Friedrich Schiller Die Braut von Messina oder Die feindlichen Brüder Ein Trauerspiel mit Chören Über den Gebrauch des Chors in der Tragödie Über den Gebrauch des Chors in der Tragödie Ein poetisches Werk muß sich selbst rechtfertigen, und wo die Tat nicht spricht, da wird das Wort nicht viel helfen. Man könnte es also gar wohl dem Chor überlassen, sein eigener Sprecher zu sein, wenn er nur erst selbst auf die gehörige Art zur Darstellung gebracht wäre. Aber das tragische Dichterwerk wird erst durch die theatralische Vorstellung zu einem Ganzen; nur die Worte gibt der Dichter, Musik und Tanz müssen hinzukommen, sie zu beleben. So lange also dem Chor diese sinnlich mächtige Begleitung fehlt, so lange wird er in der Ökonomie des Trauerspiels als ein Außending, als ein fremdartiger Körper und als ein Aufenthalt erscheinen, der nur den Gang der Handlung unterbricht, der die Täuschung stört, der den Zuschauer erkältet. Um dem Chor sein Recht anzutun, muß man sich also von der wirklichen Bühne auf eine mögliche versetzen, aber das muß man überall, wo man zu etwas Höherm gelangen will. Was die Kunst noch nicht hat, das soll sie erwerben; der zufällige Mangel an Hilfsmitteln darf die schaffende Einbildungskraft des Dichters nicht beschränken. Das Würdigste setzt er sich zum Ziel, einem Ideale strebt er nach, die ausübende Kunst mag sich nach den Umständen bequemen. Es ist nicht wahr, was man gewöhnlich behaupten hört, daß das Publikum die Kunst herabzieht; der Künstler zieht das Publikum herab, und zu allen Zeiten, wo die Kunst verfiel, ist sie durch die Künstler gefallen. Das Publikum braucht nichts als Empfänglichkeit, und diese besitzt es. Es tritt vor den Vorhang mit einem unbestimmten Verlangen, mit einem vielseitigen Vermögen. Zu dem Höchsten bringt es eine Fähigkeit mit, es erfreut sich an dem Verständigen und Rechten, und wenn es damit angefangen hat, sich mit dem Schlechten zu begnügen, so wird es zuverlässig damit aufhören, das Vortreffliche zu fodern, wenn man es ihm erst gegeben hat. Der Dichter, hört man einwenden, hat gut nach einem Ideal arbeiten, der Kunstrichter hat gut nach Ideen urteilen, die bedingte, beschränkte, ausübende Kunst ruht auf dem Bedürfnis. Der Unternehmer will bestehen, der Schauspieler will sich zeigen, der Zuschauer will unterhalten und in Bewegung gesetzt sein. Das Vergnügen sucht er und ist unzufrieden, wenn man ihm da eine Anstrengung zumutet, wo er ein Spiel und eine Erholung erwartet. Aber, indem man das Theater ernsthafter behandelt, will man das Vergnügen des Zuschauers nicht aufheben, sondern veredeln. Es soll ein Spiel bleiben, aber ein poetisches. Alle Kunst ist der Freude gewidmet, und es gibt keine höhere und keine ernsthaftere Aufgabe, als die Menschen zu beglücken. Die rechte Kunst ist nur diese, welche den höchsten Genuß verschafft. Der höchste Genuß aber ist die Freiheit des Gemütes in dem lebendigen Spiel aller seiner Kräfte. Jeder Mensch zwar erwartet von den Künsten der Einbildungskraft eine gewisse Befreiung von den Schranken des Wirklichen, er will sich an dem Möglichen ergötzen und seiner Phantasie Raum geben. Der am wenigsten erwartet, will doch sein Geschäft, sein gemeines Leben, sein Individuum vergessen, er will sich in außerordentlichen Lagen fühlen, sich an den seltsamen Kombinationen des Zufalls weiden, er will, wenn er von ernsthafterer Natur ist, die moralische Weltregierung, die er im wirklichen Leben vermißt, auf der Schaubühne finden. Aber er weiß selbst recht gut, daß er nur ein leeres Spiel treibt, daß er im eigentlichen Sinn sich nur an Träumen weidet, und wenn er von dem Schauplatz wieder in die wirkliche Welt zurückkehrt, so umgibt ihn diese wieder mit ihrer ganzen drückenden Enge, er ist ihr Raub, wie vorher, denn sie selbst ist geblieben, was sie war, und an ihm ist nichts verändert worden. Dadurch ist also nichts gewonnen, als ein gefälliger Wahn des Augenblicks, der beim Erwachen verschwindet. Und eben darum, weil es hier nur auf eine vorübergehende Täuschung abgesehen ist, so ist auch nur ein Schein der Wahrheit oder die beliebte Wahrscheinlichkeit nötig, die man so gern an die Stelle der Wahrheit setzt. Die wahre Kunst aber hat es nicht bloß auf ein vorübergehendes Spiel abgesehen, es ist ihr Ernst damit, den Menschen nicht bloß in einen augenblicklichen Traum von Freiheit zu versetzen, sondern ihn wirklich und in der Tat frei zu machen, und dieses dadurch, daß sie eine Kraft in ihm erweckt, übt und ausbildet, die sinnliche Welt, die sonst nur als ein roher Stoff auf uns lastet, als eine blinde Macht auf uns drückt, in eine objektive Ferne zu rücken, in ein freies Werk unsers Geistes zu verwandeln und das Materielle durch Ideen zu beherrschen. Und eben darum weil die wahre Kunst etwas Reelles und Objektives will, so kann sie sich nicht bloß mit dem Schein der Wahrheit begnügen; auf der Wahrheit selbst, auf dem festen und tiefen Grunde der Natur errichtet sie ihr ideales Gebäude. Wie aber nun die Kunst zugleich ganz ideell und doch im tiefsten Sinne reell sein – wie sie das Wirkliche ganz verlassen und doch aufs genaueste mit der Natur übereinstimmen soll und kann, das ists, was wenige fassen, was die Ansicht poetischer und plastischer Werke so schielend macht, weil beide Foderungen einander im gemeinen Urteil geradezu aufzuheben scheinen. Auch begegnet es gewöhnlich, daß man das eine mit Aufopferung des andern zu erreichen sucht und eben deswegen beides verfehlt. Wem die Natur zwar einen treuen Sinn und eine Innigkeit des Gefühls verliehen, aber die schaffende Einbildungskraft versagte, der wird ein treuer Maler des Wirklichen sein, er wird die zufällige Erscheinungen, aber nie den Geist der Natur ergreifen. Nur den Stoff der Welt wird er uns wiederbringen, aber es wird eben darum nicht unser Werk, nicht das freie Produkt unsers bildenden Geistes sein und kann also auch die wohltätige Wirkung der Kunst, welche in der Freiheit besteht, nicht haben. Ernst zwar, doch unerfreulich ist die Stimmung, mit der uns ein solcher Künstler und Dichter entläßt, und wir sehen uns durch die Kunst selbst, die uns befreien sollte, in die gemeine enge Wirklichkeit peinlich zurückversetzt. Wem hingegen zwar eine rege Phantasie, aber ohne Gemüt und Charakter, zuteil geworden, der wird sich um keine Wahrheit bekümmern; sondern mit dem Weltstoff nur spielen, nur durch phantastische und bizarre Kombinationen zu überraschen suchen, und wie sein ganzes Tun nur Schaum und Schein ist, so wird er zwar für den Augenblick unterhalten, aber im Gemüt nichts erbauen und begründen. Sein Spiel ist, so wie der Ernst des andern, kein poetisches. Phantastische Gebilde willkürlich aneinanderreihen, heißt nicht ins Ideale gehen, und das Wirkliche nachahmend wieder bringen, heißt nicht die Natur darstellen. Beide Foderungen stehen so wenig im Widerspruch miteinander, daß sie vielmehr – eine und dieselbe sind; daß die Kunst nur dadurch wahr ist, daß sie das Wirkliche ganz verläßt und rein ideell wird. Die Natur selbst ist nur eine Idee des Geistes, die nie in die Sinne fällt. Unter der Decke der Erscheinungen liegt sie, aber sie selbst kommt niemals zur Erscheinung. Bloß der Kunst des Ideals ist es verliehen, oder vielmehr, es ist ihr aufgegeben, diesen Geist des Alls zu ergreifen und in einer körperlichen Form zu binden. Auch sie selbst kann ihn zwar nie vor die Sinne, aber doch durch ihre schaffende Gewalt vor die Einbildungskraft bringen und dadurch wahrer sein als alle Wirklichkeit und realer als alle Erfahrung. Es ergibt sich daraus von selbst, daß der Künstler kein einziges Element aus der Wirklichkeit brauchen kann, wie er es findet, daß sein Werk in allen seinen Teilen ideell sein muß, wenn es als ein Ganzes Realität haben und mit der Natur übereinstimmen soll. Was von Poesie und Kunst im Ganzen wahr ist, gilt auch von allen Gattungen derselben, und es läßt sich ohne Mühe von dem jetzt Gesagten auf die Tragödie die Anwendung machen. Auch hier hatte man lange und hat noch jetzt mit dem gemeinen Begriff des Natürlichen zu kämpfen, welcher alle Poesie und Kunst geradezu aufhebt und vernichtet. Der bildenden Kunst gibt man zwar notdürftig, doch mehr aus konventionellen als aus innern Gründen, eine gewisse Idealität zu, aber von der Poesie und von der dramatischen insbesondere verlangt man Illusion, die, wenn sie auch wirklich zu leisten wäre, immer nur ein armseliger Gauklerbetrug sein würde. Alles Äußere bei einer dramatischen Vorstellung steht diesem Begriff entgegen – alles ist nur ein Symbol des Wirklichen. Der Tag selbst auf dem Theater ist nur ein künstlicher, die Architektur ist nur eine symbolische, die metrische Sprache selbst ist ideal, aber die Handlung soll nun einmal real sein und der Teil das Ganze zerstören. So haben die Franzosen, die den Geist der Alten zuerst ganz mißverstanden, eine Einheit des Orts und der Zeit nach dem gemeinsten empirischen Sinn auf der Schaubühne eingeführt, als ob hier ein anderer Ort wäre als der bloß ideale Raum, und eine andere Zeit als bloß die stetige Folge der Handlung. Durch Einführung einer metrischen Sprache ist man indes der poetischen Tragödie schon um einen großen Schritt näher gekommen. Es sind einige lyrische Versuche auf der Schaubühne glücklich durchgegangen, und die Poesie hat sich durch ihre eigene lebendige Kraft, im einzelnen, manchen Sieg über das herrschende Vorurteil errungen. Aber mit den einzelnen ist wenig gewonnen, wenn nicht der Irrtum im Ganzen fällt, und es ist nicht genug, daß man das nur als eine poetische Freiheit duldet, was doch das Wesen aller Poesie ist. Die Einführung des Chors wäre der letzte, der entscheidende Schritt – und wenn derselbe auch nur dazu diente, dem Naturalism in der Kunst offen und ehrlich den Krieg zu erklären, so sollte er uns eine lebendige Mauer sein, die die Tragödie um sich herumzieht, um sich von der wirklichen Welt rein abzuschließen und sich ihren idealen Boden ihre poetische Freiheit zu bewahren. Die Tragödie der Griechen ist, wie man weiß, aus dem Chor entsprungen. Aber so wie sie sich historisch und der Zeitfolge nach daraus loswand, so kann man auch sagen, daß sie poetisch und dem Geiste nach aus demselben entstanden, und daß ohne diesen beharrlichen Zeugen und Träger der Handlung eine ganz andere Dichtung aus ihr geworden wäre. Die Abschaffung des Chors und die Zusammenziehung dieses sinnlich mächtigen Organs in die charakterlose langweilig wiederkehrende Figur eines ärmlichen Vertrauten war also keine so große Verbesserung der Tragödie, als die Franzosen und ihre Nachbeter sich eingebildet haben. Die alte Tragödie, welche sich ursprünglich nur mit Göttern, Helden und Königen abgab, brauchte den Chor als eine notwendige Begleitung, sie fand ihn in der Natur und brauchte ihn, weil sie ihn fand. Die Handlungen und Schicksale der Helden und Könige sind schon an sich selbst öffentlich und waren es in der einfachen Urzeit noch mehr. Der Chor war folglich in der alten Tragödie mehr ein natürliches Organ, er folgte schon aus der poetischen Gestalt des wirklichen Lebens. In der neuen Tragödie wird er zu einem Kunstorgan; er hilft die Poesie hervorbringen. Der neuere Dichter findet den Chor nicht mehr in der Natur, er muß ihn poetisch erschaffen und einführen, das ist, er muß mit der Fabel, die er behandelt, eine solche Veränderung vornehmen, wodurch sie in jene kindliche Zeit und in jene einfache Form des Lebens zurückversetzt wird. Der Chor leistet daher dem neuern Tragiker noch weit wesentlichere Dienste, als dem alten Dichter, eben deswegen, weil er die moderne gemeine Welt in die alte poetische verwandelt, weil er ihm alles das unbrauchbar macht, was der Poesie widerstrebt, und ihn auf die einfachsten, ursprünglichsten und naivsten Motive hinauftreibt. Der Palast der Könige ist jetzt geschlossen, die Gerichte haben sich von den Toren der Städte in das Innere der Häuser zurückgezogen, die Schrift hat das lebendige Wort verdrängt, das Volk selbst, die sinnlich lebendige Masse, ist, wo sie nicht als rohe Gewalt wirkt, zum Staat, folglich zu einem abgezogenen Begriff geworden, die Götter sind in die Brust des Menschen zurückgekehrt. Der Dichter muß die Paläste wieder auftun, er muß die Gerichte unter freien Himmel herausführen, er muß die Götter wieder aufstellen, er muß alles Unmittelbare, das durch die künstliche Einrichtung des wirklichen Lebens aufgehoben ist, wieder herstellen und alles künstliche Machwerk an dem Menschen und um denselben, das die Erscheinung seiner innern Natur und seines ursprünglichen Charakters hindert, wie der Bildhauer die modernen Gewänder, abwerfen und von allen äußern Umgebungen desselben nichts aufnehmen, als was die höchste der Formen, die menschliche, sichtbar macht. Aber ebenso, wie der bildende Künstler die faltige Fülle der Gewänder um seine Figuren breitet, um die Räume seines Bildes reich und anmutig auszufüllen, um die getrennten Partien desselben in ruhigen Massen stetig zu verbinden, um der Farbe, die das Auge reizt und erquickt, einen Spielraum zu geben, um die menschlichen Formen zugleich geistreich zu verhüllen und sichtbar zu machen, ebenso durchflicht und umgibt der tragische Dichter seine streng abgemessene Handlung und die festen Umrisse seiner handelnden Figuren mit einem lyrischen Prachtgewebe, in welchem sich, als wie in einem weit gefalteten Purpurgewand, die handelnden Personen frei und edel mit einer gehaltenen Würde und hoher Ruhe bewegen. In einer höhern Organisation darf der Stoff oder das Elementarische nicht mehr sichtbar sein, die chemische Farbe verschwindet in der feinen Carnation des Lebendigen. Aber auch der Stoff hat seine Herrlichkeit und kann als solcher in einem Kunstkörper aufgenommen werden. Dann aber muß er sich durch Leben und Fülle und durch Harmonie seinen Platz verdienen und die Formen, die er umgibt, geltend machen, anstatt sie durch seine Schwere zu erdrücken. In Werken der bildenden Kunst ist dieses jedem leicht verständlich, aber auch in der Poesie und in der tragischen, von der hier die Rede ist, findet dasselbe statt. Alles, was der Verstand sich im allgemeinen ausspricht, ist ebenso wie das, was bloß die Sinne reizt, nur Stoff und rohes Element in einem Dichterwerk und wird da, wo es vorherrscht, unausbleiblich das Poetische zerstören; denn dieses liegt gerade in dem Indifferenzpunkt des Ideellen und Sinnlichen. Nun ist aber der Mensch so gebildet, daß er immer von dem Besondern ins Allgemeine gehen will, und die Reflexion muß also auch in der Tragödie ihren Platz erhalten. Soll sie aber diesen Platz verdienen, so muß sie das, was ihr an sinnlichem Leben fehlt, durch den Vortrag wieder gewinnen, denn wenn die zwei Elemente der Poesie, das Ideale und Sinnliche, nicht innig verbunden zusammen wirken, so müssen sie nebeneinander wirken, oder die Poesie ist aufgehoben. Wenn die Waage nicht vollkommen inne steht, da kann das Gleichgewicht nur durch eine Schwankung der beiden Schalen hergestellt werden. Und dieses leistet nun der Chor in der Tragödie. Der Chor ist selbst kein Individuum, sondern ein allgemeiner Begriff, aber dieser Begriff repräsentiert sich durch eine sinnlich mächtige Masse, welche durch ihre ausfüllende Gegenwart den Sinnen imponiert. Der Chor verläßt den engen Kreis der Handlung, um sich über Vergangenes und Künftiges, über ferne Zeiten und Völker, über das Menschliche überhaupt zu verbreiten, um die großen Resultate des Lebens zu ziehen und die Lehren der Weisheit auszusprechen. Aber er tut dieses mit der vollen Macht der Phantasie, mit einer kühnen lyrischen Freiheit, welche auf den hohen Gipfeln der menschlichen Dinge, wie mit Schritten der Götter, einhergeht – und er tut es, von der ganzen sinnlichen Macht des Rhythmus und der Musik in Tönen und Bewegungen begleitet. Der Chor reinigt also das tragische Gedicht, indem er die Reflexion von der Handlung absondert und eben durch diese Absonderung sie selbst mit poetischer Kraft ausrüstet; ebenso, wie der bildende Künstler die gemeine Notdurft der Bekleidung durch eine reiche Draperie in einen Reiz und in eine Schönheit verwandelt. Aber ebenso, wie sich der Maler gezwungen sieht, den Farbenton des Lebendigen zu verstärken, um den mächtigen Stoffen das Gleichgewicht zu halten, so legt die lyrische Sprache des Chors dem Dichter auf, verhältnismäßig die ganze Sprache des Gedichts zu erheben und dadurch die sinnliche Gewalt des Ausdrucks überhaupt zu verstärken. Nur der Chor berechtiget den tragischen Dichter zu dieser Erhebung des Tons, die das Ohr ausfüllt, die den Geist anspannt, die das ganze Gemüt erweitert. Diese eine Riesengestalt in seinem Bilde nötigt ihn, alle seine Figuren auf den Kothurn zu stellen und seinem Gemälde dadurch die tragische Größe zu geben. Nimmt man den Chor hinweg, so muß die Sprache der Tragödie im Ganzen sinken, oder was jetzt groß und mächtig ist, wird gezwungen und überspannt erscheinen. Der alte Chor, in das französische Trauerspiel eingeführt, würde es in seiner ganzen Dürftigkeit darstellen und zunichte machen; eben derselbe würde ohne Zweifel Shakespeares Tragödie erst ihre wahre Bedeutung geben. So wie der Chor in die Sprache Leben bringt, so bringt er Ruhe in die Handlung – aber die schöne und hohe Ruhe, die der Charakter eines edeln Kunstwerkes sein muß. Denn das Gemüt des Zuschauers soll auch in der heftigsten Passion seine Freiheit behalten, es soll kein Raub der Eindrücke sein, sondern sich immer klar und heiter von den Rührungen scheiden, die es erleidet. Was das gemeine Urteil an dem Chor zu tadeln pflegt, daß er die Täuschung aufhebe, daß er die Gewalt der Affekte breche, das gereicht ihm zu seiner höchsten Empfehlung, denn eben diese blinde Gewalt der Affekte ist es, die der wahre Künstler vermeidet, diese Täuschung ist es, die er zu erregen verschmäht. Wenn die Schläge, womit die Tragödie unser Herz trifft, ohne Unterbrechung aufeinander folgten, so würde das Leiden über die Tätigkeit siegen. Wir würden uns mit