4. Trost eines Gefangenen aus den sieben letzten Worten Jesu Der du auf Golgatha gehangen Voll Wunden mit gesenktem Haupt; Mit Blut und Thränen auf den Wangen, Des letzten Trosts von Gott beraubt: Dein Leiden, Mittler! denk' ich heut In meines Kerkers Einsamkeit. O deine letzten Worte tönen Mir in mein Ohr, ich höre sie; So schallt von deinen Himmelssöhnen Der Festgesänge Harmonie: O drücke mir in meinem Schmerz Der Worte tiefen Sinn ins Herz. Da stand die Rott' erstarrter Sünder, Noch knirschend ihren Fluch: Sein Blut Komm' über uns und unsre Kinder! Die Hölle hört's und jauchzte Wuth; Dein Vater schaut herab und droht Von ferne mit Gericht und Tod. Doch du, mit Mitleid auf den Mienen, Schaust diese Todgeweihten an, Und sprichst: Vergib es, Vater! ihnen, Sie wissen nicht, was sie gethan; Gott hört's, die Rache hört es mit, Und säumt in ihrem Donnertritt. Nun will ich auch dem Feind verzeihen, Der lebend mich ins Grab verschloß; Nie gegen den um Rache schreien, Für den das Blut des Lammes floß: Auch wenn er mich zu tödten meint, So bet' ich noch für meinen Feind. Und wenn mich meine Sünden drücken, Versöhner, ach! so bitt' ich dich, Schau mit Erbarmung in den Blicken Hinauf zu deinem Vater; sprich: Vergib auch ihm; er kannte nicht Die Rache der verletzten Pflicht. Als bang und mit zerfloßnem Herzen Dein Jünger unter'm Kreuze stand, Und deine Mutter nun die Schmerzen Des Schwerts in ihrer Seel' empfand, Riefst du mit sanfter Liebe Ton: Sohn! deine Mutter; Weib! dein Sohn. Vor dem ich meinen Jammer weine, Erlöser, wann dieß Auge bricht, So bitt' ich dich, verlaß die Meine, Mein Weib und meine Kinder nicht; Gib ihnen mehr als Hüll' und Brod, Des Himmels Erbe nach dem Tod. Der Schächer hängt an deiner Seite, Und klagt dir sterbend seine Pein, Jedoch dein Trost: Du wirst noch heute Mit mir im Paradiese sein! Hob diesen Bebenden mit Macht Empor aus seiner Jammernacht. Dieß: Heute, heute, will ich stammeln, Wenn mir das Grau'n des Todes dräut; Will jede Kraft in mir versammeln, Und meiner Seele sagen: Heut, Nicht morgen erst; noch heute bist Du da, wo Jesus Christus ist. Seyn werd' ich, nach dem Tode leben, In Klarheit schwimmen wird mein Geist; Nicht träumend nur am Throne schweben, Der unter Lebensbäumen fleußt; Nicht mit dem Leichnam schlummern, nein, Mein Geist wird seyn, bei Christus seyn. Du riefst – Wie ferner Donner Halle Verbreitet's durch die Himmel sich: Mein Gott! die Geister bebten alle – Mein Gott! warum verläß'st du mich? Durch alle Himmel scholl es hin: Ach Gott! verlaß nicht uns, nicht ihn! Den Todeshügel will ich füllen, Alls voller Seele will ich schrein: Verlaß mich nicht, um Jesu willen! Mein Gott, ich wär' ja sonst allein; Allein, und ohne Trost wär' ich, Wär' ohne Menschen! Jesum! dich! Noch hängt mein Heil am Kreuzesstamme: Mich dürstet, ruft er nun herab; Müd neigt er sich, saugt aus dem Schwamme Den Myrrhentrank; sein Mörder gab Nicht Wasser ihm, nicht Weinbeerblut, Zu stillen seines Durstes Gluth. Muß ich in meinem Kerker schmachten, So denk' ich, Mittler! deiner Noth; Sie lehrt den Mangel mich verachten, Hab' ich nur Wasser noch und Brod. Dort, wo der Quell des Lebens quillt, Wird ewig einst mein Durst gestillt. Nun zuckt dein Leib, nun ringt die Seele, Da jedes Band des Lebens reißt; Nun rufst du: Vater, ich befehle In deine Hände meinen Geist! Nun schreist du laut: Es ist vollbracht! Und neigst dein Haupt sanft in die Nacht. So soll mein müdes Haupt sich neigen, Den Geist, mein Gott! befehl' ich dir! Und wenn auch diese Lippen schweigen, So seufz' es doch das Herz in mir: Es ist vollbracht! wie's Jesus sprach, So sprech' ich's ihm im Tode nach. Vollbracht ist dann mein Freiheitssehnen, Verschwunden ist der Kerkerdampf; Geweint sind alle meine Thränen, Gekämpft ist jeder heiße Kampf: Zu Gottes Tag bin ich erwacht! Es ist vollbracht! Es ist vollbracht!