Das wunderthätige Crucifix Eine Legende. Ein Eremit, dem Tode nah', Sprach zu Sebastian, dem Knaben, Den er als Sohn erzog: »Ich sterbe! Sebastian, mein Sohn, begrabe Mich neben dieser Hütt', ins Grab, Das ich mir selbst geschaufelt. Wisse, Du guter Baste, der du mir Den süßen Vaternamen gabst, Dein Vater bin ich nicht, ich fand Dich einst, als Mordsucht mit dem Schwert Die Ketzer würgte: ach, der Himmel Sah roth und schien sich zu entsetzen Ob diesem Gräu'l! – da fand ich dich Im Arm des trunknen Kriegers, der Dich eben aufwärts schleudern wollte, Um dich zu fangen mit dem Schwerte. In, liebes Kind, da fand ich dich, Und riß dich aus dem Arm des Kriegers. Dein Vater war ein braver Mann; Ob er des Mordgeists Höllenflamm' Entronnen sei, das weiß ich nicht! Du bist mein Sohn! und ich dein Vater! Was weinest du? – Ich' hab dich ja gelehrt, Daß Christen keinen andern Weg Ins Leben haben, als den rauhen, Mit Blut beträuften Pfad, den Jesus Voran ins Leben ging. Willst du Dahinten bleiben? O, der Tod Ist süß, ist unaussprechlich süß Dem Christen, der die Kunst zu sterben Von seinem Könige gelernt. Leb wohl. Nimm dieses Crucifix! So wein' doch nicht, du siehst mich ja Im Himmel wieder. Gold und Silber Lass' ich dir nicht, doch meinen Segen Vermach' ich dir mit diesem Crucifix. Es sei dein Führer auf der Bahn Des Lebens. Wirst du Gutes thun, So wird es lächeln; aber weinen Wird es, so oft du Sünde thust. Und bluten, bluten! bluten wird's, Aus allen Wunden wird es bluten, Wenn du, was Gott am meisten haßt, Begehst. Bewahre dich der liebe Gott, Daß du es nicht begehst. O Jesus, Maria und Joseph, sei mir gnädig! Ich sterbe!« – Und der Alte sank Auf's Stroh, ward gelb und starb. Der Knabe Beträufelte des Alten Leiche Mit seinen Thränen, senkte sie Ins offne Grab und betete Ein Vaterunser und ein Ave, Bewarf sie drauf mit Erd' und pflanzt' Ein schwarzes Kreuz auf's Grab. »Gott geb' Ihm eine ew'ge Ruh und lösche Für ihn des Fegefeuers Flammen aus. Er lass' ihn fröhlich auferstehen!« So sprach der Knabe. Wie das Bäumchen Nach starkem Sommerregen tröpfelt, So tropfte Wehmuth von dem Auge Des Knaben. Er verließ das Grab Und seines Vaters Hütte, nahm Sein liebes Crucifix und ging. Der arme Knabe irrte lang Auf weitem Feld im Sonnenstrahl, Ward durstig, sah nach einem Quell, Sich zu erquicken. Keiner war Auf dieser Sommerflur. Er warf Sich müd' an eines Felsens Fuß, Der keinen Quell ergoß: »O wär' ich, Du lieber Vater, wär' ich doch bei dir! Was thu' ich auf der Welt, ich armer Verlaßner Knab'?« – und küßt sein Crucifix. Ein Hirtenmädchen kam und sah Den Knaben liegen. »Was ist dir? Du schöner Knabe, was ist dir?« Das Mädchen sprach's und blicket Mitleid Vom blauen Auge. »Laß mich sterben! Todt ist mein Vater, als ein Waise Irr' ich herum: o laß mich sterben! Gib mir noch einen frischen Trunk; Dann lege mir das Crucifix auf's Herz Und laß mich sterben!« Eilend lief Das Mädchen, eilend kam's zurück. »Da trink!« stellt' einen Topf mit Milch Dem Knaben vor. »Du sollst nicht sterben. Mein Vater hat noch Brod und Milch Für dich. Ein guter, guter Vater! O weißt du was? Hast du getrunken? Steh auf, geh mit in meine Hütte; Mein Vater wird dich lieben, Knabe, Du wirst mit mir die Heerde hüten, Dann – willst du? nun so komm!