148. Die Riesenburg. Von G. Neumann. – Die Riesenburg bei Engelhardsberg unweit Muggendorf in Oberfr. Es liegt des Sommertages Gluth Schwer auf dem stillen engen Thal, Und Alles sucht des Schattens Hut Vor glüh'nder Sonne Stich und Strahl. Des Berges Inn'res thut sich auf. Wo Felsenmassen ragend stehn, Und über Steinesstufen auf Erklimm' ich diese kühlen Höh'n. Hier weht der Vorzeit Geist mich an, Der riesige Gedanken zeugt, Indeß was unten liegt im Plan Dem schwindelhohen Blick entfleucht. Hier haben Riesen einst gehaust, Die Felsenburg sich aufgethürmt, Die nie der Welt Geräusch umbraust, Die jetzt den müden Wand'rer schirmt. Aus dem vielzackigen Geklüft, An dem das Echo donnernd kracht Les' ich geheime Zauberschrift, Die Schauer alter Märchenpracht. Zwei Brüder lebten einig lang Von Raub und Mord, sie trafen gut Und machten rings der Gegend bang, Denn Mancher lag in seinem Blut. Was fern kam, hat ihr Blick erspäht Vom nahgeleg'nen Adlerstein, Der hoch auf freier Fläche steht, Und schauet weit in's Land hinein. Aus des Versteckes offnem Rund Entsenden sie den Todespfeil; Sie schonen Keinen, tief im Grund Hemmt ihr Geschoß des Wand'rers Eil. Doch Keiner wagt's, das Räuberpaar Zu stören in dem wüsten Raub; Der Berg ist nicht erkletterbar, Sie sind für alle Bitten taub. In ihrer Höhlen tiefer Wand Birgt ihre Gier der Schätze Hauf'. Mit Felsen schließt die Riesenhand Die Oeffnung immer zu und auf. Doch endlich, da sie lange Zeit In ihrer Burg vereint gelebt, Sind sie ob einem Raub entzweit, Den zu besitzen jeder strebt. Und da der Eine einst entwich, Will ihn der Bruder schließen aus, Verrammelt rings zum Schutze sich Mit Stein und Fels das Riesenhaus. Der Andre kommt, stürmt wild empor Laut fluchend, als der droben nimmt Den schwersten Stein zur Wehr hervor, Den treffend, der rasch aufwärts klimmt. Er fällt. – Doch rüttelt seine Faust Im jähen Sturz die Felsen all', Daß auf das Haupt des Feindes braust Der Steine rascher Niederfall. Und Beide geh'n in Einer Stund Zum Tod, der endigt ihren Zwist: Der Riesen Bild im Stein thut kund, Was einstmals hier geschehen ist. Noch steht die Riesenburg so kühn Und trotzt der Zeit Vernichtungszahn, Die ihrem grauen Stein mit Grün Das schönste Kleid hat umgethan. Der Finken lustig Lied erschallt Jetzt in der unbewohnten Burg, Es zieht den dunkeln Tannenwald Ein holder Friede sich hindurch.