855. Die Felsen-Jungfrau bei Weltenburg. Von Isabella Braun. – Mündlich. 1. Weiche Sommerlüfte kosen In der nächtlich stillen Au; Blüthen, Blumenkelche, Rosen Trinken süßen Abendthau; Gräser schwanken wie im Tanze, Elfen schweben im Gefild, Und der Mond im weichen Glanze Blicket auf das holde Bild. Auch der Donaustrom, der greise, Wallet hin im Wellengang, Feierlich, doch mild und leise Hält er seinen Abendsang. S' ist, als ob ein junges Leben Walte keck in seinem Schoos; Denn die Wellen senken, heben Glänzend sich und fessellos; Wiegen wie im Jugendspiele Leicht ein Schifflein her und hin; Nicht nach vorgesetztem Ziele Steuernd, liegt ein Schiffer drin. Glühend sendet er die Augen Auf die Wogen, monderhellt, All die Schönheit einzusaugen Dieser seiner Lebenswelt. Offen, wie der Kelch der Blüthe, Weich, als wie der Blumenhauch, Ist des Schiffers jung Gemüthe, Wogend, wie die Welle auch. Alle seine Liebeslieder Läßt er rauschen in die Fluth, Und die Töne steigen nieder, Wo die Wassernixe ruht. Sieh! da tauchet aus der Welle Rasch und leicht die Nixe auf, Und der Mond wirft mild und helle Seinen Silberglanz darauf; Macht die blonden Locken leuchten Wie das Gold so hell und klar, Senket in den Blick, den feuchten Einen Zauber wunderbar. Und die Nixe lauscht der Lieder, Die der junge Schiffer singt; Mit der Welle auf und nieder Sie die zarten Glieder schwingt; In dem Nixentanze wieget Sich der kleine, schwache Kahn; Da erstaunt der Schiffer, bieget Nieder sich zur Wellenbahn. Sieh! da treffen sich die Augen, Treffen glühend in einand, Und des Schiffers Blicke saugen Ein den wonnig süßen Brand. Doch die Nixe taucht in Wogen Nieder, scherzend voller Lust, Daß des Stromes Wellenbogen Schlagen an des Schiffers Brust. Da durchströmt ein heiß Verlangen Des erstaunten Jünglings Herz, Sich die Nixenmaid zu fangen Zu der Minne süßem Scherz. Zu dem tiefen Wellenschoose Senket er sein Netz hinein, Zieht empor – o, welcher große Welcher Wunderfang ist sein! Aus dem Netze windet leise Sich das Nixlein zart und zahm, Fern von ihrem Wellengleise Steht sie da in holder Scham. Doch der kecke Fischer windet Weich um sie den starken Arm; Und der Nixe Beben schwindet, Und es wird das Herz ihr warm! Und die beiden jungen Herzen Werden Eins in dieser Stund; Bei des Himmels Sternenkerzen Schließen sie den Liebesbund. Ihre Treueschwüre tauschen Sie beim Mondenschimmer ein, Und des Donaustromes Rauschen Muß das Wort des Priesters sein. Und der Zweige leises Säuseln, Und der Lüfte Aeolsklang, Und der Wogen Spiel und Kräuseln, Wird zum süßen Hochzeitsang. 2. Wie zog der silberne Mond heran So manche Nacht an dem Himmelsplan, Sich leise spiegelnd in Stromeswogen: Kein Schifflein kam mehr daher gezogen. Denn o! vergessen in Lust und Scherz Hat bald der Schiffer das treue Herz! In neuem, seligem Liebesbunde Vergessen jene glückliche Stunde! Doch ihm zu eigen in treuer Lieb Das Herz der glühenden Nixe blieb; Und Sehnsuchtsthränen voll Schmerzensgluten Vermischten sich mit den kalten Fluthen. Zum grünen Ufer, wo Blumen steh'n, Wo Bäume kühlende Schatten weh'n, Wo ausgeworfen die Angel hing, Die Nixe suchend den Liebsten ging. Da fand sie ihn endlich nach manchem Tage, Nach manchen Nächten so kummervoll! Da fand sie ihn endlich, und bange Klage Aus ihrem liebenden Herzen quoll: »O, sei mein eigen in treuer Lieb! Die Wogen haben den Schwur gehöret Als du dies zärtliche Herz bethöret! O, sei mein eigen! dein Herz mir gieb, Daß nicht die Woge dir Rache schwöret! Und rühret nimmer dich all mein Flehen, So lerne anderes Wort verstehen, Das unterm Herzen mir leis und bang Dich ›Vater‹ rufet mit Liebesklang!