Johann Friedrich Schink Hanswurst von Salzburg mit dem hölzernen Gat Historisch Schauspiel in drei Aufzügen Prolog Prolog vom Hanswurst. Meine sehr werthen Herren und Frauen, Nach Stand und Würden, wie Sie sind da! Willkommen zu unsrer Kommödia. Werden gar herrliche Sachen hier schauen, Die nicht gewest, sint unser Planete Am Schöpfungstag, wie am Spieß gestekt, Hurliburli um seine Axe sich drehte; Und all den Kram, den wir oben da sehn: Die liebe Sonne, und die Sternlein gar schön, Das alte Chaos ausgehekt; Sint Adam und Madam Eva dazu Verführt vom schwarzen Höllenbubu Am Baum der Erkänntniß sich dikk gegessen, Und sich die Sünde am Leibe gefressen. Hätt unser erstes Elternpaar Nicht gebissen in'n fatalen Apfel gar: Säßen wir noch all im Paradiessen, Wären nicht so gewaltig besch-ssen, Und ich würde nicht den Hanswurst spielen müssen! Doch wieder zu kommen auf die Kommödia: Sind herrliche Dinge zu schauen da. Ist bald der Schauplaz in Oesterreich, Bald in der Turkei, bald auf dem wildem Meere; Und bald an allen Orten zugleich. So was wird dem Genie nicht schwere, Kommen die Helden in grosser Fahr, Sind drin Duelle und allerlei Mord und Spektakel und Mezelei; Was nur könt geschehn in einem Jahr: Das ist hier alles in einen Akt Zusammengeknätet und gepakt. Wer sich drüber aufhält, der ist fürwahr Fürs werthe Publikum gesagt, ein Narr. Machts doch der Doktor Göthe auch so, Und der Doktor Göthe ist doch ein Genie – (Sagen's ja alle Kritici!) Mischt in seinem Schauspiel, wie Heksel und Stroh, Ziegeuner uud Reitknechte, Pfaffen und Helden, Lassen sich auch – mit Ehren zu melden – Die Helden im Arsch lekken, wie solches gar schön Im Göz von Berlichingen zu sehn. Und da nun alles Herr Göthen kopiret Und alle Völker, von Sachsen an Wie sie da wohnen, in Braunschweig, und Hamburg, Berlin, Lübek, Stralsund, Und alle Völker vom Flusse Mayn Zur Donau, und von der Weser zum Rhein Den Narr'n an ihm gefressen ha'n – Und alles ihm hinten und vorn hofiret Und alles was schreibt ihn imitiret: So wird er auch von uns kopiret. Ist's nicht Natur, wer kehret sich daran? Hat's doch der große Göthe gethan – Und das ist doch nun einmal der Wunderman, Den alles mit ofnem Maule schaut an. Werden also meine Herren und Frauen Ein Schauspiel à la Göthe hier schauen: Wird darin gescheiskerlt, geschwerenoth't und gekakt. Es folgt nunmehr der erste Akt. 1. Akt 1. Auftritt Erster Auftritt. Eine Wiese vor Salzburg, ein klarer Bach in dem sich Hanswurst badet, am Ufer liegt sein Wams und sein Pritschholz. Die Sonne scheint, man hört Mükken sumsen, und Frösche quaken. 1 im Wasser. Ei alle Hagel, das nenn' ich ein Bad Das sich mein Treue gewaschen hat, Das Wasser so klare, und dabei so warm, Wäscht rein von Drek, wäscht rein von Harm. Von Fröschlein umaquakt, von Müklein umsurrt, Wird einem das Herz so leicht, und so neu: Als säß' man im Bade der Wiedergeburt. 2 Da siz' ich nun hier bei meiner Treu! Als wie weiland die schöne Susanne Begaft von den Richtern in der Badewanne, Und denke den wunderlichen Fata nach, Seitdem ich über Hals und über Kopf Aus Berlin mich mußt' pakken, ich armer Tropf! Hatte da so manchen frohen Tag, Hatt' mich bei dem Volk so eingefressen, Und lebte in lauter Lüsten und Freud, Als hätt ich in Abrams Schos gesessen. Hatten mich so gern die lieben Leut, Kam da als Narre so gut zu recht, Und lebte wie unter meinem Geschlecht. Kam ich mit dem bunten Wams aufs Theater Das war ein Gejauchze und ein Geschrei Und ein Geklatsch und ein Gejuchhei! Freute sich die Tochter, wie die Mutter, der Sohn wie der Vater Ueber meine Schwänk' und Hanswurstereien. Hatten ein rechtes Vergnügen daran, Wenn sie sich selber vorstellen sah'n; Thäten sich drüber gar inniglich freuen. Mus ihnen lassen das Recht wiederfahren, Daß wenn sie schon nicht so angezogen waren, Wie ich, ihr Narre und Pritschenträger: So waren sie doch meistens meine Schwäger. Und jeder sieht seines Gleichen gern, Drum klatschen sie auch immer so die Herrn. Mein Baron Zwikkel, die Rosinen- und Mandel- Batallje, Die Unruhen von Bevidere behagten bas. Sie kamen gerant, es mocht seyn trokken oder nas. Hatten's lieber wie Korneljens Geschmiere. Bis auf einmal die vermaledeite Alzire Den ganzen Kram über'n Haufen schmis, Und mir's liebe Publikum en canaille Auf einmal auf die Nase sch-s. Da gaben Sie mich den Spittelweibern preis Die bläuten mich tüchtig – mein armer Steis Ging drüber zu Grunde, da hing er in Stükken. Mußte so gleich zum Tischer schikken, Der mußt'n mir wieder zusammenflikken. So hab ich nun 'nen hölzernen Gat. Doch es ist Zeit! herraus aus dem Bad. Hanswurst steigt aus dem Wasser und legt seine Kleider an. Muß nun weiter mein Heil versuchen, Was hilft all das Sakermentiren, und all das Fluchen? Hat doch Götz von Berlichingen der edle Held, Den uns Herr Göthe vorgestellt, Einen eisernen Arm, und in der That Ist immer noch besser ein hölzerner Gat. Mit seinem Steis ficht man doch nicht, Auch fält er einem nicht in's Gesicht. Und wer weis, ob nicht einmal ein groß Genie Aus meiner Geschicht, wenn er sie erfährt, Ein Schauspiel macht; der Stof ists wert. Muß drüber lachen, hi, hi, hi, Wenn in 'nem Schauspiel nach historischem Zuschnitt Einmal mein wehrtes Ebenbild auftritt. Hanswurst sieht sich um, und erblikt ein Haus aus dem Stoffel Knips heraus kömt. Sieh da! da seh' ich ja schon ein Haus Und sieh ein alter Mann kömt 'raus Muß mit ihm reden dem lieben Mann. Liebwehrter Herr komt doch herran, Und nehmt Euch 'nes armen Schelmes an. 2. Auftritt Zweiter Auftritt. Stoffel Knips und Hanswurst. Wer schreit denn da wieder auf mich zu? Man hat auch nicht 'nen Augenblik Ruh; Das Bettelpak auf allen Ekken Thuts einem die Zähne entgegenblöken. Man giebt sich ganz aus mit all den Allmosen. Indem er Hanswursten näher kömt. Ei Sapperlot! ein schnaksches Gesicht, Ein rothes Wams, und gelbe Hosen. Ach, gnäd'ger Herr, bin ein armer Wicht, Der manche Gefahr zu Wasser und zu Landen Und manch Mirakulum bestanden. War einst in großen Ehren mein Herr, Hatte Reichthum und grosse Schäze, Bis mich Fortune, die lüderliche Meze, Hohl sie der Teufel die alte Mähr! Gar grausamlich in die Mache nahm; So daß ich schier, mit heiler Haut Ihren Tigerklauen entkam. Ja wer nur Weibern, und dem Glükke traut: Der hat sein Haus auf Sand gebaut. Eh' er's sich versieht, da liegt er im Drek. Halt's Maul Du Lump, und pakke Dich weg, So wie die Arbeit so der Lohn. Ich kenne Deines Gleichen schon. Kaum, daß Ihr ein Bischen bei Gelde seid, So lebt Ihr in lauter Herlichkeit. Denkt nicht an den zukünftgen Morgen, Huren und lügen, trügen und borgen, Das ist Euch eine Kleinigkeit. Da wird gefressen, da wird gesoffen. Da wird den Menschern nachgeloffen. Die thut Ihr denn auf allen Ekken Maul Nase Brust, und wer weiß was? belekken. Werden hinten und vorn begrabbelt, In's Ohr gezwikt, an's Kinn gekrabbelt. Auf Reduten geschlept, auf Bälle geführt, Vom Kopf bis zu Fusse ausstaffirt, Und obendrein noch gar stuprirt. Und werden sie denn schwanger und gebären: So müßt Ihr ihre Bälger ernähren. Und Geld und Gut ist all verstoben, Alles verschlampampt, verschwelgt und verthan: Hernach wird's der Fortuna in'n Schu geschoben, Und sind doch selber Schuld daran. Gnädger Herr, Ihr sprecht auch gar zu dumm. Wist Ihr denn nicht: in's Gelag 'nein leben Ordnung, Wohlstand und Geseze aufheben, Ist des Genie's Privilegium. Die Genies waren Euch zu jeder Stunde Von Anbegin die grösten Schweinhunde. Denn davor sind sie ja Genieen. Sich in die Sitten des Landes schmiegen, Auf keine Seitenstrasse sich biegen, Immer die Vernunft zu Rathe ziehen: Das mag für Weise schiklich sein. Aber für Genies da stünd' es fein! Das schikt sich nur für die Philosophen. Die Kerls kommen nicht weg von Ofen, Brüten unterm Dach Systeme aus, Die weder passen für Kaz noch Maus; Halten fein fest an Zucht und Ehren; Wenn die Hunde Genies wären, So würfen sie das alles unter die Bank, Religion und Tugend die längelang. Je unnatürlicher, je besser, Je zotenvoller, desto grösser. Das Genie mus die Menschen studiren, Und wie sie leben und weben, kopiren. Daher er in's Hurenhaus gehen mus, Da sieht er sie in naturalibus. Habt Ihr nicht gelesen Lenzen's Soldaten? Sind das nicht Menschen, grad so gerathen Wie sie existiren in dieser Welt? Sind Euch zum sprechen dargestelt. Drum wer will Huren stellen dar, Wie sie leben und weben mit Haut und Haar, Der gehe in's Bordel hinein, Und nem sie da in Augenschein. Ist hübsch der Autor oft da gewesen, Hat sich mit solchen Pak behängt; So läst sich's auch weit besser lesen – Denn wenn er sich unter ihnen mengt: So kan er sie in's Gesichte fassen, Und wie die pure Natur reden lassen. Macht also nicht so viel Geplärr, Denn Ihr seht wohl, mein lieber Herr: Ein Genie mus leben zügellos Und sans Façon, wenns seyn soll gros. Also die Bande der Gesellschaft zerreissen, Der Leuten Maul und Nase beschmeissen, Das nennen sie Genie zu dieser Zeit? Von nun an bis in Ewigkeit! Müst wissen, daß ich Hanswurst einst war, Und also 'n Genie vom erstem Range. Meine Schwänke und Zoten beweisen das klar, Behagte auch den Leuten gar. Das währte viele Jahre lange. Da kam ein Kerl, der gab die Alzire Von Vooltair'n, die dann den Leuten gefiel. Ist Euch ein frankreichsch Trauerspiel, Und ein gar abscheuliches Geschmiere. Ist nicht zum Weinen, ist nicht zum Lachen, Thut einem Kopf und Bauch-Weh machen. Und was das tollste ist: so sprechen Euch gar Die Helden in Reimen, was doch fürwahr! Zu keinen Zeiten Sitte war. Da rasen sie Euch in langen, schaalen Längst ausgepeitschten, verschimmelten Moralen. Stolziren daher auf griechischen Beinen, Dazu en cacadoux frisirt, Mit seidnen Strümpfen und Haarbeuteln geziert. Und dabei können die Leute weinen. Hanswurst ist auch noch immer drinn Nur stellen sie 'n ohne Pritschholz hin. Sonst kam er im bunten Wams gegangen Und hatt' ein Zukkerhütlein auf, Nun thaten sie 'n mit langen Mänteln behangen, Und sezten ihm Federbüsche auf. Da meint denn nun der große Hauf, 'S sei abgeschaft der Narrenorden, Die Bühne sei reinerer Sitte geworden. Und doch führen sie den Göz auf: Worin die Helden, gar lieblich zu sehn, Vor allen Zuschauern kakken gehn. Ja lieber Herr, so gehts in der Welt, Sonst galt der Narre, nun gilt der Held. Doch trägt sich der Held just wie der Narre, Schneidt Frazengesichter, thut grimaßiren, Und wie 'n Besofner hernmvagieren, Fehlt ihm nur die Kappe, gnädiger Herre. Ha bist Du ein Narre, willkommen hier Hab gar zu gerne große Genies bei mir, Thun einem so hübsch die Zeit vertreiben. Nun Herr Genie, hat Er Lust zu bleiben? So komm Er, es soll Ihm bene gehn. Bin ganz zu Ihren Diensten und bedanke mich schön Steh zu Befehl mit meinen Schwänken. Haben Euer Gnaden etwa den Spleen, Haben nicht Lust gar viel zu denken, Ist Ihnen nicht wohl, ist Ihnen nicht weh? Sizt 's Ihnen etwa im Unterleibe, Haben Sie etwa Hörner von Ihrem Weibe? Hab für das alles 'ne Panazee. Für Spleen da ist mein Pritschholz gut. Sah schon Professors drüber lachen, Die Oden und Heldengedichte machen Und fliegen auf zur Sonnenglut. Und sind Sie des Denkens übersatt, So sag ich Ihnen ein Paar Verse vor: Die Herr von Beust zu Gotha gemacht hat. Haben Sie keinen ofnen Leib Kann Ihnen Werthers Freuden kommuniziren, Da müssen Sie den Angenblik purgiren. Kurz mir fehlt's nicht an Zeitvertreib. Schon gut, doch laß Er mein Weib ungeschoren Und krig Er nicht Lust, mit ihr zu Duodramen. Sonst kömmt er um Maul und Nase und Ohren Betrapl' ich ihn – Na komm Er in Gottes Namen. O Eure Gnaden belieben zu spaßen, Werde mich nicht betrappeln lassen. Gehn ins Haus. 3. Auftritt Dritter Auftritt. Frau Knips Zimmer, sie strekt eben die Beine aus dem Bett, und zieht sich die Strümpfe an. Wäs werd' ich gewahr? daß Dich die Pest Mein saubrer Mann liegt gewis noch im Nest. Kann doch mein Seele nicht begreifen Wie man an 'nem so schönen Tag So lange kann schlafen – muß ihm nur pfeifen. Pfeift nach ihm. Doch alle Hagel, was seh ich, ach! Wie haben mich die Flöhen gebissen 3 Weis der Teufel, wo all das Ungeziefer kömmt her? Thu doch nicht in das Bette pissen. Ha ha da kömmt er mir just die Quer Sein Pfeifgen schmauchend, der saubre Herr, Die Haar voller Federn und noch nicht frisirt, Das Gesicht nicht gewaschen, den Bart nicht rasirt. Will Dir den Pantoffel an den Kopf geben: Führst Du noch länger das Luderleben. 