aus. Wer schuf den Plan zu solchem Werke? Wer drang zuerst am Fels empor? ... Erdmänner höhlten ihn und Zwerge, Giganten türmten Turm und Tor. An diesen senkrecht steilen Rändern Braucht's sichern Tritt und mannlich Herz. Weh allen Krinolingewändern!... Der Blick verstürzt sich abgrundwärts. Gäh schwebt der Aufstieg und verwittert, Und schwer ist's, am Geländer gehn; Wer keuchend in den Knien zittert, Tut besser, es gemalt zu sehn. Auf fünfzig mürben Sandsteinstufen Erklommen wir den Gipfel stramm Und grüßten laut mit Willkommrufen Des Himmels Blau vom schmalen Kamm. Hocheinsam war's. Die wilde Taube Entfloh dem Nest, vom Gruß verscheucht, Licht schien der Frühling rings im Laube Und seine Nebel wallten feucht. Seltsam Gefühl auf solchem Riffe Von freiem Schweben ob der Kluft, Als wandle sich die Burg zum Schiffe Und treibe schwankend durch die Luft: Als Mast der Turm mit hohen Rüstern, Als Deck des Felskamms schmaler Horst, Als Wellenschlag des Hochwalds Flüstern, Als Meer der weite grüne Forst. Wen echter Schwindel so bezwungen, Dem fällt betäubt nichts andres ein, Als Meister Gottfried schon gesungen: »Sie slichen wider in ir stein.« Da wölbt, zyklopisch anzuschauen, Als Kammer sich ein schmal Gemach; Ein einziger Pfeiler, grob behauen, Trägt wuchtig alles Felsendach. Hier in den langverlaßnen Mauern, Die Moder weißlich überflog, War's, daß der Urzeit heilig Schauern Noch einmal durch die Trümmer zog. Ein Gang fuhr auf: – in fernen Tiefen Erschienen drei von Reckenart, Die einen Heldenbergschlaf schliefen, Dieweil den Tisch durchwuchs ihr Bart. Der Leib wies Narben eingerissen, Der Becher tausendjähr'gen Wein, Dem waren Stirn und Aug' zerschlissen, Dem fehlt' die Rechte – dem ein Bein. Krugtragend in der Schläfer Kreise Stund eine Jungfrau groß und schlank, Als ob sie in Walkürenweise Erst jüngst gebracht den Labetrank. Und im Gewölb' erscholl mit Dröhnen Ein Lied von fremd ureignem Klang, Das einer in gewaltigen Tönen Altfränkisch zu der Harfe sang: Wie Held Waltari mit Hiltgunden Aus Heunenland zum Rhein entritt Und mit den Besten der Burgunden Am Wasgenstein den Zwölfkampf stritt. Dann war's, als ob die Saiten schrillten: »Wann kommt die Zeit? wann bricht der Traum? Wann greift ihr wieder nach den Schilden? Wann grünt des Reichs verdorrter Baum?« ... Doch Hiltgund schwieg. Die Recken schwiegen, Und alles schwieg ... Da kam ein Zwerg ... Die Nebel sah man dichter fliegen, Und mit Geknarr schloß sich der Berg. – Walpurgistag, den ersten Maien, Wo alle Tiefen offen stehn, Ward von verfahrner Schüler zweien Dies Wasgauwunder angesehn. Sie mischten in der Höhlung Spalten Waldmeisterkraut zu würzigem Wein Und dichteten vergnügt und malten Dies neue Lied vom Wasgenstein . Trifels Ouch solt ihr vil wol wizzen daz: Dazwischent Strasburc als ich las Un Spire lit drilic berc als uns seit der wahrheit werc: davon er Drivels ist genant in allen landen wol bekant. Rudolf von Ems, »Weltchronik«. Noch schwellt kein Grün der Buchen Kronen, Doch singt die Drossel schon vom Ast Und mit dem Weiß der Anemonen Mischt sich der Primel gelber Glast; Annweilers Berge seh' ich wieder Und ihre Burgdreifaltigkeit, In Ehren alt, vernarbt und bieder, Kriegszeugen deutscher Kaiserzeit. Dort Scharfenburg , die schlanke, feine, Vor ihr der Felsklotz Anebos , Und hier als dritter im Vereine Der Reichspfalz Trifels Steinkoloß. Ihr Turm mit der Kapelle Erker, Der einst die Reichskleinodien barg, Des Löwenherzen Richard Kerker Wächst mächtig aus des Felsens Mark. Tanzplatz ist noch der Kamm geheißen, Wo einst in zierem Pfauentritt Bei Harfenschall und Minneweisen Des Kaiserhofes Reigen schritt. Ahi! wie sah man Tücher winken, Als hier am zwölften Maientag Bei vieler tausend Helme Blinken Der sechste Heinrich Abschieds pflag! Im ernsten Auge sprüht' ein Feuer, Als klirre schon der Speere Krach: » Konstanze , Weib dem Herzen teuer, Bald rächen wir Salernos Schmach; Eh' sich die Wälder herbstlich färben, Die heute diese Fahnen sehn, Soll siegreich uns und unsern Erben Das Reichspanier am Ätna wehn!« Als ihres Kaisers Heergeleite Ritt eine stolze Fürstenschaft Und seinem Bruder treu zur Seite Philipp von Schwabens junge Kraft. Noch zog des Rotbarts blondem Kinde Kein Frühlingsahnen durch den Sinn, Daß er die Braut Irene finde Als dieser Maifahrt Beut'gewinn. Gleich einer ehernen Schlange wanden Die Helme sich den Wald hindurch Und alle Heerdrommeter sandten Als Abschiedsgruß das Lied zur Burg: »Ihr frische Rosen, sanfte Lilien, Lebt wohl und blüht in Gottes Hut; Des Adlers Flug geht nach Sizilien, Ihn dürstet nach Normannenblut!