Abschieds-Schreiben an Münchhausen Nimm meinen Kuß im Geist an deinem Rheine Und denke bey den Bechern deutscher Weine An einen deutschen Biedermann, Den an Neuschottlands westlichem Gestade Im Labyrinthe menschenleerer Pfade Einst deine Seele lieb gewann. Erinnre dich, wie bey dem kleinen Mahle Wir auf dem Steine lagen, und, die Schale Des Kieselbaches in der Hand, Uns über Stolbergs Liede Freundschaft schwuren, Und wie uns Schauer durch die Seele fuhren Bey Freundschaft und bey Vaterland. Erinnre dich, wie Arm in Arm wir gingen, Und an dem Blick der Abendsonne hingen, Die bey Neufundland nieder sank, Und wie wir dann auf Adlerbergen saßen, Und in der Dämmrung Klopstocks Herrmann lasen Auf einer grauen Felsenbank. Erinnre dich, wie in der wilden Zone Uns nach der Jagd ein freundlicher Hurone Mit Edelmuth entgegen kam, Und uns, in ächter Urbewohner Sitte, Mit Ungestüm in die berauchte Hütte Und brüderlich zu Tische nahm. Kannst du es je, das Patriarchenessen, Und unsers Wirthes Jubellied vergessen, Der froh wie Gott uns Gutes gab; So führe mit dem Gängelband der Mode Der Parze Hand nach einem Stutzertode Dich rächend in ein Marmorgrab. Nein, Freund! gewiß durchirrst du noch im Bilde Die Berge, wo der gute wackre Wilde So oft uns auf den Felsen fand, Wo, trotz den Männern von Minervens Hügel Und von dem Kapitol, der Größe Siegel Auf seiner freyen Stirne stand. Erinnre dich, wie in des Nordlichts Gluthen Oft unsre kleine Barke durch die Fluthen Mit Zittern an das Ufer stieg; Und wie wir dann, wenn hoch die Wogen drangen, Ein Lied von Fingal durch die Wogen sangen, Von Geistern, Harfen, Schlacht und Sieg. Hier sitz' ich, Freund, in meiner Jugend Haine, Und schreibe dir auf einem alten Steine Vielleicht das letzte, letzte Wort: Zum Zweyten Mahle greif' ich nach dem Stabe, Und pilgere mit meiner leichten Habe Nunmehr vielleicht auf ewig fort. Das Vaterland bedarf nicht meiner Kräfte, Hat Männer genug für Ämter und Geschäfte, Und schenkt mir gerne meine Pflicht. Ich habe von den vielen fetten Gauen Nicht einen Fuß, mir meinen Kohl zu bauen Zu einem ländlichen Gericht. Obgleich auf keinem Acker eine Ähre Mit ihres Segens schöner goldner Schwere Mir dankbar in die Sichel sinkt; Obgleich von keinem jungen Zöglingsbaume Mit ihrem Purpur eine Mohrenpflaume Mir Durstigen zum Brechen winkt: So sitz' ich doch mit schaurigem Gefühle Und sehe traurig hier dem Wellenspiele Am Ufer unsrer Elster zu, Und wende langsam meine düstern Blicke Noch Ein Mahl auf die Knabenwelt zurücke Und ihrer Jahre stille Ruh. Bald gellt vielleicht mit schwerem Eisentone Bellona von des Nordens rauher Zone Auch mir noch einen Schlachtgesang, Der jüngst vom Felsenfuß der Pyrenäen Bis an des Samojeden Winterseen In grellen Noten wiederklang. Dann, Freund, wenn ich in dem beeisten Norden Vielleicht mit Schaaren unbekannter Horden In fremde wilde Kriege zieh, Und wenn ich am Kaukasischen Gebirge Mich auf den Tod mit Ghenkis Enkeln würge, Vergiß des Busenbruders nie. Und wenn, von einem Männerarm geschwungen, Ein Türkenstahl mir durch das Hirn gedrungen, Und du den Todesbothen hörst: So setze dich zu einem Trauermahle, Und singe mir bey unsrer Bundesschale Ein Lied, mit dem du Helden ehrst. Jetzt lebe wohl! und höre von dem Freunde, Als ob er scheidend dir im Arme weinte, Ein Wort, das seine Seele spricht: Nicht ob ich deiner Seele Werth verkennte; Nimm nur mein Herz in meinem Testamente; Denn Gold und Silber hab' ich nicht. Sey immer Mann und groß durch eigne Kräfte, Und nie laß andern Händen die Geschäfte, Die du noch selbst zu thun vermagst; Sey Harmonie in Wort und That, und weiche Kein Haar breit, stark wie eine Königseiche; Und felsenfest sey, was du sagst. Sey wie ein Gott im Wohlthun auf der Erde, Und gib dem Armen froh von deinem Herde, Und tröste warm des Kummers Sohn: So wird man mit Entzücken dir begegnen, Und dich, wie Kinder ihren Vater, segnen; Und dieses ist der schönste Lohn. Sey Freund von allen; aber lange sichte Und prüfe