4. Auftritt Vierter Auftritt. Stoffel Knips und seine Frau. Guten Tag, mein Weibchen, bist Du schon auf mein Kind? Ja schlaf nicht so lange, wie Du, faules Rind. Zankst Du schon wieder Du saubres Haar? War doch ein rechter Schöps, fürwahr! Daß ich so 'nen Satan zur Frau genommen. Kaum fährt sie in den Pantoffel hinein, So fängt sie auch schon an zu schrei'n. Möcht schier auf die Gedanken kommen, Daß Du vom Teufel wirst geritten Will nur den Pater Gaßner lassen bitten Daß er – Nu läuft mir die Galle über Jezo Kerl krigst Du 'nen Nasenstüber Du Schlingel willst Du Dein Weib tuschiren? Rakker Dich muß der Teufel regieren. Sprich, Kerl, willst Du mich respektiren? Halt's Maul Weib, seh's, bist vom Teufel besessen Hast Du, Schindluder, schon wieder vergessen, Was Dir der Pfarrer befohlen hat? Ich soll Dein Herr sein früh und spat. Willst Du klüger seyn, wie der Pfarrer? He, ho Bist doch so dumm, wie ein Bund Stroh. Sieh Kerl, ich thu Dir den Hals umdrehen Mit Deinem Weibe so umzugehen. Aber wart nur Du abscheulicher Bengel: Das Hirn tret ich Dir mit den Füßen aus Bist nicht gleich stille, wie 'ne Maus. Nun sei nur ruhig mein lieber Engel. Hab Dir auch ein Geschenk mitgebracht, Das wird Dir viele Freude machen. Hab 'nen Hansnarren aufgejagt Wirst Dir die Schwerenoth am Leibe lachen: Wenn Du'n wirst sehn. Sei 's den Himmel geklagt! Als wenn ich nicht Narrens genug hätt an Dir, Bist selbst in gar poßierliches Thier! Geh mir mit dem Kerl, ich rath es Dir. Da kömmt er schon, sieh ihn nur an. beiseite. Ein hübscher Kerl! wart, soll Dir Hörner sezen. Zu Stoffeln. Na, nimm mirs nicht übel, lieber Mann, Sieh, wie mich Thränen der Reue nezen. Weist's: thut mich gleich alles in Flammen sezen, Doch mein's nicht so bös'! Zu Hanswurst. Nur nu herrein, Sei Er willkommen, mein guter Mann. 5. Auftritt Fünfter Auftritt. Hanswurst und Vorige. beiseite. Der Teufel, das ist 'n hübscher Bissen! Zur Frau Knips mit einer Pantomime der Entzükkung nach französchem Zuschnitt. 4 Wie! bin ich in 'ner Göttin Gegenwart? Bin ich im Himmel, oder bin ich auf Erden? Was für holdseelige Geberden? Alles geformt nach Götterart. Erlaube mir Göttin, Deine Händlein zart Auf meinen Knien unterthänig zu küßen, Und so in Wonne zu zerfließen. Nun siehst Du, Frau, bei meinem Bart Der Narre hat viel Lebensart. fährt fort zu grimaßiren. He Götter Lust! bin ich im Paradieße, Bei dieser Augen gewaltiger Macht, Die Frucht die Even zu Fall gebracht, War nicht ein Viertheil, so herrlich und süße. Was für 'ne Nase, was für ein Busen Alle Grazien, Najaden und Musen, Schwinden dagegen, als wie der Drek Wenn Boreas kömmt – vor Weynacht weg. Hast wohl das Bild vom Drek gehört? Das war ein kühner Gedanke mein Seele. Der Kerl ist von den Musen genährt Und mahlt Dir, wie die Raphaele. Nu siehst Du, Frau? Doch ich muß gehn. Mach Du unterdessen das Essen zurechte – Heut wol mal was Gutes fressen möchte. Der Narr kann Dir zur Seite stehn Und Dir ein Bischen mit an die Hand gehn. Na lebewohl! mein Schäzgen klein, Werde gleich wieder bei Dir seyn. Ab. 6. Auftritt Sechster Auftritt. Hanswurst und Frau Knips. Runder und Meisterstük der Natur Wie bist so lieblich, so reizend! Hurr Fährt mir ein Funken durch alle Glieder! Vom Kopf bis zu den Fußzehen nieder. Ich kann nicht stehn, ich kann nicht gehn, Kann mich gar nicht satt an Dir sehn, Was für ein seidnes, blondes Haar, Was für ein schön blaues Augenpaar! Was für 'ne marmorweiße Brust, Ein Sammelplaz von Lieb und Lust, Die Amors spielen drauf blinde Kuh Und reiten drauf 'rum auf Stekkenpferden. O Du Marzipangeschöpfe Du, Möchte vor Liebe des Teufels werden. O daß ich nur den Mund dürfte küssen! Würde in Seeligkeit zerfließen. Wer wehrt Dir's denn? Kannst'n ja küssen. küßt. Weib hast 'nen Mund von Marzipan. Wo kömmst Du denn her, mein lieber Mann? Komm von Berlin, meine gnädge Dame. War da auf'm Theater, war sehr bekannt. Haben Sie schon gehört von dem neuen Duodrame Cephalus und Procris zubenannt? Thut einen ganz herrlich divertiren. Gefällt es, gnädge Dame, Euch So können wir beide jezt sogleich Das berühmte Stük selbst aufführen. Wie machen wir denn das, liebs Schäzchen mein? Legen sich Euer Gnaden nur ins Bette hinein, So wird's sogleich zu Stande seyn – Doch muß ich mich legen mit hinein. Will sogleich zu Deinen Diensten seyn. Legen sich zu Bett und führen das Duodram auf. 5 7. Auftritt Siebenter Auftritt. Stoffel Knips und die Vorigen. Ein Schwerenoth! was seh ich da Der Narr mit meiner Frau im Bette? Ha, Ihr Lumpenpak, was macht Ihr da? springt ohne Hosen aus dem Bett. Erzähl' ihr nur von 'ner Kommödia, In der ich erst neulich bin gewest, Es ist aus einem Duodram, In dem Cephalus gegangen kam, Seine liebe Prokris in Arm nahm, Und ihr den jungfräulichen Gürtel ablöst. Ich will Dir jezt den Gürtel ablösen, Will Dich lehren schänden mein Haus. Willst Du Scheißkerl zum Hause heraus Mit samt Deiner Hure, raus, den Staupbesen Sollt Ihr haben – Ihr Bestien Ihr! Was? Hörner aufzusezen mir! Stößt sie beide zum Hause hinaus. 8. Auftritt Achter Auftritt. allein. Eine schöne Geschichte! ein Hanrei bin ich, Erschießen möcht' ich vor Bosheit mich. So geht's, nimmt man ein Genie in sein Haus, Da brüten sie Duodramen aus Lösen den Gürtel, und lachen einen aus. Ab. 9. Auftritt Neunter Auftritt. Ein Wald an der See gelegen. Hanswurst und Frau Knips. Da laufen wir nun schon zwei Stunden herum Kriechen durch Hekken grade und krumm, Finden nichts zu schnabuliren Und müssen noch endlich vor Hunger krepiren. Weib bin des Leben übersatt, Frier ganz erbärmlich; mein hölzerner Gat Ist ganz erbärmlich zusammengefroren. Meine Hosen hab ich in Deinem Bett verloren, Ich bin halb todt, und athme noch kaum Will mich nur aufhängen an diesen Baum. Bitt Dich um Himmelswillen laß das bleiben, Willst Du mich zur Verzweiflung treiben, Hab ich Dir nicht mein ganzes Leben, Und meinen Leib preißgegeben. Und nun willst Du sterben, Du Bestie Du? Laß mich gehen, alte Hure, und sieh hier zu An diesen Baum hier häng' ich mich auf. Hängt sich. Hilf Himmel, da zieht ein Gewitter herauf, Es donnert und blizt – Was werd' ich anfangen, Mein Liebster hat sich aufgehangen. Und ich bin ganz alleine hier. Werde seyn eine Speise der wilden Thier. am Baum. Lebe wohl, werde bald nicht mehr sein, Schon fährt mir der Tod zum Halse hinein, Der Himmel wird schon für Dich sorgen, Sei Du nur ganz ruhig, und lebe geborgen. Frau Knips kniet an den Baum nieder, wo sich Hanswurst erst gehangen; es fängt an zu donnern und zu blizen, die Dame umklammert ängstlich die Knie des Hängenden, ein Wetterstrahl trift den Baum, und schlägt den Zweig ab, an dem Hanswurst bammelt; Frau Knips fährt erschrokken zurük, und sinkt längelangs rükwärts auf den Boden; Hanswurst fällt auf sie, gleichfalls in Ohnmacht, dazu kommen. 10. Auftritt Zehnter Auftritt. Zwei Türken. Immer noch Sturm und Regen. Ei Zeter, das regnet, ei Zeter, das blizt, Die Bäum' sind zerschlagen, die Erde zerrizt; Das war ein Geprassel, der Donner thät knallen: Als wollte der ganze Himmel 'rabfallen. Wir pflegten indessen, Herr Bruder, gar eben, Ein rechtes, ächtes, epikurisches Leben. Leerten die Flaschen Tokaier aus, Machten uns keinen Pfifferling draus: Ob's donnert' und blizte? – wir zechten flott Obgleich unser Prophet den Wein uns verbot. Denn da der Himmel sich zu wölken begunte, Herr Mahomet unser Zechen nicht sehen kunte. Doch sag mir, Herr Bruder, warum gingen wir 'raus? Sezen uns Sturm und Regen aus, Und schrumpfen zusammen als wie 'ne Laus. Könnten so ruhig im Schiffe sizen Und hübsch den Wein aus den Flaschen stipizen, Und gehn da herraus, und wissen nicht warum? – Nimm mir's nicht übel Herr Bruder, bist dumm. Hast denn Dein Tag kein historisch Schauspiel gelesen? Bist nicht in so 'ner Komödie gewesen? Zeigt allemal große Schnellkraft an Ohne alle Absicht reden und handeln Ins Gelag 'nein leben, und blindlings hinwandeln – Und alles beginnen ohne Plan. Da kommen Dir oft die Helden daher, Weiß keine Seele warum, und woher? Genug der Poet hat sie vonnöthen. Und wenn sie der braucht, so gehts keinen was an, Ob sie ohn' Ursach sich balgen oder tödten. Wird Hanswurst und Frau Knips in ihrer kritischen Lage gewahr. Doch sieh einmal da – Ei Sapperment 'Ne hübsche Gruppe! beim Element! Ein schönes Spektakel, bei meinem Leben! Sehn Sie nicht aus, als hätten Sie eben Das Thier mit dem doppelten Rükken gemacht. 6 Der Kerl ist Dir nicht übel gemacht Und's Weibesbild ist auch gar fein, Das würd' ein Bissen für'n Sultan seyn. Aber was Teufel? schlafen sie, oder sind sie todt? 'S rührt sich ja keiner, ei Schwerenoth Die haben des Guten so sehr genossen: Daß alles Leben mit weggeflossen. Doch horcht: das Herz schlägt beiden noch! Komm pakt sie auf, wir wollen 's doch Mit auf unser Schiff nehmen das werthe Paar. Indem er das Weib auflädt. Das Weib ist ein hübscher Bissen, fürwahr! Gehn ab. 11. Auftritt Eilfter Auftritt. Scene aufm Schif. Zwei Matrosen die Wasser aus dem Schif schöpfen. singt. 1. Lustig, wenn es stürmt und blizt, Wenn die Donner knallen, Und die Himmel über mich, Schier zusammenfallen: Bin ich mutig, habe dann Herz im Leib, als wie ein Mann. 2. Fänd' ich auch im Donnerstrahl Meine lezte Stunde, Ei was thut's? und müst' ich auch 'Rab ins Meeres Schlunde. Ists nicht immer einerlei Ob im Meer, ob auf der Streu? 3. Heida lustig, Kreuz und Noth Thut kein Haar mir krümmen; Fürcht mich selber nicht vor'm Tod. Sollt ich drob ergrimmen, Wenn der Knöchner anspaziert Mit der Sense kommen wird? 4. Ho, ho, das wär' mir recht, Sterben müssen alle, Sultan und Matrosenknecht, Alles kömmt zu Falle, Drum so schlag' ich Schnipsgen ihm Kömmt er an Herr Eisegrimm. Das ist ein Gequike, das ist ein Geplär Den ganzen Tag muß eins es hören. Und wenn 's nur noch gesungen wär, Aber 's thut einem das Herz umkehren. Krähengekrächz' und Eselgeschrei Ist nicht so abscheulich, bei meiner Treu. Singt nicht der Kerl auf meine Ehr! Als wenn er vom Wäserschen Theater wär. Es ist um die Schwerenoth zu krigen. Halt's Maul, oder ich werde den Augenblik In Deinen Stachelschweinsborsten liegen, Siehst Esel, ich brech Dir das Genik. Was geht Dich denn mein Singen an? Was brauchst Du darüber das Maul zu zerren? Willst mir verwehren, mein Liedlein zu plärren? Thu Du Deine Arbeit, dis geht Dir was an, Aber nicht mein Singen. Du Rindvieh Du! Meinst Du, unser eins ist gut dazu, Dein Kazengeheul mit anzuhören? Wart Bengel, ich will Dich Mores lehren. Wieherst Du nicht, wie ein Karrengaul? nimmt die Schippe und schlägt seinen Nachbar aufn Mund. Da hast Du eins auf Dein dikkes Maul. Was Hund, mir in's Gesicht zu schlagen? Wart, Bestie, werd 's dem Schifshauptmann sagen. Balgen sich. 12. Auftritt Zwölfter Auftritt. Kajüte. Hanswurst und Frau Knips die im Großvaterstuhl liegt und Geburtswehen hat. 7 steht vor ihr mit ängstlichen Geberden. Was ist Dir denn, meine liebe Frau? Es reist mich, es zerrt mich, es lähmt mir die Glieder Ach lieber Hanswurst ich komme nieder. O weh wie das zerrt, ich bitte Dich, schau Ich glaube schier, das Kind ist schon da. Bist Du närrisch, Frau? muß lachen, ha, ha Erst vor'ner halben Stunde lag ich bei Dir – Und willst schon niederkommen – ja, ja Wenn's in 'nem Wagnerschen Schauspiel wär. 8 Da wollt' ich nichts sagen, da ging es ehr Denn solchen Genies ist wie Hans Sachsen 9 Nichts leichter, als Kinder zeugen und wachsen Zu machen, daß ein Mädel mit 'nem Mann Und ein Mann mit dem Mädel zu Bett gehn kann Das erst im ersten Akt geboren. Auweh! Auweh! ich bin verloren. Kömmt nieder, gebiert einen Knaben, der muthig im Zimmer herumspaziert. Was alle Teufel, ein Knabe, schon da! Das ist zum närrisch werden – – Ha, ha. Hätt nicht gedacht, daß so'n dramatisch Genie wär Vor'ner halben Stund erst beschlief ich mein Weib Und jezt kömmt schon ein Bube daher. Lieb's Weib Du hast 'nen fruchtbaren Leib. Nu, nu der Junge wird Schauspiele machen Daß einem das Herz im Leibe wird lachen, Der wird die Natur erst kehren um Was grade ist, wird er machen krum, Und das was krum ist, wieder gerade. In's Wasser sezt er Füchse und Hasen, Und Lachs und Karpen läßt er grasen, Die Menschen macht er zu Eseln fein Und Esel läßt er Menschen sein. Was werden da nicht die Zeitungsschreiber Für'n Lerm erheben, und dann die Journale Von der Donau an bis zu der Saale Und von der Pleise bis zur Spree. 