598. Die Frauengestalt auf dem Igel zu Leuchtenberg. Mündlich. In dem Schlosse der Leuchtenberg wird ein sonderbares Steinbild gezeigt, welches eine Jungfrau darstellt auf einem stachlichten Igel sitzend. Ueber den Ursprung und die Bedeutung des Bildes geht eine Sage unter dem Volke. Es wohnte einmal auf Leuchtenberg ein strenger Herr, der hatte ein schönes, aber bis zum Uebermaße fürwitziges Weib. Ihre Untugend hatte dem Ritter schon argen Verdruß bereitet, Worte und Strafen waren erfolglos geblieben. Eines Tages schwur ihr der harte Mann den Tod, falls sie sich wieder auf frevelhaftem Fürwitz ertappen lasse. Um sie nun auf die Probe zu stellen, verkleidete er sich als Bote und brachte ein Brieflein in's Schloß mit der Weisung, das Schreiben dürfe nur von dem Grafen, nimmermehr von der Gräfin geöffnet werden; für jenen enthalte es ein freundliches Wörtlein, für diese keinen Gewinn. Solches Wort fuhr wie ein Blitz in die Seele der Gräfin und steigerte ihre Neugierde noch durch die peinlichste Eifersucht. Rasch öffnete sie in Gegenwart des Boten Siegel und Brief, im selben Augenblicke aber stand der Bote entlarvt vor ihr, ihr strenger Herr und Gemahl, der nun seines Grimmes und Hohnes keine Grenzen kannte. Seines Schwures eingedenk verurtheilte er die Arme zur Strafe des Igelsitzes und ließ auch nach ihrem Ende das warnende Steinbild verfertigen mit der Unterschrift: »Das macht mein Fürwitz, daß ich auf dem Igel sitz.«