Arthur Schnitzler Reigen 1. Die Dirne und der Soldat I Die Dirne und der Soldat. Spät abends. An der Augartenbrücke. kommt pfeifend, will nach Hause. Komm, mein schöner Engel. wendet sich um und geht wieder weiter. Willst du nicht mit mir kommen? Ah, ich bin der schöne Engel? Freilich, wer denn? Geh, komm zu mir. Ich wohn gleich in der Näh. Ich hab keine Zeit. Ich muß in die Kasern! In die Kasern kommst immer noch zurecht. Bei mir is besser. ihr nahe. Das ist schon möglich. Pst. Jeden Moment kann ein Wachmann kommen. Lächerlich! Wachmann! Ich hab auch mein Seiteng wehr! Geh, komm mit. Laß mich in Ruh, Geld hab ich eh keins. Ich brauch kein Geld. bleibt stehen. Sie sind bei einer Laterne. Du brauchst kein Geld? Wer bist denn du nachher? Zahlen tun mir die Zivilisten. So einer wie du kanns immer umsonst bei mir haben. Du bist am End die, von der mir der Huber erzählt hat. Ich kenn kein Huber nicht. Du wirst schon die sein. Weißt – in dem Kaffeehaus in der Schiffgassen – von dort ist er mit dir z Haus gangen. Von dem Kaffeehaus bin ich schon mit gar vielen z Haus gangen ... oh! oh! – Also gehn wir, gehn wir. Was, jetzt hasts eilig? Na, worauf solln wir noch warten? Und um zehn muß ich in der Kasern sein. Wie lang dienst denn schon? Was geht denn das dich an? Wohnst weit? Zehn Minuten zum gehn. Das ist mir zu weit. Gib mir ein Pussel. küßt ihn. Das ist mir eh das liebste, wenn ich einen gern hab! Mir nicht. Nein, ich geh nicht mit dir, es ist mir zu weit. Weißt was, komm morgen am Nachmittag. Gut is. Gib mir deine Adresse. Aber du kommst am End nicht. Wenn ich dirs sag! Du, weißt was – wenns dir zu weit ist heut abend zu mir – da ... da ... weist auf die Donau. Was ist das? Da ist auch schön ruhig ... jetzt kommt kein Mensch. Ah, das ist nicht das Rechte. Bei mir is immer das Rechte. Geh, bleib jetzt bei mir. Wer weiß, ob wir morgen nochs Leben haben. So komm – aber g'schwind! Gib Obacht, da ist so dunkel. Wennst ausrutschst, liegst in der Donau. Wär eh das beste. Pst, so wart nur ein bissel. Gleich kommen wir zu einer Bank. Kennst dich da gut aus. So einen wie dich möcht ich zum Geliebten. Ich tät dir zu viel eifern. Das möcht ich dir schon abgewöhnen. Ha – Nicht so laut. Manchmal is doch, daß sich ein Wachter her verirrt. Sollt man glauben, daß wir da mitten in der Wienerstadt sind? Daher komm, daher. Aber was fällt dir denn ein, wenn wir da ausrutschen, liegen wir im Wasser unten. hat sie gepackt. Ah, du – Halt dich nur fest an. Hab kein Angst ... – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – Auf der Bank wärs schon besser gewesen. Da oder da ... Na, krall aufi. Was laufst denn so – Ich muß in die Kasern, ich komm eh schon zu spät. Geh, du, wie heißt denn? Was interessiert dich denn das, wie ich heiß? Ich heiß Leocadia. Ha! – So an Namen hab ich auch noch nie gehört. Du! Na, was willst denn? Geh, ein Sechserl fürn Hausmeister gib mir wenigstens! – Ha! ... Glaubst, ich bin deine Wurzen. Servus! Leocadia ... Strizzi! Fallott! – Er ist verschwunden. 2. Der Soldat und das Stubenmädchen II Der Soldat und das Stubenmädchen. Prater. Sonntagabend. Ein Weg, der vom Wurstelprater aus in die dunkeln Alleen führt. Hier hört man noch die wirre Musik aus dem Wurstelprater, auch die Klänge vom Fünfkreuzertanz, eine ordinäre Polka, von Bläsern gespielt. Der Soldat. Das Stubenmädchen. Jetzt sagen S' mir aber, warum S' durchaus schon haben fortgehen müssen. lacht verlegen, dumm. Es ist doch so schön gewesen. Ich tanz so gern. faßt sie um die Taille. läßts geschehen. Jetzt tanzen wir ja nimmer. Warum halten S' mich so fest? Wie heißen S'? Kathi? Ihnen ist immer eine Kathi im Kopf. Ich weiß, ich weiß schon ... Marie. Sie, da ist aber dunkel. Ich krieg so eine Angst. Wenn ich bei Ihnen bin, brauchen S' Ihnen nicht zu fürchten. Gott sei Dank, mir sein mir! Aber wohin kommen wir denn da? Da ist ja kein Mensch mehr. Kommen S', gehn wir zurück! – Und so dunkel! zieht an seiner Virginierzigarre, daß das rote Ende leuchtet. s' wird schon lichter! Haha! Oh, du Schatzerl! Ah, was machen S' denn? Wenn ich das gewußt hätt! Also der Teufel soll mich holen, wenn eine heut beim Swoboda mollerter gewesen ist als Sie, Fräul'n Marie. Haben S' denn bei allen so probiert? Was man so merkt, beim Tanzen. Da merkt man gar viel! Ha! Aber mit der Blonden mit dem schiefen Gesicht haben S' doch mehr tanzt als mit mir. Das ist eine alte Bekannte von einem meinigen Freund. Von dem Korporal mit dem aufdrehten Schnurrbart? Ah nein, das ist der Zivilist gewesen, wissen S', der im Anfang am Tisch mit mir g'sessen ist, der so heisrig redt. Ah, ich weiß schon. Das ist ein kecker Mensch. Hat er Ihnen was tan? Dem möcht ichs zeigen! Was hat er Ihnen tan? Oh, nichts – ich hab nur gesehn, wie er mit die andern ist. Sagen S', Fräulein Marie ... Sie werden mich verbrennen mit Ihrer Zigarrn. Pahdon! – Fräul'n Marie. Sagen wir uns du. Wir sein noch nicht so gute Bekannte. Es können sich gar viele nicht leiden und sagen doch du zueinander. 's nächstemal, wenn wir ... Aber, Herr Franz – Sie haben sich meinen Namen g'merkt? Aber, Herr Franz ... Sagen S' Franz, Fräulein Marie. So sein S' nicht so keck – aber pst, wenn wer kommen tät! Und wenn schon einer kommen tät, man sieht ja nicht zwei Schritt weit. Aber um Gottes willen, wohin kommen wir denn da? Sehn S', da sind zwei grad wie mir. Wo denn? Ich seh gar nichts. Da ... vor uns. Warum sagen S' denn: zwei wie mir? – Na, ich mein halt, die haben sich auch gern. Aber geben S' doch acht, was ist denn da, jetzt wär ich beinah g'fallen. Ah, das ist das Gatter von der Wiesen. Stoßen S' doch nicht so, ich fall ja um. Pst, nicht so laut. Sie, jetzt schrei ich aber wirklich. – Aber was machen S' denn ... aber – Da ist jetzt weit und breit keine Seel. So gehn wir zurück, wo Leut sein. Wir brauchen keine Leut, was, Marie, wir brauchen ... dazu ... haha. Aber, Herr Franz, bitt Sie, um Gottes willen, schaun S', wenn ich das ... gewußt ... oh ... oh ... komm! – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – selig. Herrgott noch einmal ... ah ... ... Ich kann dein G'sicht gar nicht sehn. A was – G'sicht ... – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – Ja, Sie, Fräul'n Marie, da im Gras können S' nicht liegenbleiben. Geh, Franz, hilf mir. Na, komm zugi. O Gott, Franz. Naja, was ist denn mit dem Franz? Du bist ein schlechter Mensch, Franz. Ja, ja. Geh, wart ein bissel. Was laßt mich denn aus? Na, die Virginier werd ich mir doch anzünden dürfen. Es ist so dunkel. Morgen früh ist schon wieder licht. Sag wenigstens, hast mich gern? Na, das mußt doch g'spürt haben, Fräul'n Marie, ha! Wohin gehn wir denn? Na, zurück. Geh, bitt dich, nicht so schnell! Na, was ist denn? Ich geh nicht gern in der finstern. Sag, Franz, hast mich gern? Aber grad hab ichs gsagt, daß ich dich gern hab! Geh, willst mir nicht ein Pussel geben? gnädig. Da ... Hörst – jetzt kann man schon wieder die Musik hören. Du möchtst am End gar wieder tanzen gehn? Na freilich, was denn? Ja, Franz, schau, ich muß zuhaus gehn. Sie werden eh schon schimpfen, mei Frau ist so eine ... die möcht am liebsten, man ging gar nicht fort. Na ja, geh halt zuhaus. Ich hab halt dacht, Herr Franz, Sie werden mich z'aus führen. Z'haus führen? Ah! Gehn S', es ist so traurig, allein z'haus gehn. Wo wohnen S' denn? Es ist gar nicht so weit – in der Porzellangasse. So? Ja, da haben wir ja einen Weg ... aber jetzt ists mir zu früh ... jetzt wird noch draht, heut hab ich über Zeit ... vor zwölf brauch ich nicht in der Kasern zu sein. I geh noch tanzen. Freilich, ich weiß schon, jetzt kommt die Blonde mit dem schiefen Gesicht dran! Ha! – Der ihr G'sicht ist gar nicht so schief. O Gott, sein die Männer schlecht. Was, Sie machens sicher mit einer jeden so. Das wär z'viel! – Franz, bitt schön, heut nimmer, – heut bleiben S' mit mir, schaun S' – Ja, ja, ist schon gut. Aber tanzen werd ich doch noch dürfen. Ich tanz heut mit kein mehr! Da ist er ja schon ... Wer denn? Der Swoboda! Wie schnell wir wieder da sein. Noch immer spielen s' das ... tadarada tadarada ... Singt mit. ... Also, wanst auf mich warten willst, so führ ich dich z'haus ... wenn nicht ... Servus – Ja, ich werd warten. Sie treten in den Tanzsaal ein. Wissen S', Fräul'n Marie, ein Glas Bier lassens Ihnen geben. Zu einer Blonden sich wendend, die eben mit einem Burschen vorbeitanzt, sehr hochdeutsch. Mein Fräulein, darf ich bitten? – 3. Das Stubenmädchen und der junge Herr III Das Stubenmädchen und der junge Herr. Heißer Sommernachmittag. – Die Eltern sind schon auf dem Lande. – Die Köchin hat Ausgang. – Das Stubenmädchen schreibt in der Küche einen Brief an den Soldaten, der ihr Geliebter ist. Es klingelt aus dem Zimmer des jungen Herrn. Sie steht auf und geht ins Zimmer des jungen Herrn. Der junge Herr liegt auf dem Diwan, raucht und liest einen französischen Roman. Bitt schön, junger Herr? Ah ja, Marie, ah ja, ich hab geläutet, ja ... was hab ich nur ... ja richtig, die Rouletten lassen S' herunter, Marie ... Es ist kühler, wenn die Rouletten unten sind ... ja ... Das Stubenmädchen geht zum Fenster und läßt die Rouletten herunter. liest weiter. Was machen S' denn, Marie? Ah ja. Jetzt sieht man aber gar nichts zum Lesen. Der junge Herr ist halt immer so fleißig. überhört das vornehm. So, ist gut. Marie geht. versucht weiterzulesen; läßt bald das Buch fallen, klingelt wieder. erscheint. Sie, Marie ... ja, was ich habe sagen wollen ... ja ... ist vielleicht ein Cognac zu Haus? Ja, der wird eingesperrt sein. Na, wer hat denn die Schlüssel? Die Schlüssel hat die Lini. Wer ist die Lini? Die Köchin, Herr Alfred. Na, so sagen S' es halt der Lini. Ja, die Lini hat heut Ausgang. So ... Soll ich dem jungen Herrn vielleicht aus dem Kaffeehaus ... Ah nein ... es ist so heiß genug. Ich brauch keinen Cognac. Wissen S', Marie, bringen Sie mir ein Glas Wasser. Pst, Marie – aber laufen lassen, daß es recht kalt ist. – Das Stubenmädchen ab. Der junge Herr sieht ihr nach, bei der Tür wendet sich das Stubenmädchen nach ihm um; der junge Herr schaut in die Luft. – Das Stubenmädchen dreht den Hahn der Wasserleitung auf, läßt das Wasser laufen. Währenddem geht sie in ihr kleines Kabinett, wäscht sich die Hände, richtet vor dem Spiegel ihre Schneckerln. Dann bringt sie dem jungen Herrn das Glas Wasser. Sie tritt zum Diwan. richtet sich zur Hälfte auf, das Stubenmädchen gibt ihm das Glas in die Hand, ihre Finger berühren sich. So, danke. – Na, was ist denn? – Geben Sie acht; stellen Sie das Glas wieder auf die Tasse ... Er legt sich hin und streckt sich aus. Wie spät ists denn? – Fünf Uhr, junger Herr. So, fünf Uhr. – Ist gut. – geht; bei der Tür wendet sie sich um; der junge Herr hat ihr nachgeschaut; sie merkt es und lächelt. bleibt eine Weile liegen, dann steht er plötzlich auf. Er geht bis zur Tür, wieder zurück, legt sich auf den Diwan. Er versucht wieder zu lesen. Nach ein paar Minuten klingelt er wieder. erscheint mit einem Lächeln, das sie nicht zu verbergen sucht. Sie, Marie, was ich Sie hab fragen wollen. War heut vormittag nicht der Doktor Schüller da? Nein, heut vormittag war niemand da. So, das ist merkwürdig. Also der Doktor Schüller war nicht da? Kennen Sie überhaupt den Doktor Schüller? Freilich. Das ist der große Herr mit dem schwarzen Vollbart. Ja. War er vielleicht doch da? Nein, es war niemand da, junger Herr. entschlossen. Kommen Sie her, Marie. tritt etwas näher. Bitt schön. Näher ... so ... ah ... ich hab nur geglaubt ... Was haben der junge Herr? Geglaubt ... geglaubt hab ich – Nur wegen Ihrer Blusen ... Was ist das für eine ... Na, kommen S' nur näher. Ich beiß Sie ja nicht. kommt zu ihm. Was ist mit meiner Blusen? G'fallt sie dem jungen Herrn nicht? faßt die Bluse an, wobei er das Stubenmädchen zu sich herabzieht. Blau? Das ist ganz ein schönes Blau. Einfach. Sie sind sehr nett angezogen, Marie. Aber, junger Herr ... Na, was ist denn? ... Er hat ihre Bluse geöffnet. Sachlich. Sie haben eine schöne weiße Haut, Marie. Der junge Herr tut mir schmeicheln. küßt sie auf die Brust. Das kann doch nicht weh tun. O nein. Weil Sie so