Abendlied für die Entfernte Hinaus, mein Blick! hinaus ins Thal! Da wohnt noch Lebensfülle; Da labe dich im Mondenstrahl Und an der heil'gen Stille. Da horch nun ungestört, mein Herz, Da horch den leisen Klängen, Die, wie von fern, zu Wonn' und Schmerz Sich dir entgegen drängen. Sie drängen sich so wunderbar, Sie regen all mein Sehnen. O sag' mir, Ahndung, bist du wahr? Bist du ein eitles Wähnen? Wird einst mein Aug' in heller Lust, Wie jetzt in Thränen, lächeln? Wird einst die oft empörte Brust Mir sel'ge Ruh umfächeln? Und rief' auch die Vernunft mir zu: »Du mußt der Ahndung zürnen, Es wohnt entzückte Seelenruh Nur über den Gestirnen;« Doch könnt' ich nicht die Schmeichlerin Aus meinem Busen jagen: Oft hat sie meinen irren Sinn Gestärkt empor getragen. Wenn Ahndung und Erinnerung Vor unserm Blick sich gatten, Dann mildert sich zur Dämmerung Der Seele tiefster Schatten. Ach, dürften wir mit Träumen nicht Die Wirklichkeit verweben, Wie arm an Farbe, Glanz und Licht Wärst dann du Menschenleben! So hoffet treulich und beharrt Das Herz bis hin zum Grabe; Mit Lieb' umfaßt's die Gegenwart, Und dünkt sich reich an Habe. Die Habe, die es selbst sich schafft, Mag ihm kein Schicksal rauben: Es lebt und webt in Wärm' und Kraft, Durch Zuversicht und Glauben. Und wär' in Nacht und Nebeldampf Auch Alles rings erstorben, Dieß Herz hat längst für jeden Kampf Sich einen Schild erworben. Mit hohem Trotz im Ungemach Trägt es, was ihm beschieden. So schlummr' ich ein, so werd' ich wach, In Lust nicht, doch in Frieden.