Das versunkne Schloss Bei Andernach am Rheine Liegt eine tiefe See; Stiller wie die ist keine Unter des Himmels Höh'. Einst lag auf einer Insel Mitten darin ein Schloß, Bis krachend mit Gewinsel Es tief hinunter schoß. Da find't nicht Grund noch Boden Der Schiffer noch zur Stund, Was Leben hat und Odem, Ziehet hinab der Schlund. So schritten zween Wandrer Zu Abend da heran, Zu ihnen trat ein andrer, Bot ihnen Gruß fortan. »Könnt, wie vor grauen Tagen Das Schloß im See versank, Ihr mir die Kunde sagen, So habet dessen Dank. Ich wandre schon seit Jahren Die Lande aus und ein, Manch Wunder zu bewahren In meines Herzens Schrein.« Der jüngste von den zween Bereit der Frage war. Er sprach, das soll geschehen, So wie ich's hörte zwar. »Als noch die Burgen stunden, Lebt' da ein Ritter gut, In Trauer fest gebunden Grämt' er den stolzen Mut. Warum er das muß dulden, Hat keiner noch gesagt; Ob alter Väter Schulden Ihm das Gericht gebracht; Ob eigne Missetaten Ihn rissen in den Schlund, Wo keiner ihm mag raten In offnen Grabes Mund.« So sprach von jenen Leiden Der jüngste an dem Ort, Der Fremdling dankt den beiden, Als traut' er wohl dem Wort. Der Alte sprach: »Mit nichten, Wie sprichst du falsch, o Sohn! Es soll der Mensch nicht richten, Find't jeder seinen Lohn. – Wahr ist's, es hausen Geister Da unten wundervoll, Doch nimmer sind sie Meister, Wer wandelt fromm und wohl. Der Ritter gut und bieder War ehrentreu und recht, Noch rühmen alte Lieder Das edele Geschlecht. Nur daß so schwere Trauer Das Herz ihm hält umspannt, Drum sucht er öde Schauer, All' Freude weit verbannt, Und des Gesanges Klagen Sind seine einz'ge Lust; Nur diese Wellen schlagen Einsam an seine Brust. Wohl jene Wasser drunten Sind voller Klag' und Schmerz, Stets einsam wohnt dort unten, Wem sie gerührt das Herz. Denn alles was vergangen, Schwebt lockend vor dem Blick, Es steigt aus dem Gesange Klagend die Welt zurück. Die Gegenwart verschwindet, Die Zukunft wird uns hell, Und was die Menschen bindet, Geht unter in dem Quell. Wer in den Schwermutswogen Das Licht im Auge hält, Hat hier schon überflogen Die Banden dieser Welt. So dünkt mich, daß die Geister Durch Neid in ihrem Grab, Ihn, des Gesanges Meister, Zogen den Schlund hinab. Wir sehn wie jedes Schöne Des Todes Wurm verdirbt. Schnell fliehen so die Töne, Und der Gesang erstirbt. Wem alle Zukunft offen, Klar die Vergangenheit, Setzt oben hin sein Hoffen, Flieht aus der starren Zeit. Und wenn er nicht so dächte, So haßt das Ird'sche ihn; Wo es den Tod ihm brächte, Lockt es ihn schmeichelnd hin.« So treten nun die Dreie Tiefer in dunkeln Wald, Wie er des Danks sie zeihe, Ersinnt der Fremd' alsbald. »Und liebt ihr denn Gesänge, Ich bin Gesanges reich, So sollen Wunderklänge Erfreun euch alsogleich.« Es hebt von allen Seiten Gesang zu klingen an, Bald klagend wie von weiten, Bald schwellend himmelan. Wie Meereswellen brausen, Bricht's überall hervor, Mit Lust und doch mit Grausen Hört es ihr staunend Ohr. Der Fremd' ist nicht zu sehen Doch scheint ein Riesenbild Fern übern See zu gehen, Wie Abendwolken mild; Und wie hinaufgezogen Sehn sie, die ihm nachschaun, Rauschen empor die Wogen, Sehn es mit Lust und Graun.