seufzen! Warum seufzen Sie denn? Oh, Herr Alfred ... Und was Sie für nette Pantoffeln haben ... ... Aber ... junger Herr ... wenns draußen läut – Wer wird denn jetzt läuten? Aber junger Herr ... schaun S' ... es ist so licht ... Vor mir brauchen Sie sich nicht zu genieren. Sie brauchen sich überhaupt vor niemandem ... wenn man so hübsch ist. Ja, meiner Seel; Marie, Sie sind ... Wissen Sie, Ihre Haare riechen sogar angenehm. Herr Alfred ... Machen Sie keine solchen Geschichten, Marie ... ich hab Sie schon anders auch gesehn. Wie ich neulich in der Nacht nach Haus gekommen bin und mir Wasser geholt hab; da ist die Tür zu Ihrem Zimmer offen gewesen ... na ... verbirgt ihr Gesicht. O Gott, aber das hab ich gar nicht gewußt, daß der Herr Alfred so schlimm sein kann. Da hab ich sehr viel gesehen ... das ... und das ... und das ... und – Aber, Herr Alfred! Komm, komm ... daher ... so, ja so ... Aber wenn jetzt wer läutet – Jetzt hören Sie schon einmal auf ... macht man höchstens nicht auf ... – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – Es klingelt. Donnerwetter ... Und was der Kerl für einen Lärm macht. – Am End hat der schon früher geläutet, und wir habens nicht gemerkt. Oh, ich hab alleweil aufgepaßt. Na, so schaun S' endlich nach – durchs Guckerl. Herr Alfred ... Sie sind aber ... nein ... so schlimm. Bitt Sie, schaun S' jetzt nach ... geht ab. öffnet rasch die Rouleaux. erscheint wieder. Der ist jedenfalls schon wieder weggangen. Jetzt ist niemand mehr da. Vielleicht ist es der Doktor Schüller gewesen. ist unangenehm berührt. Es ist gut. nähert sich ihm. entzieht sich ihr. – Sie, Marie, – ich geh jetzt ins Kaffeehaus. zärtlich. Schon ... Herr Alfred. streng. Ich geh jetzt ins Kaffeehaus. Wenn der Doktor Schüller kommen sollte – Der kommt heut nimmer. noch strenger. Wenn der Doktor Schüller kommen sollte, ich, ich ... ich bin – im Kaffeehaus. – Geht ins andere Zimmer. Das Stubenmädchen nimmt eine Zigarre vom Rauchtisch, steckt sie ein und geht ab. 4. Der junge Herr und die junge Frau IV Der junge Herr und die junge Frau. Abend. – Ein mit banaler Eleganz möblierter Salon in einem Hause der Schwindgasse. Der junge Herr ist eben eingetreten, zündet, während er noch den Hut auf dem Kopf und den Überzieher anhat, die Kerzen an. Dann öffnet er die Tür zum Nebenzimmer und wirft einen Blick hinein. Von den Kerzen des Salons geht der Lichtschein über das Parkett bis zu einem Himmelbett, das an der abschließenden Wand steht. Von dem Kamin in einer Ecke des Schlafzimmers verbreitet sich ein rötlicher Lichtschein auf die Vorhänge des Bettes. – Der junge Herr besichtigt auch das Schlafzimmer. Von dem Trumeau nimmt er einen Sprayapparat und bespritzt die Bettpolster mit feinen Strahlen von Veilchenparfüm. Dann geht er mit dem Sprayapparat durch beide Zimmer und drückt unaufhörlich auf den kleinen Ballon, so daß es bald überall nach Veilchen riecht. Dann legt er Überzieher und Hut ab. Er setzt sich auf den blausamtenen Fauteuil, zündet sich eine Zigarette an und raucht. Nach einer kleinen Weile erhebt er sich wieder und vergewissert sich, daß die grünen Jalousien geschlossen sind. Plötzlich geht er wieder ins Schlafzimmer, öffnet die Lade des Nachtkästchens. Er fühlt hinein und findet eine Schildkrothaarnadel. Er sucht nach einem Ort, sie zu verstecken, gibt sie endlich in die Tasche seines Überziehers. Dann öffnet er einen Schrank, der im Salon steht, nimmt eine silberne Tasse mit einer Flasche Cognac und zwei Likörgläschen heraus, stellt alles auf den Tisch. Er geht wieder zu seinem Überzieher, aus dem er jetzt ein kleines weißes Päckchen nimmt. Er öffnet es und legt es zum Cognac, geht wieder zum Schrank, nimmt zwei kleine Teller und Eßbestecke heraus. Er entnimmt dem kleinen Paket eine glasierte Kastanie und ißt sie. Dann schenkt er sich ein Glas Cognac ein und trinkt es rasch aus. Dann sieht er auf seine Uhr. Er geht im Zimmer auf und ab. – Vor dem großen Wandspiegel bleibt er eine Weile stehen, richtet mit seinem Taschenkamm das Haar und den kleinen Schnurrbart. – Er geht nun zur Vorzimmertür und horcht. Nichts regt sich. Es klingelt. Der junge Herr fährt leicht zusammen. Dann setzt er sich auf den Fauteuil und erhebt sich erst, als die Tür geöffnet wird und die junge Frau eintritt. dicht verschleiert, schließt die Tür hinter sich, bleibt einen Augenblick stehen, indem sie die linke Hand aufs Herz legt, als müsse sie eine gewaltige Erregung bemeistern. tritt auf sie zu, nimmt ihre linke Hand und drückt auf den weißen, schwarz tamburierten Handschuh einen Kuß. Er sagt leise. Ich danke Ihnen. Alfred – Alfred! Kommen Sie, gnädige Frau ... Kommen Sie, Frau Emma ... Lassen Sie mich noch eine Weile – bitte ... oh bitte sehr, Alfred! Sie steht noch immer an der Tür. steht vor ihr, hält ihre Hand. Wo bin ich denn eigentlich? Bei mir. Dieses Haus ist schrecklich, Alfred. Warum denn? Es ist ein sehr vornehmes Haus. Ich bin zwei Herren auf der Stiege begegnet. Bekannte? Ich weiß nicht. Es ist möglich. Pardon, gnädige Frau – aber Sie kennen doch Ihre Bekannten. Ich habe ja gar nichts gesehen. Aber wenn es selbst Ihre besten Freunde waren, – sie können ja Sie nicht erkannt haben. Ich selbst ... wenn ich nicht wüßte, daß Sie es sind ... dieser Schleier – Es sind zwei. Wollen Sie nicht ein bißchen näher? ... Und Ihren Hut legen Sie doch wenigstens ab! Was fällt Ihnen ein, Alfred? Ich habe Ihnen gesagt: Fünf Minuten ... Nein, länger nicht ... ich schwöre Ihnen – Also den Schleier – Es sind zwei. Nun ja, beide Schleier – ich werde Sie doch wenigstens sehen dürfen. Haben Sie mich denn lieb, Alfred? tief verletzt. Emma – Sie fragen mich ... Es ist hier so heiß. Aber Sie haben ja Ihre Pelzmantille an – Sie werden sich wahrhaftig verkühlen. tritt endlich ins Zimmer, wirft sich auf den Fauteuil. Ich bin totmüd. Erlauben Sie. Er nimmt ihr die Schleier ab; nimmt die Nadel aus ihrem Hut, legt Hut, Nadel, Schleier beiseite. läßt es geschehen. steht vor ihr, schüttelt den Kopf. Was haben Sie? So schön waren Sie noch nie. Wieso? Allein ... allein mit Ihnen – Emma – Er läßt sich neben ihrem Fauteuil nieder, auf ein Knie, nimmt ihre beiden Hände und bedeckt sie mit Küssen. Und jetzt ... lassen Sie mich wieder gehen. Was Sie von mir verlangt haben, hab ich getan. läßt seinen Kopf auf ihren Schoß sinken. Sie haben mir versprochen, brav zu sein. Ja. Man erstickt in diesem Zimmer. steht auf. Noch haben Sie Ihre Mantille an. Legen Sie sie zu meinem Hut. nimmt ihr die Mantille ab und legt sie gleichfalls auf den Diwan. Und jetzt – adieu – Emma –! Emma! – Die fünf Minuten sind längst vorbei. Noch nicht eine! – Alfred, sagen Sie mir einmal ganz genau, wie spät es ist. Es ist Punkt viertel sieben. Jetzt sollte ich längst bei meiner Schwester sein. Ihre Schwester können Sie oft sehen ... O Gott, Alfred, warum haben Sie mich dazu verleitet. Weil ich Sie ... anbete, Emma. Wie vielen haben Sie das schon gesagt? Seit ich Sie gesehen, niemandem. Was bin ich für eine leichtsinnige Person! Wer mir das vorausgesagt hätte ... noch vor acht Tagen ... noch gestern ... Und vorgestern haben Sie mir ja schon versprochen ... Sie haben mich so gequält. Aber ich habe es nicht tun wollen. Gott ist mein Zeuge – ich habe es nicht tun wollen ... Gestern war ich fest entschlossen ... Wissen Sie, daß ich Ihnen gestern abend sogar einen langen Brief geschrieben habe? Ich habe keinen bekommen. Ich habe ihn wieder zerrissen. Oh, ich hätte Ihnen lieber diesen Brief schicken sollen. Es ist doch besser so. O nein, es ist schändlich ... von mir. Ich begreife mich selber nicht. Adieu, Alfred, lassen Sie mich. umfaßt sie und bedeckt ihr Gesicht mit heißen Küssen. So ... halten Sie Ihr Wort ... Noch einen Kuß – noch einen. Den letzten. Er küßt sie; sie erwidert den Kuß; ihre Lippen bleiben lange aneinandergeschlossen. Soll ich Ihnen etwas sagen, Emma? Ich weiß jetzt erst, was Glück ist. sinkt in einen Fauteuil zurück. setzt sich auf die Lehne, schlingt einen Arm leicht um ihren Nacken. ... oder vielmehr, ich weiß jetzt erst, was Glück sein könnte. seufzt tief auf. küßt sie wieder. Alfred, Alfred, was machen Sie aus mir! Nicht wahr – es ist hier gar nicht so ungemütlich ... Und wir sind ja hier so sicher! Es ist doch tausendmal schöner als diese Rendezvous im Freien ... Oh, erinnern Sie mich nur nicht daran. Ich werde auch daran immer mit tausend Freuden denken. Für mich ist jede Minute, die ich an Ihrer Seite verbringen durfte, eine süsse Erinnerung. Erinnern Sie sich noch an den Industriellenball? Ob ich mich daran erinnere ...? Da bin ich ja während des Soupers neben Ihnen gesessen, ganz nahe neben Ihnen. Ihr Mann hat Champagner ... sieht ihn klagend an. Ich wollte nur vom Champagner reden. Sagen Sie, Emma, wollen Sie nicht ein Glas Cognac trinken? Einen Tropfen, aber geben Sie mir vorher ein Glas Wasser. Ja ... Wo ist denn nur – ach ja ... Er schlägt die Portiere zurück und geht ins Schlafzimmer. sieht ihm nach. kommt zurück mit einer Karaffe Wasser und zwei Trinkgläsern. Wo waren Sie denn? Im ... Nebenzimmer. Schenkt ein Glas Wasser ein. Jetzt werde ich Sie etwas fragen, Alfred – und schwören Sie mir, daß Sie mir die Wahrheit sagen werden. Ich schwöre. – War in diesen Räumen schon jemals eine andere Frau? Aber Emma – dieses Haus steht schon zwanzig Jahre! Sie wissen, was ich meine, Alfred ... Mit Ihnen! Bei Ihnen! Mit mir – hier – Emma! – Es ist nicht schön, daß Sie an so etwas denken können. Also Sie haben ... wie soll ich ... Aber nein, ich will Sie lieber nicht fragen. Es ist besser, wenn ich nicht frage. Ich bin ja selbst schuld. Alles rächt sich. Ja, was haben Sie denn? Was ist Ihnen denn? Was rächt sich? Nein, nein, nein, ich darf nicht zum Bewußtsein kommen ... Sonst müßte ich vor Scham in die Erde sinken. mit der Karaffe Wasser in der Hand, schüttelt traurig den Kopf. Emma, wenn Sie ahnen könnten, wie weh Sie mir tun. schenkt sich ein Glas Cognac ein. Ich will Ihnen etwas sagen, Emma. Wenn Sie sich schämen, hier zu sein – wenn ich Ihnen also gleichgültig bin – wenn Sie nicht fühlen, daß Sie für mich alle Seligkeit der Welt bedeuten – – so gehn Sie lieber. Ja, das werd ich auch tun. sie bei der Hand fassend. Wenn Sie aber ahnen, daß ich ohne Sie nicht leben kann, daß ein Kuß auf Ihre Hand für mich mehr bedeutet als alle Zärtlichkeiten, die alle Frauen auf der ganzen Welt ... Emma, ich bin nicht wie die anderen jungen Leute, die den Hof machen können – ich bin vielleicht zu naiv ... ich ... Wenn Sie aber doch sind wie die anderen jungen Leute? Dann wären Sie heute nicht da – denn Sie sind nicht wie die anderen Frauen. Woher wissen Sie das? hat sie zum Diwan gezogen, sich nahe neben sie gesetzt. Ich habe viel über Sie nachgedacht. Ich weiß, Sie sind unglücklich. erfreut. Das Leben ist so leer, so nichtig – und dann – so kurz – so entsetzlich kurz! Es gibt nur ein Glück ... einen Menschen finden, von dem man geliebt wird – hat eine kandierte Birne vom Tisch genommen, nimmt sie in den Mund. Mir die Hälfte! Sie reicht sie ihm mit den Lippen. faßt die Hände des jungen Herrn, die sich zu verirren drohen. Was tun Sie denn, Alfred ... Ist das Ihr Versprechen? die Birne verschluckend, dann kühner. Das Leben ist so kurz. schwach. Aber das ist ja kein Grund – mechanisch. O ja. schwächer. Schauen Sie, Alfred, und Sie haben doch versprochen, brav ... Und es ist so hell ... Komm, komm, du einzige, einzige ... Er hebt sie vom Diwan empor. Was machen Sie denn? Da drin ist es gar nicht hell. Ist denn da noch ein Zimmer? zieht sie mit. Ein schönes ... und ganz dunkel. Bleiben wir doch lieber hier. bereits mit ihr hinter der Portiere, im Schlafzimmer, nestelt ihr die Taille auf. Sie sind so ... o Gott, was machen Sie aus mir! – Alfred! Ich bete dich an, Emma! So wart doch, wart doch wenigstens ... Schwach. Geh ... ich ruf dich dann. Laß mir dich – laß dir mich – Er verspricht sich. ... laß ... mich – dir – helfen. Du zerreißt mir ja alles. Du hast kein Mieder an? Ich trag nie ein Mieder. Die Odilon trägt auch keines. Aber die Schuh kannst du mir aufknöpfeln. knöpfelt die Schuhe auf, küßt ihre Füße. ist