157. Die Geisterkirche auf dem Ochsenkopf. Von Ludwig Braunfels. – Ausf. Beschr. des Fichtelberges S. 69. Goldfuß u. Bischof a.a.O. I., 302. J.v. Plänckner Piniferus S. 141. Am Sankt Johannismorgen steigt Ein Knab' zum Fichtelberge: Das ist der Tag, der offen zeigt Den goldnen Schacht der Zwerge; Und wer da fühlet kecken Muth, Mag rauben aus der Geister Hut, Weß' ihm das Herz gelüstet. Der Knab' erklimmt in Sprung und Lauf Die steilsten Bergeshänge; Und wie er hört vom Dorf herauf Der Glocken Morgenklänge, Da fällt des Frühroths erster Schein Wohl auf das kalte Felsgestein Mit wunderbarem Glänzen. Und eine Blum' im Goldgewand Steigt auf am steilsten Orte; Er pflückt sie; und die Felsenwand Zeigt plötzlich eine Pforte. Und von der Blume kaum berührt, Springt auf das Eisenthor; es führt Hinein zur Geisterkirche. Auf Silbersäulen dringt empor Gewölbe von Rubinen; Ein Hochaltar steht dort im Chor, Vom Himmelslicht beschienen. Aus jeder Nische goldner Glanz! Von Säul' zu Säulen schwebt ein Kranz Aus Perlen reich geflochten. Ein Priester Segensworte spricht Zum frommen Volksvereine; Doch sieht der Knab' den Priester nicht, Und nicht die Kirchgemeine. Dann hebt sich an ein heil'ger Sang Mit Glockengruß und Orgelklang, Und wonnig lauscht der Knabe. Doch eine leise Stimme ruft: »Frisch auf, du kühner Knabe, Eh' dir die Kirche wird zur Gruft, Nimm von der reichen Habe! Nimm Gold und Perlen und Gestein Nimm, weß' begehrt das Herze dein, Nur eil', und kehre nimmer.« Der Knabe hört's, doch geht er nicht: Was Gold und Steingeflimmer! Ihm ist so wohl, so klar und licht; Und scheiden möcht' er nimmer. Und wieder ruft's: »Geschwind! geschwind! Du bist verloren, mein armes Kind!« – Er bleibt, er lauscht dem Sange. Mit Eins verstummt der Geisterchor; Und bei dem letzten Halle Da wird es Nacht; das Eisenthor Schließt sich mit Donnerschalle. Da sinkt er hin im goldnen Schacht, Da ist er in der Zwerge Macht; Kein Auge sah ihn wieder.