« Wer weiß noch von den Rittern allen Aus Schwaben, Franken und vom Rhein, Die damals fest als Reichsvasallen Schwerttrugen in der Streiter Reih'n: Vom Truchseß Markward von Annweiler, Trushard vom Kestenberger Schloß, Vom treuen Heinz von Meistersele, Vom Eberhard von Anebos?... ... Ob ferner Wasgauhügelreihe Sprüht goldner Sonnenuntergang Und still schwebt Frühlingsabendweihe Des Reichs verlaßnen Berg entlang. Dann, mit des letzten Golds Verglimmen, Füllt rings die Täler feuchtes Grau Und auch der Seele Saiten stimmen Sich äolsharfenweich und lau. O Jugendkraft, wie wirst du älter! Bald tritt auch mir die Stunde nah, Da ich nicht mehr durch deutsche Wälder Auszieh' ins Land Italia. Bald bleicht des Wandrers müd' Gebeine Vergessen in der Erde Schoß, Und wie des Trifels mürbe Steine, So deckt auch seinen Grabstein Moos. Zavelstein Kleine Burg für wenig Mannen, Städtlein rußig, eng und schmal, Rings des Schwarzwalds Edeltannen, Unten tief das Teinachtal – Rauhe Lüfte, Wolkenflüge, Schneegestöber, Sonnenschein: Also wandernd im Aprilis, Schaut' ich einst den Zavelstein. Nie von Riß und Sprung genötet Ragt sein schlanker Römerturm Wie gegossen und gelötet Quaderfest im Zeitensturm ... ... Ruhsam stund der Ortsbewohner Vor dem Haus im Sonntagskleid, Auch der Burghof pflag der Ruhe Winterschläfrig, tief verschneit. Aber ostwärts auf den Halden Weicht besiegt der Schneelast Druck, Seine Kelche hoch entfalten Will ein wilder Blütenschmuck, Und im Schmelz der Farbentöne Dunkelviolett bis weiß Drängt sich fremde Purpurschöne Üppigst wuchernd aus dem Eis. Krokus , Sproß des Morgenlandes, Seltner Gast auf Schwabens Flur, Zeugnis ewig jungen Frühlings Und uralter Weltkultur; Wo itzt Flocken niederwirbeln Auf die wohldurchblümte Au', Pflanzte einst ihr Saffrangärtlein Eine kluge Römerfrau. Saft den Süpplein ihrer Küche, Herzarznei für böse Sucht, Dunkeln Locken Wohlgerüche Zog sie aus der edeln Frucht. Und im Anhauch dieser Blume Schritt sie, wenn der Frühling nah, Opfernd zu dem Heiligtume Der Diana Abnoba. Die Gemeinde Gabelbach Stolz ragt aus den Thüringer Tannen Des Kikelhahns Haupt in das Land, Von Goethe in klassischem Griechisch »Alectryogallonax« genannt. Vom Wald, wo das Lied er gesungen: »Ob allen Wipfeln ist Ruh'«, Da schaut eine kleine Gemeinde Stillfriedlich den Welthändeln zu. Und färbt die gerodete Stelle Sich abendgoldsonnig und klar, Da sitzen sie all' an der Quelle Und bringen ein Rauchopfer dar. Mit Zweifeln und Sorgen sich quälen Hat dortlands gründlich ein End', Treu sorgt für das Heil seiner Seelen Ein trefflicher Sup'rintendent. Gerechtigkeit liebt man und übt man, Und spät nur verläßt ihren Sitz, Wenn sie ankam, Tagfahrt zu halten, Die Ilmenauer Justiz. Es werden gediegener Schulzen Verdienste, wie selten, geehrt; Steindenkmäler zeigen dem Wandrer, Wie hoch der Gemeinde sie wert. Die Straßen sind bestens in Ordnung, Beschirmt von der Berggeister Huld, Und wer auf den Holzwegen stolpert, Ist meistenteils selber dran schuld. »Der würzigste Harzduft der Tannen Erquicke die sangfrohe Schar; Von Goethischem Bergbau vermelde Recht viel noch der Bergmeister Mahr. Dem Butterbrot stets sich geselle Belag von geräucherter Wurst, Niemalen versiege die Quelle Und nie der gemeindliche Durst: Dies wünscht seinen Thüringer Freunden Der ferne Gemeindepoet, Den zweimal im Gabelbachhause Der Kikelhahn sanft angekräht.« Der Hegau-Sänger »Seid mir gegrüßt im Sonnenglanz, Du ferner Alpenschnee, Ihr Berge meines Heimatlands Und du, mein blauer See! Der hohe Stoffeln winkt's vertraut Dem hohen Hewen zu, Durch Wald und Flur erklingt es laut: ›Mein Hegau, schön bist du!‹« So singt ein Sänger, weit bekannt, In süßer Melodei, Die Zither schwebt am grünen Band Um seine Schultern frei. Das Band hat liebe Hand gestickt An wildem Schwarzwaldhang, Als er, den Bart mit Eis durchspickt, Dort Schuberts Lieder sang. Die Stimme, die solch Ständchen bracht Einst bei der Schlücht Gebraus, Drang seit der kalten Winternacht Weit in die Welt hinaus. Sie klang, wo frommes Volk sich schart Im Dom zu Gottes Ehr', Und wo auf heitrer Sängerfahrt Von Wein die Becher schwer. Nun sind die Locken schier ergraut: Heut zählt man fünfzig Jahr', Daß er zum erstenmal ward laut, Zur Freud' dem Elternpaar. Doch geht der Schritt noch frank und leicht; Glückauf zum Jubeltag! Das grüne Band ist nicht erbleicht, Er singt wie Lerchenschlag: »Seid mir gegrüßt im Sonnenglanz, Du ferner Alpenschnee, Ihr Berge meines Heimatlands, Und du, mein blauer See! Der hohe Stoffeln winkt's vertraut Dem hohen Hewen zu, Durch Wald und Flur erklingt es laut: ›Mein Hegau, schön bist du!‹« Der Jubilar im Neckartal (zum 5. November 1873). Das war ein schmucker Pfarrvikar, Alt Wertheims Sohn und Zierde, Als man ihn heut vor fünfzig Jahr' Zum Kirchdienst ordinierte. Er diente ihr, wie Gott ihn schuf, Mit reichen Geistesgaben Und hat, getreu dem Lehrberuf, Sein Pfund nicht leer vergraben. Wie er sich hielt zu seinem Amt Bezeugt ihm die Gemeinde, Er hat geflucht nicht, noch verdammt, Und keinen Mann zum Feinde. Ihn hieß sein klarer Forschergeist Des Schöpfers Allmacht ehren Und was die Schöpfung Wunder weist, Erkennen und erklären. Begann des langen Winters Macht Durchs Neckartal zu dunkeln, Sah oft der Schiffer durch die Nacht Des Pfarrhofs Lämplein funkeln: Er war's, der einsam übersaß, Den Kosmos zu erlernen, Und was er nicht in Büchern las, Das las er in den Sternen! Doch frühlings, wenn das Maikraut blüht, Da ging er zu den Sängern Und sang manch lustig pfälzisch Lied Zu Heidelberg im Engern. Zum Krittler, dem's zu lustig war, Sprach er: »Was kritisieren? Ich werd' ja doch einst Jubilar, Drum laßt mich jubilieren!