dem Stoffe vermengen und nicht mehr über demselben schweben. Dadurch, daß der Chor die Teile auseinanderhält und zwischen die Passionen mit seiner beruhigenden Betrachtung tritt, gibt er uns unsre Freiheit zurück, die im Sturm der Affekte verlorengehen würde. Auch die tragischen Personen selbst bedürfen dieses Anhalts, dieser Ruhe, um sich zu sammeln; denn sie sind keine wirkliche Wesen, die bloß der Gewalt des Moments gehorchen und bloß ein Individuum darstellen, sondern ideale Personen und Repräsentanten ihrer Gattung, die das Tiefe der Menschheit aussprechen. Die Gegenwart des Chors, der als ein richtender Zeuge sie vernimmt und die ersten Ausbrüche ihrer Leidenschaft durch seine Dazwischenkunft bändigt, motiviert die Besonnenheit, mit der sie handeln, und die Würde, mit der sie reden. Sie stehen gewissermaßen schon auf einem natürlichen Theater, weil sie vor Zuschauern sprechen und handeln, und werden eben deswegen desto tauglicher, von dem Kunsttheater zu einem Publikum zu reden. Soviel über meine Befugnis, den alten Chor auf die tragische Bühne zurückzuführen. Chöre kennt man zwar auch schon in der modernen Tragödie, aber der Chor des griechischen Trauerspiels, so wie ich ihn hier gebraucht habe, der Chor als eine einzige ideale Person, die die ganze Handlung trägt und begleitet, dieser ist von jenen operhaften Chören wesentlich verschieden, und wenn ich bei Gelegenheit der griechischen Tragödie von Chören anstatt von einem Chor sprechen höre, so entsteht mir der Verdacht, daß man nicht recht wisse, wovon man rede. Der Chor der alten Tragödie ist meines Wissens seit dem Verfall derselben nie wieder auf der Bühne erschienen. Ich habe den Chor zwar in zwei Teile getrennt und im Streit mit sich selbst dargestellt; aber dies ist nur dann der Fall, wo er als wirkliche Person und als blinde Menge mithandelt. Als Chor und als ideale Person ist er immer eins mit sich selbst. Ich habe den Ort verändert und den Chor mehrmal abgehen lassen; aber auch Aeschylus, der Schöpfer der Tragödie, und Sophokles, der größte Meister in dieser Kunst, haben sich dieser Freiheit bedient. Eine andere Freiheit, die ich mir erlaubt, möchte schwerer zu rechtfertigen sein. Ich habe die christliche Religion und die griechische Götterlehre vermischt angewendet, ja, selbst an den maurischen Aberglauben erinnert. Aber der Schauplatz der Handlung ist Messina, wo diese drei Religionen teils lebendig, teils in Denkmälern fortwirkten und zu den Sinnen sprachen. Und dann halte ich es für ein Recht der Poesie, die verschiedenen Religionen als ein kollektives Ganze für die Einbildungskraft zu behandeln, in welchem alles, was einen eignen Charakter trägt, eine eigne Empfindungsweise ausdrückt, seine Stelle findet. Unter der Hülle aller Religionen liegt die Religion selbst, die Idee eines Göttlichen, und es muß dem Dichter erlaubt sein, dieses auszusprechen, in welcher Form er es jedesmal am bequemsten und am treffendsten findet. Personen Personen. Donna Isabella, Fürstin von Messina. Don Manuel, Don Cesar, ihre Söhne. Beatrice. Diego. Boten. Chor, besteht aus dem Gefolge der Brüder. Die Ältesten von Messina, reden nicht. [Stücktext] [Stücktext] Der Not gehorchend, nicht dem eignen Trieb, Tret ich, ihr greisen Häupter dieser Stadt, Heraus zu euch aus den verschwiegenen Gemächern meines Frauensaals, das Antlitz Vor euren Männerblicken zu entschleiern. Denn es geziemt der Witwe, die den Gatten Verloren, ihres Lebens Licht und Ruhm, Die schwarz umflorte Nachtgestalt dem Aug Der Welt in stillen Mauern zu verbergen, Doch unerbittlich, allgewaltig treib Des Augenblicks Gebieterstimme mich An das entwohnte Licht der Welt hervor. Nicht dreimal hat der Mond die Lichtgestalt Erneut, seit ich den fürstlichen Gemahl Zu seiner letzten Ruhestätte trug, Der mächtigwaltend dieser Stadt gebot, Mit starkem Arme gegen eine Welt Euch schützend, die euch feindlich rings umlagert. Er selber ist dahin, doch lebt sein Geist In einem tapfern Heldenpaare fort Glorreicher Söhne, dieses Landes Stolz. Ihr habt sie unter euch in freudger Kraft Aufwachsen sehen, doch mit ihnen wuchs Aus unbekannt verhängnisvollem Samen Auch ein unselger Bruderhaß empor, Der Kindheit frohe Einigkeit zerreißend, Und reifte furchtbar mit dem Ernst der Jahre. Nie hab ich ihrer Eintracht mich erfreut, An diesen Brüsten nährt ich beide gleich, Gleich unter sie verteil ich Lieb und Sorge Und beide weiß ich kindlich mir geneigt. In diesem einzgen Triebe sind sie eins, In allem andern trennt sie blutger Streit. Zwar weil der Vater noch gefürchtet herrschte, Hielt er durch gleicher Strenge furchtbare Gerechtigkeit die Heftigbrausenden im Zügel, Und unter eines Joches Eisenschwere Bog er vereinend ihren starren Sinn. Nicht waffentragend durften sie sich nahn, Nicht in denselben Mauren übernachten; So hemmt' er zwar mit strengem Machtgebot Den rohen Ausbruch ihres wilden Triebs, Doch ungebessert in der tiefen Brust Ließ er den Haß – Der Starke achtet es Gering, die leise Quelle zu verstopfen, Weil er dem Strome mächtig wehren kann. Was kommen mußte, kam. Als er die Augen Im Tode schloß, und seine starke Hand Sie nicht mehr bändigt, bricht der alte Groll Gleichwie des Feuers eingepreßte Glut, Zur offnen Flamme sich entzündend los. Ich sag euch, was ihr alle selbst bezeugt, Messina teilte sich, die Bruderfehde Löst' alle heilgen Bande der Natur, Dem allgemeinen Streit die Losung gebend, Schwert traf auf Schwert, zum Schlachtfeld ward die Stadt, Ja diese Hallen selbst besprützte Blut. Des Staates Bande sahet ihr zerreißen, Doch mir zerriß im Innersten das Herz – Ihr fühltet nur das öffentliche Leiden, Und fragtet wenig nach der Mutter Schmerz. Ihr kamt zu mir und spracht dies harte Wort: »Du siehst, daß deiner Söhne Bruderzwist Die Stadt empört in bürgerlichem Streit, Die, von dem bösem Nachbar rings umgarnt, Durch Eintracht nur dem Feinde widersteht. – Du bist die Mutter! Wohl, so siehe zu, Wie du der Söhne blutgen Hader stillst. Was kümmert uns, die Friedlichen, der Zank Der Herrscher? Sollen wir zugrunde gehn, Weil deine Söhne wütend sich befehden? Wir wollen uns selbst raten ohne sie, Und einem andern Herrn uns übergeben, Der unser Bestes will und schaffen kann!« So spracht ihr rauhen Männer, mitleidlos Für euch nur sorgend und für eure Stadt, Und wälztet noch die öffentliche Not Auf dieses Herz, das von der Mutter Angst Und Sorgen schwer genug belastet war. Ich unternahm das nicht zu Hoffende, Ich warf mit dem zerrißnen Mutterherzen Mich zwischen die Ergrimmten, Friede rufend – Unabgeschreckt, geschäftig, unermüdlich Beschickt ich sie, den einen um den andern, Bis ich erhielt durch mütterliches Flehn, Daß sies zufrieden sind, in dieser Stadt Messina, in dem väterlichen Schloß, Unfeindlich sich von Angesicht zu sehn, Was nie geschah, seitdem der Fürst verschieden. Dies ist der Tag! Des Boten harr ich stündlich, Der mir die Kunde bringt von ihrem Anzug. – Seid denn bereit, die Herrscher zu empfangen Mit Ehrfurcht, wies dem Untertanen ziemt. Nur eure Pflicht zu leisten seid bedacht, Fürs andre laßt uns andere gewähren. Verderblich diesem Land, und ihnen selbst Verderbenbringend war der Söhne Streit; Versöhnt, vereinigt, sind sie mächtig gnug, Euch zu beschützen gegen eine Welt, Und Recht sich zu verschaffen – gegen euch! Die Ältesten entfernen sich schweigend, die Hand auf der Brust. Sie winkt einem alten Diener, der zurückbleibt. Isabella. Diego. Diego! Was gebietet meine Fürstin? Bewährter Diener! Redlich Herz! Tritt näher! Mein Leiden hast du, meinen Schmerz geteilt, So teil auch jetzt das Glück der Glücklichen. Verpfändet hab ich deiner treuen Brust Mein schmerzlich süßes, heiliges Geheimnis. Der Augenblick ist da, wo es ans Licht Des Tages soll hervorgezogen werden. Zu lange schon erstickt ich der Natur Gewaltge Regung, weil noch über mich Ein fremder Wille herrisch waltete, Jetzt darf sich ihre Stimme frei erheben, Noch heute soll dies Herz befriedigt sein, Und dieses Haus, das lang verödet war, Versammle alles, was mir teuer ist. So lenke denn die alterschweren Tritte Nach jenem wohlbekannten Kloster hin, Das einen teuren Schatz mir aufbewahrt. Du warst es, treue Seele, der ihn mir Dorthin geflüchtet hat auf beßre Tage, Den traurgen Dienst der Traurigen erzeigend. Du bringe fröhlich jetzt der Glücklichen Das teure Pfand zurück. Man hört in der Ferne blasen. O eile, eile, Und laß die Freude deinen Schritt verjüngen! Ich höre kriegerischer Hörner Schall, Der meiner Söhne Einzug mir verkündigt. Diego geht ab. Die Musik läßt sich noch von einer entgegengesetzten Seite immer näher und näher hören. Erregt ist ganz Messina – Horch! ein Strom Verworrner Stimmen wälzt sich brausend her – Sie sinds! Das Herz der Mutter, mächtig schlagend, Empfindet ihrer Nähe Kraft und Zug. Sie sinds! O meine Kinder, meine Kinder! Sie eilt hinaus. Chor tritt auf. Er besteht aus zwei Halbchören, welche zu gleicher Zeit, von zwei entgegengesetzten Seiten, der eine aus der Tiefe, der andere aus dem Vordergrund eintreten, rund um die Bühne gehen und sich alsdann auf derselben Seite, wo jeder eingetreten, in eine Reihe stellen. Den einen Halbchor bilden die ältern, den andern die jüngern Ritter, beide sind durch Farbe und Abzeichen verschieden. Wenn beide Chöre einander gegenüberstehen, schweigt der Marsch und die beiden Chorführer reden. Dich begrüß ich in Ehrfurcht, Prangende Halle, Dich meiner Herrscher Fürstliche Wiege, Säulengetragenes herrliches Dach. Tief in der Scheide Ruhe das Schwert, Vor den Toren gefesselt Liege des Streits schlangenhaarigtes Scheusal. Denn des gastlichen Hauses Unverletzliche Schwelle Hütet der Eid, der Erinnyen Sohn, Der furchtbarste unter den Göttern der Hölle! Zürnend ergrimmt mir das Herz im Busen, Zu dem Kampf ist die Faust geballt, Denn ich sehe das Haupt der Medusen, Meines Feindes verhaßte Gestalt. Kaum gebiet ich dem kochendem Blute. Gönn ich ihm die Ehre des Worts? Oder gehorch ich dem zürnenden Mute? Aber mich schreckt die Eumenide, Die Beschirmerin dieses Orts, Und der waltende Gottesfriede. Weisere Fassung Ziemet dem Alter, Ich, der Vernünftige, grüße zuerst. Zu dem zweiten Chor. Sei mir willkommen, Der du mit mir Gleiche Gefühle Brüderlich teilend, Dieses Palastes Schützende Götter Fürchtend verehrst! Weil sich die Fürsten gütlich besprechen, Wollen auch wir jetzt Worte des Friedens Harmlos wechseln mit ruhigem Blut, Denn auch das Wort ist, das heilende, gut. Aber treff ich dich draußen im Freien, Da mag der blutige Kampf sich erneuen, Da erprobe das Eisen den Mut. Aber treff ich dich draußen im Freien, Da mag der blutige Kampf sich erneuen, Da erprobe das Eisen den Mut. Dich nicht haß ich! Nicht du bist mein Feind! Eine Stadt ja hat uns geboren, Jene sind ein fremdes Geschlecht. Aber wenn sich die Fürsten befehden, Müssen die Diener sich morden und töten, Das ist die Ordnung, so will es das Recht. Mögen sies wissen, Warum sie sich blutig Hassend bekämpfen! Mich ficht es nicht an. Aber wir fechten ihre Schlachten, Der ist kein Tapfrer, kein Ehrenmann, Der den Gebieter läßt verachten. Aber wir fechten ihre Schlachten, Der ist kein Tapfrer, kein Ehrenmann, Der den Gebieter läßt verachten. Hört, was ich bei mir selbst erwogen, Als ich müßig dahergezogen Durch des Korns hochwallende Gassen, Meinen Gedanken überlassen. Wir haben uns in des Kampfes Wut Nicht besonnen und nicht beraten, Denn uns betörte das brausende Blut. Sind sie nicht unser, diese Saaten? Diese Ulmen, mit Reben umsponnen, Sind sie nicht Kinder unsrer Sonnen? Könnten wir nicht in frohem Genuß Harmlos vergnügliche Tage spinnen, Lustig das leichte Leben gewinnen? Warum ziehn wir mit rasendem Beginnen Unser Schwert für das fremde Geschlecht? Es hat an diesen Boden kein Recht. Auf dem Meerschiff ist es gekommen, Von der Sonne rötlichtem Untergang, Gastlich haben wirs aufgenommen (Unsre Väter! Die Zeit ist lang) Und jetzt sehen wir uns als Knechte Untertan diesem fremden Geschlechte! Wohl! Wir bewohnen ein glückliches Land, Das die himmelumwandelnde Sonne Ansieht mit immer freundlicher Helle, Und wir könnten es fröhlich genießen, Aber es läßt sich nicht sperren und schließen, Und des Meers rings umgebende Welle Sie verrät uns dem kühnen Korsaren, Der die Küste verwegen durchkreuzt. Einen Segen haben wir zu bewahren, Der das Schwert nur des Fremdlings reizt. Sklaven sind wir in den eigenen Sitzen, Das Land kann seine Kinder nicht schützen. Nicht wo die goldene Ceres lacht Und der friedliche Pan, der Flurenbehüter, Wo das Eisen wächst in der Berge Schacht, Da entspringen der Erde Gebieter. Ungleich verteilt sind des Lebens Güter Unter der Menschen flüchtgem Geschlecht, Aber die Natur, sie ist ewig gerecht. Uns verlieh sie das Mark und die Fülle, Die sich immer erneuend erschafft, Jenen ward der gewaltige Wille Und die unzerbrechliche Kraft. Mit der furchtbaren Stärke gerüstet, Führen sie aus, was dem Herzen gelüstet. Füllen die Erde mit mächtigem Schall, Aber hinter den großen Höhen Folgt auch der tiefe, der donnernde Fall. Darum lob ich mir niedrig zu stehen, Mich verbergend in meiner Schwäche! Jene gewaltigen Wetterbäche, Aus des Hagels unendlichen Schloßen, Aus den Wolkenbrüchen zusammengeflossen, Kommen finster gerauscht und geschossen, Reißen die Brücken und reißen die Dämme Donnernd mit fort im Wogengeschwemme; Nichts ist, das die Gewaltigen hemme. Doch nur der Augenblick hat sie geboren, Ihres Laufes furchtbare Spur Geht verrinnend im Sande verloren, Die Zerstörung verkündigt sie nur. – Die fremden Eroberer kommen und gehen, Wir gehorchen, aber wir bleiben stehen. Die hintere Türe öffnet sich, Donna Isabella erscheint zwischen ihren Söhnen Don Manuel und Don Cesar. Preis ihr und Ehre, Die uns dort aufgeht, Eine glänzende Sonne, Kniend verehr ich dein herrliches Haupt. Schön ist des Mondes Mildere Klarheit Unter der Sterne blitzendem Glanz, Schön ist der Mutter Liebliche Hoheit Zwischen der Söhne feuriger Kraft, Nicht auf der Erden Ist ihr Bild und ihr Gleichnis zu sehn. Hoch auf des Lebens Gipfel gestellt, Schließt sie blühend den Kreis des Schönen, Mit der Mutter und ihren Söhnen Krönt sich die herrlich vollendete Welt. Selber die Kirche, die göttliche, stellt nicht Schöneres dar auf dem himmlischen Thron, Höheres bildet Selber die Kunst nicht, die göttlich geborne, Als die Mutter mit ihrem Sohn. Freudig sieht sie aus ihrem Schoße Einen blühenden Baum sich erheben, Der sich ewig sprossend erneut. Denn sie hat ein Geschlecht geboren, Welches wandeln wird mit der Sonne, Und den Namen geben der rollenden Zeit. Völker verrauschen, Namen verklingen, Finstre Vergessenheit Breitet die dunkelnachtenden Schwingen Über ganzen Geschlechtern aus. Aber der Fürsten Einsame Häupter Glänzen erhellt, Und Aurora berührt sie Mit den ewigen Strahlen Als die ragenden Gipfel der Welt. mit ihren Söhnen hervortretend. Blick nieder, hohe Königin des Himmels, Und halte deine Hand auf dieses Herz, Daß es der Übermut nicht schwellend hebe, Denn leicht vergäße sich der Mutter Freude, Wenn sie sich spiegelt in der Söhne Glanz, Zum erstenmal, seitdem ich sie geboren, Umfaß ich meines Glückes Fülle ganz. Denn bis auf diesen Tag mußt ich gewaltsam Des Herzens fröhliche Ergießung teilen, Vergessen ganz mußt ich den einen Sohn, Wenn ich der Nähe mich des andern freute. O meine Mutterliebe ist nur eine, Und meine Söhne waren ewig zwei! – Sagt, darf ich ohne Zittern mich der süßen Gewalt des trunknen Herzens überlassen? Zu Don Manuel. Wenn ich die Hand des Bruders freundlich drücke, Stoß ich den Stachel tief in deine Brust? Zu Don Cesar. Wenn ich das Herz an seinem Anblick weide, Ists nicht ein Raub an dir? – O ich muß zittern, Daß meine Liebe selbst, die ich euch zeige, Nur eures Hasses Flammen heftger schüre. Nachdem sie beide fragend angesehen. Was darf ich mir von euch versprechen? Redet! Mit welchem Herzen kamet ihr hieher? Ists noch der alte unversöhnte Haß, Den ihr mit herbringt in des Vaters Haus, Und wartet draußen vor des Schlosses Toren Der Krieg, auf Augenblicke nur gebändigt, Und knirschend in das eherne Gebiß, Um alsobald, wenn ihr den Rücken mir Gekehrt, mit neuer Wut sich zu entfesseln? Krieg oder Frieden! Noch liegen die Lose Dunkel verhüllt in der Zukunft Schoße! Doch es wird sich noch, eh wir uns trennen, entscheiden, Wir sind bereit und gerüstet zu beiden. im ganzen Kreis umherschauend. Und welcher furchtbar kriegerische Anblick! Was sollen diese hier? Ists eine Schlacht, Die sich in diesen Sälen zubereitet? Wozu die fremde Schar, wenn eine Mutter Das Herz aufschließen will vor ihren Kindern? Bis in den Schoß der Mutter fürchtet ihr Der Arglist Schlingen, tückischen Verrat, Daß ihr den Rücken euch besorglich deckt? – O diese wilden Banden, die euch folgen, Die raschen Diener eures Zorns – Sie sind Nicht eure Freunde! Glaubet nimmermehr, Daß sie euch wohlgesinnt zum Besten raten! Wie könnten sies von Herzen mit euch meinen, Den Fremdlingen, dem eingedrungnen Stamm, Der aus dem eignen Erbe sie vertrieben, Sich über sie der Herrschaft angemaßt? Glaubt mir! Es liebt ein jeder, frei sich selbst Zu leben nach dem eigenen Gesetz, Die fremde Herrschaft wird mit Neid ertragen. Von eurer Macht allein und ihrer Furcht Erhaltet ihr den gern versagten Dienst. Lernt dies Geschlecht, das herzlos falsche, kennen! Die Schadenfreude ists, wodurch sie sich An eurem Glück, an eurer Größe rächen. Der Herrscher Fall, der hohen Häupter Sturz Ist ihrer Lieder Stoff und ihr Gespräch, Was sich vom Sohn zum Enkel forterzählt, Womit sie sich die Winternächte kürzen. – O meine Söhne! Feindlich ist die Welt Und falsch gesinnt! Es liebt ein jeder nur Sich selbst, unsicher, los und wandelbar Sind alle Bande, die das leichte Glück Geflochten – Laune löst, was Laune knüpfte – Nur die Natur ist redlich! Sie allein Liegt an dem ewgen Ankergrunde fest, Wenn alles andre auf den sturmbewegten Wellen Des Lebens unstet treibt – Die Neigung gibt Den Freund, es gibt der Vorteil den Gefährten, Wohl dem, dem