William Shakespeare Cymbeline Personen Cymbeline, König von Britannien Cloten, Sohn der Königin, von ihrem ersten Gemahl Leonatus Posthumus, ein Edelmann, Imogens Gemahl Bellarius, ein verbannter Lord, unter dem Namen Morgan Guiderius Arviragus, Cymbelines Söhne, unter den Namen Polydor und Cadwall; für Bellarius' Söhne gehalten Philario, Posthumus' Freund Jachimo, Philarios Freund Ein französischer Edelmann, Philarios Freund Cajus Lucius, römischer Feldherr Ein römischer Hauptmann, zwei britische Hauptleute Pisanio, Posthumus' Diener Cornelius, ein Arzt Zwei Edelleute Zwei Kerkermeister Die Königin, Cymbelines Gemahlin Imogen, Cymbelines Tochter, von der vorigen Königin Helene, Imogens Kammerfrau Lords, Hofdamen, römische Senatoren, Tribunen, Geister, ein Wahrsager, ein Holländer, ein Spanier, Musiker, Anführer, Soldaten, Boten, Gefolge Szene: abwechselnd in Britannien und Rom Erster Aufzug Erste Szene Erste Szene Britannien. Garten in Cymbelines Palast. Zwei Edelleute treten auf. Ja, hier schaut jeder finster: unser Blut Folgt minder nicht dem Himmel, als der Höfling Stets wie der König scheinen will. Der Grund? Die Erbin dieses Reiches, seine Tochter, Bestimmt' er seiner Frauen einz'gem Sohn, Die er als Witwe kürzlich sich vermählt. Die Tochter wählte nun den Gatten selbst, Der arm, doch edel ist: sie sind vermählt; Der Mann verbannt, verhaftet sie: und alles Ist äußrer Schmerz; obwohl der König, mein' ich, Wahrhaft bekümmert ist. Der König nur? Auch er, der sie verlor; die Kön'gin gleichfalls, Die jenes Bündnis wünschte. Doch kein Höfling (Wenn alle auch ihr Antlitz stimmen nach Des Königs Blick), des Herz sich nicht erfreut Ob dem, weshalb sie grollen. Und warum? Der die Prinzeß verlor, ist ein Geschöpf, Zu schlecht, ihn schlecht zu nennen; der sie hat (Das heißt, dem sie vermählt, der Ärmste, ach! Deshalb verbannt) ist solch vollendet Wesen, Daß, wenn man auch den Erdkreis rings durchsuchte Nach einem, so wie er, stets blieb' ein Mangel Dem, der sich ihm vergleicht: denn ich vermeine, Mit so viel innerm Wert und äußrer Schönheit Sei niemand sonst begabt. Ihr übertreibt. Ich mess' ihn nur weit unter seiner Größe, Drück' ihn zusammen, statt ihn zu entfalten In voller Macht. Wie ist sein Nam' und Ursprung? Ich kenne seinen Stammbaum nicht. Sicilius, So hieß sein Vater, kämpft' einst ruhmbekränzt Gegen die Römer, mit Cassibelan; Doch dem Tenantius dankt er seine Würden, Dem er mit Glanz und seltnem Glück gedient; So ward er Leonatus zubenannt. Er hatte, außer jenem edlen Sohn, Zwei andre noch, die, in dem Krieg der Zeit, Das Schwert in Händen, fielen, was des Greises Zu heft'ge Vaterliebe so erschüttert, Daß er sich tot gehärmt; sein edles Weib, Schwanger mit dem, von dem wir sprechen, starb Bei der Geburt. Da nimmt das Kind der König In seinen Schutz, und nennt ihn Posthumus Leonatus; Läßt ihn erziehn, macht ihn zu seinem Pagen, Zu jeder Wissenschaft ihm Zugang bahnend, Für die sein Alter reif. Das sog er ein, Wie wir die Luft, es augenblicks begreifend; Sein Frühling ward schon Ernt'; er lebt' am Hofe (Ein seltner Fall!) in Lieb' und Lob der Erste; Dem Jüngsten Musterbild, dem Reiferen Ein Spiegel für des Schmucks Vollendung, und Ein Kind den Ernstern, die zu Toren wurden, Umführen sich zu lassen; seiner Gattin, Für die er jetzt verbannt, – ihr eigner Wert Zeigt, wie sie ihn und seine Tugend schätzte: In ihrer Wahl könnt Ihr am besten lesen, Was für ein Mann er ist. Ich her' ihn schon, In Eurer Schild'rung. Doch, ich bitt' Euch, sagt mir, Ist sie des Königs einz'ges Kind? Sein einz'ges. Zwei Söhne hatt' er (dünkt's Euch merkenswert, So hört mir zu): der älteste drei Jahr, Der zweit' in Windeln, wurden sie gestohlen Aus ihrer Ammenstub', und niemand ahnet Bis diese Stunde, was aus ihnen ward. Wann fiel das vor? Vor etwa zwanzig Jahren. Daß Königskinder