« Und richtig jubeln frohgesinnt Heut mit dem alten Freunde Hochfestlich Kind und Kindeskind, Amtsbrüder und Gemeinde. Noch strömt der Neckar frei von Eis, Die Wellen singen und brausen: »Hoch! dreimal hoch der Jubelgreis, Der Pfarrer von Ziegelhausen!« Rippoldsau »Curae vacuus hunc locum adeas, ut curae vacuus abire possis, nam non curatur, qui curat.« Alter Badspruch. Im Schwarzwald vor viel hundert Jahr Im engen Tal ein Klösterlein war, Drin hausten viel andächt'ge Brüder Und sangen Psalmen und Bußelieder; Der Frömmste von der frommen Herde War Bruder Rippold, der Vielgelehrte. Der saß und saß in seiner Zell' Und rührte sich nicht von der Stell', Wollt' alles wissen, was Heilige Schrift Und Gott und die Welt und die Menschheit betrifft. Oft saß er noch beim Lampenschein Des Nachts auf harter Holzbank allein Und legt' die Bücher nicht aus der Hand, Bis bleiern der Schlaf ihn übermannt. Allein, so wie es oftmals ergeht, Zu vieles Brüten den Menschen verdreht, Sein Blick ward träg, sein Kopf ward schwer, Als wenn ein Brett dran genagelt war', Und in einsamen Stunden, statt sich zu erfreun, Bildet' er die törichtsten Sachen sich ein. Wenn er 'mal tüchtig niesen mußt', Glaubt er, es fehl' ihm auf der Brust; Versetzt' ihm einer einen Nasenstieber, Vermeint' er, es gäbe das Nervenfieber, Und hatt' eine Mück' sich aufs Haupt ihm gesetzt, Gedacht' er sich schon zum Tode verletzt. So schuf er mit Mißtraun und Krittlichkeit Dem ganzen Kloster Verdrießlichkeit, Bis endlich der Abt am Versammlungstag Mit gerunzelter Stirne solches sprach: »Wohl weiß ich, es hat jeder Mensch in dem Stillen Seine eigenen Mücken und Käfer und Grillen, Doch wie Ihr's treibt, Herr Rippold, so ist's nicht erlaubt, Ihr habt wahrhaftig Hornschröder im Haupt! In der Einöde drauß mögt Ihr gehen spazieren Und mit fixen Ideen den Wald ennuieren, Aber unser Konvent ist kein Narrenhaus, Ihr müßt noch heut aus dem Kloster hinaus!« Da faßten die Brüder Herrn Rippold schnelle Und setzten ihn jäh vor die Gotteshausschwelle, Und warfen ihm noch, mit bösem Gelach, Brevier und Brotsack zum Fenster nach. ... Wo jetzt ein wohlerbaut' Badehaus prangt, War alles Wildnis. Von Dornen umrankt Stand dunkel und finster der Tannenwald, Des wildsten Getieres Aufenthalt, Und ungestört von verderblicher Jagd Sagten Füchse und Eulen sich dort gute Nacht. Betrübt zog dort Herr Rippold ein, Ihn freute nimmer der Sonnenschein, Und selber die herrliche Waldesluft Erschien ihm wie Moder und Leichenduft. Nur im dicksten Dickicht gefiel es ihm recht Wie einer Kreuzspinn' in ihrem Geflecht, Und verdrießlich brummt' er in langen Bart: »O Leben! wie bist du bitter und hart! Ich wollt', es würde mich einer ermorden, Oder ich wär' ein flinkes Eichhorn geworden, Das klettert und hüpft doch und knackt seine Nuß, Mich aber erlöst nur der Tod vom Verdruß.« Bei solcherlei Schwermut war es kein Wunder, Daß er täglich kränker ward statt gesunder, Er schrumpfte zusammen als wie ein Greis, Die Haare bleichten ihm silberweiß, Und es dauerte kaum Tag und Jahr, Daß er wirklich nah an dem Sterben war. Da nahm er mit fiebrig zitternder Hand Sich Spaten und Axt von der Klause Wand, Um draußen am Bach beim Granitgestein Sich zu hauen ein Grab als Totenschrein. Sein dumpfes Hacken am Felsen erklang Wie Sterbegeläut den Wald entlang. Und als nun vollendet die Grabeshöhle, Befahl er dem Herrn seine sündige Seele Und sprach: »Du falsche Welt, gute Nacht!« Und legt' sich hinein in den finstern Schacht. Doch in diesen gesegneten Talesgründen Ist nimmer und nimmer der Tod zu finden, Und wie er so lag und zu sterben gedachte, Erbebte der Boden und wankte und krachte; Feucht weht' es ihn an – er vernahm mit Erstaunen Ein unterirdisches Rauschen und Raunen, Wie Sprudeln von Quellen schlug's an sein Ohr, Rick – rack – und wrumm! Da hob's ihn empor. Ein mächtiger Wasserstrahl mit Gebraus Warf jählings Herrn Rippold zum Grabe hinaus, So hoch wie der nächste Tannenbaum Flog fliegend er auf in den leeren Raum, So daß, als er glücklich herab war gekommen, Er wirklich ein tüchtiges Sturzbad genommen. Da stand er und schüttelte dreimal sich, Und beschaute sich selber verwunderlich; Ein neues Leben durchzuckte die Glieder, Als kehre die Kraft und die Jugend ihm wieder. Den Quell sah er sprudelnd blinken und winken, Er wußt' nicht warum, er mußt' davon trinken. Er schöpfte mit hohler Hand sich die Flut, O Wunder! das schmeckte so fremd und so gut, Von schäumenden Perlen durchwallt und durchzischt, Als hätte ein Berggeist den Trank ihm gemischt. Und schnalzend sprach er: »Wie wird mir – o Schauer, Das sprudelt ja salzig und kohlensauer! Dringt stärkend und lösend durch Mark und Gebein Wie niemals der feurigste Edelwein! Du gütiger Himmel, hab' Dank für die Spende, Nun geht meine Trübsal und Krankheit zu Ende, An diesem Heilbrunn, statt Grab und Tod Erglänzt mir ein neues Morgenrot!