die Geburt den Bruder gab, Ihn kann das Glück nicht geben! Anerschaffen Ist ihm der Freund, und gegen eine Welt Voll Kriegs und Truges steht er zweifach da! Ja, es ist etwas Großes, ich muß es verehren, Um einer Herrscherin fürstlichen Sinn, Über der Menschen Tun und Verkehren Blickt sie mit ruhiger Klarheit hin. Uns aber treibt das verworrene Streben Blind und sinnlos durchs wüste Leben. zu Don Cesar. Du, der das Schwert auf seinen Bruder zückt, Sieh dich umher in dieser ganzen Schar, Wo ist ein edler Bild als deines Bruders? Zu Don Manuel. Wer unter diesen, die du Freunde nennst, Darf deinem Bruder sich zur Seite stellen? Ein jeder ist ein Muster seines Alters, Und keiner gleicht und keiner weicht dem andern. Wagt es, euch in das Angesicht zu sehn! O Raserei der Eifersucht, des Neides! Ihn würdest du aus Tausenden heraus Zum Freunde dir gewählt, ihn an dein Herz Geschlossen haben als den einzigen, Und jetzt, da ihn die heilige Natur Dir gab, dir in der Wiege schon ihn schenkte, Trittst du, ein Frevler an dem eignen Blut, Mit stolzer Willkür ihr Geschenk mit Füßen, Dich wegzuwerfen an den schlechtern Mann, Dich an den Feind und Fremdling anzuschließen! Höre mich, Mutter! Mutter, höre mich! Nicht Worte sinds, die diesen traurgen Streit Erledigen – Hier ist das Mein und Dein, Die Rache von der Schuld nicht mehr zu sondern. – Wer möchte noch das alte Bette finden Des Schwefelstroms, der glühend sich ergoß? Des unterirdschen Feuers schreckliche Geburt ist alles, eine Lavarinde Liegt aufgeschichtet über dem Gesunden, Und jeder Fußtritt wandelt auf Zerstörung. – Nur dieses eine leg ich euch ans Herz. Das Böse, das der Mann, der mündige, Dem Manne zufügt, das, ich will es glauben, Vergibt sich und versöhnt sich schwer. Der Mann Will seinen Haß, und keine Zeit verändert Den Ratschluß, den er wohlbesonnen faßt. Doch eures Haders Ursprung steigt hinauf In unverständger Kindheit frühe Zeit, Sein Alter ists, was ihn entwaffnen sollte. Fraget zurück, was euch zuerst entzweite, Ihr wißt es nicht, ja, fändet ihrs auch aus, Ihr würdet euch des kindschen Haders schämen. Und dennoch ists der erste Kinderstreit, Der fortgezeugt in unglückselger Kette, Die neuste Unbill dieses Tags geboren. Denn alle schweren Taten, die bis jetzt geschahn, Sind nur des Argwohns und der Rache Kinder. – Und jene Knabenfehde wolltet ihr Noch jetzt fortkämpfen, da ihr Männer seid? Beider Hände fassend. O meine Söhne! Kommt, entschließet euch, Die Rechnung gegenseitig zu vertilgen, Denn gleich auf beiden Seiten ist das Unrecht. Seid edel, und großherzig schenkt einander Die unabtragbar ungeheure Schuld. Der Siege göttlichster ist das Vergeben! In eures Vaters Gruft werft ihn hinab Den alten Haß der frühen Kinderzeit! Der schönen Liebe sei das neue Leben, Der Eintracht, der Versöhnung seis geweiht. Sie tritt einen Schritt zwischen beiden zurück, als wollte sie ihnen Raum geben, sich einander zu nähern. Beide blicken zur Erde, ohne einander anzusehen. Höret der Mutter vermahnende Rede, Wahrlich, sie spricht ein gewichtiges Wort! Laßt es genug sein und endet die Fehde, Oder gefällts euch, so setzet sie fort. Was euch genehm ist, das ist mir gerecht, Ihr seid die Herrscher und ich bin der Knecht. nachdem sie einige Zeit innegehalten und vergebens eine Äußerung der Brüder erwartet, mit unterdrücktem Schmerz. Jetzt weiß ich nichts mehr. Ausgeleert hab ich Der Worte Köcher und erschöpft der Bitten Kraft. Im Grabe ruht, der euch gewaltsam bändigte, Und machtlos steht die Mutter zwischen euch. – Vollendet! Ihr habt freie Macht! Gehorcht Dem Dämon, der euch sinnlos wütend treibt, Ehrt nicht des Hausgotts heiligen Altar, Laßt diese Halle selbst, die euch geboren, Den Schauplatz werden eures Wechselmords. Vor eurer Mutter Aug zerstöret euch Mit euren eignen, nicht durch fremde Hände. Leib gegen Leib, wie das thebanische Paar, Rückt aufeinander an und wutvoll ringend Umfanget euch mit eherner Umarmung, Leben um Leben tauschend siege jeder Den Dolch einbohrend in des andern Brust, Daß selbst der Tod nicht eure Zwietracht heile, Die Flamme selbst, des Feuers rote Säule, Die sich von eurem Scheiterhaufen hebt, Sich zweigespalten voneinander teile, Ein schaudernd Bild, wie ihr gestorben und gelebt. Sie geht ab. Die Brüder bleiben noch in der vorigen Entfernung voneinander stehen. Beide Brüder. Beide Chöre. Es sind nur Worte, die sie gesprochen, Aber sie haben den fröhlichen Mut In der felsigten Brust mir gebrochen! Ich nicht vergoß das verwandte Blut. Rein zum Himmel erheb ich die Hände, Ihr seid Brüder! Bedenket das Ende! ohne Don Manuel anzusehen. Du bist der ältre Bruder, rede du! Dem Erstgebornen weich ich ohne Schande. in derselben Stellung. Sag etwas Gutes und ich folge gern Dem edeln Beispiel, das der jüngre gibt. Nicht weil ich für den Schuldigeren mich Erkenne, oder schwächer gar mich fühle – Nicht Kleinmuts zeiht Don Cesarn, wer ihn kennt, Fühlt' er sich schwächer, würd er stolzer reden. Denkst du von deinem Bruder nicht geringer? Du bist zu stolz zur Demut, ich zur Lüge. Verachtung nicht erträgt mein edles Herz. Doch in des Kampfes heftigster Erbittrung Gedachtest du mit Würde deines Bruders. Du willst nicht meinen Tod, ich habe Proben. Ein Mönch erbot sich dir, mich meuchlerisch Zu morden, du bestraftest den Verräter. tritt etwas näher. Hätt ich dich früher so gerecht erkannt, Es wäre vieles ungeschehn geblieben. Und hätt ich dir ein so versöhnlich Herz Gewußt, viel Mühe spart ich dann der Mutter. Du wurdest mir viel stolzer abgeschildert. Es ist der Fluch der Hohen, daß die Niedern Sich ihres offnen Ohrs bemächtigen. lebhaft. So ist, die Diener tragen alle Schuld! Die unser Herz in bitterm Haß entfremdet. Die böse Worte hin und wider trugen. Mit falscher Deutung jede Tat vergiftet. Die Wunde nährten, die sie heilen sollten. Die Flamme schürten, die sie löschen konnten. Wir waren die Verführten, die Betrognen! Das blinde Werkzeug fremder Leidenschaft! Ists wahr, daß alles andre treulos ist – Und falsch! Die Mutter sagts, du darfst es glauben! So will ich diese Bruderhand ergreifen – Er reicht ihm die Hand hin. ergreift sie lebhaft. Die mir die nächste ist auf dieser Welt. Beide stehen Hand in Hand und betrachten einander eine Zeitlang schweigend. Ich seh dich an und überrascht, erstaunt Find ich in dir der Mutter teure Züge. Und eine Ähnlichkeit entdeckt sich mir In dir, die mich noch wunderbarer rühret. Bist du es wirklich, der dem jüngern Bruder So hold begegnet und so gütig spricht? Ist dieser freundlich sanftgesinnte Jüngling Der übelwollend mir gehäßge Bruder? Wiederum Stillschweigen; jeder steht in den Anblick des andern verloren. Du nahmst die Pferde von arabscher Zucht In Anspruch, aus dem Nachlaß unsers Vaters. Den Rittern, die du schicktest, schlug ichs ab. Sie sind dir lieb, ich denke nicht mehr dran. Nein, nimm die Rosse, nimm den Wagen auch Des Vaters, nimm sie, ich beschwöre dich. Ich will es tun, wenn du das Schloß am Meere Beziehen willst, um das wir heftig stritten. Ich nehm es nicht, doch bin ichs wohl zufrieden, Daß wirs gemeinsam brüderlich bewohnen. So seis! Warum ausschließend Eigentum Besitzen, da die Herzen einig sind. Warum noch länger abgesondert leben, Da wir, vereinigt, jeder reicher werden? Wir sind nicht mehr getrennt, wir sind vereinigt. Er eilt in seine Arme. zum zweiten. Was stehen wir hier noch feindlich geschieden, Da die Fürsten sich liebend umfassen? Ihrem Beispiel folg ich und biete dir Frieden, Wollen wir einander denn ewig hassen? Sind sie Brüder durch Blutes Bande, Sind wir Bürger und Söhne von einem Lande. Beide Chöre umarmen sich. Ein Bote tritt auf. zu Don Cesar. Den Späher, den du ausgesendet, Herr, Erblick ich wiederkehrend. Freue dich, Don Cesar! Gute Botschaft harret dein, Denn fröhlich strahlt der Blick des Kommenden. Heil mir und Heil der fluchbefreiten Stadt, Des schönsten Anblicks wird mein Auge froh. Die Söhne meines Herrn, die Fürsten seh ich In friedlichem Gespräche, Hand in Hand, Die ich in heißer Kampfeswut verlassen. Du siehst die Liebe aus des Hasses Flammen Wie einen neu verjüngten Phönix steigen. Ein zweites leg ich zu dem ersten Glück. Mein Botenstab ergrünt von frischen Zweigen! ihn beiseite führend. Laß hören, was du bringst. Ein einzger Tag Will alles, was erfreulich ist, versammeln. Auch die Verlorene, nach der wir suchten, Sie ist gefunden, Herr, sie ist nicht weit. Sie ist gefunden. O wo ist sie? Sprich! Hier in Messina, Herr, verbirgt sie sich. zu dem ersten Halbchor gewendet. Von hoher Röte Glut seh ich die Wangen Des Bruders glänzen, und sein Auge blitzt. Ich weiß nicht, was es ist, doch ists die Farbe Der Freude und mitfreuend teil ich sie. zu dem Boten. Komm, führe mich – Leb wohl, Don Manuel! Im Arm der Mutter finden wir uns wieder, Jetzt fodert mich ein dringend Werk von hier. Er will gehen. Verschieb es nicht. Das Glück begleite dich! besinnt sich und kommt zurück. Don Manuel! Mehr, als ich sagen kann, Freut mich dein Anblick – ja mir ahnet schon, Wir werden uns wie Herzensfreunde lieben, Der langgebundne Trieb wird freudger nur Und mächtger streben in der neuen Sonne, Nachholen werd ich das verlorne Leben. Die Blüte deutet auf die schöne Frucht. Es ist nicht recht, ich fühls und tadle mich, Daß ich mich jetzt aus deinen Armen reiße. Denk nicht, ich fühle weniger als du, Weil ich die festlich schöne Stunde rasch zerschneide. mit sichtbarer Zerstreuung. Gehorche du dem Augenblick! Der Liebe Gehört von heute an das ganze Leben. Entdeckt ich dir, was mich von hinnen ruft – Laß mir dein Herz, dir bleibe dein Geheimnis. Auch kein Geheimnis trenn uns ferner mehr, Bald soll die letzte dunkle Falte schwinden! Zu dem Chor gewendet. Euch künd ichs an, damit ihrs alle wisset! Der Streit ist abgeschlossen zwischen mir Und dem geliebten Bruder! Den erklär ich Für meinen Todfeind und Beleidiger, Und werd ihn hassen wie der Hölle Pforten, Der den erloschnen Funken unsers Streits Aufbläst zu neuen Flammen – Hoffe keiner Mir zu gefallen oder Dank zu ernten, Der von dem Bruder Böses mir berichtet, Mit falscher Dienstbegier den bittern Pfeil Des raschen Worts geschäftig weitersendet. – Nicht Wurzeln auf der Lippe schlägt das Wort, Das unbedacht dem schnellen Zorn entflohen, Doch von dem Ohr des Argwohns aufgefangen, Kriecht es wie Schlingkraut endlos treibend fort, Und hängt ans Herz sich an mit tausend Ästen, So trennen endlich in Verworrenheit Unheilbar sich die Guten und die Besten! Er umarmt den Bruder noch einmal und geht ab, von dem zweiten Chore begleitet. Don Manuel und der erste Chor. Verwundrungsvoll, o Herr, betracht ich dich, Und fast muß ich dich heute ganz verkennen. Mit karger Rede kaum erwiderst du Des Bruders Liebesworte, der gutmeinend Mit offnem Herzen dir entgegenkommt. Versunken in dich selber stehst du da Gleich einem Träumenden, als wäre nur Dein Leib zugegen und die Seele fern. Wer so dich sähe, möchte leicht der Kälte Dich zeihn und stolz unfreundlichen Gemüts, Ich aber will dich drum nicht fühllos schelten, Denn heiter blickst du wie ein Glücklicher Um dich und Lächeln spielt um deine Wangen. Was soll ich sagen? Was erwidern? Mag Der Bruder Worte finden! Ihn ergreift Ein überraschend neu Gefühl, er sieht Den alten Haß aus seinem Busen schwinden, Und wundernd fühlt er sein verwandelt Herz. Ich – habe keinen Haß mehr mitgebracht, Kaum weiß ich noch, warum wir blutig stritten. Denn über allen irdschen Dingen hoch Schwebt mir auf Freudenfittichen die Seele, Und in dem Glanzesmeer, das mich umfängt, Sind alle Wolken mir und finstre Falten Des Lebens ausgeglättet und verschwunden. – Ich sehe diese Hallen, diese Säle Und denke mir das freudige Erschrecken Der überraschten, hocherstaunten Braut, Wenn ich als Fürstin sie und Herrscherin Durch dieses Hauses Pforten führen werde. – Noch liebt sie nur den Liebenden! Dem Fremdling, Dem Namenlosen hat sie sich gegeben. Nicht ahnet sie, daß es Don Manuel, Messinas Fürst ist, der die goldne Binde Ihr um die schöne Stirne flechten wird. Wie süß ists, das Geliebte zu beglücken Mit ungehoffter Größe Glanz und Schein! Längst spart ich mir dies höchste der Entzücken, Wohl bleibt es stets sein höchster Schmuck allein, Doch auch die Hoheit darf das Schöne schmücken, Der goldne Reif erhebt den Edelstein. Ich höre dich, o Herr, vom langen Schweigen Zum erstenmal den stummen Mund entsiegeln. Mit Späheraugen folgt ich dir schon längst, Ein seltsam wunderbar Geheimnis ahnend, Doch nicht erkühnt ich mich, was du vor mir In tiefes Dunkel hüllst, dir abzufragen. Dich reizt nicht mehr der Jagden muntre Lust, Der Rosse Wettlauf und des Falken Sieg. Aus der Gefährten Aug verschwindest du, Sooft die Sonne sinkt zum Himmelsrande, Und keiner unsers Chors, die wir dich sonst In jeder Kriegs- und Jagdgefahr begleiten, Mag deines stillen Pfads Gefährte sein. Warum verschleierst du bis diesen Tag Dein Liebesglück mit dieser neidschen Hülle? Was zwingt den Mächtigen, daß er verhehle? Denn Furcht ist fern von deiner großen Seele. Geflügelt ist das Glück und schwer zu binden, Nur in verschloßner Lade wirds bewahrt, Das Schweigen ist zum Hüter ihm gesetzt, Und rasch entfliegt es, wenn Geschwätzigkeit Voreilig wagt, die Decke zu erheben. Doch jetzt, dem Ziel so nahe, darf ich wohl Das lange Schweigen brechen und ich wills. Denn mit der nächsten Morgensonne Strahl Ist sie die Meine, und des Dämons Neid Wird keine Macht mehr haben über mich. Nicht mehr verstohlen werd ich zu ihr schleichen, Nicht rauben mehr der Liebe goldne Frucht, Nicht mehr die Freude haschen auf der Flucht, Das Morgen wird dem schönen Heute gleichen, Nicht Blitzen gleich, die schnell vorüberschießen, Und plötzlich von der Nacht verschlungen sind, Mein Glück wird sein, gleichwie des Baches Fließen, Gleichwie der Sand des Stundenglases rinnt! So nenne sie uns, Herr, die dich im stillen Beglückt, daß wir dein Los beneidend rühmen, Und würdig ehren unsers Fürsten Braut. Sag an, wo du sie fandest, wo verbirgst, In welches Orts verschwiegner Heimlichkeit? Denn wir durchziehen schwärmend weit und breit Die Insel auf der Jagd verschlungnen Pfaden, Doch keine Spur hat uns dein Glück verraten, So daß ich bald mich überreden möchte, Es hülle sie ein Zaubernebel ein. Den Zauber lös ich auf, denn heute noch Soll, was verborgen war, die Sonne schauen. Vernehmet denn und hört, wie mir geschah. Fünf Monde sinds, es herrschte noch im Lande Des Vaters Macht, und beugete gewaltsam Der Jugend starren Nacken in das Joch – Nichts kannt ich als der Waffen wilde Freuden, Und als des Weidwerks kriegerische Lust. – Wir hatten schon den ganzen Tag gejagt Entlang des Waldgebirges – da geschahs, Daß die Verfolgung einer weißen Hindin Mich weit hinweg aus eurem Haufen riß. Das scheue Tier floh durch des Tales Krümmen, Durch Busch und Kluft und bahnenlos Gestrüpp, Auf Wurfes Weite sah ichs stets vor mir, Doch konnt ichs nicht erreichen noch erzielen, Bis es zuletzt an eines Gartens Pforte mir Verschwand. Schnell von dem Roß herab mich werfend Dring ich ihm nach, schon mit dem Speere zielend, Da seh ich wundernd das erschrockne Tier Zu einer Nonne Füßen zitternd liegen, Die es mit zarten Händen schmeichelnd kost. Bewegungslos starr ich das Wunder an, Den Jagdspieß in der Hand, zum Wurf ausholend – Sie aber blickt mit großen Augen flehend Mich an, so stehn wir schweigend gegeneinander – Wie lange Frist, das kann ich nicht ermessen, Denn alles Maß der Zeiten war vergessen. Tief in die Seele drückt sie mir den Blick, Und umgewandelt schnell ist mir das Herz. – Was ich nun sprach, was die Holdselge mir Erwidert, möge niemand mich befragen, Denn wie ein Traumbild liegt es hinter mir Aus früher Kindheit dämmerhellen Tagen, An meiner Brust fühlt ich die ihre schlagen, Als die Besinnungskraft mir wiederkam. Da hört ich einer Glocke helles Läuten, Den Ruf zur Hora schien es zu bedeuten, Und schnell wie Geister in die Luft verwehen, Entschwand sie mir und ward nicht mehr gesehen. Mit Furcht, o Herr, erfüllt mich dein Bericht, Raub hast du an dem Göttlichen begangen, Des Himmels Braut berührt mit sündigem Verlangen, Denn furchtbar heilig ist des Klosters Pflicht. Jetzt hatt ich eine Straße nur zu wandeln, Das unstet schwanke Sehnen war gebunden, Dem Leben war sein Inhalt ausgefunden. Und wie der Pilger sich nach Osten wendet, Wo ihm die Sonne der Verheißung glänzt, So kehrte sich mein Hoffen und mein Sehnen Dem einen hellen Himmelspunkte zu. Kein Tag entstieg dem Meer und sank hinunter, Der nicht zwei glücklich Liebende vereinte, Geflochten still war unsrer Herzen Bund, Nur der allsehnde Äther über uns War des verschwiegnen Glücks vertrauter Zeuge, Es brauchte weiter keines Menschen Dienst. Das waren goldne Stunden, selge Tage! – Nicht Raub am Himmel war mein Glück, denn noch Durch kein Gelübde war das Herz gefesselt, Das sich auf ewig mir zu eigen gab. So war das Kloster eine Freistatt nur Der zarten Jugend, nicht des Lebens Grab? Ein heilig Pfand ward sie dem Gotteshaus Vertraut, das man zurück einst werde fodern. Doch welches Blutes rühmt sie sich zu sein? Denn nur vom Edeln kann das Edle stammen. Sich selber ein Geheimnis wuchs sie auf, Nicht kennt sie ihr Geschlecht noch Vaterland. Und leitet keine dunkle Spur zurück Zu ihres Daseins unbekannten Quellen? Daß sie von edelm Blut, gesteht der Mann, Der einzge, der um ihre Herkunft weiß. Wer ist der Mann? Nichts halte mir zurück, Denn wissend nur kann ich dir nützlich raten. Ein alter Diener naht von Zeit zu Zeit, Der einzge Bote zwischen Kind und Mutter. Von diesem Alten hast du nichts erforscht? Feigherzig und geschwätzig ist das Alter. Nie wagt ichs, einer Neugier nachzugeben, Die mein verschwiegnes Glück gefährden konnte. Was aber war der Inhalt seiner Worte, Wenn er die Jungfrau zu besuchen kam? Auf eine Zeit, die alles lösen werde, Hat er von Jahr zu Jahren sie vertröstet. Und diese Zeit, die alles lösen soll, Hat er sie näher deutend nicht bezeichnet? Seit wenig Monden drohete der Greis Mit einer nahen