ins Bett geschlüpft. Oh, mir ist kalt. Gleich wirds warm werden. leise lachend. Glaubst du? unangenehm berührt, für sich. Das hätte sie nicht sagen sollen. Entkleidet sich im Dunkel. zärtlich. Komm, komm, komm! dadurch wieder in besserer Stimmung. Gleich – – Es riecht hier so nach Veilchen. Das bist du selbst ... Ja – Zu ihr. – du selbst. Alfred ... Alfred!!!! Emma ... – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – Ich habe dich offenbar zu lieb ... ja ... ich bin wie von Sinnen. ... Die ganzen Tage über bin ich schon wie verrückt. Ich hab es geahnt. Mach dir nichts draus. O gewiß nicht. Es ist ja geradezu selbstverständlich, wenn man ... Nicht ... nicht ... Du bist nervös. Beruhige dich nur ... Kennst du Stendhal? Stendhal? Die »Psychologie de l'amour«? Nein, warum fragst du mich? Da kommt eine Geschichte drin vor, die sehr bezeichnend ist. Was ist das für eine Geschichte? Das ist eine ganze Gesellschaft von Kavallerieoffizieren zusammen – So. Und die erzählen von ihren Liebesabenteuern. Und jeder berichtet, daß ihm bei der Frau, die er am meisten, weißt du, am leidenschaftlichsten geliebt hat ... daß ihn die, daß er die – also kurz und gut, daß es jedem bei dieser Frau so gegangen ist wie jetzt mir. Ja. Das ist sehr charakteristisch. Ja. Es ist noch nicht aus. Ein einziger behauptet ... es sei ihm in seinem ganzen Leben noch nicht passiert, aber, setzt Stendhal hinzu – das war ein berüchtigter Bramarbas. So. – Und doch verstimmt es einen, das ist das Dumme, so gleichgültig es eigentlich ist. Freilich. Überhaupt weißt du ... du hast mir ja versprochen, brav zu sein. Geh, nicht lachen, das bessert die Sache nicht. Aber nein, ich lache ja nicht. Das von Stendhal ist wirklich interessant. Ich habe immer gedacht, daß nur bei älteren ... oder bei sehr ... weißt du, bei Leuten, die viel gelebt haben ... Was fällt dir ein. Das hat damit gar nichts zu tun. Ich habe übrigens die hübscheste Geschichte aus dem Stendhal ganz vergessen. Da ist einer von den Kavallerieoffizieren, der erzählt sogar, daß er drei Nächte oder gar sechs ... ich weiß nicht mehr, mit einer Frau zusammen war, die er durch Wochen hindurch verlangt hat – désirée – verstehst du – und die haben alle diese Nächte hin durch nichts getan als vor Glück geweint ... beide ... Beide? Ja. Wundert dich das? Ich find das so begreiflich – gerade wenn man sich liebt. Aber es gibt gewiß viele, die nicht weinen. nervös. Gewiß ... das ist ja auch ein exceptioneller Fall. Ah – ich dachte, Stendhal sagte, alle Kavallerieoffiziere weinen bei dieser Gelegenheit. Siehst du, jetzt machst du dich doch lustig. Aber was fällt dir ein! Sei doch nicht kindisch, Alfred! Es macht nun einmal nervös ... Dabei habe ich die Empfindung, daß du ununterbrochen daran denkst. Das geniert mich erst recht. Ich denke absolut nicht daran. O ja. Wenn ich nur überzeugt wäre, daß du mich liebst. Verlangst du noch mehr Beweise? Siehst du ... immer machst du dich lustig. Wieso denn? Komm, gib mir dein süsses Kopferl. Ach, das tut wohl. Hast du mich lieb? Oh, ich bin ja so glücklich. Aber du brauchst nicht auch noch zu weinen. sich von ihr entfernend, höchst irritiert. Wieder, wieder. Ich hab dich ja so gebeten ... Wenn ich dir sage, daß du nicht weinen sollst ... Du hast gesagt: auch noch zu weinen. Du bist nervös, mein Schatz. Das weiß ich. Aber du sollst es nicht sein. Es ist mir sogar lieb, daß es ... daß wir sozusagen als gute Kameraden ... Schon wieder fangst du an. Erinnerst du dich denn nicht! Das war eines unserer ersten Gespräche. Gute Kameraden haben wir sein wollen; nichts weiter. Oh, das war schön ... das war bei meiner Schwester, im Jänner auf dem großen Ball, während der Quadrille ... Um Gottes willen, ich sollte ja längst fort sein ... meine Schwester erwartet mich ja – was werd ich ihr denn sagen ... Adieu, Alfred – Emma –! So willst du mich verlassen! Ja – so! – Noch fünf Minuten ... Gut. Noch fünf Minuten. Aber du mußt mir versprechen dich nicht zu rühren? ... Ja? ... Ich will dir noch einen Kuß zum Abschied geben ... Pst ... ruhig ... nicht rühren, hab ich gesagt, sonst steh ich gleich auf, du mein süsser ... süsser ... Emma ... meine ange ... – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – Mein Alfred – Ah, bei dir ist der Himmel. Aber jetzt muß ich wirklich fort. Ach, laß deine Schwester warten. Nach Haus muß ich. Für meine Schwester ists längst zu spät. Wieviel Uhr ist es denn eigentlich? Ja, wie soll ich das eruieren? Du mußt eben auf die Uhr sehen. Meine Uhr ist in meinem Gilet. So hol sie. steht mit einem mächtigen Ruck auf. Acht. erhebt sich rasch. Um Gottes willen ... Rasch, Alfred, gib mir meine Strümpfe. Was soll ich denn nur sagen? Zu Hause wird man sicher schon auf mich warten ... acht Uhr ... Wann seh ich dich denn wieder? Nie. Emma! Hast du mich denn nicht mehr lieb? Eben darum. Gib mir meine Schuhe. Niemals wieder? Hier sind die Schuhe. In meinem Sack ist ein Schuhknöpfler. Ich bitt dich, rasch ... Hier ist der Knöpfler. Alfred, das kann uns beide den Hals kosten. höchst unangenehm berührt. Wieso? Ja, was soll ich denn sagen, wenn er mich fragt: Woher kommst du? Von der Schwester. Ja, wenn ich lügen könnte. Na, du mußt es eben tun. Alles für so einen Menschen. Ach, komm her ... laß dich noch einmal küssen. Sie umarmt ihn. – Und jetzt – – laß mich allein, geh ins andere Zimmer. Ich kann mich nicht anziehen, wenn du dabei bist. geht in den Salon, wo er sich ankleidet. Er ißt etwas von der Bäckerei, trinkt ein Glas Cognac. ruft nach einer Weile. Alfred! Mein Schatz. Es ist doch besser, daß wir nicht geweint haben. nicht ohne Stolz lächelnd. Wie kann man so frivol reden – Wie wird das jetzt nur sein – wenn wir uns zufällig wieder einmal in Gesellschaft begegnen? Zufällig – einmal ... Du bist ja morgen sicher auch bei Lobheimers? Ja. Du auch? Freilich. Darf ich dich um den Kotillon bitten? Oh, ich werde nicht hinkommen. Was glaubst du denn? – Ich würde ja ... Sie tritt völlig angekleidet in den Salon, nimmt eine Schokoladenbäckerei. ... in die Erde sinken. Also morgen bei Lobheimer, das ist schön. Nein, nein ... ich sage ab; be stimmt – Also übermorgen ... hier. Was fällt dir ein? Um sechs ... Hier an der Ecke stehen Wagen, nicht wahr? – Ja, so viel du willst. Also übermorgen hier um sechs. So sag doch ja, mein geliebter Schatz. ... Das besprechen wir morgen beim Kotillon. umarmt sie. Mein Engel. Nicht wieder meine Frisur ruinieren. Also morgen bei Lobheimers und übermorgen in meinen Armen. Leb wohl ... plötzlich wieder besorgt. Und was wirst du – ihm heut sagen? – Frag nicht ... frag nicht ... es ist zu schrecklich. – Warum hab ich dich so lieb! – Adieu. – Wenn ich wieder Menschen auf der Stiege begegne, trifft mich der Schlag. – Pah! – küßt ihr noch einmal die Hand. geht. bleibt allein zurück. Dann setzt er sich auf den Diwan. Er lächelt vor sich hin und sagt zu sich selbst. Also jetzt hab ich ein Verhältnis mit einer anständigen Frau. 5. Die junge Frau und der Ehemann V Die junge Frau und der Ehemann. Ein behagliches Schlafgemach. Es ist halb elf Uhr nachts. Die Frau liegt zu Bette und liest. Der Gatte tritt eben, im Schlafrock, ins Zimmer. ohne aufzuschauen. Du arbeitest nicht mehr? Nein. Ich bin zu müde. Und außerdem ... Nun? – Ich hab mich an meinem Schreibtisch plötzlich so einsam gefühlt. Ich habe Sehnsucht nach dir bekommen. schaut auf. Wirklich? setzt sich zu ihr aufs Bett. Lies heute nicht mehr. Du wirst dir die Augen verderben. schlägt das Buch zu. Was hast du denn? Nichts, mein Kind. Verliebt bin ich in dich! Das weißt du ja! Man könnte es manchmal fast vergessen. Man muß es sogar manchmal vergessen. Warum? Weil die Ehe sonst etwas Unvollkommenes wäre. Sie würde ... wie soll ich nur sagen ... sie würde ihre Heiligkeit verlieren. Oh ... Glaube mir – es ist so ... Hätten wir in den fünf Jahren, die wir jetzt miteinander verheiratet sind, nicht manchmal vergessen, daß wir ineinander verliebt sind – wir wären es wohl gar nicht mehr. Das ist mir zu hoch. Die Sache ist einfach die: wir haben vielleicht schon zehn oder zwölf Liebschaften miteinander gehabt ... Kommt es dir nicht auch so vor? Ich hab nicht gezählt! – Hätten wir gleich die erste bis zum Ende durchgekostet, hätte ich mich von Anfang an meiner Leidenschaft für dich willenlos hingegeben, es wäre uns gegangen wie den Millionen von anderen Liebespaaren. Wir wären fertig miteinander. Ah ... so meinst du das? Glaube mir – Emma – in den ersten Tagen unserer Ehe hatte ich Angst, daß es so kommen würde. Ich auch. Siehst du? Hab ich nicht recht gehabt? Darum ist es gut, immer wieder für einige Zeit nur in guter Freundschaft miteinander hinzuleben. Ach so. Und so kommt es, daß wir immer wieder neue Flitterwochen miteinander durchleben können, da ich es nie drauf ankommen lasse, die Flitterwochen ... Zu Monaten auszudehnen. Richtig. Und jetzt ... scheint also wieder eine Freundschaftsperiode abgelaufen zu sein –? sie zärtlich an sich drückend. Es dürfte so sein. Wenn es aber ... bei mir anders wäre. Es ist bei dir nicht anders. Du bist ja das klügste und entzückendste Wesen, das es gibt. Ich bin sehr glücklich, daß ich dich gefunden habe. Das ist aber nett, wie du den Hof machen kannst – von Zeit zu Zeit. hat sich auch zu Bett begeben. Für einen Mann, der sich ein bißchen in der Welt umgesehen hat – geh, leg den Kopf an meine Schulter – der sich in der Welt umgesehen hat, bedeutet die Ehe eigentlich etwas viel Geheimnisvolleres als für euch junge Mädchen aus guter Familie. Ihr tretet uns rein und ... wenigstens bis zu einem gewissen Grad unwissend entgegen, und darum habt ihr eigentlich einen viel klareren Blick für das Wesen der Liebe als wir. lachend. Oh! Gewiß. Denn wir sind ganz verwirrt und unsicher geworden durch die vielfachen Erlebnisse, die wir notgedrungen vor der Ehe durchzumachen haben. Ihr hört ja viel und wißt zu viel und lest ja wohl eigentlich auch zu viel, aber einen rechten Begriff von dem, was wir Männer in der Tat erleben, habt ihr ja doch nicht. Uns wird das, was man so gemeinhin die Liebe nennt, recht gründlich widerwärtig gemacht; denn was sind das schließlich für Geschöpfe, auf die wir angewiesen sind! Ja, was sind das für Geschöpfe? küßt sie auf die Stirn. Sei froh, mein Kind, daß du nie einen Einblick in diese Verhältnisse erhalten hast. Es sind übrigens meist recht bedauernswerte Wesen – werfen wir keinen Stein auf sie. Bitt dich – dieses Mitleid. – Das kommt mir da gar nicht recht angebracht vor. mit schöner Milde. Sie verdienen es. Ihr, die ihr junge Mädchen aus guter Familie wart, die ruhig unter Obhut euerer Eltern auf den Ehrenmann warten konntet, der euch zur Ehe begehrt; – ihr kennt ja das Elend nicht, das die meisten von diesen armen Geschöpfen der Sünde in die Arme treibt. So verkaufen sich denn alle? Das möchte ich nicht sagen. Ich mein ja auch nicht nur das materielle Elend. Aber es gibt auch – ich möchte sagen – ein sittliches Elend; eine mangelhafte Auffassung für das, was erlaubt, und insbesondere für das, was edel ist. Aber warum sind die zu bedauern? – Denen gehts ja ganz gut? Du hast sonderbare Ansichten, mein Kind. Du darfst nicht vergessen, daß solche Wesen von Natur aus bestimmt sind, immer tiefer und tiefer zu fallen. Da gibt es kein Aufhalten. sich an ihn schmiegend. Offenbar fällt es sich ganz angenehm. peinlich berührt. Wie kannst du so reden, Emma. Ich denke doch, daß es gerade für euch, anständige Frauen, nichts Widerwärtigeres geben kann als alle diejenigen, die es nicht sind. Freilich, Karl, freilich. Ich habs ja auch nur so gesagt. Geh, erzähl weiter. Es ist so nett, wenn du so redst. Erzähl mir was. Was denn? – Nun – von diesen Geschöpfen. Was fällt dir denn ein? Schau, ich hab dich schon früher, weißt du, ganz im Anfang hab ich dich immer gebeten, du sollst mir aus deiner Jugend was erzählen. Warum interessiert dich denn das? Bist du denn nicht mein Mann? Und ist das nicht geradezu eine Ungerechtigkeit, daß ich von deiner Vergangenheit eigentlich gar nichts weiß? – Du wirst mich doch nicht für so geschmacklos halten, daß ich – Genug, Emma ... das