William Shakespeare König Richard II. Personen König Richard II. Edmund von Langley, Herzog von York Johann von Gaunt, Herzog von Lancaster, Oheime des Königs Heinrich, mit dem Zunamen Bolingbroke, Herzog von Hereford, Sohn Johanns von Gaunt nachmaliger König Heinrich IV. Herzog von Aumerle, Sohn des Herzogs von York Mowbray, Herzog von Norfolk Herzog von Surrey Graf von Salisbury Graf Berkley Bushy, Bagot, Green, Kreaturen König Richards Graf von Northumberland Heinrich Percy, sein Sohn Lord Ross Lord Willoughby Lord Fitzwater Bischof von Carlisle Abt von Westminster Der Lord Marschall und ein andrer Lord Sir Pierce von Exton Sir Stephen Scroop Der Hauptmann einer Schar von Wallisern Die Königin, Gemahlin König Richards Herzogin von Gloster Herzogin von York Ein Hoffräulein der Königin Herren von Adel, Herolde, Offiziere, Soldaten, zwei Gärtner, Gefangenwärter, Bote, Stallknecht und andres Gefolge Die Szene ist an verschiednen Orten in England und Wales Erster Aufzug Erste Szene Erste Szene London. Ein Zimmer im Palaste. König Richard tritt auf mit Gefolge: Johann von Gaunt und andre Edle mit ihm. Johann von Gaunt, ehrwürd'ger Lancaster Hast du nach Schwur und Pfand hiehergebracht Den Heinrich Hereford, deinen kühnen Sohn, Von jüngst die heft'ge Klage zu bewähren, Die gleich zu hören Muße uns gebrach, Wider den Herzog Norfolk, Thomas Mowbray? Ja, gnäd'ger Herr. So sag mir ferner, hast du ihn erforscht, Ob er aus altem Groll den Herzog anklagt, Ob würdiglich, als guter Untertan, Nach einer Kenntnis des Verrats in ihm? So weit ich in dem Stück ihn prüfen konnte, Um augenscheinliche Gefahr, gerichtet Auf Eure Hoheit, nicht aus altem Groll. So ruft sie vor: denn Antlitz gegen Antlitz Und droh'nde Stim an Stirne, wollen wir Frei reden hören Kläger und Beklagten. Einige aus dem Gefolge ab. Hochfahrend sind sie beid' und in der Wut Taub wie die See, rasch wie des Feuers Glut. Die vom Gefolge kommen zurück mit Bolingbroke und Norfolk. Manch Jahr beglückter Tage mög' erleben Mein gnäd'ger König, mein huldreicher Herr! Ein Tag erhöhe stets des andern Glück, Bis einst der Himmel, neidisch auf die Erde, Ein ew'ges Recht zu Eurer Krone fügt! Habt beide Dank: doch einer schmeichelt nur, Wie durch den Grund, warum ihr kommt, sich zeigt, Einander nämlich Hochverrats zu zeihn. Vetter von Hereford, sag, was wirfst du vor Dem Herzog da von Norfolk, Thomas Mowbray? Erst – sei der Himmel Zeuge meiner Rede! – Aus eines Untertans ergebner Pflicht, Für meines Fürsten teures Heil besorgt Und frei von anderm, mißerzeugten Haß, Komm' ich als Kläger vor dein fürstlich Haupt. – Nun, Thomas Mowbray, wend' ich mich zu dir, Und acht' auf meinen Gruß: denn was ich sage, Das soll mein Leib auf Erden hier bewähren, Wo nicht, die Seel' im Himmel Rede stehn. Du bist ein Abgefallner und Verräter, Zu gut, um es zu sein, zu schlecht, zu leben: Denn je krystallner sonst der Himmel glüht, Je trüber scheint Gewölk, das ihn durchzieht. Noch einmal, um die Schmach mehr einzuprägen, Werf' ich das Wort Verräter dir entgegen. Beweisen möge, wenn's mein Fürst gewährt, Was meine Zunge spricht, mein wackres Schwert! Laßt meiner Antwort Kälte meinen Eifer Herab nicht setzen! Denn kein Weiberkrieg, Das bittre Schelten zwei erboster Zungen, Kann diese Frage zwischen uns entscheiden; Das Blut ist heiß, das hierum kalt muß werden. Doch rühm' ich mich so zahmer Duldung nicht, Daß ich nichts sagen und verstummen sollte. Erst hält mich Scheu vor Eurer Hoheit ab, Zu spornen statt zu zügeln meine Rede, Die sonst wohl liefe, bis sie den Verrat Ihm doppelt in den Hals zurückgeschleudert. Von seines Blutes Hoheit abgesehn, Nehmt an, er sei nicht meines Lehnsherrn Vetter: So fodr' ich ihn heraus und spei' ihn an, Nenn' ihn verleumderische Memm' und Schurke. Ungleichen Kampf bestünd' ich gern hierauf Und träf ihn, müßt' ich laufen auch zu Fuß Bis auf der Alpen eingefrorne Zacken, Ja jeden andern unbewohnbar'n Boden, Wo je ein Englischer sich hingewagt. Zum Schutze meiner Treu' indes genügt: So wahr ich selig werden will! er lügt. Da, bleiche Memme! werf' ich hin mein Pfand, Entsagend der Verwandtschaft eines Königs; Und achte nicht mein fürstliches Geblüt, Das deine Furcht, nicht Ehrerbietung vorschützt. Wenn schuld'ge Angst dir so viel Stärke läßt, Mein Ehrenpfand zu nehmen, bücke dich; Bei dem und jedem Brauch des Rittertums Will ich, Arm gegen Arm, dir, was ich sprach Und was du Schlimmres denken kannst, bewähren. Ich nehm' es auf und schwöre bei dem Schwert, Das sanft mein Rittertum mir aufgelegt: Ich stehe dir nach jeglicher Gebühr, Nach jeder Weise ritterlicher Prüfung; Und sitz' ich auf, nie steig' ich lebend ab, Wenn mein Verrat zur Klage Recht dir gab! Was gibt dem Mowbray unser Vetter schuld? Groß muß es sein, was nur mit dem Gedanken Von Übel in ihm uns befreunden soll. Seht, was ich spreche, dafür steht mein Leben: – Daß er achttausend Nobel hat empfangen, Als Borg für Eurer Hoheit Kriegesvolk, Die er behalten hat zu schlechten Zwecken, Als ein Verräter und ein arger Schurke. Dann sag' ich, und ich will's im Kampf beweisen, Hier oder sonst wo, bis zur fernsten Grenze, Die je ein englisch Auge hat erblickt, Daß jeglicher Verrat, seit achtzehn Jahren In diesem Land erdacht und angestiftet, Vom falschen Mowbray ausgegangen ist. Ich sage ferner und will ferner noch Dies alles dartun auf sein schnödes Leben, Daß er des Herzog Glosters Tod betrieben, Mißleitet seine allzugläub'gen Gegner Und feig verrät'risch die schuldlose Seele Dadurch ihm ausgeschwemmt in Strömen Bluts, Das, wie das Blut des Opfer-weih'nden Abel, Selbst aus der Erde stummen Höhlen schreit Zu mir um Recht und strenge Züchtigung. Und bei der Ahnen Ruhm, den ich ererbt, Mein Arm vollbringt's, sonst sei mein Leib verderbt! Wie hohen Flugs sich sein Entschluß erschwingt! Thomas von Norfolk, was sagt Ihr hiezu? Oh, wende mein Monarch sein Antlitz weg Und heiße taub sein Ohr ein Weilchen sein, Bis ich die Schmach von seinem Blut erzählt, Wie Gott und Biedre solchen Lügner hassen! Mowbray, mein Aug' und Ohr ist unparteilich; Wär' er mein Bruder, ja des Reiches Erbe, Statt meines Vaters Brudern Sohn zu sein, Bei meines Szepters Würde schwör' ich doch, Die Nachbarschaft mit unserm heil'gen Blut Sollt' ihn nicht schützen, noch parteilich machen Den Vorsatz meines redlichen Gemüts. Er ist uns Untertan, Mowbray, wie du: Furchtlose Red' erkenn' ich frei dir zu. Dann, Bolingbroke, durch deinen falschen Hals Bis tief hinunter in dein Herz: du lügst! Drei Viertel von dem Vorschuß für Calais Zahlt' ich dem Kriegsvolk Seiner Hoheit richtig, Den Rest behielt ich auf Verwilligung, Weil mein Monarch in meiner Schuld noch war Von wegen Rückstands einer großen Rechnung, Seit ich aus Frankreich sein Gemahl geholt. Nun schling' die Lüg' hinab! – Was Glosters Tod betrifft, Ich schlug ihn nicht, allein, zu eigner Schmach, Ließ von der Pflicht, die ich geschworen, nach. – Was Euch gilt, edler Herr von Lancaster, Der ehrenwerte Vater meines Feindes, Einst stellt' ich heimlich Eurem Leben nach, Ein Fehl, der meine bange Seele kränkt: Doch eh' ich letzt das Sakrament empfing, Bekannt' ich es und bat um Euer Gnaden Verzeihung förmlich; und ich hoff', Ihr gabt sie. So weit geht meine Schuld; der Rest der Klage Kömmt her aus Tücken eines Bösewichts, Abtrünn'gen und entarteten Verräters, Was an mir selbst ich kühnlich will bestehn; Und wechselseitig schleudr' ich hin mein Pfand Auf dieses trotzigen Verräters Fuß, Um mich als biedern Ritter zu bewähren Im besten Blut, das ihm im Busen wohrt. Dies zu beschleun'gen bitt' ich um die Gnade, Daß Eu'r Gebot auf einen Tag uns lade. Ihr wutentflammten Herrn, folgt meinem Rat, Vertreibt die Galle, ohne Blut zu lassen; So sprechen wir, zwar nicht arzneigelehrt, Weil tiefe Bosheit allzutief versehrt. Vergebt, vergeßt, seid einig, ohne Haß! Der Doktor sagt: Hier frommt kein Aderlaß. – Mein Ohm, wo dies begann, da laßt es enden: Ihr müßt den Sohn, ich will den Herzog wenden. Das Friedestiften ziemt des Greisen Sinn. Wirf, Sohn, das Pfand des Herzogs Norfolk hin! Und, Norfolk, seines Ihr! Nun, Heinrich? nun? Gehorsam will, du sollst es willig tun. Norfolk, wirf hin! Wir wollen's, und es muß. Mich selbst, mein Herrscher, werf' ich dir zu Fuß. Gebeut mein Leben, nur nicht meine Scham: Das bin ich schuldig; doch mein reiner Nam', Der trotz dem Tode lebt auf meinem Grabe, Soll dein nicht sein, der finstern Schmach zur Habe. Entehrt, verklagt, steh' ich hier voll Beschwer; Durchbohrt hat mich der Läst'rung gift'ger Speer, Kein Balsam als sein Herzblut kann dies dämpfen, Aus dem das Gift kam. Wut muß man bekämpfen, Gib her sein Pfand! Der Leu macht Pardel zahm. Doch färbt er sie nicht um; nehmt meine Scham, Und willig geb' ich auch mein Pfand dann auf. Der reinste Schatz in diesem ird'schen Lauf, Mein teurer Fürst, ist unbefleckte Ehre, Ohn' die der Mensch bemalter Leim nur wäre. Ein kühner Geist im treuen Busen ist Ein Kleinod in zehnfach verschloßner Kist'. Ehr' ist des Lebens einziger Gewinn; Nehmt Ehre weg, so ist mein Leben hin. Drum, teurer Fürst, laßt mich um Ehre werben, Ich leb' in ihr und will für sie auch sterben. Vetter, werft hin das Pfand! Beginnet Ihr! Oh, solche Sünde wende Gott von mir! Soll ich entherzt vor meinem Vater stehn? Mit blasser Bettlerfurcht die Hoheit schmähn Vor dem verhöhnten Zagen? Eh' so schnöde Mit eigner Zung' ich meine Ehre töte Durch feigen Antrag: eh' zerreißt mein Zahn Das Werkzeug bangen Widerrufs fortan, Und blutend spei' ich sie, zu höchstem Hohn, In Mowbrays Angesicht, der Schande Thron. Gaunt ab. Uns ziemet, statt zu bitten, zu befehlen. Da wir euch auszusöhnen nicht vermocht, So stellt euch ein, wofür eu'r Leben bürge, Zu Coventry, auf Sankt Lambertus' Tag! Da soll entscheiden euer Speer und Schwert Den Zwist des Hasses, den ihr steigend nährt. Weil wir euch nicht versöhnt, bewähr' das Recht Die Ritterschaft des Siegers im Gefecht. Lord Marschall, laßt das Heroldsamt der Waffen Die Führung dieser innern Unruh' schaffen! Alle ab. Zweite Szene Zweite Szene Ebendaselbst. Ein Zimmer im Palaste des Herzogs von Lancaster. Gaunt und die Herzogin von Gloster treten auf. Ach, mein so naher Teil an Glosters Blut Treibt mehr mich an als Euer Schreien, mich Zu rühren gegen seines Lebens Schlächter. Doch weil Bestrafung in den Händen liegt, Die das getan, was wir nicht strafen können, Befehlen wir dem Himmel unsre Klage, Der, wenn er reif die Stund' auf Erden sieht. Aufs Haupt der Sünder heiße Rache regnet. So ist die Brüderschaft kein schärfrer Sporn? Und schürt die Lieb' in deinem alten Blut Kein lebend Feuer? Eduards sieben Söhne, Wovon du selber einer bist, sie waren Wie sieben Flaschen seines heil'gen Bluts, Wie sieben Zweig' aus einer Wurzel sprossend. Ein Teil ist nun natürlich eingetrocknet, Ein Teil der Zweige vom Geschick gefällt; Doch Thomas, mein Gemahl, mein Heil, mein Gloster, Von Eduards heil'gem Blute eine Flasche, Ein blüh'nder Zweig der königlichen Wurzel, Ist eingeschlagen und der Trank verschüttet, Ist umgehau'n und all sein Laub verwelkt, Durch Neides Hand und Mordes blut'ge Axt. Ach, Gaunt! sein Blut war deins; das Bett, der Schoß. Der Lebensgeist, die Form, die dich gestaltet, Macht' ihn zum Mann; und lebst du schon und atmest, Du bist in ihm erschlagen: du stimmst ein In vollem Maß zu deines Vaters Tod, Da du den armen Bruder sterben siehst, Der Abdruck war von deines Vaters Leben. Nenn's nicht Geduld, es ist Verzweiflung, Gaunt; Indem du so den Bruder läßt erschlagen, Zeigst du den offnen Pfad zu deinem Leben Und lehrst den finstern Mord, dich auch zu schlachten. Was wir an Niedern rühmen als Geduld, Ist blasse Feigheit in der edlen Brust. Was red' ich viel? Du schirmst dein eignes Leben Am besten, rächst du meines Glosters Tod. Der Streit ist Gottes, denn sein Stellvertreter, Sein Bot', in seinem Angesicht gesalbt, Hat seinen Tod verursacht; wenn mit Unrecht, Mag Gott es rächen: ich erhebe nie Den Arm im Zorne gegen seinen Diener. Wo soll ich, ach! denn meine Klage führen? Beim Himmel, der die Witwen schützt und schirmt. Nun gut, das will ich. Alter Gaunt, leb wohl! Du gehst nach Coventry, den grimmen Mowbray Mit Vetter Hereford fechten da zu sehn. Oh, Glosters Unrecht sitz' auf Herefords Speer, Auf daß er dring' in Schlächter Mowbrays Brust! Und schlägt dem Unglück fehl das erste Rennen, So schwer sei Mowbrays Sünd' in seinem Busen, Daß sie des schäum'gen Rosses Rücken bricht Und wirft den Reiter häuptlings in die Schranken, Auf Gnad' und Ungnad' meinem Vetter Hereford! Leb wohl, Gaunt! Deines weiland Bruders Weib Verzehrt in Grams Gesellschaft ihren Leib. Schwester, leb wohl! Nach Coventry muß ich: Heil bleibe bei dir und begleite mich! Ein Wort noch! – Gram springt, wo er fällt, zurück, Durch sein Gewicht, nicht durch die hohle Leerheit. Ich nehme Abschied, eh' ich noch begann; Leid endet nicht, wann es scheint abgetan. Empfiehl mich meinem Bruder, Edmund York. Sieh, dies ist alles: – doch warum so eilen? Ist dies schon alles, mußt du doch noch weilen; Mir fällt wohl mehr noch ein. Heiß' ihn – o was? Zu mir nach Plashy unverzüglich gehn. Ach, und was wird der alte York da sehn Als leere Wohnungen und nackte Mauern Samt öden Hallen, unbetretnen Steinen? Was zum Willkommen hören als mein Weinen? Darum empfiehl mich: laß ihn dort das Leid Nicht suchen, denn es wohnt ja weit und breit. Trostlos will ich von hinnen und verscheiden: Mein weinend Auge sagt das letzte Scheiden. Ab. Dritte Szene Dritte Szene Gosford-Aue bei Coventry. Der Lord Mqrschall und Aumerle treten auf. Mylord Aumerle, ist Heinrich Hereford rüstig? In voller Wehr, begehrend einzutreten. Der Herzog Norfolk, wohlgemut und kühn, Harrt nur auf die Trompete seines Klägers. So sind die Kämpfer denn bereit und warten Auf nichts als Seiner Majestät Erscheinung. Trompetenstoß. König Richard tritt auf und setzt sich auf seinen Thron; Gaunt und verschiedne Edle nehmen gleichfalls ihre Plätze. Eine Trompete wird geblasen und von einer andern Trompete draußen erwidert. Alsdann erscheint Norfolk in voller Rüstung, mit einem Herold vor ihm her. Marschall, erfraget von dem Kämpfer dort Die Ursach' seiner Ankunft hier in Waffen; Auch seinen Namen, und verfahrt mit Ordnung, Den Eid ihm abzunehmen auf sein Recht! In Gottes Namen und des Königs, sprich: Wer bist du, und weswegen kommst du her, So ritterlich mit Waffen angetan? Und wider wen kommst du, und was dein Zwist? Sprich wahrhaft, auf dein Rittertum und Eid, So schütze dich der Himmel und dein Mut! Mein Nam' ist Thomas Mowbray, Norfolks Herzog; Ich komme her, durch einen Eid gebunden (Verhüte Gott, daß den ein Ritter bräche!), Um zu verfechten, daß ich Treu' und Pflicht Gott und dem König halt' und meinen Erben, Wider den Herzog Hereford, der mich anklagt; Und will, durch Gottes Gnad' und meinen Arm Mich wehrend, ihn erweisen als Verräter An Gott, an meinem König und an mir. So schütze Gott mich, wie ich wahrhaft fechte! Er nimmt seinen Sitz ein. Eine Trompete wird geblasen. Bolingbroke erscheint in voller Rüstung, mit einem Herold vor ihm her. Marschall, befragt den Ritter dort in Waffen Erst, wer er ist, und dann, warum er komme, Mit kriegerischem Zeuge so gestählt; Und förmlich, unserem Gesetz gemäß, Vernehmt ihn auf das Recht in seiner Sache! Wie ist dein Nam', und warum kommst du her Vor König Richard in die hohen Schranken? Und wider wen kommst du, und was dein Zwist? So schütz' dich Gott, sprich als wahrhafter Ritter! Heinrich von Hereford, Lancaster und Derby Bin ich, der hier bereit in Waffen steht, Durch Gottes Gnad' und meines Leibes Kraft Hier in den Schranken gegen Thomas Mowbray, Herzog von Norfolk, darzutun, er sei Ein schnöder und gefährlicher Verräter An Gott, an König Richard und an mir; Und schütze Gott mich, wie ich wahrhaft fechte! Bei Todesstrafe sei kein Mensch so kühn, Daß er die