8. Wie die Könige zu Bethlehem das Kind Jesus fanden und es anbeteten Vor Bethlems Mauern hält der Zug; Da luden sie von den Kameelen, Was jedes edler Schätze trug, Gold, Silber, Purpurkleid, Juwelen; Sich selbst sie schmückten königlich, Den höchsten König zu empfangen, Und hinter ihnen reihte sich Die Heereskraft in stolzem Prangen. Der greise König Melchior, Dem, als der Stern, das Auge flammte, Ging wie ein Priester Allen vor, Im faltenreichen Purpursammte: Das blaue Stahlgewand umschließt Den Balthasar, wie angeboren; Aus Rotgold, wie aus Feuer, sprießt Das schwarze Haupt Jaspar des Mohren. So ziehn sie durch den kleinen Ort In tiefen, fragenden Gedanken; Doch macht des Engels seltsam Wort Den Greisen und den Mann nicht wanken. Dem Jüngling nur, dem Mohren, pocht Das Herz noch zweifelnd an die Rippen: Zu reimen hat er nicht vermocht Die Königswürde mit der Krippen. Doch nicht mehr zweifeln läßt der Stern, Er hält in seines Laufes Mitte, Fest, unbeweglich krönt sein Kern Das Haupt von einer morschen Hütte. Ein grau, zerfallen, alt Gestein, Ein Strohdach kärglich überkleidet: Soll das des Königs Wohnung sein? Ja! spricht der Greis, der Stern entscheidet. Umringt ist schnell der schnöde Stall Von aller Erde Herrlichkeiten. Es drängt sich rings der Diener Schwall, Der Gaben reichste zu bereiten. Die Fürsten treten ein gebückt, Das Sternlicht fließet durch die Wände, Sie sind von solchem Stral durchzückt, Daß sich ihr Haupt senkt in die Hände. Als sie den Blick nun aufgethan Und all das Licht gelernt ertragen, Wer doch vermag, was da sie sahn, Der es nicht selbst geschaut, zu sagen? Da wird die stolze Sprache stumm; Doch ist ein Schein davon geblieben! Schau dich nach frommen Bildern um, Dort findest, Sänger, du's geschrieben: In dem zerfallenen Gebäu, Da sitzt bei'm Eselein und Rinde Im öden Stall, auf armem Heu, Ein stilles Weib bei ihrem Kinde. Ein Weib? O schaut ihr Angesicht! Fürwahr, sie weiß von keinem Manne, Mit jungfräulichem Augenlicht Hält sie der Erde Lust im Banne. Und ist doch es ihr eigner Sohn, Den sie hält mütterlich umschlungen; Sie hat, entströmt dem Himmelsthron, Des Allerhöchsten Kraft durchdrungen. Der stolze Mutterblick es sagt, Es sagt's die Hand auf reinem Herzen, In dem's von Gottes Lust nur tagt, Und nachtet nur von Gottes Schmerzen. Nicht Krone brauchet solche Frau, Nicht der Gewänder farb'ge Gluten, Nur eines Mantels Dunkelblau Sieht man den reinen Leib umfluten, Und, als der echten Gottesbraut, Wallt ihr um's Haar der weiße Schleier; Doch allverklärend überthaut Der Stern sie mit dem ew'gen Feuer. Der Stern bestralt das zarte Kind, Das Angesicht von Milch und Rose, Es ist, wie andre Kinder sind, Ruht hilflos, nackt, im Mutterschooße. Es liegt so still und wonniglich, Daß sie im Schauen sind verloren, Und willig beugt der Nacken sich Des stolzen, jugendlichen Mohren. Verwirrt von solcher Lieblichkeit Vergaßen sie der reichen Gaben, Das Nächste, was der Diener beut, Das Kleinste sie ergriffen haben. Ein wenig Goldes faßt der Greis, Der Mann streut Weihrauch auf's Geschirre, Der Jüngling sucht in Thränen heiß, Und greift – nach einer Handvoll Myrrhe. Die Jungfrau neigt sich mildiglich Zu eines Jeglichen Geschenken, Ihr Blick füllt mit dem Geiste sich, Er scheint in Deutung sich zu senken: Dem Gott wird Weihrauch dargebracht, Gold wird dem Könige geboten: Doch Myrrhe? Myrrhe schmückt die Nacht Des Grabes, und die Gruft der Toten! Gott, König, Mensch dem Tod geweiht! Sie ringt mit dem verborgnen Sinne: Ob sie dem Staunen Worte leiht? – Die Fürsten werden es nicht inne, Sie sind dem König zugewandt, Sie ruhn in Andacht vor der Krippe, Und drücken still die zarte Hand Des Kindes an die heiße Lippe. Doch lenkt den weisen Melchior Der Geist auf seine beste Gabe: Den goldnen Apfel langt er vor, Er war einst Alexanders Habe; Zu seines Zepters Schmuck bestellt, Des runden Weltalls köstlich Zeichen, Geschmelzt vom Zins der ganzen Welt – Was läßt sich mehr dem Kinde reichen? Mit seinem Blick und seinem Hauch Hat dieses kaum den Ball berühret, Sieh! der verstob zu Asch' und Rauch; Wohin er fuhr, ward nicht verspüret. – Verwandelt ist das Angesicht Des Kindes da vor ihren Blicken, Auf seinen Wangen wohnt das Licht, In dem die Himmel sich erquicken. Und welch ein Aug' – ein Aug' ist sein, Geformt aus Gottes Feuerflammen; Ein Aug' – es spricht: Die Welt ist mein, Ich kann erlösen und verdammen! – Jetzt taget es in ihrem Geist, Die alten Finsternisse fliehen, Und die entsetzte Zunge preist Des Schöpfers Macht, vor der sie knieen. – Wer aber steht zur Seite still, Und sinnt, auf seinen Stab gelehnet, Andächtig, was da werden will, Nicht an so Herrliches gewöhnet? Ein wohlbejahrter, frommer Mann, Ein treuer, irdischer Berater; Sprich, wo man bessern finden kann Zu solchen Kindes Pflegevater? Der nimmt die Kön'ge bei der Hand, Und führt sie freundlich aus der Klause. Sie stehen lang noch umgewandt Vor dem zerfallnen, alten Hause, Ist es doch wie ein grauer Rest Gestürzten Tempels anzuschauen: Der Gott, der drin sich niederläßt, Der wird ihn herrlich wieder bauen! So standen in Gedanken sie, Und zogen fürbaß in Gedanken; Doch da begann der Rosse Knie Und der Kameele Tritt zu schwanken. Und Hungers, Durstes, Schlafs Gewalt Fing an im Haufen sich zu regen; Und selbst die Fürsten mußten bald Zu Mahl und Schlaf sich niederlegen. Und sieh! ein Traumbild warnt ihr Herz, Es nahen zarte Kinderseelen, Und winken ihnen, heimatwärts Sich einen andern Pfad zu wählen. »Nicht in Herodes falsches Haus!« Hell klingt das Wort in ihren Ohren. Sie wachen auf, sie ziehen aus – Nacht ist's, der Stern ist längst verloren.