Ändrung ihres Schicksals. Er drohte, sagst du? Also fürchtest du Ein Licht zu schöpfen, das dich nicht erfreut? Ein jeder Wechsel schreckt den Glücklichen, Wo kein Gewinn zu hoffen, droht Verlust. Doch konnte die Entdeckung, die du fürchtest, Auch deiner Liebe günstge Zeichen bringen. Auch stürzen konnte sie mein Glück, drum wählt ich Das Sicherste, ihr schnell zuvorzukommen. Wie das, o Herr? Mit Furcht erfüllst du mich, Und eine rasche Tat muß ich besorgen. Schon seit den letzten Monden ließ der Greis Geheimnisvolle Winke sich entfallen, Daß nicht mehr ferne sei der Tag, der sie Den Ihrigen zurückegeben werde. Seit gestern aber sprach ers deutlich aus, Daß mit der nächsten Morgensonne Strahl – Dies aber ist der Tag, der heute leuchtet – Ihr Schicksal sich entscheidend werde lösen. Kein Augenblick war zu verlieren, schnell War mein Entschluß gefaßt und schnell vollstreckt. In dieser Nacht raubt ich die Jungfrau weg Und brachte sie verborgen nach Messina. Welch kühn verwegen-räuberische Tat! – Verzeih, o Herr, die freie Tadelrede! Doch solches ist des weisern Alters Recht, Wenn sich die rasche Jugend kühn vergißt. Unfern vom Kloster der Barmherzigen, In eines Gartens abgeschiedner Stille, Der von der Neugier nicht betreten wird, Trennt ich mich eben jetzt von ihr, hieher Zu der Versöhnung mit dem Bruder eilend. In banger Furcht ließ ich sie dort allein Zurück, die sich nichts weniger erwartet, Als in dem Glanz der Fürstin eingeholt Und auf erhabnem Fußgestell des Ruhms Vor ganz Messina ausgestellt zu werden. Denn anders nicht soll sie mich wiedersehn, Als in der Größe Schmuck und Staat, und festlich Von eurem ritterlichen Chor umgeben. Nicht will ich, daß Don Manuels Verlobte Als eine Heimatlose, Flüchtige Der Mutter nahen soll, die ich ihr gebe, Als eine Fürstin fürstlich will ich sie Einführen in die Hofburg meiner Väter. Gebiete, Herr! Wir harren deines Winks. Ich habe mich aus ihrem Arm gerissen, Doch nur mit ihr werd ich beschäftigt sein. Denn nach dem Bazar sollt ihr mich anjetzt Begleiten, wo die Mohren zum Verkauf Ausstellen, was das Morgenland erzeugt An edelm Stoff und feinem Kunstgebild. Erst wählet aus die zierlichen Sandalen, Der zartgeformten Füße Schutz und Zier, Dann zum Gewande wählt das Kunstgewebe Des Indiers, hellglänzend wie der Schnee Des Ätna, der der nächste ist dem Licht – Und leicht umfließt es wie der Morgenduft Den zarten Bau der jugendlichen Glieder. Von Purpur sei, mit zarten Fäden Goldes Durchwirkt der Gürtel, der die Tunika Unter dem züchtgen Busen reizend knüpft. Dazu den Mantel wählt, von glänzender Seide gewebt, in bleichem Purpur schimmernd, Über der Achsel heft ihn eine goldne Zikade – Auch die Spangen nicht vergeßt, Die schönen Arme reizend zu umzirken, Auch nicht der Perlen und Korallen Schmuck, Der Meeresgöttin wundersame Gaben. Um die Locken winde sich ein Diadem, Gefüget aus dem köstlichsten Gestein, Worin der feurig glühende Rubin Mit dem Smaragd die Farbenblitze kreuze, Oben im Haarschmuck sei der lange Schleier Befestigt, der die glänzende Gestalt Gleich einem hellen Lichtgewölk umfließe, Und mit der Myrte jungfräulichem Kranze Vollende krönend sich das schöne Ganze. Es soll geschehen, Herr! wie du gebietest, Denn fertig und vollendet findet sich Dies alles auf dem Bazar ausgestellt. Den schönsten Zelter führet dann hervor Aus meinen Ställen, seine Farbe sei Lichtweiß, gleichwie des Sonnengottes Pferde, Von Purpur sei die Decke, und Geschirr Und Zügel reich besetzt mit edeln Steinen, Denn tragen soll er meine Königin. Ihr selber haltet euch bereit, im Glanz Des Ritterstaates, unterm freudgen Schall Der Hörner eure Fürstin heimzuführen. Dies alles zu besorgen geh ich jetzt, Zwei unter euch erwähl ich zu Begleitern, Ihr andern wartet mein – Was ihr vernahmt, Bewahrts in eures Busens tiefem Grunde, Bis ich das Band gelöst von eurem Munde. Er geht ab, von zweien aus dem Chor begleitet. Sage, was werden wir jetzt beginnen, Da die Fürsten ruhen vom Streit, Auszufüllen die Leere der Stunden Und die lange unendliche Zeit? Etwas fürchten und hoffen und sorgen Muß der Mensch für den kommenden Morgen, Daß er die Schwere des Daseins ertrage, Und das ermüdende Gleichmaß der Tage, Und mit erfrischendem Windesweben Kräuselnd bewege das stockende Leben. Schön ist der Friede! Ein lieblicher Knabe Liegt er gelagert am ruhigen Bach, Und die hüpfenden Lämmer grasen Lustig um ihn auf dem sonnigten Rasen, Süßes Tönen entlockt er der Flöte, Und das Echo des Berges wird wach, Oder im Schimmer der Abendröte Wiegt ihn in Schlummer der murmelnde Bach – Aber der Krieg auch hat seine Ehre, Der Beweger des Menschengeschicks, Mir gefällt ein lebendiges Leben, Mir ein ewiges Schwanken und Schwingen und Schweben Auf der steigenden, fallenden Welle des Glücks. Denn der Mensch verkümmert im Frieden, Müßige Ruh ist das Grab des Muts. Das Gesetz ist der Freund des Schwachen, Alles will es nur eben machen, Möchte gerne die Welt verflachen, Aber der Krieg läßt die Kraft erscheinen, Alles erhebt er zum Ungemeinen, Selber dem Feigen erzeugt er den Mut. Stehen nicht Amors Tempel offen, Wallet nicht zu dem Schönen die Welt? Da ist das Fürchten! Da ist das Hoffen! König ist hier, wer den Augen gefällt! Auch die Liebe beweget das Leben, Daß sich die graulichten Farben erheben, Reizend betrügt sie die glücklichen Jahre, Die gefällige Tochter des Schaums, In das Gemeine und Traurigwahre Webt sie die Bilder des goldenen Traums. Bleibe die Blume dem blühenden Lenze, Scheine das Schöne! Und flechte sich Kränze, Wem die Locken noch jugendlich grünen, Aber dem männlichen Alter ziemts, Einem ernsteren Gott zu dienen. Der strengen Diana, der Freundin der Jagden, Lasset uns folgen ins wilde Gehölz, Wo die Wälder am dunkelsten nachten, Und den Springbock stürzen vom Fels. Denn die Jagd ist ein Gleichnis der Schlachten, Des ernsten Kriegsgotts lustige Braut – Man ist auf mit dem Morgenstrahl, Wenn die schmetternden Hörner laden Lustig hinaus in das dampfende Tal, Über Berge, über Klüfte, Die ermatteten Glieder zu baden In den erfrischenden Strömen der Lüfte! Oder wollen wir uns der blauen Göttin, der ewig bewegten, vertrauen, Die uns mit freundlicher Spiegelhelle Ladet in ihren unendlichen Schoß? Bauen wir auf der tanzenden Welle Uns ein lustig schwimmendes Schloß? Wer das grüne, kristallene Feld Pflügt mit des Schiffes eilendem Kiele, Der vermählt sich das Glück, dem gehört die Welt, Ohne die Saat erblüht ihm die Ernte! Denn das Meer ist der Raum der Hoffnung Und der Zufälle launisch Reich, Hier wird der Reiche schnell zum Armen Und der Ärmste dem Fürsten gleich. Wie der Wind mit Gedankenschnelle Läuft um die ganze Windesrose, Wechseln hier des Geschickes Lose, Dreht das Glück seine Kugel um, Auf den Wellen ist alles Welle, Auf dem Meer ist kein Eigentum. Aber nicht bloß im Wellenreiche, Auf der wogenden Meeresflut, Auch auf der Erde, so fest sie ruht Auf den ewigen, alten Säulen, Wanket das Glück und will nicht weilen. – Sorge gibt mir dieser neue Frieden, Und nicht fröhlich mag ich ihm vertrauen, Auf der Lava, die der Berg geschieden, Möcht ich nimmer meine Hütte bauen. Denn zu tief schon hat der Haß gefressen Und zu schwere Taten sind geschehn, Die sich nie vergeben und vergessen, Noch hab ich das Ende nicht gesehn, Und mich schrecken ahnungsvolle Träume! Nicht Wahrsagung reden soll mein Mund, Aber sehr mißfällt mir dies Geheime, Dieser Ehe segenloser Bund, Diese lichtscheu krummen Liebespfade, Dieses Klosterraubs verwegne Tat, Denn das Gute liebt sich das Gerade, Böse Früchte trägt die böse Saat. Auch ein Raub wars, wie wir alle wissen, Der des alten Fürsten ehliches Gemahl In ein frevelnd Ehebett gerissen, Denn sie war des Vaters Wahl. Und der Ahnherr schüttete im Zorne Grauenvoller Flüche schrecklichen Samen Auf das sündige Ehebett aus. Greueltaten ohne Namen, Schwarze Verbrechen verbirgt dies Haus. Ja, es hat nicht gut begonnen, Glaubt mir, und es endet nicht gut, Denn gebüßt wird unter der Sonnen Jede Tat der verblendeten Wut. Es ist kein Zufall und blindes Los, Daß die Brüder sich wütend selbst zerstören, Denn verflucht ward der Mutter Schoß, Sie sollte den Haß und den Streit gebären. – Aber ich will es schweigend verhüllen, Denn die Rachgötter schaffen im stillen, Zeit ists, die Unfälle zu beweinen, Wenn sie nahen und wirklich erscheinen. Der Chor geht ab. Die Szene verwandelt sich in einen Garten, der die Aussicht auf das Meer eröffnet. Aus einem anstoßenden Gartensaal tritt. geht unruhig auf und nieder, nach allen Seiten umherspähend. Plötzlich steht sie still und horcht. Er ist es nicht – Es war der Winde Spiel, Die durch der Pinie Wipfel sausend streichen, Schon neigt die Sonne sich zu ihrem Ziel, Mit trägem Schritt seh ich die Stunden schleichen, Und mich ergreift ein schauderndes Gefühl, Es schreckt mich selbst das wesenlose Schweigen. Nichts zeigt sich mir, wie weit die Blicke tragen, Er läßt mich hier in meiner Angst verzagen. Und nahe hör ich, wie ein rauschend Wehr, Die Stadt, die völkerwimmelnde, ertosen, Ich höre fern das ungeheure Meer An seine Ufer dumpferbrandend stoßen, Es stürmen alle Schrecken auf mich her, Klein fühl ich mich in diesem Furchtbargroßen Und fortgeschleudert, wie das Blatt vom Baume, Verlier ich mich im grenzenlosen Raume. Warum verließ ich meine stille Zelle, Da lebt ich ohne Sehnsucht, ohne Harm! Das Herz war ruhig, wie die Wiesenquelle, An Wünschen leer, doch nicht an Freuden arm. Ergriffen jetzt hat mich des Lebens Welle, Mich faßt die Welt in ihren Riesenarm, Zerrissen hab ich alle frühern Bande, Vertrauend eines Schwures leichtem Pfande. Wo waren die Sinne? Was hab ich getan? Ergriff mich betörend Ein rasender Wahn? Den Schleier zerriß ich Jungfräulicher Zucht, Die Pforten durchbrach ich der heiligen Zelle, Umstrickte mich blendend ein Zauber der Hölle? Dem Manne folgt ich, Dem kühnen Entführer in sträflicher Flucht. O komm, mein Geliebter! Wo bleibst du und säumest? Befreie, befreie Die kämpfende Seele! Mich naget die Reue, Es faßt mich der Schmerz. Mit liebender Nähe versichre mein Herz. Und sollt ich mich dem Manne nicht ergeben, Der in der Welt allein sich an mich schloß? Denn ausgesetzt ward ich ins fremde Leben, Und frühe schon hat mich ein strenges Los (Ich darf den dunkeln Schleier nicht erheben) Gerissen von dem mütterlichen Schoß. Nur einmal sah ich sie, die mich geboren, Doch wie ein Traum ging mir das Bild verloren. Und so erwuchs ich still am stillen Orte, In Lebens Glut den Schatten beigesellt, – Da stand er plötzlich an des Klosters Pforte, Schön wie ein Gott und männlich wie ein Held. O mein Empfinden nennen keine Worte! Fremd kam er mir aus einer fremden Welt, Und schnell, als wär es ewig so gewesen, Schloß sich der Bund, den keine Menschen lösen. Vergib du Herrliche, die mich geboren, Daß ich, vorgreifend den verhängten Stunden, Mir eigenmächtig mein Geschick erkoren. Nicht frei erwählt ichs, es hat mich gebunden, Eindringt der Gott auch zu verschloßnen Toren, Zu Perseus' Turm hat er den Weg gefunden, Dem Dämon ist sein Opfer unverloren. Wär es an öde Klippen angebunden Und an des Atlas himmeltragende Säulen, So wird ein Flügelroß es dort ereilen. Nicht hinter mich begehr ich mehr zu schauen, In keine Heimat sehn ich mich zurück, Der Liebe will ich liebend mich vertrauen, Gibt es ein schönres als der Liebe Glück? Mit meinem Los will ich mich gern bescheiden, Ich kenne nicht des Lebens andre Freuden. Nicht kenn ich sie und will sie nimmer kennen, Die sich die Stifter meiner Tage nennen, Wenn sie von dir mich, mein Geliebter, trennen. Ein ewig Rätsel bleiben will ich mir, Ich weiß genug, ich lebe dir! Aufmerkend. Horch, der lieben Stimme Schall! – Nein, es war der Widerhall Und des Meeres dumpfes Brausen, Das sich an den Ufern bricht, Der Geliebte ist es nicht! Weh mir! Weh mir! Wo er weilet? Mich umschlingt ein kaltes Grausen! Immer tiefer Sinkt die Sonne! Immer öder Wird die Öde! Immer schwerer Wird das Herz – Wo zögert er? Sie geht unruhig umher. Aus des Gartens sichern Mauren Wag ich meinen Schritt nicht mehr. Kalt ergriff mich das Entsetzen, Als ich in die nahe Kirche Wagte meinen Fuß zu setzen, Denn mich triebs mit mächtgem Drang, Aus der Seele tiefsten Tiefen, Als sie zu der Hora riefen, Hinzuknien an heilger Stätte, Zu der Göttlichen zu flehn, Nimmer konnt ich widerstehn. Wenn ein Lauscher mich erspähte? Voll von Feinden ist die Welt, Arglist hat auf allen Pfaden, Fromme Unschuld zu verraten, Ihr betrüglich Netz gestellt. Grauend hab ichs schon erfahren, Als ich aus des Klosters Hut In die fremden Menschenscharen Mich gewagt mit frevelm Mut. Dort bei jenes Festes Feier, Da der Fürst begraben ward, Mein Erkühnen büßt ich teuer, Nur ein Gott hat mich bewahrt – Da der Jüngling mir, der fremde, Nahte, mit dem Flammenauge, Und mit Blicken, die mich schreckten, Mir das Innerste durchzuckten, In das tiefste Herz mir schaute – Noch durchschauert kaltes Grauen, Da ichs denke, mir die Brust! Nimmer, nimmer, kann ich schauen In die Augen des Geliebten, Dieser stillen Schuld bewußt! Aufhorchend. Stimmen im Garten! Er ists, der Geliebte! Er selber! Jetzt täuschte Kein Blendwerk mein Ohr. Es naht, es vermehrt sich! In seine Arme! An seine Brust! Sie eilt mit ausgebreiteten Armen nach der Tiefe des Gartens, Don Cesar tritt ihr entgegen. Don Cesar. Beatrice. Der Chor. mit Schrecken zurückfliehend. Weh mir! Was seh ich! In demselben Augenblick tritt auch der Chor ein. Holde Schönheit, fürchte nichts! Zu dem Chor. Der rauhe Anblick eurer Waffen schreckt Die zarte Jungfrau – Weicht zurück und bleibt In ehrerbietger Ferne! Zu Beatricen. Fürchte nichts! Die holde Scham, die Schönheit ist mir heilig. Der Chor hat sich zurückgezogen. Er tritt ihr näher und ergreift ihre Hand. Wo warst du? Welches Gottes Macht entrückte, Verbarg dich diese lange Zeit? Dich hab ich Gesucht, nach dir geforschet, wachend, träumend Warst du des Herzens einziges Gefühl, Seit ich bei jenem Leichenfest des Fürsten Wie eines Engels Lichterscheinung dich Zum erstenmal erblickte – Nicht verborgen Blieb dir die Macht, mit der du mich bezwangst. Der Blicke Feuer und der Lippe Stammeln, Die Hand, die in der deinen zitternd lag, Verriet sie dir – ein kühneres Geständnis Verbot des Ortes ernste Majestät. – Der Messe Hochamt rief mich zum Gebet, Und da ich von den Knieen jetzt erstanden, Die ersten Blicke schnell auf dich sich heften, Warst du aus meinen Augen weggerückt, Doch nachgezogen mit allmächtgen Zaubers Banden Hast du mein Herz mit allen seinen Kräften. Seit diesem Tage such ich rastlos dich, An aller Kirchen und Paläste Pforten, An allen offnen und verborgnen Orten, Wo sich die schöne Unschuld zeigen kann, Hab ich das Netz der Späher ausgebreitet, Doch meiner Mühe sah ich keine Frucht, Bis endlich heut, von einem Gott geleitet, Des Spähers glückbekrönte Wachsamkeit In dieser nächsten Kirche dich entdeckte. Hier macht Beatrice, welche in dieser ganzen Zeit zitternd und abgewandt gestanden, eine Bewegung des Schreckens. Ich habe dich wieder, und der Geist verlasse Eher die Glieder, eh ich von dir scheide! Und daß ich fest sogleich den Zufall fasse, Und mich verwahre vor des Dämons Neide, So red ich dich vor diesen Zeugen allen Als meine Gattin an und reiche dir Zum Pfande des die ritterliche Rechte. Er stellt sie dem Chor dar. Nicht forschen will ich, wer du bist – Ich will Nur dich von dir, nichts frag ich nach dem andern. Daß deine Seele wie dein Ursprung rein, Hat mir dein erster Blick verbürget und beschworen, Und wärst du selbst die Niedrigste geboren, Du müßtest dennoch meine Liebe sein, Die Freiheit hab ich und die Wahl verloren. Und daß du wissen mögest, ob ich auch Herr meiner Taten sei, und hoch genug Gestellt auf dieser Welt, auch das Geliebte Mit starkem Arm zu mir emporzuheben, Bedarfs nur, meinen Namen dir zu nennen. – Ich bin Don Cesar und in dieser Stadt Messina ist kein Größrer über mir. Beatrice schaudert zurück, er bemerkt es und fährt nach einer kleinen Weile fort. Dein Staunen lob ich und dein sittsam Schweigen, Schamhafte Demut ist der Reize Krone, Denn ein Verborgenes ist sich das Schöne, Und es erschrickt vor seiner eignen Macht. – Ich geh und überlasse dich dir selbst, Daß sich dein Geist von seinem Schrecken löse, Denn jedes Neue, auch das Glück, erschreckt. Zu dem Chor. Gebt ihr – sie ists von diesem Augenblick! Die Ehre meiner Braut und eurer Fürstin, Belehret sie von ihres Standes Größe. Bald kehr ich selbst zurück, sie heimzuführen, Wies meiner würdig ist und ihr gebührt. Er geht ab. Beatrice und der Chor. Heil dir, o Jungfrau, Liebliche Herrscherin! Dein ist die Krone, Dein ist der Sieg! Als die Erhalterin Dieses Geschlechtes, Künftiger Helden Blühende Mutter begrüß ich dich! Dreifaches Heil dir! Mit glücklichen Zeichen, Glückliche, trittst du In ein götterbegünstigtes, glückliches Haus, Wo die Kränze des Ruhmes hängen, Und das goldene Szepter in stetiger Reihe Wandert vom Ahnherrn zum Enkel hinab. Deines lieblichen Eintritts Werden sich freuen Die Penaten des Hauses, Die hohen, die ernsten Verehrten Alten. An der Schwelle empfangen Wird dich die immer blühende Hebe Und die goldne Viktoria, Die geflügelte Göttin, Die auf der Hand schwebt des ewigen Vaters, Ewig die Schwingen zum Siege gespannt: Nimmer entweicht Die Krone der Schönheit Aus diesem Geschlechte, Scheidend reicht Eine Fürstin der andern Den Gürtel der Anmut Und den Schleier der züchtigen Scham. Aber das Schönste Erlebt mein Auge, Denn ich sehe die Blume der Tochter, Ehe die Blume der Mutter verblüht. aus ihrem Schrecken erwachend. Wehe mir! In welche Hand Hat das Unglück mich gegeben! Unter allen, Welche leben, Nicht in diese sollt ich fallen! Jetzt versteh ich das Entsetzen, Das geheimnisvolle Grauen, Das mich schaudernd stets gefaßt, Wenn man mir den Namen nannte Dieses furchtbaren Geschlechtes, Das sich selbst vertilgend haßt, Gegen seine eignen Glieder Wütend mit Erbittrung rast! Schaudernd hört ich oft und wieder Von