ist ja wie eine Entweihung. Und doch hast du ... wer weiß wieviel andere Frauen gerade so in den Armen gehalten wie jetzt mich. Sag doch nicht »Frauen«. Frau bist du. Aber eine Frage mußt du mir beantworten ... sonst ... sonst ... ists nichts mit den Flitterwochen. Du hast eine Art, zu reden ... denk doch, daß du Mutter bist ... daß unser Mäderl da drin liegt ... an ihn sich schmiegend. Aber ich möcht auch einen Buben. Emma! Geh, sei nicht so ... freilich bin ich deine Frau ... aber ich möchte auch ein bissel ... deine Geliebte sein. Möchtest du? ... Also – zuerst meine Frage. gefügig. Nun? War ... eine verheiratete Frau – unter ihnen? Wieso? – Wie meinst du das? Du weißt schon. leicht beunruhigt. Wie kommst du auf diese Frage? Ich möchte wissen, ob es ... das heißt – es gibt solche Frauen ... das weiß ich. Aber ob du ... ernst. Kennst du eine solche Frau? Ja, ich weiß das selber nicht. Ist unter deinen Freundinnen vielleicht eine solche Frau? Ja, wie kann ich das mit Bestimmtheit behaupten – oder verneinen? Hat dir vielleicht einmal eine deiner Freundinnen ... Man spricht über gar manches, wenn man so – die Frauen unter sich – hat dir eine gestanden –? unsicher. Nein. Hast du bei irgendeiner deiner Freundinnen den Verdacht, daß sie ... Verdacht ... oh ... Verdacht. Es scheint. Gewiß nicht, Karl, sicher nicht. Wenn ich mirs so überlege – ich trau es doch keiner zu. Keiner? Von meinen Freundinnen keiner. Versprich mir etwas, Emma. Nun? Daß du nie mit einer Frau verkehren wirst, bei der du auch den leisesten Verdacht hast, daß sie ... kein ganz tadelloses Leben führt. Das muß ich dir erst versprechen? Ich weiß ja, daß du den Verkehr mit solchen Frauen nicht suchen wirst. Aber der Zufall könnte es fügen, daß du ... Ja, es ist sogar sehr häufig, daß gerade solche Frauen, deren Ruf nicht der beste ist, die Gesellschaft von anständigen Frauen suchen, teils um sich ein Relief zu geben, teils aus einem gewissen ... wie soll ich sagen ... aus einem gewissen Heimweh nach der Tugend. So. Ja. Ich glaube, daß das sehr richtig ist, was ich da gesagt habe. Heimweh nach der Tugend. Denn, daß diese Frauen alle eigentlich sehr unglücklich sind, das kannst du mir glauben. Warum? Du fragst, Emma? – Wie kannst du denn nur fragen? – Stell dir doch vor, was diese Frauen für eine Existenz führen! Voll Lüge, Tücke, Gemeinheit und voll Gefahren. Ja freilich. Da hast du schon Recht. Wahrhaftig – sie bezahlen das bißchen Glück ... das bißchen ... Vergnügen. Warum Vergnügen? Wie kommst du darauf, das Vergnügen zu nennen? Nun – etwas muß es doch sein –! Sonst täten sie's ja nicht. Nichts ist es ... ein Rausch. nachdenklich. Ein Rausch. Nein, es ist nicht einmal ein Rausch. Wie immer – teuer bezahlt, das ist gewiß! Also ... du hast das einmal mitgemacht – nicht wahr? Ja, Emma. – Es ist meine traurigste Erinnerung. Wer ists? Sag! Kenn ich sie? Was fällt dir denn ein? Ists lange her? War es sehr lang, bevor du mich geheiratet hast? Frag nicht. Ich bitt dich, frag nicht. Aber Karl! Sie ist tot. Im Ernst? Ja ... es klingt fast lächerlich, aber ich habe die Empfindung, daß alle diese Frauen jung sterben. Hast du sie sehr geliebt? Lügnerinnen liebt man nicht. Also warum ... Ein Rausch ... Also doch? Sprich nicht mehr davon, ich bitt dich. Alles das ist lang vorbei. Geliebt hab ich nur eine – das bist du. Man liebt nur, wo Reinheit und Wahrheit ist. Karl! Oh, wie sicher, wie wohl fühlt man sich in solchen Armen. Warum hab ich dich nicht schon als Kind gekannt? Ich glaube, dann hätt ich andere Frauen überhaupt nicht angesehen. Karl! Und schön bist du! ... Schön! ... O komm ... Er löscht das Licht aus. – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – Weißt du, woran ich heute denken muß? Woran, mein Schatz? An ... an ... an Venedig. Die erste Nacht ... Ja ... so ... Was denn –? So sags doch! So lieb hast du mich heut. Ja, so lieb. Ah ... Wenn du immer ... in ihren Armen. Wie? Mein Karl! Was meintest du? Wenn ich immer ... Nun ja. Nun, was wär denn, wenn ich immer ...? Dann wüßt ich eben immer, daß du mich lieb hast. Ja. Du mußt es aber auch so wissen. Man ist nicht immer der liebende Mann, man muß auch zuweilen hinaus ins feindliche Leben, muß kämpfen und streben! Das vergiß nie, mein Kind! Alles hat seine Zeit in der Ehe – das ist eben das Schöne. Es gibt nicht viele, die sich noch nach fünf Jahren an – ihr Venedig erinnern. Freilich! Und jetzt ... gute Nacht, mein Kind. Gute Nacht! 6. Der Gatte und das süsse Mädel VI Der Gatte und das süsse Mädel. Ein Cabinet particulier im Riedhof. Behagliche, mäßige Eleganz. Der Gasofen brennt. Der Gatte, das süsse Mädel. Auf dem Tisch sind die Reste einer Mahlzeit zu sehen, Obersschaumbaisers, Obst, Käse. In den Weingläsern ein ungarischer weißer Wein. raucht eine Havannazigarre, er lehnt in der Ecke des Diwans. sitzt neben ihm auf dem Sessel und löffelt aus einem Baiser den Obersschaum heraus, den sie mit Behagen schlürft. Schmeckts? läßt sich nicht stören. Oh! Willst du noch eins? Nein, ich hab so schon zuviel gegessen. Du hast keinen Wein mehr. Er schenkt ein. Nein ... aber schaun S', ich lass ihn ja eh stehen. Schon wieder sagst du Sie. So' – Ja wissen S', man gewöhnt sich halt so schwer. Weißt du. Was denn? Weißt du, sollst du sagen; nicht wissen S'. Komm, setz dich zu mir. Gleich ... bin noch nicht fertig. steht auf, stellt sich hinter den Sessel und umarmt das süsse Mädel, indem er ihren Kopf zu sich wendet. Na, was ist denn? Einen Kuß möcht ich haben. gibt ihm einen Kuß. Sie sind ... o pardon, du bist ein kecker Mensch. Jetzt fällt dir das ein? Ah nein, eingefallen ist es mir schon früher ... schon auf der Gassen. – Sie müssen – Du mußt. Du mußt dir eigentlich was Schönes von mir denken. Warum denn? Daß ich gleich so mit Ihnen ins chambre séparée gegangen bin. Na, gleich kann man doch nicht sagen. Aber Sie können halt so schön bitten. Findest du? Und schließlich, was ist denn dabei? Freilich. Ob man spazierengeht oder – Zum Spazierengehen ist's es auch viel zu kalt. Natürlich ist's zu kalt gewesen. Aber da ist es angenehm warm; was? Er hat sich wieder niedergesetzt, umschlingt das süsse Mädel und zieht sie an seine Seite. schwach. Na. Jetzt sag einmal ... Du hast mich schon früher bemerkt gehabt, was? Natürlich. Schon in der Singerstraßen. Nicht heut, mein ich. Auch vorgestern und vorvorgestern, wie ich dir nachgegangen bin. Mir gehn gar viele nach. Das kann ich mir denken. Aber ob du mich bemerkt hast. Wissen S' ... ah ... weißt, was mir neulich passiert ist? Da ist mir der Mann von meiner Cousine nachg'stiegen in der Dunkeln und hat mich nicht kennt. Hat er dich angesprochen? Aber was glaubst denn? Meinst, es ist jeder so keck wie du? Aber es kommt doch vor. Natürlich kommts vor. Na, was machst du da? Na, nichts. – Keine Antwort geb ich halt. Hm ... mir hast du aber eine Antwort gegeben. Na, sind S' vielleicht bös? küßt sie heftig. Deine Lippen schmecken nach dem Obersschaum. Oh, die sind von Natur aus süß. Das haben dir schon viele gesagt? Viele!! Was du dir wieder einbildest! Na, sei einmal ehrlich. Wie viele haben den Mund da schon geküßt? Was fragst mich denn? Du möchtst mirs ja doch nicht glauben, wenn ich dirs sag! Warum denn nicht? Rat einmal. Na, sagen wir – aber du darfst nicht bös sein? Warum sollt ich denn bös sein? Also ich schätze ... zwanzig. sich von ihm losmachend. Na – warum nicht gleich hundert? Ja, ich hab eben geraten. Da hast du aber nicht gut geraten. Also zehn. beleidigt. Freilich. Eine, die sich auf der Gassen anreden läßt und gleich mitgeht ins chambre séparée! Sei doch nicht so kindisch. Ob man auf der Straßen herumläuft oder in einem Zimmer sitzt ... Wir sind doch da in einem Gasthaus. Jeden Moment kann der Kellner hereinkommen – da ist doch wirklich gar nichts dran ... Das hab ich mir eben auch gedacht. Warst du schon einmal in einem chambre séparée? Also, wenn ich die Wahrheit sagen soll: ja. Siehst du, das g'fallt mir, daß du doch wenigstens aufrichtig bist. Aber nicht so – wie du dirs wieder denkst. Mit einer Freundin und ihrem Bräutigam bin ich im chambre séparée gewesen, heuer im Fasching einmal. Es wär ja auch kein Malheur, wenn du einmal – mit deinem Geliebten – Natürlich wärs kein Malheur. Aber ich hab kein Geliebten. Na geh. Meiner Seel, ich hab keinen. Aber du wirst mir doch nicht einreden wollen, daß ich ... Was denn? ... Ich hab halt keinen – schon seit mehr als einem halben Jahr. Ah so ... Aber vorher? Wer wars denn? Was sind S' denn gar so neugierig? Ich bin neugierig, weil ich dich lieb hab. Is wahr? Freilich. Das mußt du doch merken. Erzähl mir also. Drückt sie fest an sich. Was soll ich dir denn erzählen? So laß dich doch nicht so lang bitten. Wers gewesen ist, möcht ich wissen. lachend. Na ein Mann halt. Also – also – wer wars? Ein bissel ähnlich hat er dir gesehen. So. Wenn du ihm nicht so ähnlich schauen tätst – Was wär dann? Na also frag nicht, wennst schon siehst, daß ... versteht. Also darum hast du dich von mir anreden lassen. Na also ja. Jetzt weiß ich wirklich nicht, soll ich mich freuen oder soll ich mich ärgern. Na, ich an deiner Stell tät mich freuen. Na ja. Und auch im Reden erinnerst du mich so an ihn ... und wie du einen anschaust ... Was ist er denn gewesen? Nein, die Augen – Wie hat er denn geheißen? Nein, schau mich nicht so an, ich bitt dich. umfängt sie. Langer, heißer Kuß. schüttelt sich, will aufstehen. Warum gehst du fort von mir? Es wird Zeit zum Z'hausgehn. Später. Nein, ich muß wirklich schon zhaus gehen. Was glaubst denn, was die Mutter sagen wird. Du wohnst bei deiner Mutter? Natürlich wohn ich bei meiner Mutter. Was hast denn geglaubt? So – bei der Mutter. Wohnst du allein mit ihr? Ja freilich allein! Fünf sind wir! Zwei Buben und noch zwei Mädeln. So setz dich doch nicht so weit fort von mir. Bist du die Älteste? Nein, ich bin die zweite. Zuerst kommt die Kathi; die ist im G'schäft, in einer Blumenhandlung, dann komm ich. Wo bist du? Na, ich bin z'haus. Immer? Es muß doch eine z'haus sein. Freilich. Ja – und was sagst du denn eigentlich deiner Mutter, wenn du – so spät nach Haus kommst? Das ist ja so eine Seltenheit. Also heut zum Beispiel. Deine Mutter fragt dich doch? Natürlich fragts mich. Da kann ich Obacht geben, so viel ich will – wenn ich nach Haus komm, wachts auf. Also, was sagst du ihr da? Na, im Theater werd ich halt gewesen sein. Und glaubt sie das? Na, warum soll s' mir denn nicht glauben? Ich geh ja oft ins Theater. Erst am Sonntag war ich in der Oper mit meiner Freundin und ihrem Bräutigam und mein ältern Bruder. Woher habt ihr denn da die Karten? Aber, mein Bruder ist ja Friseur! Ja, die Friseure ... ah, wahrscheinlich Theaterfriseur. Was fragst mich denn so aus? Es interessiert mich halt. Und was ist denn der andere Bruder? Der geht noch in die Schul. Der will ein Lehrer werden. Nein ... so was! Und dann hast du noch eine kleine Schwester? Ja, die ist noch ein Fratz, aber auf die muß man schon heut so aufpassen. Hast du denn eine Idee, wie die Mädeln in der Schule verdorben werden! Was glaubst! Neulich hab ich sie bei einem Rendezvous erwischt. Was? Ja! Mit einem Buben von der Schul vis-a-vis ist sie abends um halber acht in der Strozzigasse spazierengegangen. So ein Fratz! Und, was hast du da gemacht? Na, Schläg hat s' kriegt! So streng bist du? Na, wer solls denn sein? Die Ältere ist im G'schäft, die Mutter tut nichts als raunzen; – kommt immer alles auf mich. Herrgott, bist du lieb! Küßt sie und wird zärtlicher. Du erinnerst mich auch an wen. So – an wen denn? An keine bestimmte ... an die Zeit ... na, halt an meine Jugend. Geh, trink, mein Kind! Ja, wie alt bist du denn? ... Du ... ja ... ich weiß ja nicht einmal, wie du heißt. Karl. Ists möglich! Karl heißt du? Er hat auch Karl geheißen? Nein, das ist aber schon das reine Wunder ... das ist ja – nein, die Augen ... Das G'schau ... Schüttelt den Kopf. Und wer er war – hast du mir noch immer nicht gesagt. Ein schlechter Mensch ist er gewesen – das ist g'wiß, sonst hätt er mich nicht sitzenlassen. Hast ihn sehr gern g'habt? Freilich hab ich ihn gern g'habt! Ich