« Er ging. Der Hirte nahm ihn auf. Die Heerde Mit jedem goldnen Morgen auszuführen Ins Feld, war sein Geschäft. Das Mädchen Ging neben ihm. Schön war der Knabe Und schlank, die ersten Jünglingsmonde Verklärten ihn und streuten Rosen Und Lilien auf sein Gesicht. Sein Blick sprach mehr als Unschuld der Natur, Er sprach Gottseligkeit und Liebe. Voll Einfalt war das Mädchen: kannte Die Schönheit nicht, die Gott ihr gab. Die guten Kinder liebten sich Und wußten nicht, daß es die Liebe war. Sebastian verbarg sich oft Im nahen Wald und seufzte: »Gott Im Himmel, was ist das in mir? Warum bin ich dem Hirtenmädchen So gut, und möcht's auf meinen Armen In Himmel tragen? Gott im Himmel, Es wird doch keine Sünde sein!« Er nahm Sein Crucifix heraus; es sah Ihn freundlich an und weinte nicht. An einem Sonntag ging er einst Mit seinem Mädchen auf die Wallfahrt Zu einem Muttergottesbild. Er setzte sich allein mit ihr An einer Rosenhecke nieder; Sie fiel in seinen Schoß und schien Ein Thränchen zu verbergen. »Weinst du, Mein trautes Mädchen, was ist dir?« Er drückte sie an seine Brust Und wagt's und küßte sie. Sie schlang Die Arm' um ihn und küßt' ihn wieder. »Ich hab's der Mutter Gottes angelobt,« Sprach sie, »wenn du der Meine wirst, So schenk' ich ihr mein Lämmlein; weißt du, So heimlich ist's, und frißt aus meiner Hand? Willst du der Meine sein?« – »O ewig,« Seufzt' er, »wenn Gott es haben will.« Sie schwiegen, küßten sich und fühlten Die Seligkeit der reinen Liebe. Abends Barg sich Sebastian und enger Ward's ihm ums Herz. »Was hast du? O Gott, o Gott, das wird wohl Sünde sein; Was hast du heut, Sebastian, gethan? – Ein Kuß, den ich dem Mädchen aufgedrückt, Der mir durch alle Glieder drang, O Gott, o Gott, was hab' ich heut' gethan?« Er wagt' es nicht, sein Crucifix zu sehn, Fiel nieder auf die Erd' und weinte Und bat: »O Gott, verzeih' es mir!« Doch endlich wagt's Sebastian Sein Crucifix zu sehen, um die Thränen Von seines Christus Auge wegzutrocknen; Jedoch das Bildniß sah ihn an Mit sanftem Aug' und weinte nicht. Und doch blieb Unruh' in der Brust Sebastians. Am ersten Mai Da wagt' er's gar und tanzt' und sprang Mit seinem Hirtenmädchen. Alle Die jungen Hirten tanzten mit Und feirten so das Maienfest. Beängstigt sah Sebastian Sein Crucifix. Noch immer sah Es freundlich aus und weinte nicht. Und noch blieb Unruh' in der Brust Sebastians. Er beichtete Einst einem Mönche seine Liebe: »O!« sprach der dürre, trockne Mönch, »Hast du die Lehre deines Vaters Vergessen, schon so früh? Wallt noch Das Ketzergift in deinem Blut? Verdammt bist du, wenn du nicht gleich Zurück in deine Klause gehst! Flieh deine Dirne, Satan blickt Ihr aus dem Auge!« Schwankend ging Sebastian der Klause zu. »Ja wohl, der Gottesmann hat recht; Zu früh hab' ich des Vaters Lehre Vergessen, hab' der Wollust Gift In mich geschlürft. O! Anna, wie War's möglich, daß der Satan sich In dir verbarg? Mein Crucifix! Ach, warum warntest du mich nicht? Doch Warnung eines heil'gen Mannes Spricht lauter, als dies Bild von Elfenbein.« Nun stürzte sich Sebastian Ganz in die Tiefe seines Grams. Er betete – und ach! das Bild Von seiner Anna schwebt' ihm vor. Er warf sich auf das Grab des Alten; Ließ sich von Nesseln sengen; ließ Vom Thau des Himmels sich beträufeln. Doch Anna, Anna schwebt' ihm vor! Sein wunderbares Crucifix Sah ernster aus; doch weint' es nicht. »Du siehst so ernst, du Christusbild; Ach, meinen schweren Fall hab' ich Noch nicht genug gebüßt.