dem Schlangenhaß der Brüder, Und jetzt reißt mein Schreckenschicksal Mich, die Arme, Rettungslose, In den Strudel dieses Hasses, Dieses Unglücks mich hinein! Sie flieht in den Gartensaal. Den begünstigten Sohn der Götter beneid ich, Den beglückten Besitzer der Macht! Immer das Köstlichste ist sein Anteil, Und von allem, was hoch und herrlich Von den Sterblichen wird gepriesen, Bricht er die Blume sich ab. Von den Perlen, welche der tauchende Fischer Auffängt, wählt er die reinsten für sich. Für den Herrscher legt man zurück das Beste, Was gewonnen ward mit gemeinsamer Arbeit, Wenn sich die Diener durchs Los vergleichen, Ihm ist das Schönste gewiß. Aber eines doch ist sein köstlichstes Kleinod, Jeder andre Vorzug sei ihm gegönnt, Dieses beneid ich ihm unter allem, Daß er heimführt die Blume der Frauen, Die das Entzücken ist aller Augen, Daß er sie eigen besitzt. Mit dem Schwerte springt der Korsar an die Küste, In dem nächtlich ergreifenden Überfall, Männer führt er davon und Frauen, Und ersättigt die wilde Begierde, Nur die schönste Gestalt darf er nicht berühren, Die ist des Königes Gut. Aber jetzt folgt mir, zu bewachen den Eingang Und die Schwelle des heiligen Raums, Daß kein Ungeweihter in dieses Geheimnis Dringe und der Herrscher uns lobe, Der das Köstlichste, was er besitzet, Unsrer Bewahrung vertraut. Der Chor entfernt sich nach dem Hintergrunde. Die Szene verwandelt sich in ein Zimmer im Innern des Palastes Donna Isabella steht zwischen Don Manuel und Don Cesar. Nun endlich ist mir der erwünschte Tag, Der lang ersehnte, festliche erschienen – Vereint seh ich die Herzen meiner Kinder, Wie ich die Hände leicht zusammenfüge, Und im vertrauten Kreis zum erstenmal Kann sich das Herz der Mutter freudig öffnen. Fern ist der fremden Zeugen rohe Schar, Die zwischen uns sich kampfgerüstet stellte – Der Waffen Klang erschreckt mein Ohr nicht mehr, Und wie der Eulen nachtgewohnte Brut Von der zerstörten Brandstatt, wo sie lang Mit altverjährtem Eigentum genistet, Auffliegt in düsterm Schwarm, den Tag verdunkelnd, Wenn sich die lang vertriebenen Bewohner Heimkehrend nahen mit der Freude Schall, Den neuen Bau lebendig zu beginnen, So flieht der alte Haß mit seinem nächtlichen Gefolge, dem hohläugigten Verdacht, Der scheelen Mißgunst und dem bleichen Neide, Aus diesen Toren murrend zu der Hölle, Und mit dem Frieden zieht geselliges Vertraun und holde Eintracht lächelnd ein. Sie hält inne. – Doch nicht genug, daß dieser heutge Tag Jedem von beiden einen Bruder schenkt, Auch eine Schwester hat er euch geboren. – Ihr staunt? Ihr seht mich mit Verwundrung an? Ja, meine Söhne! Es ist Zeit, daß ich Mein Schweigen breche, und das Siegel löse Von einem lang verschlossenen Geheimnis. – Auch eine Tochter hab ich eurem Vater Geboren – eine jüngre Schwester lebt Euch noch – Ihr sollt noch heute sie umarmen. Was sagst du, Mutter? Eine Schwester lebt uns, Und nie vernahmen wir von dieser Schwester! Wohl hörten wir in früher Kinderzeit, Daß eine Schwester uns geboren worden, Doch in der Wiege schon, so ging die Sage, Nahm sie der Tod hinweg. Die Sage lügt! Sie lebt! Sie lebt und du verschwiegest uns? Von meinem Schweigen geb ich Rechenschaft. Hört, was gesäet ward in frührer Zeit, Und jetzt zur frohen Ernte reifen soll. – Ihr wart noch zarte Knaben, aber schon Entzweite euch der jammervolle Zwist, Der ewig nie mehr wiederkehren möge, Und häufte Gram auf eurer Eltern Herz. Da wurde eurem Vater eines Tages Ein seltsam wunderbarer Traum. Ihm deuchte, Er säh aus seinem hochzeitlichen Bette Zwei Lorbeerbäume wachsen, ihr Gezweig Dicht ineinander flechtend – zwischen beiden Wuchs eine Lilie empor – Sie ward Zur Flamme, die der Bäume dicht Gezweig Und das Gebälk ergreifend prasselnd aufschlug, Und um sich wütend, schnell, das ganze Haus In ungeheurer Feuerflut verschlang. Erschreckt von diesem seltsamen Gesichte Befragt der Vater einen sternekundigen Arabier, der sein Orakel war, An dem sein Herz mehr hing, als mir gefiel, Um die Bedeutung. Der Arabier Erklärte: wenn mein Schoß von einer Tochter Entbunden würde, töten würde sie ihm Die beiden Söhne und sein ganzer Stamm Durch sie vergehn – Und ich ward Mutter einer Tochter, Der Vater aber gab den grausamen Befehl, die Neugeborene alsbald Ins Meer zu werfen. Ich vereitelte Den blutgen Vorsatz und erhielt die Tochter Durch eines treuen Knechts verschwiegnen Dienst. Gesegnet sei er, der dir hülfreich war, O nicht an Rat gebrichts der Mutterliebe! Der Mutterliebe mächtge Stimme nicht Allein trieb mich, das Kindlein zu verschonen. Auch mir ward eines Traumes seltsames Orakel, als mein Schoß mit dieser Tochter Gesegnet war: Ein Kind wie Liebesgötter schön Sah ich im Grase spielen, und ein Löwe Kam aus dem Wald, der in dem blutgen Rachen Die frisch gejagte Beute trug, und ließ Sie schmeichelnd in den Schoß des Kindes fallen. Und aus den Lüften schwang ein Adler sich Herab, ein zitternd Reh in seinen Fängen, Und legt es schmeichelnd in den Schoß des Kindes, Und beide, Löw und Adler, legen fromm Gepaart sich zu des Kindes Füßen nieder. – Des Traums Verständnis löste mir ein Mönch, Ein gottgeliebter Mann, bei dem das Herz Rat fand und Trost in jeder irdschen Not. Der sprach: »Genesen würd ich einer Tochter, Die mir der Söhne streitende Gemüter In heißer Liebesglut vereinen würde.« – Im Innersten bewahrt ich mir dies Wort, Dem Gott der Wahrheit mehr als dem der Lüge Vertrauend, rettet ich die Gottverheißne, Des Segens Tochter, meiner Hoffnung Pfand, Die mir des Friedens Werkzeug sollte sein, Als euer Haß sich wachsend stets vermehrte. seinen Bruder umarmend. Nicht mehr der Schwester brauchts, der Liebe Band Zu flechten, aber fester soll sies knüpfen. So ließ ich an verborgner Stätte sie, Von meinen Augen fern, geheimnisvoll, Durch fremde Hand erziehn – den Anblick selbst Des lieben Angesichts, den heißerflehten, Versagt ich mir, den strengen Vater scheuend, Der von des Argwohns ruheloser Pein Und finster grübelndem Verdacht genagt, Auf allen Schritten mir die Späher pflanzte. Drei Monde aber deckt den Vater schon Das stille Grab – Was wehrte dir, o Mutter, Die lang Verborgne an das Licht hervor Zu ziehn und unsre Herzen zu erfreuen? Was sonst als euer unglückselger Streit, Der, unauslöschlich wütend, auf dem Grab Des kaum entseelten Vaters sich entflammte, Nicht Raum noch Stätte der Versöhnung gab? Konnt ich die Schwester zwischen eure wild Entblößten Schwerter stellen? Konntet ihr In diesem Sturm die Mutterstimme hören? Und sollt ich sie , des Friedens teures Pfand, Den letzten heilgen Anker meiner Hoffnung, An eures Hasses Wut unzeitig wagen? – Erst mußtet ihrs ertragen, euch als Brüder Zu sehn, eh ich die Schwester zwischen euch Als einen Friedensengel stellen konnte. Jetzt kann ichs und ich führe sie euch zu. Den alten Diener hab ich ausgesendet, Und stündlich harr ich seiner Wiederkehr, Der ihrer stillen Zuflucht sie entreißend, Zurück an meine mütterliche Brust Sie führt und in die brüderlichen Arme. Und sie ist nicht die einzge, die du heut In deine Mutterarme schließen wirst. Es zieht die Freude ein durch alle Pforten, Es füllt sich der verödete Palast, Und wird der Sitz der blühnden Anmut werden. – Vernimm, o Mutter, jetzt auch mein Geheimnis. Eine Schwester gibst du mir – Ich will dafür Dir eine zweite liebe Tochter schenken. Ja, Mutter! Segne deinen Sohn! – Dies Herz, Es hat gewählt, gefunden hab ich sie, Die mir durchs Leben soll Gefährtin sein. Eh dieses Tages Sonne sinkt, führ ich Die Gattin dir Don Manuels zu Füßen. An meine Brust will ich sie freudig schließen, Die meinen Erstgebornen mir beglückt, Auf ihren Pfaden soll die Freude sprießen, Und jede Blume, die das Leben schmückt, Und jedes Glück soll mir den Sohn belohnen, Der mir die schönste reicht der Mutterkronen! Verschwende, Mutter, deines Segens Fülle Nicht an den einen erstgebornen Sohn! Wenn Liebe Segen gibt, so bring auch ich Dir eine Tochter, solcher Mutter wert, Die mich der Liebe neu Gefühl gelehrt. Eh dieses Tages Sonne sinkt, führt auch Don Cesar seine Gattin dir entgegen. Allmächtge Liebe! Göttliche! Wohl nennt Man dich mit Recht die Königin der Seelen! Dir unterwirft sich jedes Element, Du kannst das feindlich Streitende vermählen, Nichts lebt, was deine Hoheit nicht erkennt, Und auch des Bruders wilden Sinn hast du Besiegt, der unbezwungen stets geblieben. Don Cesar umarmend. Jetzt glaub ich an dein Herz und schließe dich Mit Hoffnung an die brüderliche Brust, Nicht zweifl ich mehr an dir, denn du kannst lieben. Dreimal gesegnet sei mir dieser Tag, Der mir auf einmal jede bange Sorge Vom schwerbeladnen Busen hebt – Gegründet Auf festen Säulen seh ich mein Geschlecht, Und in der Zeiten Unermeßlichkeit Kann ich hinabsehn mit zufriednem Geist. Noch gestern sah ich mich im Witwenschleier Gleich einer Abgeschiednen, kinderlos, In diesen öden Sälen ganz allein, Und heute werden in der Jugend Glanz Drei blühnde Töchter mir zur Seite stehen. Die Mutter zeige sich, die glückliche, Von allen Weibern, die geboren haben, Die sich mit mir an Herrlichkeit vergleicht! – Doch welcher Fürsten königliche Töchter Erblühen denn an dieses Landes Grenzen, Davon ich Kunde nie vernahm? – denn nicht Unwürdig wählen konnten meine Söhne! Nur heute, Mutter, fodre nicht, den Schleier Hinwegzuheben, der mein Glück bedeckt. Es kommt der Tag, der alles lösen wird. Am besten mag die Braut sich selbst verkünden, Des sei gewiß, du wirst sie würdig finden. Des Vaters eignen Sinn und Geist erkenn ich In meinem erstgebornen Sohn! Der liebte Von jeher, sich verborgen in sich selbst Zu spinnen und den Ratschluß zu bewahren Im unzugangbar fest verschlossenen Gemüt! Gern mag ich dir die kurze Frist vergönnen, Doch mein Sohn Cesar, des bin ich gewiß, Wird jetzt mir eine Königstochter nennen. Nicht meine Weise ists, geheimnisvoll Mich zu verhüllen, Mutter. Frei und offen Wie meine Stirne trag ich mein Gemüt; Doch, was du jetzt von mir begehrst zu wissen Das, Mutter – laß michs redlich dir gestehn, Hab ich mich selbst noch nicht gefragt. Fragt man, Woher der Sonne Himmelsfeuer flamme? Die alle Welt verklärt, erklärt sich selbst, Ihr Licht bezeugt, daß sie vom Lichte stamme. Ins klare Auge sah ich meiner Braut, Ins Herz des Herzens hab ich ihr geschaut, Am reinen Glanz will ich die Perle kennen, Doch ihren Namen kann ich dir nicht nennen. Wie, mein Sohn Cesar? Kläre mir das auf. Zu gern dem ersten mächtigen Gefühl Vertrautest du wie einer Götterstimme. Auf rascher Jugendtat erwart ich dich, Doch nicht auf töricht kindischer – Laß hören, Was deine Wahl gelenkt. Wahl, meine Mutter? Ists Wahl, wenn des Gestirnes Macht den Menschen Ereilt in der verhängnisvollen Stunde? Nicht eine Braut zu suchen ging ich aus, Nicht wahrlich solches Eitle konnte mir Zu Sinne kommen in dem Haus des Todes, Denn dorten fand ich, die ich nicht gesucht. Gleichgültig war und nichtsbedeutend mir Der Frauen leer geschwätziges Geschlecht, Denn eine zweite sah ich nicht, wie dich, Die ich gleich wie ein Götterbild verehre. Es war des Vaters ernste Totenfeier, Im Volksgedräng verborgen, wohnten wir Ihr bei, du weißts, in unbekannter Kleidung, So hattest dus mit Weisheit angeordnet, Daß unsers Haders wild ausbrechende Gewalt des Festes Würde nicht verletze. – Mit schwarzem Flor behangen war das Schiff Der Kirche, zwanzig Genien umstanden Mit Fackeln in den Händen, den Altar, Vor dem der Totensarg erhaben ruhte, Mit weißbekreuztem Grabestuch bedeckt. Und auf dem Grabtuch sahe man den Stab Der Herrschaft liegen und die Fürstenkrone, Den ritterlichen Schmuck der goldnen Sporen, Das Schwert mit diamantenem Gehäng. – Und alles lag in stiller Andacht kniend, Als ungesehen jetzt vom hohen Chor Herab die Orgel anfing sich zu regen, Und hundertstimmig der Gesang begann – Und als der Chor noch fortklung, stieg der Sarg, Mitsamt dem Boden, der ihn trug, allmählich Versinkend in die Unterwelt hinab, Das Grabtuch aber überschleierte Weit ausgebreitet die verborgne Mündung, Und auf der Erde blieb der irdsche Schmuck Zurück, dem Niederfahrenden nicht folgend – Doch auf den Seraphsflügeln des Gesangs Schwang die befreite Seele sich nach oben, Den Himmel suchend und den Schoß der Gnade. – Dies alles, Mutter, ruf ich dir, genau Beschreibend, ins Gedächtnis jetzt zurück, Daß du erkennest, ob zu jener Stunde Ein weltlich Wünschen mir im Herzen war. Und diesen festlich ernsten Augenblick Erwählte sich der Lenker meines Lebens, Mich zu berühren mit der Liebe Strahl. Wie es geschah, frag ich mich selbst vergebens. Vollende dennoch! Laß mich alles hören. Woher sie kam, und wie sie sich zu mir Gefunden, dieses frage nicht – Als ich Die Augen wandte, stand sie mir zur Seite, Und dunkel mächtig, wunderbar, ergriff Im tiefsten Innersten mich ihre Nähe. Nicht ihres Lächelns holder Zauber wars, Die Reize nicht, die auf der Wange schweben, Selbst nicht der Glanz der göttlichen Gestalt – Es war ihr tiefstes und geheimstes Leben, Was mich ergriff mit heiliger Gewalt; Wie Zaubers Kräfte unbegreiflich weben – Die Seelen schienen ohne Worteslaut, Sich ohne Mittel geistig zu berühren, Als sich mein Atem mischte mit dem ihren. Fremd war sie mir und innig doch vertraut, Und klar auf einmal fühl ichs in mir werden, Die ist es, oder keine sonst auf Erden! mit Feuer einfallend. Das ist der Liebe heilger Götterstrahl, Der in die Seele schlägt und trifft und zündet, Wenn sich Verwandtes zum Verwandten findet, Da ist kein Widerstand und keine Wahl, Es löst der Mensch nicht, was der Himmel bindet. – Dem Bruder fall ich bei, ich muß ihn loben, Mein eigen Schicksal ists, was er erzählt, Den Schleier hat er glücklich aufgehoben Von dem Gefühl, das dunkel mich beseelt. Den eignen freien Weg, ich seh es wohl, Will das Verhängnis gehn mit meinen Kindern. Vom Berge stürzt der ungeheure Strom, Wühlt sich sein Bette selbst und bricht sich Bahn, Nicht des gemeßnen Pfades achtet er, Den ihm die Klugheit vorbedächtig baut. So unterwerf ich mich, wie kann ichs ändern? Der unregiersam stärkern Götterhand, Die meines Hauses Schicksal dunkel spinnt. Der Söhne Herz ist meiner Hoffnung Pfand, Sie denken groß, wie sie geboren sind. Isabella. Don Manuel. Don Cesar. Diego zeigt sich an der Türe. Doch sieh! Da kommt mein treuer Knecht zurück! Nur näher, näher, redlicher Diego! Wo ist mein Kind? – Sie wissen alles! Hier Ist kein Geheimnis mehr – Wo ist sie? Sprich! Verbirg sie länger nicht, wir sind gefaßt, Die höchste Freude zu ertragen. Komm! Sie will mit ihm nach der Türe gehen. Was ist das? Wie? Du zögerst? Du verstummst? Das ist kein Blick, der Gutes mir verkündet! Was ist dir? Sprich! Ein Schauder faßt mich an. Wo ist sie? Wo ist Beatrice? Will hinaus. für sich, betroffen. Beatrice ! hält sie zurück. Bleib! Wo ist sie? Mich entseelt die Angst. Sie folgt Mir nicht. Ich bringe dir die Tochter nicht. Was ist geschehn? Bei allen Heilgen, rede! Wo ist die Schwester? Unglückselger, rede! Sie ist geraubt! Gestohlen von Korsaren! O hätt ich nimmer diesen Tag gesehn! Faß dich, o Mutter! Mutter, sei gefaßt! Bezwinge dich, bis du ihn ganz vernommen! Ich machte schnell mich auf, wie du befohlen, Die oft betretne Straße nach dem Kloster Zum letztenmal zu gehn – Die Freude trug mich Auf leichten Flügeln fort. Zur Sache! Rede! Und da ich in die wohlbekannten Höfe Des Klosters trete, die ich oft betrat, Nach deiner Tochter ungeduldig frage, Seh ich des Schreckens Bild in jedem Auge, Entsetzt vernehm ich das Entsetzliche. Isabella sinkt bleich und zitternd auf einen Sessel, Don Manuel ist um sie beschäftigt. Und Mauren, sagst du, raubten sie hinweg? Sah man die Mauren? Wer bezeugte dies? Ein maurisch Räuberschiff gewahrte man In einer Bucht, unfern dem Kloster ankernd. Manch Segel rettet sich in diese Buchten Vor des Orkanes Wut – Wo ist das Schiff? Heut frühe sah man es in hoher See Mit voller Segel Kraft das Weite suchen. Hört man von anderm Raub noch, der geschehn? Dem Mauren gnügt einfache Beute nicht. Hinweggetrieben wurde mit Gewalt Die Rinderherde, die dort weidete. Wie konnten Räuber aus des Klosters Mitte Die Wohlverschloßne heimlich raubend stehlen? Des Klostergartens Mauren waren leicht Auf hoher Leiter Sprossen überstiegen. Wie brachen sie ins Innerste der Zellen? Denn fromme Nonnen hält der strenge Zwang. Die noch durch kein Gelübde sich gebunden, Sie durfte frei im Freien sich ergehn. Und pflegte sie des freien Rechtes oft Sich zu bedienen? Dieses sage mir. Oft sah man sie des Gartens Stille suchen, Der Wiederkehr vergaß sie heute nur. nachdem er sich eine Weile bedacht. Raub sagst du? War sie frei genug dem Räuber, So konnte sie in Freiheit auch entfliehen. steht auf. Es ist Gewalt! Es ist verwegner Raub! Nicht pflichtvergessen konnte meine Tochter Aus freier Neigung dem Entführer folgen! – Don Manuel! Don Cesar! Eine Schwester Dacht ich euch zuzuführen, doch ich selbst Soll jetzt sie eurem Heldenarm verdanken! In eurer Kraft erhebt euch, meine Söhne! Nicht ruhig duldet es, daß eure Schwester Des frechen Diebes Beute sei – Ergreift Die Waffen! Rüstet Schiffe aus! Durchforscht Die ganze Küste! Durch alle Meere setzt Dem Räuber nach! Erobert euch die Schwester! Leb wohl! Zur Rache flieg ich, zur Entdeckung! Er geht ab. Don Manuel aus einer tiefen Zerstreuung erwachend, wendet sich beunruhigt zu Diego. Wann, sagst du, sei sie unsichtbar geworden? Seit diesem Morgen erst ward sie vermißt. zu Donna Isabella. Und Beatrice nennt sich deine Tochter? Dies ist ihr Name! Eile! Frage nicht! Nur eines noch, o Mutter, laß mich wissen – Fliege zur Tat! Des Bruders Beispiel folge! In welcher Gegend, ich beschwöre dich – ihn forttreibend. Sieh meine Tränen, meine Todesangst! In welcher Gegend hieltst du sie verborgen? Verborgner nicht war sie im Schoß der Erde! O jetzt ergreift mich plötzlich bange Furcht. Furcht und worüber? Sage, was du weißt. Daß ich des Raubs unschuldig Ursach sei. Unglücklicher, entdecke, was geschehn. Ich habe dirs verhehlt, Gebieterin, Dein Mutterherz mit Sorge zu verschonen. Am