263. St. Johannisnacht auf der Karleburg. Von Schöppner. – Karleburg oder Karlsburg bei Karlstadt am Main. – C.v. Falkenstein Buch der Kaisersagen S. 122. Es macht in der Sankt Johannisnacht Auf Karlsburg ein Zug die Runde; Ein Leichenzug geht still und stumm Im Gemäuer der Burg dreimal herum Zur mitternächtigen Stunde. Auf jenem Schloß an des Maines Gestad So stolz und luftig zu schauen Erblühte der knospenden Rose gleich Ein Fräulein an Adel und Tugend reich, Die Perle fränkischer Frauen. Zwei Ritter kamen gezogen von fern, Den Edelstein zu erwerben, Doch weil von Zweien nur Einer allein Als Bräutigam konnte die Liebliche frein, So mußte der Andre verderben. Nur Einer konnte der glückliche sein, Das kränkte den Anderen bitter; »Du sollst mir theuer bezahlen die Braut, Die wird mit der Klinge dir angetraut!« So schwur der verachtete Ritter. Und nächtlicher Weile lauert und harrt In glühendem Racheverlangen Der Ritter des Feindes am Felsenthor – Da tritt der glückliche Jüngling hervor, Von der Liebsten kam er gegangen. »Willkommen Gesell! willkommen zum Strauß! Jetzt sollst du die Braut dir erwerben! Hier über die zackige Felsenwand Muß einer von uns an des Maines Strand Hinabgeschleudert verderben.« Und es zucken wie Blitze die Klingen empor Und es rasseln die Schwerter so munter – Ein Schrei und ein Fall! der Jüngling gut Er stürzt getroffen in seinem Blut Die zackigen Felsen hinunter. Und es macht in der Sankt Johannisnacht Auf Karlsburg ein Zug die Runde; Ein Leichenzug geht still und stumm Mit des Jünglings Sarg in der Burg herum Zur mitternächtigen Stunde.