« Er sprach's, Wälzt nackend sich in Dorn und Disteln, Und geißelte den Rücken blutig, Aß Wurzeln, schlürfte aus der Hand Getrübtes Wasser; heulte, schrie, Daß Eul' und Rab' und Kauz und Fuchs Von seiner Schauerhöhle flohn. Doch schwebt ihm seine Anne noch Im Schleier vor. »O Crucifix, Erbarm dich meiner!« Wüthend holt' Er's aus der Hütte. Wunder! Wunder! Die hellen Thränen rieselten Dem Crucifix vom Angesicht. »Ha, ist's nur dies? Ist dir die Buße Für meinen Fehl noch nicht genug?« Er sprach's, nahm einen Strick: »Am Baume, Den ich als Knab' gepflanzt, soll ich Mein Leben enden? Ha, es rauscht!« Was ist's? Ein irrend Lämmlein schlüpft' Vor jedem lauten Blatte zitternd Durch's Waldgebüsch und stand ermüdet, Sebastian, vor deiner Hütte still. Das Lämmlein war's, er kannt' es gleich, Das seine Anne auf der Wallfahrt Der Mutter Gottes angelobt. »So will ich dich, du reines Lamm, Erst füttern aus der hohlen Hand, Erst tränken aus dem klaren Quell; Dann, – Jesus Christus, ach, sie kommt; Kommt selber!« Auf des Alten Grab Stürzt stumm der arme Jüngling nieder; Lag mit dem Antlitz auf dem Sand Und faßte mit der Hand das Kreuz! Das Mädchen kam. »Jesus, Maria Und Joseph, mein Sebastian Ist dies! Bist doch nicht todt, du Lieber? Steh' auf, dein armes Mädchen ist's! Dein Annchen ist's, ich habe dich Schon Wochenlang gesucht. Ich habe Am Muttergottesbild gekniet Und hab' gefleht: O Mutter Gottes, Willst du mein Lämmlein nicht? So steh Doch auf, und geh mit mir. Mein Vater Will mich dir geben!« »Schlange, geh! Der Satan blickt aus deinem Auge!« »Ich eine Schlange? Gott, ach Gott, Dein girrend Täublein eine Schlange? Ein Satan ich? Sebastian, Du irrest dich; dein Engel wollt' ich sein.« Sie setzt sich neben ihn auf's Grab. Er wandte sich und sah sie weinen. Die starrende Verzweiflung ließ Nun von ihm ab. Sein Herz zerfloß In Lieb' und Wehmuth. Thränen schan'rten Herunter von der bleichen Wange. Sein Mädchen trocknet ihm die Thränen Mit ihrer Schürz'. »O Anne, geh,« Mit weggewandtem Antlitz sprach's Sebastian. »Mein Crucifix Hat helle Zähren über mich geweint; Ich habe dich geküßt, drum hat es helle Zähren Für mich geweint.« »Es hat geweint, Weil du mir untreu bist! Du hast Den Eid gebrochen, den du mir, Weißt du? – beim Rosenbusche schwurst. Es hat geweint, weil du mir untreu bist.« Das Mädchen sprach's. Ihr Vater kam: »Was gibt's? was thut ihr da? Hast du Sebastian gefunden? Gott sei Dank! Komm Baste, komm! sollst meine Anne haben. Zum frommen Müßiggänger bist Noch viel zu jung. Bau erst das Land, Zeug Kinder, sei den Menschen nützlich; Dann kannst du dich in diese Klause Verschließen, dich der Welt entziehn, Wenn dich die Welt entbehren kann.« Er ging, und Anne ward sein Weib. O Wunder! gleich am Hochzeittage Vertrockneten am Crucifix Die Thränen. Doch, es kam der Mönch, Trat zornig vor Sebastian Und sprach: »Du bist verdammt, weil du Den Bund der Keuschheit brachst! Eh' wird Dir deine Sünde nicht vergeben, Bis du zuvor dem heiligen Gerichte des Dominikus Zween Ketzer – Einen wenigstens Zum Tode überlieferst!