weiß, was er war – Lieutenant. Nein, bei Militär war er nicht. Sie haben ihn nicht genommen. Sein Vater hat ein Haus in der ... aber was brauchst du das zu wissen? küßt sie. Du hast eigentlich graue Augen, anfangs hab ich gemeint, sie sind schwarz. Na, sind's dir vielleicht nicht schön genug? küßt ihre Augen. Nein, nein – das vertrag ich schon gar nicht ... oh, bitt dich – o Gott ... nein, laß mich aufstehn ... nur für einen Moment – bitt dich. immer zärtlicher. O nein. Aber ich bitt dich, Karl ... Wie alt bist du? – achtzehn, was? Neunzehn vorbei. Neunzehn ... und ich – Du bist dreißig ... Und einige drüber. – Reden wir nicht davon. Er war auch schon zweiunddreißig, wie ich ihn kennengelernt hab. Wie lang ist das her? Ich weiß nimmer ... Du, in dem Wein muß was drin gewesen sein. Ja, warum denn? Ich bin ganz ... weißt – mir dreht sich alles. So halt dich fest an mich. So ... Er drückt sie an sich und wird immer zärtlicher, sie wehrt kaum ab. Ich werd dir was sagen, mein Schatz, wir könnten jetzt wirklich gehn. Ja ... nach Haus. Nicht grad nach Haus ... Was meinst denn? ... O nein, o nein ... ich geh nirgends hin, was fallt dir denn ein – Also hör mich nur an, mein Kind, das nächste Mal, wenn wir uns treffen, weißt du, da richten wir uns das so ein, daß ... Er ist zu Boden gesunken, hat seinen Kopf in ihrem Schoß. Das ist angenehm, oh, das ist angenehm. Was machst denn? Sie küßt seine Haare. ... Du, in dem Wein muß was drin gewesen sein – so schläfrig ... du, was g'schieht denn, wenn ich nimmer aufstehn kann? Aber, aber, schau, aber Karl ... und wenn wer hereinkommt ... ich bitt dich ... der Kellner. Da ... kommt sein Lebtag ... kein Kellner ... herein ... – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – lehnt mit geschlossenen Augen in der Diwanecke. geht in dem kleinen Raum auf und ab, nachdem er sich eine Zigarette angezündet. Längeres Schweigen. betrachtet das süsse Mädel lange, für sich. Wer weiß, was das eigentlich für eine Person ist – Donnerwetter ... So schnell ... War nicht sehr vorsichtig von mir ... Hm ... ohne die Augen zu öffnen. In dem Wein muß was drin gewesen sein. Ja, warum denn? Sonst ... Warum schiebst du denn alles auf den Wein? Wo bist denn? Warum bist denn so weit? Komm doch zu mir. zu ihr hin, setzt sich. Jetzt sag mir, ob du mich wirklich gern hast. Das weißt du doch ... Er unterbricht sich rasch. Freilich. Weißt ... es ist doch ... Geh, sag mir die Wahrheit, was war in dem Wein? Ja, glaubst du, ich bin ein ... ich bin ein Giftmischer? Ja, schau, ich verstehs halt nicht. Ich bin doch nicht so ... Wir kennen uns doch erst seit ... Du, ich bin nicht so ... meiner Seel und Gott – wenn du das von mir glauben tätst – Ja – was machst du dir denn da für Sorgen. Ich glaub gar nichts Schlechtes von dir. Ich glaub halt, daß du mich liebhast. Ja ... Schließlich, wenn zwei junge Leut allein in einem Zimmer sind, und nachtmahlen und trinken Wein ... Es braucht gar nichts drin zu sein in dem Wein ... Ich habs ja auch nur so g'sagt. Ja, warum denn? eher trotzig. Ich hab mich halt g'schämt. Das ist lächerlich. Dazu liegt gar kein Grund vor. Um so mehr, als ich dich an deinen ersten Geliebten erinnere. Ja. An den ersten. Na ja ... Jetzt möcht es mich interessieren, wer die anderen waren. Niemand. Das ist ja nicht wahr, das kann ja nicht wahr sein. Geh, bitt dich, sekier mich nicht. – Willst eine Zigarette? Nein, ich dank schön. Weißt du, wie spät es ist? Na? Halb zwölf. So! Na ... und die Mutter? Die ist es gewöhnt, was? Willst mich wirklich schon z'haus schicken? Ja, du hast doch früher selbst – Geh, du bist aber wie ausgewechselt. Was hab ich dir denn getan? Aber Kind, was hast du denn, was fällt dir denn ein? Und es ist nur dein G'schau gewesen, meiner Seel, sonst hättst du lang ... haben mich schon viele gebeten, ich soll mit ihnen ins chambre séparée gehen. Na, willst du ... bald wieder mit mir hieher ... oder auch woanders – Weiß nicht. Was heißt das wieder: Du weißt nicht. Na, wenn du mich erst fragst? Also wann? Ich möcht dich nur vor allem aufklären, daß ich nicht in Wien lebe. Ich komm nur von Zeit zu Zeit auf ein paar Tage her. Ah geh, du bist kein Wiener? Wiener bin ich schon. Aber ich lebe jetzt in der Nähe ... Wo denn? Ach Gott, das ist ja egal. Na, fürcht dich nicht, ich komm nicht hin. O Gott, wenn es dir Spaß macht, kannst du auch hinkommen. Ich lebe in Graz. Im Ernst? Na ja, was wundert dich denn daran? Du bist verheiratet, wie? höchst erstaunt. Ja, wie kommst du darauf? Mir ist halt so vorgekommen. Und das würde dich gar nicht genieren? Na, lieber ist mir schon, du bist ledig. – Aber du bist ja doch verheiratet! Ja, sag mir nur, wie kommst du denn da darauf? Wenn einer sagt, er lebt nicht in Wien und hat nicht immer Zeit – Das ist doch nicht so unwahrscheinlich. Ich glaubs nicht. Und da möchtest du dir gar kein Gewissen machen, daß du einen Ehemann zur Untreue verführst? Ah was, deine Frau machts sicher nicht anders als du. empört. Du, das verbiet ich mir. Solche Bemerkungen – Du hast ja keine Frau, hab ich geglaubt. Ob ich eine hab oder nicht – man macht keine solche Bemerkungen. Er ist aufgestanden. Karl, na Karl, was ist denn? Bist bös? Schau, ich habs ja wirklich nicht gewußt, daß du verheiratet bist. Ich hab ja nur so g'redt. Geh, komm und sei wieder gut. kommt nach ein paar Sekunden zu ihr. Ihr seid wirklich sonderbare Geschöpfe, ihr ... Weiber. Er wird wieder zärtlich an ihrer Seite. Geh ... nicht ... es ist auch schon so spät. – Also jetzt hör mir einmal zu. Reden wir einmal im Ernst miteinander. Ich möcht dich wiedersehen, öfter wiedersehen. Is wahr? Aber dazu ist notwendig ... also verlassen muß ich mich auf dich können. Aufpassen kann ich nicht auf dich. Ah, ich paß schon selber auf mich auf. Du bist ... na also, unerfahren kann man ja nicht sagen – aber jung bist du – und – die Männer sind im allgemeinen ein gewissenloses Volk. O jeh! Ich mein das nicht nur in moralischer Hinsicht. – Na, du verstehst mich sicher. – Ja, sag mir, was glaubst du denn eigentlich von mir? Also – wenn du mich liebhaben willst – nur mich – so können wirs uns schon einrichten – wenn ich auch für gewöhnlich in Graz wohne. Da, wo jeden Moment wer hereinkommen kann, ist es ja doch nicht das rechte. schmiegt sich an ihn. Das nächste Mal ... werden wir woanders zusammensein, ja? Ja. Wo wir ganz ungestört sind. Ja. umfängt sie heiß. Das andere besprechen wir im Nachhausfahren. Steht auf, öffnet die Tür. Kellner ... die Rechnung! 7. Das süsse Mädel und der Dichter VII Das süsse Mädel und der Dichter. Ein kleines Zimmer, mit behaglichem Geschmack eingerichtet. Vorhänge, welche das Zimmer halbdunkel machen. Rote Stores. Großer Schreibtisch, auf dem Papiere und Bücher herumliegen. Ein Pianino an der Wand. Das süsse Mädel. Der Dichter. Sie kommen eben zusammen herein. Der Dichter schließt zu. So, mein Schatz. Küßt sie. mit Hut und Mantille. Ah! Da ist aber schön! Nur sehen tut man nichts! Deine Augen müssen sich an das Halbdunkel gewöhnen. – Diese süssen Augen. – Küßt sie auf die Augen. Dazu werden die süssen Augen aber nicht Zeit genug haben. Warum denn? Weil ich nur eine Minuten dableib. Den Hut leg ab, ja? Wegen der einen Minuten? nimmt die Nadel aus ihrem Hut und legt den Hut fort. Und die Mantille – Was willst denn? – Ich muß ja gleich wieder fortgehen. Aber du mußt dich doch ausruhn! Wir sind ja drei Stunden gegangen. Wir sind gefahren. Ja, nach Haus – aber in Weidling am Bach sind wir doch drei volle Stunden herumgelaufen. Also setz dich nur schön nieder, mein Kind ... wohin du willst; – hier an den Schreibtisch; – aber nein, das ist nicht bequem. Setz dich auf den Diwan. – So. Er drückt sie nieder. Bist du sehr müd, so kannst du dich auch hinlegen. So. Er legt sie auf den Diwan. Da, das Kopferl auf den Polster. lachend. Aber ich bin ja gar nicht müd! Das glaubst du nur. So – und wenn du schläfrig bist, kannst du auch schlafen. Ich werde ganz still sein. Übrigens kann ich dir ein Schlummerlied vorspielen ... von mir ... Geht zum Pianino. Von dir? Ja. Ich hab glaubt, Robert, du bist ein Doktor. Wieso? Ich hab dir doch gesagt, daß ich Schriftsteller bin. Die Schriftsteller sind doch alle Dokters. Nein; nicht alle. Ich zum Beispiel nicht. Aber wie kommst du jetzt darauf? Na, weil du sagst, das Stück, was du da spielen tust, ist von dir. Ja ... vielleicht ist es auch nicht von mir. Das ist ja ganz egal. Was? Überhaupt, wers gemacht hat, das ist immer egal. Nur schön muß es sein – nicht wahr? Freilich ... schön muß es sein – das ist die Hauptsach! – Weißt du, wie ich das gemeint hab? Was denn? Na, was ich eben gesagt hab. schläfrig. Na freilich. steht auf; zu ihr, ihr das Haar streichelnd. Kein Wort hast du verstanden. Geh, ich bin doch nicht so dumm. Freilich bist du so dumm. Aber gerade darum hab ich dich lieb. Ah, das ist so schön, wenn ihr dumm seid. Ich mein, in der Art wie du. Geh, was schimpfst denn? Engel, kleiner. Nicht wahr, es liegt sich gut auf dem weichen, persischen Teppich? O ja. Geh, willst nicht weiter Klavier spielen? Nein, ich bin schon lieber da bei dir. Streichelt sie. Geh, willst nicht lieber Licht machen? O nein ... Diese Dämmerung tut ja so wohl. Wir waren heute den ganzen Tag wie in Sonnenstrahlen gebadet. Jetzt sind wir sozusagen aus dem Bad gestiegen und schlagen ... die Dämmerung wie einen Badmantel – Lacht. – ah nein – das muß anders gesagt werden ... Findest du nicht? Weiß nicht. sich leicht von ihr entfernend. Göttlich, diese Dummheit! Nimmt ein Notizbuch und schreibt ein paar Worte hinein. Was machst denn? Sich nach ihm umwendend. Was schreibst dir denn auf? leise. Sonne, Bad, Dämmerung, Mantel ... so ... Steckt das Notizbuch ein. Laut. Nichts ... Jetzt sag einmal, mein Schatz, möchtest du nicht etwas essen oder trinken? Durst hab ich eigentlich keinen. Aber Appetit. Hm ... mir wär lieber, du hättest Durst. Cognac hab ich nämlich zu Haus, aber Essen müßte ich erst holen. Kannst nichts holenlassen? Das ist schwer, meine Bedienerin ist jetzt nicht mehr da – na wart – ich geh schon selber ... was magst du denn? Aber es zahlt sich ja wirklich nimmer aus, ich muß ja sowieso zu Haus. Kind, davon ist keine Rede. Aber ich werd dir was sagen: wenn wir weggehn, gehn wir zusammen wohin nachtmahlen. O nein. Dazu hab ich keine Zeit. Und dann, wohin sollen wir denn? Es könnt uns ja wer Bekannter sehn. Hast du denn gar so viel Bekannte? Es braucht uns ja nur einer zu sehn, ists Malheur schon fertig. Was ist denn das für ein Malheur? Na, was glaubst, wenn die Mutter was hört ... Wir können ja doch irgend wohin gehen, wo uns niemand sieht, es gibt ja Gasthäuser mit einzelnen Zimmern. singend. Ja, beim Souper im chambre séparée! Warst du schon einmal in einem chambre séparée? Wenn ich die Wahrheit sagen soll – ja. Wer war der Glückliche? Oh, das ist nicht, wie du meinst ... ich war mit meiner Freundin und ihrem Bräutigam. Die haben mich mitgenommen. So. Und das soll ich dir am End glauben? Brauchst mir ja nicht zu glauben! nah bei ihr. Bist du jetzt rot geworden? Man sieht nichts mehr! Ich kann deine Züge nicht mehr ausnehmen. Mit seiner Hand berührt er ihre Wangen. Aber auch so erkenn ich dich. Na, paß nur auf, daß du mich mit keiner andern verwechselst. Es ist seltsam, ich kann mich nicht mehr erinnern, wie du aussiehst. Dank schön! ernst. Du, das ist beinah unheimlich, ich kann mir dich nicht vorstellen. – In einem gewissen Sinne hab ich dich schon vergessen – Wenn ich mich auch nicht mehr an den Klang deiner Stimme erinnern könnte ... was wärst du da eigentlich? – Nah und fern zugleich ... unheimlich. Geh, was redst denn –? Nichts, mein Engel, nichts. Wo sind deine Lippen ... Er küßt sie. Willst nicht lieber Licht machen? Nein ... Er wird sehr zärtlich. Sag, ob du mich liebhast. Sehr ... o sehr! Hast du schon irgendwen so liebgehabt wie mich? Ich hab dir ja schon gesagt – nein. Aber ... Er seufzt. Das ist ja mein Bräutigam gewesen. Es wär mir lieber, du würdest jetzt nicht an ihn denken. Geh ... was machst denn ... schau ... Wir können uns jetzt auch vorstellen, daß wir in einem Schloß