so entwendet wurden! So schlecht bewacht! So schläfrig aufgesucht, Daß keine Spur sich fand! Mag's seltsam sein, Und fast zum Lachen solche Lässigkeit, So ist es dennoch wahr. Ich glaub' es Euch. Wir müssen uns zurückziehn, denn hier kommt Der edle Herr, die Kön'gin und Prinzessin. Sie gehn ab. Zweite Szene Zweite Szene Ebendaselbst. Es treten auf die Königin, Imogen und Posthumus. Nein, Tochter, sei gewiß, nie find'st du mich, Nach der Stiefmütter allgemeinem Ruf, Scheeläugig gegen dich: zwar als Gefangne Bewahr' ich dich; doch gibt dein Wächter selbst Den Kerkerschlüssel dir. Und, Posthumus, Sobald ich kann den grimmen König sänft'gen, Sollt Ihr in mir den Anwalt sehn; doch jetzt Entflammt ihn noch der Zorn: drum ist es besser, Ihr neigt Euch seinem Spruch, und so geduldig, Wie Euch die eigne Weisheit lehrt. Ja, Hoheit, Ich reise heut. Wohl kennt ihr die Gefahr – Nur durch den Garten geh' ich, denn mich jammert Die Qual gehemmter Lieb'; obwohl der König Befahl, ihr sollt nicht mit einander sprechen. Sie geht ab. O heuchlerische Güte! Schmeichelnd kitzelt Die Schlange, wo sie sticht! – Geliebter Mann, Wohl fürcht' ich etwas meines Vaters Zorn, Doch nicht (mein heilig Bündnis ausgenommen), Was seine Wut mir tun kann. Du mußt fort; Ich bleibe hier zurück, ein stündlich Ziel Erzürnten Blicks; nichts tröstet mich im Leben, Als daß die Welt mein Kleinod noch bewahrt, Damit ich's wiederseh'. O meine Kön'gin, Herrin, Geliebte, weint nicht mehr; daß mich Verdacht nicht treffe weichrer Zärtlichkeit, Als sie dem Manne ziemt! Ich bleib' auf ewig Der treuste Gatte, der je Treu' gelobte. In Rom nun wohn' ich, bei Philario dort, Der meines Vaters Freund war, doch mit mir Durch Briefe nur verbunden: dorthin schreibe, Und mit den Augen trink' ich deine Worte, Ist Galle gleich die Tinte. Die Königin kommt zurück. Eilt, ich bitte! Denn wenn der König kommt, so fällt auf mich Wer weiß wie viel von seinem Zorn. Beiseit. Doch führ' ich Ihn dieses Weges; kränk' ich ihn auch stets, Mein Unrecht kauft er ab, versöhnt zu sein, Zahlt mein Versünd'gen schwer. Geht ab. Nähmen wir Abschied So lange Zeit, als wir noch leben sollen, Der Schmerz der Trennung wüchse stets. Leb wohl! Oh, nicht so rasch: Ritt'st du nur aus, um frische Luft zu schöpfen, Zu kurz wär' solch ein Abschied. Sieh, Geliebter, Der Demant ist von meiner Mutter: nimm ihn; Bewahr' ihn, bis ein andres Weib du freist, Ist Imogen gestorben. Wie! Ein andres? – Ihr Götter, laßt mir die nur, die ich habe, Und wehrt mir die Umarmung einer andern Mit Todesbanden! – Bleib', o bleibe hier, Solang' hier Leben wohnt! Er steckt den Ring an. Und, Süße, Holde, Wie ich mein armes Selbst für dich vertauschte, Zu deinem schlimmsten Nachteil: so gewinn' ich Sogar bei diesem Tand; dies trag' von mir, 's ist eine Liebesfessel, die ich um Die holdeste Gefangne lege. Er legt ihr ein Armband an. Götter! Ach! Wann sehn wir uns wieder? Cymbeline tritt auf mit Gefolge. Weh! Der König! Hinweg! Elender du, mir aus den Augen! Belästigst du den Hof nach diesem Wort Mit deinem Unwert noch, so stirbst du; fort! – Gift bist du meinem Blut. Die Götter schützen Euch! Und segnen alle Guten, die hier bleiben! Ich gehe. Er geht ab. Keine Marter hat der Tod So scharf wie diese. Pflichtvergeßnes Ding, Du sollt'st die Jugend mir erneun, und häufst Mir nur der Jahre Last. Ich bitt' Eu'r Hoheit, Kränkt Euch nicht selbst mit Eurem Gram: ich bin Gefühllos Eurem Zorn; ein tiefres Leid Tilgt Furcht und Angst. So ohne Gnad' und Sitte? Ja, ohne Hoffnung: so weit ohne Gnade. Den einz'gen Sohn der Kön'gin auszuschlagen! Oh! Wohl mir, daß ich's tat! Den Adler wählt' ich, Und jagt' den Raben fort. Den Bettler nahmst du, hättest meinen Thron Zum Sitz der Niedrigkeit gemacht. O nein; Ich gab ihm neuen Glanz. Verworfne! Vater, Nur Ihr seid schuld, lieb' ich den Posthumus: Ihr