« Traurig schwieg Sebastian. Er suchte lange Nach Ketzern, konnte keinen finden, Bis er vernahm, in einer Felsengrotte, Die schauerlich von der Natur gebaut, In einem Walde stand, versammeln sich Die Ketzer in der Mitternacht, Zu singen und zu beten. Lange Verzögerte Sebastian. Das Glück der Häuslichkeit erfreute Sein Herz mit jedem Tage mehr. Schon sah er einen Rosenknaben Auf seiner Anne Armen spielen, Und Feld, und Flur, und Baum, und Heerde Schien Gottes Segen abzustrahlen. Auch lächelte sein Crucifix, So oft Sebastian und Anne Mit ihrem Kinde vor ihm knieten. Jedoch des Mönches Fluch bewog Sebastian, den Ketzern aufzulauren. Er überfiel sie. Alle flohn. Und nur ein Greis, zu schwach zur Flucht, Blieb in der Hand Sebastians. Es schwieg der Greis, die Silberlocke Bestrahlt sein Haupt, wie eine Glorie. Er sah mit hellem Blick gen Himmel Und pries den Herrn, daß er gewürdigt sei, Um seinetwillen Schmach zu leiden. Sebastian gab dem Gerichte Des heiligen Dominikus Den Ketzer. Sie verschlossen ihn Im Schau'rgewölbe eines Kerkers, Wo er, gekettet an der Wand, Auf faulem Stroh den Tod erwarten sollte. Sebastian betrübt und doch im Wahn, Er hab' ein gutes Werk gethan, Ging heim zu seinen Lieben – »Wunder! Entsetzen! O Entsetzen!« schrie Sebastian, als er am Crucifix Den Abendsegen beten wollte. »O Wunder! O Entsetzen! Das Crucifix, es blutet Aus allen Wunden! ach, ich habe Gethan, was Gott am meisten haßt!« Schrie laut Sebastian, und eilte Mit Ungestüm hinaus zum Wald, Warf sich auf's Grab des Eremiten. »O Vater,« schluchzt' er auf, »ich habe, Was Gott am meisten haßt, gethan; Da blutet nun mein Crucifix, Wie du gesagt, aus allen Wunden! O sprich, was hab' ich denn gethan, Das Gott am meisten haßt? Ist's Sünde, Daß ich mein Weib geliebt? Daß ich Den Knaben ihres Leibs geherzt? Das Land gebaut, und ach, vielleicht Die Welt zu viel geliebt? war's Sünde?« Und plötzlich rauscht' es um die Hütte. Im Wolkenkleide, lichtbeströmt, Stand vor Sebastian der Alte, Blickt' ernst und sprach: »Verschmäht hast du Die väterliche Warnung, die ich dir In meinem Tode gab. Du hast Dem Mörderorden des Dominikus Den frömmsten Mann – sein Name flammt Mit goldner Schrift im Lebensbuche – Ja den hast du den Mördern eingeliefert! Und noch ein Donner treffe dich, Der fromme, gottgeliebte Greis, Den du den Mördern brachtest, ist – Er ist – dein Vater! darum blutet Dein Crucifix aus allen Wunden. Nun geh, befreie deinen Vater, Und kannst du nicht, so stirb mit ihm!« Der Alte schwand. Sebastian Eilt, wie vom Sturm getragen, nimmt Sein Crucifix – »O Anne, Anne!« Spricht er mit vorgepreßtem Aug', »Ich bin der Mörder meines Vaters. Nun muß ich sterben. Unsern Knaben, Den küß', ich kann es nicht! Leb' wohl!« So riß er sich aus ihrem Arm Und flog, und kam zum Blutgericht. »Der Greis, den ich euch brachte, Väter, Der ist mein Vater! laßt ihn los! – Ich bin ein Ketzer! – laßt ihn los! – Ich bin ein Mörder! – laßt ihn los!« Die Väter, gegen jeden Auftritt Der Menschlichkeit schon lange abgehärtet, Befahlen kalt, den Vater vorzuführen, Der schon zum Feuertod verdammt, Sein gelbes Kleid, bemalt mit Flammen, Und Teufelslarven trug. »Ist dies dein Sohn?« So sprachen sie zum Alten, Der mit dem Antlitz eines Engels Umhersah. »Kennst du mich?