« – So fleht die Nixe und ringt die Hand, Und naht sich liebend dem grünen Strand, Und will ihn ziehen zu sich hinein; Doch höhnend sieht er der Nixe Pein Und stößt sie lachend hinab zur Welle Mit Sang verlassend die Trauerstelle. Da wendet ringend in Qual und Weh Die Nixe sich an des Stromes Fee, Ihr klagend gleich einer Erdenmaid Das thränenbittere Herzeleid; Bang klagend über den theuren Mann, Und flehend sie um Erbarmen an. – Doch weh! es zürnet die Stromesfei! Ihr Auge funkelt in Scham und Scheu! Ihr Herz erbebet bei solcher Kunde! Zur Strafe hebt sie empor die Hand, Die Nixe samt ihrer Liebe Pfand, Verfluchend mit ihrem keuschen Munde. Und sieh! – nicht regt sich die Nixe mehr. Da stehet sie wie ein Fels im Meer Zu Stein verwandelt nun grau und alt – Als ewig warnende Felsgestalt. – 3. Wieder fuhr im schwanken Kahn Auf des Stromes leiser Bahn Hin der Schiffer liebewarm, Haltend nun sein Weib im Arm. Wieder tönen seine Lieder Froh und kräftig durch die Welt; Aber plötzlich still er hält – Denn er sieht die Nixe wieder! Sieht die starre Felsenmasse, Sieht das stiere, graue, grasse Angesicht der Liebsten sein! Da ergreift ihn heiße Pein, Da ergreift ihn Schreck und Grauen, Und sein Blut will stille stehen In dem furchtbar stieren Schauen, Denn er ahnet, was geschehen. – Von Verzweiflung wild gejaget Stürzt er in die grausen Schluchten, Und die blasse Lippe klaget Ob dem Stein, dem schwer verfluchten! Und die Lippe ruft mit Beben Ruft mit heißem Seelenschrei Zu der harten Stromesfei, Diesen Zauberbann zu heben. – Doch dieweil im schwanken Kahn Harrt sein Weib mit Furcht und Grauen; Immer, immer muß sie schauen Dieses starr Gebilde an! – Dreimal stieg die Sonn' herauf Und beschien das Schreckgebilde; Dreimal kam in seinem Lauf Auch der Mond, der sanfte, milde; Doch er ward zum Geisterschein Als er um den Felsen schwebte; Banger noch das Herz ihr bebte, Grausenvoller ward die Pein. Aber immer harrt sie aus! Harret, daß der Gatte kehre Wieder aus dem Schluchtenhaus. Horch! da hört man Raben krächzen! Und aus tiefer Schlucht hervor Kommen sie in schwarzem Heere, Rufend in des Weibes Ohr Ihres Mannes Todesächzen. – Zitternd schleicht davon das Weib, Doch es zieht mit ihr das Beben, Und es wühlt in ihrem Leib, Hemmet ihres Herzens Schlagen, Und nach sieben Leidenstagen, Hat geendet sie das Leben. – 4. Die Schiffer ziehen voll leichtem Muth Im schwanken Nachen durch Stromesfluth, Sie halten fröhlich den Schiffersang Und lauschen munter dem Echoklang. Doch horch! zu Ende ihr Liedchen geht! Vor ihnen steinern die Jungfrau steht, Vom Sturm verwittert das Angesicht Doch noch gelöset vom Banne nicht. Denn drinnen lebet das Nixenkind; Es stöhnet und ächzet durch Fluth und Wind, Und wimmert schaurig die leise Klag Bis einst sie endet der jüngste Tag. –