zogt ihn auf als meinen Spielgefährten; Er ist ein Mann, wert jeder Frau; und der Fast um den ganzen Preis mich überzahlt. Was! – bist du toll? Beinah', der Himmel steh' mir bei! – Oh, wär' ich Doch eines Schäfers Tochter! Mein Leonatus, Des Nachbarhirten Sohn! Die Königin tritt auf. Du töricht Mädchen! – Beisammen waren wieder sie; Ihr tatet Nicht, wie wir Euch befahlen. Fort mit ihr, Und schließt sie ein! Ich bitt' Euch, ruhig – still, Prinzessin Tochter, still! – Geliebter Herr, Laßt uns allein, und sucht Euch zu erheitern, Wie Ihr's am besten könnt! Mag sie verschmachten Täglich um einen Tropfen Bluts, und alt An dieser Torheit sterben! Er geht ab. Pisanio tritt auf. Pfui! – Gebt nach! Hier ist Eu'r Diener. – Nun, was bringst du Neues? Der Prinz, Eu'r Sohn, zog gegen meinen Herrn. Kein Leid ist doch geschehn? Es konnte treffen, Nur spielte mehr mein Herr, anstatt zu fechten, Und war durch Zorn nicht angereizt; es trennten Sie ein'ge Herren in der Näh'. Das freut mich. Ja, meines Vaters Freund ist Euer Sohn; Er nimmt sich seiner an. – Auf den Verbannten ziehn! – O tapfrer Held! – Ich wünschte sie in Afrika beisammen, Und mich mit Nadeln dort, um den zu stechen, Der rückwärts geht. – Was ließest du den Herrn? Weil er's befahl; zum Hafen ihn zu bringen, Erlaubt' er nicht; er gab mir dies Verzeichnis Von Diensten, die ich Euch zu leisten hätte, Gefiel's Euch, mich zu brauchen. Dieser war Dein treuer Diener stets; mein Wort verpfänd' ich, Daß er's auch bleiben wird. Ich dank' Eu'r Hoheit. Komm, zum Spazierengehn! Frag' bei mir an In einer halben Stunde: – meinen Herrn Mußt du an Bord noch sehn; – für jetzt verlaß mich! Alle ab. Dritte Szene Dritte Szene Freier Platz. Cloten tritt auf mit zwei Edelleuten. Prinz, ich möchte Euch doch raten, das Hemde zu wechseln; die Heftigkeit der Bewegung macht, daß Ihr wie ein Opfer raucht: wo Luft ausströmt, zieht auch Luft ein, und keine äußere Luft ist so gesund, als die Ihr ausströmt. Wenn mein Hemd blutig wäre, dann sollt's gewechselt – Hab' ich ihn verwundet? für sich. Nein, wahrhaftig; nicht einmal seine Geduld. Ihn verwundet? Sein Körper ist ein durchdringliches Beingerippe, wenn er nicht verwundet ist – er ist eine Durchfahrt für Stahl, wenn er nicht verwundet ist. für sich. Sein Degen hatte Schulden, und versteckte sich hinterwärts. Der Schurke wollte mir nicht stehn. für sich. Nein, er floh immer vorwärts, auf dein Gesicht zu. Euch stehn! Ihr habt selbst schon Land genug, aber er vergrößerte Euern Besitz: er gab Euch noch etwas Boden zu. für sich. Ja, so viel Zoll, als du Weltmeere hast; ihr Laffen! Ich wollte, sie wären nicht zwischen uns gekommen. für sich. Das wollte ich auch, bis du gemessen hättest, wie lang ein Narr ist, wenn er auf der Erde liegt. Und daß sie diesen Kerl lieben muß, und mich abweisen! für sich. Wenn es Sünde ist, eine richtige Wahl zu treffen, so ist sie verdammt. Prinz, ich sagte es Euch immer, ihre Schönheit und ihr Verstand halten nicht gleichen Schritt; sie ist ein treffliches Gemälde, aber ich habe wenige Reflexe ihres Geistes gesehen. für sich. Sie scheint nicht auf Narren, der Reflex möchte ihr schaden. Kommt auf mein Zimmer; ich wollte, es wäre irgendein Unglück geschehen. für sich. Das wollte ich nicht; es wäre denn der Fall eines Esels, was kein großes Unglück ist. Wollt Ihr mit uns gehn? Ich folge Euch, gnädiger Herr. Nein, kommt, gehn wir zusammen! Wohl, mein Prinz. Alle ab. Vierte Szene Vierte Szene Zimmer im Palast. Imogen und Pisanio tretenauf. Ich wollt', am Hafen ständ'st du eingewurzelt Und fragtest jedes Schiff. Wenn er mir schriebe, Und ich bekäm's nicht, solch ein Brief verloren Ist wie Verlust des Heils. Was war das Letzte, Was er sprach? Es war: »O meine Königin!