259. Die versunkene Mühle. Von F.J. Freiholz. – An der Straße nach Veitshöchheim, wo das Siechenhaus steht. Es saßen einst vier Gesellen In einer Mühle am Main, Die zechten da und die sangen Manch wüstes Lied darein. Sie fluchten auf Gott und Teufel, Auf Zeit und auf Ewigkeit; Sie fluchten dem eig'nen Fluchen In ihrer Trunkenheit. Da tappt es leis an der Thüre, Da tappt es leis an dem Schloß, So daß den wilden Gesellen Der Schweiß vom Antlitz floß. Sie sitzen ganz still und ruhig, Nur einer springet hervor, Verlacht die feigen Gefährten Und öffnet keck das Thor. Doch draußen da stehet zitternd In einem ärmlichen Kleid, Mit ihren bittenden Augen Die wunderschönste Maid. In herrlichen Locken wallet Ihr schwarzes glänzendes Haar, Es bringt das leuchtende Auge Wohl jedem Herz Gefahr. Da jubelten die Gesellen, Im wilden, lustigen Chor; Es schlug die schüchternen Augen Die holde Maid empor: »O gebet mir Trank und Speise Und lasset fürder mich ziehn, Ich muß noch heute nach Würzburg, Der Frankenhauptstadt hin.« »Ho! ho! du mein blödes Täubchen,« So schreit der Erste und lacht, »Du wirst so schnell nicht entwischen, Du bleibst bei mir heut Nacht!« »Ho! ho!« so schreiet der Zweite, »Komm' Mädel trinke mit mir Und ich verlange nichts weiter Als einen Kuß dafür.« »Ho! ho!« so schreiet der Dritte, »Ich wünsch' ein Tänzchen mit dir, O komm' schwarzlockiges Mädel Und tanze ein's mit mir.« Jedoch in der Brust des Vierten, Da wirkt der Liebe Gewalt, Verdrängt die rohe Begierde Durch ihre Huldgestalt. »O komme,« so rief er freudig, »O komme, holdeste Maid; Ich will dich treulich beschützen, Ich geb dir das Geleit; Ich liebe dich fest im Herzen, Ich lieb' dich innig und wahr, Trau meinem kräftigen Arme Er schützt dich vor Gefahr.« Da neiget sich süß erröthend, Zu ihm die herrliche Maid, Aus ihren glühenden Lippen Saugt er sich Seligkeit. So hielt er fest sie umschlungen Mit seinem kräftigen Arm; Wie ruht am Busen der Liebsten Er gar so süß und warm. Drob zürnten die drei Gesellen, Und schrie'n und lärmten darein; »Laß Bruder, lasse die Beute, Denn sie ist allgemein. Es hole sich Jeder selber Was er für's beste dann hält, So haben wir's stets getrieben, So ist der Lauf der Welt.« Doch fester hält er im Arme Die ewig theuere Maid, Er faßt die blinkende Waffe, Und ist zum Kampf bereit. Da stürmen die drei Gesellen, Auf ihren Bruder herein, Und stoßen mordende Dolche Ihm tief in's Herz hinein. Er sinket verblutend nieder, Das Leben will ihm entfliehn, Da wirft sich seine Geliebte Noch einmal auf ihn hin. Sie preßt ihn an ihren Busen, Und an ihr pochendes Herz, Sie kühlt mit brennenden Küssen Ihm seinen Todesschmerz. Doch jach empor von dem Boden, Reißt sie der erste Gesell, Umschlingt das bebende Mädchen Mit seinen Armen schnell. Er eilt mit ihr zu der Thüre, Und faßt das dröhnende Schloß, Als einer seiner Gefährten, Von hinten ihn erschoß. Da fassen die zwei Gesellen An beiden Armen die Maid; Doch über ihrem Besitze Entbrannte neu der Streit. Es kämpfen die zwei Gesellen Um sie auf Leben und Tod; Von ihrem strömenden Blute Ist ringsum alles roth. Sie stoßen die blut'gen Dolche Zugleich in's Herz sich hinein; Doch während die Zwei sich morden Entkömmt die Maid zum Main. Hier springt sie in die Fluthen, In's tiefe, ruhige Grab, Mit ihrem Leid um den Theuren, Mit ihrem Schmerz hinab. Da bebte es in der Runde, Weit öffnete sich der Main, Zog die verrufene Mühle In seinen Schooß hinein. Da stehet sie nun noch unten, Und treibet ihr Rad noch heut, Gar viele hörten sie rauschen Zur mitternächt'gen Zeit. Es schlagen die Wellen höher, Wo einst die Mühle versank, Gar mancher ist hier ertrunken, Der sonst kein Wasser trank. Drum beten auch alle Schiffer, Beim unterirdischen Haus Ein andächt'ges Vaterunser Zum heil'gen Nicolaus.