9. Wie Joseph mit der Jungfrau und dem Kinde floh Es ging der Kön'ge Zug hinaus, Und manche Nacht kam ohne Stern, Und öde war's im dunkeln Haus: Da trat der Engel ein des Herrn. Sein Auge, schauend in der Nacht, Ruht auf der Jungfrau, auf dem Sohn, Den selig schlummernden, und sacht Berührt des Vaters Ohr sein Ton: »Fleuch nach Egypten, Mann, geschwind; Harr' aus, bis ich dich rufe dort. Herodes Mordstahl sucht das Kind: Mit ihm und mit der Mutter fort!« In Josephs Traume spiegelt sich Des Boten selige Gestalt; Der Schlaf entfloh, der Engel wich, Aufsteht er mit Marien bald. Das Es'lein aus dem Stall er führt, Er löst es mit dem Opfergold. Und sorgsam dann, wie sich's gebührt, Hebt er hinauf die Jungfrau hold; Das Knäblein schläft an ihrer Brust, Er wandelt, an dem Zaum die Hand, Und mit der Morgensonne Lust Sind sie schon weit im offnen Land. Der Inderschätze reiches Gut Es hat sich wunderlich geschmiegt, In einem Bündelein es ruht, Das auf des Thieres Rücken liegt. Und leicht und fröhlich geht die Fahrt, Und überall auf ihrer Spur Die Menschen werden beßrer Art, Und freundlicher wird die Natur. Die Lüfte bleiben warm und rein, Der Berg wird eben ihrem Schritt, Und in den öden Wüstenei'n Entsprossen Rosen ihrem Tritt. Und stehen wo im Heidenland Die Götzenbilder, riesig, stumm: Wo nur ihr Pfad sich hingewandt, Da wanken sie und stürzen um. Und nach der zwölften Tagfahrt schon Winkt aus Egyptens heißem Sand Und beut den kühlen Blumenthron Ein selig blühend Inselland: Dort ist der Himmel ewig hell, Dort athmen sie des Balsams Duft, Dort ruhen sie am schatt'gen Quell, Und harren, bis der Engel ruft.