« – »Ich bin,« Schrie laut Sebastian, »dein Sohn! Dein Mörder! bin dein Teufel! bin Dein Sohn nicht mehr!« »Hab's doch gedacht, Als ich dein Antlitz sah, du seist Mein Sohn! – Umarme mich! – Getäuscht Vom Wahne bist du nur, mein Mörder nicht! O komm, umarme mich!« Es weinte Der Alte lang an seines Sohnes Hals. »O diese Freuden, guter Gott, Hast du, eh' meine Asche noch Der Sturm verweht, mir aufbewahrt?« Der Alte sprach's. Ein Mordbefehl Riß Sohn und Vater von einander. Nun sah zum erstenmal der Greis Mit trübem Auge auf zu Gott Und schien zu sagen: »Das ist hart, Verzeih' mir's Gott! O das ist hart.« Sebastian, zu gleichem Tod verdammt, Freut sich, um seiner Seelenqual Auf ewig los zu werden. Schon Erschien der Tag, an dem die Sonne Die schwärz'ste That beleuchten sollte! Der Holzstoß war schon aufgethürmt, Und neben ihm, da schwungen schon Die Henkersknechte ihre Fackeln. Und Sohn und Vater schritten voll Von Gott und seinem Trost, obgleich Verdammt, zur tiefsten Höll' verdammt Von ihren Mördern, auf der Bahn Des Todes stark einher. Noch einmal Umarmte seinen Sohn der Greis. »Dort droben,« sprach er lächelnd, »sind' Ich dich, mein Sohn, auf ewig wieder! Sei unverzagt! denn Gott verließ Noch keinen, der um seinetwillen starb.« Schon packten Henkersknechte sie; Als plötzlich Reisige, vom König Gesandt, den Mördern Halt geboten. »Halt!« – Wie der Rufer aus den Wolken, Der Donner stürzt, der Pilger steht Mit bleichem Antlitz – ha, so stand Um die Gerichteten der Kreis. Die Henker trugen erdwärts ihre Fackeln Und starrten mit dem Borst der Wimpern Des Königs Boten an. Er sprach: »Verfluchter Wahn hat euch, ihr Armen, Zum Feuertod verdammt; doch frei Seid ihr! Der König will's.« Er schwieg. »Euch aber trifft des Königs Zorn, Gedungene der Hölle, euch! Die ihr den Schleier der Religion, Den Gottes Weisheit nicht auf goldnem Stuhl Gewebt, zu einer Larve braucht Des Trugs, der Täuschung, der Höllenmordsucht. Flieht! Eh' euch der Rache Zackenblitz versengt.« Sie flohen grimmig, schluckten zorn'gen Schaum. Und plötzlich wälzte durch's Gedränge Des fluthenden Volkes Anne sich, Hoch über ihrem Haupte tragend Den Liebling ihres Herzens, ach, den Sohn, Den sie Sebastian gebar. Sie kam! Und fiel, als sie im gelben Sanbenedite ihren Trauten sah, Gestreckt zu seinen Füßen. Dämmerung Schwamm um ihr Aug'; es klang ihr Ohr. Spät fluthete das Blut vom Herzen Zurück in ihre Adern. Als das Leben Wieder kam, lag sie im Arm Sebastians. »Ich habe dich erbeten,« Sprach sie mit schwachem, zitterndem Ton; »Vom König hab' ich dich erbeten – Auf meinen Knieen lag ich, hob das Kind Zu ihm hinauf; er weint' – und Gnade! Scholl von seinen Lippen! Gnade Geb' ihm auch Gott dem guten König, Wenn er einst Gnad' bedarf.« Sie eilten, Begleitet von des Königs Herold in die Hütte, Der graue Vater, und der Sohn, und Anne Mit ihrem Säugling; fielen dankend In der Kammer vor dem Crucifix Auf's Knie, und weinten lange. Ach Gott, ach Gott, so süße Thränen Weint einst der Fromme, wenn sein Engel Ihn führt zu Jesus Christ. Und lange War diese Hütt' ein Tempel, drinn Jehovah's Lied und Christus Lob In Hymnen wiedertönte. Seinem Vater Drückt' selbst Sebastian das Auge Mit zitterendem Finger zu. Und spät, Nur wenig Monde nach dem Tode Seiner trauten Anne, starb er auch: Das Crucifix gelegt auf seine Brust.