Tage, als der Fürst beerdigt ward, Und alle Welt, begierig nach dem Neuen, Der ernsten Feier sich entgegendrängte, Lag deine Tochter, denn die Kunde war Auch in des Klosters Mauren eingedrungen, Lag sie mir an mit unabläßgem Flehn, Ihr dieses Festes Anblick zu gewähren. Ich Unglückseliger ließ mich bewegen, Verhüllte sie in ernste Trauertracht, Und also war sie Zeugin jenes Festes. Und dort, befürcht ich, in des Volks Gewühl, Das sich herbeigedrängt von allen Enden, Ward sie vom Aug des Räubers ausgespäht, Denn ihrer Schönheit Glanz birgt keine Hülle. vor sich, erleichtert. Glückselges Wort, das mir das Herz befreit! Das gleicht ihr nicht! Dies Zeichen trifft nicht zu. Wahnsinnger Alter! So verrietst du mich! Gebieterin, ich dacht es gut zu machen. Die Stimme der Natur, die Macht des Bluts Glaubt ich in diesem Wunsche zu erkennen; Ich hielt es für des Himmels eignes Werk, Der mit verborgen ahnungsvollem Zuge Die Tochter hintrieb zu des Vaters Grab! Der frommen Pflicht wollt ich ihr Recht erzeigen, Und so, aus guter Meinung, schafft ich Böses! vor sich. Was steh ich hier in Furcht und Zweifels Qualen? Schnell will ich Licht mir schaffen und Gewißheit. Will gehen. der zurückkommt. Verzieh, Don Manuel, gleich folg ich dir. Folge mir nicht, hinweg, mir folge niemand. Er geht ab. sieht ihm verwundert nach. Was ist dem Bruder? Mutter, sage mirs. Ich kenn ihn nicht mehr. Ganz verkenn ich ihn. Du siehst mich wiederkehren, meine Mutter, Denn in des Eifers heftiger Begier Vergaß ich, um ein Zeichen dich zu fragen, Woran man die verlorne Schwester kennt. Wie find ich ihre Spuren, eh ich weiß, Aus welchem Ort die Räuber sie gerissen? Das Kloster nenne mir, das sie verbarg. Der heiligen Cecilia ists gewidmet Und hinterm Waldgebirge, das zum Ätna Sich langsam steigend hebt, liegt es versteckt, Wie ein verschwiegner Aufenthalt der Seelen. Sei gutes Muts. Vertraue deinen Söhnen. Die Schwester bring ich dir zurück, müßt ich Durch alle Länder sie und Meere suchen. Doch eines, Mutter, ist es, was mich kümmert, Die Braut verließ ich unter fremdem Schutz, Nur dir kann ich das teure Pfand vertrauen, Ich sende sie dir her, du wirst sie schauen, An ihrer Brust, an ihrem lieben Herzen Wirst du des Grams vergessen und der Schmerzen. Er geht ab. Wann endlich wird der alte Fluch sich lösen, Der über diesem Hause lastend ruht? Mit meiner Hoffnung spielt ein tückisch Wesen, Und nimmer stillt sich seines Neides Wut. So nahe glaubt ich mich dem sichern Hafen, So fest vertraut ich auf des Glückes Pfand Und alle Stürme glaubt ich eingeschlafen, Und freudig winkend sah ich schon das Land Im Abendglanz der Sonne sich erhellen, Da kommt ein Sturm aus heitrer Luft gesandt Und reißt mich wieder in den Kampf der Wellen! Sie geht nach dem innern Hause, wohin ihr Diego folgt. Die Szene verwandelt sich in den Garten. Beide Chöre. Zuletzt Beatrice. Der Chor des Don Manuel kommt in festlichem Aufzug, mit Kränzen geschmückt und die oben beschriebenen Brautgeschenke begleitend; der Chor des Don Cesar will ihm den Eintritt verwehren. Du würdest wohl tun, diesen Platz zu leeren. Ich wills, wenn beßre Männer es begehren. Du könntest merken, daß du lästig bist. Deswegen bleib ich, weil es dich verdrießt. Hier ist mein Platz. Wer darf zurück mich halten? Ich darf es tun, ich habe hier zu walten. Mein Herrscher sendet mich, Don Manuel! Ich stehe hier auf meines Herrn Befehl. Dem ältern Bruder muß der jüngre weichen. Dem Erstbesitzenden gehört die Welt. Verhaßter, geh und räume mir das Feld. Nicht, bis sich unsre Schwerter erst vergleichen. Find ich dich überall in meinen Wegen? Wo mirs gefällt, da tret ich dir entgegen. Was hast du hier zu horchen und zu hüten? Was hast du hier zu fragen, zu verbieten? Dir steh ich nicht zu Red und Antwort hier. Und nicht des Wortes Ehre gönn ich dir. Ehrfurcht gebührt, o Jüngling, meinen Jahren. In Tapferkeit bin ich wie du erfahren! stürzt heraus. Weh mir! Was wollen diese wilden Scharen? zum zweiten. Nichts acht ich dich und deine stolze Miene! Ein beßrer ist der Herrscher, dem ich diene! O weh mir, weh mir, wenn er jetzt erschiene! Du lügst! Don Manuel besiegt ihn weit! Den Preis gewinnt mein Herr in jedem Streit. Jetzt wird er kommen, dies ist seine Zeit! Wäre nicht Friede, Recht verschafft ich mir! Wärs nicht die Furcht, kein Friede wehrte dir. O wär er tausend Meilen weit von hier! Das Gesetz fürcht ich, nicht deiner Blicke Trutz. Wohl tust du dran, es ist des Feigen Schutz. Fang an, ich folge! Mein Schwert ist heraus! in der heftigsten Beängstigung. Sie werden handgemein, die Degen blitzen! Ihr Himmelsmächte haltet ihn zurück! Werft euch in seinen Weg ihr Hindernisse, Eine Schlinge legt, ein Netz um seine Füße, Daß er verfehle diesen Augenblick! Ihr Engel alle, die ich flehend bat, Ihn herzuführen, täuschet meine Bitte, Weit, weit von hier entfernet seine Schritte! Sie eilt hinein. Indem die Chöre einander anfallen, erscheint Don Manuel. Don Manuel. Der Chor. Was seh ich! Haltet ein! zum zweiten. Komm an! Komm an! Nieder mit ihnen! Nieder! tritt zwischen sie, mit gezognem Schwert. Haltet ein! Es ist der Fürst. Der Bruder! Haltet Friede! Den streck ich tot auf dieses Rasens Grund, Der mit gezuckter Augenwimper nur Die Fehde fortsetzt und dem Gegner droht! Rast ihr? Was für ein Dämon reizt euch an, Des alten Zwistes Flammen aufzublasen, Der zwischen uns, den Fürsten, abgetan Und ausgeglichen ist auf immerdar? – Wer fing den Streit an? Redet! Ich wills wissen. Sie standen hier – unterbrechend. Sie kamen – zum ersten Chor. Rede du! Wir kamen her, mein Fürst, die Hochzeitgaben Zu überreichen, wie du uns befahlst. Geschmückt zu einem Feste, keineswegs Zum Krieg bereit, du siehst es, zogen wir In Frieden unsern Weg, nichts Arges denkend Und trauend dem beschworenen Vertrag, Da fanden wir sie feindlich hier gelagert Und uns den Eingang sperrend mit Gewalt. Unsinnige, ist keine Freistatt sicher Genug vor eurer blinden, tollen Wut? Auch in der Unschuld still verborgnen Sitz Bricht euer Hader friedestörend ein? Zum zweiten Chor. Weiche zurück! Hier sind Geheimnisse, Die deine kühne Gegenwart nicht dulden. Da derselbe zögert. Zurück! Dein Herr gebietet dirs durch mich, Denn wir sind jetzt ein Haupt und ein Gemüt, Und mein Befehl ist auch der seine. Geh! Zum ersten Chor. Du bleibst und wahrst des Eingangs. Was beginnen? Die Fürsten sind versöhnt, das ist die Wahrheit, Und in der hohen Häupter Span und Streit Sich unberufen, vielgeschäftig drängen, Bringt wenig Dank und öfterer Gefahr. Denn wenn der Mächtige des Streits ermüdet, Wirft er behend auf den geringen Mann, Der arglos ihm gedient, den blutgen Mantel Der Schuld und leicht gereinigt steht er da. Drum mögen sich die Fürsten selbst vergleichen, Ich acht es für geratner, wir gehorchen. Der zweite Chor geht ab, der erste zieht sich nach dem Hintergrund der Szene zurück. In demselben Augenblicke stürzt Beatrice heraus und wirft sich in Don Manuels Arme. Beatrice. Don Manuel. Du bists. Ich habe dich wieder – Grausamer! Du hast mich lange, lange schmachten lassen, Der Furcht und allen Schrecknissen zum Raub Dahingegeben – Doch nichts mehr davon! Ich habe dich – in deinen lieben Armen Ist Schutz und Schirm vor jeglicher Gefahr. Komm! Sie sind weg! Wir haben Raum zur Flucht. Fort, laß uns keinen Augenblick verlieren. Sie will ihn mit sich fortziehen und sieht ihn jetzt erst genauer an. Was ist dir? So verschlossen feierlich Empfängst du mich – entziehst dich meinen Armen, Als wolltest du mich lieber ganz verstoßen? Ich kenne dich nicht mehr – Ist dies Don Manuel, Mein Gatte, mein Geliebter? Beatrice! Nein, rede nicht! Jetzt ist nicht Zeit zu Worten! Fort laß uns eilen, schnell, der Augenblick Ist kostbar – Bleib! Antworte mir! Fort, fort! Eh diese wilden Männer wiederkehren! Bleib! Jene Männer werden uns nicht schaden! Doch, doch! Du kennst sie nicht, o komm! Entfliehe! Von meinem Arm beschützt, was kannst du fürchten? O glaube mir, es gibt hier mächtge Menschen! Geliebte, keinen mächtigern als mich. Du gegen diese vielen ganz allein? Ich ganz allein! Die Männer, die du fürchtest – Du kennst sie nicht, du weißt nicht, wem sie dienen. Mir dienen Sie, und ich bin ihr Gebieter. Du bist – Ein Schrecken fliegt durch meine Seele! Lerne mich endlich kennen, Beatrice! Ich bin nicht der, der ich dir schien zu sein, Der arme Ritter nicht, der unbekannte, Der liebend nur um deine Liebe warb. Wer ich wahrhaftig bin, was ich vermag, Woher ich stamme, hab ich dir verborgen. Du bist Don Manuel nicht! Weh mir, wer bist du? Don Manuel heiß ich – doch ich bin der Höchste, Der diesen Namen führt in dieser Stadt, Ich bin Don Manuel, Fürst von Messina. Du wärst Don Manuel, Don Cesars Bruder? Don Cesar ist mein Bruder. Ist dein Bruder! Wie? Dies erschreckt dich? Kennst du den Don Cesar? Kennst du noch sonsten jemand meines Bluts? Du bist Don Manuel, der mit dem Bruder In Hasse lebt und unversöhnter Fehde? Wir sind versöhnt, seit heute sind wir Brüder, Nicht von Geburt nur, nein, von Herzen auch. Versöhnt, seit heute! Sage mir, was ist das? Was bringt dich so in Aufruhr? Kennst du mehr Als nur den Namen bloß von meinem Hause? Weiß ich dein ganz Geheimnis? Hast du nichts, Nichts mir verschwiegen oder vorenthalten? Was denkst du? Wie? Was hätt ich zu gestehen? Von deiner Mutter hast du mir noch nichts Gesagt. Wer ist sie? Würdest du sie kennen, Wenn ich sie dir beschriebe – dir sie zeigte? Du kennst sie – kennst sie und verbargest mir? Weh dir und wehe mir, wenn ich sie kenne! O sie ist gütig wie das Licht der Sonne! Ich seh sie vor mir, die Erinnerung Belebt sich wieder, aus der Seele Tiefen Erhebt sich mir die göttliche Gestalt. Der braunen Locken dunkle Ringe seh ich Des weißen Halses edle Form beschatten, Ich seh der Stirne rein gewölbten Bogen, Des großen Auges dunkelhellen Glanz, Auch ihrer Stimme seelenvolle Töne Erwachen mir – Weh mir! Du schilderst sie! Und ich entfloh ihr! Konnte sie verlassen, Vielleicht am Morgen eben dieses Tags, Der mich auf ewig ihr vereinen sollte! O selbst die Mutter gab ich hin für dich! Messinas Fürstin wird dir Mutter sein. Zu ihr bring ich dich jetzt, sie wartet deiner. Was sagst du? Deine Mutter und Don Cesars? Zu ihr mich bringen? Nimmer, nimmermehr. Du schauderst? Was bedeutet dies Entsetzen? Ist meine Mutter keine Fremde dir? O unglückselig traurige Entdeckung, O hätt ich nimmer diesen Tag gesehn! Was kann dich ängstigen, nun du mich kennst, Den Fürsten findest in dem Unbekannten? O gib mir diesen Unbekannten wieder, Mit ihm auf ödem Eiland wär ich selig! hinter der Szene. Zurück! Welch vieles Volk ist hier versammelt? Gott! Diese Stimme! Wo verberg ich mich? Erkennst du diese Stimme? Nein, du hast Sie nie gehört, und kannst sie nicht erkennen! O laß uns fliehen, komm und weile nicht. Was fliehn? Es ist des Bruders Stimme, der Mich sucht, zwar wundert mich, wie er entdeckte – Bei allen Heiligen des Himmels, meid ihn! Begegne nicht dem heftig Stürmenden, Laß dich von ihm an diesem Ort nicht finden. Geliebte Seele, dich verwirrt die Furcht! Du hörst mich nicht, wir sind versöhnte Brüder! O Himmel, rette mich aus dieser Stunde! Was ahndet mir! Welch ein Gedanke faßt Mich schaudernd? – Wär es möglich – Wäre dir Die Stimme keine fremde? – Beatrice! Du warst? Mir grauet, weiter fortzufragen! Du warst – bei meines Vaters Leichenfeier! Weh mir! Du warst zugegen? Zürne nicht! Unglückliche, du warst? Ich war zugegen. Entsetzen! Die Begierde war zu mächtig! Vergib mir! Ich gestand dir meinen Wunsch, Doch plötzlich ernst und finster ließest du Die Bitte fallen, und so schwieg auch ich. Doch weiß ich nicht, welch bösen Sternes Macht Mich trieb mit unbezwinglichem Gelüsten. Des Herzens heißen Drang mußt ich vergnügen, Der alte Diener lieh mir seinen Beistand, Ich war dir ungehorsam und ich ging. Sie schmiegt sich an ihn, indem tritt Don Cesar herein, von dem ganzen Chor begleitet. Beide Brüder. Beide Chöre. Beatrice. zu Don Cesar. Du glaubst uns nicht – Glaub deinen eignen Augen. tritt heftig ein und fährt beim Anblick seines Bruders mit Entsetzen zurück. Blendwerk der Hölle! Was? In seinen Armen! Näher tretend, zu Don Manuel. Giftvolle Schlange! Das ist deine Liebe! Deswegen logst du tückisch mir Versöhnung! O eine Stimme Gottes war mein Haß! Fahre zur Hölle, falsche Schlangenseele! Er ersticht ihn. Ich bin des Todes – Beatrice – Bruder! Er sinkt und stirbt. Beatrice fällt neben ihm ohnmächtig nieder. Mord! Mord! Herbei! Greift zu den Waffen alle! Mit Blut gerächet sei die blutge Tat! Alle ziehen die Degen. Heil uns! Der lange Zwiespalt ist geendigt. Nur einem Herrscher jetzt gehorcht Messina. Rache! Rache! Der Mörder falle! falle! Ein sühnend Opfer dem Gemordeten! Herr, fürchte nichts, wir stehen treu zu dir! mit Ansehen zwischen sie tretend. Zurück – Ich habe meinen Feind getötet, Der mein vertrauend redlich Herz betrog, Die Bruderliebe mir zum Fallstrick legte. Ein furchtbar gräßlich Ansehn hat die Tat, Doch der gerechte Himmel hat gerichtet. Weh dir, Messina! Wehe! Wehe! Wehe! Das gräßlich Ungeheure ist geschehn In deinen Mauren – Wehe deinen Müttern Und Kindern, deinen Jünglingen und Greisen, Und wehe der noch ungebornen Frucht! Die Klage kommt zu spät – Hier schaffet Hilfe! Auf Beatricen zeigend. Ruft sie ins Leben! Schnell entfernet sie Von diesem Ort des Schreckens und des Todes. – Ich kann nicht länger weilen, denn mich ruft Die Sorge fort um die geraubte Schwester. – Bringt sie in meiner Mutter Schloß und sprecht, Es sei ihr Sohn Don Cesar, der sie sende! Er geht ab, die ohnmächtige Beatrice wird von dem zweiten Chor auf eine Bank gesetzt und so hinweggetragen, der erste Chor bleibt bei dem Leichnam zurück, um welchen auch die Knaben, die die Brautgeschenke tragen, in einem Halbkreis herumstehen. Sagt mir! Ich kanns nicht fassen und deuten, Wie es so schnell sich erfüllend genaht. Längst wohl sah ich im Geist mit weiten Schritten das Schreckensgespenst herschreiten Dieser entsetzlichen, blutigen Tat. Dennoch übergießt mich ein Grauen, Da sie vorhanden ist und geschehen, Da ich erfüllt muß vor Augen schauen, Was ich in ahndender Furcht nur gesehen. All mein Blut in den Adern erstarrt Vor der gräßlich entschiedenen Gegenwart. Lasset erschallen die Stimme der Klage! Holder Jüngling, Da liegt er entseelt Hingestreckt in der Blüte der Tage! Schwer umfangen von Todesnacht, An der Schwelle der bräutlichen Kammer! Aber über dem Stummen erwacht Lauter, unermeßlicher Jammer. Wir kommen, wir kommen Mit festlichem Prangen Die Braut zu empfangen, Es bringen die Knaben Die reichen Gewande, die bräutlichen Gaben, Das Fest ist bereitet, es warten die Zeugen, Aber der Bräutigam höret nicht mehr. Nimmer erweckt ihn der fröhliche Reigen, Denn der Schlummer der Toten ist schwer. Schwer und tief ist der Schlummer der Toten, Nimmer erweckt ihn die Stimme der Braut, Nimmer des Hifthorns fröhlicher Laut, Starr und fühllos liegt er am Boden! Was sind Hoffnungen, was sind Entwürfe, Die der Mensch, der vergängliche, baut? Heute umarmtet ihr euch als Brüder, Einig gestimmt mit Herzen und Munde, Diese Sonne, die jetzo nieder Geht, sie leuchtete eurem Bunde! Und jetzt liegst du dem Staube vermählt, Von des Brudermords Händen entseelt, In dem Busen die gräßliche Wunde! Was sind Hoffnungen, was sind Entwürfe, Die der Mensch, der flüchtige Sohn der Stunde, Aufbaut auf dem betrüglichen Grunde? Zu der Mutter will ich dich tragen, Eine unbeglückende Last! Diese Zypresse laßt uns zerschlagen Mit der mördrischen Schneide der Axt, Ein Bahre zu flechten aus ihren Zweigen, Nimmer soll sie Lebendiges zeugen. Die die tödliche Frucht getragen. Nimmer in fröhlichem Wuchs sich erheben, Keinem Wandrer mehr Schatten geben, Die sich genährt auf des Mordes Boden, Soll verflucht sein zum Dienst der Toten! Aber wehe dem Mörder, wehe, Der dahingeht in törichtem Mut! Hinab, hinab in der Erde Ritzen Rinnet, rinnet, rinnet dein Blut. Drunten aber im Tiefen sitzen Lichtlos, ohne Gesang und Sprache, Der Themis Töchter, die nie vergessen, Die Untrüglichen, die mit Gerechtigkeit messen, Fangen es auf in schwarzen Gefäßen, Rühren und mengen die schreckliche Rache. Leicht verschwindet der Taten Spur Von der sonnenbeleuchteten Erde, Wie aus dem Antlitz die leichte Gebärde – Aber nichts ist verloren und verschwunden, Was die geheimnisvoll waltenden Stunden In den dunkel schaffenden Schoß aufnahmen – Die Zeit ist eine blühende Flur, Ein großes Lebendiges ist die Natur, Und alles ist Frucht und alles ist Samen. Wehe, wehe dem Mörder, wehe, Der sich gesät die tödliche Saat! Ein andres Antlitz, eh sie geschehen, Ein anderes zeigt die vollbrachte Tat. Mutvoll blickt sie und kühn dir entgegen, Wenn der Rache Gefühle den Busen bewegen, Aber ist sie geschehn und begangen, Blickt sie dich an mit erbleichenden Wangen. Selber die schrecklichen Furien schwangen Gegen Orestes die höllischen Schlangen, Reizten den Sohn zu dem Muttermord an, Mit der Gerechtigkeit heiligen Zügen Wußten sie listig sein Herz zu betrügen, Bis er die tödliche Tat nun getan – Aber da er den Schoß jetzt geschlagen, Der ihn empfangen und liebend getragen, Siehe, da kehrten sie Gegen ihn selber Schrecklich sich um – Und er erkannte die furchtbaren Jungfraun, Die den Mörder ergreifend fassen, Die von jetzt an ihn nimmer lassen, Die ihn mit ewigem Schlangenbiß nagen, Die von Meer zu Meer ihn ruhelos jagen Bis in das delphische Heiligtum. Der Chor geht ab, den Leichnam Don Manuels auf einer Bahre tragend. Die Säulenhalle. – Es ist Nacht, die Szene ist von oben herab durch eine große Lampe erleuchtet. Donna Isabella und Diego treten auf. Noch keine Kunde kam von meinen Söhnen, Ob eine Spur sich fand von der Verlornen? Noch nichts, Gebieterin – doch hoffe alles Von deiner Söhne Ernst und Emsigkeit. Wie ist mein Herz geängstiget, Diego! Es stand bei mir, dies Unglück zu verhüten. Drück nicht des Vorwurfs Stachel in dein Herz, An welcher Vorsicht ließest dus ermangeln? Hätt ich sie früher an das