Der Mayabend Ich fühle sie, die Wohlthat deiner Wonne, Wie sie durch alle Nerven lebt: Jetzt, jetzt gib mir ein Lied, du großer Geist der Sonne, Die dort am Saum der Saaten schwebt. Sie wogt hinab, und ihre Ströme gießen Noch Purpur durch das Blumenthal; Des Berges Schedel glänzt, die Schatten werden Riesen In ihres Goldes letztem Strahl. Mit Jubel ruft das Chor der kleinen Sänger Der Scheidenden noch lauten Dank Auf jedem Zweige nach; und feuriger und länger, Als sie in Lichtfluth nieder sank. Rund tönt umher aus den geschmückten Fluren. Tief aus dem seelenvollen Hain, Des Mayes Feuergeist durch alle Kreaturen, Die sich des neuen Lebens freun. Erquickend steigt der Balsam aus der Nische, Die Florens schönste Kinder deckt, Empor zum Hügel, wo das Nachtigallgebüsche Den Wiederhall der Grotten weckt. Ein leiser West, der nur den Zweig durchbebet, Trägt labend einen Blüthenguß, Und auf der Wange glüht, daß weit die Brust sich hebet, Des jungen Lenzes Heilungskuß. Ein Mädchenreihn schlingt dort, geschmückt mit Kränzen, Sich durch die Ulmengänge hin; Und laute Fröhlichkeit ist unter leichten Tänzen Der wandelnden Begleiterinn. Der Frühling mahlt in seiner Abendröthe Mit reinern Farben ihr Gesicht, Indeß vom Felsensitz des Jünglings Silberflöte Nur jetzt verstandnen Zauber spricht. Das Labyrinth der Quellen und der Bäche Ist des erwachten Lebens voll, Und überall berauscht, im Hain und auf der Fläche, Die Freude, die von neuem quoll. Tief aus der Schlucht kommt unter alten Buchen, Die viel Geschlechter leben sahn, Der Herden Glockenspiel, die die Gefährten suchen, Den Weg zur Meyerey heran. Der Städter grüßt den Mann mit grauen Haaren, Der froh ins Meer der Saaten blickt Und seine Hoffnung zählt, und wallt zu seinen Laren, Durch Gottes Athem neu erquickt. Der Tod hat sich dem Mann ins Herz gegossen, Vor dem des Jahres schönster Tag Mit seinem ganzen Schatz heut schwer und ungenossen. Wie eine Leichendecke lag. Dort flockt sich schwach das letzte Licht zusammen, Und netzt mit seinem Strahlenfluß Noch sanft des Abends Rand, und schon blickt milde Flammen Uns Lune dort und Hesperus. Mit freudiger und ehrfurchtsvoller Feyer Betretet jetzt die junge Flur, Und bethet heilig an vor dem geweihten Schleyer; Es ist die Brautnacht der Natur. Begrüßt den May mit einem höhern Liede, Und mit des Jubels Reihentanz: Auf unser Vaterland blickt wieder goldner Friede, Mit Öhlzweig und mit Weitzenkranz. Der Schwefelhauch, der wie die Pest verzehrte, Verliert sich wie ein Fiebertraum: Der Eisenzug des Kriegs, der Hain und Flur verheerte, Macht nun dem Pfluge wieder Raum. Schon pflügt das Roß, das sonst am Feuerschlunde Laut brausend zum Verberben zog; Und Fleiß und Eintracht gehn nun freundlich in dem Grunde, Wo jüngst des Kampfes Donner flog. Verlaß uns nicht, wohlthätigster und bester Der Genien, verlaß uns nicht, Und zieh das schöne Band mit jedem Tage fester, Das Brüder sanft an Brüder flicht: Daß nicht mit Spott der Willkühr blinde Schergen Die Saaten vor der Blüthe mähn, Und mit der Schanzaxt nicht auf unsern Traubenbergen Verwüstend auf und niedergehn; Daß die Vernunft der Gottheit Tempel ziere Und Weisheit, die zum Glücke lenkt, Und nur Gerechtigkeit und Menschlichkeit regiere, Bey Freyheit, die mit Segen tränkt. – Dort glühn sie auf die Myriaden Sonnen: Wer zählt die Zahl und mißt den Lauf? Wer zeigt uns rhythmisch an, wie sie die Bahn begonnen, Und löst den Labyrinthgang auf? Ich möchte jetzt die Schranke nieder schlagen, Die die Natur für mich noch zieht, Mich mit vermeßnem Schritt in die Gestade wagen Wo man die Welt im Urlicht sieht. Mein Auge stürzt durch Herschels tiefste Ferne, Wo kaum noch unsre Sonne graut; Und findet dort durch alle Nebelsterne Das Unermeßliche bebaut. Und trunken sinkt das Ohr mit Philomelen Zurück in eine süße Ruh, Und hört in ihrem Lied der Harmonie der Seelen Im großen May der Geister zu.