Schranken anzurühren wage, Den Marschall ausgenommen und Beamten, Die dies Geschäft gebührend ordnen sollen. Lord Marschall, laßt des Fürsten Hand mich küssen Und niederknie'n vor Seiner Majestät: Denn ich und Mowbray sind zwei Männern gleich, Die lange, schwere Pilgerfahrt gelobt. Laßt uns denn feierlichen Abschied nehmen Und Lebewohl von beiderseit'gen Freunden! Der Kläger, grüßt Eu'r Hoheit ehrerbietigst Und wünscht zum Abschied Eure Hand zu küssen. Ihn zu umarmen steigen wir herab. – Vetter von Hereford, wie dein Handel recht, So sei dein Glück im fürstlichen Gefecht! Leb wohl, mein Blut! Mußt du es heut verströmen, Darf ich's beklagen, doch nicht Rache nehmen. Kein edles Aug' müss' eine Trän' um mich Entweihn, wenn ich von Mowbrays Speer erblich; So zuversichtlich, wie des Falken Stoß Den Vogel trifft, geh' ich auf Mowbray los. Zum Lord Marschall. Mein güt'ger Herr, ich nehme von Euch Abschied, – Von Euch, mein edler Vetter, Lord Aumerle: – Nicht krank, hab' ich zu schaffen gleich mit Tod, Nein, lustig Atem holend, frisch und rot. – Seht, wie beim Mahl, das Ende zu versüßen, Will ich zuletzt das Auserwählt'ste grüßen: – Zu Gaunt. O du, der ird'sche Schöpfer meines Bluts, Des jugendlicher Geist, in mir erneuert, Mit doppelter Gewalt empor mich hebt, Den Sieg zu greifen über meinem Haupt! Mach' meine Rüstung fest durch dein Gebet, Durch deinen Segen stähle meine Lanze, Daß sie in Mowbrays Panzerhemde dringe, Und glänze neu der Nam' Johann von Gaunt Im mutigen Betragen seines Sohns! Gott geb' dir Glück bei deiner guten Sache! Schnell, wie der Blitz, sei in der Ausführung, Und laß, zwiefach verdoppelt, deine Streiche Betäubend, wie den Donner, auf den Helm Des tödlichen, feindsel'gen Gegners fallen! Reg' auf dein junges Blut, sei brav und lebe! Mein Recht und Sankt Georg mir Beistand gebe! Er nimmt seinen Sitz. NORFOLK aufstehend. Wie Himmel oder Glück mein Los auch wirft, Hier lebt und stirbt, treu König Richards Throne, Ein redlicher und biedrer Edelmann. Nie warf mit froherm Herzen ein Gefangner Der Knechtschaft Fesseln ab und hieß willkommen Die goldne, ungebundne Loslassung, Als wie mein tanzendes Gemüt dies Fest Des Kampfes wider meinen Gegner feiert. Großmächt'ger Fürst, und meiner Freunde Schar! Es wünscht mein Mund euch manch beglücktes Jahr. Ich geh' zum Kampfe, munter, wie zur Lust, Denn Ruhe wohnt in einer treuen Brust. Gehabt Euch wohl: ich kann genau erspähn, Wie Mut und Tugend aus dem Aug' Euch sehn. – Befehlt den Zweikampf, Marschall, und beginnt! Der König und die Herren kehren zu ihren Sitzen zurück. Heinrich von Hereford, Lancaster und Derby, Empfang' die Lanz', und schütze Gott dein Recht! aufstehend. Stark wie ein Turm in Hoffnung, ruf' ich Amen. zu einem Beamten. Bring' diese Lanz' an Thomas, Norfolks Herzog! Heinrich von Hereford, Lancaster und Derby Steht hier für Gott, für seinen Herrn und sich, Bei Strafe, falsch und ehrlos zu erscheinen, Um darzutun dem Thomas Mowbray, Herzog Von Norfolk, er sei schuldig des Verrats An Gott, an seinem König und an ihm, Und fodert ihn zu dem Gefecht heraus. Hier stehet Thomas Mowbray, Norfolks Herzog, Bei Strafe, falsch und ehrlos zu erscheinen, Sich zu verteidigen und darzutun Heinrich von Hereford, Lancaster und Derby Treulos an Gott, an seinem Herrn und ihm: Mit williger Begehr und wohlgemut, Erwartend nur das Zeichen zum Beginn. Trompeten, blast! und Streiter, macht euch auf! Es wird zum Angriff geblasen. Doch halt! der König wirft den Stab herunter. Laßt sie beiseit die Helm' und Speere legen Und beide wiederkehren zu dem Sitz! Zu Gaunt und den übrigen Großen, indem er sich gegen den Hintergrund der Bühne zurückzieht. Ihr, folget uns! – und laßt Trompeten schallen, Bis wir den Gegnern kund tun unsern Schluß! Trompeten, anhaltend. Wieder vortretend zu den Streitern. Kommt her! Vernehmt, was wir mit unserm Rat verfügt: – Auf daß nicht unsers Reiches Boden werde Befleckt mit teurem Blut, das er genährt; Weil unser Aug' den grausen Anblick scheut Von Wunden, aufgepflügt durch Nachbarschwerter; Und weil uns dünkt, der stolze Adlerflug Ehrsücht'ger, himmelstrebender Gedanken Und Neid, der jeden Nebenbuhler haßt, Hab' euch gereizt, zu wecken unsern Frieden, Der, in der Wiege unsers Landes schlummernd, Die Brust mit süßem Kindes-Odem schwellt; Der, aufgerüttelt nun von lärm'gen Trommeln, Samt heiserer Trompeten wildem Schmettern Und dem Geklirr ergrimmter Eisenwehr, Aus unsern stillen Grenzen schrecken möchte Den holden Frieden, daß wir waten müßten In unsrer Anverwandten Blut: – deswegen Verbannen wir aus unsern Landen euch. – Ihr, Vetter Hereford, sollt bei Todesstrafe, Bis unsre Au'n zehn Sommer neu geschmückt, Nicht wiedergrüßen unser schönes Reich Und fremde Pfade der Verbannung treten. Gescheh' Eu'r Wille! Dies muß Trost mir sein: Die Sonne, die hier wärmt, gibt dort auch Schein; Und dieser goldne Strahl, Euch hier geliehn, Wird auch um meinen Bann vergüldend glühn. Norfolk, dein wartet ein noch härtrer Spruch, Den ich nicht ohne Widerwillen gebe: Der Stunden leise Flucht soll nicht bestimmen Den grenzenlosen Zeitraum deines Banns; Das hoffnungslose Wort »Nie wiederkehren!« Sprech' ich hier wider dich bei Todesstrafe. Ein harter Spruch, mein höchster Lehensherr, Ganz unversehn aus Eurer Hoheit Mund! Erwünschten Lohn, nicht solche tiefe Schmach, Daß man mich ausstößt in die weite Welt, Hab' ich verdient von seiten Eurer Hoheit. Die Sprache, die ich vierzig Jahr gelernt, Mein mütterliches Englisch, soll ich missen; Und meine Zunge nützt mir nun nicht mehr Als, ohne Saiten, Laute oder Harfe, Ein künstlich Instrument im Kasten, oder Das, aufgetan, in dessen Hände kömmt, Der keinen Griff kennt, seinen Ton zu stimmen. Ihr habt die Zung' in meinen Mund gekerkert, Der Zähn' und Lippen doppelt Gatter vor; Und dumpfe, dürftige Unwissenheit Ist mir zum Kerkermeister nun bestellt. Ich bin zu alt, der Amme liebzukosen, Zu weit in Jahren, Zögling noch zu sein: Was ist dein Urteil denn als stummer Tod, Das eignen Hauch zu atmen mir verbot? Es hilft dir nicht, in Wehmut zu verzagen: Nach unserm Spruche kommt zu spät das Klagen. So wend' ich mich vom lichten Vaterland, In ernste Schatten ew'ger Nacht gebannt. Er entfernt sich. Komm wieder, nimm noch einen Eid mit dir! Legt die verbannten Händ' auf dies mein Schwert, Schwört bei der Pflicht, die ihr dem Himmel schuldet (Denn unser Teil dran ist mit euch verbannt), Den Eid zu halten, den wir auferlegen: – Nie sollt ihr, so euch Gott und Wahrheit helfe! Mit Lieb' einander nahn in eurem Bann, Noch jemals ins Gesicht einander schaun, Noch jemals schreiben, grüßen, noch besänft'gen Die Stürme des daheim erzeugten Hasses, Noch euch mit überlegtem Anschlag treffen, Um Übles auszusinnen gegen uns Und unsre Untertanen, Staat und Land. Ich schwöre. Und ich auch, all dies zu halten. Norfolk, so weit sich's unter Feinden ziemt: – Um diese Zeit, ließ es der König zu, Irrt' in der Luft schon eine unsrer Seelen, Verbannt aus unsers Fleisches morschem Grabe, Wie jetzt dies Fleisch verbannt ist aus dem Lande: Bekenne den Verrat, eh' du entweichst; Weil du so weit zu gehn hast, nimm nicht mit Die schwere Bürde einer schuld'gen Seele! Nein, Bolingbroke: war ich Verräter je, So sei getilgt mein Nam' im Buch des Lebens Und ich verbannt vom Himmel, wie von hier! Doch was du bist, weiß Gott und du und ich. Und nur zu bald wird es den König reu'n. Lebt wohl, mein Fürst! – Nicht fehlgehn kann ich jetzt: Die weite Welt ist mir zum Ziel gesetzt. Ab. Oheim, ich seh' im Spiegel deiner Augen Dein tiefbekümmert Herz; dein traur'ger Anblick Hat vier aus seiner Zahl verbannter Jahre Entrückt: – Zu Bolingbroke. sobald sechs frost'ge Winter aus, Kehr' du willkommen aus dem Bann nach Haus! Wie lange Zeit liegt in so kleinem Wort! Vier träge Winter und vier lust'ge Maien Beschließt ein Wort, wenn Kön'ge Kraft ihm leihen. Dank meinem Fürsten, daß er mir zu lieb Vier Jahre meines Sohns Verbannung kürzt! Allein ich ernte wenig Frucht davon. Eh' die sechs Jahre, die er säumen muß, Die Monde wandeln und den Lauf vollenden, Erlischt in ew'ger Nacht mein schwindend Licht, Die Lampe, der vor Alter Öl gebricht; Mit meinem Endchen Kerze ist's geschehn, Und blinder Tod läßt mich den Sohn nicht sehn. Ei, Oheim, du hast manches Jahr zu leben. Nicht 'ne Minute, Herr, die du kannst geben. Verkürzen kannst du meine Tag' in Sorgen, Mir Nächte rauben, leihn nicht einen Morgen; Du kannst der Zeit wohl helfen Furchen ziehn, Doch nicht sie hemmen in dem raschen Fliehn: Ihr gilt dein Wort für meinen Tod sogleich, Doch, tot, schafft keinen Odem mir dein Reich. Dein Sohn ist weisem Rat gemäß verbannt, Wozu dein Mund ein Miturteil gegeben: Nun scheinst du finster auf das Recht zu schaun? Was süß schmeckt, wird oft bitter beim Verdau'n. Ihr setztet mich als Richter zum Berater; Oh, hießt Ihr doch mich reden wie ein Vater! Wär' er mir fremd gewesen, nicht mein Kind, So war ich milder seinem Fehl gesinnt. Parteien-Leumund sucht' ich abzuwenden, Und mußte so mein eignes Leben enden. Ach! Ich schaut' um, ob keiner spräche nun, Ich sei zu streng, was mein, so wegzutun; Doch der unwill'gen Zung' habt ihr erlaubt, Daß sie mich wider Willen so beraubt. Vetter, lebt wohl! – Und, Oheim, sorgt dafür: Sechs Jahr' ist er verbannt und muß von hier. Trompetenstoß. König Richard und Gefolge ab. Vetter, lebt wohl! Was Gegenwart verwehrt Zu sagen, melde Schrift von da, wo Ihr verkehrt. Kein Abschied, gnäd'ger Herr! denn ich will reiten, So weit das Land verstattet, Euch zur Seiten. Oh, zu was Ende sparst du deine Worte, Daß du den Freunden keinen Gruß erwiderst? Zu wen'ge hab' ich, um von Euch zu scheiden, Da reichlich Dienst die Zunge leisten sollte, Des Herzens vollen Jammer auszuatmen. Dein Gram ist nur Entfernung für 'ne Zeit. Lust fern, Gram gegenwärtig für die Zeit. Was sind sechs Winter? Sie sind bald dahin. Im Glück, doch Gram macht zehn aus einer Stunde. Nenn's eine Reise, bloß zur Lust gemacht! Mein Herz wird seufzen, wenn ich's so mißnenne, Und findet es gezwungne Pilgerschaft. Den traur'gen Fortgang deiner müden Tritte Acht' einer Folie gleich, um drein zu setzen Das reiche Kleinod deiner Wiederkehr! Nein, eher wird mich jeder träge Schritt Erinnern, welch ein Stück der Welt ich wandre Von den Kleinodien meiner Liebe weg. Muß ich nicht eine lange Lehrlingschaft Auf fremden Bahnen dienen, und am Ende, Bin ich nun frei, mich doch nichts weiter rühmen, Als daß ich ein Gesell des Grames war? Ein jeder Platz, besucht vom Aug' des Himmels, Ist Glückes-Hafen einem weisen Mann. Lehr' deine Not die Dinge so betrachten; Es kommt der Not ja keine Tugend bei. Denk' nicht, daß dich der König hat verbannt, Nein, du den König: Leid sitzt um so schwerer, Wo es bemerkt, daß man nur schwach es trägt. Geh, sag, daß ich dich ausgesandt nach Ehre, Nicht, daß der Fürst dich bannte; oder glaube, Verschlingend hänge Pest in unsrer Luft, Und du entfliehst zu einem reinern Himmel. Was deine Seele wert hält, stell' dir vor Da, wo du hingehst, nicht, woher du kommst: Die Singevögel halt' für Musikanten, Das Gras für ein bestreutes Prunkgemach, Für schöne Frau'n die Blumen, deine Tritte Für nichts als einen angenehmen Tanz: Denn knirschend Leid hat minder Macht, zu nagen Den, der es höhnt und nichts danach will fragen. Oh, wer kann Feu'r dadurch in Händen halten, Daß er den frost'gen Kaukasus sich denkt? Und wer des Hungers gier'gen Stachel dämpfen Durch bloße Einbildung von einem Mahl? Wer nackend im Dezemberschnee sich wälzen, Weil er phantast'sche Sommerglut sich denkt? O nein! die Vorstellung des Guten gibt Nur desto stärkeres Gefühl des Schlimmern; Nie zeugt des Leides grimmer Zahn mehr Gift, Als wenn er nagt, doch durch und durch nicht trifft. Komm, komm, mein Sohn, daß ich den Weg dir weise; So jung wie du, verschöb' ich nicht die Reise. Leb wohl denn, Englands Boden! Süße Erde, Du Mutter, Wärterin, die noch mich trägt! Wo ich auch wandre, bleibt der Ruhm mein Lohn: Obschon verbannt, doch Englands echter Sohn. Alle ab. Zweiter Aufzug Erste Szene Erste Szene Coventry. Ein Zimmer in des Königs Schloß. König Richard, Bagot und Green treten auf. Aumerle nach ihnen. Wir merkten's wohl. – Vetter Aumerle, wie weit Habt Ihr den hohen Hereford noch begleitet? Den hohen Hereford, wenn Ihr so ihn nennt, Bracht' ich zur nächsten Straß' und ließ ihn da. Und wandtet Ihr viel Abschiedstränen auf? Ich keine, traun; wenn der Nordostwind nicht, Der eben schneidend ins Gesicht uns blies, Das salze Naß erregt' und so vielleicht Dem hohlen Abschied eine Träne schenkte. Was sagte unser Vetter, als Ihr schiedet? »Leb wohl!« – Doch weil mein Herz verschmähte, daß die Zunge Dies Wort so sollt' entweihn, so lernt' ich schlau Von solchem Jammer mich belastet stellen, Daß meine Wort' in Leid begraben schienen. Hätt' ihm das Wort »Leb wohl« verlängt die Stunden Und Jahre zu dem kurzen Bann gefügt, So hätt' er wohl ein Buch voll haben sollen; Doch weil's dazu nicht half, gab ich ihm kein's. Er ist mein Vetter, Vetter; doch wir zweifeln, Wenn heim vom Bann die Zeit ihn rufen wird, Ob er die Freunde dann zu sehen kommt. Wir selbst und Bushy, Bagot hier und Green Sahn sein Bewerben beim geringen Volk, Wie er sich wollt' in ihre Herzen tauchen Mit traulicher, demüt'ger Höflichkeit; Was für Verehrung er an Knechte wegwarf, Handwerker mit des Lächelns Kunst gewinnend Und ruhigem Ertragen seines Loses, Als wollt' er ihre Neigung mit verbannen. Vor einem Austerweib zieht er die Mütze; Ein Paar Karrnzieher grüßten: »Gott geleit' Euch!« Und ihnen ward des schmeid'gen Knies Tribut Nebst: »Dank, Landsleute! meine güt'gen Freunde!