§. 19. Frevel an den Toden. Wer der Toden spottet, wird von ihnen zur gerechten Strafe gezogen. Man soll die Toden ruhen lassen, von ihnen nur Gutes reden. 1. An einem Sonntage ging ein lustiger Geselle, ein Bauer, vor dem Gottesdienste in das Beinhaus, wo er einen Todenkopf sah, der noch alle seine Zähne hatte. In seinem Muthwillen gedachte er der Knödeln, welche auf Mittag seiner warteten, und auch dem Todenkopf mit seinen guten Zähnen nicht zu hart seyn würden. Er lud ihn also auf Mittag ein, und der Schädel nickte. Voll Entsetzen eilt der Frevler nach Hause und schloß sich ein. Aber der Knochenmann kam zur verschlossenen Thüre herein und setzte sich zu dem Bauer an den Tisch: er griff zu und auch der Bauer mußte essen, so wenig es ihm schmeckte. Nach der Mahlzeit lud der Knochenmann seinen Wirth zu Gast und ließ diesen halbtod vor Schrecken zurück. In seiner Angst lief er zum Pfarrer, damit er ihm helfe. Aber dieser erklärte ihm, wie eine Weigerung nichts helfen würde: doch wolle er ihn auf dem Gange begleiten. Als sie in den Freidhof traten, sahen sie ein Grab offen; der Tode stieg heraus, umarmte seinen Gast und das Grab schloß sich über beyden. Hundert Jahre blieb der Bauer aus. Nach dieser langen Zeit, die ihm wie ein langer Morgen vorkam, erstand er aus dem Grabe und wollte zu Hause um sein Vieh umschauen, aber Niemand kannte ihn, Alles floh vor ihm. Er erzählte sein Schicksal und ging nun die kurze Zeit, die er noch lebte, in der Umhut bey guten Leuten zur Mahlzeit herum. Falkenstein.