scharf und faß' in jedem Lichte, Und blicke tief bis auf den Grund Dem Manne, dem du in die Arme sinkest; Denn wisse, wenn du Gift statt Heilung trinkest, So bleibt dein Herz auf ewig wund. Trau nicht dem Menschen; dicker Firniß decket Die wahre Farbe, welche sich verstecket Und in der Leidenschaft nur zeigt: Verachte stolz den stolzen goldnen Thoren, Doch mehr noch jenen, der mit leisen Ohren Sich bis zum Gürtel schmeichelnd beugt. Stets handle fest nach männlichen Gesetzen, Die du dir schriebst, und Eines zu verletzen Sey Hochverrath an der Vernunft: Trägst du Zufriedenheit in deiner Seele, So hast du Glück für dich genug, so quäle Dich nicht um Beyfall einer Zunft. Mißtraue jedem Lobe, jedem Tadel, Und prüfe strenge jeder Handlung Adel, Für die man ein Diplom begehrt; Doch wag' es nie, mit alten Ketzerflammen Den Mann, den man verdammet, zu verdammen; Denn Gott nur kennet seinen Werth. Durchwandle froh mit deinem Freund die Auen; Nur wag' es nicht, auf ihn dein Glück zu bauen: Wer ist der Mensch, für den du bürgst? Steh selbst, und suche die Vernunft zu rächen, Damit du nicht, wenn fremde Säulen brechen, Des Lebens Ruh auf immer würgst. Flieh vor dem Weibe, Freund; in ihren Netzen Ist erst Berauschung und sodann Entsetzen; Und in der ganzen Schöpfung blickt Kein Wesen, das mit allen Engelgaben, An denen sich die blinden Opfer laben, Am Ende schrecklicher berückt. Und wenn ein Weib dir mit verklärten Blicken Ein hohes paradiesisches Entzücken In deine trunkne Seele bebt; Und wenn sie dich aus deiner Erdenhülle Mit ihres Zaubers ganzer Nectarfülle Zur Wonne des Olymps erhebt; Freund, wehe dir, wenn du im Hochgenusse Der Schönheit blind zu einem Götterkusse Dich in des Engels Arme wirfst, Und tief, gleich Libers schwer berauschten Zechern, Der Wollust Taumel aus gekrönten Bechern Zum himmlischen Geheimniß schlürfst. Das Feuer, das dein Wesen heute nähret, Wird morgen Gluth, und wüthet, und verzehret Die kleine Stütze deines Glücks; Es quält dich Angst, und jagt dich auf und nieder; Du siehst Verrath in jedem deiner Brüder Und in der Richtung jedes Blicks. Du irrest nicht: des Mädchens Flamme währet, Bis Lunens Hochlicht zwey Mahl wiederkehret; Dann sucht sie neuen Zeitvertreib, Und kann mit deinen heiligsten Gefühlen, Mit deinem Leben wie mit Würfeln spielen. Gebrechlichkeit, dein Nahm' ist Weib! Verzeih mir, Freund, wenn ich mit bittrer Klage Der Schöpfung Meisterstück zu richten wage: Gib nie, gib nie dein ganzes Herz; Laß nie es kühn in lauter Liebe weben, Versuche nie zum Gott dich zu erheben, Und du entgehst der Folter Schmerz. Freund, hoffe nichts und fürchte nichts auf Erden Mit Leidenschaft, und du wirst glücklich werden. So glücklich als der Mensch es kann: Denn Glück, unwandelbar und ungestöret, Das selbst der Neid mit stummer Achtung ehret, Erwirbt sich auf der Welt kein Mann. Durchblicke kühn die alte graue Decke Der Vorurtheile; rufe laut und wecke Den Nebenwandler aus dem Traum: Doch störtest du ihm seine gute Reise, Und rücktest ihn gewaltsam aus dem Gleise, So gib der alten Weise Raum. Durchstöre nicht der Schulen alte Kriege Um aufgeblähter Weisheit Federsiege, Die schnell die Skepse dir verwischt: Erforsche nur, um gut und froh zu leben, Und deiner Muße Geist und Salz zu geben; Und lache, wenn der Tadler zischt. Freund, lebe wohl! und ruf' in deine Seele Oft See und Fluß und Wald und Felsenhöhle Zurück, durch die wir Arm in Arm Oft zu dem freundlichen Huronen schlichen; Und ist das schöne Bild von dir gewichen, So strafe dich der Thoren Schwarm. Freund, hoffe, daß des Weltenhalters Wage Uns noch am Abend unsern Rest der Tage In Einer Hütte wägen wird; Daß noch der Schatten Eines Baums uns decken, Noch ein Gesang der Nachtigall wird wecken, Wenn wir genug umher geirrt. Nimm meinen Kuß im Geist an deinem Rheine, Und denke bey den Bechern deutscher Weine An einen deutschen Biedermann, Den an Neuschottlands westlichem Gestade Im Labyrinthe menschenleerer Pfade Einst deine Seele lieb gewann.