« Herr Rippold dachte ans Sterben nicht mehr, Er schleppt' einen Steinkrug zur Quelle her Und trank und trank ohne Unterlaß Schon am ersten Tag über sieben Maß. Kaum hob sich des andern Tages die Sonne, So trank er schon wieder mit neuer Wonne Und nahm sein Bad in der bergfrischen Welle Und schnalzte vergnüglich gleich einer Forelle, Ward zusehends lustig und jodelt' und sang, Daß ein fröhliches Echo den Tannwald durchklang. Auch mehrte sich merklich sein Appetit, So daß er mit unverzagtem Gemüt Einen ganzen Schinken und Brotes drei Laib Verzehrte, als wär's nur ein Zeitvertreib. Als zweiter Nimrod, mit Bogen und Pfeil Durchzog er die Waldung von jetzt an in Eil', Schoß Hirsche und Eber, und kam auch ein Bär, So sprach er: »Das freut mich nur um so mehr«, Und schlug mit gewaltig erhobenem Stein Aus freier Hand den Schädel ihm ein. Denn wer hier trinken und baden kann, Den ficht kein Ungeheuer was an. Herr Rippold lebte zu selbiger Zeit In der allereinsamsten Einsamkeit; Es führte zu ihm nicht Steg, nicht Pfad Und niemals waren ihm Menschen genaht; Nur selten bei seiner Einsiedelei Trieb ein Hirtenkind seine Herde vorbei. Doch früher, bevor er die Quelle entdeckt, War Herr Rippold immer gewaltig erschreckt, Wenn er die Maid nur von ferne erschaute, Und sprang, dieweil ihm wahrhaftig graute, Scheltend, so weit ihn trug sein Fuß, Ins Waldesdickicht mit Groll und Verdruß, So daß die Hirtin betrübt oft klagte Und im stillen zu sich selber sagte: »Dies scheint, soweit ich es beurteilen kann, Ein frommer, aber ein grober Mann.« Der Hirtin Antlitz war zart und fein, Sie schaute sanft in die Welt hinein, Und ihre Wangen, ein wenig bleich, Schufen ihr Aussehen träumend und weich. Sie hütet' am Saum vom Tannenwalde Die Herde auf grüner Bergeshalde, Trank die würzige Bergluft in vollen Zügen Und spielte mit ihren Lämmern und Ziegen. Nun fügte sich's einmal von ungefähr, Daß Herr Rippold jagend den Wald kam daher, Und wiederum, was sonst ihn so schreckte, Er von ferne den Strohhut der Hirtin entdeckte. Doch heute erschien er durchaus nicht verdrossen, Am Waldsaume stand er wie festgegossen Und dachte: »O seltsamer Wechsel der Zeit! – Sonst floh ich meilen- und meilenweit, Jetzt mag ich durchaus nicht mehr von der Stelle; Ist dies vielleicht auch eine Wirkung der Quelle?« Drauf faßt' er einen tapfern Entschluß Und bewegte zur Jungfrau hinab seinen Fuß Und sprach, doch nicht ohne innere Sorgen Und bedeutend verzagt: »Recht guten Morgen!« »Schön Dank!« gab ihm die Hirtin zurück, Dann warf er auf sie einen seltsamen Blick Und schwieg. Eine längere Pause entstand, Bis daß Herr Rippold sich wieder ermannt Und mit tapferm Herzen zum zweiten sprach: »Es scheint mir heut ein sehr schöner Tag.« Dann aber, als wäre zu viel schon geschehn, Verschwand er, ohne sich umzusehn. Doch item und item – wer weiß, wie's geschah! – Des andern Tags stand er wiederum da, Und wären die Tannen nicht still und diskret, So wüßt' man auch, was sie noch weiter gered't; Doch jedenfalls blieb es bei stiller Verehrung Und kam zu keiner nähern Erklärung. Da begab sich, daß nach etlicher Frist Am gewohnten Platze die Maid ward vermißt. Sie lag zu Haus schier gefährlich krank. Herr Rippold sprach: »Gott Lob und Dank! Nun find' ich doch endlich Gelegenheit, Ihr zu dienen in Treue und Freundlichkeit!« Und eines Morgens, um sechs Uhr präzis – Es wehten die Lüfte gar lieblich und süß – Sah man, wie Herr Rippold besorgt und gerührt, Die Hirtin am Arm zu der Quelle geführt, Er schöpfte ein Glas und sprach zierlich und schön: »Das trinket zu Eurem Wohlergehn, Dann rat' ich Euch, etwas zu promenieren, Sodann ein zweites Glas zu probieren, Und unmaßgeblich will mich bedünken, Wir könnten in Zukunft gemeinsam hier trinken!« Und item und item – wer weiß, wie's geschah – Sie sagte nicht nein und sie sagte nicht ja, Doch Herr Rippold ging bald in den Tannwald hinaus Und suchte den höchsten Baumstamm sich aus Und schlug einen Nagel hoch oben in Stamm Und hing seine Einsiedelkutte daran. Die Hirtin aber ward unverweilt Durch des Quells erquickenden Zauber geheilt, Fuhr wieder zu Berge, stark und groß Und blühte als wie eine Frühlingsros'. Und item es dauerte wieder nicht lang', Tönt' festlich im Tale der Glockenklang. »Was wallt dort zum Klösterlein?« Mancher frug, Und die Antwort war: »ein Hochzeitzug«. Am Portale stund mit den Brüdern der Abt Im vollen Ornate, beringt und bestabt, Und sprach: »O Rippold, geprüfter Mann, An dir hat der Himmel ein Zeichen getan, Und weil du, der leidenden Menschheit zum Frommen, Der Quelle zuerst auf die Spur bist gekommen, Sollst du, befreit von Gelübde und Zwang, Die Au dort verwalten dein Leben lang, Sollst Herberg' halten für Männer und Fraun, Sollst Stuben zum Trinken und Baden erbaun, Sollst alles, was dienlich, schaffen heran, Selbst Damensalon und Kegelbahn.