10 noch immer in Geburtsschmerzen. Wie wird mir wieder so schlimm, auweh! Mir grisselt auf dem Kopf ein jedes Haar. Was Teufel Schwerenoth, ich glaube gar, Du kriegst noch ein'n Balg – bei meinen Gat! es ist wahr, Da kommt noch ein Mädel gewakkelt dazu. wird geboren, und küst dem Hanswurst die Hand. Ja Pappa, da bin ich – Und Du, Du plauderst schon – Das ist zu toll! Je lieber Pappa – erlauben Sie wohl? Ich möcht mich gern auf dem Verdek besehen. Meinetwegen – werde aber mit Dir gehen. Gehen ab. 13. Auftritt Dreizehnter Auftritt. Hanswurst und Mädel bleiben zurük. Du liebes Mädel bleibe hier Und plaudre mir ein Bischen für. Ja, lieber Pappa, soll ich was erzählen Ans Werthers Leiden, oder sonst so was? Was hör' ich Mädel, kannst Du auch das? Das ist doch schnurrig, bei meiner Seelen! Im Mutterleib Romane zu lernen – Man erlebt doch in der Welt gar vielerlei. 14. Auftritt Vierzehnter Auftritt. Ein Matrose und Vorige. Hanswurst, da habt Ihr bei meiner Treu! Einen rechten dummen Streich gemacht, Laßt sich die Frau mit dem Buben entfernen, Da liegen sie nun im Meeres Schlund. Und krähet nicht nach sie, weder Hahn noch Hund, Sind beide vom Verdek gefallen. Das hätt' ich Euch wohl vorher gesagt. Das Weib war von der Niederkunft schwach, Und lies zu schnell dem Knaben nach, Pardauz! lag sie in Meeresschlund, Ihr Junge mit zu gleicher Stund. Doch macht nur nicht so viel Geschrei, Hin ist hin, und vorbei ist vorbei. Eben sind wir gelandet in die Turkei, Hier könnt Ihr Euer Glüke machen. Eure Tochter ist ein Bissen für den Sultan, Er nimmt sie gewis zur Sklavin an, Und schließt sie dann in sein Serail ein Sie wird seine Favorite sein. Ach ja Vater, thut mich zu ihm schaffen, Möcht' gern bei einem Manne schlafen. O weh mir, Weib und Junge verloren, Und Du, Rabenas, bist kaum geboren, So regt sich schon in Deiner Brust, Das ist zu toll, die Beischlafslust. O Vater, bringt Ihr mich nicht zu dem Sultan, So thu' ich mir gleich ein Leides an. Dann seid Ihr Schuld an meinem Tod. Genies, was macht Ihr für Unheil auf Erden, Zeug't Töchter und laßt sie Huren werden Und werdt nicht mal darüber roth – O hol Euch alle die Schwerenoth! Gehn alle ab. 2. Akt 1. Auftritt Erster Auftritt. Ein Vorsaal im Serail. mit vielen Strikken auf einer Bank festgebunden, ein Arzt neben ihn, der ihn wiederlosbindet. Auweih! Auweih! was muß ich erleben, Ich möcht' mich gleich dem Teufel ergeben! Wie steht's mit Ihnen, mein werther Herr? Sie machen ja ein abscheulich Geplär! Als hätt' man Ihnen den Hals abgeschnitten. Ich armer Hund, was hab' ich gelitten? Der Teufel möchte da nicht schrein! Ihr Bestien, habt Ihr mich nicht verschnitten? Thut so abscheulich die Menschheit verfumpfein Und dann soll man nicht mal darüber schrein. Ihr müst wahrhaftig ein Genie sein. Thut Menschennatur so kalt kastriren, Verstümmelt sie so gottesjämmerlich Und soll nicht mal drüber Geschrei verführen? Ihr Hunde denkt, weil die Kunstrichter sich Vor Freuden außer Athem schreien, Sehn sie auch die Natur verfumpfeien So soll 's ein armer Hund, wie ich Auch so machen, müsten die Kerle sich Nur einmal so zerfezen lan Wie Ihr der Natur ihr Werk verheit Sie würden sich ganz anders dabei han! Mein werther Herr, es thut mir leid; Allein, wir haben unsre Schuldigkeit gethan, Ihr Türksche Majestät wollten 's so han. Dafür werden Sie auch nun ein großer Mann Werden Oberaufseher über die Sultaninen. Also ein großes Ansehn zu gewinnen Und um berühmt zu werden im Land Muß man aus ihrem wahren Stand Die liebe Natur zurükkeführen, Sie zerfezen, zerstükkeln, verheien, kastriren. Und damit einen die Leute für'n Genie ausschrein Muß man ein halber Mensch nur sein: Ich dank für die Genieschaft bei meiner Treu. Und doch machen die Kerls so viel Geschrei Von Natur, und plärn von wahren Darstellen Des Menschen, daß einem die Ohren gellen, Und schneiden die halbe Menschheit weg. Liebwerther Herr, Ihr plaudert sehr kek Sprecht sehr despektierlich von der hohen Gesellschaft Unserer Genieen, tadelt die Leut Worüber das ganze Publikum Bewundrung schreit, Das macht, Ihr seid ein Hund und habt keine Schnellkraft. Ei hol der Teufel Eure Gesellschaft, Ich sch-ße was auf Eure Schnellkraft, Wenn die Menschheit drüber zu Grunde geht. Ihr sprecht, lieber Herr, wie Ihr's versteht, Ihr habt viel zu viel gesunden Menschenverstand, Und Euer Gehirn ist viel zu wenig Von der Hundstagssonnenhize verbrant Genie zu werden, und ein König Unter unsern heurigen Genies zu sein. Was sagt Ihr da – ich bin verschnitten Verstümmelt ist die Menschheit mein, Und sollte kein Genie nicht sein – Das wollt' ich mir wol in Gnaden verbitten. Meinethalben seid Ihr, was Ihr wollt – Da kömmt der Sultan hergetrollt. Er kömmt vermuthlich nach Euch zu fragen, Und Euch Euer neu Amt anzutragen, Ich werde mich auf die Seite schlagen, Lebt wohl, und macht Eurem Herrn hübsch Kur. 2. Auftritt Zweiter Auftritt. allein. Ich bin verschnitten, meine Tochter eine Hur, Das heiß' ich Scenen nach dem Leben. Das könnt' ein historisch Schauspiel geben – Ist alles so wahr, so in der Natur, Wo giebt 's nicht 'nen Verschnitten, wo giebt 's nicht 'ne Hur? Aber es bringt eben keinen Vortheil ein, Kastrirt zu werden, und 'ne Hure zu sein! Drum hol der Teufel die wahre Natur. 3. Auftritt Dritter Auftritt. Der Sultan und Hanswurst. Erfahr so eben in meinem geheimen Consell: Was maaßen Du lumpigter Gesell Dich hast empört wieder's Landes Sitten, Und drob, daß man Dich hat verschnitten, Gar schreklich hast die Nase gerümpft, Getobt, gesprudelt und geschimpft. Weist wol, Du Hund, daß ich dafür Dich könnt' rädern lassen nach Gebühr Die Knie zerquetschen und Hals umdrehen Und 's würd weder Hund noch Hahn nach krähen. O ja, ich zweifle nicht daran Denn wenn's drauf ankömmt, werthster Herr Sultan: Einem Geschöpfe das aus dem Schoos der Natur Rein und untadelhaft niederfuhr Grade und hoch, und edel und eben Einem solchen Geschöpf einen Knix zu geben Daß es nicht mehr kann grade gehn; Sein ganzes Urwesen so verdrehn Daß aus der edlen hohen Natur, Wird 'ne abscheuliche Karrikatur, Daß jedem schaudert, sieht er sie, Das ist was leichtes für ein Genie. Da les't nur einmal die Kreuz und die Quer Was so in jeder Messe daher Auf dem Meere der Schreibsucht kommt geschwommen. Heida! was werdt Ihr zu schauen bekommen: Frazengesichter statt Menschengeschöpfe Zekrazt, zerstümmelt am ganzen Leib Geschöpfe weder Mann noch Weib. Das ist Euer Werk, Ihr großen Köpfe, Um Euer Genie zu beweisen, verkehrt Ihr Mutter Natur ihr ganz System; Was oben soll sein, bringt Ihr unten her, Was grade ist, stellt Ihr die Quer, Macht's Euch recht leicht, und hübsch bequem. Euch kümmert's nicht, ob's wehe thut; Genug wenn's Euch behagt und Eurem Genie, So ist's schon recht, so ist's schon gut. Da sezt Ihr ohne Sorgen und Müh Hin schwarze Farb, wo stehn solte weis, Und wo der Kopf steht, hin den Steis. Des freu'n sich die Herren Kritici, Und schrei'n denn laut: Ha! seht das Genie! Das ist doch Macht der Phantasie! Der Kerl geht nicht den graden Weg Den alle vernünftgen Leute gegangen Die gehn nur den gebahnten Steg Und nur wo ihre Nasen hinhangen; Die aber marschiren den Sonnenweg Springen über Graben und über Höhen Sind verwogen genug in die Sonne zu sehen Fall'n dann freilich aus der Höhen Ganz gottesjämmerlich in'n Drek. Doch das thut keinem Genie was. Ist 's auch von Unrath voll und nas: So steht's wieder auf: die neuern Genieen Mus man sehr oft aus dem Sumpfe ziehen. Auch riechen die neuen Geschöpfe, die sie Mit ihrer Götterschöpferkraft machen, Meistens nach Sumpf, und modrichten Lachen: Ist eben ein Beweis von ihrem Genie. Aus allem dem nun folget Herr Sultan, Daß weil Euch die Natur begeniet, Euch 's Menschenverstümmeln sehr ähnlich sieht. Zweifl'n keinen Augenblik daran. Muß viele Geduld Kerl, mit Dir han. Dein Glük ist's noch, Du saubrer Gast, Daß Du 'ne Tochter bei Dir hast, Das Mädel gefällt mir über die Maaßen Werd mich noch heut herunterlassen, Sie zu entjungfern, das Jüngferlein. Wird 'ne große Ehre für mich sein. Es ist nun jezt so Mode auf Erden: Daß alle Jungfern Huren werden. Das kömmt von der neuen Erziehung her. Das Maul gehalten, Er Schwäzer Er! Geh' Er an Sein Amt. Geh hin bewache Mir mein Serail, Dein Mädel schik her: Daß ich Ihr meinen Antrag mache. Ach, armer Hanswurst! was wird aus Dir werden? Mit Dir ist es nun aus auf Erden, Vertrieben vom Theater durch ein groß Genie Verstümmelt, verschnitten von 'nem Genie dazu O hol sie der schwarze Höllenbubu, Die großen Genies, die Hunde die! Ab. 4. Auftritt Vierter Auftritt. Der Kerl schwazt in's Gelag hinein Thät bis zum jüngsten Tag schwadroniren, Und thut sich immer wiederkäun, Man möchte vor Bosheit gleich kreppiren, Wenn das, was schon tausendmal gesagt, Tagtäglich wieder wird vorgebracht. Und wenn er dann nicht weiter kan, So fängt der Kerl zu schimpfen an Anstatt Satiren macht er Pasquille, Und statt zu geisseln, schind't er die Leut. Ich will drauf wetten, daß in der Zeit Als der Kerl in Berlin gewesen, Er mitgearbeit't hat an der allgemeinen Bibliothek – Ist wenigstens völlig nach dem Stile, Ich hab einmal das Zeug gelesen: Eben so dreust, und eben so kek, Eben so geschväzig, und eben so bißig Lassen keinem, der nicht aus ihrer Schule ist, Gerechtigkeit wiederfahren – Aber was seh' ich! Da kömt mein liebliches Mädchen. Bst! Hierher, mein schönes Kind, hierher! Trete Sie näher, schönes Kind, tret Sie näh'r. 5. Auftritt Fünfter Auftritt. Der Sultan, das Mädel. Dieweil ich heute noch, geliebtes Schäzgen, mein, Dich nehmen will zu mir, in's weiche Bett hinein; So wiß' mein Liebchen schön, mein Trautchen zukkersüße, Das ganze Weibsgeschlecht, belekt sonst meine Füsse, Gepfropft ist mein Serail von Mädeln wunderschön: Mit allen insgesamt, kan, darf ich mich begehn. Ich kann nach Herzenslust mit Weibern mich vergnügen, Bald bei 'nem Kutscherweib, bald bei 'ner Prinzessin liegen, Und in der Weiberarm, vergraben in dem Bett, Halt' ich auf Ordnung doch, und seh auf Etikett'. Allein, ich hab' nachdem, nicht ohne Graus entdekket, Wie Wollust gar zu viel, die Menschen straks betrekket, Daß vieler Weiber Kus zwar bei'm Genus vergnügt, Doch, daß man auch davon, schier die Franzosen kriegt. Und ich mag nicht der Raub von solchem Unflat seyn, Mag durch Merkurius nicht meinen Leib verhein. Du, Liebchen, solst allein an meiner Seite liegen, Dein Brüstlein soll allein mein lüstern Aug vergnügen. Doch, Liebchen, soll das sein, so mus denn auch bei Dir Stets ein Verschnittner sein, Dich wahren für und für: Damit kein Bösewicht statt meiner Dich belege, Sonst, tausend Sapperment, Du Weibsstük, sezt es Schläge! Wenn Du Zayre wärst, so macht' ich Dich zur Frau, Doch bist Du gegen sie nichts weiter als 'ne Sau. Drum kann ich Dich auch nicht zu meinem Weib erkiesen: Und glaubst Du das etwa, so werd' ich Dir was niesen. Doch meine Hure kanst und zwar die einz'ge sein. Ich seh' kein Mensch sonst an, als Dich nur ganz allein. Die andern insgesamt, die im Serail jezt stekken, Die können nach der Reih mich all im Arsche lekken; Du bist allein mein Schaz, mein's ganz allein mit Dir. Bist Du auch so gesinn't, meinst Du's nun auch mit mir, So ist's Dein Glük! Solst stets mich bei Dir sehen, Will mich, so oft ich kann, des Tags, mit Dir begehen. Doch säh' ich es einmal, Du auserwählte Perl, Du meiner Seelen Lust! daß sich ein andrer Kerl, Statt meiner Sultanheit mit Dir zu schaffen machte, Und mein's Regiment's und meiner Order lachte: So zittre nur, Du Hur'. Poz tausend Sapperment, Du kennst den Sultan nicht, ist der einmal entbrennt, Dann ist der Teufel los, in tausend kleinen Stükken Hau ich Dich dann zusamm'n, kein Mensch soll's wieder flikken. 