« Als hätt' er Anwartschaft auf unser England Und wär' der Untertanen nächste Hoffnung. Gut, er ist fort, und mit ihm diese Plane. Nun die Rebellen, die in Irland stehn! – Entschloßne Führung gilt es da, mein Fürst, Eh' weitres Zögern weitre Mittel schafft Zu ihrem Vorteil und Eu'r Hoheit Schaden. Wir wollen in Person zu diesem Krieg. Und weil die Kisten, durch zu großen Hof Und freies Spenden, etwas leicht geworden, So sind wir unser königliches Reich Genötigt zu verpachten; der Ertrag Soll unser jetziges Geschäft bestreiten. Reicht das nicht hin, so sollen die Verwalter Zu Hause leer gelass'ne Briefe haben, Worein sie, wen sie ausgespürt als reich, Mit großen Summen Gold einschreiben sollen, Für unsre Notdurft sie uns nachzusenden: Denn unverzüglich wollen wir nach Irland. Bushy kommt. Bushy, was gibt's? Der alte Gaunt liegt schwer danieder, Herr, Plötzlich erkrankt, und sendet eiligst her, Daß Eure Majestät ihn doch besuche. Wo liegt er? In Ely-Haus. Gib, Himmel, seinem Arzt nun in den Sinn, Ihm augenblicklich in sein Grab zu helfen! Die Fütt'rung seiner Koffer soll zu Röcken Der Truppen dienen im irländ'schen Krieg. – Ihr Herren, kommt! Gehn wir, ihn zu besuchen, Und gebe Gott, wir eilen schon zu spät! Alle ab. Zweite Szene Zweite Szene London. Ein Zimmer in Ely-Haus. Gaunt auf einem Ruh'bett; der Herzog von York und andre um ihn her stehend. Sagt, kommt der König, daß mein letzter Hauch Heilsamer Rat der flücht'gen Jugend sei? Quält Euch nicht selbst, noch greift den Odem an, Denn ganz umsonst kommt Rat zu seinem Ohr. Oh, sagt man doch, daß Zungen Sterbender Wie tiefe Harmonie Gehör erzwingen; Wo Worte selten, haben sie Gewicht: Denn Wahrheit atmet, wer schwer atmend spricht, Nicht der, aus welchem Lust und Jugend schwätzt. Der wird gehört, der bald nun schweigen muß; Beachtet wird das Leben mehr zuletzt: Der Sonne Scheiden und Musik am Schluß Bleibt, wie der letzte Schmack von Süßigkeiten, Mehr im Gedächtnis als die frühern Zeiten: Wenn Richard meines Lebens Rat verlor, Des Todes Warnung trifft vielleicht sein Ohr. Nein, das verstopfen andre Schmeicheltöne: Als Rühmen seines Hofstaats; dann Gesang Verbuhlter Lieder, deren gift'gem Klang Das offne Ohr der Jugend immer lauscht; Bericht von Moden aus dem stolzen Welschland, Dem unser blödes Volk, nach Art der Affen Nachhinkend, strebt sich knechtisch umzuschaffen. Wo treibt die Welt 'ne Eitelkeit ans Licht (Sei sie nur neu, so fragt man nicht, wie schlecht). Die ihm nicht schleunig würd' ins Ohr gesummt? Zu spät kommt also Rat, daß man ihn höret, Wo sich der Wille dem Verstand empöret. Den leite nicht, der seinen Weg sich wählt: Denn du verschwendest Odem, der dir fehlt. Ich bin ein neu begeisterter Prophet, Und so weissag' ich über ihn, verscheidend: Sein wildes, wüstes Brausen kann nicht dauern, Denn heft'ge Feuer brennen bald sich aus; Ein sanfter Schau'r hält an, ein Wetter nicht, Wer frühe spornt, ermüdet früh sein Pferd, Und Speis' erstickt den, der zu hastig speist. Die Eitelkeit, der nimmersatte Geier, Fällt nach verzehrtem Vorrat selbst sich an. Der Königsthron hier, dies gekrönte Eiland, Dies Land der Majestät, der Sitz des Mars, Dies zweite Eden, halbe Paradies, Dies Bollwerk, das Natur für sich erbaut, Der Ansteckung und Hand des Kriegs zu trotzen, Dies Volk des Segens, diese kleine Welt, Dies Kleinod, in die Silbersee gefaßt, Die ihr den Dienst von einer Mauer leistet, Von einem Graben, der das Haus verteidigt Vor weniger beglückter Länder Neid; Der segensvolle Fleck, dies Reich, dies England, Die Amm' und schwangre Schoß erhabner Fürsten, An Söhnen stark und glorreich von Geburt; So weit vom Haus berühmt für ihre Taten, Für Christen-Dienst und echte Ritterschaft, Als fern im starren Judentum das Grab Des Weltheilandes liegt, der Jungfrau Sohn: Dies teure, teure Land so teurer Seelen, Durch seinen Ruf in aller Welt so teuer, Ist nun in Pacht, – ich sterbe, da ich's sage, – Gleich einem Landgut oder Meierhof. Ja, England, eingefaßt vom stolzen Meer. Des Felsgestade jeden Wellensturm Des neidischen Neptunus wirft zurück, Ist nun in Schmach gefaßt, mit Tintenflecken Und Schriften auf verfaultem Pergament. England, das andern obzusiegen pflegte, Hat schmählich über sich nun Sieg erlangt. Oh, wich' das Ärgernis mit meinem Leben, Wie glücklich wäre dann mein naher Tod! König Richard, die Königin, Aumerle, Bushy, Green, Bagot, Roß und Willoughby kommen. Da kömmt der König; geht mit seiner Jugend Nur glimpflich um; denn junge hitz'ge Füllen, Tobt man mit ihnen, toben um so mehr. Was macht mein edler Oheim Lancaster? Nun, Freund, wohlauf? Was macht der alte Gaunt? Oh, wie der Name meinem Zustand ziemt! Wohl Gaunt: der Tod wird meinen Leib verganten; Und alter Gaunt, der längst den Gant erwartet. In Sorg' um England zehrt' ich mein Vermögen, Mein Bestes nahmst du mit dem Sohn mir weg: Nun machen böse Gläub'ger, Krankheit, Alter, Am alten Gaunt ihr altes Gantrecht gültig, Da wird er in sein Ganthaus Grab gebracht, Wo nichts von ihm zurückbleibt als Gebein. Und spielen Kranke so mit ihren Namen? Nein, Elend liebt es, über sich zu spotten. Weil du den Namen töten willst mit mir, Schmeichl' ich, sein spottend, großer König, dir. So schmeichelt denn, wer stirbt, dem, der noch lebt? Nein, der noch lebet, schmeichelt dem, der stirbt. Du, jetzt im Sterben, sagst, du schmeichelst mir. O nein, du stirbst, bin ich schon kränker hier. Ich bin gesund, ich atm' und seh' dich schlimm. Der dich erschaffen, weiß, ich seh' dich schlimm; Schlimm, da ich selbst mich seh', und auch dich sehend, schlimm. Dein Todbett ist nicht kleiner als dein Land, Worin du liegst, an übelm Rufe krank; Und du, sorgloser Kranker, wie du bist, Vertrauest den gesalbten Leib der Pflege Derselben Ärzte, die dich erst verwundet. In deiner Krone sitzen tausend Schmeichler, Da ihr Bezirk nicht weiter als dein Haupt. Und doch, genistet in so engem Raum, Verpraßten sie nicht minder als dein Land. Oh! daß dein Ahn prophetisch hätt' erkannt Das Unheil seiner Söhn' im Sohnes-Sohn! Er hätte dir die Schande weggeräumt. Dich abgesetzt vor deiner Einsetzung, Die nun dich selber abzusetzen dient. Ei, Vetter, wärst du auch Regent der Welt, So war' es Schande, dieses Land verpachten; Doch, um die Welt! da du dies Land nur hast, Ist es nicht mehr als Schand', es so zu schänden? Landwirt von England bist du nun, nicht König: Gesetzes Macht dient knechtisch dem Gesetz, Und – Du, ein seichter und mondsücht'ger Narr, Auf eines Fiebers Vorrecht dich verlassend, Darfst uns mit deinen frost'gen Warnungen Die Wangen bleichen, unser fürstlich Blut Vor Zorn aus seinem Aufenthalt verjagen? Bei meines Thrones hoher Majestät! Wärst du des großen Eduard Sohnes Bruder nicht, – Die Zunge, die so wild im Kopf dir wirbelt, Trieb' dir den Kopf von den verwegnen Schultern. O schone mein nicht, meines Bruders Eduard Sohn, Weil seines Vaters Eduard Sohn ich war! Du hast dies Blut ja, wie der Pelikan, Schon abgezapft und trunken ausgezecht. Mein Bruder Gloster, – schlichte biedre Seele, Dem's wohl im Himmel geh' bei sel'gen Seelen! – Kann uns ein Vorbild sein und guter Zeuge, Daß ohne Scheu du Eduards Blut vergießest. Mach' du mit meiner Krankheit einen Bund: Dein Zorn sei wie der Alte mit der Hippe Und mähe rasch die längst verwelkte Blume! Leb' in der Schmach! Schmach sterbe nicht mit dir! Einst sei dein Quäler dieses Wort von mir! Bringt mich ins Bett, dann sollt ihr mich begraben: Laßt leben die, so Lieb' und Ehre haben! Er wird von den Bedienten weggetragen. Laßt sterben die, so Laun' und Alter haben: Denn beides hast du, beides sei begraben! Ich bitt' Eu'r Majestät, schreibt seine Worte Der mürr'schen Krankheit und dem Alter zu: Er liebt und hält Euch wert, auf meine Ehre! Wie Heinrich Hereford, wenn er hier noch wäre. Recht! Herefords Liebe kommt die seine bei, Der ihren mein', und alles sei, wie's sei! Northumberland kommt. Der alte Gaunt empfiehlt sich Eurer Majestät. Was sagt er? Gar nichts; alles ist gesagt: Die Zung' ist ein entsaitet Instrument, Welt, Leben, alles hat für ihn ein End'. Sei York der nächste, dem es so ergeh'! Ist Tod schon arm, er endigt tödlich Weh. Er fiel wie reife Früchte; seine Bahn Ist aus, doch unsre Wallfahrt hebt erst an. So viel hievon. – Nun von dem Krieg in Irland! Man muß die straub'gen Räuberbanden tilgen, Die dort wie Gift gedeihn, wo sonst kein Gift, Als sie allein, das Vorrecht hat zu leben. Und weil dies große Werk nun Aufwand fodert, So ziehen wir zu unserm Beistand ein Das Silberzeug, Geld, Renten und Gerät, Was unser Oheim Gaunt besessen hat. Wie lang' bin ich geduldig? Ach, wie lang' Wird zarte Pflicht ertragen solchen Zwang? Nicht Glosters Tod, noch Herefords Bann, noch Gaunts Verunglimpfung, noch Englands Druck und Not, Noch die Vermählung, die vereitelt ward Dem armen Bolingbroke, noch meine Schmach Bewog mich je, die Miene zu verziehn Und wider meinen Herrn die Stirn zu runzeln. Ich bin der letzte Sohn des edlen Eduard: Der erste war dein Vater, Prinz von Wales. Im Krieg war kein ergrimmter Leu je kühner, Im Frieden war kein sanftes Lamm je milder Als dieser junge, prinzlich edle Herr. Du hast sein Angesicht, so sah er aus, Als er die Anzahl deiner Tag' erfüllt; Doch wenn er zürnte, galt es die Franzosen, Nicht seine Freunde; seine edle Hand Gewann, was er hinweggab, gab nicht weg, Was siegreich seines Vaters Hand gewonnen. Er war nicht schuldig an Verwandten-Blut, Nur blutig gegen Feinde seines Stamms. O Richard! York ist allzutief im Kummer, Sonst stellt' er nimmer die Vergleichung an. Nun, Oheim! Was bedeutet's? O mein Fürst, Verzeiht mir, wenn es Euch gefällt; wo nicht, Nun, so gefällt mir's, daß Ihr nicht verzeiht. Wollt Ihr in Anspruch nehmen, an Euch reißen Die Leh'n und Rechte des verbannten Hereford? Ist Gaunt nicht tot, und lebt nicht Hereford noch? War Gaunt nicht redlich? Ist nicht Heinrich treu? Verdiente nicht der eine einen Erben? Ist nicht sein Erb' ein wohlverdienter Sohn? Nimm Herefords Rechte weg, und nimm der Zeit Die Privilegien und gewohnten Rechte; Laß Morgen denn auf Heute nicht mehr folgen; Sei nicht du selbst, denn wie bist du ein König Als durchgesetzte Folg' und Erblichkeit? Nun denn, bei Gott! – wenn Ihr – was Gott verhüte! – Gewaltsam Euch der Rechte Herefords anmaßt, Die Gnadenbriefe einzieht, die er hat, Um mittelst seiner Anwalt' anzuhalten, Daß ihm das Leh'n von neuem werd' erteilt, Und die erbotne Huldigung verweigert: So zieht Ihr tausend Sorgen auf Eu'r Haupt, Büßt tausend wohlgesinnte Herzen ein Und reizt mein zärtlich Dulden zu Gedanken, Die Ehr' und schuld'ge Treu' nicht denken darf. Denkt, was Ihr wollt: doch fällt in meine Hand Sein Silberzeug, sein Geld, sein Gut und Land. Lebt wohl, mein Fürst! Ich will es nicht mit sehn: Weiß niemand doch, was hieraus kann entstehn. Doch zu begreifen ist's bei bösen Wegen, Daß sie am Ende nie gedeihn zum Segen. Ab. Geh, Bushy, geh zum Lord von Wiltshire gleich, Heiß' ihn nach Ely-Haus sich herverfügen Und dies Geschäft versehn! Auf nächsten Morgen Gehn wir nach Irland, und fürwahr! 's ist Zeit; Und wir ernennen unsern Oheim York In unserm Absein zum Regenten Englands, Denn er ist redlich und uns zugetan. – Kommt, mein Gemahl! Wir müssen morgen scheiden: Die Zeit ist kurz: genießt sie noch in Freuden! Trompetenstoß. König, Königin, Aumerle, Bushy, Green und Bagot ab. Nun, Herrn! der Herzog Lancaster ist tot. Auch lebend: denn sein Sohn ist Herzog nun. Doch bloß dem Titel, nicht den Renten nach. Nach beiden reichlich, hätte Recht das Seine. Mein Herz ist voll, doch muß es schweigend brechen, Eh' es die freie Zung' entlasten darf. Ei, sprich dich aus, und spreche der nie wieder, Der dir zum Schaden deine Worte nachspricht! Gilt, was du sagen willst, den Herzog Hereford? Wenn dem so ist, nur keck heraus damit! Schnell ist mein Ohr, was gut für ihn, zu hören. Nichts Gutes, das ich könnte tun für ihn, Wenn ihr nicht gut es nennet, ihn bedauern, Der seines Erbes bar ist und beraubt. Beim Himmel! es ist Schmach, solch Unrecht dulden An einem Prinzen und an andern mehr Aus edlem Blut in dem gesunknen Land. Der König ist nicht mehr er selbst, verführt Von Schmeichlern; und was diese bloß aus Haß Angeben wider einen von uns allen, Das setzt der König strenge gegen uns Und unser Leben, Kinder, Erben durch. Das Volk hat er geschatzt mit schweren Steuern, Und abgewandt ihr Herz; gebüßt die Edlen Um alten Zwist, und abgewandt ihr Herz. Und neue Pressungen ersinnt man täglich, Als offne Briefe, Darlehn und ich weiß nicht was; Und was, um Gottes Willen, wird daraus? Der Krieg verzehrt' es nicht, er führte keinen, Er gab ja durch Verträge schmählich auf, Was seine Ahnen mit dem Schwert erworben. Er braucht im Frieden mehr, als sie im Krieg. Der Graf von Wiltshire hat das Reich in Pacht. Der König ist zum Bankrottierer worden. Verrufenheit und Abfall hänget über ihm. Er hat kein Geld für diese Krieg' in Irland, Der drückenden Besteu'rung ungeachtet, Wird der verbannte Herzog nicht beraubt. Sein edler Vetter: – o verworfner König! Doch, Herrn, wir hören dieses Wetter pfeifen Und suchen keinen Schutz, ihm zu entgehn; Wir sehn den Wind hart in die Segel drängen Und streichen doch sie nicht, gehn sorglos unter. Wir sehn den Schiffbruch, den wir leiden müssen, Und unvermeidlich ist nun die Gefahr, Weil wir die Ursach' unsers Schiffbruchs leiden. Nein, blickend aus des Todes hohlen Augen, Erspäh' ich Leben, doch ich darf nicht sagen, Wie nah die Zeitung unsers Trostes ist. Teil', was du denkst, mit uns, wie wir mit dir! Sprich unbedenklich doch, Northumberland: Wir drei sind nur du selbst, und deine Worte Sind hier nur wie Gedanken: drum sei kühn! Dann lautet's so: es wird aus Port le Blanc, Dem Hafen in Bretagne, mir gemeldet, Daß Heinrich Hereford, Reginald Lord Cobham, Der Sohn des Grafen Richard Arundel, Der jüngst vom Herzog Exeter geflüchtet, Sein Bruder, Erzbischof sonst von Canterbury, Sir Thomas Erpingham, Sir John Ramston, Sir John Norbery, Sir Robert Waterton und Francis Quoint, – Daß alle die, vom Herzog von Bretagne Wohl ausgerüstet mit acht großen Schiffen Und mit dreitausend Mann, in größter Eil' Hieher sind unterwegs und kürzlich hoffen Im Norden unsre Küste zu berühren; Sie hätten's schon getan, sie warten nur Des Königs Überfahrt nach Irland ab. Und wollen wir das Joch denn von uns schütteln, Des Lands zerbrochne Flügel neu befiedern, Die Kron' aus mäkelnder Verpfändung lösen, Den Staub abwischen von des Szepters Gold, Daß hohe Majestät sich selber gleiche: Dann mit mir fort, in Eil' nach Ravenspurg! Doch solltet ihr's zu tun zu furchtsam sein, Bleibt und verschweigt nur, und ich geh' allein. Zu Pferd! zu Pferd! Mit allen Zweifeln fort! Hält nur mein Pferd, bin ich der erste dort. Alle ab. Dritte Szene Dritte Szene London. Ein Zimmer im Palaste. Die Königin, Bushy und Bagot treten auf. Allzu betrübt ist Eure Majestät. Verspracht Ihr nicht dem König, als er schied, Die härmende Betrübnis abzulegen Und einen frohen Mut Euch zu erhalten? Zu lieb dem König tat ich's; mir zu lieb Kann ich's nicht tun; doch hab' ich keinen Grund, Warum ich Gram als Gast willkommen hieße, Als daß ich einem süßen Gast, wie Richard, Das Lebewohl gesagt: dann denk' ich wieder, Ein ungebornes Leiden, reif im Schoß Fortunas, naht mir, und mein Innerstes Erbebt vor nichts, und grämt sich über was, Das mehr als Trennung ist von dem Gemahl. Das Wesen jedes Leids hat zwanzig Schatten, Die aussehn wie das Leid, doch es nicht sind; Das Aug' des Kummers, überglast von Tränen, Zerteilt ein Ding in viele Gegenstände. Wie ein gefurchtes Bild, grad' angesehn, Nichts als Verwirrung zeigt, doch, schräg betrachtet, Gestalt läßt unterscheiden: so entdeckt Eu'r holde Majestät, da sie die Trennung Von dem Gemahl schräg ansieht, auch Gestalten Des Grams, mehr zu bejammern als er selbst, Die, grade angesehn, nichts sind als Schatten Des, was er nicht ist! Drum, Gebieterin! Beweint die Trennung, seht nichts mehr darin, Was nur des Grams verfälschtem Aug' erscheint, Das Eingebildetes als wahr beweint! Es mag so sein; doch überredet mich Mein Innres, daß es anders ist; wie dem auch sei, Ich muß betrübt sein, und so schwer betrübt, Daß ich, denk' ich schon nichts, wenn ich's bedenke, Um banges Nichts verzage und mich kränke. Es sind nur Grillen, teure gnäd'ge Frau. Nichts weniger; denn Grillen stammen immer Von einem Vater Gram; nicht so bei mir: Denn Nichts erzeugte meinen Gram mir, oder Etwas das Nichts, worüber ich mich gräme. Nur in der Anwartschaft gehört es mir; Doch was es ist, kann ich nicht nennen, eh' Als es erscheint: 's ist namenloses Weh. Green kommt. Heil Eurer Majestät! – und wohlgetroffen, Herrn! Der König, hoff ich, ist nach Irland noch Nicht eingeschifft? Weswegen hoffst du das? Es ist ja beßre Hoffnung, daß er's ist; Denn Eile heischt sein Werk, die Eile Hoffnung. Wie hoffst du denn, er sei nicht eingeschifft? Damit er, unsre Hoffnung, seine Macht Zurückzieh' und des Feindes Hoffnung schlage, Der stark in diesem Lande Fuß gefaßt: Zurück vom Bann ruft Bolingbroke sich selbst Und ist mit droh'nden Waffen angelangt Zu Ravenspurg. Verhüt' es Gott im Himmel! Oh, es ist allzuwahr! und, was noch schlimmer, Der Lord Northumberland, Percy, sein junger Sohn, Die Lords von Roß, Beaumond und Willoughby, Samt mächt'gem Anhang, sind zu ihm geflohn. Warum erklärtet ihr Northumberland Und der empörten Rotte ganzen Rest Nicht für Verräter? Wir taten es, worauf der Graf von Worcester Den Stab gebrochen, sein Hofmeistertum Hat aufgesagt und alles Hofgesinde Mit ihm entwichen ist zum Bolingbroke. So, Green! Du bist Wehmutter meines Wehs, Und Bolingbroke ist meines Kummers Sohn. Nun ist der Seele Mißgeburt erschienen, Mir keuchenden und kaum entbundnen Mutter Ist Weh auf Weh und Leid auf Leid gehäuft. Fürstin, verzweifelt nicht! Wer will mir's wehren? Ich will verzweifeln und will Feindschaft halten Mit falscher Hoffnung, dieser Schmeichlerin, Schmarotzerin, Rückhalterin des Todes, Der sanft des Lebens Bande lösen möchte, Das Hoffnung hinhält in der höchsten Not. York tritt auf. Da kommt der Herzog York. Mit