« Dann winkt' er mit dem Tuch? Und küßt' es, Fürstin. Fühllose Leinwand, glücklicher als ich! – Und das war alles? Nein, Prinzessin; denn Solang' er's machen konnte, daß ihn Auge Und Ohr von andern unterschied, blieb er Auf dem Verdeck, mit Handschuh, Tuch und Hut Stets winkend, wie der Sturm und Drang der Seele Ausdrücken konnt' am besten, wie so langsam Sein Herz von hinnen zieh', wie schnell sein Schiff. Er mußte klein wie eine Kräh' dir werden, Und kleiner, eh' du aufgabst, nachzuschaun. Das tat ich, gnäd'ge Frau. Zerrissen hätt' ich mir die Augennerven, Nur um nach ihm zu sehn, bis die Verklein'rung Des Raums ihn zugespitzt wie meine Nadel. Ihm schaut' ich nach, bis er verschmolzen wäre Von Kleinheit einer Mück' in Luft; und dann Hätt' ich mich abgewendet und geweint. – Pisanio, sprich, wann hören wir von ihm? Gewiß mit nächster Schiffsgelegenheit. Wir nahmen Abschied nicht, und noch viel Liebes Wollt' ich ihm sagen – zu erzählen wünscht' ich, Wie ich sein dächt' in der und jener Stunde, Gedenken dies und das; und schwören sollt' er, Italiens Liebchen möchten nicht verlocken Mein Recht und seine Her'; ich wollt' ihn nöt'gen, Um sechs Uhr morgens, Mitternacht und Mittag Mir betend zu begegnen, weil ich dann Für ihn im Himmel bin; ich wollt' ihm geben Den Abschiedskuß, den in zwei Zauberworte Ich eingefaßt: da tritt mein Vater ein, Und wie der grimme Hauch des Nordens schüttelt Er unsre Knospen ab, eh' sie erblüht. Eine Hofdame tritt auf. Die Kön'gin wünscht Eu'r Hoheit Gegenwart. Was ich dir aufgetragen, das besorge! – Der Kön'gin wart' ich auf. Wie Ihr befehlt. Alle ab. Fünfte Szene Fünfte Szene Rom, in Philarios Hause. Es treten auf Philario, Jachimo, ein Franzose, ein Holländer und ein Spanier. Glaubt mir, Herr, ich kannte ihn in Britannien: sein Ansehn war damals im Wachsen, und man erwartete die Vortrefflichkeit von ihm, die ihm später auch dem Namen nach zugestanden wurde; aber ich hätte ihn damals ohne die Nachhülfe der Bewunderung ansehn können, wenn auch das Verzeichnis aller seiner Gaben neben ihm aufgestellt gewesen wäre und ich ihn so artikelweise durchgelesen hätte. Ihr sprecht von einer Zeit, da er noch weniger ausgestattet war, als er jetzt ist, mit allen den Gaben, die ihn geistig und leiblich so auszeichnen. Ich sah ihn in Frankreich, und dort hatten wir viele, die mit ebenso festem Auge als er in die Sonne blicken konnten. Der Umstand, daß er seines Königs Tochter geheiratet hat (wobei er mehr nach ihrem als nach seinem eigenen Werte gewogen werden muß), ist gewiß ein Hauptgrund, daß man ihn weit über die Wahrheit hinaus preist. Und dann seine Verbannung: – Ja, und die Billigung derer, die diese klägliche Scheidung beweinen und der Fürstin zugetan sind; alle diese erheben ihn wunderbar über sein Maß; geschähe es auch nur, um der Prinzessin Urteilmehr zu befestigen, welches außerdem ein schwaches Geschütz niederschmettern würde, wenn sie einen Bettler genommen hätte, den nicht die höchsten Gaben schmückten. Aber wie kommt es, daß er bei Euch wohnen wird? Woher schreibt sich diese Bekanntschaft? Sein Vater und ich waren Kriegskameraden, und ich hatte diesem oft nichts Geringeres als mein Leben zu danken. Posthumus tritt auf. Hier kommt der Brite: laßt seine Aufnahme unter euch so sein, wie sie Männern von eurem Verstand gegen einen Fremden von seinen Verdiensten ziemt! – Ich bitte euch alle, macht euch näher mit diesem Herrn bekannt, den ich euch als meinen edlen Freund empfehle: seine Vortrefflichkeit möge sich in Zukunft lieber selbst kund geben, als von mir vor seinem Ohr gepriesen werden. Herr, wir kannten uns in Orleans. Seitdem war ich Euer Schuldner für Artigkeiten, an denen ich stets abzuzahlen haben und doch in Eurer Schuld bleiben werde. Herr, Ihr überschätzt meine geringen Freundschaftsdienste: es war mir lieb, daß ich Euch und meinen Landsmann versöhnen konnte; es wäre schade gewesen, wäret Ihr mit so tödlichen Vorsätzen zusammen