11 durch die Fistel. Ach, werthester Herr Sultan, Sie sehen Ihre Magd mit zu viel Gnade an. Ich bin's mein Six nicht werth die Ehre zu genießen, Um eines Sultans Lust, so ganz allein zu büssen. Doch wünscht' ich wol – gesteh's – Herr Sultan, o verzeih, Daß meine Wenigkeit mit unter auch dabei Von einer frischen Flasch zuweilen zu sich näme; Daß, wenn ich nun bei Euch, bis auf die Hefen käme, Ich doch des süßen Tranks nicht quitt und ledig wär. Für Einen ist kein Weib, mein Herr, es ist für mehr. Doch Eure Herrlichkeit, halt's Ihrer Magd zur Gnade Daß ich so dreiste sprech', zornig sich auf den Bauch schlagend, einen Fußschneller machend, und die Angen verdrehend mit hohler aus der Brust gurgeln der Stimme. Verdammte Käsemade! Du Regenwurm von Weib, die klein als wie 'ne Laus, Verdammtes Trampelthier, was nimmst Du Dir heraus? Du Rabenas Du Sau, Du Nikkel Du, Du Luder! einen Knix machend. Ereifern Sie sich nicht, liebwerthester Herr Bruder! in obiger Attitüde. Du Maulaffengezücht, Du wilde Bestia 12 Was unterstehst Du Dich, und was erkühnst Dich da? Was? willst mit andern Kerl'n Dich neben mir vermengen? Wart, bei den Beinen will ich Dich, Du Trampel hängen. Was für ein freches Maul, und das für einen Sultan? durch die Fistel. Nu, ist das nicht ein Lerm, was hab' ich denn gethan? Ich folge nur dem Trieb, der mir ist angeboren, Und käm' ich auch dabei um Nase und um Ohren. Ich thue, was ich mus, denn mich hat ein Genie Gezeuget – was schiert ihn, ob man fy! Zu seinen Werken sagt – Meint Eure Herrlichkeiten, Daß ein Genie sich läst von Zucht und Ordnung leiten, Das wäre ganz was neu's. Was? Wäre meine Brust So voll, so gros, so weis für eines Mannes Lust? Sie irren, gnädger Herr, für einen? Nein mit nichten, Nach mir kann jederman sein Herz mit Lüsten richten, Und wenn es ihm beliebt, genießen meinen Kus Und meine Wenigkeit in Naturalibus, Wenn's ihm beliebt, beseh'n – Doch können Euer Gnaden So oft es nur gefällt, sich Ihres Spleens entladen, Nur bitt' ich allemal mir ein Aviso aus, So bleibt dann vor dasmal Ihr Nebenbuler aus. Du plauderst schreklich frech doch mus ich drüber lachen, Denn mein Verschnittner sol Dich Hure so bewachen, Daß sich kein Mensch nur um zwölf Schritt Dir Ohn' mein Erlaubnis nah't, Du unverschämtes Thier. 6. Auftritt Sechster Auftritt. Ein Sklav und die Vorigen. Gebietender Herr Sultan, So eben kommt ein Weib in Ihr'm Pallast an, Sie ist hübsch dik und rund, hübsch fleischig und hübsch fette, Und wie mich dünkt, mein Herr, ein schönes Weib für's Bette. Sie fiel aus einem Schif herrab in's Meeresschlund Und schwamm auf ofnem Meer hier an zu dieser Stund, Sie möchte gern ein Wort mit Eurer Gnaden da, Wird's ihr erlaubt, jezt reden. Das ist gewis Mama. Was? Deine Mutter? flugs! laß sie herein hier treten. Nicht wahr, Herr Puterhan, auch die möcht' Er gern treten? Und doch mokirt Er sich ob meiner Wenigkeit, Wenn ich – – – Halt's Maul, jezt hast Du Zeit – Ich bin ein Mann der kann mit vielen sich begehen, Und mehr als einen Akker, wenn's ihm beliebt, besäen, Das gilt in aller Welt – Lies nur's Buch von der Eh Da steht's mit klarer Schrift. Das ist zu toll, o weh! Was wird dem Mannsvolk nicht für Freiheit zugeschrieben, Sie haben ganz allein das Privilegium, Mit aller Welt zu hur'n, mit aller Welt zu büben. 7. Auftritt Siebenter Auftritt. Frau Knips und die Vorigen. dem Sultan zu Füssen. Zu Deinen Füssen, Herr – bitt ich um Gnade – Hum! Ein schönes Mensch bei meiner Seele! Poz Weis und Roth! Das ist ein hübsch Gesicht Alles geformt nach dem schönsten Modele – Auf, schöne Frau, und wein' Sie nicht. Was will Sie denn? Ach, ach! Erbarmen! Das Schicksal hat aus meinen Armen Meinen Sohn und Tochter fortgerissen, Ich weis nicht, ob Sie es schon wissen Daß ich aus'm Schif fiel mit meinem Buben, Den neben mir die Wellen begruben. Bums war er fort. Da schwom ich allein, Da drang ein großer mächtiger Wallfisch Mit ofnem Rachen auf mich ein, Und wie das Wetter hat er mich, risch Herruntergeschlukt, da lag ich nun gottesjämmerlich Eingewikkelt in seinen Kaldaunen Wie Jonas, der berühmte Prophete, Drei Tage lang, 's ist zum Erstaunen! In seinem Ranzen gebindelt und drehte Mich, wie um ein Bratspies rund herum. Mir wurde der Kopf ganz dämisch und dumm, Und wurde bald kalt, und wurde bald warm Bis endlich das Monstrum mich durch den Mastdarm Wieder in's Leben spazieren lies. Da schwamm ich hierher, ein Neger wies Mich zu Eurer Gnaden, da bin ich nun hier, Und hörte, daß mein liebwerther Mann Auch hier sei angeschwommen, und schier Begab ich mich her – und bitte recht sehr, Mich wieder zu meinem Mann zu führen. 'S sind nun schon drei Tag, mein Herr, und noch mehr! Das meinen Leib kein Mann thät anrühren. Läg' recht gern wieder bei meinem Mann, Weil ich unmöglich mehr fasten kan. Thu' Euer Gnaden recht herzlich bitten. Betaur' Dich recht herzlich, Dein lieber Mann, Mein liebes Kind, der ist verschnitten, Und nicht mehr bei Dir schlafen kan, Doch biet ich Dir meine Dienste an. O zu viel Gnade, gnädger Herr Sultan, Steh jezt den Augenblik zu Befehlen, Was soll ich mich sperr'n, was soll ich's verheelen, Daß nach den Fleischtöpfen Egypts gelüst. Siehst Du nun Sultan, was für'n Esel Du bist! Erst willst Du allein bei mir Dich legen, Nun zappelst schon wieder 'ner andern entgegen Bist doch ein wahrer Ziegenbok Die Augen will ich Dir auskrazen. Stok! Kein Wörtchen mehr – Du Weibsstük, sonst geht es nicht gut – Was seh ich bist Du's mein liebes Blut Mein Töchterchen? – sieh die Freudenzähren Die ich hier wein, mein liebstes Kind. Ei was, Sie kan Sich zum Teufel scheren, Wär Sie nicht gekommen, so läge das Rind Schon bei mir im Bett, nu kan ich passen. Was hör' ich, ich möcht' vor Scham erblassen, Hab' ich Dich darum mit Schmerzen geboren Daß Du solst ein Hure werden – Ich unglüklichs Weib, ich bin verloren Die unglüklichste aller Mütter auf Erden – O Sultan, laß Dich mein Fleh'n rühren – Verschon' ihre Unschuld – und still Deine Lust Lieber an ihrer Mutter Brust. Ich hab' kein Jungferschaft mehr zu verlieren – Wie könt' Euer Gnaden die Unschuld verfüren! Hast recht, ja Deine Trähnen mich rühren – Zum Mädel. Du kanst nur gehn, mag Dich nicht verfüren, Will mich schon mit der Mamma divertiren. Ein Wunder, daß mich der Schlag nicht thut rühren, Ich hust' aus meine Jungferschaft, und meine Unschuld dazu. Du unverschämte Hure Du! Abscheuliche Mutter schimpfe nur zu Eine rechte Rabenmutter bist Du! Dein Kind um ihr Vergnügen zu bringen Alles allein nur wollen verschlingen: Was für ein Vielfras von einem Weibe! Hast selber keine Scham im Leibe, Und mokirst Dich doch über mich. Vor Aerger gleich bersten möchte ich Machst's just, wie die Genies in Deutschland, Die halten sich auf über den Wienland, Daß er hat komsche Erzähhlungen geschrieben, In denen ein Bischen von küssen, und lieben Geschrieben steht; mokiren sich sehr Ueber seine Schlüpfrigkeit, die doch sehr feine, Und mit dem Mantel der Grazie bedekt ist: Aber die Kerls zu dieser Frist Treiben das Ding weit weiter und höh'r. Statt nur schlüpfrig zu sein, werden sie Schweine Und wenn wir bei Wieland von 'nem Mädel schön Den Busen erblikken und ihre Beine: So lassen sie uns den bloßen Hintern sehn 13 . Und sprechen doch von Zucht und Ehren, Und wollen ihm die christliche Moral lehren, Stellen den großen Mann öffentlich zur Schau, Brüsten sich stolz, als wie ein Pfau Ob ihrer Reinheit – Da Wieland doch nur In seinen Gedichten der Menschennatur Ihre Schwachheit uns deutlich will lehren. Denkt nicht daran, unverdorbenen Seelen Die Wollust und Unkeuschheit zu empfehlen. Aber sie thun alle Sitten umkehren, Sehn alles mit schiefen Augen an, Und haben recht ihre Freude daran Daß's Ding so schief sieht; und haben lange Zeit. Eh sie des Wielands Unsterblichkeit Erlangen, der mit sokratischen Scherz Und Lucianischen Geist, Weisheit in's Herz Seiner Leser giest, 14 die Hunde die! Und bilden sich ein, sie haben Genie. Just so macht's auch die Frau Mama Mokirt sich über ihre Tochter da, Daß sie will schlafen bei einem Mann, Da sie's doch selber nicht lassen kan. Aber es ist nichts, als giftiger Neid. O über die verderbte Zeit! Seitdem die Genies im Lande regieren, Und 's Ruder auf dem Pindus führen, Liegt Zucht und Ehre unter der Bank. Und doch reden die Kerls vom gewaltgen Drang Der Seelenfreuden, und ihren Gefühlen, Thun der Tugend auf der Nase spielen, Geben ihr den Staupbesen, und stehen, und schrein: Die Unschuld nur, die Tugend allein Macht uns die Welt zum Wohnplaz der Lust. Und doch hat die Tugend, mit Ehren zu melden, Von alle diesen bramarbasirenden Helden, In ihrem Leben nichts gewust. Da hat das Weibsstük nun eben nicht unrecht, 'S ist, hol mich der Teufel, von den Kerls sehr schlecht Daß sie die Tugend beständig im Munde führen, Und sie doch auf allen Ekken blamiren. Wollen an Wieland den Sittenrichter machen, Und schreien über ihn mit ofnem Rachen, Daß er den Agathon geschrieben hat. Und ist doch meiner Treu ein Buch Das zu schreiben in der That Keiner von ihnen in zwanzig Jahren genug Verstand hat, aber das ärgert sie eben. Die Kerls bringen in ihrem ganzen Leben Nicht so viel Verstand zusamm'n, als nur auf einer Seite Im Agathon steht – Versteh'n 's nicht die armseeligen Leute; Und kritisiren, was sie nicht verstehn. So machen sie 's all, die Kunstrichterchen, Sie mögen Bibliotheken, oder Journale Schreiben, ihre ganze Kritik besteht darin Daß sie die grösten Männer an einen Pfale Stellen, und allen ihren Ruhm morden dahin. Und oben drein, wie die Straßenjungen, sie Mit Drek beschmeissen. Du schöne Gabe, o Genie! Wie wirst Du gemisbraucht. O Apollo, wach' auf! Wink Deinen Donner am Himmel herauf, Und schmeis die Kerls wie Drek zusamm'n, Durch die das Verderben auf den Pindus kam. Sie machen die Musen zu Gassenhuren, Beizen alle Grazien von ihnen hinweg; Verstümmeln sie zu Karrikaturen Und lästern ihre Gottheit kek. Schik die Pest unter sie, unter die Hunde, Und richte die ganze Zunft zu Grunde 15 . Doch wieder zu kommen auf unsern vor'gen Text Zur Frau Knips. So muß ich Euch nur sagen, Madame, Ihr habt mich ganz und gar behext Ich lüstre recht nach 'nem Duodrame Mit Dir, mein Liebchen – Mamsell kan passen Mach mich nicht mit der Sünde befassen, Zu verfumfein ihre Jungferschaft. Nu das ist wahr, recht meisterhaft, Du Hundekerl, weist Du Schwüre zu brechen. Aber wart Du nur, ich werde mich rächen So wol an Dir, Du Bestia, Als auch an der werthe Frau Mama; Es ist doch abscheulich in meinen Jahren So henkermäßig mit mir zu verfahren, Ein altes Weib lieber zu haben, Als ein jung Mädel von Reizesgaben Die noch kein Männeraug entweiht – Wenn Sie nicht übel nehmen wollen, So zeigen Eure Herlichkeit Einen ganz abscheulichen Geschmak. zur Frau Knips. Madam, ein Prischen Schnupftabak Daß ich kan Kontenanze halten Bei der Tochter heillosen Geschwäz. Mit Einem Wort – Sie können sich trollen Mamsell – und gehn wohin Sie wollen, Sie haben Sich über nichts anfzuhalten – Ich will, und das ist ein Gesez. Von jeher, als ich zu lieben anfing War mir die Liebe zum Mädchen immer Eine lumpichte Liebe, ein fades Ding Von einem Roman, die Mädel sind Nur immer halbe Frauenzimmer; Sie haben kein Feuer, sie haben kein Leben, Wissen nicht zu nehmen, wissen nicht zu geben. Kurzum Kupido ist nie mehr blind, Als wenn er 'nen Kerl zu 'nem Mädel entzünd't. Das ist ein wahr Quarkroman – Was fängt mit solchen unreifen Dingern an? Ihre Umarmungen machen einen frieren – Sie thun nur, als ob sie