Licht gezogen, Wie mich des Herzens Stimme mächtig trieb! Die Klugheit wehrte dirs, du tatest weise, Doch der Erfolg ruht in des Himmels Hand. Ach, so ist keine Freude rein! Mein Glück Wär ein vollkommnes ohne diesen Zufall! Dies Glück ist nur verzögert, nicht zerstört, Genieße du jetzt deiner Söhne Frieden. Ich habe sie einander Herz an Herz Umarmen sehn – ein nie erlebter Anblick! Und nicht ein Schauspiel bloß, es ging von Herzen, Denn ihr Geradsinn haßt der Lüge Zwang. Ich seh auch, daß sie zärtlicher Gefühle, Der schönen Neigung fähig sind, mit Wonne Entdeck ich, daß sie ehren, was sie lieben. Der ungebundnen Freiheit wollen sie Entsagen, nicht dem Zügel des Gesetzes Entzieht sich ihre brausend wilde Jugend, Und sittlich selbst blieb ihre Leidenschaft. – Ich will dirs jetzo gern gestehn, Diego, Daß ich mit Sorge diesem Augenblick, Der aufgeschloßnen Blume des Gefühls Mit banger Furcht entgegensah – Die Liebe Wird leicht zur Wut in heftigen Naturen. Wenn in den aufgehäuften Feuerzunder Des alten Hasses auch noch dieser Blitz, Der Eifersucht feindselge Flamme schlug – Mir schaudert, es zu denken – ihr Gefühl, Das niemals einig war, gerade hier Zum erstenmal unselig sich begegnet – Wohl mir! Auch diese donnerschwere Wolke, Die über mir schwarz drohend niederhing, Sie führte mir ein Engel still vorüber, Und leicht nun atmet die befreite Brust. Ja, freue deines Werkes dich. Du hast Mit zartem Sinn und ruhigem Verstand Vollendet, was der Vater nicht vermochte Mit aller seiner Herrschermacht – Dein ist Der Ruhm, doch auch dein Glücksstern ist zu loben! Vieles gelang mir! Viel auch tat das Glück! Nichts Kleines war es, solche Heimlichkeit Verhüllt zu tragen diese langen Jahre, Den Mann zu täuschen, den umsichtigsten Der Menschen, und ins Herz zurückzudrängen Den Trieb des Bluts, der mächtig wie des Feuers Verschloßner Gott aus seinen Banden strebte! Ein Pfand ist mir des Glückes lange Gunst, Daß alles sich erfreulich lösen wird. Ich will nicht eher meine Sterne loben, Bis ich das Ende dieser Taten sah. Daß mir der böse Genius nicht schlummert, Erinnert warnend mich der Tochter Flucht. – Schilt oder lobe meine Tat, Diego! Doch dem Getreuen will ich nichts verbergen. Nicht tragen konnt ichs, hier in müßger Ruh Zu harren des Erfolgs, indes die Söhne Geschäftig forschen nach der Tochter Spur. Gehandelt hab auch ich – Wo Menschenkunst Nicht zureicht, hat der Himmel oft geraten. Entdecke mir, was mir zu wissen ziemt. Einsiedelnd auf des Ätna Höhen haust Ein frommer Klausner, von uralters her Der Greis genannt des Berges, welcher, näher Dem Himmel wohnend als der andern Menschen Tief wandelndes Geschlecht, den irdschen Sinn In leichter, reiner Ätherluft geläutert Und von dem Berg der aufgewälzten Jahre Hinabsieht in das aufgelöste Spiel Des unverständlich krummgewundnen Lebens. Nicht fremd ist ihm das Schicksal meines Hauses, Oft hat der heilge Mann für uns den Himmel Gefragt und manchen Fluch hinweggebetet. Zu ihm hinauf gesandt hab ich alsbald Des raschen Boten jugendliche Kraft, Daß er mir Kunde von der Tochter gebe, Und stündlich harr ich dessen Wiederkehr. Trügt mich mein Auge nicht, Gebieterin, So ists derselbe, der dort eilend naht, Und Lob fürwahr verdient der Emsige! Bote. Die Vorigen. Sag an und weder Schlimmes hehle mir Noch Gutes, sondern schöpfe rein die Wahrheit. Was gab der Greis des Bergs dir zum Bescheide? Ich soll mich schnell zurückbegeben, war Die Antwort, die Verlorne sei gefunden. Glückselger Mund, erfreulich Himmelswort, Stets hast du das Erwünschte mir verkündet! Und welchem meiner Söhne wars verliehen, Die Spur zu finden der Verlornen? Die Tiefverborgne fand dein ältster Sohn. Don Manuel ist es, dem ich sie verdanke! Ach, stets war dieser mir ein Kind des Segens! – Hast du dem Greis auch die geweihte Kerze Gebracht, die zum Geschenk ich ihm gesendet, Sie anzuzünden seinem Heiligen? Denn was von Gaben sonst der Menschen Herzen Erfreut, verschmäht der fromme Gottesdiener. Die Kerze nahm er schweigend von mir an, Und zum Altar hintretend, wo die Lampe Dem Heilgen brannte, zündet' er sie flugs Dort an, und schnell in Brand steckt' er die Hütte, Worin er Gott verehrt seit neunzig Jahren. Was sagst du? Welches Schrecknis nennst du mir? Und dreimal Wehe! Wehe! rufend, stieg er Herab vom Berg, mir aber winkt' er schweigend, Ihm nicht zu folgen noch zurückzuschauen. Und so, gejagt von Grausen, eilt ich her! In neuer Zweifel wogende Bewegung Und ängstlich schwankende Verworrenheit Stürzt mich das Widersprechende zurück. Gefunden sei mir die verlorne Tochter Von meinem ältsten Sohn Don Manuel? Die gute Rede kann mir nicht gedeihen, Begleitet von der unglückselgen Tat. Blick hinter dich, Gebieterin! Du siehst Des Klausners Wort erfüllt vor deinen Augen, Denn alles müßt mich trügen, oder dies Ist die verlorne Tochter, die du suchst, Von deiner Söhne Ritterschar begleitet. Beatrice wird von dem zweiten Halbchor auf einem Tragsessel gebracht und auf der vordern Bühne niedergesetzt. Sie ist noch ohne Leben und Bewegung. Isabella. Diego. Bote. Beatrice. Chor. Des Herrn Geheiß erfüllend setzen wir Die Jungfrau hier zu deinen Füßen nieder, Gebieterin – Also befahl er uns Zu tun und dir zu melden dieses Wort: Es sei dein Sohn Don Cesar, der sie sende! ist mit ausgebreiteten Armen auf sie zugeeilt und tritt mit Schrecken zurück. O Himmel! Sie ist bleich und ohne Leben! Sie lebt! Sie wird erwachen! Gönn ihr Zeit, Von dem Erstaunlichen sich zu erholen, Das ihre Geister noch gebunden hält. Mein Kind! Kind meiner Schmerzen, meiner Sorgen! So sehen wir uns wieder! So mußt du Den Einzug halten in des Vaters Haus! O laß an meinem Leben mich das deinige Anzünden! An die mütterliche Brust Will ich dich pressen, bis vom Todesfrost Gelöst die warmen Adern wieder schlagen! Zum Chor. O sprich! Welch Schreckliches ist hier geschehn? Wo fandst du sie? Wie kam das teure Kind In diesen kläglich jammervollen Zustand? Erfahr es nicht von mir, mein Mund ist stumm. Dein Sohn Don Cesar wird dir alles deutlich Verkündigen, denn er ists, der sie sendet. Mein Sohn Don Manuel, so willst du sagen? Dein Sohn Don Cesar sendet sie dir zu. zu dem Boten. Wars nicht Don Manuel, den der Seher nannte? So ist es, Herrin, das war seine Rede. Welcher es sei, er hat mein Herz erfreut, Die Tochter dank ich ihm, er sei gesegnet! O muß ein neidscher Dämon mir die Wonne Des heiß erflehten Augenblicks verbittern! Ankämpfen muß ich gegen mein Entzücken! Die Tochter seh ich in des Vaters Haus, Sie aber sieht nicht mich, vernimmt mich nicht, Sie kann der Mutter Freude nicht erwidern. O öffnet euch, ihr lieben Augenlichter! Erwärmet euch, ihr Hände! Hebe dich, Lebloser Busen, und schlage der Lust! Diego! Das ist meine Tochter – Das Die lang Verborgne, die Gerettete, Vor aller Welt kann ich sie jetzt erkennen! Ein seltsam neues Schrecknis glaub ich ahndend Vor mir zu sehn, und stehe wundernd, wie Das Irrsal sich entwirren soll und lösen. zum Chor, der Bestürzung und Verlegenheit ausdrückt. O ihr seid undurchdringlich harte Herzen, Vom ehrnen Harnisch eurer Brust, gleichwie Von einem schroffen Meeresfelsen, schlägt Die Freude meines Herzens mir zurück! Umsonst in diesem ganzen Kreis umher Späh ich nach einem Auge, das empfindet. Wo weilen meine Söhne, daß ich Anteil In einem Auge lese, denn mir ist, Als ob der Wüste unmitleidge Scharen, Des Meeres Ungeheuer mich umständen. Sie schlägt die Augen auf! Sie regt sich, lebt! Sie lebt! Ihr erster Blick sei auf die Mutter! Das Auge schließt sie schaudernd wieder zu. zum Chor. Weiche zurück! Sie schreckt der fremde Anblick tritt zurück. Gern meid ichs, ihrem Blicke zu begegnen. Mit großen Augen mißt sie staunend dich. Wo bin ich? Diese Züge sollt ich kennen. Langsam kehrt die Besinnung ihr zurück. Was macht sie? Auf die Kniee senkt sie sich. O schönes Engelsantlitz meiner Mutter! Kind meines Herzens! Komm in meine Arme! Zu deinen Füßen sieh die Schuldige. Ich habe dich wieder! Alles sei vergessen! Betracht auch mich! Erkennst du meine Züge? Des redlichen Diego greises Haupt! Der treue Wächter deiner Kinderjahre. So bin ich wieder in dem Schoß der Meinen? Und nichts soll uns mehr scheiden als der Tod. Du willst mich nicht mehr in die Fremde stoßen? Nichts trennt uns mehr, das Schicksal ist befriedigt. sinkt an ihre Brust. Und find ich wirklich mich an deinem Herzen? Und alles war ein Traum, was ich erlebte? Ein schwerer, fürchterlicher Traum – O Mutter! Ich sah ihn tot zu meinen Füßen fallen! – Wie komm ich aber hieher? Ich besinne Mich nicht – Ach, wohl mir, wohl, daß ich gerettet In deinen Armen bin! Sie wollten mich Zur Fürstin Mutter von Messina bringen. Eher ins Grab! Komm zu dir, meine Tochter! Messinas Fürstin – Nenne sie nicht mehr. Mir gießt sich bei dem unglückselgen Namen Ein Frost des Todes durch die Glieder. Höre mich. Sie hat zwei Söhne, die sich tödlich hassen, Don Manuel, Don Cesar nennt man sie. Ich bins ja selbst! Erkenne deine Mutter. Was sagst du? Welches Wort hast du geredet? Ich, deine Mutter, bin Messinas Fürstin. Du bist Don Manuels Mutter und Don Cesars? Und deine Mutter! Deine Brüder nennst du! Weh, weh mir! O entsetzensvolles Licht! Was ist dir? Was erschüttert dich so seltsam? wild um sich her schauend, erblickt den Chor. Das sind sie, ja! Jetzt, jetzt erkenn ich sie. Mich hat kein Traum getäuscht – Die sinds! Die waren Zugegen – Es ist fürchterliche Wahrheit! Unglückliche, wo habt ihr ihn verborgen? Sie geht mit heftigem Schritt auf den Chor zu, der sich von ihr abwendet. Ein Trauermarsch läßt sich in der Ferne hören. Weh! Wehe! Wen verborgen? Was ist wahr? Ihr schweigt bestürzt – ihr scheint sie zu verstehn. Ich les in euren Augen, eurer Stimme Gebrochnen Tönen etwas Unglückselges, Das mir zurückgehalten wird – Was ists? Ich will es wissen. Warum heftet ihr So schreckenvolle Blicke nach der Türe? Und was für Töne hör ich da erschallen? Es naht sich! Es wird sich mit Schrecken erklären. Sei stark, Gebieterin, stähle dein Herz. Mit Fassung ertrage, was dich erwartet, Mit männlicher Seele den tödlichen Schmerz! Was naht sich? Was erwartet mich? – Ich höre Der Totenklage fürchterlichen Ton Das Haus durchdringen – Wo sind meine Söhne? Der erste Halbchor bringt den Leichnam Don Manuels auf einer Bahre getragen, die er auf der leergelassenen Seite der Szene niedersetzt. Ein schwarzes Tuch ist darübergebreitet. Isabella. Beatrice. Diego. Beide Chöre. Durch die Straßen der Städte, Vom Jammer gefolget, Schreitet das Unglück – Laurend umschleicht es Die Häuser der Menschen, Heute an dieser Pforte pocht es, Morgen an jener, Aber noch keinen hat es verschont. Die unerwünschte Schmerzliche Botschaft Früher oder später Bestellt es an jeder Schwelle, wo ein Lebendiger wohnt. Wenn die Blätter fallen In des Jahres Kreise, Wenn zum Grabe wallen Entnervte Greise, Da gehorcht die Natur Ruhig nur Ihrem alten Gesetze, Ihrem ewigen Brauch, Da ist nichts, was den Menschen entsetze! Aber das Ungeheure auch Lerne erwarten im irdischen Leben! Mit gewaltsamer Hand Löset der Mord auch das heiligste Band, In sein stygisches Boot Raffet der Tod Auch der Jugend blühendes Leben! Wenn die Wolken getürmt den Himmel schwärzen, Wenn dumpftosend der Donner hallt, Da, da fühlen sich alle Herzen In des furchtbaren Schicksals Gewalt. Aber auch aus entwölkter Höhe Kann der zündende Donner schlagen, Darum in deinen fröhlichen Tagen Fürchte des Unglücks tückische Nähe. Nicht an die Güter hänge dein Herz, Die das Leben vergänglich zieren, Wer besitzt, der lerne verlieren, Wer im Glück ist, der lerne den Schmerz. Was soll ich hören? Was verhüllt dies Tuch? Sie macht einen Schritt gegen die Bahre, bleibt aber unschlüssig zaudernd stehen. Es zieht mich grausend hin und zieht mich schaudernd Mit dunkler, kalter Schreckenshand zurück. Zu Beatricen, welche sich zwischen sie und die Bahre geworfen. Laß mich! Was es auch sei, ich wills enthüllen! Sie hebt das Tuch auf und entdeckt Don Manuels Leichnam. O himmlische Mächte, es ist mein Sohn! Sie bleibt mit starrem Entsetzen stehen – Beatrice sinkt mit einem Schrei des Schmerzens neben der Bahre nieder. Unglückliche Mutter! Es ist dein Sohn! Du hast es gesprochen, das Wort des Jammers, Nicht meinen Lippen ist es entflohn. Mein Sohn! Mein Manuel! – O ewige Erbarmung – So muß ich dich wiederfinden! Mit deinem Leben mußtest du die Schwester Erkaufen aus des Räubers Hand! – Wo war Dein Bruder, daß sein Arm dich nicht beschützte? – O Fluch der Hand, die diese Wunde grub! Fluch ihr, die den Verderblichen geboren, Der mir den Sohn erschlug! Fluch seinem ganzen Geschlecht! Weh! Wehe! Wehe! Wehe! So haltet ihr mir Wort, ihr Himmelsmächte? Das, das ist eure Wahrheit? Wehe dem, Der euch vertraut mit redlichem Gemüt! Worauf hab ich gehofft, wovor gezittert, Wenn dies der Ausgang ist – O die ihr hier Mich schreckenvoll umsteht, an meinem Schmerz Die Blicke weidend, lernt die Lügen kennen, Womit die Träume uns, die Seher täuschen! Glaube noch einer an der Götter Mund! – Als ich mich Mutter fühlte dieser Tochter, Da träumte ihrem Vater eines Tags, Er säh aus seinem hochzeitlichen Bette Zwei Lorbeerbäume wachsen – Zwischen ihnen Wuchs eine Lilie empor, sie ward Zur Flamme, die der Bäume dicht Gezweig ergriff, Und um sich wütend schnell das ganze Haus In ungeheurer Feuerflut verschlang. Erschreckt von diesem seltsamen Gesichte Befrug der Vater einen Vogelschauer Und schwarzen Magier um die Bedeutung. Der Magier erklärte: wenn mein Schoß Von einer Tochter sich entbinden würde, So würde sie die beiden Söhne ihm Ermorden und vertilgen seinen Stamm! Gebieterin, was sagst du? Wehe! Wehe! Darum befahl der Vater, sie zu töten, Doch ich entrückte sie dem Jammerschicksal! – Die arme Unglückselige! Verstoßen Ward sie als Kind aus ihrer Mutter Schoß, Daß sie, erwachsen, nicht die Brüder morde! Und jetzt durch Räubershände fällt der Bruder, Nicht die Unschuldige hat ihn getötet! Weh! Wehe! Wehe! Wehe! Keinen Glauben Verdiente mir des Götzendieners Spruch, Ein beßres Hoffen stärkte meine Seele. Denn mir verkündigte ein andrer Mund, Den ich für wahrhaft hielt, von dieser Tochter »In heißer Liebe würde sie dereinst Der Söhne Herzen mir vereinigen.« – So widersprachen die Orakel sich, Den Fluch zugleich und Segen auf das Haupt Der Tochter legend – Nicht den Fluch hat sie Verschuldet, die Unglückliche! Nicht Zeit Ward ihr gegönnt, den Segen zu vollziehen. Ein Mund hat wie der andere gelogen! Die Kunst der Seher ist ein eitles Nichts, Betrüger sind sie, oder sind betrogen. Nichts Wahres läßt sich von der Zukunft wissen, Du schöpfest drunten an der Hölle Flüssen, Du schöpfest droben an dem Quell des Lichts. Weh! Wehe! Was sagst du? Halt ein, halt ein! Bezähme der Zunge verwegenes Toben! Die Orakel sehen und treffen ein, Der Ausgang wird die Wahrhaftigen loben! Nicht zähmen will ich meine Zunge, laut Wie mir das Herz gebietet, will ich reden. Warum besuchen wir die heilgen Häuser, Und heben zu dem Himmel fromme Hände? Gutmütge Toren, was gewinnen wir Mit unserm Glauben? So unmöglich ists, Die Götter, die hochwohnenden, zu treffen, Als in den Mond mit einem Pfeil zu schießen. Vermauert ist dem Sterblichen die Zukunft, Und kein Gebet durchbohrt den ehrnen Himmel. Ob rechts die Vögel fliegen oder links, Die Sterne so sich oder anders fügen, Nicht Sinn ist in dem Buche der Natur, Die Traumkunst träumt und alle Zeichen trügen. Halt ein, Unglückliche! Wehe! Wehe! Du leugnest der Sonne leuchtendes Licht Mit blinden Augen! Die Götter leben, Erkenne sie, die dich furchtbar umgeben! O Mutter! Mutter! Warum hast du mich Gerettet! Warum warfst du mich nicht hin Dem Fluch, der, eh ich war, mich schon verfolgte? Blödsichtge Mutter! Warum dünktest du Dich weiser, als die alles Schauenden, Die Nah und Fernes aneinander knüpfen, Und in der Zukunft späte Saaten sehn? Dir selbst und mir, uns allen zum Verderben Hast du den Todesgöttern ihren Raub, Den sie gefodert, frevelnd vorenthalten! Jetzt nehmen sie ihn zweifach, dreifach selbst. Nicht dank ich dir das traurige Geschenk, Dem Schmerz, dem Jammer hast du mich erhalten! in heftiger Bewegung nach der Türe sehend. Brechet auf, ihr Wunden, Fließet, fließet! In schwarzen Güssen Stürzet hervor, ihr Bäche des Bluts. Eherner Füße Rauschen vernehm ich, Höllischer Schlangen Zischendes Tönen, Ich erkenne der Furien Schritt! Stürzet ein, ihr Wände, Versink, o Schwelle, Unter der schrecklichen Füße Tritt! Schwarze Dämpfe, entsteiget, entsteiget Qualmend dem Abgrund! Verschlinget des Tages Lieblichen Schein! Schützende Götter des Hauses, entweichet, Lasset die rächenden Göttinnen ein! Don Cesar. Isabella. Beatrice. Der Chor. Beim Eintritt des Don Cesar zerteilt sich der Chor in fliehender Bewegung vor ihm, er bleibt allein in der Mitte der Szene stehen. Weh mir, er ists! tritt ihm entgegen. O mein Sohn Cesar! Muß ich so Dich wiedersehen – O blick her und sieh Den Frevel einer gottverfluchten Hand! Führt ihn zu dem Leichnam. tritt mit Entsetzen zurück, das Gesicht verhüllend. Brechet auf, ihr Wunden! Fließet, fließet! In schwarzen Güssen Strömet hervor, ihr Bäche des Bluts! Du schauderst und erstarrst! – Ja, das ist alles, Was dir noch übrig ist von deinem Bruder! Da liegen meine Hoffnungen – Sie stirbt Im Keim, die junge Blume eures Friedens, Und keine schöne Früchte sollt ich schauen. Tröste dich, Mutter. Redlich wollten wir Den Frieden, aber Blut beschloß der Himmel. O ich weiß, du liebtest ihn, ich sah entzückt Die schönen Bande zwischen euch sich flechten! An deinem Herzen wolltest du ihn tragen, Ihm reich ersetzen die verlornen Jahre. Der blutge Mord kam deiner schönen Liebe Zuvor – jetzt kannst du nichts mehr als ihn rächen. Komm, Mutter, komm! hier ist kein Ort für dich, Entreiß dich diesem unglückselgen Anblick! Er will sie fortziehen. fällt ihm um den Hals. Du lebst mir noch! Du jetzt mein Einziger! Weh, Mutter! Was beginnst du? Weine dich aus An diesem treuen Busen. Unverloren Ist dir der Sohn, denn seine Liebe lebt Unsterblich