4. Die Schlacht am Speicher In dem grünen Speicherwald, Drunter schmucke Häuser liegen, Werden freie Männer bald Fröhlich sterben oder siegen. Von dem Sternenhimmel sieht Gott auf sie, der Herr der Schlachten, Wo das fromme Häuflein kniet, Betend hier zu übernachten. »Wenn es sein mag,« flehen sie, »Laß, o Herr! uns hier genesen! Oder sei der Boden hie Uns zum Kirchhof auserlesen Wer sich fliehend umgewandt, Werd' auf fremder Erd' erschlagen, Nicht das freie Vaterland Soll im Schoose solchen tragen!« Und der erste Sonnenstral Lächelt, wie sie sprechen Amen, Als die Feinde von dem Thal Nach den Höhn gestiegen kamen; Vorn die Edeln, hoch zu Roß, Die im Sattel stählern sitzen, Ihnen folgt ein kecker Troß Leichtbewehrter Bogenschützen. Doch sie sind die letzten nicht, Die bergan behende laufen: Hinten erst im Sonnenlicht Glänzen die gewalt'gen Haufen: Dicht, wie Blumen in dem Lenz, Funkeln Helme, winken Hüte; Constanz, Ravenspurg, Bregenz Sendet seiner Männer Blüte. Und die Kirche schickt den Bann Fluchend in des Hirten Ohren, Pfaffe, Bürger, Edelmann Haben Schmach ihm heut geschworen. »Will der Bauer,« sprechen sie, »Gegen uns sein Haupt erheben? Nieder muß er auf das Knie, Muß erst betteln um sein Leben!« Hättet ihr geschauet ihn, Ei, wie würdet ihr ihn loben, Denn er lag schon auf den Knie'n, Jetzt erst hat er sich erhoben. Ja, vor Gott hat er gekniet, Doch vor euch denkt er zu stehen, Ob er schon zurück sich zieht, Klug verborgen auf den Höhen. Einsam trifft der Feind den Wald, Ein Verhau von wenig Stämmen Macht ihm keinen Aufenthalt, Kann den raschen Zug nicht hemmen. Aus der Städter rüst'gen Reih'n Treten vor die Zimmerleute, Stoßen ihn mit Lachen ein: »Appenzell, bist unsre Beute!« Sieh da! von den höchsten Höh'n Rasselt es mit Steinen nieder, Wie im Sturme Schlossen weh'n, Und zersprengt die vordern Glieder. Und die Rosse bäumen sich, Drängen an's Gehölz den Reiter, Und wenn vornen Einer wich, Weichen hinten zehen Streiter. Dann in den verwirrten Zug Schießt der Pfeil und fährt die Lanze, Jetzt herunter erst im Flug Stürmt der Hirt vom Bergeskranze; Auf die dichten Haufen ein Haut er mit dem starken Arme, Und vergebens muß es sein, Wehrt sich einer aus dem Schwarme. Denn es fliegt der Alpenhirt Hüpfend auf die Felsenstücke, Daß kein Streich, kein Schuß verirrt Unter seinem sichern Blicke, Bis des Klosters Knechte fliehn, Die zuerst, wie feige Weiber, Stürzen auf die Andern hin, Wie auf's scheue Vieh die Treiber. Hunderte, sie möchten's gern, Kommen drunten nicht zum Schlagen, Und die Hirten stehn von fern, Schnelle Gemsen gilt's zu jagen. Hier und dort, als edles Wild, Hält ein Häuflein noch von Rittern, Dem die Brust von Grimme schwillt, Daß die Andern feige zittern. Doch erliegen sie dem Streit, Oder fliehen mit dem Heere, Da zerreißt sein Wappenkleid, Wem noch lieb ist Ritterehre. »Neben Pfaffen kämpfen wir, Neben Söldnern schnöder Städte! Weiche von uns Stammeszier! Fall' zu Boden, goldne Kette!« Endlich steht nur Einer noch Als des Ahnenruhms Bewahrer, Stolz, von Wuchse riesig hoch, Vom Geschlecht der edlen Blarer. Ein dreifältig Panzerhemd Deckt ihn wider alle Streiche: Seinen Rücken angestemmt, Ficht er unter einer Eiche. Den besieht vom Berge sich Doch zuletzt ein Hirtenjunge: »Hilft mir Gott, so fäll' ich dich!« Hebt die Schleuder dann zum Schwunge Einen spitzen Stein er schießt Ihm so flink durch's Helmesgitter, Daß das Blut sich draus ergießt, Und zu Boden stürzt der Ritter. Drauf herab hat sich die Flucht In Sankt Gallens Thal gezogen, Zwanzig Hirten in die Schlucht Sind ihr kühnlich nachgeflogen; Werfen einen Feuerbrand Vor den Thoren in die Mühle, Und gemach aus Feindesland Ziehn sie in der Morgenkühle. Und kein Schwert, kein Schild mehr klirrt; Auf dem Speicher weidet wieder Still der Appenzeller Hirt, Schaut in beide Thäler nieder; Höret aus dem Appenzell Freien Volkes Jubel schallen, Und ein Totenglöcklein hell Tönt herüber aus Sankt Gallen.