in Indien sind. Dort sind s' gewiß nicht so schlimm wie du. Wie blöd! Göttlich – ah, wenn du ahntest, was du für mich bist ... Na? Stoß mich doch nicht immer weg; ich tu dir ja nichts – vorläufig. Du, das Mieder tut mir weh. einfach. Ziehs aus. Ja. Aber du darfst deswegen nicht schlimm werden. Nein. hat sich erhoben und zieht in der Dunkelheit ihr Mieder aus. der währenddessen auf dem Diwan sitzt. Sag, interessierts dich denn gar nicht, wie ich mit dem Zunamen heiß? Ja, wie heißt du denn? Ich werd dir lieber nicht sagen, wie ich heiß, sondern wie ich mich nenne. Was ist denn da für ein Unterschied? Na, wie ich mich als Schriftsteller nenne. Ah, du schreibst nicht unter deinem wirklichen Namen? nah zu ihr. Ah ... geh! ... nicht. Was einem da für ein Duft entgegensteigt. Wie süß. Er küßt ihren Busen. Du zerreißt ja mein Hemd. Weg ... weg ... alles das ist überflüssig. Aber Robert! Und jetzt komm in unser indisches Schloß. Sag mir zuerst, ob du mich wirklich liebhast. Aber ich bete dich ja an. Küßt sie heiß. Ich bete dich ja an, mein Schatz, mein Frühling ... mein ... Robert ... Robert ... – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – Das war überirdische Seligkeit ... Ich nenne mich ... Robert, o mein Robert! Ich nenne mich Biebitz. Warum nennst du dich Biebitz? Ich heiße nicht Biebitz – ich nenne mich so ... nun, kennst du den Namen vielleicht nicht? Nein. Du kennst den Namen Biebitz nicht? Ah – göttlich! Wirklich? Du sagst es nur, daß du ihn nicht kennst, nicht wahr? Meiner Seel, ich hab ihn nie gehört! Gehst du denn nie ins Theater? O ja – ich war erst neulich mit einem – weißt, mit dem Onkel von meiner Freundin und meiner Freundin sind wir in der Oper gewesen bei der Cavalleria. Hm, also ins Burgtheater gehst du nie. Da krieg ich nie Karten geschenkt. Ich werde dir nächstens eine Karte schicken. O ja! Aber nicht vergessen! Zu was Lustigem aber. Ja ... lustig ... zu was Traurigem willst du nicht gehn? Nicht gern. Auch wenns ein Stück von mir ist? Geh – ein Stück von dir? Du schreibst fürs Theater? Erlaube, ich will nur Licht machen. Ich habe dich noch nicht gesehen, seit du meine Geliebte bist. – Engel! Er zündet eine Kerze an. Geh, ich schäm mich ja. Gib mir wenigstens eine Decke. Später! Er kommt mit dem Licht zu ihr, betrachtet sie lang. bedeckt ihr Gesicht mit den Händen. Geh, Robert! Du bist schön, du bist die Schönheit, du bist vielleicht sogar die Natur, du bist die heilige Einfalt. O weh, du tropfst mich ja an! Schau, was gibst denn nicht acht! stellt die Kerze weg. Du bist das, was ich seit langem gesucht habe. Du liebst nur mich, du würdest mich auch lieben, wenn ich Schnittwarencommis wäre. Das tut wohl. Ich will dir gestehen, daß ich einen gewissen Verdacht bis zu diesem Moment nicht losgeworden bin. Sag ehrlich, hast du nicht geahnt, daß ich Biebitz bin? Aber geh, ich weiß gar nicht, was du von mir willst. Ich kenn ja gar kein Biebitz. Was ist der Ruhm! Nein, vergiß, was ich gesagt habe, vergiß sogar den Namen, den ich dir gesagt hab. Robert bin ich und will ich für dich bleiben. Ich hab auch nur gescherzt. Leicht. Ich bin ja nicht Schriftsteller, ich bin Kommis und am Abend spiel ich bei Volkssängern Klavier. Ja, jetzt kenn ich mich aber nicht mehr aus ... nein, und wie du einen nur anschaust. Ja, was ist denn, ja was hast denn? Es ist sehr sonderbar – was mir beinah noch nie passiert ist, mein Schatz, mir sind die Tränen nah. Du ergreifst mich tief. Wir wollen zusammenbleiben, ja: Wir werden einander sehr lieb haben. Du, ist das wahr mit den Volkssängern? Ja, aber frag nicht weiter. Wenn du mich liebhast, frag überhaupt nichts. Sag, kannst du dich auf ein paar Wochen ganz frei machen? Wieso ganz frei? Nun, vom Hause weg? Aber!! Wie kann ich das! Was möcht die Mutter sagen? Und dann, ohne mich ging ja alles schief zu Haus. Ich hatte es mir schön vorgestellt, mit dir zusammen, allein mit dir, irgendwo in der Einsamkeit draußen, im Wald, in der Natur ein paar Wochen zu leben. Natur ... in der Natur. Und dann, eines Tages Adieu – voneinandergehen, ohne zu wissen, wohin. Jetzt redst schon vom Adieusagen! Und ich hab gemeint, daß du mich so gern hast. Gerade darum – Beugt sich zu ihr und küßt sie auf die Stirn. Du süsses Geschöpf! Geh, halt mich fest, mir ist so kalt. Es wird Zeit, daß du dich ankleidest. Warte, ich zünde dir noch ein paar Kerzen an. erhebt sich. Nicht herschauen. Nein. Am Fenster. Sag mir, mein Kind, bist du glücklich? Wie meinst das? Ich mein im allgemeinen, ob du glücklich bist? Es könnt schon besser gehen. Du mißverstehst mich. Von deinen häuslichen Verhältnissen hast du mir ja schon genug erzählt. Ich weiß, daß du keine Prinzessin bist. Ich mein, wenn du von alledem absiehst, wenn du dich einfach leben spürst. Spürst du dich überhaupt leben? Geh, hast kein Kamm? geht zum Toilettentisch, gibt ihr den Kamm, betrachtet das süsse Mädel. Herrgott, siehst du so entzückend aus! Na ... nicht! Geh, bleib noch da, bleib da, ich hol was zum Nachtmahl und ... Aber es ist ja schon viel zu spät. Es ist noch nicht neun. Na, sei so gut, da muß ich mich aber tummeln. Wann werden wir uns denn wiedersehen? Na, wann willst mich denn wiedersehen? Morgen. Was ist denn morgen für ein Tag? Samstag. Oh, da kann ich nicht, da muß ich mit meiner kleinen Schwester zum Vormund. Also Sonntag ... hm ... Sonntag ... am Sonntag ... jetzt werd ich dir was erklären. – Ich bin nicht Biebitz, aber Biebitz ist mein Freund. Ich werd dir ihn einmal vorstellen. Aber Sonntag ist das Stück von Biebitz; ich werd dir eine Karte schicken und werde dich dann vom Theater abholen. Du wirst mir sagen, wie dir das Stück gefallen hat, ja? Jetzt, die G'schicht mit dem Biebitz – da bin ich schon ganz blöd. Völlig werd ich dich erst kennen, wenn ich weiß, was du bei diesem Stück empfunden hast. So ... ich bin fertig. Komm, mein Schatz! Sie gehen. 8. Der Dichter und die Schauspielerin VIII Der Dichter und die Schauspielerin. Ein Zimmer in einem Gasthof auf dem Land. Es ist ein Frühlingsabend, über den Wiesen und Hügeln liegt der Mond, die Fenster stehen offen. Große Stille. Der Dichter und die Schauspielerin treten ein; wie sie hereintreten, verlöscht das Licht, das der Dichter in der Hand hält. Oh ... Was ist denn? Das Licht. – Aber wir brauchen keins. Schau, es ist ganz hell. Wunderbar! sinkt am Fenster plötzlich nieder, mit gefalteten Händen. Was hast du denn? schweigt. zu ihr hin. Was machst du denn? empört. Siehst du nicht, daß ich bete? – Glaubst du an Gott? Gewiß, ich bin ja kein blasser Schurke. Ach so! Komm doch zu mir, knie dich neben mich hin. Kannst wirklich auch einmal beten. Wird dir keine Perle aus der Krone fallen. kniet neben sie hin und umfaßt sie. Wüstling! – Erhebt sich. Und weißt du auch, zu wem ich gebetet habe? Zu Gott, nehm ich an. großer Hohn. Jawohl! Zu dir hab ich gebetet. Warum hast du denn da zum Fenster hinausgeschaut? Sag mir lieber, wo du mich da hingeschleppt hast, Verführer! Aber Kind, das war ja deine Idee. Du wolltest ja aufs Land – und gerade hieher. Nun, hab ich nicht recht gehabt? Gewiß, es ist ja entzückend hier. Wenn man bedenkt, zwei Stunden von Wien – und die völlige Einsamkeit. Und was für eine Gegend! Was? Da könntest du wohl mancherlei dichten, wenn du zufällig Talent hättest. Warst du hier schon einmal? Ob ich hier schon war? Ha! Hier hab ich jahrelang gelebt! Mit wem? Nun, mit Fritz natürlich. Ach so! Den Mann hab ich wohl angebetet! – Das hast du mir bereits erzählt. Ich bitte – ich kann auch wieder gehen, wenn ich dich langweile! Du mich langweilen? ... Du ahnst ja gar nicht, was du für mich bedeutest ... Du bist eine Welt für sich ... Du bist das Göttliche, du bist das Genie ... Du bist ... Du bist eigentlich die heilige Einfalt ... Ja, du ... Aber du solltest jetzt nicht von Fritz reden. Das war wohl eine Verirrung! Na! – Es ist schön, daß du das einsiehst. Komm her, gib mir einen Kuß! küßt sie. Jetzt wollen wir uns aber eine gute Nacht sagen! Leb wohl, mein Schatz! Wie meinst du das? Nun, ich werde mich schlafen legen! Ja – das schon, aber was das gute Nachtsagen anbelangt ... Wo soll denn ich übernachten? Es gibt gewiß noch viele Zimmer in diesem Haus. Die anderen haben aber keinen Reiz für mich. Jetzt werd ich übrigens Licht machen, meinst du nicht? Ja. zündet das Licht an, das auf dem Nachtkästchen steht. Was für ein hübsches Zimmer ... und fromm sind die Leute hier. Lauter Heiligenbilder ... Es wäre interessant, eine Zeit unter diesen Menschen zu verbringen ... doch eine andre Welt. Wir wissen eigentlich so wenig von den andern. Rede keinen Stiefel und reiche mir lieber diese Tasche vom Tisch herüber. Hier, meine Einzige! nimmt aus dem Täschchen ein kleines, gerahmtes Bildchen, stellt es auf das Nachtkästchen. Was ist das? Das ist die Madonna. Die hast du immer mit? Die ist doch mein Talisman. Und jetzt geh, Robert! Aber was sind das für Scherze? Soll ich dir nicht helfen? Nein, du sollst jetzt gehn. Und wann soll ich wiederkommen? In zehn Minuten. küßt sie. Auf Wiedersehen! Wo willst du denn hin? Ich werde vor dem Fenster auf und ab gehen. Ich liebe es sehr, nachts im Freien herumzuspazieren. Meine besten Gedanken kommen mir so. Und gar in deiner Nähe, von deiner Sehnsucht sozusagen umhaucht ... in deiner Kunst wehend. Du redest wie ein Idiot ... schmerzlich. Es gibt Frauen, welche vielleicht sagen würden ... wie ein Dichter. Nun geh endlich. Aber fang mir kein Verhältnis mit der Kellnerin an. – geht. kleidet sich aus. Sie hört, wie der Dichter über die Holztreppe hinuntergeht, und hört jetzt seine Schritte unter dem Fenster. Sie geht, sobald sie ausgekleidet ist, zum Fenster, sieht hinunter, er steht da; sie ruft flüsternd hinunter. Komm! kommt rasch herauf, stürzt zu ihr, die sich unterdessen ins Bett gelegt und das Licht ausgelöscht hat; er sperrt ab. So, jetzt kannst du dich zu mir setzen und mir was erzählen. setzt sich zu ihr aufs Bett. Soll ich nicht das Fenster schließen? Ist dir nicht kalt? O nein! Was soll ich dir erzählen? Nun, wem bist du in diesem Moment untreu? Ich bin es ja leider noch nicht. Nun tröste dich, ich betrüge auch jemanden. Das kann ich mir denken. Und was glaubst du, wen? Ja, Kind, davon kann ich keine Ahnung haben. Nun, rate. Warte ... Na, deinen Direktor. Mein Lieber, ich bin keine Choristin. Nun, ich dachte nur. Rate noch einmal. Also du betrügst deinen Kollegen ... Benno – Ha! Der Mann liebt ja überhaupt keine Frauen ... weißt du das nicht? Der Mann hat ja ein Verhältnis mit seinem Briefträger! Ist das möglich! – So gib mir lieber einen Kuß! umschlingt sie. Aber was tust du denn? So quäl mich doch nicht so. Höre, Robert, ich werde dir einen Vorschlag machen. Leg dich zu mir ins Bett. Angenommen! Komm schnell, komm schnell! Ja ... wenn es nach mir gegangen wäre, wär ich schon längst ... Hörst du ... Was denn? Draußen zirpen die Grillen. Du bist wohl wahnsinnig, mein Kind, hier gibt es ja keine Grillen. Aber du hörst sie doch. Nun, so komm, endlich! Da bin ich. Zu ihr. So, jetzt bleib schön ruhig liegen ... Pst ... nicht rühren. Ja, was fällt dir denn ein? Du möchtest wohl gerne ein Verhältnis mit mir haben? Das dürfte dir doch bereits klar sein. Nun, das möchte wohl mancher ... Es ist aber doch nicht zu bezweifeln, daß in diesem Moment ich die meisten Chancen habe. So komm, meine Grille! Ich werde dich von nun an Grille nennen. Schön ... Nun, wen betrüg ich? Wen? ... Vielleicht mich ... Mein Kind, du bist schwer gehirnleidend. Oder einen ... den du selbst nie gesehen ... einen, den du nicht kennst, einen – der für dich bestimmt ist und den du nie finden kannst ... Ich bitte dich, rede nicht so märchenhaft blöd. ... Ist es nicht sonderbar ... auch du – und man sollte doch glauben. – Aber nein, es hieße dir dein Bestes rauben, wollte man dir ... komm, komm – – komm – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – Das ist doch schöner, als in blödsinnigen Stücken spielen ... was meinst du? Nun, ich mein, es ist gut, daß du doch zuweilen in vernünftigen zu spielen hast. Du arroganter Hund meinst gewiß wieder das deine? Jawohl! ernst. Das