karessiren. Es schmekt nichts fader, wie ihr Genus. Ein Stük Holz küssen, oder 'nen Mädchenmund Ist einerlei – Verstehen's nicht das wahre Küssen, Sie küssen mit mehr Empfindung 'nen Hund Als einen Kerl – aber zu küssen ein Weibchen zart – O all ihr Götter, um wegzufließen Ist so ein Kuß, die Gegenwart Der Gottheit kan nicht so seelig machen, Als wenn man voll vom gewaltgen Feuer Eines Weibskusses auf dem Nachen Der Liebe, im Taumel der Lust Herrumrudert, gelehnt an ihrer Brust Ihr Busen einem entgegenschlägt Und auch die kleinste Ader bewegt Man sieht das Paradies offen stehen, Und, ach! ein einz'ger Händedruk Von einem Weibe, zeucht hin zum Himmel, Man fühlt durch den Leib einen gewalt'gen Ruk Sieht um sich her in frohen Gewimmel, Die Englein tanzen, die Weste wehen, Den Hauch der Lieb um einen herum, Und wo das trunkne Auge hinblikt, Ist allenthalben Elysium. Ach eine Weiberumarmung verzükt Die frohe Seele in Abrahams Schooße, Und in gefühlte und namenlose Wonne der Seele schwellt unser Herz Ach! kein Lust auf der ganzen Erde Gränzt an den Himmelvollen Schmerz Wenn so ein Weib mit süßer Geberde, Die Wange errötend, es schmachtend gesteht, Daß uns zur Liebe ihr Busen sich bläht. O Weiber nur, ja Weiber allein, Tröpfeln der Liebe Nektarwein In'n Becher unsres Lebens hinnein. Darum, Mamsel, Sie können nur gehen, Seitdem ich Ihre Frau Mutter gesehen Mag ich sie nicht mehr, und Sie Madam Bereite Sie sich zum Duodram. Ich gehe jezt hin, mich ein wenig zu baden, Und dann will ich in Deinem Arm An Deiner Brust von Wonne warm Mich all' mein'r Entzükkung trunken entladen. Sultan ab. 8. Auftritt Achter Auftritt. Das Mädel und Frau Knips. Abscheulich, ich möchte vor Bosheit zerplazen, Und Dir die Augen aus dem Kopfe krazen, Verwünschte Mutter, der hundsfüt'sche Wallfisch, Hätt' er Dich doch ewig bei sich behalten So müst' ich nicht als Jungfer erkalten. Seitdem Du verdammter Flederwisch, Hierher bist kommen, hat der verfluchte Sultan Auf einmal alles Gefühl verloren. Länger, Nikkel, hör' ich Dich nicht an, Da hast Du eins hinter die Ohren. Hätt' ich doch nie Dich Hure geboren. Was mich zu schlagen – warte Du nur – Was unterstehst Du Dich, o Hur – Die Haare will ich Dir aus dem Kopfe raufen, Kontest Du Bestie nicht ersaufen, Was kömst Du hierher und verführst mir den Sultan, Hast Du Kanalje denn keinen Mann? Ein'n Mann, ein'n Mann, wo hätt' ich ihn denn, Hat sich der Kerl nicht lassen beschneiden, Meinst Du, ich könnte den Lumpen noch leiden? Da irrst Du Dich, mein Töchterchen. Mit Einem Worte sei mausestill, Oder zerkraz Dich am ganzen Leib. Wenn ich nun aber nicht schweigen will, Du Rabenas von einem Weib. Was willst Du denn machen? Kraze einmal Ich kraze Dich wieder, und solt' der Saal Ein Ocean von Blut werden. Du magst Dich noch so abscheulich geberden, So steh' ich dafür, abscheuliches Weib, Solst wenigstens nicht mit ganzem Leib, Des Herrn Sultans Hure werden. Will Dich mit meinen Fäusten so zerbläuen, Daß, kömst Du die Nacht zum Sultan hin, Er Dich für Ekel soll anspeien. Abscheuliches Weibsstük, vergibst denn gar, Dein'n Respekt, und daß ich Mutter bin, Hast's vierte Gebot, Du saubres Haar Denn ganz vergessen, wart' will Dich's lehren Solst Deinen Vater und Mutter ehren. So steht's mit klaren Buchstaben da. Wenn sonst nichts ist, Madam, ha ha, ha, Darüber lach' ich – Gnug will's nicht haben, Daß Du an's Sultans Küssen Dich Statt mein'r diese Nacht solst laben, Müste keine Fäuste und Nägel mehr haben. Länger ertrag's nicht, Du Satanskind, Fühl' meinen Zorn, zu Muß zertreten Will ich Dich jezt. Sie schlägt sie zu Boden. 9. Auftritt Neunter Auftritt. Vorige im Balgen begriffen, Hanswurst. Poz alle Wetter, was ist das für'n Schrein? Will wetten, daß die Leut in Frankfurt am Mayn Nicht können ihr eignes Wörtchen hören. Was seh' ich! Himmel täuscht mich ein Schein! Haar' auf der Erde, und Blut darein Ein Paar Geschöpfe, die mit Schimpfen und Schrei'n Sich Busen und Bakken krazen ein. Nun wolte bei meinem Leben drauf schwören, Daß es ein Paar Deutsche Kunstrichter wären, Aber nein, sie haben Weiberrökke an; Und dennoch es sehr möglich sein kan, Denn manchmal krigt man Rezensionen zu lesen, Die natürlich so ausseh'n, als hätte sie Ein Weibsbild geschrieben, das eben am bösen Wesen Darniedergelegen – 'S sind saubre Kritici, Und diese Kerle mit Weiberhirn Sind unverschämt gnug mit dreister Stirn Den Ton anzugeben in Deutschland! 'S ist mein Treu 'ne rechte Schand Für die Kritik, daß sie in Pöbelshand Gefallen ist, daß Gassenknaben Und Barakenweiber 16 sie thun handhaben. Zum Teufel, verfluchtes Kunstrichtergepäk Hört einmal auf mit Eurem Kazbalgen, Ihr macht ein Geschrei, und macht ein Geblök, Als schrie Gott Mars bei'm Vater Homer. Halt't einmal auf, und balgt Euch nicht mehr, Oder schert Euch an'n lichten Galgen. die auf einmal in ihren athletischen Uebungen einhält, und ihren Gemahl gewahr wird. So, Du verstümmelter Hund, bist Du da, Der ganze Spektakel kömmt Deinetwegen, Hätt'st verschnitt'ne Bestia Nicht vor ein paar Stunden bei mir gelegen, Ich hätte die infame Hure da Nicht zur Welt gebracht – Wart Du Sapperment Da gehst Du her, Lümmel, und läßt Dich verstümmeln. Ist's möglich, mein Weib, wart, will Dich belümmeln, Was wütest Du in Deinem eigen Blut Vermaledeite Höllenbrut? Ach, Vater! Ihr habt ein abscheuliches Weib, Denkt nur, sie will dem Sultan ihren Leib Auf diese Nacht Preis geben; Ihr wist, der Sultan Hatte mir die Ehre zugedacht. Aber kaum war das Weib hier gekommen an, So ward er auf andre Gedanken gebracht. Nun schläft er bei ihr, das wolt' ich nicht leiden Was bringt sie mich um meine Freuden? Hast Recht, mein Tochter. Du Hure Du Wilst Du Ehebruch treiben? Bin ich nicht Dein Mann? O ja 'n Kerl, der nicht mehr kan, Was, Bestie, wilst mich noch vexiren dazu? Nachdem Du Dich hast verstümmeln lassen Meinst Du, ich soll Dir treu noch sein? Verstümmelter Hund, da kanst Du drauf passen Das werde ich wol bleiben lassen, Kraz Dir die Augen aus noch oben drein. Fällt über ihn her. Hülfe, Mord! Hülfe! Diebe! Sie bringt mich um. O Liebe, Liebe, Du einzge Quelle der Seligkeit, Die Rosenschimmer um uns webet', Und uns hinauf zum Himmel erhebet, Was bringst mir armen Hund für Leid, Ward mit Arschtritten durch Dich aus dem Hause gestossen, 17 Muste durch Dich herumlaufen ohne Hosen, Muste durch Dich meine Manheit verlieren. Du thust mein Haupt mit Hörnern zieren, Durch Dich must' ich mit zerkrazten Bakken, Mit abgebläutem Rükken, mit blut'gem Nakken Herumlaufen. O liebe Quelle der Seligkeit Was bringst 'u mir armen Hund für Leid. 10. Auftritt Zehnter Auftritt. Sultan und Vorige. Was für ein Zeterschrei dringt jezt in meine Ohren! Ha, was erblikk' ich hier, weh mir, ich bin verloren, Das Mädel röchelt nur, das Weib bedekket Blut O großer Mahomet, verleih dem Herzen Mut. Zum Hanswurst. Sprich Sklav, was ist geschehn? Die Weiber balgen sich, Zerkrazen sich's Gesicht und schrein Weil jede Deine Hur' will sein; Ich kam dazu, sieh', sie zerkrazten mich – Sieh' nur, ich blute wie ein Schwein. Er lügt der Bube, Gnädger Herr, Blos darum macht er das Geplärr, Weil ich die Nacht will bei Dir liegen. Der Donner auf Dein Haupt. Wart' Fraz Du solst es krigen. Fort, fort aus meinem Land, in einer halben Stunde. Fort sag' ich Dir, und bald – ich leide solche Hunde In meinem Lande nicht. – Ihr Beide komt herein, Und machet Euren Leib von diesem Blute rein Das mir das ganze Herz herum im Leibe kehret – Was stehst Du noch hier, Fraz? – Fort, sag' ich, sie gehöret Mir zu, und Dir zum Troz – soll sie heut bei mir liegen, Dein Mädel oben drein. das sich aus ihrer Todtenohnmacht erholt. Ich thu es mit Vergnügen, Die Hofnung giebt mir 's Leben wieder, Und Freude fährt durch meine Glieder. beide aufhebend. Nun komt nur, und Du pakke Dich – Zieh' aus so bald Du kanst, sonst Sklave fürchte mich. Alle drei ab. 11. Auftritt Eilfter Auftritt. allein. 'S sind rechte Hunde, die Genie, Alles zerhakken, zerstümmeln sie, Verführ'n die Weiber, verführ'n die Töchter, Entnerven die künftigen Geschlechter, Schwächen den edlen Zeugungssaft Die Hunde! und das nennen sie Schnellkraft. Ab. 3. Akt 1. Auftritt Erster Auftritt. Kanonierstrasse, Morgens nach 9 Uhr. in seiner gewönlichen Tracht, aber schreklich zerlumpt. Schu und Strümpfe zerrissen. Hat sich, müde von seinem Marsch aus der Türkey, auf die Erde gelegt, und schläft. Die Nimfen der Strasse leeren ihre Nachttöpfe aus, Hanswurst wacht dadurch auf. Da bin ich nun wieder in dem Berlin, Das mich vor kurzem hies von sich ziehn – Was hab' ich nicht alles seitdem gelitten, Wie hat mich Fortuna zusammengeritten. Geehrt, vergöttert in diesem Land, Hatt' s liebe Publikum an der Hand, Lies sich in allen Stükken von mir leiten, Sah' was ich that und began mit Freuden. Auf einmal hatt's mich übersatt Warf mich vom Trone, zerschmis mir das Gat Da must' ich mit hölzernen Hinterbakken, Ich armer Lump, zum Teufel mich pakken. Herr Stoffel Knips zu Salzburg, mit Gunst, Behagen fand an meiner Kunst, Und weil er mein Genie verspürte, Mich alsbald in sein Haus einführte. Madam, sein wertes Ehgemahl, Mit ihrer schönen Augenstrahl, Mich zwang dem Herrn Ehgemahl Die breite Stirne ein wenig zu zieren. Doch, leider! zu dem Duodram Herr Stoffel bald dazwischen kam. Und da er nie Philosophie thät studiren, Vermocht' er nicht, sich zu regieren. Fing an, mich weidlich auszuschmieren, Und warf mich da, samt seinem Weibe, Ohne Hosen, mit halbnacktem Leibe, Ganz Zorn und Glut zum Hause hinaus. Pathetisch aus der Brust und hol. O Zorn, wie garstig schaust du aus! Hat wol recht, der weise Seneka, Der dich nennt eine Bestia. Herr Stoffel Knips, durch Dich so klein Und winzig ward, wie 'n Mäuselein. Da lob' ich die große Städt mir fein, Komt da der Mann hinter so was drein So läst ers gehn, so läst ers sein Nimt drum Genies zu sich herein Und schöne Geister aller Art, Daß sie mit seinem Weibelein Das neue Duodram exerciren – Gerät auch niemals drob im Zorn, Hat ihm sein feines Liebchen zart Die Stirn geziert mit einem Horn: Dazu wird ja der Mann gebor'n. Was hilft's denn da Geschrei verführen. Ein Weib für sich nur haben allein, Mag Mod auf Dörfern und Flekken sein Wo kein Geniegeist sich aufhält. Doch anders ist's in der grossen Welt. Da zeigt's von einem noblen Gemüt, Wenn man auf eines Ehemanns Stirn Ein Horn hervorgewachsen sieht. Drum man auch nirgends so viel Rind, Als in den großen Städten find't. Und nur ein Mann, der nicht hat Hirn, Nie mit Genies ist umgegangen, Der kan für sich ein Weib verlangen. Ein Weib ein öffentlich Bierhaus ist, In dem die Menschen von allen Nationen, Der Türke, der Heide, der Jude und der Christ, Aus jedem Lande, wie sie da wonen In Libia, und Pamphilia, In Asia, und Amerika Sich aller Rechte können bedienen – Vivant die grösten Städte all, Vivat Berlin, 's soll blüh'n und grünen. Es ist der Sammelplaz der Musen, Hat schöne Formen, hat schöne Busen, Hat Venustempel überall Ist reich an hoher Tugenden Glanz, An Menschenlieb und Toleranz – Hätt' Herr Stoffel Knips auch so gedacht, Hätt's nicht so bunt mit mir gemacht; So aber zerhaut er mich jämmerlich Da muste armer Lumpe ich Mich lassen in die Türkei hinführen, Da thäten sie mich denn kastriren, So kam ich denn um alles gar, Ich armer Schelm, nicht genug es war, Daß ich mein hölzern Gat verloren. Zum Glük hab ich noch Nas' und Ohren. Auch darum wär' ich bald gekommen, Hätt' ich nicht schier die Flucht genommen. So bin ich denn nun nach vielem Leid Zerschlagen, zerkrazt, verstümmelt, verfumfeit, Berlin, in Deinem Schooße wieder; Wieder bei Euch, liebwerten Brüder, Und theure Gevattern! Bin kürzlich zwar Von Euch verstossen, und gestaubbes't worden – Seid Feinde geworden von meinem Orden Der Euch so wert, so lieb sonst war. Jedoch wer weis, die Zeiten ändern: Bald puzt sich's Weibsen mit bunten Bändern, Bald trägt es Federn eine Elle lang: Drum ist mir eben auch nicht bang', Daß Ihr vielleicht, seht Ihr mich wieder, Liebe