gekommen, wie ihr sie damals beide hattet, und wegen einer Sache von so leichter, unbedeutender Art. Verzeiht mir, ich war damals ein junger Reisender; etwas störrisch, dem, was ich hörte, beizustimmen, und wenig geneigt, mich in jeglicher Handlung durch die Erfahrung anderer leiten zu lassen; aber auch nach meinem reiferen Urteil (wenn ich nicht prahle, es reifer zu nennen) war mein Zwist von damals doch nicht so ganz unbedeutend. Wahrhaftig doch zu unbedeutend, um der Entscheidung der Waffen unterworfen zu werden; und von zwei solchen Männern, wo, höchst wahrscheinlich, einer vom andern vernichtet oder beide gefallen wären. Darf man, ohne Unbescheidenheit, fragen, was der Streit war? Warum nicht? Es wurde öffentlich verhandelt, und mag drum ohne Anstoß wieder erzählt werden. Es betraf einen Punkt, dem ähnlich, über den wir gestern abend stritten, wo jeder von uns sich im Lob der Damen seines Landes ergoß; dieser Herr beteuerte damals (und zwar auf die Gewähr, es mit seinem Blute zu beweisen), die seinige sei schöner, tugendhafter, weiser, keuscher, standhafter und unverführbarer als irgendeine unsrer auserlesensten Damen in Frankreich. Diese Dame lebt nicht mehr; oder der Glaube dieses Herrn ist, was den Punkt betrifft, schwächer geworden. Sie behauptet noch ihre Tugend, und ich meine Meinung. Ihr dürft sie nicht so sehr über unsere Italienerinnen erheben. Wenn ich so gereizt würde, wie damals in Frankreich, so würde ich sie ebenso wenig beeinträchtigen lassen; obwohl ich mich ihren Anbeter nenne, nicht ihren Geliebten. Ebenso schön als gut (fast eine zu verschwisterte Vergleichung), wäre etwas zu schön und zu gut für irgendeine Dame in Britannien gewesen. Wenn sie andre, die ich gekannt habe, so sehr übertrifft, wie dieser Euer Diamant manchen, den ich sah, übertrahlt, so muß ich wohl glauben, daß sie unter vielen die vorzüglichste ist; doch unter allen Kleinodien, die es gibt, sah ich wohl nicht das köstlichste, noch Ihr die edelste unter den Weibern. Ich pries sie, wie ich sie schätze: und so auch meinen Stein. Wie hoch haltet Ihr ihn? Höher als alles, dessen die Welt sich rühmt. Entweder ist Eure unvergleichliche Geliebte tot, oder sie wird von einer Kleinigkeit überboten. Ihr seid im Irrtum; das eine mag verkauft oder verschenkt werden, wenn Reichtum genug für die Zahlung, oder Verdienst genug für die Gabe da wäre; das andere ist nicht feil, und nur einzig Gabe der Götter. Welche die Götter Euch verliehen haben? Welche, durch ihre Gnade, mein bleiben wird. Ihr mögt sie, dem Namen nach, als die Eurige haben; aber Ihr wißt, fremde Vögel lassen sich auf den Teich des Nachbars nieder. Euer Ring kann Euch ebenfalls gestohlen werden: so ist von Euren beiden unschätzbaren Gütern das eine nur schwach, und das andere zufällig; ein listiger Dieb oder ein in dem Punkt vollendeter Hofmann würden es unternehmen, Euch das eine oder das andere abzugewinnen. Euer Italien besitzt keinen so vollendeten Höfling, daß er die Ehre meiner Geliebten in Gefahr bringen könnte; wenn Ihr sie im Bewahren oder Verlust derselben schwach nennen wollt. Ich zweifle nicht im mindesten, daß Ihr einen Überfluß von Dieben habt, demungeachtet fürchte ich nichts für meinen Ring. Laßt uns hier abbrechen, meine Freunde! Von Herzen gern. Dieser würdige Signor, ich danke ihm dafür, behandelt mich nicht als Fremden; wir sind gleich bei erster Bekanntschaft Vertraute. Mit fünfmal so viel Gespräch würde ich mir bei Eurer schönen Gebieterin Bahn machen, sie rückwärts treiben, ja, zum Wanken bringen, hätte ich Zutritt und Gelegenheit zu Freunden. Nein, nein. Ich wage es, darauf die Hälfte meines Vermögens gegen Euren Ring zu verpfänden, die, nach meiner Schätzung, noch etwas mehr wert ist; aber ich unternehme meine Wette vielmehr gegen Eure Zuversicht, als ihre Ehre: und, um hierin auch jede