Kriegeszeichen um den alten Nacken. Oh, voll Geschäft' und Sorgen ist sein Blick! – Oheim, um Gottes willen, sprecht Trostesworte! Tät' ich es, so belög' ich die Gedanken. Trost wohnt im Himmel, und wir sind auf Erden, Wo nichts als Kreuz, als Sorg' und Kummer lebt. Eu'r Gatt' ist fort, zu retten in der Ferne, Da andre ihn zu Haus zu Grunde richten. Das Land zu stützen, blieb ich hier zurück, Der ich, vor Alter schwach, mich selbst kaum halte. Nun kommt nach dem Gelag' die kranke Stunde, un mag er seine falschen Freund' erproben. Ein Bedienter kommt. Herr, Euer Sohn war fort, schon eh' ich kam. War er? – Nun ja! – Geh' alles, wie es will! Die Edlen, die sind fort, die Bürger, die sind kalt Und werden, fürcht' ich, sich zu Hereford schlagen. – He, Bursch! Nach Plashy auf, zu meiner Schwester Gloster! Heiß' sie unverzüglich tausend Pfund mir schicken: Da hier, nimm meinen Ring! Herr, ich vergaß, Eu'r Gnaden es zu sagen: Heut, als ich da vorbeikam, sprach ich vor, – Allein ich kränk' Euch, wenn ich weiter melde. Was ist es, Bube? Die Herzogin war tot seit einer Stunde. Gott sei uns gnädig! Welche Flut des Wehs Bricht auf dies wehevolle Land herein! Ich weiß nicht, was ich tun soll. – Wollte Gott (Hätt' ich durch Untreu' nur ihn nicht gereizt), Der König hätte mir, wie meinem Bruder, Das Haupt abschlagen lassen! – Wie, sind noch Eilboten nicht nach Irland abgeschickt? – Wie schaffen wir zu diesen Kriegen Geld? – Kommt, Schwester! – Nichte, mein ich, – o verzeiht! Zu dem Bedienten. Geh, Bursch! Mach' dich nach Haus, besorge Wagen Und führ' die Waffen weg, die dort noch sind! Bedienter ab. Ihr Herrn, wollt ihr Leute mustern gehn? – Wenn ich weiß, Wie, auf was Art ich diese Dinge ordne, So wüst verwirrt in meine Hand geworfen, So glaubt mir nie mehr! – Beide sind meine Vettern, Der eine ist mein Fürst, den mich mein Eid Und Pflicht verteid'gen heißt; der andre wieder Mein Vetter, den der König hat gekränkt, Den Freundschaft und Gewissen heißt vertreten. Wohl! Etwas muß geschehn. – Kommt, Nichte! Ich Will für Euch sorgen. – Ihr, Herrn, geht, mustert eure Leute Und trefft mich dann sogleich auf Berkley-Schloß! Nach Plashy sollt' ich auch: – Die Zeit erlaubt es nicht; – an allem Mangel, Und jedes Ding schwebt zwischen Tür und Angel. York und die Königin ab. Der Wind befördert Zeitungen nach Irland, Doch keine kommt zurück. Hier Truppen werben, Verhältnismäßig mit dem Feinde, ist Für uns durchaus unmöglich. Außerdem Ist unsre Nähe bei des Königs Liebe Dem Hasse derer nah, die ihn nicht lieben. Das ist das wandelbare Volk, des Liebe In seinen Beuteln liegt; wer diese leert, Erfüllt ihr Herz gleich sehr mit bitterm Haß. Weshalb der König allgemein verdammt wird. Und wenn sie Einsicht haben, wir mit ihm, Weil wir dem König immer nahe waren. Gut, ich will gleich nach Bristol-Schloß mich flüchten, Der Graf von Wiltshire ist ja dort bereits. Dahin will ich mit Euch; denn wenig Dienst Ist zu erwarten vom erbosten Volk, Als daß sie uns, wie Hund', in Stücke reißen. Wollt Ihr uns hin begleiten? Nein, lebt wohl! Ich will zu Seiner Majestät in Irland. Wenn Ahndungen des Herzens nicht mich äffen, So scheiden drei hier, nie sich mehr zu treffen. Vielleicht, wenn York den Bolingbroke verjagt. Der arme Herzog, der es unternimmt, Den Sand zu zählen, trinken will die Meere! Wenn einer für ihn ficht, fliehn ganze Heere. Lebt wohl mit eins! Für einmal und für immer! Wir sehn uns wieder wohl. Ich fürchte, nimmer. Alle ab. Vierte Szene Vierte Szene Die Wildnis in Glostershire. Bolingbroke und Northumberland treten auf mit Truppen. Wie weit, Herr, haben wir bis Berkley noch? Glaubt mir, mein edler Herr, Ich bin ein Fremdling hier in Glostershire. Die rauhen Weg' und hohen wilden Hügel Ziehn unsre Meilen mühsam in die Länge; Doch Euer schön Gespräch macht, wie ein Zucker, Den schweren Weg süß und vergnüglich mir. Doch ich bedenke, wie so lang der Weg Von Ravenspurg bis Cotswold dünken wird Dem Roß und Willoughby, die Euer Beisein missen, Das, ich beteur' es, die Verdrießlichkeit Und Dauer meiner Reise sehr getäuscht. Zwar ihre wird versüßet durch die Hoffnung Auf diesen Vorzug, des ich teilhaft bin; Und Hoffnung auf Genuß ist fast so viel Als schon genoßne Hoffnung: dadurch werden Die müden Herrn verkürzen ihren Weg, So wie ich meinen durch den Anblick dessen, Was mein ist, Eure edle Unterhaltung. Viel minder wert ist meine Unterhaltung Als Eure guten Worte. Doch wer kommt? Heinrich Percy kommt. Mein Sohn ist's, Heinrich Percy, abgeschickt, Woher es sei, von meinem Bruder Worcester. – Heinrich, was macht Eu'r Oheim? Ich dachte, Herr, von Euch es zu erfahren. Ei, ist er denn nicht bei der Königin? Nein, bester Herr, er hat den Hof verlassen, Des Amtes Stab zerbrochen und zerstreut Des Königs Hausgesinde. Was bewog ihn? Das war nicht sein Entschluß, als wir zuletzt uns sprachen. Weil man Eu'r Gnaden als Verräter ausrief. Er ist nach Ravenspurg gegangen, Herr, Dem Herzog Hereford Dienste anzubieten, Und sandte mich nach Berkley, zu entdecken, Was Herzog York für Truppen aufgebracht, Dann mit Befehl, nach Ravenspurg zu kommen. Vergaßest du den Herzog Hereford, Knabe? Nein, bester Herr, denn das wird nicht vergessen, Was niemals im Gedächtnis war: ich sah, So viel ich weiß, ihn nie in meinem Leben. So lern' ihn kennen jetzt: dies ist der Herzog. Mein gnäd'ger Herr, noch jung und unerfahren, Biet' ich Euch meinen Dienst, so wie er ist, Bis ältre Tage ihn zur Reife bringen Und zu bewährterem Verdienst erhöhn. Ich dank' dir, lieber Percy! Sei gewiß, Ich achte mich in keinem Stück so glücklich, Als daß mein Sinn der Freunde treu gedenkt. Und wie mein Glück mit deiner Liebe reift, Soll dieser Sinn der Liebe Lohn dir spenden. Dies Bündnis schließt mein Herz, die Hand besiegelt's. Wie weit ist Berkley, und wie rührt sich dort Der gute alte York mit seinem Kriegesvolk? Dort steht die Burg bei jenem Haufen Bäume, Bemannt, so hört' ich, mit dreihundert Mann. Und drinnen sind die Lords von York, Berkley und Seymour, Sonst keine von Geburt und hohem Rang. Roß und Willoughby kommen. Da sind die Lords von Roß und Willoughby, Vom Spornen blutig, feuerrot vor Eil'. Willkommen, Herrn! Ich weiß es, eure Liebe Folgt dem Verbannten und Verräter nach. Mein ganzer Schatz besteht nur noch in Dank, Der nicht gespürt wird, aber, mehr bereichert, Euch eure Lieb' und Mühe lohnen soll. Eu'r Beisein macht uns reich, mein edler Herr. Und übersteigt die Müh', es zu erreichen. Nur immer Dank, des Armen Kasse, die, Bis mein unmündig Glück zu Jahren kommt, Für meine Güte bürgt. Doch wer kommt da? Berkley tritt auf. Es ist der Lord von Berkley, wie mich dünkt. An Euch, Lord Hereford, lautet meine Botschaft. Herr, meine Antwort ist: an Lancaster; Und diesen Namen such' ich jetzt in England Und muß in Eurem Mund den Titel finden, Eh' ich, auf was Ihr sagt, erwidern kann. Herr, mißversteht mich nicht; ich meine gar nicht Zu schmälern einen Titel Eurer Ehre. Zu Euch, Herr, komm' ich (Herr von was Ihr wollt) Vom rühmlichen Regenten dieses Landes, Dem Herzog York, zu wissen, was Euch treibt, Von der verlaßnen Zeit Gewinn zu ziehn Und unsern heim'schen Frieden wegzuschrecken Mit selbstgetragnen Waffen? York tritt auf mit Gefolge. Ich bedarf, Zum Überbringer meiner Wort' Euch nicht: Hier kommt er in Person. – Mein edler Oheim! Er knieet vor ihm. Zeig' mir dein Herz demütig, nicht dein Knie, Des Ehrbezeigung falsch und trüglich ist! Mein gnäd'ger Oheim! Pah! pah! Nichts da von Gnade, und von Oheim nichts! Ich bin's nicht dem Verräter; das Wort Gnade In einem sünd'gen Mund ist nur Entweihung. Warum hat dein verbannter Fuß gewagt, Den Staub von Englands Erde zu berühren? Noch mehr Warum: warum so viele Meilen Gewagt zu ziehn auf ihrem milden Busen, So kriegerisch mit schnöder Waffen Pomp Die bleichen Dörfer schreckend? – Kommst du her, Weil der gesalbte König fern verweilt? Ei, junger Tor, der König blieb daheim: In meiner treuen Brust liegt seine Macht. Wär' ich nur jetzt so heißer Jugend voll, Als da dein wackrer Vater Gaunt und ich Den Schwarzen Prinzen, diesen jungen Mars, Aus der Franzosen dichten Reih'n gerettet: O dann, wie schleunig sollte dieser Arm, Den jetzt die Lähmung fesselt, dich bestrafen Und Büßung deinem Fehler auferlegen! Mein gnäd'ger Oheim, lehrt mich meinen Fehler, In welcher Übertretung er besteht? In Übertretung von der schlimmsten Art: In grobem Aufruhr, schändlichem Verrat. Du bist verbannt, und bist hieher gekommen, Eh' die gesetzte Zeit verstrichen ist, In Waffen trotzend deinem Landesherrn. Da ich verbannt ward, galt es mir als Hereford; Nun, da ich komme, ist's um Lancaster. Und, edler Oheim, ich ersuch' Eu'r Gnaden, Seht unparteilich meine Kränkung an: Ihr seid mein Vater, denn mich dünkt, in Euch Lebt noch der alte Gaunt: O dann, mein Vater! Wollt Ihr gestatten, daß ich sei verdammt Als irrer Flüchtling, meine Recht' und Leh'n Mir mit Gewalt entrissen, hingegeben An niedre Prasser? – Was hilft mir die Geburt? So gut mein Vetter König ist von England, Gesteht mir, bin ich Herzog auch von Lancaster. Euch ward ein Sohn, Aumerle, mein edler Vetter: Starbt Ihr zuerst, und trat man ihn so nieder, Sein Oheim Gaunt wär' Vater ihm geworden, Der seine Kränkungen zu Paaren triebe. Man weigert mir die Mutung meiner Leh'n, Die meine Gnadenbriefe mir gestatten; Mein Erb' wird eingezogen und verkauft, Und dies und alles übel angewandt. Was soll ich tun? Ich bin ein Untertan Und fodre Recht; Anwalte wehrt man mir, Und darum nehm' ich in Person Besitz Von meinem Erbteil, das mir heimgefallen. Der edle Herzog ward zu sehr mißhandelt. Eu'r Gnaden kommt es zu, ihm Recht zu schaffen. Mit seinen Lehen macht man Schurken groß. Ihr Lords von England, laßt mich dies euch sagen: Ich fühlte meines Vetters Kränkung wohl Und strebte, was ich konnt', ihm Recht zu schaffen; Doch so in droh'nden Waffen herzukommen, Für sich zugreifen, seinen Weg sich haun, Nach Recht mit Unrecht gehn, – es darf nicht sein; Und ihr, die ihr ihn bei der Art bestärkt, Hegt Rebellion und seid zumal Rebellen. Der edle Herzog schwor, er komme bloß Um das, was sein ist; bei dem Recht dazu Ihn zu beschützen, schworen wir ihm teuer, Und wer das bricht, dem geh' es nimmer wohl! Gut! gut! ich sehe dieser Waffen Ziel, Ich kann's nicht ändern, wie ich muß bekennen: Denn meine Macht ist schwach, und nichts in Ordnung. Doch könnt' ich es: bei dem, der mich erschaffen! Ich nähm' euch alle fest und nötigt' euch, Begnadigung vom König anzuflehn. Doch da ich's nicht vermag, so sei euch kund: Ich nehme nicht Partei. Somit lebt wohl, – Wenn es euch nicht beliebt, ins Schloß zu kommen Und da für diese Nacht euch auszuruhn! Wir nehmen, Oheim, dies Erbieten an. Wir müssen Euch gewinnen, mitzugehn Nach Bristol-Schloß, das, wie man sagt, besetzt ist Von Bushy, Bagot und von ihrem Troß, Dem gift'gen Wurmfraß des gemeinen Wesens, Den auszurotten ich geschworen habe. 's ist möglich, daß ich mit Euch geh', – doch halt! Denn ungern tu' ich dem Gesetz Gewalt. Als Freund, als Feind seid ihr mir nicht willkommen: Wo nichts mehr hilft, bin ich der Sorg' entnommen. Alle ab. Dritter Aufzug Erste Szene Erste Szene Ein Lager in Wales. Salisbury und ein Hauptmann treten auf. Lord Salisbury, wir warteten zehn Tage Und hielten unser Volk mit Müh' beisammen, Doch hören wir vom König keine Zeitung, Drum wollen wir uns nun zerstreun. Lebt wohl! Bleib' einen Tag noch, redlicher Walliser! Der König setzt sein ganz Vertrau'n auf dich. Man glaubt den König tot, wir warten nicht. Die Lorbeerbäum' im Lande sind verdorrt, Und Meteore drohnden festen Sternen, Der blasse Mond scheint blutig auf die Erde, Hohläugig flüstern Seher furchtbar'n Wechsel; Der Reiche bangt, Gesindel tanzt und springt: Der, in der Furcht, was er genießt, zu missen, Dies, zu genießen durch Gewalt und Krieg. Tod oder Fall von Kön'gen deutet das. Lebt wohl! Auf und davon sind unsre Scharen, Weil für gewiß sie Richards Tod erfahren. Ab. Ach, Richard! mit den Augen banges Muts Seh' ich, wie einen Sternschuß, deinen Ruhm Vom Firmament zur niedern Erde fallen. Es senkt sich weinend deine Sonn' im West, Die nichts als Sturm, Weh, Unruh' hinterläßt. Zu deinen Feinden sind die Freund' entflohn, Und widrig Glück spricht jeder Mühe Hohn. Ab. Zweite Szene Zweite Szene Bolingbrokes Lager zu Bristol. Bolingbroke, York, Northumberland, Percy, Willoughby, Roß; im Hintergrunde Gerichtsbediente mit Bushy und Green als Gefangnen. Führt diese Männer vor! – Bushy und Green, ich will nicht eure Seelen, Weil sie sogleich vom Leibe scheiden müssen, Durch Rügung eures Frevlerlebens plagen: Denn nicht barmherzig wär's; doch um von meiner Hand Eu'r Blut zu waschen, will ich öffentlich Hier ein'ge Gründe eures Tods enthüllen. Ihr habt mißleitet einen edlen Fürsten, An Blut und Zügen glücklich ausgestattet, Durch euch verunglückt und entstaltet ganz; Mit euren sünd'gen Stunden schiedet ihr Gewissermaßen ihn und sein Gemahl; Ihr bracht den Bund des königlichen Bettes Und trübtet einer holden Fürstin Wange Mit Tränen, die eu'r Unrecht ihr entlockte. Ich selbst, ein Prinz durch Rechte der Geburt, Dem König nah im Blut und nah in Liebe, Bis ihr bewirkt, daß er mich mißgedeutet, Mußt' eurem Unrecht meinen Nacken beugen, In fremde Wolken meinen Odem seufzen Und essen der Verbannung bittres Brot: Indessen ihr geschwelgt auf meinen Gütern, Mir die Geheg' enthegt, gefällt die Forste, Mein Wappen aus den Fenstern mir gerissen, Den Wahlspruch mir verlöscht, kein Zeichen lassend Als andrer Meinung und mein lebend Blut, Der Welt als Edelmann mich darzutun. Dies und viel mehr, viel mehr als zweimal dies Verdammt zum Tod euch: laßt sie überliefern Der Hand des Todes und der Hinrichtung! Willkommner ist der Streich des Todes mir, Als Bolingbroke dem Reiche. – Lords, lebt wohl! Mein Trost ist, unsre Seelen gehn zum Himmel, Der mit der Hölle Pein das Unrecht straft. Schafft sie zum Tode, Lord Northumberland! Northumberland und andre mit den Gefangnen ab. Ihr sagtet, Oheim, daß die Königin Nach Eurem Hause sich begeben hat. Ums Himmels Willen, laßt ihr gut begegnen: Sagt ihr, daß ich mich bestens ihr empfehle; Tragt Sorge, meinen Gruß ihr zu bestellen! Ich sandte einen meiner Edelleute Mit Briefen, die ihr Eure Liebe schildern. Habt, Oheim, Dank! – Kommt, Herrn, zum letzten Schlag! Noch eine Weil' ans Werk: dann Feiertag! Alle ab. Dritte Szene Dritte Szene Die Küste von Wales. Ein Schloß im Prospekt. Trompetenstoß und Kriegsmusik. König Richard, der Bischof von Carlisle und Aumerle treten auf mit Truppen. Barkloughly-Schloß nennt Ihr das dort zur Hand? Ja, gnäd'ger Herr; wie dünket Euch die Luft Nach Eurem Schwanken auf der hohlen See? Wohl muß sie gut mir dünken: vor Freude wein' ich, Noch 'mal auf meinem Königreich zu stehn. – Ich grüße mit der Hand dich, teure Erde, Verwunden schon mit ihrer Rosse Hufen Rebellen dich; wie eine Mutter, lange Getrennt von ihrem Kinde, trifft sie's wieder, Mit Tränen und mit Lächeln zärtlich spielt: So weinend, lächelnd, grüß' ich dich, mein Land, Und schmeichle dir mit königlichen Händen. Nähr' deines Herren Feind nicht, liebe Erde, Dein Süßes lab' ihm nicht den Räubersinn! Nein, laß sich Spinnen, die dein Gift einsaugen, Und träge Kröten in den Weg ihm legen, Zu plagen die verräterischen Füße, Die dich mit unrechtmäß'gen Tritten stampfen! Beut scharfe Nesseln meinen Feinden dar, Und pflücken sie von deinem Busen Blumen, Laß, bitt' ich, Nattern lauernd sie bewahren, Die mit der Doppelzunge gift'gem Stich Den Tod auf deines Herren Feinde schießen! – Lacht nicht der unempfundenen Beschwörung! Die Erde fühlt, und diese Steine werden Bewehrte Krieger, eh' ihr echter König Des Aufruhrs schnöden Waffen unterliegt. Herr, fürchtet nicht! Der Euch zum König setzte, Hat Macht, dabei trotz allem Euch zu schützen. Des Himmels Beistand muß ergriffen werden Und nicht