Gevattern, und theure Brüder, Vor Freuden ruft: da ist e ja, Unser bester Kumpe, hopsasa! Und mich mit Freuden und Klatschen und Schrein, Wiedernehm't in Euren Zirkel hinein. Mus nun mein Heil ein wenig probiren, Denn länger kan hier nicht steh'n und frieren, Ich hab' kein ganzes Hemde auf'm Leib, Wird ein Weibsen am Fenster gewahr. Heda, da kukt ja schon ein Weib. Das ist gewis 'n französche Komödiantin, Sie hat so 'nen runden Unterkin, Ist so gemästet, und so fette So recht gemacht für Tisch und Bette, Hat sich die Bakken so rot beklekt, Sieht über und über, als wär sie gelekt Und ihre werten lieben Naturgaben Hat sie gar statlich aufgedekt – Der Teufel! Die muß viel Gage haben, Man merkt's, daß ihr's recht herlich schmekt. Nun weil ich doch ein Kammerad bin, So will ich doch mal gehen hin. Geht an das Haus aus dem's Dämchen rauskukt. Liebwerte Madame, vermutlich seid Ihr Ein' Königin, oder sonst was hier: Steht's Abends, mit grossen Reifen und Schleppen, Mit grossen Federn und langen Kreppen, In ein'm Stück von Kornelje und Voltaire Auf'm Theater – Bei meiner Ehre! Ich freu' mich recht sehr Sie kennen zu lernen. Bei Ihrer Augen schönen Sternen! Und Ihres breiten Busens Pracht Bei Ihres Bauches gewaltiger Macht Beschwör' ich Sie mich anzuhören, Und mir Ihr Mitleid zuzukehren – am Fenster. Sie irren Sich, mein Herr, ich bin Ganz und gar keine Theaterprinzessin. Und hätt' doch schier drauf geschworen! Sehen mein Treu vom Fuß bis zu den Ohren, Natürlich, wie 'ne französ'sche Aktrise aus – Sie legen die Brüste so weit heraus, Färben sich mit Zinnoberrot, Wakkeln wie ein Kutschpferd mit dem Kopfe Schielen einem nach dem Hosenknopfe. Sie machen das alles, so lieblich und schön, Wie ich nur je bei 'ner Französin gesehn. Drum dacht' ich auch – 's ist ganz gewis: Madam ist ein französ'sche Aktris! Doch, wie ich seh hab' ich mich betrogen. am Fenster. Französ'sche Aktrise oder nicht, Bin Ihnen deswegen doch von Herzen gewogen, Und wenn Sie Sich wollen bemühen herrauf, So können Sie, mein Herr, mein lieblich Gesicht, Und meinen Busen gar voll und schön, Und was ich nur hab', in der Nähe besehn, Dekke gern alles, mein Herr, Ihnen auf. Sie haben etwas in Ihrem Gesicht, Dem kein Weibsbild widerstehn nicht Kan – es ist Ihre Nase, junger Held. beiseit. Ach! arme Hur, da wirst du geprelt, Was meine Nase Dir prophezeit Abiit exessit zu dieser Zeit. Indessen, will ich nauf zu ihr gehen, Und ihr was abzukapern sehen – Weil Sie befehl'n Madam, so komm' ich hinauf. 2. Auftritt Zweiter Auftritt. Zimmer der Dame. Toilette mit Zitronen und Kalifonium und dergleichen Attributen einer Fille de Joye bedekt. Auch ein Schächtelchen mit Merkur, falschen Zähnen und falschen Haaren. halbnakkend auf dem Bett liegen, auf Hanswurst wartend. tritt herrein. Mit Freuden flog ich zu Dir hinauf, O breite Göttin, Dein fleischichter Rükken Nicht zu umfassen von einem Männerarm Macht alle meine Sinnen warm Und wirft mich trunken von Entzükken Zu Deinen Füssen – o sieh mich hier, Und hab' Erbarmen mit mir armen Hunde. Schon seit acht Tagen in meinen Munde Kein Bissen kam, ach ich mus schier Vor Hunger krepiren, wofern Deine Güte Mir nicht ein Schnitchen Brod herreicht – Bewegt' ich doch dein nobles Gemüte – O schönste – hörst du mich, ach Gnade Oder siehe, ich verschmachte schier Vor Hunger und Durst zu Deinen Füssen hier. klingelt. kömt. Was zu Befehl? Du Dikke. Schoklate. Für den da! Da wird nichts passiren, Der Kerl kan's nicht bezahlen – Geh – Genug ich bezahl sie Nikkel – He, Was geht Dichs an, wenn ich ihn will traktiren? Sie thut 'ne ganz neue Mode einfüren, Ein' Hure mus sich lassen traktiren, Und Sie traktirt die Kerls gar. Genug Trampel, ich bezahl' Dir baar, Also geh' Du und koch' Schokkolat. Und fix! im Abgehn. Ist ein abscheulich Weibsstük Sie hatt's zu thun mit der ganzen Stadt Und krigt des Dings doch niemals satt, Ist alles an ihr Bruchwerk und geflikt. Der ganze Körper, Stük vor Stük, Von falschem Stof – Der arme Lump da Dau'rt mich von Herzen, ha, ha, Der wird die Augen gewaltig aufreissen, Wenn er sie erst in der Nähe besieht. Nu, wird es bald? – Wie oft soll ich's sagen? Geh't Sie nicht bald, so geht's an's Schlagen, Da will ich Dir Luder ein jedes Glied An Deinem Leibe in Stükken schmeissen. Wird sich das Zerschmeissen von selber geben, Darfst ja, Du Hure Deinen Arm nicht viel heben So fält er auf die Erde – Dein ganzer Leib, Du liederliche Meze, und verhurtes Weib, Ist zusammengeflikt – vom Kopf bis zum Steis, Und das Mensch thut so dik, und macht sich so weis! Schokolate! Zum Henker wie lange wird's währen? Mag Dein Schandmaul nicht länger mehr hören. Siehst altes Thier denn nicht, Daß hier dem Herrn das Herze schier bricht, Er hat so lange nichts zu sich genommen, Und wird noch gewis vor Hunger umkommen. Drum geh' und mache, daß 's fertig wird. Nu meinetwegen, ich will schon gehen. Bei Venus und Amor, das mus ich gestehen, Mit so viel Anmut und Güte geziert, Hab' ich mein Tag' noch kein Weibsen gesehen. Es ist alles so lieblich zum Wolbehagen, Das Herz thut einem wie ein Hammer schlagen. Voll lauter Drang und Wonnegefühl Ist einem bald warm, ist einem bald kühl. Das Blut läuft nieder, läuft in die Höhe, 'S küzelt einem vom Kopf bis in die Zehe. Ich bin ganz weg, ich bin ganz hin Mir ist, als hätt' ich nur Einen Sinn. auf dem Bett. Läßt alles das recht lieblich sich hören, Doch wenn Sie Sich wolten zu mir herscheren, Und sich sezen neben mir aufs Bett, Das wär' wol ein Bischen mehr Etikett. Es läst sehr dumm, von Flammen zu schrein Von Glut, die alle Adern durchfliesset Aus jedem Sinn sich doppelt ergiesset, Beständig mit dem Maule in Feu'r zu sein Als thät's aus Augen und Nase sprizen, Als könten sie nicht gehn, als könten sie nicht stehn Als wenn's all ihre Nerven gewaltig durchlekte Mit jedem Augenblik sie mehr thät erhizen, Mit jeder Minute mehr Feuer erwekte Als wolt um sie die Welt vergehn, Und können doch bei 'nes Mädel Bett sizen, Können ihren vollen Busen sehn. Und sehn die schönsten lieblichsten Knie, Und raten nicht, was wol sizt drüber, Geh'n ihnen nicht die Sinne über Sinken nicht hin in ihren Arm, Und sprechen doch, sie wären warm, Haben den Frost, als wie im Fieber, Sind lauter Seele, und leben vom Anschaun. Das sind wol Lumpenkerle, traun! Sie haben recht, Madam, die Wichter! Doch bin ich nicht von dem Gelichter, Bin nicht so ein Kerl mit Glut im Munde, Und frage dem Henker nach Seelengenus, Veracht' sie von Herzen die kalten Hunde. Ein Händedruk, ein feuriger Kus, Ein Umarmung und immer so weiter, Und immer höher auf Cytherens Leiter: Kömt bei der Seelenlieb nicht viel herraus, Geb um den Quark nicht eine Laus. Wofür sind uns denn die Sinne gegeben? Sind wir doch alle sinnliche Geschöpfe, Die ganz in Sinnlichkeit leben, und weben. Laßt sie nur saalbadern die platonschen Tröpfe, Sind gewis Kerls, die kastrirt sind worden, Und gehör'n zu Kombabens Orden, Sonst genössen sie wol, und schwazten nicht. Wol wahr, doch bei dem zu vielen Geniessen Man auch eben nicht viel Rosen bricht: Folgt gar zu oft nach all den süssen Entzükkungen, was eben nicht Gar wol behagt; zum Exempel, die Gicht Der Verlust aller Gliedmassen, der Augen, der Nasen, Wie wir erst im Kandide es lasen, Auch beweist es meine Geschicht – Mißfält es Ihren Ohren nicht, So will ich sie Ihnen jezt erzählen. Erlauben Sie's? Sie dürfen befehlen Wer läst sich von Schönheit nicht gern erzählen. Mein wertester Herr, wie Sie mich hier sehn, Mit all den Reizen, und Wesen schön, Bin ich ein unglüklich Geschöpf, denn alles, Sir Ist falsche Waar, und Geflik an mir. Sehen Sie dies eine Auge, das So leichtfertig lacht – es ist von Glas – Sehn Sie der Zähne herliche Reih Auch nicht Ein wahrer ist dabei; Und dieser Busen voll und gros Gemalte Pappe ist er blos; Und dieser Arm, Sie werden ihn loben, Mein Herr, er ist nur eingeschroben. Und so, mein Herr, von unten bis oben Ist alles, was Sie vorher erhoben, Vom erst zum lezten, nicht eines mein, Und ach! die Quelle davon allein, Ist mein Liebe zu den bildenden Künsten. Sie wissen wol in lieben Deutschland Kömt eben keines zu Gewinsten, Ist er von Lieb' zu den Künsten entbrant. Ich bin gebor'n, mein Herr, in Schwaben, Wo alles die Leute, Verstand nur nicht, haben; Da war mein Vater ein Häscher, mein Herr, Der immer die Leute im Vergnügen störte, Und jeder ihrer Freuden wehrte. Gingen sie ein Bischen über die Regel hinaus, Gleich mein Herr Vater den Prügel herraus Und schlug ganz erbärmlich auf die junge Genien, Wolt mit Gewalt nach der Regel sie ziehen Fand alles falsch, was er nicht verstand. Ich fand solche Leute, mein werter Herr, Auch in Berlin hier, nach der Hand; Doch heist man sie hier Kritiker. Nun hör'n Sie weiter – mein Vater zog mich Gar mächtig streng, das wolt nicht behagen. Ihnen, mein Herr, brauch's nicht zu sagen, Genie läßt nicht in Regeln sich schlagen. Und ein Genie, mein Herr, war ich – Das heist: ich fühlt' 'nen almächt'gen Drang, Schönheit zu trinken durch alle Glieder, Den ganzen Körper die Länge lang! Besonders schlug mir unter dem Mieder Die Brust gewaltig – Sie pochte und schlug Daß ich oft ganz im Feuermeer schwizte, Und mir es ward, als ob mir das Blut Aus allen Adern und Nerven sprizte. Mein Seel ganz Schwung und hoher Flug – Erfüllet ganz vom höchsten Gut Des Epikurs, gewönte sich bald An dem Vergnügen, das schöne Gestalt Und schönes Bild der Seele eingiest – O Herr ganz über alles Beschreiben Sind Euch die Freuden, wenn man zerfliest Im Anschau'n des Schönen – man kan nicht bleiben, Will immer höher und tiefer; so ging's Mir Armen auch – Des süssen Dings Kont ich Euch leider genug nie krigen, Bis dann zulezt sich mein Vergnügen In bitre Galle hat gekehrt. Doch, Herr, Ihr habt noch nicht gehört, Wie ich zuerst der Schönheit genos! Mein Vater hat einen Bruder, der auch Profos, Also auch ein Kritikus war, der hat einen Sohn Mein Herr, das war Euch ein wahrer Adon. Denkt Euch, mein Herr 'nen runden Jungen Mit schwarzen Augen, und blonden Lokken, Die Bakken so weis, als wenn sie mit Schneeflokken Übersät wären, und ganz von Rosenblüt durchdrungen, Eine grosse Nase mit hohem Bug, Und Lippen, so rot als wie die Korallen; Alabaster die Zähne, der Nakken – Genug, Mein Herr, er hätte der Venus selber gefallen. Er kam zuweilen in unser Haus Und lehrte mich den Geschmak am Schönen, Und lehrte: die wahre Schönheit zu fühlen, Mus man an ihrem Genus sich gewönen, Das blosse Anschau'n mach' es nicht aus, Und nur damit tändeln, nur damit spielen, Verriete immer sehr wenig Geist. Aber im Genusse, da könte man fühlen, Zu welchem Entzükken die Schönheit hinreist. Wir nun, die wir einander gefielen, Wir säumten nicht lange, mit dem Geniessen Der Schönheit, in Wonne zu zerfliessen. Weis noch den Abend, an dem es geschah' Wo er die Rose zuerst sich pflükte, Zum erstenmal das Blümchen zerknikte, Das noch kein Männerauge sah'. Es war ein schöner Abend, der Himmel War heiter und blau, das liebe Gewimmel Der Sterne rolte am Firmament Die Weste hauchten im leisen Akzent Uns Minnesang. Ein grüner Rasen Auf dem wir beide voll Trunkenheit fassen, War unsres Genusses Paradebett. Wir hatten Langes und Breites geredt, Von Liebe, und Schönheit, von Freuden und Küssen, Von Händedruk, und süssem Geniessen Als sich almälig die Sprache verlor, Mein lieber Busen wärmer empor Stieg, schwoll, und bebte, und glühte und pochte, Und Feu'r, wie ich noch nie gefühlt, Durch alle mein Adern kochte. Mein guter Geliebter hatte schon lange Mit meiner Brustschleif lüstern gespielt, Als schnell durchbebt von innerm Drange Die Schleife auseinandersprange, Und ach! mein Busen, so gros und voll Er damals war, in Händen ihm quoll. Da drükt er denn glühend seine Augen An meine Augen, dann auf den Mund Als wolt' er den Himmel von ihnen saugen; Dann schlang er um meinen Nakken sich wieder Und ach! ihm bebten alle Glieder, Da lagen wir dann im Grase nieder, Und ach! in jeder Nerve schlug Leben, Und alle Sinne