fort in deines Cesars Brust. Brechet auf, ihr Wunden! Redet, ihr stummen! In schwarzen Fluren Stürzet hervor, ihr Bäche des Bluts. beider Hände fassend. O meine Kinder! Wie entzückt es mich, In deinen Armen sie zu sehen, Mutter! Ja, laß sie deine Tochter sein! Die Schwester – unterbricht ihn. Dir dank ich die Gerettete, mein Sohn! Du hieltest Wort, du hast sie mir gesendet. erstaunt. Wen, Mutter, sagst du, hab ich dir gesendet? Sie mein ich, die du vor dir siehst, die Schwester. Sie meine Schwester! Welche andre sonst? Meine Schwester? Die du selber mir gesendet. Und seine Schwester! Wehe! Wehe! Wehe! O meine Mutter! Ich erstaune – Redet! So sei der Tag verflucht, der mich geboren! Was ist dir? Gott! Verflucht der Schoß, der mich Getragen! – Und verflucht sei deine Heimlichkeit, Die all dies Gräßliche verschuldet! Falle Der Donner nieder, der dein Herz zerschmettert, Nicht länger halt ich schonend ihn zurück – Ich selber, wiß es, ich erschlug den Bruder, In ihren Armen überrascht ich ihn, Sie ist es, die ich liebe, die zur Braut Ich mir gewählt – den Bruder aber fand ich In ihren Armen – alles weißt du nun! – Ist sie wahrhaftig seine, meine Schwester, So bin ich schuldig einer Greueltat, Die keine Reu und Büßung kann versöhnen! Es ist gesprochen, du hast es vernommen, Das Schlimmste weißt du, nichts ist mehr zurück! Wie die Seher verkündet, so ist es gekommen, Denn noch niemand entfloh dem verhängten Geschick. Und wer sich vermißt, es klüglich zu wenden, Der muß es selber erbauend vollenden. Was kümmerts mich noch, ob die Götter sich Als Lügner zeigen, oder sich als wahr Bestätigen? Mir haben sie das Ärgste Getan – Trotz biet ich ihnen, mich noch härter Zu treffen, als sie trafen – Wer für nichts mehr Zu zittern hat, der fürchtet sie nicht mehr. Ermordet liegt mir der geliebte Sohn, Und von dem lebenden scheid ich mich selbst. Er ist mein Sohn nicht – Einen Basilisken Hab ich erzeugt, genährt an meiner Brust, Der mir den bessern Sohn zu Tode stach. – Komm, meine Tochter! Hier ist unsers Bleibens Nicht mehr – den Rachegeistern überlaß ich Dies Haus – Ein Frevel führte mich herein, Ein Frevel treibt mich aus – Mit Widerwillen Hab ichs betreten, und mit Furcht bewohnt, Und in Verzweiflung räum ichs – Alles dies Erleid ich schuldlos, doch bei Ehren bleiben Die Orakel und gerettet sind die Götter. Sie geht ab. Diego folgt ihr. Beatrice. Don Cesar. Der Chor. Beatrice zurückhaltend. Bleib, Schwester! Scheide du nicht so von mir! Mag mir die Mutter fluchen, mag dies Blut Anklagend gegen mich zum Himmel rufen, Mich alle Welt verdammen! Aber du Fluche mir nicht! Von dir kann ichs nicht tragen. zeigt mit abgewandtem Gesicht auf den Leichnam. Nicht den Geliebten hab ich dir getötet! Den Bruder hab ich dir und hab ihn mir Gemordet – dir gehört der Abgeschiedne jetzt Nicht näher an, als ich der Lebende, Und ich bin mitleidswüdiger als er, Denn er schied rein hinweg und ich bin schuldig. bricht in heftige Tränen aus. Weine um den Bruder, ich will mit dir weinen, Und mehr noch – rächen will ich ihn! Doch nicht Um den Geliebten weine! Diesen Vorzug, Den du dem Toten gibst, ertrag ich nicht. Den einzgen Trost, den letzten, laß mich schöpfen Aus unsers Jammers bodenloser Tiefe, Daß er dir näher nicht gehört als ich – Denn unser furchtbar aufgelöstes Schicksal Macht unsre Rechte gleich, wie unser Unglück. In einen Fall verstrickt, drei liebende Geschwister, gehen wir vereinigt unter, Und teilen gleich der Tränen traurig Recht. Doch wenn ich denken muß, daß deine Trauer Mehr dem Geliebten als dem Bruder gilt, Dann mischt sich Wut und Neid in meinen Schmerz, Und mich verläßt der Wehmut letzter Trost. Nicht freudig, wie ich gerne will, kann ich Das letzte Opfer seinen Manen bringen, Doch sanft nachsenden will ich ihm die Seele, Weiß ich nur, daß du meinen Staub mit seinem In einem Aschenkruge sammeln wirst. Den Arm um sie schlingend, mit einer leidenschaftlich zärtlichen Heftigkeit. Dich liebt ich, wie ich nichts zuvor geliebt, Da du noch eine Fremde für mich warst. Weil ich dich liebte über alle Grenzen, Trag ich den schweren Fluch des Brudermords, Liebe zu dir war meine ganze Schuld. – Jetzt bist du meine Schwester und dein Mitleid Fodr ich von dir als einen heilgen Zoll. Er sieht sie mit ausforschenden Blicken und schmerzlicher Erwartung an, dann wendet er sich mit Heftigkeit von ihr. Nein, nein, nicht sehen kann ich diese Tränen – In dieses Toten Gegenwart verläßt Der Mut mich und die Brust zerreißt der Zweifel – – Laß mich im Irrtum! Weine im Verborgnen! Sieh nie mich wieder – niemals mehr – Nicht dich, Nicht deine Mutter will ich wiedersehen, Sie hat mich nie geliebt! Verraten endlich Hat sich ihr Herz, der Schmerz hat es geöffnet. Sie nannt ihn ihren bessern Sohn! – So hat sie Verstellung ausgeübt ihr ganzes Leben! – Und du bist falsch wie sie! Zwinge dich nicht! Zeig deinen Abscheu! Mein verhaßtes Antlitz Sollst du nicht wiedersehn! Geh hin auf ewig! Er geht ab. Sie steht unschlüssig, im Kampf widersprechender Gefühle, dann reißt sie sich los und geht. – – – – – – – Wohl dem! Selig muß ich ihn preisen, Der in der Stille der ländlichen Flur, Fern von des Lebens verworrenen Kreisen, Kindlich liegt an der Brust der Natur. Denn das Herz wird mir schwer in der Fürsten Palästen, Wenn ich herab vom Gipfel des Glücks Stürzen sehe die Höchsten, die Besten In der Schnelle des Augenblicks! Und auch der hat sich wohl gebettet, Der aus der stürmischen Lebenswelle Zeitig gewarnt sich herausgerettet In des Klosters friedliche Zelle. Der die stachelnde Sucht der Ehren Von sich warf und die eitle Lust, Und die Wünsche, die ewig begehren, Eingeschläfert in ruhiger Brust, Ihn ergeift in dem Lebensgewühle Nicht der Leidenschaft wilde Gewalt, Nimmer in seinem stillen Asyle Sieht er der Menschheit traurge Gestalt. Nur in bestimmter Höhe ziehet Das Verbrechen hin und das Ungemach, Wie die Pest die erhabenen Orte fliehet, Dem Qualm der Städte wälzt es sich nach, Auf den Bergen ist die Freiheit! Der Hauch der Grüfte Steigt nicht hinauf in die reinen Lüfte, Die Welt ist vollkommen überall, Wo der Mensch nicht hinkommt mit seiner Qual. Don Cesar. Der Chor. gefaßter. Das Recht des Herrschers üb ich aus zum letztenmal, Dem Grab zu übergeben diesen teuren Leib, Denn dieses ist der Toten letzte Herrlichkeit. Vernehmt denn meines Willens ernstlichen Beschluß, Und wie ichs euch gebiete, also übt es aus Genau – Euch ist in frischem Angedenken noch Das ernste Amt, denn nicht von langen Zeiten ists, Daß ihr zur Gruft begleitet eures Fürsten Leib. Die Totenklage ist in diesen Mauren kaum Verhallt und eine Leiche drängt die andre fort Ins Grab, daß eine Fackel an der andern sich Anzünden, auf der Treppe Stufen sich der Zug Der Klagemänner fast begegnen mag. So ordnet denn ein feierlich Begräbnisfest In dieses Schlosses Kirche, die des Vaters Staub Verwahrt, geräuschlos bei verschloßnen Pforten an, Und alles werde, wie es damals war, vollbracht. Mit schnellen Händen soll dies Werk bereitet sein, O Herr – denn aufgerichtet steht der Katafalk Ein Denkmal jener ernsten Festlichkeit noch da, Und an den Bau des Todes rührte keine Hand. Das war kein glücklich Zeichen, daß des Grabes Mund Geöffnet blieb im Hause der Lebendigen. Wie kams, daß man das unglückselige Gerüst Nicht nach vollbrachtem Dienste alsobald zerbrach? Die Not der Zeiten und der jammervolle Zwist, Der gleich nachher, Messina feindlich teilend, sich Entflammt, zog unsre Augen von den Toten ab, Und öde blieb, verschlossen, dieses Heiligtum. Ans Werk denn eilet ungesäumt! Noch diese Nacht Vollende sich das mitternächtliche Geschäft! Die nächste Sonne finde von Verbrechen rein Das Haus, und leuchte einem fröhlichern Geschlecht. Der zweite Chor entfernt sich mit Don Manuels Leichnam. Soll ich der Mönche fromme Brüderschaft hieher Berufen, daß sie nach der Kirche altem Brauch Das Seelenamt verwalte und mit heilgem Lied Zur ewgen Ruh einsegne den Begrabenen? Ihr frommes Lied mag fort und fort an unserm Grab Auf ewge Zeiten schallen bei der Kerze Schein, Doch heute nicht bedarf es ihres reinen Amts, Der blutge Mord verscheucht das Heilige. Beschließe nichts gewaltsam Blutiges, o Herr, Wider dich selber wütend mit Verzweiflungstat: Denn auf der Welt lebt niemand, der dich strafen kann, Und fromme Büßung kauft den Zorn des Himmels ab. Nicht auf der Welt lebt, wer mich richtend strafen kann, Drum muß ich selber an mir selber es vollziehn. Bußfertge Sühne, weiß ich, nimmt der Himmel an, Doch nur mit Blute büßt sich ab der blutge Mord. Des Jammers Fluten, die auf dieses Haus gestürmt, Ziemt dir zu brechen, nicht zu häufen Leid auf Leid. Den alten Fluch des Hauses lös ich sterbend auf, Der freie Tod nur bricht die Kette des Geschicks. Zum Herrn bist du dich schuldig dem verwaisten Land, Weil du des andern Herrscherhauptes uns beraubt. Zuerst den Todesgöttern zahl ich meine Schuld, Ein andrer Gott mag sorgen für die Lebenden. Soweit die Sonne leuchtet, ist die Hoffnung auch, Nur von dem Tod gewinnt sich nichts! Bedenk es wohl. Du selbst bedenke schweigend deine Dienerpflicht, Mich laß dem Geist gehorchen, der mich furchtbar treibt, Denn in das Innre kann kein Glücklicher mir schaun. Und ehrst du fürchtend auch den Herrscher nicht in mir, Den Verbrecher fürchte, den der Flüche schwerster drückt, Das Haupt verehre des Unglücklichen, Das auch den Göttern heilig ist – Wer das erfuhr, Was ich erleide und im Busen fühle, Gibt keinem Irdischen mehr Rechenschaft. Donna Isabella. Don Cesar. Der Chor. kommt mit zögernden Schritten und wirft unschlüssige Blicke auf Don Cesar. Endlich tritt sie ihm näher und spricht mit gefaßtem Ton. Dich sollten meine Augen nicht mehr schauen, So hatt ich mirs in meinem Schmerz gelobt, Doch in die Luft verwehen die Entschlüsse, Die eine Mutter, unnatürlich wütend, Wider des Herzens Stimme faßt – Mein Sohn! Mich treibt ein unglückseliges Gerücht Aus meines Schmerzens öden Wohnungen Hervor – Soll ich ihm glauben? Ist es wahr, Daß mir ein Tag zwei Söhne rauben soll? Entschlossen siehst du ihn, festen Muts, Hinabzugehen mit freiem Schritte Zu des Todes traurigen Toren. Erprobe du jetzt die Kraft des Bluts, Die Gewalt der rührenden Mutterbitte Meine Worte hab ich umsonst verloren. Ich rufe die Verwünschungen zurück, Die ich im blinden Wahnsinn der Verzweiflung Auf dein geliebtes Haupt herunterrief Eine Mutter kann des eignen Busens Kind, Das sie mit Schmerz geboren, nicht verfluchen. Nicht hört der Himmel solche sündige Gebete, schwer von Tränen fallen sie Zurück von seinem leuchtenden Gewölbe. – Lebe, mein Sohn! Ich will den Mörder lieber sehn Des einen Kindes, als um beide weinen. Nicht wohl bedenkst du, Mutter, was du wünschest Dir selbst und mir – Mein Platz kann nicht mehr sein Bei den Lebendigen – Ja, könntest du Des Mörders gottverhaßten Anblick auch Ertragen, Mutter, ich ertrüge nicht Den stummen Vorwurf deines ewgen Grams. Kein Vorwurf soll dich kränken, keine laute Noch stumme Klage in das Herz dir schneiden. In milder Wehmut wird der Schmerz sich lösen, Gemeinsam trauernd wollen wir das Unglück Beweinen und bedecken das Verbrechen. faßt ihre Hand, mit sanfter Stimme. Das wirst du, Mutter. Also wirds geschehn. In milder Wehmut wird dein Schmerz sich lösen – Dann, Mutter, wenn ein Totenmal den Mörder Zugleich mit dem Gemordeten umschließt, Ein Stein sich wölbet über beider Staube, Dann wird der Fluch entwaffnet sein – Dann wirst Du deine Söhne nicht mehr unterscheiden, Die Tränen, die dein schönes Auge weint, Sie werden einem wie dem andern gelten, Ein mächtiger Vermittler ist der Tod. Da löschen alle Zornesflammen aus, Der Haß versöhnt sich, und das schöne Mitleid Neigt sich ein weinend Schwesterbild mit sanft Anschmiegender Umarmung auf die Urne. Drum, Mutter, wehre du mir nicht, daß ich Hinuntersteige und den Fluch versöhne. Reich ist die Christenheit an Gnadenbildern, Zu denen wallend ein gequältes Herz Kann Ruhe finden. Manche schwere Bürde Ward abgeworfen in Loretos Haus, Und segensvolle Himmelskraft umweht Das heilge Grab, das alle Welt entsündigt. Vielkräftig auch ist das Gebet der Frommen, Sie haben reichen Vorrat an Verdienst, Und auf der Stelle, wo ein Mord geschah, Kann sich ein Tempel reinigend erheben. Wohl läßt der Pfeil sich aus dem Herzen ziehn, Doch nie wird das verletzte mehr gesunden. Lebe, wers kann, ein Leben der Zerknirschung, Mit strengen Bußkasteinugen allmählich Abschöpfend eine ewge Schuld – Ich kann Nicht leben, Mutter, mit gebrochnem Herzen. Aufblicken muß ich freudig zu den Frohen, Und in den Äther greifen über mir, Mit freiem Geist – Der Neid vergiftete mein Leben, Da wir noch deine Liebe gleich geteilt. Denkst du, daß ich den Vorzug werde tragen, Den ihm dein Schmerz gegeben über mich? Der Tod hat eine reinigende Kraft, In seinem unvergänglichen Palaste Zu echter Tugend reinem Diamant Das Sterbliche zu läutern und die Flecken Der mangelhaften Menschheit zu verzehren. Weit wie die Sterne abstehn von der Erde, Wird er erhaben stehen über mir, Und hat der alte Neid uns in dem Leben Getrennt, da wir noch gleiche Brüder waren, So wird er rastlos mir das Herz zernagen, Nun er das Ewige mir abgewann, Und jenseits alles Wettstreits wie ein Gott In der Erinnerung der Menschen wandelt. O hab ich euch nur darum nach Messina Gerufen, um euch beide zu begraben! Euch zu versöhnen, rief ich euch hieher Und ein verderblich Schicksal kehret all Mein Hoffen in sein Gegenteil mir um! Schilt nicht den Ausgang, Mutter! Es erfüllt Sich alles, was versprochen ward. Wir zogen ein Mit Friedenshoffnungen in diese Tore, Und friedlich werden wir zusammen ruhn, Versöhnt auf ewig in dem Haus des Todes. Lebe, mein Sohn! Laß deine Mutter nicht Freundlos im Land der Fremdlinge zurück, Rohherziger Verhöhnung preisgegeben, Weil sie der Söhne Kraft nicht mehr beschützt. Wenn alle Welt dich herzlos kalt verhöhnt, So flüchte du dich hin zu unserm Grabe, Und rufe deiner Söhne Gottheit an, Denn Götter sind wir dann, wir hören dich, Und wie des Himmels Zwillinge dem Schiffer Ein leuchtend Sternbild, wollen wir mit Trost Dir nahe sein und deine Seele stärken. Lebe, mein Sohn! Für deine Mutter lebe! Ich kanns nicht tragen, alles zu verlieren! Sie schlingt ihre Arme mit leidenschaftlicher Heftigkeit um ihn, er macht sich sanft von ihr los und reicht ihr die Hand mit abgewandtem Gesicht. Leb wohl! Ach, wohl erfahr ichs schmerzlich fühlend nun, Daß nichts die Mutter über dich vermag! Gibts keine andre Stimme, welche dir Zum Herzen mächtger als die meine dringt? Sie geht nach dem Eingang der Szene. Komm, meine Tochter! Wenn der tote Bruder Ihn so gewaltig nachzieht in die Gruft, So mag vielleicht die Schwester, die geliebte, Mit schöner Lebenshoffnung Zauberschein Zurück ihn locken in das Licht der Sonne. Beatrice erscheint am Eingange der Szene. Donna Isabella. Don Cesar und der Chor. bei ihrem Anblick heftig bewegt sich verhüllend. O Mutter! Mutter! Was ersannest du? führt sie vorwärts. Die Mutter hat umsonst zu ihm gefleht, Beschwöre du, erfleh ihn, daß er lebe. Arglistge Mutter! Also prüfst du mich! In neuen Kampf willst du zurück mich stürzen? Das Licht der Sonne mir noch teuer machen Auf meinem Wege zu der ewgen Nacht? – Da steht der holde Lebensengel mächtig Vor mir und tausend Blumen schüttet er Und tausend goldne Früchte lebenduftend Aus reichem Füllhorn strömend vor mir aus, Das Herz geht auf im warmen Strahl der Sonne, Und neu erwacht in der erstorbnen Brust Die Hoffnung wieder und die Lebenslust. Fleh ihn, dich oder niemand wird er hören, Daß er den Stab nicht raube dir und mir. Ein Opfer fodert der geliebte Tote, Es soll ihm werden, Mutter – Aber mich Laß dieses Opfer sein! Dem Tode war ich Geweiht, eh ich das Leben sah. Mich fodert Der Fluch, der dieses Haus verfolgt, und Raub Am Himmel ist das Leben, das ich lebe. Ich bins, die ihn gemordet, eures Streits Entschlafne Furien gewecket – Mir Gebührt es, seine Manen zu versöhnen! O jammervolle Mutter! Hin zum Tod Drängen sich eifernd alle deine Kinder, Und lassen dich allein, verlassen, stehen Im freudlos öden, liebeleeren Leben. Du, Bruder, rette dein geliebtes Haupt, Für deine Mutter lebe! Sie bedarf Des Sohns, erst heute fand sie eine Tochter, Und leicht entbehrt sie, was sie nie besaß. mit tief verwundeter Seele. Wir mögen leben, Mutter, oder sterben, Wenn sie nur dem Geliebten sich vereinigt! Beneidest du des Bruders toten Staub? Er lebt in deinem Schmerz ein selig Leben, Ich werde ewig tot sein bei den Toten. O Bruder! mit dem Ausdruck der heftigsten Leidenschaft. Schwester, weinest du um mich? Lebe für unsre Mutter! läßt ihre Hand los, zurücktretend. Für die Mutter? neigt sich an seine Brust. Lebe für sie und tröste deine Schwester. Sie hat gesiegt! Dem rührenden Flehen Der Schwester konnt er nicht widerstehen. Trostlose Mutter! Gib Raum der Hoffnung, Er erwählt das Leben, dir bleibt dein Sohn! In diesem Augenblick läßt sich ein Chorgesang hören, die Flügeltüre wird geöffnet, man sieht in der Kirche den Katafalk aufgerichtet und den Sarg von Kandelabern umgeben. gegen den Sarg gewendet. Nein, Bruder! Nicht dein Opfer will ich dir Entziehen – deine Stimme aus dem Sarg Ruft mächtger dringend als der Mutter Tränen Und mächtger als der Liebe Flehn – Ich halte In meinen Armen, was das irdsche Leben Zu einem Los der Götter machen kann – Doch ich, der Mörder, sollte glücklich sein, Und deine heilge Unschuld ungerächet Im tiefen Grabe liegen – das verhüte Der allgerechte Lenker unsrer Tage, Daß solche Teilung sei in seiner Welt – – Die Tränen sah ich, die auch mir geflossen, Befriedigt ist mein Herz, ich folge dir. Er durchsticht sich mit einem Dolch und gleitet sterbend an seiner Schwester nieder, die sich der Mutter in die Arme wirft. nach einem tiefen Schweigen. Erschüttert steh ich, weiß nicht, ob ich ihn Bejammern oder preisen soll sein Los. Dies eine fühl ich und erkenn es klar, Das Leben ist der Güter höchstes nicht , Der Übel größtes aber ist die Schuld.