Beleidigung Eurer auszuschließen, ich wage den Versuch gegen jede Dame in der Welt. Ihr seid außerordentlich getäuscht in dieser zu dreisten Überzeugung, und ich zweifle nicht, Euch wird das, was Ihr durch solcherlei Versuch verdient. Und das wäre? Eine Abweisung; obwohl Euer Versuch, wie Ihr es nennt, mehr verdient: Züchtigung auch. Ihr Herrn, genug davon: das kam zu plötzlich; laßt es sterben, wie es geboren ward, und – ich bitte – lernt euch besser kennen! Ich wollte, ich hätte mein und meines Nachbars Vermögen auf die Beweisführung dessen gesetzt, was ich behauptete. Welche Dame wähltet Ihr zu Eurem Angriff? Die Eure, deren Festigkeit Ihr für so unerschütterlich haltet. Ich setze zehntausend Dukaten gegen Euren Ring, mit dem Beding, Ihr empfehlt mich an den Hof, wo Eure Dame lebt, ohne mehr Begünstigung, als die Gelegenheit eines zweiten Gesprächs, und ich bringe von dort diese ihre Ehre mit, die Ihr so sicher bewahrt glaubt. Ich will Gold wetten gegen Euer Gold: meinen Ring achte ich so teuer als meinen Finger; er ist ein Teil von ihm. Ihr seid der Geliebte, und deshalb um so vorsichtiger. Wenn Ihr Frauenfleisch auch das Quentchen für eine Million kauft, so könnt Ihr es doch nicht vor Ansteckung bewahren; aber ich sehe, es ist etwas Religion in Euch, daß Ihrfurcht sam seid. Dies ist nur eine Gewohnheit Eurer Zunge; Euer Vorsatz ist, hoffe ich, ehrbarer. Ich bin Herr und Meister meiner Reden, und würde unternehmen, was ich sprach, das beschwör' ich. Würdet Ihr? – Ich werde Euch meinen Diamant bis zu Eurer Rückkehr nur leihen – mag ein Vertrag zwischen uns aufgesetzt werden. Meine Geliebte übertrifft in Tugend die Unermeßlichkeit Eurer unwürdigen Denkart. Ich fodre Euch zu dieser Wette auf: hier ist mein Ring. Es soll keine Wette sein. Bei den Göttern, sie ist es; – wenn ich Euch nicht hinlängliche Beweise bringe, daß ich das teuerste Kleinod Eurer Geliebten genoß, so sind meine zehntausend Dukaten Euer, und Euer Diamant dazu. Wenn ich abgewiesen werde, und sie die Ehre bewahrt, auf welche Ihr so fest vertraut, so ist sie, Euer Juwel, dies Euer Juwel und mein Gold Euer, – doch, wie bedungen, ich habe Eure Empfehlung, um ungehinderten Zutritt zu bekommen. Ich nehme diese Bedingungen an; laßt die Artikel unter uns aufsetzen: – und nur insofern sollt Ihr verantwortlich sein. Wenn Ihr Eure Unternehmung gegen sie richtet, und mir deutlich zu erkennen gebt, daß Ihr gesiegt habt, so bin ich nicht ferner Euer Feind, sie war unsers Streites nicht wert; wenn sie aber unverführt bleibt, und Ihr das Gegenteil nicht beweisen könnt, so sollt Ihr wegen Eurer schlechten Gesinnung und für den Angriff auf ihre Keuschheit mir mit dem Schwerte Rede stehen. Eure Hand, es gilt! Wir wollen diesen Vertrag gerichtlich festsetzen, dann fort nach Britannien, daß diese Unternehmung sich nicht erkälte und absterbe! Ich will mein Gold holen, und unsre gegenseitige Wette niederschreiben lassen. Einverstanden! Posthumus und Jachimo gehn ab. Glaubt Ihr, daß dies durchgehn wird? Signor Jachimo wird nicht davon abstehen. Kommt, laßt uns ihnen folgen! Alle ab. Sechste Szene Sechste Szene Britannien, in Cymbelines Palast. Es treten auf die Königin, Hofdamen und Cornelius. Solang' der Tau am Boden, pflückt die Blumen; Rasch: wer hat das Verzeichnis? Ich. So geht: – Die Hofdamen gehn ab. Nun, Doktor, bracht'st du mir die Spezereien? ihr ein Fläschchen reichend. Wie Eure Hoheit mir befahl, hier sind sie. Doch ich ersuch' Eu'r Gnaden (zürnt mir nicht, Denn mein Gewissen dringt auf diese Frage): Weshalb verlangtet Ihr die gift'gen Mittel, Die, angewandt, langsamen Tod bewirken, Nicht schnell, doch sicher sind? Mich wundert, Doktor, Daß du mich also fragst; war ich nicht lange Schon deine Schülerin? Lehrt'st du mich nicht Einmachen, destillieren, Weihrauch mischen? Daß unser großer König selbst mich