« Und wieder erklangen die Glocken gar traut, Da kniete Herr Rippold mit seiner Braut, Da sprach der Abt am geschmückten Altar Seinen Segen über ein glückliches Paar Und gab sie zusammen als Mann und Frau ... Das ist die Geschichte von Rippoldsau. Die Schweden in Rippoldsau Vor zweihundert Jahren – Wem ist's nicht bekannt? – Ertobte der Krieg im deutschen Land, Die Schweden und die vom Wallenstein Schlugen einander die Schädel ein, Und dauerte über dreißig Jahr, Bis die Schlachtenfurie verbrauset war. Doch das friedliche Rippoldsauer Tal Blieb verschont von des Krieges Gewitterstrahl, Und mancher, dem kranken Leib zum Frommen Ist Heilung suchend zur Quelle gekommen. Man lebte damals schier so wie jetzt, Man hat sich mit mancherlei Kurzweil ergötzt, Ein trefflicher Badwirt sorgte wie heut Für gute Herberg' und Schnabelweid. Man schlürfte die Quelle und sprach nur wenig Von Papst und Kaiser und Schwedenkönig. Die Alten tranken und rauchten Tabak, Die Jungen fanden am Ballspiel Geschmack, Die Damen in Reifrock und hoher Krause Scherzten und lachten beim Mittagsschmause, Und abends tanzte man zierlich und nett Auch ein steif graziöses Menuett. Die Badmusik war in vorzüglichen Händen, Sechs Mann mit verschiedenen Instrumenten Spielten rüstig und unverdrossen drauf los, Und war schier jeder ein Virtuos. Da begab sich's im dreiundvierziger Jahr, Daß Herr Johann Petzold Baßgeiger war, Der hing eines Abends im Monat August Seine Geig' auf den Rücken mit großer Lust, Und stieg auf die Holzwälder Höhe empor, Um unbelauscht von der Badgäste Ohr Ein neues Adagio einzustudieren, Womit er am Sonntag wollt' exzellieren. Denn für des Brummbasses dröhnend Walten Ist's besser, einsame Proben zu halten; Die Baßgeige lieben viele Personen, Mögen doch nicht neben dem Baßgeiger wohnen. Drum kam Herr Petzold mit Cello und Bogen Hinauf in den luftigen Tannwald gezogen, Und schaute weit in die Lande hinein Bis zum Straßburger Münster am glitzernden Rhein, Er suchte ein schattiges Plätzlein im Moose Bei Farrnkraut und duftiger Weidenrose; Hell klang in die Waldesstille und froh Sein funkelneues Adagio. Doch wie's so recht voll in den Saiten rauschte, Da spitzt' er auf einmal die Ohren und lauschte; »Zum Teufel, was hör' ich, was hat sich gerührt? Ich werd' aus der Ferne akkompagniert! Trom trom! trom trom! trari, trara! Nun hilf uns, heilige Cäcilia!« Herr Petzold hatte in früheren Tagen Bei Pappenheims Reitern die Pauke geschlagen; Seit der Lützner Affäre kannt' er den Ton: »So trommt und trompetet der Torstenson! Trom trom! trom trom! trari, trara! O heil'ge Cäcilie, der Schwed' ist da!« Herr Petzold hat keine Silb' mehr gesprochen; Aufsprang er, wie von der Tarantel gestochen, Und schultert die Baßgeig' und sah nicht mehr um, Vergaß selbst sein gelb Kolophonium, Ließ Noten zurück und Sacktuch und Kapp' Und sprang wie besessen den Tannwald hinab. »Gut' Nacht, Adagio und Bademusik! Gut' Nacht, der Petzold kommt nimmer zurück!« Im Bad indes hatte niemand Kunde, Was Herr Petzold erlauscht in jener Stunde, Es kamen, wie sonst, die Herren und Damen Im Speisesaal zum Souper zusammen. Der Expeditor bracht' an Paket und Brief, Was mit der Wolfacher Post einlief. Auch von Freiburg der alte Herr Kreispräsident Erhielt ein gesiegelt Pergament, Und man bemerkte, daß etwas blaß Seine Züge wurden, als er es las; Es scheint, auch in dieser Epistola Stand was von trom trom und trari trara! Denn er flüsterte Frau und Tochter was zu Und rief auch plötzlich den Badwirt herzu Und sprach: »Ich verreise früh morgen um vier, Besorgen Sie schnell einen Wagen mir!« Und wiewohl kopfschüttelnd der Badwirt sprach: »Sie haben bestellt ja für dreißig Tag' Die Wohnung und sind erst seit heut im Quartier«, Erwidert' er: »Dennoch verreis' ich von hier!« Des andern Morgens früh um vier Uhr Er mit Extrapost von dannen fuhr. Auch der Herr von Questenberg von Wien Nicht mehr, wie sonst, an der Quelle erschien. Er nahm trotz seinem seidenen Rock, In derselben Kutsche Platz auf dem Bock. Um acht Uhr saß alles wie sonst beim Kaffee Im Hof und unter der Lindenallee, Doch die Musik schlich traurig heran, Statt sechsen waren's nur fünf Mann, Und was sie spielten, war inkomplett, Daß schier man sie ausgepfiffen hätt'. Drum zu den Gästen mit klagender Miene Sprach entschuldigend die erste Violine: »Wir sind ruiniert, ein verstimmter Akkord: Die Baßgeig' mitsamt dem Petzold ist fort!« Da wurde viel geschwatzt und gesprochen, Ob Freund Petzold wohl seinen Hals gebrochen, Oder ob, als leichtfertiger Musikant Er ohne Abschied von dannen gerannt; Die Menschheit ist stets geneigt zum Bösen, Man machte viel boshafte Hypothesen: Er hab', als Verliebter, im Schatten der Nacht Einer Wälderin ein Baßgeigenständchen gebracht, Oder liege, von süßem Weine trunken, Wohl in jammervolle Träume versunken. Nur der Flötist sprach mit edlem Mut: »Der Petzold ist klug und weiß, was er tut!« Und wieder nahte die Mittagsstunde Und saßen die Gäste in fröhlicher Runde, Die Schüsseln dampften – nur auf der Tribüne Dacht' die Musik mit betrübter Miene: »Bald kommt der Braten, o schlimmes Signal, Heut spielen wir nur zu unserer Qual, Wir sind ruiniert, ein verstimmter Akkord, Die Baßgeig' mitsamt dem Petzold ist fort!