thäten sich heben, Wir fühlten, empfanden – – – Ist's möglich? Ach halten Kan ich mich länger nicht – O Stanzel, wie Kenst mich nicht mehr? Ach müssen wir Uns wieder sehn in diesen Gestalten? Find'st hie den alten Geliebten in mir. Ich bin's der Deine Rose pflükte, Bin's der Dein Blümchen Dir zerknikte. Und weil mir Dein Vater, der Kritikus, Vor den Hintern gegeben seinen Fus, Aus meinem Lande wandern muste – Ach! damals war es mir, ich wuste Selber nicht wie? – Dich zu verlieren War ein Schwernotsgedanken, und – Ich glaubte auch schier dabei zu krepiren, Und ach! nun find ich Dich, wie mich Zertrümmert bist Du in tausend Stükken, Ich selbst nun besteh' aus Lumpen und Flikken. O Liebe – Liebe, wo führst Du hin! Wie wenig bringt Dein Geniessen Gewinn. Man kömt durch Dich um Auge und Ohren, Um Hintern und alles – Zum Seegen geboren Hat Dich die gütige Natur, Doch seit Rolumbus nach Amerika fuhr, Ist alles Unheil losgebrochen! O all' ihr Liebesgötter, wie viel Sind seit der Zeit vom Liebesspiel Zerfezt, zerlumpt mit Wunden viel Bedekt, in Chariteen gekrochen! Ach! theure Stanzel – Liebstes Kind, Nach vielen Jahren Dich wiederfind. Ach aber wie – und so auch ich. Mag's sein, Du Holder, genug habe Dich, Drük Dich wieder an meinen Busen. Umarmt ihn, und der papne Busen fällt auf die Erde. Ha seh' ich recht, o all ihr Musen, Du wilst mich drükken an Deinen Busen, Und sieh, da fällt er zur Erde hin! Siehst nun, wie zu beklagen bin! Du armes Ding, doch sage mir, Wie kamst so herunter? Wie ging Dir's hier? Seit uns mein Vater in Liebe verschlungen, Von Amors heissem Feuer durchdrungen, Mit allen übergegangenen Sinnen, Du weist es, liegen fand, seitdem hatt' ich Keine ruh'ge Stunde; Du mustest von hinnen! Ich verzweifelte schier und sehnte mich Zurük nach jenen Freuden im Grase. Ach! alles um sonst, denn Vater, und Mutter, und Base Hatt'n beständig ihr Auge auf mich. So lebt' ich traurig, da fügt' es sich Daß meine Eltern zur Beichte gingen, Ich mit – Ein Pfarrer den Tag zu uns kam, Thät mit uns lesen, beten und singen, Und predigte dann von vielerlei Dingen, Besonders von Keuschheit und Zucht und Schaam. Er hatte Gebetbücher die Menge geschrieben, Und Predigten ganze Bände voll; In den sehr viel wieder das Lieben Und ihrem Genus geschrieben sein soll. Seine Predigt war aus, nun kam's zur Beichte. Da trat ich nun zu ihm, mein Auge war feuchte Von Thränen. »Ist's Sündengefühl? Das weinen Dich macht?« Ach! mein Herr Pater, Ist nichts als Sehnsucht nach Amors Spiel! »Verzeih' Dir's der liebe himlische Vater. Du bist ein sündlich Wesen – Bete geschwind Ein Duzend Ave Marias, mein Kind.« Ach mein Herr Pater, was hilft's mir Was fromm't ein Ave Maria hier. Ich sehn' mich nach Liebe, sehn' mich nach Genus, Und all' das Beten bringt nicht 'nen Kus. »O Sünderin, Sünderin mit Dir ist's weit Gekommen – weh Dir Du bist in Ewigkeit Verloren! wirst niemals aus dem Fegefeuer Erlöst werden, und Deine Seele ist doch so theuer Im Auge des Himmels – doch will ich Dir Noch einen Weg zur Gnade verkünd'gen Bist Du so klug und folgest mir. Ich nemlich, Mädchen, mus Dich entsünd'gen, Ich bin ein frommer, heil'ger Mann, Thust Du mit mir, was andere gethan, So bist Du Deiner Sünden quitt.« So sprach der fromme Pfarrer, und schnitt Um nicht so viel Obstakel zu finden, Und leichter mich meiner schweren Sünden Loszumachen, mit einer Scheer Vom Nabel an mein Kleid die Quer Entzwei – So warf er mich denn in'n Stuhl nieder Und absolvirte mich christlich und treu. Da ward ich meiner Sünden frei, Und ach! befand mich wol dabei. Ach! sprach ich, wenn der Herr Pfarrer erlauben, So werd' ich öfter, um meinen Glauben Zu stärken, und fängt die Sünde in mir an Zu kämpfen, mich zu Ihnen begeben, Und mich derselben losmachen lan. Der Pfarrer sprach »Dir ist beschieden Die Vergebung, gehe nun hin in Frieden Und sünd'ge fort nicht mehr!« Doch ach! Auf allen diesen süssen Empfinden Folgte bald bitre Reue nach. Der Pfarrer thät in mir ein Feur entzünden, Das alle meine Gebeine zerfras, Es brante und tobte ohn' Unterlas, In allen Adern, in allen Knochen, Mir war's, als würd' ich mit Nadeln zerstochen. Mit einem Wort, mein Lieber, der geistliche Herr, Hatte Rolumbus neue Waare Die er aus Amerika her Brachte, mir angehängt – Was für Geplärr Erhub ich! Doch ward in 'nem halben Jahre Ich wieder kurirt. Mein Vater der nun Nichts mehr von mir wissen wolte, sties mich Aus seinem Hause, was solte ich Entblöst, ohne Brod, ohne Kleider nun thun? Ich bot mich den jungen Herren an, Doch wolt' auch nicht einer dran. Endlich erbarmte ein Ratsherr sich. Ich muste ihm folgen. Er brauchte mich Und zahlte mich gut, und weil ich troz meiner lezten Kur, Noch ziemlich stark und robuster Natur Um viele Kämpfe auszuhalten, Beschlos er, mich noch ein'ge Zeit Zu seinem Vergnügen bei sich zu behalten. So ging's ein paar Wochen, da kam ein Off'zier, Ein hübscher Bursch, der sah mich im Bade, Lud ohne Barmherzigkeit und ohne Gnade, All' mein Schrei'n half nichts, mich auf sein Maulthier, Und schlepte mich fort – Der Off'zier war von hier, Und stand da auf Werbung. Er schlief bei mir, Und schien mit meiner Unterhaltung sehr wol zufrieden, Er führte mich mit sich, und sezte mich hier: (Ach! so veränderlich ist alles hienieden!) Wieder in Freiheit. Nun war ich für mich. Was war zu thun? – Ein Genie war ich, Und als ein Genie hatt' ich zu Geschäften Keinen Trieb. Aber hatt' auch als Genie Nichts zu leben. Doch scheut' ich alle Müh Und alle Arbeit. 'S wird Dein Genie nur entkräften, Dacht' ich. Und arbeiten mus kein Genie! Faulenzen den ganzen Tag, und sich nie Die geringste Mühe geben, alles auf's Ohngefähr Lassen ankommen; wo's Brod kan her Kommen, dafür mus ein Genie nicht sorgen. Was kümmert Dich der künftige Morgen, Genug, daß für sich schon jeder Tag Hat seine Sorgen und seine Plag. Die Herren Kunstrichter mit langen Stäben, Die dem Bettelvolk immer, (gehn sie nach Brod,) Ihren Stok fühlen lassen, hatten ihre Not Mit mir. Thäten mir immer die Lehre geben, Ich solte mir was zu schaffen machen, Doch thät ich ihren Rat verlachen: Doch die Noth brach immer mehr herein, Da must' es denn entschlossen sein, Mit Einem Wort, ich muste mich fassen, Und jedem, der wolte, mich überlassen. Da hatt' ich denn vollauf zu thun, Hatte kaum Zeit nur auszuruhn, Als auf einmal ein Dichter vom ersten Range, Ein grosser berühmter Platonikus, Der immer von Ansehn nur lebte, im Kus Alle sein' Bedürfnisse erfült, zum höchsten Genus Gelangt zu sein glaubte. Er kam zu mir, und tändelte lange Mit meinem Busen, und sas und fühlte Bald dahin bald dorthin, seufzt' und spielte Mit meinen Lokken, bis endlich er sich Ganz in den Tempel der Liebe schlich. Und mein Platoniker ganz Glut und Hize Hob mich beinahe zum Göttersize. Doch ach! kaum war das Werk vollbracht So fühlt' ich schon mit aller Macht, Daß er Verderben in mein Gebein Gegossen – Vor Schmerzen kont' ich die ganze Nacht Nicht schlafen, must laut jammern und schrein, Kurz in den jezgen Zustand hinein Hat mich der Dichter, mein Lieber, gebracht. Das ist zu toll – Ich wolt dem Poeten Hätte der Teufel den Hals umgedreht. Man solte all solche Hunde töten, Die immer vom Geist in der Liebe reden, Und wahre Epikuräer sind, Und Schweine, wie man sie nirgends find't. Doch nimm mir's nicht übel, mein liebes Kind, Hab endlich mal Lust, was zu geniessen. Die Schokolate bleibt lange aus. 3. Auftritt Dritter Auftritt. Das alte Mütterchens bringt Schokolate, die Vorigen. Da trinkt, ich denk es soll euch schmekken; Zukker und Eier sind nicht gespart. Werd't sie mit allen Fingern lekken. Wir haben lange genug geharrt Und hätten wir uns nicht erzält: Ich glaub', ich läge schon entseelt Verlassen von allen Menschen, im Grunde Des Grabes, eine Speise der Würmer und Hunde. Doch juchhe! die Schokolate ist da. Da Schäzchen, die erste Tasse empfah. hapst mit einem Zuge die Tasse aus. Die Pest! wie schnapst der Kerl zu, Fris lieber die Tasse, Du Vielfras Du! Teufel! wie kann der Kerl schlingen! Ich hätt' nur sollen 'nen Eimer voll bringen. Ja, Mütterchen, Genies thun greulich schlingen, Das macht, weil uns der Hunger reist, Wie denn auch oft unser Werk beweist. Zeigt allenthalben hungrigen Geist. Ist keine Kraft und kein Saft darin, Und fliest, wie klares Wasser hin. Nun trink nur, trink nur, lieber Mann, Und nimm sogleich die ganze Kann. Ich will mich nicht lang bitte lassen, Denn ach! mich hungert über die Maassen. Nimmt die Kanne und schlürft sie aus. Da liebes Kind, der Zug ist gethan. Es wird gepocht. Was ist das? Pocht nicht jemand an? Nun laßt den Klopfer nur herein: Vieleicht wird's eine Kunde sein. Es wird aufgemacht. 4. Auftritt Vierter Auftritt. In Schwarzrok und Vorige. Ha der Magister! Her Philosoph, Schön guten Morgen! Woher so früh? Wie geht's? Was macht die Philosophie? Mein schönes Kind, verzeihen Sie, Mach' Ihnen sehr früh heut mein'n Hof. Denn hab' noch viel zu rezensiren, Darf also keine Zeit verlieren Weil ich bald an die Arbeit geh. Ha! was für Züge, und Töne? He! Das ist mein Junge! Lieber Sohn, Wie kamst Du mit dem Leben davon? Du fielst ja in des Meeres Schlunde? Ja Vater, aber kam nicht auf dem Grunde. Durch viel Fata mancherlei, Bin ich anhero angekommen. Ist hier ein närrisch Volk, mein Treu! Ward auch recht gütig aufgenommen, Und glaubt mir, lieber Vater, dabei, Hanswurst gilt viel hier noch mein Treu. Sie haben ihm zwar das Wams genommen, Doch rollirt er noch im Publiko rum, Auf allen Ekken rund herum. Trägt Allongeperrüken und Priesterkragen, Und ist, Euch platt herauszusagen, In allen Ständen wol gelitten, So in Pallästen, wie in Hütten. Ich selber, als Magister hier, Tret' oft mit meiner Kappe für, Mit allem meinen Narrenwesen. Dürft nur die allgemeine Bibliothek lesen. Ich, lieber Vater, arbeite dran, Wie Euch, wenn Ihr wolt, der Artikel: Schöne Wissenschaften, beweisen kan. Bin sehr bekant auf der Stechbahn. Da hau' ich Euch die grossen Geister, Göthe, Wieland und Lenz zusamm'n Sind zwar Virtuosen und grosse Meister Und denen ich allen, God my dam! Nicht die Schuriemen auflösen kan. Aber was thut's? ich hau sie zusamm'n. Das hab' ich längst gemerkt, mein Seel'. Nu das ist doch ein rechter hübscher Empfel Für die allgemeine deutsche Bibliothek. Hab's längst an dem unverschämten Tone Und an dem pöbelhaften Hone Gemerkt, daß so ein Stük von Gek, Die schöne Wissenschaft rezensirt. Da hat uns das Schicksal gar wunderlich Zusammengeführt, mich und Dich. Ich freu' mich herzlich über dies Glük, Doch komt, ich mus Euch ein neues Stük Vorlesen, aus der Stechbahn'schen Fabrik, Es ist der Flein fein Almanach, Wo Euch der Verfasser in der Vorrede vermessen, Herrn Bürger zu schinden nicht hat vergessen, Und viele andere Männer gros, Als wie die Buben skandalisirt. Nun hört mir zu, wie sich's, gebür't. Der Schwarzrok liest die Vorrede; das alt Mütterchen, die Dame, und Hanswurst bekommen während des Vorlesens Gicht, und Bauchgrimmen. Auweh! mein Magen, auweh! auweh! Ich krige Bauchgrimmen. Geschwind macht mir Thee. Auweh! es zukt mir durch alle Glieder, Almächtige Götter, ich sinke darnieder! O du verfluchte Vorrede du! Du machst mich krepiren. Und mich dazu. Auweh! mir thut's die Glieder zerreissen. Auweh! ich fange an zu sch-n, Ich krige den Durchfall, meiner Treu! Lebt wol, mein Leben ist vorbei! Stirbt. Auweh! ich sterbe, ich bin tot! Fährt ab. Mein Auge starrt, o Kreuz, o Not. Bläst den Geist aus. Da fährt der Geist zum Hintern hinaus. Krepirt. kriecht aus seinem Loch. Da sind sie nun tot, wie eine Maus. Ist alles am Almanach krepirt, O! daß so 'n verfluchtes Buch geschmiert! Ich selber füle meinen Tod. Poz Almanach! Poz Schwerenot! Soufleur, röchelt und stirbt. Vorhang fällt zu. Ende des Schauspiels. Epilog Epilog. HANSWURST'S SCHATTEN. Ihr Herr'n und Damen insgemein, Bitt meine Possen und Narretein Nicht alzu ungut auszulegen; Besonders der grossen Männer wegen, Die ich zur Schau hier aufgestelt. Ob's gleich 'nem jeden in