oft Um meine Früchte bat? So vorgeschritten (Hältst du mich nicht für teuflisch), ist's ein Wunder, Wenn ich mein Wissen zu erweitern trachte Durch andre Proben? So will ich die Kräfte Der Kunst an solchen Kreaturen prüfen, Die nicht des Hängens wert (an Menschen nicht); Um ihre Wirkung zu erproben, wend' ich Dann Gegenmittel an, und so erforsch' ich Den mannigfachen Einfluß. Solche Übung Muß, hohe Fürstin, Euer Herz verhärten; Auch ist der Anblick dieser Wirkung schädlich Sowohl als ekelhaft. Oh, sei ganz ruhig! – Pisanio tritt auf. für sich. Hier kommt ein schmeichlerischer Bub'; an ihm Prüf' ich's zuerst: er ist für seinen Herrn, Und meinem Sohn entgegen. – Ei, Pisanio! – Doktor, für jetzt bedarf ich dein nicht mehr: Du magst nun gehn. für sich. Ich trau' Euch nicht; doch, Kön'gin, Ihr sollt kein Unheil stiften. zu Pisanio. Hör', ein Wort – für sich. Verdächtig ist sie mir. Sie glaubt, sie habe Ein zehrend Gift: doch kenn' ich ihren Sinn, Und würde keinem, der ihr gleicht an Tücke, So höll'schen Trank vertraun; das, was sie hat, Betäubt und stumpft den Sinn auf kurze Zeit. Vielleicht versucht sie's erst an Hunden, Katzen, Dann immer höher auf; doch in dem Schein Des Todes, den dies gibt, ist nicht Gefahr: Es fesselt nur auf kurze Zeit den Geist, Der um so frischer dann erwacht. Getört Wird sie durch falschen Schein; ich, falsch an ihr, Bin um so treuer. Doktor, du magst gehn, Bis wir dich rufen lassen. Ich gehorche. Er geht ab. Du sagst, sie weint noch immer? Glaubst du nicht, Daß mit der Zeit sie ruh'ger wird und Rat Einläßt, wo Torheit herrscht? Tu', was du kannst: Sagst du mir einst, sie liebe meinen Sohn, Dann, glaube mir, stehst du im Augenblick Hoch, wie dein Herr, und höher; denn sein Glück Liegt sprachlos da, sein Name selbst schöpft bald Den letzten Hauch. Heimkehren kann er nicht, Noch bleiben, wo er ist; den Ort verändern, Heißt nur ein Elend mit dem andern tauschen, Und jeder neue Tag zerstört ihm nur Des vor'gen Tages Werk. Was kannst du hoffen, Lehnst du dich an ein Ding, das im Verfall Und neu gebaut nicht werden kann? Er hat Nicht Freund', um ihn zu stützen. – Die Königin läßt das Fläschchen fallen, Pisanio hebt es auf. Du nimmst auf, Und weißt nicht was, doch nimm's für deine Müh': Ich macht' es selbst, und fünfmal hat's den König Vom Tod gerettet; keine beßre Stärkung Ist mir bekannt. – Behalt's, ich bitte dich; Es sei das Handgeld eines größern Lohns, Den ich dir zugedacht. – Sag deiner Herrin, Wie ihre Sache steht, tu's wie von selbst. Bedenk', wie sich dein Glücksstand ändert; denk' nur, Die Fürstin bleibt dir, meinen Sohn gewinnst du, Der dich auszeichnen wird; den König stimm' ich Zu jeder Art Beförd'rung, wie du nur Sie wünschen magst; zumeist bin ich verpflichtet, Die Mühe glänzend zu belohnen. Sende Mir meine Frau'n, und denke meiner Worte! – Pisanio geht ab. Ein standhaft, tück'scher Schelm: nicht zu erschüttern; Der Anwalt seines Herrn, und ihr ein Mahner, Um ihre Hand dem Gatten zu bewahren. Ich gab ihm etwas: wenn er es genießt, So hat sie keinen mehr, der Botschaft läuft Für ihren Schatz; und beugt sie nicht den Sinn, Soll sie es wahrlich auch bald kosten müssen. Pisanio kommt mit den Hofdamen zurück. So, so; – recht gut, recht gut: Die Veilchen, Schlüsselblumen und die Primeln Bringt in mein Schlafgemach! Leb wohl, Pisanio! Gedenke meines Worts! Die Königin und die Hofdamen gehn ab. Das werd' ich tun: Doch sollt' ich meine Treu' am Herren brechen, Würg' ich mich selbst; mehr will ich nicht versprechen. Er geht ab. Siebente Szene Siebente Szene Ein anderes Zimmer im Palast. Imogen tritt auf. Der Vater grausam, – die Stiefmutter falsch, – Ein tör'ger Freier der vermählten Frau, Und deren Mann verbannt! – Oh, dieser Mann! Die Krone meines Grams! Und alle Drangsal Um seinetwillen! – Wär' ich auch geraubt, Wie meine Brüder, wohl