« Der Braten kam, schon schwirrten die Geigen, Da flog durch den Saal ein bedeutungsvoll Schweigen, Die Fenster klirren – o bittres Dessert! Ein Kanonenschuß vom Kniebis her! Noch einer – piff, paff! – 's ist nimmer geheuer, O Gott, Geschütz- und Musketenfeuer! Und zwischen hinein: trom trom, trara! Behüt' uns Gott vor der Musika! Wie wenn der Blitz in ein Taubenhaus schlägt, Schwirrt alles verstört und bewegt und erregt ... Dort fällt ein Stuhl – hier zerbricht ein Teller, Dort verschüttet einer den Muskateller, Die Damen schluchzen, die Kinder schrei'n, – Der taucht sein Biskuit in Senftopf ein – Der fordert die Rechnung – der Rosse – der Wagen – Der denkt: jetzt hat meine Stunde geschlagen Und spricht zur lockigen Nachbarin: »Ich lieb' Euch! laßt uns zusammen fliehn!« Der ruft zum Wirt: »Ade, seid geduldig! Für diesmal bleib' ich die Zeche schuldig!« Der zupft ihn am Ärmel – der tritt ihm den Fuß: »Ein Königreich für einen Omnibus! Auf, auf! helft, helft! schon hört man ganz nah Trom trom, trom trom, – trari, trara!« O Rippoldsau, du stilles Tal, Wie warst du verwandelt mit einem Mal, Seit der Sündflut hat, in verworrener Flucht, Keine Gesellschaft so das Weite gesucht. Hier trug ein Herr auf erhobenem Arm Eine ohnmächtige Dame durch den Schwarm, Hier galoppte ein Reiter die Straße hinab, Dort entfernte ein Hausknecht zu Fuß sich im Trab, Ja, ein verspäteter Unglückssohn Ritt auf dem Haushund Sultan davon. Eine halbe Stunde – und still und stumm Lag Badhaus und Quelle und alles ringsum, Nur auf der Galerie der Musik Blieb ein einzig menschliches Wesen zurück. Es war der Flötist, er stieg fröhlich und munter In den menschenverlassenen Saal herunter Und sprach: »Wozu das unnütze Rennen! 's ist Zeit genug noch, um durchzubrennen, Doch ein Laufen mit Durst und mit leerem Magen Das kann kein Flötenspieler vertragen.« Er setzte sich an den verlassenen Tisch Und tat sich noch gütlich mit Braten und Fisch, An Biskuit und Mandeln, am ganzen Dessert, Als ob kein Schwed' in der Nähe wär'... Auch steckt' er gelassen in seine Taschen Zwei unversehrte Affentaler Flaschen, Bis daß auf fünfzig Schritte nah Es von neuem klang: »Trari, trara! Trom trom, trom trom, trom trom, hurrra! Der Schwed' ist da, – der Schwed' ist da!« Da griff er ruhig zu Flöte und Hut; »Ich sagt's ja, der Petzold weiß, was er tut. Jetzt noch ein Glas Wein und das letzte Stück Kuchen, ... Dann will auch ich den Petzold suchen!« Festgruß zur Feier von Hebels hundertjährigem Geburtstag 10. Mai 1860. Den in Schopfheim zur Festfeier Versammelten. Gott grüßich all, ihr liebi Here z'Schopfe, I hanich neumis z'brichten us der Fremdi. So 'ne verfahrne Säckinger Trompeter Isch selte d'heim; 's viel Sitze g'fallt em nit, Und wie der Vogel, wenn der Früehlig chunnt, So fliegt er us und singt in andrem Land, Drum chani ietz nit zuenich, 's tuet mer leid. Doch loset, was mer jüngst bigegnet isch. Im Baierland isch mi Station. Und gester Do fahri uf'me wunderblaue See, Me seit em Chiemsee oder bairisch Meer, Und find' en Insle, sunnig, sufer, chli Und friedli still. Es huuse Fischer dört Und Chlosterfrauen immen alte Stift; Lerm hört me wenig: numme Glockeg'lüt Und Ruderschlag und frohe Vögel G'sang. Denn d'Vögel hen e liebi Herberg dört. Uf dere Insle stöhn as wie 'ne Chron' Uralti Lindebäum, im Zirkel pflanzt, Und spieglen ihri Dölder wit im See. Me seit, es syg scho in der Römerzit 'ne Heiligtum dört gstanden und es gieng' No mengis mol dört öppis geistwis um. Wieni dörthi chumm – grad am erste Mai, Es isch 'ne milde Früehligsobed gsi, Wurd's langsam dunkel, d'Sunne sinkt in See, E wengli no hen d'Alpegipfel g'lüeht, Derno isch lisli 's letzti Rot verlöscht Und Mondschi wurd's und klari Sternenacht. Und wieni mi verträumt im Gras dört streck, Und wieni d'Stern am Himmel glizzre seh Und wieder glizzren in der Wasserfluet, So denki das und deis ... und sag für mi: »Ihr liebi Stern, Liecht us der andre Heimet, Ihr liebi Stern, i wott, i wär bi euch!« Und chlip und chlap! – was witt und was bigehrsch? Husch ruuscht's mit Flügelschlag im Lindewipfel Und stöhn zwei Engel vormer, gschlachti Burscht, In blauem Häs, mit Sterneblueme g'chrönt, Und sage: »So denn! b'sinn di nümme lang, De muesch mit eus! hesch's just nit selber g'seit: Ihr liebi Stern, i wott, i wär' bi euch? Hüt isch Walpurgisnacht: Was ein do wünscht, – E Sunntigschind, e landverfahr'ne Schüeler, Flugs g'schicht's. – Huppla! mer fliegen eben ufe, Uf wele witt?...'s batt nüt, de muesch jez mit!« – »He! sagi, dunderschieß! 's isch eigetli So scharf nit g'meint ... mueß denn gly g'floge sy? Me würd doch au no öppis rede dörfe? I ha scho viel erlebt, scho mengerlei Fuhrwerch probiert und bi in menger Wis' Dur d'Welt scho g'rutscht, doch vo men Engelpaar Verarretiert und sternwärts transportiert: Sell nie!... He nu, es isch mer ei tue z'letscht Und mueß denn g'floge sy, se denk i wohl: Mer wend zuem Morgestern ! der isch der liebscht Von alle mir in Gottes Himmelsgarte, 's het mi scho lang e Sehnsucht nochem plogt.