versäumt; sonst, wenn der Himmel will Und wir nicht wollen, so verweigern wir Sein Anerbieten, Hülf' und Herstellung. Er meint, mein Fürst, daß wir zu lässig sind, Da Bolingbroke durch unsre Sicherheit Stark wird und groß an Mitteln und an Freunden. Entmutigender Vetter! Weißt du nicht, Wenn hinterm Erdball sich das späh'nde Auge Des Himmels birgt, der untern Welt zu leuchten, Dann schweifen Dieb' und Räuber, ungesehn, In Mord und Freveln blutig hier umher: Doch wenn er, um den ird'schen Ball hervor, Im Ost der Fichten stolze Wipfel glüht Und schießt sein Licht durch jeden schuld'gen Winkel: Dann stehn Verrat, Mord, Greuel, weil der Mantel Der Nacht gerissen ist von ihren Schultern, Bloß da und nackt und zittern vor sich selbst. So, wenn der Dieb, der Meuter Bolingbroke, Der all die Zeit her nächtlich hat geschwärmt, Indes wir bei den Antipoden weilten, Uns aufsieht steigen in des Ostens Thron, Wird sein Verrat im Antlitz ihm erröten, Er wird des Tages Anblick nicht ertragen Und selbsterschreckt vor seiner Sünde zittern. Nicht alle Flut im wüsten Meere kann Den Balsam vom gesalbten König waschen; Der Odem ird'scher Männer kann des Herrn Geweihten Stellvertreter nicht entsetzen. Für jeden Mann, den Bolingbroke gepreßt, Den Stahl zu richten auf die goldne Krone, Hat Gott für seinen Richard einen Engel In Himmelssold: mit Engeln im Gefecht Besteht kein Mensch; der Himmel schützt das Recht. Salisbury kommt. Willkommen, Lord! Wie weit liegt Eure Macht? Noch nah, noch weiter weg, mein gnäd'ger Herr, Als dieser schwache Arm: Not lenkt die Zunge Und heißt von nichts sie reden als Verzweiflung. Ein Tag zu spät, fürcht' ich, mein edler Herr, Bewölkt all deine frohen Tag' auf Erden. Oh, rufe Gestern wieder, laß die Zeit Umkehren, und du hast zwölftausend Streiter! Dies Heute, dieser Unglückstag, zu spat Stürzt deine Freuden, Freunde, Glück und Staat, Denn all die Wäl'schen, tot dich wähnend schon, Sind hin zu Bolingbroke, zerstreut, entflohn. Getrost, mein Fürst: was seht Ihr doch so bleich? Noch eben prangt' in meinem Angesicht Das Blut von zwanzigtausend; sie sind fort. Hab' ich denn Ursach' zu erbleichen nicht, Bis so viel Blut zurückgekehrt ist dort? Wer sicher sein will, flieh' von meiner Seit', Denn meinen Stolz gezeichnet hat die Zeit. Getrost, mein Fürst! Bedenket, wer Ihr seid! Ja, ich vergaß mich selbst: bin ich nicht König? Erwache, feige Majestät! Du schläfst. Des Königs Nam' ist vierzigtausend Namen. Auf, auf, mein Nam'! Ein kleiner Untertan Droht deiner Herrlichkeit. – Senkt nicht den Blick, Ihr Königs-Günstlinge! Sind wir nicht hoch? Laßt hoch uns denken! – Oheim York, ich weiß, Hat Macht genug zu unserm Dienst. Doch wer Kommt da? Scroop tritt auf. Mehr Heil und Glück begegne meinem Herrn, Als meine Not-gestimmte Zung' ihm bringt! Mein Ohr ist offen, und mein Herz bereit: Du kannst nur weltlichen Verlust mir melden. Sag, ist mein Reich hin? War's doch meine Sorge; Welch ein Verlust denn, sorgenfrei zu sein? Strebt Bolingbroke so groß zu sein als wir? Er soll nicht größer sein; wenn er Gott dient, Ich dien' ihm auch und werde so ihm gleich. Empört mein Volk sich? Das kann ich nicht ändern, Sie brechen Gott ihr Wort so gut wie mir. Ruft Weh, Zerstörung, Fall! Der ärgste Schlag Ist doch nur Tod, und Tod will seinen Tag. Gern seh' ich Eure Hoheit so gerüstet, Des Mißgeschickes Zeitung zu ertragen. Gleichwie ein stürmisch ungestümer Tag Die Silberbäch' aus ihren Ufern schwellt, Als wär' die Welt in Tränen aufgelöst: So über alle Schranken schwillt die Wut Des Bolingbroke, Eu'r banges Land bedeckend Mit hartem Stahl und mit noch härtern Herzen. Graubärte decken ihre kahlen Schädel Mit Helmen wider deine Majestät; Und weiberstimm'ge Knaben mühn sich, rauh Zu sprechen, stecken ihre zarten Glieder In steife Panzer wider deinen Thron; Selbst deine Pater lernen ihre Bogen Von Eiben, doppelt tödlich, auf dich spannen. Ja, Kunkelweiber führen rost'ge Piken Zum Streit mit dir; empört ist Kind und Greis, Und schlimmer geht's, als ich zu sagen weiß. Zu gut, zu gutsagst du so schlimme Dinge! Wo ist der Graf von Wiltshire? wo ist Bagot? Was ist aus Bushy worden? wo ist Green? Daß sie den Todfeind ungestörtes Trittes Durchmessen ließen unsers Reichs Bezirk? Gewinnen wir, so soll ihr Kopf es büßen. Sie schlossen Frieden, traun, mit Bulingbroke? Ja, Herr, sie machten wirklich mit ihm Frieden. O Schelme, Vipern, rettungslos verdammt! O Hunde, die vor jedem Fremden wedeln! An meines Herzens Blut erwärmte Schlangen, Die nun ins Herz mir stechen! Drei Judasse, Und dreimal ärger jeglicher als Judas! Sie schlossen Frieden? Dafür mag die Hölle Mit Krieg bestürmen ihre schwarzen Seelen! Ich seh', wenn süße Liebe läßt von Art, Wird sie zum tödlichsten und herbsten Haß. Nehmt Euren Fluch zurück: den Frieden schloß Ihr Kopf, nicht ihre Hand; die Ihr verflucht, Traf schon der grimme Streich der Todeswunde; Sie liegen eingescharrt im hohlen Grunde. Ist Bushy, Green, der Graf von Wiltshire tot? Ja, alle sind zu Bristol sie enthauptet. Wo ist mein Vater York mit seiner Macht? Das ist gleichviel; von Troste rede niemand, Von Gräbern sprecht, von Würmern, Leichensteinen! Macht zum Papier den Staub, und auf den Busen Der Erde schreib' ein regnicht Auge Jammer! Vollzieher wählt und sprecht von Testamenten: Nein, doch nicht: – denn was können wir vermachen, Als unsern abgelegten Leib dem Boden? Hat Bolingbroke doch unser Land und Leben, Und nichts kann unser heißen als der Tod Und jenes kleine Maß von dürrer Erde, Die dem Gebein zur Rind' und Decke dient. Ums Himmels willen, laßt uns niedersitzen Zu Trauermären von der Kön'ge Tod: – Wie die entsetzt sind, die im Krieg erschlagen, Die von entthronten Geistern heimgesucht, Im Schlaf erwürgt, von ihren Frau'n vergiftet, Ermordet alle; denn im hohlen Zirkel, Der eines Königs sterblich Haupt umgibt, Hält seinen Hof der Tod: da sitzt der Schalksnarr, Höhnt seinen Staat und grinst zu seinem Pomp; Läßt ihn ein Weilchen, einen kleinen Auftritt Den Herrscher spielen, drohn, mit Blicken töten; Flößt einen eitlen Selbstbetrug ihm ein, Als wär' dies Fleisch, das unser Leben einschanzt, Unüberwindlich Erz; und, so gelaunt, Kommt er zuletzt und bohrt mit kleiner Nadel Die Burgmau'r an, und – König, gute Nacht! Bedeckt die Häupter, höhnt nicht Fleisch und Blut Mit Ehrbezeugung; werft die Achtung ab, Gebräuche, Sitt' und äußerlichen Dienst! Ihr irrtet euch die ganze Zeit in mir: Wie ihr, leb' ich von Brot, ich fühle Mangel, Ich schmecke Kummer und bedarf der Freunde. So unterworfen nun, Wie könnt ihr sagen, daß ich König bin? Herr, Weise jammern nie vorhandnes Weh, Sie schneiden gleich des Jammers Wege ab. Den Feind zu scheun, da Furcht die Stärke hemmt, Das gibt dem Feinde Stärk' in Eurer Schwäche, Und so ficht Eure Torheit wider Euch. Furcht bringt uns um, nichts Schlimmres droht beim Fechten, Tod wider Tod ist Sterben im Gefecht, Doch fürchtend sterben ist des Todes Knecht. Erkundigt Euch nach meines Vaters Macht Und lernt, wie man ein Glied zum Körper macht. Wohl schiltst du: – stolzer Bolingbroke, ich eile, Daß Streich um Streich uns unser Los erteile. Dies Fieberschau'r der Furcht flog schon von hinnen. Wie leichte Müh', mein Eignes zu gewinnen! Sag, Scroop, wo mit dem Heer mein Oheim blieb? Sprich heiter, sind schon deine Blicke trüb! Man schließet aus des Himmels Farb' und Schein, Zu welchem Stand sich neigen wird der Tag: So kann mein trübes Aug' Euch Zeichen sein, Daß ich nur trübe Dinge sagen mag. Den Foltrer spiel' ich, daß ich in die Länge Das Ärgste dehne, was gesagt muß werden. Eu'r Oheim ist mit Bolingbroke vereint, Im Norden Eure Burgen all' erobert, Im Süden Euer Adel all in Waffen Auf seiner Seite. Schon genug gesagt! – Verwünscht sei, Vetter, der mich abgelenkt Von dem bequemen Wege zur Verzweiflung! Was sagt Ihr nun? Was haben wir für Trost? Bei Gott, den will ich hassen immerdar, Der irgend Trost mich ferner hegen heißt. Kommt, hin nach Flint-Burg! Dort will ich mich grämen, Des hohen Knechts darf sich das Weh nicht schämen. Dankt meine Scharen ab und heißt sie gehen, Wo Hoffnung noch zum Wachstum, Land zu säen; Bei mir ist keine, – rede keiner mehr, Dies abzuändern: aller Rat ist leer. Mein Fürst, ein Wort! Der kränkt mich doppelt jetzt, Der mit der Zunge Schmeicheln mich verletzt. Entlaßt mein Volk! Hinweg, wie ich euch sage, Von Richards Nacht zu Herefords lichtem Tage! Alle ab. Vierte Szene Vierte Szene Wales. Vor Flint-Burg. Truppen mit klingendem Spiel und fliegenden Fahnen. Bolingbroke, York, Northumberland und andre treten auf. Durch diese Kundschaft also lernen wir, Die Wäl'schen sind zerstreut, und Salisbury Ist hin zum König, der an dieser Küste Mit wenigen Vertrauten jüngst gelandet. Die Zeitung ist erwünscht und gut, mein Prinz: Richard verbarg sein Haupt nicht weit von hier. Es ziemte wohl dem Lord Northumberland, Zu sagen »König Richard«. – O der Zeiten, Wo solch ein heil'ger Fürst sein Haupt muß bergen! Ihr mißversteht mich; nur um kurz zu sein, Ließ ich den Titel aus. Es gab 'ne Zeit, Wo er, wenn Ihr so kurz mit ihm verfuhrt, So kurz mit Euch verfuhr, Euch abzukürzen Um Euren Kopf, der so sich überhob. Mißnehmt nicht, Oheim, da, wo Ihr nicht solltet! Nehmt nicht, mein Vetter, da, wo Ihr nicht solltet, Damit Ihr nicht mißnehmt: der Himmel waltet. Ich weiß es, Oheim, und ich setze mich Nicht gegen seinen Willen. – Doch wer kommt da? Percy tritt auf. Willkommen, Heinrich! Wie, die Burg hält stand? Die Burg ist königlich bemannt, mein Prinz, Und wehrt den Eintritt. Königlich? Nun, sie faßt doch keinen König? Ja, bester Herr, Wohl faßt sie einen: König Richard liegt In dem Bezirk von jenem Leim und Steinen, Und bei ihm sind der Lord Aumerle, Lord Salisbury, Sir Stephen Scroop; dann noch ein Geistlicher Von würd'gem Ansehn; wer, das weiß ich nicht. Es ist vielleicht der Bischof von Carlisle. zu Northumberland. Edler Herr, Geht zu den Rippen jener alten Burg, Aus der Trompete sendet Hauch des Friedens In ihr zerfallnes Ohr und meldet so: Heinrich Bolingbroke Küßt König Richards Hand auf beiden Knie'n Und sendet Lehenspflicht und echte Treu' Dem königlichen Herrn; hieher gekommen, Zu seinen Füßen Wehr und Macht zu legen, Vorausgesetzt, daß Widerruf des Banns Und meine Güter mir bewilligt werden; Wo nicht, so nütz' ich meine Übermacht Und lösch' den Sommerstaub in Schauern Bluts Aus Wunden der erschlagnen Engelländer. Wie fern dies sei von Bolingbrokes Gemüt, Daß solch ein Purpurwetter sollte tränken Den grünen Schoß von König Richards Land, Soll meine Ehrfurcht demutsvoll bezeugen. Geht, deutet ihm das an, indes wir hier Auf dieser Ebne Rasenteppich ziehn. Northumberland nähert sich der Burg mit einem, Trompeter. Laßt ohne droh'nder Trommeln Lärm uns ziehn, Damit man auf der Burg verfallnen Zinnen Den bill'gen Antrag wohl vernehmen möge! Mich dünkt, ich und der König sollten uns So schreckbar treffen wie die Elemente Von Feu'r und Wasser, wenn ihr lauter Stoß Des Himmels wolk'ge Wangen jäh zerreißt. Sei er das Feu'r, ich das geschmeid'ge Wasser, Sein sei die Wut, derweil ich meine Fluten Zur Erde niederregne, nicht auf ihn. Rückt vor und merkt auf König Richards Blick! Aufforderung mit der Trompete, die von innen beantwortet wird. Trompetenstoß. Auf den Mauern erscheinen König Richard, der Bischof von Carlisle, Aumerle, Scroop und Salisbury. Seht, seht den König Richard selbst erscheinen, So wie die Sonn', errötend, mißvergnügt, Aus feurigem Portal des Ostens tritt, Wenn sie bemerkt, daß neid'sche Wolken streben, Zu trüben ihren Glanz, den lichten Pfad Zum Okzident hinüber zu beflecken. Doch sieht er wie ein König; seht, sein Auge, So leuchtend wie des Adlers, schießt hervor Gewalt'ge Majestät: ach, ach, der Pein, Daß Harm verdunkeln soll so holden Schein! Wir sind erstaunt: so lange standen wir, Die scheue Beugung Eures Knies erwartend, Weil wir für dein rechtmäßig Haupt uns hielten; Und sind wir das, wie dürfen deine Glieder Der ehrerbiet'gen Pflicht vor uns vergessen? Sind wir es nicht, so zeig' uns Gottes Hand, Die uns entlassen der Verwalterschaft; Wir wissen, keine Hand von Fleisch und Blut Kann unsers Szepters heil'gen Griff erfassen, Als durch Entweihung, Raub und Anmaßung. Und denkt Ihr schon, daß alle, so wie Ihr, Den Sinn verkehrt, da sie von mir ihn kehrten, Und daß wir bloß sind und der Freunde ledig, So wißt doch, der allmächt'ge Gott, mein Herr, Hält in den Wolken Musterung von Scharen Der Pestilenz, uns beizustehn; die werden Noch ungeborne Kinder derer treffen, Die an mein Haupt Vasallenhänd' erheben Und meiner Krone kostbar'n Schmuck bedrohn. Sagt Bolingbroke (dort ist er, wie mich dünkt), Gefährlicher Verrat sei jeder Schritt, Auf meinem Land getan; er kommt, zu öffnen Des blut'gen Krieges purpurn Testament: Doch eh' die Kron', um die er wirbt, in Frieden Die Schläf' ihm deckt, da werden blut'ge Schläfen Von zehentausend Muttersöhnen übel Dem blüh'nden Antlitz Englands stehn, verwandeln Die Farbe ihres Mädchen-blassen Friedens In scharlachne Entrüstung und betaun Der Auen Gras mit Englands echtem Blut. Des Himmels Herr verhüte, daß der König So von unbürgerlichen Bürgerwaffen Bestürmt soll sein! Dein dreifach edler Vetter, Heinrich Bolingbroke, küßt deine Hand in Demut Und schwöret bei dem ehrenwerten Grab, Das die Gebeine deines königlichen Großvaters deckt, und bei dem Fürstenadel Von Euer beider Blut, verwandten Strömen, Aus einem höchst erlauchten Quell entsprungen, Bei des mannhaften Gaunt begrabner Hand Und seinem eignen Wert und seiner Ehre, Was alle Schwür' und Reden in sich faßt: Daß er hieher kam, hat kein weitres Ziel Als seiner Ahnen Rechte, und zu bitten Befreiung ohne Zögern auf den Knie'n. Hast du die königlicherseits gewährt, So will er seine schimmerreichen Waffen Dem Roste, die mit Stahl belegten Rosse Den Ställen übergeben, und sein Herz Dem treuen Dienste Eurer Majestät. Er schwört, so wahr er Prinz ist, dies sei billig, Und ich, so wahr ich adlig, stimm' ihm bei. Northumberland, sag, also spricht der König: Sein edler Vetter ist willkommen hier, Und seiner bill'gen Foderungen Zahl Soll ohne Widerspruch bewilligt werden. Mit dem holdsel'gen Wesen, das du hast, Bring' güt'ge Grüße an sein freundlich Ohr! Zu Aumerle. Wir setzen uns herab, Vetter, nicht wahr, Daß wir so ärmlich sehn, so milde sprechen? Soll ich Northumberland noch wieder rufen, Trotz bieten dem Verräter und so sterben? Nein, Herr! Laßt sanfte Wort' uns Waffen sein, Bis Zeit uns Freunde, diese Schwerter leihn. O Gott! o Gott! Daß jemals diese Zunge, Die der Verbannung furchtbar'n Spruch gelegt Auf jenen stolzen Mann, ihn weg muß nehmen Mit mildem Glimpf! Oh, wär' ich meinem Gram Gewachsen, oder kleiner als mein Name! Daß ich vergessen könnte, was ich war, Oder nicht gedenken, was ich nun muß sein! Schwillst, stolzes Herz? Zu schlagen steh' dir frei, Weil Feinden frei steht, dich und mich zu schlagen. Da kommt Northumberland vom Bolingbroke. Was muß der König nun? Sich unterwerfen? Der König wird es tun. Muß er entsetzt sein? Der König gibt sich drein. Den Namen König Einbüßen? Nun, er geh' in Gottes Namen! – Ich gebe mein Geschmeid' um Betkorallen, Den prächtigen Palast für eine Klause, Die bunte Tracht für eines Bettlers Mantel, Mein reich Geschirr für einen hölzern Becher, Mein Szepter für 'nes Pilgers Wanderstab, Mein Volk für ein paar ausgeschnitzte Heil'ge, Mein weites Reich für eine kleine Gruft, Ganz kleine, kleine, unbekannte Gruft; Oder auf des Königs Heerweg scharrt mich ein, Wo viel Verkehr ist, wo des Volkes Füße Das Haupt des Fürsten stündlich treten können. Sie treten ja mein Herz, jetzt, da ich lebe: Warum nicht auch des schon Begrabnen Haupt? Aumerle, du weinst, mein weichgeherzter Vetter! – Laßt schlechtes Wetter mit verschmähten Tränen Uns machen, sie und unsre Seufzer sollen Zu Boden legen alles Sommerkorn Und im empörten Lande Teu'rung