ist wohl ein herrliches Stück! Nun also! Ja, du bist ein großes Genie, Robert! Bei dieser Gelegenheit könntest du mir übrigens sagen, warum du vorgestern abgesagt hast. Es hat dir doch absolut gar nichts gefehlt. Nun, ich wollte dich ärgern. Ja, warum denn? Was hab ich dir denn getan? Arrogant bist du gewesen. Wieso? Alle im Theater finden es. So. Aber ich hab ihnen gesagt: Der Mann hat wohl ein Recht, arrogant zu sein. Und was haben die anderen geantwortet? Was sollen mir denn die Leute antworten? Ich rede ja mit keinem. Ach so. Sie möchten mich am liebsten alle vergiften. Aber das wird ihnen nicht gelingen. Denke jetzt nicht an die anderen Menschen. Freue dich lieber, daß wir hier sind, und sage mir, daß du mich liebhast. Verlangst du noch weitere Beweise? Bewiesen kann das überhaupt nicht werden. Das ist aber großartig! Was willst du denn noch? Wie vielen hast du es schon auf diese Art beweisen wollen ... hast du alle geliebt? O nein. Geliebt hab ich nur einen. umarmt sie. Mein ... Fritz. Ich heiße Robert. Was bin denn ich für dich, wenn du jetzt an Fritz denkst? Du bist eine Laune. Gut, daß ich es weiß. Nun sag, bist du nicht stolz? Ja, weshalb soll ich denn stolz sein? Ich denke, daß du wohl einen Grund dazu hast. Ach deswegen. Jawohl, deswegen, meine blasse Grille! – Nun, wie ist das mit dem Zirpen? Zirpen sie noch? Ununterbrochen. Hörst du's denn nicht? Freilich hör ich. Aber das sind Frösche, mein Kind. Du irrst dich, die quaken. Gewiß quaken sie. Aber nicht hier, mein Kind, hier wird gezirpt. Du bist wohl das Eigensinnigste, was mir je untergekommen ist. Gib mir einen Kuß, mein Frosch! Bitte sehr, nenn mich nicht so. Das macht mich direkt nervös. Nun, wie soll ich dich nennen? Ich hab doch einen Namen: Robert. Ach, das ist zu dumm. Ich bitte dich aber, mich einfach so zu nennen, wie ich heiße. Also Robert, gib mir einen Kuß ... Ah! Sie küßt ihn. Bist du jetzt zufrieden, Frosch? Hahahaha. Würdest du mir erlauben, mir eine Zigarette anzuzünden? Gib mir auch eine. Er nimmt die Zigarettentasche vom Nachtkästchen, entnimmt ihr zwei Zigaretten, zündet beide an, gibt ihr eine. Du hast mir übrigens noch kein Wort über meine gestrige Leistung gesagt. Über welche Leistung? Nun. Ach so. Ich war nicht im Theater. Du beliebst wohl zu scherzen. Durchaus nicht. Nachdem du vorgestern abgesagt hast, habe ich angenommen, daß du auch gestern noch nicht im Vollbesitze deiner Kräfte sein würdest, und da hab ich lieber verzichtet. Du hast wohl viel versäumt. So. Es war sensationell. Die Menschen sind blaß geworden. Hast du das deutlich bemerkt? Benno sagte: Kind, du hast gespielt wie eine Göttin. Hm! ... Und vorgestern noch so krank. Jawohl; ich war es auch. Und weißt du warum? Vor Sehnsucht nach dir. Früher hast du mir erzählt, du wolltest mich ärgern und hast darum abgesagt. Aber was weißt du von meiner Liebe zu dir. Dich läßt das ja alles kalt. Und ich bin schon nächtelang im Fieber gelegen. Vierzig Grad! Für eine Laune ist das ziemlich hoch. Laune nennst du das? Ich sterbe vor Liebe zu dir, und du nennst es Laune –?! Und Fritz ...? Fritz? ... Rede mir nicht von diesem Galeerensträfling! – 9. Die Schauspielerin und der Graf IX Die Schauspielerin und der Graf. Das Schlafzimmer der Schauspielerin. Sehr üppig eingerichtet. Es ist zwölf Uhr mittags, die Rouleaux sind noch heruntergelassen, auf dem Nachtkästchen brennt eine Kerze, die Schauspielerin liegt noch in ihrem Himmelbett. Auf der Decke liegen zahlreiche Zeitungen. Der Graf tritt ein in der Uniform eines Dragonerrittmeisters. Er bleibt an der Tür stehen. Ah, Herr Graf. Die Frau Mama hat mir erlaubt, sonst wär ich nicht – Bitte, treten Sie nur näher. Küß die Hand. Pardon – wenn man von der Straßen hereinkommt ... ich seh nämlich noch rein gar nichts. So ... da wären wir ja – Am Bett. – Küß die Hand. Nehmen Sie Platz, Herr Graf. Frau Mama sagte mir, Fräulein sind unpäßlich ... Wird doch hoffentlich nichts Ernstes sein. Nichts Ernstes? Ich bin dem Tode nahe gewesen! Um Gottes willen, wie ist denn das möglich? Es ist jedenfalls sehr freundlich, daß Sie sich zu mir bemühen. Dem Tode nahe! Und gestern abend haben Sie noch gespielt wie eine Göttin. Es war wohl ein großer Triumph. Kolossal! ... Die Leute waren auch alle hingerissen. Und von mir will ich gar nicht reden. Ich danke für die schönen Blumen. Aber bitt Sie, Fräulein. mit den Augen auf einen großen Blumenkorb weisend, der auf einem kleinen Tischchen am Fenster steht. Hier stehen sie. Sie sind gestern förmlich überschüttet worden mit Blumen und Kränzen. Das liegt noch alles in meiner Garderobe. Nur Ihren Korb habe ich mit nach Hause gebracht. küßt ihr die Hand. Das ist lieb von Ihnen. nimmt die seine plötzlich und küßt sie. Aber Fräulein. Erschrecken Sie nicht, Herr Graf, das verpflichtet Sie zu gar nichts. Sie sind ein sonderbares Wesen ... rätselhaft könnte man fast sagen. – Pause. Das Fräulein Birken ist wohl leichter aufzulösen. Ja, die kleine Birken ist kein Problem, obzwar ... ich kenne sie ja auch nur oberflächlich. Ha! Sie können mirs glauben. Aber Sie sind ein Problem. Danach hab ich immer Sehnsucht gehabt. Es ist mir eigentlich ein großer Genuß entgangen, dadurch, daß ich Sie gestern ... das erste Mal spielen gesehen habe. Ist das möglich? Ja. Schauen Sie, Fräulein, es ist so schwer mit dem Theater. Ich bin gewöhnt, spät zu dinieren ... also wenn man dann hinkommt, ists Beste vorbei. Ists nicht wahr? So werden Sie eben von jetzt an früher essen. Ja, ich hab auch schon daran gedacht. Oder gar nicht. Es ist ja wirklich kein Vergnügen, das Dinieren. Was kennen Sie jugendlicher Greis eigentlich noch für ein Vergnügen? Das frag ich mich selber manchmal! Aber ein Greis bin ich nicht. Es muß einen anderen Grund haben. Glauben Sie? Ja. Der Lulu sagt beispielsweise, ich bin ein Philosoph. Wissen Sie, Fräulein, er meint, ich denk zu viel nach. Ja ... denken, das ist das Unglück. Ich hab zuviel Zeit, drum denk ich nach. Bitt Sie, Fräulein, schauen S', ich hab mir gedacht, wenn s' mich nach Wien transferieren, wirds besser. Da gibts Zerstreuung, Anregung. Aber es ist im Grund doch nicht anders als da oben. Wo ist denn das da oben? Da, da unten, wissen S', Fräulein, in Ungarn, in die Nester, wo ich meistens in Garnison war. Ja, was haben Sie denn in Ungarn gemacht? Na, wie ich sag, Fräulein, Dienst. Ja, warum sind Sie denn so lang in Ungarn geblieben? Ja, das kommt so. Da muß man ja wahnsinnig werden. Warum denn? Zu tun hat man eigentlich mehr wie da. Wissen S', Fräulein, Rekruten ausbilden, Remonten reiten ... und dann ists nicht so arg mit der Gegend, wie man sagt. Es ist schon ganz was schönes, die Tiefebene – und so ein Sonnenuntergang, es ist schade, daß ich kein Maler bin, ich hab mir manchmal gedacht, wenn ich ein Maler wär, tät ichs malen. Einen haben wir gehabt beim Regiment, einen jungen Splany, der hats können. – Aber was erzähl ich Ihnen da für fade Gschichten, Fräulein. O bitte, ich amüsiere mich königlich. Wissens S', Fräulein, mit Ihnen kann man plaudern, das hat mir der Lulu schon gsagt, und das ists, was man selten findt. Nun freilich, in Ungarn. Aber in Wien grad so! Die Menschen sind überall dieselben; da wo mehr sind, ist halt das Gedräng größer, das ist der ganze Unterschied. Sagen S', Fräulein, haben Sie die Menschen eigentlich gern? Gern –?? Ich hasse sie! Ich kann keine sehn! Ich seh auch nie jemanden. Ich bin immer allein, dieses Haus betritt niemand. Sehn S', das hab ich mir gedacht, daß Sie eigentlich eine Menschenfeindin sind. Bei der Kunst muß das oft vorkommen. Wenn man so in den höheren Regionen ... na, Sie habens gut. Sie wissen doch wenigstens, warum Sie leben! Wer sagt Ihnen das? Ich habe keine Ahnung, wozu ich lebe! Ich bitt Sie, Fräulein – berühmt – gefeiert – Ist das vielleicht ein Glück? Glück? Bitt Sie, Fräulein, Glück gibts nicht. Überhaupt gerade die Sachen, von denen am meisten g'redt wird, gibts nicht ... zum Beispiel die Liebe. Das ist auch so was. Da haben Sie wohl recht. Genuß ... Rausch ... also gut, da läßt sich nichts sagen ... das ist was sicheres. Jetzt genieße ich ... gut, weiß ich, ich genieß. Oder ich bin berauscht, schön. Das ist auch sicher. Und ists vorbei, so ist es halt vorbei. groß. Es ist vorbei! Aber sobald man sich nicht, wie soll ich mich denn ausdrücken, sobald man sich nicht dem Moment hingibt, also an später denkt oder an früher ... na, ist es doch gleich aus. Später ... ist traurig ... früher ist ungewiß ... mit einem Wort ... man wird nur konfus. Hab ich nicht recht? nickt mit großen Augen. Sie haben wohl den Sinn erfaßt. Und sehen S', Fräulein, wenn einem das einmal klar geworden ist, ists ganz egal, ob man in Wien lebt oder in der Pußta oder in Steinamanger. Schaun S' zum Beispiel ... wo darf ich denn die Kappen hinlegen? So, ich dank schön ... wovon haben wir denn nur gesprochen? Von Steinamanger. Richtig. Also wie ich sag, der Unterschied ist nicht groß. Ob ich am Abend im Kasino sitz oder im Klub, ist doch alles eins. Und wie verhält sich denn das mit der Liebe? Wenn man dran glaubt, ist immer eine da, die einen gern hat. Zum Beispiel das Fräulein Birken. Ich weiß wirklich nicht, Fräulein, warum Sie immer auf die kleine Birken zu reden kommen. Das ist doch Ihre Geliebte. Wer sagt denn das? Jeder Mensch weiß das. Nur ich nicht, es ist merkwürdig. Sie haben doch ihretwegen ein Duell gehabt! Vielleicht bin ich sogar totgeschossen worden und habs gar nicht bemerkt. Nun, Herr Graf, Sie sind ein Ehrenmann. Setzen Sie sich näher. Bin so frei. Hierher. Sie zieht ihn an sich, fährt ihm mit der Hand durch die Haare. Ich hab gewußt, daß Sie heute kommen werden! Wieso denn? Ich hab es bereits gestern im Theater gewußt. Haben Sie mich denn von der Bühne aus gesehen? Aber Mann! Haben Sie denn nicht bemerkt, daß ich nur für Sie spiele? Wie ist das denn möglich? Ich bin ja so geflogen, wie ich Sie in der ersten Reihe sitzen sah! Geflogen? Meinetwegen? Ich hab keine Ahnung gehabt, daß Sie mich bemerkten! Sie können einen auch mit Ihrer Vornehmheit zur Verzweiflung bringen. Ja Fräulein ... »Ja Fräulein«! ... So schnallen Sie doch wenigstens Ihren Säbel ab! Wenn es erlaubt ist. Schnallt ihn ab, lehnt ihn ans Bett. Und gib mir endlich einen Kuß. küßt sie, sie läßt ihn nicht los. Dich hätte ich auch lieber nie erblicken sollen. Es ist doch besser so! – Herr Graf, Sie sind ein Poseur! Ich – warum denn? Was glauben Sie, wie glücklich wär mancher, wenn er an Ihrer Stelle sein dürfte! Ich bin sehr glücklich. Nun, ich dachte, es gibt kein Glück. Wie schaust du mich denn an? Ich glaube, Sie haben Angst vor mir, Herr Graf! Ich sags ja, Fräulein, Sie sind ein Problem. Ach, laß du mich in Frieden mit der Philosophie ... komm zu mir. Und jetzt bitt mich um irgendwas ... du kannst alles haben, was du willst. Du bist zu schön. Also, ich bitte um die Erlaubnis – Ihre Hand küssend. –, daß ich heute abends wiederkommen darf. Heut abend ... ich spiele ja. Nach dem Theater. Um was anderes bittest du nicht? Um alles andere werde ich nach dem Theater bitten. verletzt. Da kannst du lange bitten, du elender Poseur. Ja schauen Sie, oder schau, wir sind doch bis jetzt so aufrichtig miteinander gewesen ... Ich fände das alles viel schöner am Abend nach dem Theater ... gemütlicher als jetzt, wo ... ich hab immer so die Empfindung, als könnte die Tür aufgehn ... Die geht nicht von außen auf. Schau, ich find, man soll sich nicht leichtsinnig von vornherein was verderben, was möglicherweise sehr schön sein könnte. Möglicherweise! ... In der Früh, wenn ich die Wahrheit sagen soll, find ich die Liebe gräßlich. Nun – du bist wohl das Irrsinnigste, was mir je vorgekommen ist! Ich red ja nicht von beliebigen Frauenzimmern ... schließlich im allgemeinen ists ja egal. Aber Frauen wie du ... nein, du kannst mich hundertmal einen Narren heißen. Aber Frauen wie du ... nimmt man nicht vor dem Frühstück zu sich. Und so ... weißt ... so ... Gott, was bist du süß! Siehst du das ein, was ich g'sagt hab, nicht wahr. Ich stell mir das so vor – Nun, wie stellst du dir das vor? Ich denk mir ... ich wart nach dem Theater