236. Die Nymphen von Kastell. Von Philipp Scherl. 1. Auf Flachstein, moosumgürtet, Im Glanz der Mitternacht, Hält Lula mit Wellentöchtern Einsame Brunnenwacht. Sie bringt das wimmernde Wasser Heut nicht zum leisen Gang, Fern aber aus Tannenwölbung Rauscht Tanz und Gesang. Und die Töchter, schön und lüstern, Umrücken die Mutter ganz: Da drüben ist Pomp und Hochzeit, Führ' uns zum Buhlentanz. Die Mutter aber seufzet: O Kinder, schweifet aus, Nur kehrt bei Todesahnung Heut bald ins Wellenhaus. 2. Blank leuchtet im gewölbten Saal Der Glanz und gold'ne Flitter, Es flammt der Kelch, es dampft das Mahl Und taumelnd sinkt der Ritter. Graf Otto, wie der Templer kühn, Rigissa, zart wie Lilien blüh'n, Bejahten heut die Frage Und hielten Brautgelage. Und jetzo vom Geländer hoch Hört man den Takt erschallen, Und brausend in die Runde flog Der Wirbel der Vasallen. Der frische Blick, das graue Haar – Wie kettet flink sich Paar an Paar, Doch leis' wie Lüfte schleichen Tanzt Gräfin ihren Reigen. Da plötzlich springt das Flügelthor: Drei Mädchen zum Entzücken Mit Schneegewand und Silberflor Verneigten sich den Blicken. Ein Krönchen schließt das blonde Haar, Der Gürtel flimmert wunderbar, Und alles auf dem Feste Umdrängt die schönen Gäste. Und stolz am Arm der Ritter zog Die Nymphe durch die Hallen, Und brausend in die Runde flog Der Wirbel der Vasallen. Sie schwenkten rasch nach altem Brauch, Wie Donnersturm und Zephyrhauch Und tanzten ohne Wanken Bis Mond und Stern' versanken. »Schön Dank, ihr Herrn, der Dämmer bricht, Zum andernmal, dann wieder!« »Was, Schönste, was? doch scheiden nicht? Frisch auf, ihr flinken Brüder!« Das Zeichen tönt, die Tücher weh'n, Die Cymbel rauscht, die Tänzer steh'n, Und flüchtig um die Wette Schlingt Kette sich an Kette. »Der Schatten zieht, die Wolken zieh'n, O Ritter, tanz' zu Ende!« »Ha Jugendblut, ha Flattersinn, Wer dreht sich da die Hände!« Und Sang und Klang und Wirbellust Betäuben die beklemmte Brust Und laut vom wilden Schalle Erzittert Dach und Halle. »O hörst du nicht? Das Schluchzen nicht? Das Wimmern aus den Teichen?« – »Mein Kind, was soll das Traumgesicht, Zum letzten noch den Reigen!« Und Sang und Klang und Wirbellust Betäuben die beklemmte Brust Und laut vom wilden Schalle Erzittert Dach und Halle. Verlockter Leichtsinn, frevle nicht! Ich zitt're schon, ich ahne! Weh! Weh! dort blitzt das Morgenlicht, Lautflatternd kräh'n die Hahne. Und jach, wie Sturm die Wälder schreckt, Entsetzt und bleich und schweißbedeckt, Entstürzen, hilf Erbarmen, Die Schwestern aus den Armen. Und Knapp' und Ritter fliegend auf, Und d'rein mit Ruf und Winken, Bis in des Strudels Kreisellauf Die Jammernden versinken. Erschrocken blickt der Schwarm hinab Dumpfwimmernd stöhnt das feuchte Grab Und aus der Höhlung quellen Drei dunkelblut'ge Wellen. Jetzt blickt die Veste öd' und leer Aus moderndem Gesteine, Die gute Nymphe spielt nicht mehr Im lauen Mondenscheine. Der Quell, der einst so munter floß, Und Kraft und lindes Heil verschloß, Schleicht trauernd durch die Gründe, Ein Bild gestrafter Sünde.