schaffen. Wie, oder sollen wir mit unserm Leid Mutwillen treiben, eine art'ge Wette Anstellen mit Vergießung unsrer Tränen? Zum Beispiel so: auf einen Platz sie träufeln, Bis sie ein Paar von Gräbern ausgehöhlt; Zur Inschrift: »Vetter waren die Entseelten, Die sich ihr Grab mit eignen Augen höhlten«? Tät' nicht dies Übel gut? – Gut, ich seh' ein, Ich rede töricht, und Ihr spottet mein. – Erlauchter Prinz, Mylord Northumberland, Vermeldet, was sagt König Bolingbroke? Will Seine Majestät Erlaubnis geben, Daß Richard lebe, bis sein Ende da? Ihr scharrt den Fuß, und Bolingbroke sagt Ja. Herr, er erwartet Euch im niedern Hof; Wär's Euch gefällig nicht, herabzukommen? Herab, herab komm' ich, wie Phaeton, Der Lenkung falscher Mähren nicht gewachsen. Northumberland kehrt zum Bolingbroke zurück. Im niedern Hof? Wo Kön'ge niedrig werden, Verrätern horchen und sich hold gebärden. Im niedern Hof? Herab, Hof! König, nieder! Denn Eulen schrein statt froher Lerchen Lieder. Alle von oben ab. Was sagte Seine Majestät? Das Herzeleid Macht, daß er irre redet, wie Verrückte. Jedoch ist er gekommen. König Richard und seine Begleiter erscheinen unten. Steht beiseit, Zeigt Eh rerbietung Seiner Majestät! Knieend. Mein gnäd'ger Herr, – Mein Vetter, Ihr entehrt Eu'r prinzlich Knie, Da Ihr die Erde stolz macht, es zu küssen. Ich möchte lieber Eure Lieb' empfinden, Als unerfreut Eu'r höflich Werben sehn. Auf, Vetter! auf! So hoch zum mind'sten steigt, Indem er sein eignes Haupt berührt. Weiß ich, Eu'r Herz, wie auch das Knie sich beugt. Mein gnäd'ger Herr, ich will nur, was mein eigen. Eu'r Eigentum ist Eu'r, und ich und alles. So weit seid mein, erhabner Fürst, als ich Durch Dienste Eure Liebe kann verdienen. Ja wohl verdient Ihr – der verdient zu haben, Der kühn und sicher zu erlangen weiß. – Oheim, gebt mir die Hand! Nein, keine Zähren, Die Liebe zeigen, aber Trost entbehren. – Vetter, ich bin zu jung zu Eurem Vater, Doch Ihr seid alt genug zu meinem Erben. Was Ihr verlangt, das geb' ich Euch, und willig; Denn der Gewalt ergeben wir uns billig. Nach London gehn wir: soll es nicht so sein? Ja, bester Herr. Ich darf nicht sagen, nein. Trompetenstoß. Alle ab. Fünfte Szene Fünfte Szene Langley. Garten des Herzogs von York. Die Königin und zwei Fräulein treten auf. Welch Spiel ersinnen wir in diesem Garten, Der Sorge trübes Sinnen zu verscheuchen? Wir wollen Kugeln rollen, gnäd'ge Frau. Da werd' ich mir die Welt voll Anstoß denken, Und daß mein Glück dem Hang entgegen rollt. Wir wollen tanzen, gnäd'ge Frau. Mein Fuß kann nicht zur Lust ein Zeitmaß halten, Indes mein Herz kein Maß im Grame hält. Drum, Mädchen, keinen Tanz, ein ander Spiel! So wollen wir Geschichten Euch erzählen. Von Freude oder Leid? Von beidem, gnäd'ge Frau. Von keinem, Mädchen. Denn wär's von Freude, welche ganz mir fehlt, So würd' es mich noch mehr an Sorg' erinnern: Und wär's von Kummer, welcher ganz mich drückt, Würd' ich noch mehr der Freude Mangel fühlen. Ich darf nicht wiederholen, was ich habe, Es hilft nicht zu beklagen, was mir fehlt. So will ich singen. Gut, wenn du es magst; Doch du gefällst mir besser, wenn du weinst. Ich könnte weinen, wenn es Euch was hülfe. Ich könnte weinen, wenn es mir was hülfe, Und dürfte keine Träne von dir leihn. Doch still! Die Gärtner kommen dort: Laßt uns in dieser Bäume Schatten treten! Ein Gärtner kommt mit zwei Gesellen. Mein Elend wett' ich um 'nen Nadelbrief, Daß sie vom Staat sich unterhalten werden. Vor einem Wechsel tut das jedermann, Dem Unglück geht Bekümmernis voran. Die Königin und ihre Fräulein treten zurück. Du, bind' hinauf die schwanken Aprikosen, Die, eigenwill'gen Kindern gleich, den Vater Mit ihrer üpp'gen Bürde niederdrücken; Gib eine Stütze den gebognen Zweigen! Geh du, und hau' als Diener des Gerichtes Zu schnell gewachsner Sprossen Häupter ab, Die allzu hoch stehn im gemeinen Wesen: In unserm Staat muß alles eben sein. – Nehmt ihr das vor, ich geh' und jät' indes Das Unkraut aus, das den gesunden Blumen Die Kraft des Bodens unnütz saugt hinweg. Was sollen wir, im Umfang eines Zauns, Gesetz und Form und recht Verständnis halten, Als Vorbild zeigend unsern festen Staat? Da unser Land, der See-umzäunte Garten, Voll Unkraut ist; erstickt die schönsten Blumen, Die Fruchtbäum' unbeschnitten, dürr die Hecken, Verwühlt die Beet', und die gesunden Kräuter Von Ungeziefer wimmelnd. Schweige still! Der diesen ausgelaßnen Frühling litt, Hat selbst nunmehr der Blätter Fall erlebt. Die Ranken, die sein breites Laub beschirmte, Die, an ihm zehrend, ihn zu stützen schienen, Sind ausgerauft, vertilgt vom Bolingbroke; Der Graf von Wiltshire, mein' ich, Bushy, Green. Wie? Sind sie tot? Ja wohl, und Bolingbroke Hat unsers üpp'gen Königs sich bemeistert. Oh, welch ein Jammer ist es, daß er nicht Sein Land so eingerichtet und gepflegt, Wie wir den Garten! – Um die Jahreszeit Verwunden wir des Fruchtbaums Haut, die Rinde, Daß er nicht überstolz vor Saft und Blut Mit seinem eignen Reichtum sich verzehre. Hätt' er erhöhten Großen das getan, So konnten sie des Dienstes Frucht noch bringen, Und er sie kosten. Überflüss'ge Äste Haun wir hinweg, damit der Fruchtzweig lebe. Tat er's, so konnt' er selbst die Krone tragen, Die eitler Zeitvertreib nun ganz zerschlagen. Wie? Denkt Ihr denn, der König werd' entsetzt? Besetzt hat man bereits ihn, und entsetzt Wird er vermutlich. Briefe sind gekommen Verwichne Nacht an einen nahen Freund Des guten Herzogs York, voll schwarzer Zeitung. Oh, ich ersticke, mach' ich mir nicht gleich Mit Reden Luft! – Sie kommt hervor. Du, Adams Ebenbild, Gesetzt zum Pfleger dieses Gartens, sprich: Wie darf mir deine harte, rauhe Zunge Die unwillkommne Neuigkeit verkünden? Welch eine Schlang' und Eva lehrte dich Den zweiten Fall des fluchbeladnen Menschen? Was sagst du, König Richard sei entsetzt? Darfst du, ein wenig beßres Ding als Erde, Erraten seinen Sturz? Wo, wann und wie Kam diese Nachricht dir? Elender, sprich! Verzeiht mir, gnäd'ge Frau: es freut mich wenig, Zu melden dies: doch was ich sag', ist wahr. Der König Richard ist in Bolingbrokes Gewalt'ger Hand; gewogen wird ihr Glück: In Eures Gatten Schal' ist nichts als er Und Eitelkeiten, die ihn leichter machen; Der große Bolingbroke, samt allen Pairs Von England, macht die andre Schale voll. Und mit dem Vorteil wiegt er Richard auf. Reist nur nach London und erfahrt: so sei's; Ich sage nichts, was nicht ein jeder weiß. Behendes Mißgeschick, so leicht von Füßen! Geht deine Botschaft nicht mich an, und ich Muß sie zuletzt erfahren? Oh, du willst Zuletzt mir nahn, daß ich dein Leid am längsten Im Busen trage. – Fräulein, kommt! Wir gehn, Zu London Londons Fürst in Not zu sehn. War ich dazu bestimmt, mit trüben Blicken Des großen Bolingbroke Triumph zu schmücken? Gärtner, weil du berichtet dieses Weh, Gedeih' kein Baum dir, den du impfest, je! Königin und die Fräulein ab. Ach, arme Fürstin! Geht's nur dir nicht schlimmer, So treffe mein Gewerb' der Fluch nur immer! Hier fielen Tränen; wo die hingetaut, Da setz' ich Raute, bittres Weihekraut. Reumütig wird die Raute bald erscheinen Und Tränen einer Königin beweinen. Ab. Vierter Aufzug Erste Szene Erste Szene Westminster-Halle. Die geistlichen Lords zur Rechten des Throns, die weltlichen Lords zur Linken, die Gemeinen unterhalb. Bolingbroke, Aumerle, Surrey, Northumberland, Percy, Fitzwater, ein andrer Lord, Bischof von Carlisle, Abt von Westminster und Gefolge. Im Hintergrunde Gerichtsbediente mit Bagot. Ruft Bagot vor! – Nun, Bagot, rede frei heraus, Was du vom Tod des edlen Gloster weißt: Wer trieb den König an, und wer vollbrachte Den blut'gen Dienst zu seinem frühen Ende? So stellt mir vors Gesicht den Lord Aumerle! Vetter, kommt vor und schaut auf diesen Mann! Mylord Aumerle, ich weiß, Eu'r kühner Mund Verschmäht zu leugnen, was er einst erklärt. Zur stillen Zeit, da Glosters Tod im Werk war, Hört' ich Euch sagen: »Ist mein Arm nicht lang, Der bis Calais zu meines Oheims Haupt Von Englands sorgenfreiem Hofe reicht?« Zur selben Zeit, nebst vielen andern Reden, Hört' ich Euch sagen, daß Ihr nicht dafür An hunderttausend Kronen nehmen wolltet, Daß Bolingbroke nach England wiederkäme. Auch rühmtet Ihr, wie glücklich für dies Land Sein würde dieses Eures Vetters Tod. Prinzen und edle Herrn, Wie soll ich diesem schlechten Mann erwidern? Soll ich so sehr entehren mein Gestirn, Auf gleichen Fuß ihm Züchtigung zu geben? Ich muß entweder, oder meine Ehre Bleibt mir befleckt vom Leumund seiner Lippen. – Da liegt mein Pfand, des Todes Handpetschier, Das dich der Hölle weiht; ich sag', du lügst, Und will bewähren, was du sagst, sei falsch, In deinem Herzblut, ist es schon zu schlecht, Der ritterlichen Klinge Stahl zu trüben. Bagot, halt' ein, du sollst das Pfand nicht nehmen! Auf einen nach, wollt' ich, der wär' der beste In diesem Kreise, der mich so gereizt. Wenn du bestehst auf Ebenbürtigkeit, Da liegt mein Pfand, Aumerle, zum Pfand für deins. Beim Sonnenlicht, das deine Stirn bescheint! Ich hört' dich sagen, und du sprachst es rühmend, Du hab'st des edlen Glosters Tod bewirkt. Wenn du es leugnest, lügst du zwanzigmal, Und deine Falschheit kehr' ich in dein Herz, Das sie ersann, mit meines Degens Spitze Du wagst den Tag nicht zu erleben, zage! Bei Gott, ich wollt', es wär' noch diese Stunde. Fitzwater, dies verdammt zur Hölle dich. Du lügst, Aumerle: so rein ist seine Ehre In dieser Klage, wie du schuldig bist; Und daß du's bist, werf' ich mein Pfand hier hin Und will's bis zu des Lebens letztem Hauch An dir beweisen; nimm es, wenn du darfst! Und tu' ich's nicht, so faule meine Hand Und schwinge nie den rächerischen Stahl Auf meines Feindes hellgeschliffnen Helm! Zu gleichem Werk biet' ich den Boden auf, Meineidiger Aumerle, und sporne dich Mit so viel Lügen, als man nur von Sonne Zu Sonn' in das verräterische Ohr Dir donnern kann; hier ist mein Ehrenpfand, Bewahr' es auf den Zweikampf, wenn du darfst! Wer fodert noch? Beim Himmel, allen trotz' ich! In einem Busen hab' ich tausend Geister, Um zwanzigtausenden, wie euch, zu stehn. Mylord Fitzwater, wohl erinnr' ich mich Derselben Zeit, da mit Aumerle Ihr spracht. Ganz recht, Ihr waret damals gegenwärtig, Und Ihr könnt mit mir zeugen, dies sei wahr. So falsch, bei Gott, als Gott die Wahrheit ist! Surrey, du lügst! Du ehrvergeßner Knabe! Schwer soll die Lüg' auf meinem Schwerte liegen, Daß es vergelte, räche, bis du selbst, Der Lügenstrafer, samt der Lüge, still Im Boden liegst, wie deines Vaters Schädel. Des zum Beweis ist hier mein Ehrenpfand, Bewahr' es auf den Zweikampf, wenn du darfst! Wie töricht spornst du doch ein rasches Pferd! Darf ich nur essen, trinken, atmen, leben, So darf ich Surrey in der Wüste treffen Und auf ihn spei'n, indem ich sag', er lügt Und lügt und lügt: hier ist mein Band der Treu', An meine mächt'ge Strafe dich zu fesseln. – So geh' mir's wohl in dieser neuen Welt, Aumerle ist meiner wahren Klage schuldig. Auch hört' ich den verbannten Norfolk sagen, Daß du, Aumerle, zwei deiner Leute sandtest, Den edlen Herzog zu Calais zu morden. Vertrau' ein wackrer Christ mir doch ein Pfand, Daß Norfolk lügt: hier werf' ich nieder dies, Wenn er heimkehren darf zur Ehrenprobe. All diese Zwiste bleiben unterm Pfand, Bis Norfolk heimberufen; denn das wird er, Und wieder eingesetzt, wiewohl mein Feind, In seine Leh'n und Herrlichkeiten; ist er da, So geh' sein Zweikampf vor sich mit Aumerle. Nie werden wir den Tag der Ehre sehn. Gar manches Mal focht der verbannte Norfolk Für Jesus Christus, im glorreichen Feld Des Kreuzes christliches Panier entrollend Auf schwarze Heiden, Türken, Sarazenen. Und matt von Kriegeswerken zog er sich Zurück nach Welschland: gab da zu Venedig Des schönen Landes Boden seinen Leib, Die reine Seele seinem Hauptmann Christus, Des Fahnen er so lang' im Kampf gefolgt. Wie, Bischof? Ist Norfolk tot? So wahr ich lebe, Herr! Geleite süßer Friede seine Seele Zum Schoß des guten alten Abraham! Ihr Herren Kläger, eure Zwiste sollen All' unterm Pfande bleiben, bis wir euch Auf euren Tag des Zweikampfs herbescheiden. York tritt auf mit Gefolge. Ich komme, großer Lancaster, zu dir Vom schmuckberaubten Richard, der dich willig Zum Erben nimmt und gibt das hohe Szepter In deiner königlichen Hand Besitz. Besteig' den Thron, der dir gebührt nach ihm: Lang' lebe Heinrich, vierter dieses Namens! In Gottes Namen, ich besteig' den Thron. Ei, das verhüte Gott! Schlecht red' ich vor so hoher Gegenwart, Doch ziemt es mir am besten, wahr zu reden. O wollte Gott, in diesem edlen Kreis Wär' einer edel g'nug, gerecht zu richten Den edlen Richard: echter Adel würde Von solchem Frevel ihn Enthaltung lehren. Kann je ein Untertan den König richten? Und wer ist hier nicht Richards Untertan? Selbst Diebe richtet man abwesend nicht, Sieht man gleich offenbare Schuld an ihnen; Und soll das Bild von Gottes Majestät, Sein Hauptmann, Stellvertreter, Abgesandter, Gesalbt, gekrönt, gepflanzt seit so viel Jahren, Durch Untertanen-Wort gerichtet werden, Und er nicht gegenwärtig? Oh, verhüt' es Gott, Daß feine Seelen in der Christenheit So schwarze, schnöde Tat verüben sollten! Ich red', ein Untertan, zu Untertanen, Vom Himmel kühn erweckt für meinen König. Der Herr von Hereford, den ihr König nennt, Verrät des stolzen Herefords König schändlich, Und krönt ihr ihn, so laßt mich prophezein: – Das Blut der Bürger wird den Boden düngen, Und ferne Zukunft stöhnen um den Greu'l. Der Friede wird bei Türk' und Heiden schlummern, Und hier im Sitz des Friedens wilder Krieg Mit Blute Blut und Stamm mit Stamm verwirren. Zerrüttung, Grausen, Furcht und Meuterei Wird wohnen hier, und heißen wird dies Land Das Feld von Golgatha und Schädelstätte. Oh, wenn ihr Haus so gegen Haus erhebt, Es wird die kläglichste Entzweiung sein, Die je auf die verfluchte Erde fiel: Verhütet, hemmt sie, laßt es nicht so sein, Daß Kind und Kindeskind Weh über euch nicht schrein! Ihr rechtet bündig, Herr, und für die Müh' Verhaften wir Euch hier um Hochverrat. – Herr Abt von Westminster, sorgt Ihr dafür, Ihn zum Gerichtstag sicher zu verwahren! – Gewährt ihr, Lords, der Bürgerschaft Gesuch? Holt Richard her, daß er vor aller Augen Sein Reich abtrete; so verfahren wir Frei von Verdacht. Ich will sein Führer sein. Ab. Ihr Lords, die wir in unsre Haft genommen, Stellt eure Bürgschaft auf den Tag des Urteils! Zu Carlisle. Gar wenig sind wir Eurer Liebe schuldig, Und wenig Gut's versahn wir uns zu Euch. York kommt zurück mit König Richard und Beamten, welche die Reichskleinodien tragen. Ach, warum ruft man mich vor einen König, Eh' ich des Fürstensinns mich abgetan, Womit ich herrschte? Kaum hab' ich gelernt Zu schmeicheln, mich zu schmiegen, Knie zu beugen; Laßt Leid noch eine Weile mich erziehn Zur Unterwerfung! Dieser Männer Züge Sind wohl im Sinne mir: waren sie nicht mein? Und riefen sie nicht manchmal »Heil!