die Augen fält: Daß ich als Narre nicht schimpfen kan; So möcht' ich doch nicht um alle Welt willen Euch glauben machen, als wär' ich etwa'n So'n lustiger Gesell von der Stechbahn, Dem's Zeitvertreib wär' in garstgen Pasquillen Die Göthe und Lenze zu blaffen an. Nein, werte Herrn, bin dazu nicht der Mann. Wenn sie als Menschen, und als Genie Mal 'ne Kappriole zu viele machen, Mit ihrer zu raschen Fantasie Husch! durch die Lüfte hurliburli! Als fässen wir auf 'nem Wagen mit feurigen Drachen, Hinweg über Thäler und über Hügel Uns fortkarbatschen, mit schiessendem Zügel Und so auf 'ne Weile die grade Spur Der lieben, guten Mutter Natur Verloren haben – Wir armen Hunde Von Ungenien, was wollen denn wir Die Nase drob rümpfen mit schiefem Munde. Nicht von den Herren die Rede war hier. Meinten die Fleinen, nach kläffenden Hunde, Die ohne den Kopf, und ohn das Genie, Tyranisiren die Fantasie: Und denken, wenn sie nur hübsch ohne Regel Und ohne Zucht ins Gelag hinein Ihrer verbranten Einbildungskraft Segel, In den Wind spannen, und die Natur (Die Hunde kennen sie den Namen nach nur!) Ganz gottesjämmerlich verfumfein, So werden sie gleich Göthe und Lenze sein. Daß indessen die Herr'n im Schauspiel doch vorkommen, Darin sind wir gefolgt den werten Horaz Und haben partem pro toto genommen. Denn da die Herr'n ohn' Willen und Vorsaz 'Ne ganze Herde imitatorum pecus Nach sich gezogen zu ihren Verdrus: So hab' ich dies Gesindel und Otterngezüchte Mit meiner Pritsche von dem Parnas Vertreiben wollen, und allen dem Spas Und all der Unordnung ein Ende machen Den diese Lumpen und armseelgen Wichte In der Gelertenrepublik anfahn. Mögen sie nun immer ihren Rachen Gewaltig drüber aufsperrn im Ton der Bibliothek, Die da geschmiedet wird auf der Stechbahn Sich grimmig empören mit lautem Geblök. Wer hört wol auf sie, und ihr Geschrei? Und hab' ich der Possen zu viel getrieben; So hab ich armer Lumpe mein Treu! Schon satt genug dafür büssen müssen, Und werd des Narrenspiels nicht wieder üben! Hab ich's nicht mit dem Leben müssen büssen? Bin ich nicht krepirt am feinem Almanach? Und hab' unter Bauchgrimm und gewalt'gen Ach! Mein armes Leben aufgegeben? Traun! seit Papa Adam in'n Apfel bis, Verlor noch kein's schmäl'ger sein Leben Als ich, daß ich an solchen Schis Must meine arme Seele aufgeben? Doch wär's noch ein Trost, wenn nur mit mir Wär' ausgestorben der Narrenorden, Und von Hanswurst die Welt für und für Auf einmal wär quit und leidig geworden. Doch Euch, Ihr werten Damen und Herren Ins Ohr geraunt: ich zweifle schier. Denn wie mein Grosvater zu sagen pflag Sie wachsen, wie Pilze, die Gekke und Narren, Und sterben nicht aus bis zum jüngsten Tag. Epilog geht ab. Fußnoten 1 Solte man wegen Darstellung des Froschgequakes auf dem Theater verlegen seyn, und man wäre nicht willens die Frösche selbst auf die Bühne zu bringen so giebt es ja bei jedem Theater Akteurs und Aktriesen, die nur ihre natürliche Stimme gebrauchen dürfen, um das Froschgequake mit all der Illusion vorzustellen, die nöthig ist, dem Zuschauer glaubend zu machen, er höre wirklich Frösche. Auch würde der weltberühmte Altonaer Postreuter für Geld und gute Worte jedem Principal gern diesen Dienst leisten. Sintemalen er sich diesen Ton so eigen gemacht, daß selbst die Fröschlein, wenn sie ihn hörten, ihn für einen aus ihrem Geschlecht halten würden. Das Mükkensumsen könten die schönen Geister gut vorstellen, die in den Koulissen den Meropen und Zayren immer auf die Schleppe treten. 2 Man wird Hanswursts blasphemische Anspielung auf die heilige Taufe dem Dichter nicht übel deuten, sintemalen er ein Genie ist, und bekanntermaßen es zu unsern erleuchteten Zeiten mit zum Genie gehört, dem lieben Gott samt seinen Heiligen und der ganzen Religion ein Schnipschen zu schlagen. 3 Man wird hier das Genie des Richters zum histori schen Schauspiel nicht verkennen. Seine getreue Copie der Natur, bis auf die kleinsten Umstände herab, als worin er sehr glücklich in die Pfade der Göthe und Lenze tritt, die Kernwörter Rakker, Schindluder und dergleichen, die nach den ähnlichen von Göthe und Lenz geprägt worden, sind, dünkt mich, ein Beweis, daß er wahre Schnellkraft des Genies habe. Welches denn hoffentlich die Journalisten und Zeitungsschreiber erkennen werden. 4 Hanswurst muß hier nemlich einen von den grimassirenden Schauspielern kopiren, die er in der Alzire tragiren gesehn, und deren er oben spottete. Sich brav vor die Stirne pauken, vor alles zurückfahren, krenzweis mit den Händen in die Luft hauen, aus der Brust gurgeln, kurz alles das machen, was solche breitschultrige Gesellen zu thun pflegen, wenn sie ihre Rolle nicht wissen, und den Dichter nicht verstehn. 5 'S ist leicht zu vermuthen, daß die Nichtgenieen ob dieser Scene das Näslein rümpfen und das Maul ziehen werden, als sei sie wider die Sitten, und beleidige die Schamhaftigkeit Narrenpossen! der Autor weiß besser, was das Genie darf. Er kopirt die Natur, und was schiert ihn da Moral? Auch hat dieser grand effort du Genie schon seine Autorität. Darf der Leser nur Wagners Kindermörderin lesen, wird zwar da die Scene nur hinter den Kulissen gespielt – aber dafür ist hier auch ein größer Genie – und coram populo muß so eine Scene allemal mehr Effekt thun, und Handlung ist immer besser als Erzählung. Daß also Niemand den Autor lästere über diese Scene – denn sie zeigt das Genie desselben, und wie tief er das menschliche Herz studirt habe. 6 The beast with two baks, »das Thier mit dem doppelten Rükken« nach dem Shakespear im Othello Sieht also der Leser, daß der Autor gegenwärtges historischen Schauspiels, nach dem Beispiel aller heurigen Genies, den Shakespear gelesen, und zu Zeiten ein Goldstükke daraus unter seine Lappen näht. Die Beispiele der andern, die ihm vorgegangen sind, müssen ihn darin rechtfertigen – denn sonst sieht's wol eben nicht gar lieblich aus, wenn die Herrn auf ihre Fezen, zumal da sie zuweilen ziemlich abgeschabt aussehen, ein Purpurlappen von Shakespear flikken, und dem Ganzen dadurch ein abominables Ansehn geben. 7 In der Kindermörderin von Wagner (wenn sich der Leser erinnert,) giebt's hinterm Theater eine Schwängerscene – Der Autor des gegenwärtigen Schauspiels, ein Genie ders seinen Vorgängern im Waghalsen und Kühnheiten unendlich zuvorthut, brachte die Schwängerscene auf's Theater, außer den Kulissen. Gegenwärtige Scene enthält noch einen großen Sprung von Genie. Frau Knips kömmt coram populo nieder. Ist zwar wider Sitten und Anstand. Aber das wär auch ein Lump von Genie, das Mores wüste und nach'm Dekorum früge. 8 In der Kindermörderin. 9 In einem seiner Schauspiele Griseldis. Die Herren Genies werden nicht schamroth werden, daß schon lange vor ihnen ein Mann war, Ein großer Mann ein Schu Macher und Poet dazu der seinen Schauspielen solche coups du Genie einwob, die die damal'gen dummen Leute für albern schalten, weil sie keinen Begrif von Urkraft des Genies hatten. Sie sind also nicht die ersten, die solche große Sachen aufs Theater bringen. 10 Lezteres geht vermutlich auf die allgemeine deutsche Bibliothek. 11 Unstreitig werden die Liebhaber der dramatschen Muse des Herrn von Voltaire, (der proh Deum! wirklich nun einmal im Ernste todt ist) bemerkt haben, daß diese ganze Rede des Sultans nichts anders ist, als die Parodie eines Voltairschen Sul tan's, der in ähnlichen Phrasen seiner Geliebten eine Liebeserklärung von wenigstens 50 Versen macht, worin er von Adam und Eva anhebt, und dann auf sich zurükkömmt. Es ist nemlich die berühmte zweite Scene des ersten Akts der Zayre, die der beliebte Verdeutscher, Hr. Schwabe, nach Gottschedischem Schroot und Korn Belobteste Zayr, ich habe fest vermeinet u.s.w. sehr kräftig gegeben hat. Auch in diesem Genieknif, die Franzosen an den Pranger zu stellen, folgt er unsern neuern Genies getreulich nach, die jezt alles, was französisch ist, berümpfen, und beachselzukken (wenn das Wort erlaubt ist!) Doch scheinen sie nicht zu bedenken, daß wenn die Französchen Trauerspiele meistentheils klares Wasser sind die ihrigen weiter keinen Vorzug haben, als daß sie stärker düften, als jene, indem die Franzosen ihr Wasser aus den Brunnen, sie aber das ihrige aus stinkenden Pfüzen schöpfen. 12 Könige sind nicht ein Haar besser, als andre Menschen, wenn also einem Theil der Leser seine Sultansche Herrlichkeit zu sehr im Ton der Berlinschen Spittelweiber sprechen solten, so beliebe er zu bedenken, daß nach Maasgabe unsrer heutigen Menschenkenner, ein König so gut eine Lunge hat, als andre Menschen, und folglich auch so gut sakkermentiren und wettern kann, als ein Holzhakker. Und da es eine pöbelhafte schmuzige Statur giebt, so haben unsre großen Genies ganz Recht, daß sie die schmuzige Statur auf's Theater bringen. Was schadet's, wenn auch diese Natur nicht allzu lieblich riecht, genug es ist in der Statur, daß unsre Nasen zuweilen von üblen Gerüchen inkommodirt werden; und das ist eine hundsfötsche Nase, die nur immer Ambra und Essenzen und nicht mit unter auch Drek riechen kan. Dank unsern Genies, die unsern Gaumen und unsre Nase zu allem möglichen Fraß und Geruche gewöhnen. 13 Aus dieser Stelle möchte beinahe einleuchten, als ob der Autor dieses historischen Schauspiels, nicht übel Lust hätte, unsre großen dramatschen Genies zu foppen, und blos aus dem Grunde ihre kühnen Züge nachgemalt und verstärkt hätte. Offenbar redet er wider sich selbst. – Denn er hat wie sein Muster, kein Bedenken getragen, von kastriren, huren, ja selbst von dem Theil des menschlichen Leibes öffentlich und mit klaren Worten zu reden, der den Doktor Smollet an der berühmten medicäischen Venus so außer sich sezte. – Ja nicht allein davon zu reden, sondern ihn so gar vor der Versammlung der ehrwürdigsten Männer des Staats, und sittsamsten Damen zu entblössen, da er doch sonst zu allen Zeiten sein schamvolles Haupt immer mit einen Schleier verhülte, und sich nur unter vier Augen öffentlich sehen lies. Er hat also mit diesen großen Geistern, diesen schamhaften Theil des menschlichen Körpers gezwungen schamlos zu werden. Wie denn überhaupt Scham bei unsern Genies eine Tugend geworden ist, die sich nur für die Tagelöhner- und Holzhakkerseelen, aber nicht für Seelen von Kultur und Schnellkraft geziemt. 14 Könnten sich wol ein Bischen schämen unsre Genies, daß ihnen Jungfer Knips das Unrecht beweisen mus, das sie an einem der grösten Schriftsteller unsres Vaterlands ausgeübt haben. 'S ist freilich ein Bischen am unrechten Ort, indessen kan's nicht schaden, bei dieser Gelegenheit die Otternbrut gezüchtigt zu sehn, die frech und unverschämt, wie Strassenrotten die Bildnisse ihrer ehrwürdigsten Schriftsteller zertrümmern, und mit Gassenbubenfrechheit auf ihren Trümmern herum tanzen. Abscheulich ist's nun gar, daß Deutschland zu solchem Unwesen applaudiren kan. 15 O Apollo neige dein Ohr gütig zu dem Flehen des Sultans, und zerschmettre diese Aftergenieen, die zu beherbergen, alle Tollhäuser Deutschlands nicht Raum genug haben. 16 Satyre ist es nun wol nicht, was Hanswurst hier von unsern Kunstrichtern zu sagen beliebt – sondern vielmehr, wahres, treffendes Gemälde. Man höre und lese nur, was vom Mayn Rhein, der Oder, Spree, Elbe u.s.w. her geurtheilt wird – Welcher Klopffechterton! Statt zu urtheilen, schimpft man und statt zu tadeln giebt man den Staupbesen. Scharf kann und mus die Kritik gegen den Stümper sein, aber nicht schmuzig, nicht pöbelhaft, nicht im Ton der Vierschenker und Raspelhäuser – Und doch, hört man wol seit einiger Zeit eine andre Sprache? – Alles kunstrichtert in Einem Tone Alt und Jung; Professoren und Studenten Männer und Knaben – denn wer hinge in unsern Tagen das Kunstrichterschild nicht aus? – alles – der Ruthe eben erst entlaufen oder den Universitäten, wie' s fällt. 17 Schon wieder läst sich der Autor auf einem Genieknif ertappen – er stiehlt wie ein Rabe – man sieht leicht, daß Kandide hier bestohlen worden – aber was darf ein Genie nicht alles?