auf dich in ein Wagen, dann fahren wir zusammen also irgendwohin soupieren – Ich bin nicht das Fräulein Birken. Das hab ich ja nicht gesagt. Ich find nur, zu allem g'hört Stimmung. Ich komm immer erst beim Souper in Stimmung. Das ist dann das Schönste, wenn man so vom Souper zusamm nach Haus fahrt, dann ... Was ist dann? Also dann ... liegt das in der Entwicklung der Dinge. Setz dich doch näher. Näher. sich aufs Bett setzend. Ich muß schon sagen, aus den Polstern kommt so ein ... Reseda ist das – nicht? Es ist sehr heiß hier, findest du nicht? neigt sich und küßt ihren Hals. Oh, Herr Graf, das ist ja gegen Ihr Programm. Wer sagt denn das? Ich hab kein Programm. zieht ihn an sich. Es ist wirklich heiß. Findest du? Und so dunkel, wie wenns Abend wär ... Reißt ihn an sich. Es ist Abend ... es ist Nacht ... Mach die Augen zu, wenns dir zu licht ist. Komm! ... Komm! ... wehrt sich nicht mehr. – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – Nun, wie ist das jetzt mit der Stimmung, du Poseur? Du bist ein kleiner Teufel. Was ist das für ein Ausdruck? Na, also ein Engel. Und du hättest Schauspieler werden sollen! Wahrhaftig! Du kennst die Frauen! Und weißt du, was ich jetzt tun werde? Nun? Ich werde dir sagen, daß ich dich nie wiedersehen will. Warum denn? Nein, nein. Du bist mir zu gefährlich! Du machst ja ein Weib toll. Jetzt stehst du plötzlich vor mir, als wär nichts geschehn. Aber ... Ich bitte sich zu erinnern, Herr Graf, ich bin soeben Ihre Geliebte gewesen. Ich werds nie vergessen! Und wie ist das mit heute abend? Wie meinst du das? Nun – du wolltest mich ja nach dem Theater erwarten? Ja, also gut, zum Beispiel übermorgen. Was heißt das, übermorgen? Es war doch von heute die Rede. Das hätte keinen rechten Sinn. Du Greis! Du verstehst mich nicht recht. Ich mein das mehr, was, wie soll ich mich ausdrücken, was die Seele anbelangt. Was geht mich deine Seele an? Glaub mir, sie gehört mit dazu. Ich halte das für eine falsche Ansicht, daß man das so voneinander trennen kann. Laß mich mit deiner Philosophie in Frieden. Wenn ich das haben will, lese ich Bücher. Aus Büchern lernt man ja doch nie. Das ist wohl wahr! Drum sollst du mich heut abend erwarten. Wegen der Seele werden wir uns schon einigen, du Schurke! Also wenn du erlaubst, so werde ich mit meinem Wagen ... Hier in meiner Wohnung wirst du mich erwarten – ... Nach dem Theater. Natürlich. Er schnallt den Säbel um. Was machst du denn da? Ich denke, es ist Zeit, daß ich geh. Für einen Anstandsbesuch bin ich doch eigentlich schon ein bissel lang geblieben. Nun, heut abend soll es kein Anstandsbesuch werden. Glaubst du? Dafür laß nur mich sorgen. Und jetzt gib mir noch einen Kuß, mein kleiner Philosoph. So, du Verführer, du ... süsses Kind, du Seelenverkäufer, du Iltis ... du ... Nachdem sie ihn ein paarmal heftig geküßt, stößt sie ihn heftig von sich. Herr Graf, es war mir eine große Ehre! Ich küß die Hand, Fräulein! Bei der Tür. Auf Wiederschaun. Adieu, Steinamanger! 10. Der Graf und die Dirne X Der Graf und die Dirne. Morgen, gegen sechs Uhr. Ein ärmliches Zimmer, einfenstrig, die gelblichschmutzigen Rouletten sind herunter gelassen. Verschlissene grünliche Vorhänge. Eine Kommode, auf der ein paar Photographien stehen und ein auffallend geschmackloser, billiger Damenhut liegt. Hinter dem Spiegel billige japanische Fächer. Auf dem Tisch, der mit einem rötlichen Schutztuch überzogen ist, steht eine Petroleumlampe, die schwach brenzlich brennt, papierener, gelber Lampenschirm, daneben ein Krug, in dem ein Rest von Bier ist, und ein halb geleertes Glas. Auf dem Boden neben dem Bett liegen unordentlich Frauenkleider, als wenn sie eben rasch abgeworfen worden wären. Im Bett liegt schlafend die Dirne, sie atmet ruhig. – Auf dem Diwan, völlig angekleidet, liegt der Graf, im Drapp-Überzieher, der Hut liegt zu Häupten des Diwans auf dem Boden. bewegt sich, reibt die Augen, erhebt sich rasch, bleibt sitzen, schaut um sich. Ja, wie bin ich denn ... Ah so ... Also bin ich richtig mit dem Frauenzimmer nach Haus ... Er steht rasch auf, sieht ihr Bett. Da liegt s' ja ... Was einem noch alles in meinem Alter passieren kann. Ich hab keine Idee, haben s' mich da heraufgetragen? Nein ... ich hab ja gesehn – ich komm in das Zimmer ... ja ... da bin ich noch wach gewesen oder wach worden ... oder ... oder ist vielleicht nur, daß mich das Zimmer an was erinnert? ... Meiner Seel, na ja ... gestern hab ichs halt g'sehn ... Sieht auf die Uhr. Was! Gestern, vor ein paar Stunden – Aber ich habs g'wußt, daß was passieren muß ... ich habs g'spürt ... wie ich ang'fangen hab zu trinken gestern, hab ichs g'spürt, daß ... Und was ist denn passiert? ... Also nichts ... Oder ist was ...? Meiner Seel ... seit ... also seit zehn Jahren ist mir so was nicht vorkommen, daß ich nicht weiß ... Also kurz und gut, ich war halt b'soffen. Wenn ich nur wüßt, von wann an ... Also das weiß ich noch ganz genau, wie ich in das Hurenkaffeehaus hinein bin mit dem Lulu und ... nein, nein ... vom Sacher sind wir ja noch weggangen ... und dann auf dem Weg ist schon ... Ja richtig, ich bin ja in meinem Wagen g'fahren mit'm Lulu ... Was zerbrich ich mir denn viel den Kopf. Ist ja egal. Schaun wir, daß wir weiterkommen. Steht auf. Die Lampe wackelt. Oh! Sieht auf die Schlafende. Die hat halt einen g'sunden Schlaf. Ich weiß zwar von gar nix – aber ich werd ihr's Geld aufs Nachtkastel legen ... und Servus ... Er steht vor ihr, sieht sie lange an. Wenn man nicht wüßt, was sie ist! Betrachtet sie lang. Ich hab viel kennt, die haben nicht einmal im Schlafen so tugendhaft ausg'sehn. Meiner Seel ... also der Lulu möcht wieder sagen, ich philosophier, aber es ist wahr, der Schlaf macht auch schon gleich, kommt mir vor; – wie der Herr Bruder, also der Tod ... Hm, ich möcht nur wissen, ob ... Nein, daran müßt ich mich ja erinnern ... Nein, nein, ich bin gleich da auf den Diwan herg'fallen und nichts ist g'schehn ... Es ist unglaublich, wie sich manchmal alle Weiber ähnlich schauen ... Na, gehn wir. Er will gehen. Ja richtig. Er nimmt die Brieftasche und ist eben daran eine Banknote herauszunehmen. wacht auf. Na ... wer ist denn in aller Früh –? Erkennt ihn. Servus, Bubi! Guten Morgen. Hast gut g'schlafen? reckt sich. Ah, komm her. Pussi geben. beugt sich zu ihr herab, besinnt sich, wieder fort. Ich hab grad fortgehen wollen ... Fortgehn? Es ist wirklich die höchste Zeit. So willst du fortgehn? fast verlegen. So ... Na, Servus; kommst halt ein anderes Mal. Ja, grüß dich Gott. Na, willst nicht das Handerl geben? gibt die Hand aus der Decke hervor. nimmt die Hand und küßt sie mechanisch, bemerkt es, lacht. Wie einer Prinzessin. Übrigens, wenn man nur ... Was schaust mich denn so an? Wenn man nur das Kopferl sieht, wie jetzt ... beim Aufwachen sieht doch eine jede unschuldig aus ... meiner Seel, alles mögliche könnt man sich einbilden, wenns nicht so nach Petroleum stinken möcht ... Ja, mit der Lampen ist immer ein G'frett. Wie alt bist denn eigentlich? Na, was glaubst? Vierundzwanzig. Ja freilich. Bist schon älter? Ins Zwanzigste geh i. Und wie lang bist du schon ... Bei dem G'schäft bin i ein Jahr! Da hast du aber früh ang'fangen. Besser zu früh als zu spät. setzt sich aufs Bett. Sag mir einmal, bist du eigentlich glücklich? Was? Also ich mein, gehts dir gut? Oh, mir gehts alleweil gut. So ... Sag, ist dir noch nie eing'fallen, daß du was anderes werden könntest? Was soll i denn werden? Also ... Du bist doch wirklich ein hübsches Mädel. Du könntest doch zum Beispiel einen Geliebten haben. Meinst vielleicht, ich hab kein? Ja, das weiß ich – ich mein aber einen, weißt einen, der dich aushalt, daß du nicht mit einem jeden zu gehn brauchst. I geh auch nicht mit ein jeden. Gott sei Dank, das hab i net notwendig, ich such mir s' schon aus. sieht sich im Zimmer um. bemerkt das. Im nächsten Monat ziehn wir in die Stadt, in die Spiegelgasse. Wir? Wer denn? Na, die Frau, und die paar anderen Mädeln, die noch da wohnen. Da wohnen noch solche – Da daneben ... hörst net ... das ist die Milli, die auch im Kaffeehaus g'wesen ist. Da schnarcht wer. Das ist schon die Milli, die schnarcht jetzt weiter n' ganzen Tag bis um zehn auf d' Nacht. Dann steht s' auf und geht ins Kaffeehaus. Das ist doch ein schauderhaftes Leben. Freilich. Die Frau gift sich auch genug. Ich bin schon um zwölfe Mittag immer auf der Gassen. Was machst denn um zwölf auf der Gassen? Was werd ich denn machen? Auf den Strich geh ich halt. Ah so ... natürlich ... Steht auf, nimmt die Brieftasche heraus, legt ihr eine Banknote auf das Nachtkastel. Adieu! Gehst schon ... Servus ... Komm bald wieder. Legt sich auf die Seite. bleibt wieder stehen. Du, sag einmal, dir ist schon alles egal – was? Was? Ich mein, dir machts gar keine Freud mehr. gähnt. Ein Schlaf hab ich. Dir ist alles eins, ob einer jung ist oder alt, oder ob einer ... Was fragst denn? ... Also – Plötzlich auf etwas kommend. – meiner Seel, jetzt weiß ich, an wen du mich erinnerst, das ist ... Schau i wem gleich? Unglaublich, unglaublich, jetzt bitt ich dich aber sehr, red gar nichts, eine Minute wenigstens ... Schaut sie an. Ganz dasselbe G'sicht, ganz dasselbe G'sicht. Er küßt sie plötzlich auf die Augen. Na ... Meiner Seel, es ist schad, daß du ... nichts andres bist ... Du könntst ja dein Glück machen! Du bist grad wie der Franz. Wer ist Franz? Na, der Kellner von unserm Kaffeehaus ... Wieso bin ich grad so wie der Franz? Der sagt auch alleweil, ich könnt mein Glück machen, und ich soll ihn heiraten. Warum tust du's nicht? Ich dank schön ... ich möcht nicht heiraten, nein, um keinen Preis. Später einmal vielleicht. Die Augen ... ganz die Augen ... Der Lulu möcht sicher sagen, ich bin ein Narr – aber ich will dir noch einmal die Augen küssen ... so ... und jetzt grüß dich Gott, jetzt geh ich. Servus ... bei der Tür. Du ... sag ... wundert dich das gar nicht ... Was denn? Daß ich nichts von dir will. Es gibt viel Männer, die in der Früh nicht aufgelegt sind. Na ja ... Für sich. Zu dumm, daß ich will, sie soll sich wundern ... Also Servus ... Er ist bei der Tür. Eigentlich ärger ich mich. Ich weiß doch, daß es solchen Frauenzimmern nur aufs Geld an kommt ... was sag ich – solchen ... es ist schön ... daß sie sich wenigstens nicht verstellt, das sollte einen eher freuen ... Du – weißt, ich komm nächstens wieder zu dir. mit geschlossenen Augen. Gut. Wann bist du immer zu Haus? Ich bin immer zu Haus. Brauchst nur nach der Leocadia zu fragen. Leocadia ... Schön – Also grüß dich Gott. Bei der Tür. Ich hab doch noch immer den Wein im Kopf. Also das ist doch das Höchste ... ich bin bei so einer und hab nichts getan, als ihr die Augen geküßt, weil sie mich an wen erinnert hat ... Wendet sich zu ihr. Du, Leocadie, passiert dir das öfter, daß man so weggeht von dir? Wie denn? So wie ich? In der Früh? Nein ... ob schon manchmal wer bei dir war – und nichts von dir wollen hat? Nein, das ist mir noch nie g'schehn. Also, was meinst denn? Glaubst, du g'fallst mir nicht? Warum soll ich dir denn nicht g'fallen? Bei der Nacht hab ich dir schon g'fallen. Du g'fallst mir auch jetzt. Aber bei der Nacht hab ich dir besser g'fal len. Warum glaubst du das? Na, was fragst denn so dumm? Bei der Nacht ... ja, sag, bin ich denn nicht gleich am Diwan hing'fallen? Na freilich ... mit mir zusammen. Mit dir? Ja, weißt denn du das nimmer? Ich hab ... wir sind zusammen ... ja ... Aber gleich bist eing'schlafen. Gleich bin ich ... So ... Also so war das! ... Ja, Bubi. Du mußt aber ein ordentlichen Rausch g'habt haben, daß dich nimmer erinnerst. So ... – Und doch ... es ist eine entfernte Ähnlichkeit ... Servus ... Lauscht. Was ist denn los? Das Stubenmädl ist schon auf. Geh, gib ihr was beim Hinausgehn. Das Tor ist auch offen, ersparst den Hausmeister. Ja. Im Vorzimmer. Also ... Es wär doch schön gewesen, wenn ich sie nur auf die Augen geküßt hätt. Das wäre beinahe ein Abenteuer gewesen ... Es war mir halt nicht bestimmt. Das Stubenmädel steht da, öffnet die Tür. Ah – da haben S' ... Gute Nacht. – Guten Morgen. Ja freilich ... guten Morgen ... guten Morgen.