« mir zu? Das tat auch Judas Christo: aber der Fand in der Zahl von zwölfen alle treu, Auf einen nach; ich von zwölftausend keinen. Gott schütz' den König! – Sagt hier niemand Amen? Bin ich so Pfaff' als Küster? Gut denn, Amen! Gott schütz' den König! wenn ich's gleich nicht bin; Und Amen! doch, bin ich's nach Gottes Sinn. – Zu welchem Dienste bin ich hergeholt? Zu einer Handlung eignen freien Willens, So müde Majestät dich hieß erbieten: Die Übergebung deiner Kron' und Macht An Heinrich Bolingbroke. Gebt mir die Krone: – Vetter, faßt die Krone; Legt Eure Hand dort an, ich meine hier. Nun ist die goldne Kron' ein tiefer Brunn Mit zweien Eimern, die einander füllen; Der leere immer tanzend in der Luft, Der andre unten, ungesehn, voll Wasser; Der Eimer unten, tränenvoll, bin ich; Mein Leiden trink' ich und erhöhe dich. Ich glaubt', Ihr wär't gewillt, Euch zu entkleiden? Der Krone, ja; doch mein sind meine Leiden. Nehmt meine Herrlichkeit und Würde hin, Die Leiden nicht, wovon ich König bin! Ihr gebt mir mit der Kron' ein Teil der Sorgen. Durch Eure Sorg' ist meine nicht geborgen. Die mein' ist, daß mir alte Sorg' entrinnt; Die Eure, daß Ihr neue nun gewinnt. Die Sorge, die ich gebe, hab' ich noch: Sie folgt der Kron' und bleibet bei mir doch. Seid Ihr gewillt, die Krone abzutreten? Ja, nein; – nein, ja; mein Will' ist nicht mehr mein, So gilt mein Nein ja nicht, Ja muß es sein. Merkt auf, wie ich mich nun vernichten will! Die schwere Last geb' ich von meinem Haupt, Das unbeholfne Szepter aus der Hand, Den Stolz der Herrschaft aus dem Herzen weg. Mit eignen Tränen wasch' ich ab den Balsam, Mit eignen Händen geb' ich weg die Krone, Mit eignem Mund leugn' ich mein heil'ges Recht, Mit eignem Odem lös' ich Pflicht und Eid. Abschwör' ich alle Pracht und Majestät, Ich gebe Güter, Zins und Renten auf, Verordnungen und Schlüssen sag' ich ab. Verzeih' Gott jeden Schwur, den man mir bricht! Bewahr' Gott jeden Eid, den man dir spricht! Mich, der nichts hat, mach' er um nichts betrübt; Dich freue alles, dem er alles gibt! Lang' lebe du, auf Richards Sitz zu thronen; Und bald mag Richard in der Grube wohnen! Sott schütze König Heinrich! – also spricht Entfürstet Richard –, geb' ihm Heil und Licht! – Was ist noch übrig? überreicht ihm ein Papier. Nichts, als daß Ihr hier Die Anklagspunkte lest und die Verbrechen, Die Ihr durch Eure Diener oder in Person Begangen wider dieses Landes Wohl; Daß, wenn Ihr sie bekennt, der Menschen Seelen Ermessen, Ihr seid würdiglich entsetzt. Muß ich das tun? entstricken das Gewebe Verworrner Torheit? Lieber Northumberland, Wenn deine Fehler aufgezeichnet ständen, Würd' es dich nicht beschämen, so vor Leuten Die Vorlesung zu halten? Wolltest du's, Da fänd'st du einen häßlichen Artikel, Enthaltend eines Königs Absetzung Und Bruch der mächtigen Gewähr des Eides, Schwarz angemerkt, verdammt im Buch des Himmels. Ihr alle, die ihr steht und auf mich schaut, Weil mich mein Elend hetzt, wiewohl zum Teil Ihr wie Pilatus eure Hände wascht Und äußres Mitleid zeigt: doch, ihr Pilate, Habt ihr mich überliefert meinem Kreuz, Und Wasser wäscht die Sünde nicht von euch. Herr, macht ein Ende, leset die Artikel! Ich kann nicht sehn, die Augen sind voll Tränen: Doch blendet salzes Wasser sie nicht so, Daß sie nicht hier'ne Schar Verräter säh'n. Ja, wend' ich meine Augen auf mich selbst, So find' ich mich Verräter wie die andern. Denn meine Seele hat hier eingewilligt, Den Schmuck von eines Königs Leib zu streifen, Zur Schmach die Glorie, stolze Majestät Zum Knecht zu machen und den Staat zum Bauern. Herr, – Nein, nicht dein Herr, du Stolzer, der mich höhnt, Noch jemands Herr; ich habe keinen Namen Noch Titel, ja bis auf den Namen selbst, Der an dem Taufstein mir gegeben ward, Der recht mir zukäm'; oh, der schlimmen Zeit, Daß ich so viele Winter durchgelebt Und nun nicht weiß, wie ich mich nennen soll! Wär' ich ein Possenkönig doch aus Schnee Und stünde vor der Sonne Bolingbrokes, Um mich in Wassertropfen wegzuschmelzen! Du guter König! hoher König! – doch Nicht höchlich gut, – gilt noch mein Wort in England, So schaff' es gleich mir einen Spiegel her, Daß er mir zeige, welch Gesicht ich habe, Seit es der Majestät verlustig ist. Geh' wer von euch und hole einen Spiegel! Einer aus dem Gefolge ab. Lest dies Papier, derweil der Spiegel kömmt! Du plagst mich, böser Feind, noch vor der Hölle. Drängt ihn nicht weiter, Lord Northumberland! Die Bürgerschaft wird nicht befriedigt sonst. Sie soll befriedigt werden: lesen will ich Genug, wenn ich das rechte Buch erst sehe, Wo meine Sünden stehn, und das – bin ich. Der Bediente kommt zurück mit einem Spiegel. Gib mir den Spiegel, darin will ich lesen. – Noch keine tiefern Runzeln? Hat der Gram So manchen Streich auf mein Gesicht geführt Und tiefer nicht verwundet? Schmeichelnd Glas, Wie die Genossen meines günst'gen Glücks Betörst du mich! – War dieses das Gesicht, Das täglich unter seines Hauses Dach Zehntausend Menschen hielt? Dies das Gesicht, Das, wie die Sonn', Anschauer blinzen machte? Dies das Gesicht, das so viel Torheit sah, Bis endlich Bolingbroke es übersehn? Hinfäll'ger Glanz erleuchtet dies Gesicht, Hinfällig wie der Glanz ist das Gesicht, – Er schmeißt den Spiegel gegen den Boden. Da liegt's, zerschmettert in viel hundert Scherben! Merk', schweigender Monarch, des Spieles Lehre, Wie bald mein Kummer mein Gesicht zerstört! Zerstört hat Eures Kummers Schatten nur Den Schatten des Gesichts. Sag das noch 'mal! Der Schatten meines Kummers? Ha! laß sehn: Es ist sehr wahr, mein Gram wohnt innen ganz, Und diese äußern Weisen der Betrübnis Sind Schatten bloß vom ungeseh'nen Gram, Der schweigend in gequälter Seele schwillt. Da liegt sein Wesen; und ich dank' dir, König, Für deine große Güte, die nicht bloß Mir Grund zum Klagen gibt, nein, auch mich lehrt, Wie diesen Grund bejammern. Eins nur bitt' ich, Dann will ich gehn und Euch nicht weiter stören. Soll ich's erlangen? Nennt es, wackrer Vetter! Wackrer Vetter? Ja, ich bin mehr als König, Denn als ich König war, hatt' ich zu Schmeichlern Nur Untertanen; jetzt, ein Untertan, Hab' ich zum Schmeichler einen König hier. Da ich so groß bin, brauch' ich nicht zu bitten. So fodert doch! Soll ich es haben? Ja. Erlaubt mir denn zu gehn! Wohin? Gleichviel wohin, muß ich nur Euch nicht sehn. Gehn eurer ein'ge, nehmt ihn mit zum Turm! Mitnehmen? Gut! Mitnehmer seid ihr alle, Die ihr so steigt bei eines Königs Falle. König Richard, einige Lords und Wache ab. Auf nächsten Mittwoch setzen wir die Feier Der Krönung an: ihr Lords, bereitet euch! Alle ab, außer der Abt, der Bischof von Carlisle und Aumerle. Ein kläglich Schauspiel haben wir gesehn. Die Klage kommt erst: die noch Ungebornen Wird dieser Tag einst stechen, scharf wie Dornen. Ehrwürd'ge Herren, wißt ihr keinen Plan, Wie diese Schmach des Reichs wird abgetan? Eh' ich hierüber rede frei heraus, Sollt ihr das Sakrament darauf empfangen, Nicht nur geheim zu halten meine Absicht, Auch zu vollführen, was ich ausgedacht. Ich seh' voll Mißvergnügen eure Stirn, Eu'r Herz voll Gram, eu'r Auge voller Tränen: Kommt mit zur Abendmahlzeit, und ich sage Euch einen Plan, der schafft uns frohe Tage. Ab. Zweite Szene Zweite Szene London. Eine Straße, die zum Turm führt. Die Königin und ihre Fräulein treten auf. Hier kommt der König her: dies ist der Weg Zu Julius Cäsars mißerbautem Turm, In dessen Kieselbusen mein Gemahl Gekerkert wird vom stolzen Bolingbroke. Hier laßt uns ruhn, wenn dies empörte Land Ruh' hat für seines echten Königs Weib. König Richard tritt auf mit der Wache. Doch still, doch seht, – nein, lieber sehet nicht Verwelken meine Rose; doch schaut auf! Seht hin, daß ihr vor Mitleid schmelzt in Tau, Und frisch ihn wieder wascht mit Liebestränen! Ah du, das Denkmal, wo einst Troja stand! Der Ehre Muster! König Richards Grab! Nicht König Richard! Schönster Gasthof du, Warum beherbergst du den finstern Gram, Indes Triumph zum Bierhaus-Gast geworden? Vereine nicht mit Gram dich, holdes Weib, Zu meinem schnellen Ende: tu' es nicht! Lern', gute Seele, unsern vor'gen Stand Wie einen frohen Traum dir vorzustellen. Davon erwacht, sehn wir, der Wahrheit nach, Das, was wir sind: ich bin geschworner Bruder Der grimmen Not, Geliebte; sie und ich Sind bis zum Tod verbündet. Eil' nach Frankreich, Und da verschließ' dich in ein geistlich Haus: Denn Heiligkeit gewinnt die Kron' im Himmel, Die hier zerschlagen eitles Weltgetümmel. Wie, ist mein Richard an Gestalt und Sinn Verwandelt und geschwächt? Hat Bolingbroke Dir den Verstand entsetzt? ist dir ins Herz gedrungen? Der Löwe streckt die Klaue sterbend aus, Zerreißt noch, wenn sonst nichts, die Erd' aus Wut, Daß er besiegt ist: und du willst, wie Kinder, Die Strafe mild empfahn, die Rute küssen Und kriechen vor der Wut mit schnöder Demut, Da du ein Löwe bist, der Tiere Fürst? Der Tiere Fürst, ja! Wären sie was Bessers, So wär' ich noch ein froher Fürst der Menschen. Doch gute weiland Königin, bereite Nach Frankreich dich zu gehn: denk', ich sei tot, Und daß du, wie an meinem Todbett, hier Mein scheidend letztes Lebewohl empfängst. In langen Winternächten sitz' am Feuer Bei guten alten Leuten, laß sie dir Betrübte Fäll' aus ferner Vorzeit sagen, Und eh' du gute Nacht sagst, zur Erwid'rung Erzähl' du meinen klagenswerten Fall Und schick' die Hörer weinend in ihr Bett: Ja, die fühllosen Brände werden stimmen Zum dumpfen Tone der betrübten Zunge; Sie weinen mitleidsvoll das Feuer aus Und trauren, teils in Asche, teils kohlschwarz, Um die Entsetzung eines echten Königs. Northumberland und andere kommen. Herr, Bolingbroke hat seinen Sinn geändert, Ihr müßt nach Pomfret nun, nicht in den Turm. – Für Euch ist auch Befehl da, gnäd'ge Frau: Ihr müßt in aller Eil' nach Frankreich fort. Northumberland, du Leiter, mittelst deren Der kühne Bolingbroke den Thron besteigt, Die Zeit wird nicht viel Stunden älter sein, Als sie nun ist, eh' arge Sünde, reifend, Ausbrechen wird in Fäulnis; du wirst denken, Wenn er das Reich auch teilt und halb dir gibt, Zu wenig sei's, da du ihm alles schafftest; Und er wird denken, du, der Mittel weiß, Ein unrechtmäßig Königtum zu stiften, Du werdest, leicht gereizt, auch Mittel wissen, Wie man ihn stürzt vom angemaßten Thron. Die Liebe böser Freunde wird zur Furcht, Die Furcht zum Haß, und einem oder beiden Bringt Haß Gefahren und verdienten Tod. Die Schuld auf meinen Kopf, und damit aus! Nehmt Abschied, trennt euch, denn das müßt ihr gleich. Doppelt geschieden? – Frevler, ihr verletzt Zwiefachen Eh'stand: zwischen meiner Krone Und mir, und zwischen mir und meinem Weib. – Laß mich den Eid entküssen zwischen uns: Doch nein, es hat ein Kuß ihn ja bekräftigt. – Trenn' uns, Northumberland: ich hin zum Norden, Wo kalter Schau'r und Siechtum drückt die Luft; Mein Weib nach Frankreich, von woher in Pomp Sie ankam, wie der holde Mai geschmückt, Gleich einem Wintertag nun heimgeschickt. So scheiden müssen wir? uns ewig missen? Ja, Hand von Hand und Herz von Herz gerissen. Verbannt uns beid' und schickt mit mir den König! Das wäre Liebe, doch von Klugheit wenig. Wohin er geht, erlaubt denn, daß ich geh'! So zwei zusammen weinend, sind ein Weh. Beweine dort mich, hier sei du beweint; Besser weit weg, als nah, doch nie vereint. Zähl' deinen Weg mit Seufzern, ich mit Stöhnen. So wird der längre Weg das Weh mehr dehnen. Bei jedem Tritt will ich denn zweimal stöhnen, Den kurzen Weg verlängre trübes Sehnen. Komm, laß nur rasch uns werben um das Leid; Vermählt mit uns, bleibt es uns lange Zeit. Ein Kuß verschließe unsrer Lippen Schmerz: So nehm' ich dein's und gebe so mein Herz. Er küßt sie. küßt ihn wieder. Gib meins zurück: es wär' ein arger Scherz, Bewahrt' ich erst und tötete dein Herz. Nun geh! Da du mir meins zurückgegeben, Will ich mit Stöhnen es zu brechen streben. Dies Zögern macht das Weh nur ausgelassen. Leb wohl! Das andre mag dein Kummer fassen. Alle ab. Fünfter Aufzug Erste Szene Erste Szene London. Ein Zimmer im Palaste des Herzogs von York. York und die Herzogin von York treten auf. Ihr wolltet, mein Gemahl, den Rest erzählen, Als Ihr vor Weinen die Geschichte abbracht Von unsrer Vetter Einzug hier in London. Wo blieb ich stehn? Bei der betrübten Stelle, Daß ungeratne Hände aus den Fenstern Auf König Richard Staub und Kehricht warfen. Wie ich gesagt, der große Bolingbroke Auf einem feurigen und mut'gen Roß, Das seinen stolzen Reiter schien zu kennen, Ritt fort, in stattlichem, gemeßnem Schritt, Weil alles rief: »Gott schütz' dich, Bolingbroke!« Es war, als wenn die Fenster selber sprächen, So manches gier'ge Aug' von jung und alt Schoß durch die Flügel sehnsuchtsvolle Blicke Auf sein Gesicht; als hätten alle Wände, Behängt mit Schilderei'n, mit eins gesagt: »Christ segne dich! Willkommen, Bolingbroke!« Er aber, sich nach beiden Seiten wendend, Barhäuptig, tiefer als des Gaules Nacken, Sprach sie so an: »Ich dank' euch, Landesleute!« Und so stets tuend, zog er so entlang. Ach, armer Richard! Wo ritt er indes? Wie im Theater wohl der Menschen Augen, Wenn ein beliebter Spieler abgetreten, Auf den, der nach ihm kömmt, sich lässig wenden Und sein Geschwätz langweilig ihnen dünkt: Ganz so, und mit viel mehr Verachtung blickten Sie scheel auf Richard; niemand rief: »Gott schütz' ihn!« Kein froher Mund bewillkommt' ihn zu Haus. Man warf ihm Staub auf sein geweihtes Haupt, Den schüttelt' er so mild im Gram sich ab, Im Antlitz rangen Tränen ihm und Lächeln, Die Zeugen seiner Leiden und Geduld: Daß, hätte Gott zu hohen Zwecken nicht Der Menschen Herz gestählt, sie mußten schmelzen, Und Mitleid fühlen selbst die Barbarei. Doch diese Dinge lenkt die Hand des Herrn: Und seinem Willen fügt sich unsrer gern. Wir schwuren Bolingbroke uns untertan, Sein Reich erkenn' ich nun für immer an. Aumerle tritt auf. Da kommt mein Sohn Aumerle. Aumerle vordem, Doch weil er Richards Freund war, ist das hin. Ihr müßt nun, Herzogin, ihn Rutland nennen. Ich bürg' im Parlament für seine Treu' Und Lehnspflicht gegen unsern neuen König. Willkommen, Sohn! Wer sind die Veilchen nun, Gehegt im grünen Schoß des neuen Frühlings? Ich weiß nicht, gnäd'ge Frau, mich kümmert's wenig Gott weiß, ich bin so gerne keins als eins. Wohl! Tut, wie's für den Lenz der Zeit sich schickt, Damit man nicht Euch vor der Blüte pflückt. Was gibt's in Oxford? Währt das Stechen noch Und die Gepränge? Ja, soviel ich weiß. Ich weiß, Ihr wollt dahin. Wenn Gott es nicht verwehrt, ich bin es willens. Was für ein Siegel hängt dir aus dem Busen? Ha, du erblassest? Laß die Schrift mich sehn! Herr, es ist nichts. Dann darf es jeder sehn. Ich will nicht ruhn: du mußt die Schrift mir zeigen. Ich bitte Euer Gnaden, zu verzeihn, 's ist eine Sache, die nicht viel bedeutet, Die ich aus Gründen nicht gesehn will haben. Und die ich, Herr, aus Gründen sehen will. Ich fürcht', ich fürchte, – Was doch fürchtet Ihr? 