« Und chlip und chlap! – was witt und was bigehrsch? Ein Engel faßt mi links, der ander rechts: Eis, zwei und drei!... und husch, so goht's in d'Luft, Und uf und furt!... Bim Strohl! en Isebahn, E Luftballon, e Telegrafedroht 's isch all's e Schneckepost, wemme's vergliicht Mit so'me Engelfliegwerch d'Milchstroß ufe. Jo, uf und furt ... Chuum luegi wieder nidsi Schint scho mi Chiemsee numme ne silbrig Pünktli Und bal schrumpft d'Erde zuere Chugle z'semme, Wird chli as wie der Mond und wird noch chliner Und schwebt, e winzig Sternli, fern im Luft, Bischeidener als menge Her uf ihr. Und wieder no' re Wil do funklet scho Zue euse Füeße fremdes schönes Land Mit Berg und Tal ... und: »Ufgluegt!« seit mi G'leitsma, »Der Morgenstern!«... und sänftlig sinkt der Flug Und mini Sohle gschpüere wieder Bode. »De Morgestern!« rueft au der ander Engel, As wie' ne Konduktör, wemme d'Station het, Und Othem schöpfi: »Helfis Gott, so sagi, Es trümlet mer im Chopf und vor den Auge, Lönd mi e weng verschnuufe, daß i au Schön Dank cha sage ... Uff! deis heißt e Schnellzug!« – »O b'hüetis!« lacht der Engel, »chuum e g'mischte! Meinsch, d'wiegsch so liicht as wie ne Seifeblösli? E Güeterzug isch's gsy, und no e schwere! Jetz gang und schau di um. Mer müen no witers.« O Morgestern! wie lieblig isch's uf dir! Zwor nit gar anderst as bei eus, doch heitrer Und glänziger isch d'Gegnig gsy und wärmer, As wär dört ewig Früehlig, ewig Sunntig; Und scho am Luftzug het me g'schpüert, es weiht E sanftrer Othem dört ... i selber bi Mer gröber vorcho wie 'ne Hozzewälder, Der uffen Bal dappt z'Friburg im Museum. Doch wandli fürwärts. Lueg, do isch e Tal, E prächtig Matteland und schöni Waldig Und klar und frisch e Bergforellewasser. ... Es het mi gmahnt ans hinter Wiesetal, Wemme vo Mambach nidsi goht go Huse, So schön het alles blüeht, so saftig frisch Hen d'Chrüter gschproßt ... Früeh isch's no gsy am Morge. Doch wien'i witers chumm, so höri rede. Am Waldhang sitzt en alt ehrwüerd'ge Greis, Schneewis vo G'wand und mild vo Gsicht und Art, Um ihn im Moos e lustig Chindervolch. Schuel het er g'halte. Nei, wie hens'em g'looset. Me het jeds Läubli wisple g'hört im Wald. Und Zucht isch gsy und Ordnig. Me het's g'merkt Der bruucht kei Ruete, 's Vüdeli ze versohle. Druf schließt ers Buech und lächlet und seit: »So! Jetz singt no eis, dann chönnd 'er gô go spiele, Und über d'Matte gumpe, doch gent Achtig, Daß kei's 'ne Mejeblüemli z'semmetritt, Und tuend keim guete Tierli Öppis z'leid!« Was meinet er, as d'Chinder g'sunge hen? »Se helfis Gott und gebis Gott E gute Tag und b'hüetis Gott! Mer beten um e christlig Herz, Es chunnt eim wohl in Freud und Schmerz, Wer christli lebt, het frohe Muet, Der lieb Gott stoht für alles guet.« Dann packes z'semm und batsche froh in d'Hend Und springe furt. Der Greis chunnt uf mi zue. »Gottwilche«, seit er, »was bisch du für ein'?« Ich antwort: »Nüt für unguet, eigentli Se g'höri nit ganz uf de Morgestern, Doch lockt's mi zuenich, d'Sproch schint mer bikannt Und euer Singe heimlet mi so a.« – »He woher chunnsch denn?« frogt er. – »Wither«, sagi, 's wird Euch villiicht nit akkurat bekannt sy: »Es isch e ferne Stern, me heißt 'en d'Erde, Drin isch en Erdteil, der Europia heißt, In sellem Erdteil isch e Land, heißt Dütschland, In Dütschland aber isch am Rhi e Ländli ...« – »Zem Dunderwetter!« brummlet do der Alt, »Du morgesternverflogen Erdechind, Meinsch echt, mer wüsse hielands au nit mehr As wie der Föhreli us der Geography? Wie goht's denn z'Karlisrueh?« – »Jo, Element, Luts so! Excüse!«, sagi, »he! 's goht guet' 's isch allwil no ne sufri glatti Hauptstadt, 's het viel gschtudierti gschidi Here drin, Und Wibervölcher!...'s isch die helli Pracht! 's treit sicher keini uffem Morgestern E Stahlreifvogelchefirock wie die! Au stoht's no alliwil im Haardwaldsand Und nit am Rhi – wiewohl se'nen schier gar Hig'leitet hätte ... jo!... und d'Schwarzwaldberg Sin au nit nöcher g'ruckt, no menge chunnt Dört Heimweh über no sim Oberland!« – »Du liebes Oberland!« seit mild der Greis, »Du liebes Oberland ... Wie gohtsnen au Z'Lörrech und z'Schopfe und am waldige Feldberg«? – »He!« hani denkt, »Staub, Gift und Bopperment! Der Ma weiß besser B'scheid uff euserer Erd Als ich im Morgestern! Was isch au das?« – »... He nu! sie tribes ziemli«, sagi druf, »Gottlobundank, me cha si nit biklage. 's goht Handel und goht Wandel. D'Isebahn Dämpft überal derdur. Bis Waldshuet fahrt me Au 's Wiesetal würd bal lokomotivisch. Der Denglegeist cha nechstens Schiene dengle, Wennen der Dampf nit ganz vertribt vom Wald. Sie hen au schöni Strosse g'leit durs Land, Vom Todtmes nidsi, wo si d'Wehre tummlet Im Felseg'chlüft, – der Wiese wildi Schwester, E chech Zigünerchind,... zieht jez e Fahrstroß Wohlg'muuret, fest, nit liicht hig'försterlet. Selbst uf de Feldberg stigt me jetz biquem: E Turn stoht uffem Gipfel und me cha De Sonneufgang prächtig drin verschlofe. ... Durst hen sie au, gottlob, no kei z'erlide! Denn z'Lörrech vorn und im Marggrövlerland Was meinsch, wie's in de Chellere jetz bstellt isch? Dört lit e Wi ... hei, tusigsappermost, Me schnuuft jetz nümme viel vom Vieredrißger, Der Siebnefüfzger goht no über Baumöl! Der het e Füür! Bliztusig!... d'Sunne chönnt er Illuminiere, wenn sie nit scho hell wär, D'Planete chönnt er us de Bahne werfe Und alli Fixstern wacklifacklis mache. Witt au dervo? 