Nikon und Heliodora Der Abend senkt sich kühlend auf die Fluren, Des Tags Getümmel schwindet in die Ferne, Die ganze Schaar ermüdeter Naturen Vernimmt den leisen Wink zum Ruhen gerne. Nur, wie der wachsame Pilot Arkturen, So folgt der Liebende dem Abendsterne, Der ihn, als strahlte durch die Nacht Aurora, Entgegen führet seiner Heliodora. Entgegen führet seiner Heliodora Den trauten Nikon Hoffnung und Verlangen. Sie naht sich ihm, erröthend wie Aurora, Vom Thaue banger Scham beperlt die Wangen. Es schließt sich nickend jedes Kind der Flora, Doch duftender und voller aufgegangen Entfaltet ihren Kelch der Liebe Blume, Du stille Nacht, in deinem Heiligthume. Du stille Nacht, in deinem Heiligthume Find' ich Erhörung meiner kühnsten Bitte; Sie wagt für mich, und achtet sich zum Ruhme Der Zärtlichkeit zu lieb verletzte Sitte. Im Blumenschmuck, sie selber eine Blume, Kommt sie, es rauschen im Gebüsch die Tritte. Ich flieg' in deine Nähe, Holde! Süße! Daß ich mit Liebeshauch dich warm begrüße. Daß ich mit Liebeshauch dich warm begrüße, Konnt' ich dem Herzen, Thörichte, nicht wehren; Mich lockte mehr als des Verlangens Süße Des Weibes Wonne, zärtlich zu gewähren. Doch wenn ich bitter mein Vertrauen büße, Wenn deine Schwür' in Märchen sich verkehren: – Eh meine Rosen welkend sich entfärben, Mög ich hier vor des Himmels Antlitz sterben! Mög' ich hier vor des Himmels Antlitz sterben, – Nein, Tod in deinem Arm wär' Wonn' und Leben, – Verbannt von dir erschleiche mich Verderben, Bin ich dir nicht mit reinster Treu ergeben! Sei ruhig, theure Freundin, laß die herben Bekümmerniße mit dem Wind entschweben. Vergeßenheit von allem Harm umspielet Die Brust, die ganz den Liebsten in sich fühlet. Die Brust, die ganz den Liebsten in sich fühlet, Hebt freier sich von enger Furcht entladen. Wie wenn ein Zephyr ihr Gewand durchwühlet, Wird sie, sich zu enthüllen, eingeladen; Der Strom der Luft, der alle Sehnsucht kühlet, Lockt sie, in seinen Wellen sich zu baden: Der ganze Himmel senkt darein sich nieder, Es strahlen freundlicher die Sterne wieder. Es strahlen freundlicher die Sterne wieder Aus deinem Augenstern, im milden Schatten. Mich schlägt bei Tag die hohe Schönheit nieder, Vor ihrem Prangen muß der Blick ermatten, Doch jetzt, da die gesenkten Augenlieder Der Nacht mit Dämmerung die Helle gatten, Schau ich, und fürchte nicht, daß ich erblinde: Entnommen ist der Liebe ihre Binde. Entnommen ist der Liebe ihre Binde, Daß sie ihr Bild rings um sich kann erblicken. Wie leise Seufzer säuseln nun die Winde, Die Blumen duften ahndungsvoll Entzücken, Die Quellen flüstern, und es scheinen linde Die Büsche sich den Büschen anzudrücken, Und buhlerischer durch die Schatten wallen Die Brautgesänge süßer Nachtigallen. Die Brautgesänge süßer Nachtigallen Hör' ich in liebevollem Streit erklingen; Der Thau begegnet und vermählt im Fallen Mit Düften sich, die in die Lüfte dringen. Wie wechselnd einig unsre Stimmen schallen, So laß auch Lippe mit der Lippe ringen: Der Seele näher, an des Odems Pforte, Besprechen sich unausgesprochne Worte. – Besprechen sich unausgesprochne Worte, So muß verstummen des Gesanges Lallen; Er führt die Liebenden nur bis zur Pforte Des Tempels, wo die sel'gen Opfer fallen, Bis sie aus ihrer Freuden stillem Porte Verklärt hervor und neugeboren wallen. Erröthend fand und lächelnd noch Aurora Nikon am Busen seiner Heliodora.