's ist nichts als ein Vertrag, den er hat eingegangen, Zu bunter Tracht auf des Gepränges Tag. Wie? Mit sich selbst? Was soll ihm ein Vertrag, Der ihn verpflichtet? Du bist närrisch, Weib. Sohn, laß die Schrift mich sehn! Ich bitt' Euch sehr, verzeiht; ich darf's nicht zeigen. Ich will befriedigt sein: gib her, sag' ich! Er reißt das Papier weg und liest. Verrat! Verbrechen! – Schelm! Verräter! Knecht! Was ist es, mein Gemahl? He! ist denn niemand drin? Ein Bedienter kommt. Sattelt mein Pferd! Erbarm' es Gott, was für Verräterei! Nun, mein Gemahl, was ist's? Die Stiefeln her, sag' ich! Sattelt mein Pferd! – Nun auf mein Wort, auf Ehre und auf Leben, Ich geb' den Schurken an. Bedienter ab. Was ist die Sache? Still, töricht Weib! Ich will nicht still sein. – Sohn, was ist die Sache? Seid ruhig, gute Mutter; 's ist nur etwas, Wofür mein armes Leben einstehn muß. Dein Leben einstehn? Der Bediente kommt zurück mit Stiefeln. Bringt mir die Stiefeln; ich will hin zum König. Schlag' ihn, Aumerle! – Du starrst ganz, armer Junge. – Zu dem Bedienten. Fort, Schurke! komm mir nie mehr vors Gesicht! Die Stiefeln her, sag' ich! Ei, York, was willst du tun? Willst du der Deinen Fehltritt nicht verbergen? Hast du mehr Söhne? oder mehr zu hoffen? Ist des Gebärens Zeit mir nicht versiegt? Und willst mir nun den holden Sohn entreißen? Mir einer Mutter frohen Namen rauben? – Gleicht er dir nicht? Ist er dein eigen nicht? Du töricht, unklug Weib! Willst diese nächtliche Verschwörung hehlen? Ein Dutzend ihrer hat das Sakrament genommen Und wechselseitig Handschrift ausgestellt, Zu Oxford unsern König umzubringen. Er soll nicht drunter sein; wir halten ihn Bei uns zurück: was geht es ihn denn an? Fort, töricht Weib! Und wär' er zwanzigmal Mein Sohn, ich gäb' ihn an. Hätt'st du um ihn geächzt, Wie ich, du würdest mitleidvoller sein. Nun weiß ich deinen Sinn: du hegst Verdacht, Als wär' ich treulos deinem Bett gewesen, Und dieser wär' ein Bastard, nicht dein Sohn. Mein Gatte, süßer York, sei nicht des Sinns: Er gleicht dir so, wie irgend jemand kann, Mir gleicht er nicht, noch wem, der mir verwandt, Und dennoch lieb' ich ihn. Mach' Platz, unbändig Weib! Ab. Aumerle, ihm nach! Besteige du sein Pferd, Sporn', eile, komm vor ihm beim König an Und bitt' um Gnade, eh' er dich verklagt hat! Ich folg' in kurzem dir: bin ich schon alt, So hoff' ich doch so schnell wie York zu reiten, Und niemals steh' ich wieder auf vom Boden, Bevor dir Bolingbroke verziehn. Hinweg! Mach fort! Ab. Zweite Szene Zweite Szene Windsor. Ein Zimmer im Schlosse. Bolingbroke als König, Percy und andre Lords treten auf. Weiß wer von meinem ungeratnen Sohn? Drei volle Monat' sind's, seit ich ihn sah: Wenn irgend eine Plag' uns droht, ist's er. Ich wollte, Lords, zu Gott, man könnt' ihn finden; Fragt nach in London, um die Schenken dort: Da, sagt man, geht er täglich aus und ein Mit ungebundnen lockern Spießgesellen, Wie sie, so sagt man, stehn auf engen Wegen, Die Wache schlagen, Reisende berauben; Indes er, ein mutwillig weibisch Bübchen, Es sich zur Ehre rechnet, zu beschützen So ausgelaßnes Volk. Vor ein paar Tagen, Herr, sah ich den Prinzen Und sagt' ihm von dem Schaugepräng' in Oxford. Was sagte drauf der Wildfang? Die Antwort war, er woll' ins Badhaus gehn, Der feilsten Dirne einen Handschuh nehmen, Um ihn als Pfand zu tragen, und mit dem Den bravsten Streiter aus dem Sattel heben. So liederlich wie tollkühn! Doch durch beides Seh' ich noch Funken einer bessern Hoffnung, Die ältre Tage glücklich reifen können. Doch wer kommt da? Aumerle tritt hastig ein. Wo ist der König? Was ist unserm Vetter, Daß er so starrt und blickt so wild umher? Gott schütz' Eu'r Gnaden! Ich ersuch' Eu'r Majestät Um ein Gespräch, allein mit Euer Gnaden. Entfernet euch, und laßt uns hier allein! Percy und die Lords ab. Was gibt es denn mit unserm Vetter nun? knieend. Für immer soll mein Knie am Boden wurzeln, Die Zung' in meinem Mund am Gaumen kleben, Wenn ich aufsteh' und red', eh' Ihr verzeiht! War dies Vergehen Vorsatz oder Tat? Wenn jenes nur, wie heillos dein Beginnen, Verzeih' ich dir, dich künftig zu gewinnen. Erlaubt mir denn, den Schlüssel umzudrehn, Daß niemand kommt, bis mein Bericht zu Ende. Tu' dein Begehren! Aumerle schließt die Türe ab. draußen. Mein Fürst, gib Achtung! Sieh dich vor! Du hast ja einen Hochverräter bei dir. Ich will dich sichern, Schurk'. Halt' ein die Rächerhand, Du hast nicht Grund zu fürchten! draußen. Mach' auf die Tür, tollkühner, sichrer König! Muß ich aus Liebe dich ins Antlitz schmähn? Die Tür auf, oder ich erbreche sie! Bolingbroke schließt die Türe auf. York tritt ein. Was gibt es, Oheim? Sprecht! Schöpft Odem, sagt, wie nah uns die Gefahr, Daß wir uns waffnen können wider sie! Lies diese Schrift, sei vom Verrat belehrt, Den meine Eil' mir zu berichten wehrt! Bedenke, wenn du liest, was du versprachst! Lies hier nicht meinen Namen, ich bereue: Mein Herz ist nicht mit meiner Hand im Bund. Das war es, Schelm, eh' deine Hand ihn schrieb. Ich riß dies aus dem Busen des Verräters; Furcht und nicht Liebe zeugt in ihm die Reu'. Gönn' ihm kein Mitleid, daß dein Mitleid nicht Zur Schlange werde, die ins Herz dir steche! O arge, kühne, mächtige Verschwörung! O biedrer Vater eines falschen Sohns! Du klarer, unbefleckter Silberquell, Aus welchem dieser Strom durch kot'ge Wege Den Lauf genommen und sich selbst beschmutzt! Dein überströmend Gutes wird zum Übel, Doch deiner Güte Überfluß entschuldigt Dies tödliche Vergehn des irren Sohns. So wird die Tugend Kupplerin des Lasters, Und seine Schmach verschwendet meine Ehre, Wie Söhne, prassend, karger Väter Gold. Meine Ehre lebt, wenn seine Schande stirbt, In der mein Leben schnöde sonst verdirbt. Sein Leben tötet mich: dem Frevler Leben, Dem Biedern Tod wird deine Gnade geben. draußen. Mein Fürst! Um Gottes willen, laßt mich ein! Wer mag so gellend seine Bitten schrein? Ein Weib, und deine Muhme, großer König! Sprich, habe Mitleid, tu' mir auf das Tor, Der Bettlerin, die niemals bat zuvor! Das Schauspiel ändert sich; sein Ernst ist hin: Man spielt »den König und die Bettlerin«. Mein schlimmer Vetter, laßt die Mutter ein: Es wird für Eure Schuld zu bitten sein. Wenn du verzeihest, wer auch bitten mag, Verzeihung bringt mehr Sünden an den Tag. Dies faule Glied weg bleibt der Rest gesund; Doch dies verschont, geht alles mit zu Grund'. Herzogin tritt ein. O Fürst, glaub' nicht dem hartgeherzten Mann, Der sich nicht liebt, noch andre lieben kann! Verrücktes Weib, was ist hier dein Begehren? Soll deine Brust noch 'mal den Buben nähren? Sei ruhig, lieber York! Mein König, höre! Sie kniet. Auf, gute Muhme! Noch nicht, ich beschwöre! Denn immer will ich auf den Knieen flehn Und nimmer Tage der Beglückten sehn, Bis du mich wieder heißest Freude haben, Rutland verzeihend, meinem schuld'gen Knaben. Ich werfe zu der Mutter Flehn mich nieder. Und wider beide beug' ich treue Glieder. Gewährst du Gnade, so gedeih' dir's schlecht! Meint er's im Ernst? Sieh ins Gesicht ihm recht: Sein Auge tränet nicht, sein Bitten ist nur Scherz, Der Mund nur spricht bei ihm, bei uns das Herz. Er bittet schwach und wünscht nichts zu gewinnen, Wir bitten mit Gemüt und Herz und Sinnen. Gern stünd' er auf, die matten Knie sind wund; Wir knie'n, bis unsre wurzeln in dem Grund. Sein Flehn ist Heucheln und voll Trüglichkeit, Voll Eifer unsres, biedre Redlichkeit. Es überbitten unsre Bitten seine; Gnad' ist der Bitten Lohn: gewähr' uns deine! Steht auf doch, Muhme! Nein, sag nicht: »Steht auf!« »Verzeihung!« erst, und hintennach: »Steht auf!« Und sollt' ich dich als Amme lehren lallen, »Verzeihung« wär' das erste Wort von allen. So sehnt' ich mich, ein Wort zu hören, nie: »Verzeihung« sprich; dich lehre Mitleid, wie; Das Wort ist kurz, doch nicht so kurz als süß, Kein Wort ziemt eines Königs Mund wie dies. So sprich französisch; sag: pardonnez-moi! Lehrst du Verzeihung, wie sie nicht verzeih'? Ach, herber, hartgeherzter Gatte du! Du setzest mit dem Wort dem Worte zu. »Verzeihung« sprich, wie man zu Land hier spricht: Französisch Kauderwelsch verstehn wir nicht, Dein Auge red't schon, laß es Zunge sein; Dein Ohr nimm ins mitleid'ge Herz hinein, Daß es, durchbohrt von Bitten und von Klagen, Dich dringen mag, »Verzeihung« anzusagen. Steht auf doch, Muhme! Ich bitte nicht um Stehn, Verzeihung ist allhier mein einzig Flehn. Verzeihung ihm, wie Gott mir mag verzeihn! O eines knie'nden Kniees schön Gedeihn! Noch bin ich krank vor Furcht: oh, sag's zum zweiten! Zweimal gesagt, soll's ja nicht mehr bedeuten, Bekräftigt eines nur. Verziehen werde Von Herzen ihm! Du bist ein Gott der Erde. Was unsern biedern Schwager angeht und den Abt Und all die andern der verbundnen Rotte, Stracks sei Verderben ihnen auf der Ferse: Schafft, guter Oheim, Truppen hin nach Oxford Und überall, wo die Verräter stecken: Ich schwör's, sie sollen schleunig aus der Welt; Weiß ich erst wo, so sind sie bald gefällt. Oheim, lebt wohl! und Vetter, bleibt mir treu! Wohl bat für Euch die Mutter; hegt nun Scheu! Komm, alter Sohn, und mache Gott dich neu! Alle ab. Dritte Szene Dritte Szene Exton und ein Bedienter treten auf. Gabst du nicht Achtung, was der König sagte? »Hab' ich denn keinen Freund, der mich erlöst Von der lebend'gen Furcht?« – War es nicht so? Das waren seine Worte. »Hab' ich denn keinen Freund?« so sagt' er zweimal Und wiederholt' es dringend. Tat er's nicht? Er tat's. Und wie er's sprach, sah er auf mich bedeutend, Als wollt' er sagen: »Wärst du doch der Mann, Der diese Angst von meinem Herzen schiede!« Zu Pomfret nämlich den entsetzten König. Komm, laß uns gehn: ich bin des Königs Freund Und will erlösen ihn von seinem Feind. Ab. Vierte Szene Vierte Szene Pomfret. Das Gefängnis in der Burg. König Richard tritt auf. Ich habe nachgedacht, wie ich der Welt Den Kerker, wo ich lebe, mag vergleichen; Und, sintemal die Welt so volkreich ist, Und hier ist keine Kreatur als ich, So kann ich's nicht, – doch grübl' ich es heraus. Mein Hirn soll meines Geistes Weibchen sein, Mein Geist der Vater; diese zwei erzeugen Dann ein Geschlecht stets brütender Gedanken, Und die bevölkern diese kleine Welt Voll Launen, wie die Leute dieser Welt: Denn keiner ist zufrieden. Die beßre Art, Als geistliche Gedanken, sind vermengt Mit Zweifeln, und sie setzen selbst die Schrift Der Schrift entgegen. Als: »Laßt die Kindlein kommen«; und dann wieder: »In Gottes Reich zu kommen, ist so schwer, Als ein Kamel geht durch ein Nadelöhr.« Die, so auf Ehrgeiz zielen, sinnen aus Unglaubliches: mit diesen schwachen Nägeln Sich Bahn zu brechen durch die Kieselrippen Der harten Welt hier, dieser Kerkerwände; Und weil's unmöglich, härmt ihr Stolz sie tot. Die auf Gemütsruh' zielen, schmeicheln sich, Daß sie des Glückes erste Sklaven nicht, Noch auch die letzten sind; wie arme Toren, Die, in den Stock gelegt, der Schmach entgehn, Weil vielen das geschah und noch geschehn wird. In dem Gedanken finden sie dann Trost, Ihr eignes Unglück tragend auf dem Rücken Von andern, die zuvor das Gleiche traf. So spiel' ich viel Personen ganz allein, Zufrieden keine: manchmal bin ich König, Dann macht Verrat mich wünschen, ich wär' Bettler; Dann werd' ich's, dann beredet Dürftigkeit Mich drückend, daß mir besser war als König. Dann werd' ich wieder König, aber bald Denk' ich, daß Bolingbroke mich hat entthront, Und bin stracks wieder nichts: doch wer ich sei, So mir als jedem sonst, der Mensch nur ist, Kann nichts genügen, bis er kommt zur Ruh', Indem er nichts wird. – Musik. Hör' ich da Musik? Ha, haltet Zeitmaß! – Wie so sauer wird Musik, so süß sonst, wenn die Zeit verletzt Und das Verhältnis nicht geachtet wird! So ist's mit der Musik des Menschenlebens. Hier tadl' ich nun mit zärtlichem Gehör Verletzte Zeit an einer irren Saite, Doch für die Eintracht meiner Würd' und Zeit Hatt' ich kein Ohr, verletztes Maß zu hören. Die Zeit verdarb ich, nun verderbt sie mich, Denn ihre Uhr hat sie aus mir gemacht; Gedanken sind Minuten, und sie picken Mit Seufzern ihre Zahlen an das Zifferblatt Der Augen, wo mein Finger wie ein Zeiger Stets hinweist, sie von Tränen reinigend. Der Ton nun, der die Stunde melden soll, Ist lautes Stöhnen, schlagend auf die Glocke, Mein Herz; so zeigen Seufzer, Tränen, Stöhnen Minute, Stund' und Zeit; – doch meine Zeit Jagt zu im stolzen Jubel Bolingbrokes. Und ich steh' faselnd hier, sein Glockenhans. – Wenn die Musik doch schwieg', sie macht mich toll! Denn hat sie Tollen schon zum Witz geholfen, In mir, so scheint's, macht sie den Weisen toll. Und doch, gesegnet sei, wer mir sie bringt! Denn sie beweist ja Lieb', und die für Richard Ist fremder Schmuck in dieser Hasser-Welt. Ein Stallknecht tritt auf. Heil, königlicher Fürst! Heil, edler Pair! Wer überteuert nun den andern mehr? Wer bist du? und wie bist hiehergekommen, Wo niemand hinkommt, als der finstre Hund, Der Speise bringt, das Mißgeschick zu fristen? Ich war ein armer Knecht vom Marstall, König, Als du noch König warst; nach York nun wandernd, Erlangt' ich's mit genauer Not, zu schaun Das Antlitz meines weiland gnäd'gen Herrn. Oh, wie das Herz mir weh tat, anzusehn In Londons Straßen jenen Krönungstag, Als Bolingbroke den Barberschimmel ritt! Das Pferd, das du so oft geritten hast! Das Pferd, das ich so sorgsamlich gepflegt! Ritt er den Barber? Sag mir, lieber Freund, Wie ging er unter ihm? So stolz, als wär' die Erd' ihm zu gering. So stolz, daß Bolingbroke sein Reiter war! Die Mähr' aß Brot aus königlicher Hand, Die Hand hier machte sie mit Klatschen stolz. Und strauchelt' er denn nicht? Fiel er nicht nieder (Stolz kommt ja vor dem Fall) und brach den Hals Des stolzen Manns, der seinen Rücken einnahm? Verzeihung, Pferd! Was schelt' ich doch auf dich, Da du, dem Menschen untertan, geboren Zum Tragen bist? Ich, nicht als Pferd erschaffen, Trag' eines Esels Bürde doch, gejagt Und wund gespornt vom wilden Bolingbroke. Gefangenwärter kommt mit einer Schüssel. zu dem Stallknechte. Mach' Platz, Gesell! Du darfst nicht länger weilen. Wenn du mich liebst, mußt du hinweg nun eilen. Was nicht mein Mund sagt, soll mein Herz doch teilen. Ab. Herr, ist's gefällig, zuzugreifen? So koste erst, wie du gewöhnlich tust! Ich darf nicht, Herr: Sir Pierce von Exton, der Kürzlich vom König kam, befiehlt das Gegenteil. Der Teufel hole Heinrich Lancaster und dich! Geduld ist schal, und ich hab's nun genug. Er schlägt den Gefangenwärter. Hülfe! Hülfe! Hülfe! Exton und Bediente kommen bewaffnet. Ha! Was will der Tod mit diesem Überfall? Schelm, deine Hand beut deines Todes Werkzeug. Er reißt einem das Gewehr weg und erlegt ihn. Geh du, füll' einen Platz noch in der Hölle! Er erlegt noch einen, dann stößt ihn Exton nieder. Die Hand soll nie verlöschend Feuerfoltern, Die so mich stürzet. Deine freche Hand Befleckt mit Königs Blut des Königs Land. Auf, auf, mein Geist, den hohen Sitz zu erben, Indes mein Fleisch hier niedersinkt, zu sterben. Er stirbt. Voll Mut so wie voll königlichem Blut: Beides vergoß ich: wär' die Tat nur gut! Nun flüstert mir der Teufel, der's geraten, Sie steh' verzeichnet bei der Hölle Taten. Den toten König bring' ich, König, dir; Tragt fort die andern und begrabt sie hier! Ab. Fünfte Szene Fünfte Szene Windsor. Ein Zimmer im Schlosse. Trompetenstoß. Bolingbroke und York mit andern Lords und Gefolge treten auf. Mein Oheim York, die letzte Nachricht war Aus Glostershire, daß unsre Stadt Cicester Von den Rebellen eingeäschert ist. Ob sie gefangen, ob geschlagen worden, Erfuhren wir noch nicht. Northumberland tritt auf. Willkommen, Herr! Was bringt Ihr Neues mit? Erst wünsch' ich deinem heil'gen Regiment Das glücklichste Gedeihn. – Nach London schon Sandt' ich die Köpfe – sei dir ferner kund – Des Sal'sbury, des Spencer, Kent und Blunt. Wie sie gefangen worden, möge dir Ausführlich hier berichten dies Papier. Er überreicht ihm eine Schrift. Wir danken, lieber Percy, deinen Müh'n, Und würdiglich soll deine Würde blühn. Fitzwater tritt auf. Mein Fürst, ich sandt' aus Oxford hin nach London Den Kopf des Brokas und Sir Bennet Seely, Zwei der gefährlichen verschwornen Rotte, Die dir zu Oxford greulich nachgestellt. Fitzwater, deine Müh' wird nie vergessen; Wie hoch dein Wert sei, hab' ich längst ermessen. Percy tritt auf mit dem Bischof von Carlisle. Der Hauptverschwörer, Abt von Westminster, Hat vor Gewissens-Druck und düstrer Schwermut Dem Grabe hingegeben seinen Leib; Doch hier steht Carlisle lebend vor dem Thron, Den Spruch erwartend, seines Stolzes Lohn. Carlisle, dies ist dein Urteil: wähl' dir aus Zum stillen Aufenthalt ein geistlich Haus, Mehr als du hast; da labe deinen Sinn, Und lebst du friedlich, scheid' auch friedlich hin: Denn hegtest du schon immer Feindesmut, Ich sah in dir der Ehre reine Glut. Exton tritt auf mit Dienern, die einen Sarg tragen. In diesem Sarg bring' ich dir, großer König Begraben deine Furcht: hier liegt entseelt Der Feinde mächtigster, die du gezählt, Richard von Bourdeaux, her durch mich gebracht. Exton, ich dank' dir nicht; du hast vollbracht Ein Werk der Schande, mit verruchter Hand, Auf unser Haupt und dies berühmte Land. Aus Eurem Mund, Herr, tat ich diese Tat. Der liebt das Gift nicht, der es nötig hat, So ich dich: ob sein Tod erwünscht mir schien, Den Mörder hass' ich, lieb' ermordet ihn. Nimm für die Mühe des Gewissens Schuld, Doch weder mein gut Wort noch hohe Huld: Wie Kain wandre nun in nächt'gem Grau'n Und laß dein Haupt bei Tage nimmer schaun! Lords, ich beteur' es, meiner Seel' ist weh, Daß ich mein Glück bespritzt mit Blute seh'. Kommt und betrauert mit, was ich beklage; Daß düster Schwarz sofort ein jeder trage! Ich will die Fahrt tun in das Heil'ge Land, Dies Blut zu waschen von der schuld'gen Hand. Zieht ernst mir nach, und keine Tränen spare, Wer meine Trauer ehrt, an dieser frühen Bahre! Alle ab.