's gäb scho! de bruuchsch mer numme E regelmäßgi Engelfahrpost anz'geh, Der Blankehorn vo Mülle schickt e Fäßli.« Derwil mer so hen z'semme dischkeriert, Isch d'Sunne mächtig hintrem Waldhang fürcho Und alles isch in Duft und Glanz verklärt gsy. Do höri fernher d'Chinder wieder singe: »Dört chunnt si scho, was hani gseit, In ihrer stille Herlichkeit! Sie zündet ihre Strahlen a, Der Chilchturn wärmt sie au scho dra Und wo sie fallen in Berg und Tal, Se rüehrt si's Leben überal.« Der Greis seit nüt und faltet lisli d'Händ. Und wien i mer sin Antlitz jetz bitracht, Wie's früendli blitzt im goldne Sunnestreifliecht, Se chunnt es mer bikannt vor und bikannter, Und 's überlauft mi warm. »Tusig gottswill!« So rüefi, »'s wird nit sy?... stoht nit bim Schloß Vo Karlisrueh im schattedunkle Garte En isern Denkmol, 's treit e goldig Brustbild? Hani als Chnab nit oft dört gschpielt und g'frogt: ›Wer isch der Ma mit siner edle Stirn, Sim chruse Hoor, sim Lächlen um den Mund?‹ Sin sell nit Euri Züg? isch nit der G'sang, Den selli Chind dört singen, au von Euch Und sind Ihr nit der Johann Peter Hebel ?« Do winkt der Greis und lächelt fin und seit: »'s cha sy 's cha sy ... denk wohl, i bin en gsy, Doch isch's mer jetz, wenn i dört abi lueg, Just wienis früeher selber b'schribe ha: ›Lueg, dört isch d'Erde gsy und selle Berg Het Belche g'heisse ... nit gar wit dervo Isch Wisleth g'sy, dört hani au scho g'lebt ... und möcht jez nümme hi ...!‹ ... Verstohsch mi au? Und weiß me öppis dunte no vo mir?« – »O Meister«, rüefi, »nei, wie magsch so froge? Se lang im Feldberggrund ne Tanne wurzlet, Und d'Wiese strömt und d'Wehre und de Rhi, Se lang no Meidle flink und dundersnett Und Buebe obeds um de Liechtspon sitze, Wenns Marei seit: verzehlis näumis, Aetti, Se lang weiß me vo dir und wird me wüsse! S'isch kein meh cho, der g'sunge het wie du So frisch vom Herze und so heimet-treu, Ders g'füehlt het, was im zarte Haberchörnli, In Feld und Wald, in Felsen und in Bäche Für e verborgni Offebarig lebt, Kein, dem wie dir die guete Schwarzwaldgeischter Ihr Sproch zueg'flüstert hen, ihri g'heimi Sache, Der die Böse selber, de Irrgeist und de Puhu So z'bschwöre weiß mit scherzhaft spitzge Wort! Weger, 's het Grund, ass, wemmen uffem Wald Jetz in e Stube goht, uf's Brettli wist, Wo's Husarchiv un d'Büecherei verwahrt stoht, – Links ob der Tür – und frogt: ›was hender do?‹ Der Husher seit: › Mi Biblen und mi Hebel !‹ 's bruucht nit viel mehr zuem fromm und fröhlich sy. O Dichtersma, wie möcht i di drum nide! Und niden um din ewig heitre Sinn, Um dini Rätsel, dini Husfründg'schichtli, 's Schatzchästli, voll vo g'schliffne Edelstei! Hörsch mengmol nit im Morgestern e G'lächter Recht usem Zwerchfell, wemme d'unte liest, Was d' vo der nasse Schlittefahrt verzehlsch, Vom Zirkelschmied und vom Kannitverstan? Und zupfts di nit, de chämsch und luegtisch wieder? 's gäb mengis neui Hauptstück in Kalender, Und mengis ›Merke!‹ mengis ›Item!‹ z'schribe! Im Zundelfrieder und im Zundelheiner Sin starchi Chind und Chindeschind erwachse, Un sin wohluf ... me sperrt's nümme all ins Hüsli. Denn 's git, sie tribes Handwerch fürnehm jetz Und chuderwelsche, ass eim trümlig wird. Wer Schulde macht und nümm ans Zahle denkt, Heisst's: ›Credit Mobilier, und wenn er nimmt, Was ihm nit zueg'hört, – weisch wiemes jetz heisst? I sag ders nit ... 's wär au öpp's für de Husfründ! Jo weger, Meister! chumm und fahr mit abe! Sell gäb e Freud!... me trüeg di uf de Hände Durs badisch Ländli dure ... d'Karlisrueher Si nähme di hüt wieder zum Prälat, D'Verleger chäme schaarewis, si böte Der für de Boge feufezwänzg Dublone! Und in der Heimet!... nei, was glaubsch ass d'saechsch? Was glaubsch, wem rüstet si's ganz Oberland Am zehnte May zum Fest und Ehretag? Wem gelte d'gschmückti Hüser, d'Böllerschüß? D'Musik und d'Fahne, d'schwarzi Fräck, de Chilchgang? Meinsch 's syg e Schillerfest?... De wursch di schnide! Me chennt au andri Lüt ... he! 's wird scho chnalle, Dass d'Ohre chlinge, piff und paff und puff! Und merke würsch, ob men an Hebel denkt!« So hani g'redt. Er aber git mer d'Hand, (In sinen Auge hen zwei Träne perlt) »Schwîg«, seit er, »schwîg und mach mers Herz nit schwer! Doch wenn de heimschrîbsch, meld, i loss es grüesse, So viel ihr 's Gläsli lupfe, d'ganz Versammlig! Und wenn eis früeih am zehnten oder ölften An Himmel luegt und siecht de Morgestern In stärchrem Glanz und schier unrüeihig funkle: So ischs e Schi, er chunnt au us 're Heimet ... Es isch mi Dank!... Der Hebel segnet euch!... « Druf isch er furt und mit keim Aug meh z'seh. Gli druf hen d'Engel mi am Chrage gno, Und chlip und chlap! se bini wo 'ni g'si bi. ... So isch mi Bricht, ihr liebi Here z'Schopfe. Lönds ordli chnalle! Pfiff und paff und puff! Und no'nemol!... wenns Gläsli au verspringt, Es schadet nüt: Der Meister Hebel hoch ! Und hoch si Heimet, 's allemannisch Land !