Abendlied eines Gefangenen Des Tages trübe Stunden Sind wieder weggeschwunden, Es glänzt der Abendstern An blauen Himmelshöhen, Von mir zwar ungesehen, Doch steigt mein Nachtgesang zum Herrn. Er half mir wieder tragen Der langen Knechtschaft Plagen Und hüllt nun meine Pein, Die Lasten meines Kummers, In Wolken sanftes Schlummers Mit allen meinen Thränen ein. Ja, danken will ich, danken, Denn mich verlassnen Kranken, Erbarmer, stärktest du! Du sah'st des Leibes Schwäche, Und goß'st, wie Lebensbäche, In meine müden Glieder Ruh'. Die Wunden meiner Seele Hast du, als wie mit Oele, Aus deinem Wort beträuft; Den Engel sah ich strahlen, Der nach des Elends Qualen Die Bande von den Händen streift. Von Menschen, die mich hassen, Von Freunden selbst verlassen In öder Einsamkeit, Erbarmtest du dich meiner; Nur du, mein Gott, sonst keiner, Hast mich mit deinem Trost erfreut. In dieser Gräberstille, Mit dieses Herzens Fülle Komm' ich, mein Gott, zu dir! Ist alles mir entrissen, So will ich's gerne missen, Denn alles, alles bist du mir! Vergib mir meine Schulden, Schenk mir die Kraft zu dulden, Gib Herzensreinigkeit! Lehr mich im Elend danken, Und will mein Glaube wanken, So gib ihm wieder Festigkeit. Willst du mir noch im Leben Die Freiheit wieder geben; So hör' den großen Schwur: Dir soll mein Herz nur klopfen, Und alle Lebenstropfen Verströmen dir zur Ehre nur. Doch soll nach tausend Nöthen Langsamer Tod mich tödten; So hör' den großen Schwur: Dich will ich stammelnd preisen In meinen letzten Schweißen; Auf Jesum Christum sterb' ich nur! So träufle Ruh' und Frieden, O Gott! auf alle Müden Vom stillen Mond herab; In sanftem Säuseln falle Dein süßer Schlaf auf alle Die müden Pilgrime zum Grab. Den Sklaven wilder Lüste In wasserloser Wüste Erschütt're dein Gericht; Und die in Finsternissen Des Kerkers schmachten müssen, Erfreue bald mit deinem Licht. Blick hin ins Krankenzimmer, Wo bei des Nachtlichts Schimmer Der Schmerz den Kranken weckt; Dem Sterbenden erscheine, Der qualvoll die Gebeine Dem nahen Tod entgegenstreckt. Und wenn, vom Mond beschienen, Mit blaß getraurten Mienen Die Meinen vor dir knien; So lindre ihren Kummer Und träufle süßen Schlummer Auf ihre Augenlider hin. Uns trennt zwar Thal und Hügel, Doch unter Einem Flügel Der Allmacht schlummern wir; Was sollt' ich länger klagen? Mein Engel scheint zu sagen: Die Deinen sind nicht weit von dir. Verlisch nun, stille Kerze! Erquickung nach dem Schmerze Träuft sanft auf mich herab. O Schlaf! du Gottesgabe! So ruh' ich einst im Grabe! Ach! läg' ich schon in meinem Grab!