mir! Doch höchst elend Ist Sehnsucht auf dem Thron: gesegnet, wem, Wie niedrig auch, ehrbarer Wunsch erfüllt wird, Durch Freud' erheitert! – Wer denn quält mich wieder? Pisanio und Jachimo treten auf. Fürstin, dies ist ein edler Herr aus Rom. Mit Briefen meines Herrn. Erschreckt Ihr, Fürstin? Der würd'ge Leonatus ist ganz wohl, Und grüßt Eu'r Hoheit herzlich. Er gibt ihr einen Brief. Herr, ich dank' Euch! Ihr seid willkommen sehr. für sich. Alles an ihr, was äußerlich: wie reich! Ist ihr Gemüt so herrlich ausgestattet, Ist einzig sie Arabiens Phönix, und Verloren hab' ich. Kühnheit, sei mein Freund! Frechheit, bewaffne mich von Kopf zu Fuß! Sonst muß ich, wie der Parther, fliehend fechten; Ja, geradezu entfliehn. liest. »Er ist ein Mann von der edelsten Auszeichnung, dessen Freundschaft mich ihm unendlich verpflichtet hat. Beachte ihn in dem Maße, wie dir deine Pflicht teuer ist. Leonatus.« Nur so weit les' ich laut: Doch meines Herzens Innres wird durchglüht Vom übrigen und nimmt es dankbar an. – Den Willkomm habt Ihr, edler Herr, den ich Mit allen Worten geben kann, und sollt ihn finden In allem, was mein Tun vermag. Dank, schönste Frau! Ha! Wie? Sind Menschen toll? Gab die Natur Das Aug', um anzuschaun des Himmels Bogen Und diesen reichen Schatz von See und Land? Das trennend unterscheidet Stern von Stern Und Stein von Stein am kieselreichen Ufer? Und kann solch köstliches Organ nicht scheiden Häßlich von schön? Was macht Euch so erstaunen? Im Auge kann's nicht sein; denn Aff und Pavian Wird, bei zwei solchen Weibchen, dahin plappern, Und der Gesichter ziehn; auch nicht im Urteil: Der Blödsinn wird als weiser Richter Schönheit Wohl unterscheiden; noch in Lüsternheit: Schmutz, solchem reinen Glanz entgegen, zwänge Selbst die Begier, die Leerheit auszubrechen, Nicht lockt' er sie zur Speise. Herr, was ist Euch? Der überfüllte Wille, die Begier, Satt und doch ungesättigt; dieses Faß, Voll und doch leck, frißt erst das Lamm, und lüstert Dann noch nach dem Gedärm. Was, teurer Herr, Reißt Euch so hin? Seid Ihr nicht wohl? Dank, Fürstin, mir ist wohl. – Ich bitt' Euch, Freund, Sucht meinen Diener auf, wo ich ihn ließ: Er ist hier fremd und blöde. So eben wollt ich gehn, ihn zu begrüßen. Er geht ab. Wie geht es meinem Gatten? Ist er wohl? Prinzessin, er ist wohl. Und ist er frohen Muts? Ich hoff', er ist es. Ausnehmend aufgeweckt; kein Fremder dort Ist so voll Scherz und Heiterkeit; man nennt ihn Den ausgelass'nen Briten. Als er noch hier war, Neigt' er sich oft zur Schwermut; wußt' er gleich Selbst nicht, warum. Ich sah ihn niemals ernst. Dort ist sein Kam'rad ein Franzos', ein sehr Ausbünd'ger Herr: der, scheint es, ist verliebt In ein französisch Kind zu Haus; der dampft Die schwersten Seufzer aus; der lust'ge Brite, Eu'r Gatte, lacht aus voller Brust und ruft: »Oh! Meine Seiten springen, denk' ich, daß Ein Mann, der durch Geschichte weiß und eigne Prüfung, Was Frauen sind, ja, was sie müssen sein, – In seinen freien Stunden schmachten kann Nach sichrer Knechtschaft.« So spricht mein Gemahl? Ja, und die Augen tränen ihm vor Lachen. Es ist ein wahres Fest, ihn anzuhören, Wie er den Franzmann höhnt. Doch, weiß der Himmel, Mancher ist sehr zu tadeln. Er nicht, hoff' ich. Er nicht; doch hätte wohl des Himmels Huld Mehr Dank verdient. – In ihm schon unbegreiflich, In Euch, die sein ward über sein Verdienst, – Wie ich erstaunen muß, so muß ich auch Tief Mitleid fühlen. Und mit wem, mein Herr? Mit zweien Wesen. Und bin ich das eine? Ihr blickt mich an: was ist an mir zerstört, Das Euer Mitleid heischt? Oh, welch ein Jammer! Dem Glanz der Sonn' entfliehn und Tröstung suchen Im Kerker, bei der Schnuppe Dampf? Ich bitt' Euch, Laßt Eure Antwort offen das erklären, Was ich gefragt: Weshalb beklagt Ihr mich? Daß von andern, Fast wollt' ich sagen, Euch geraubt wird – doch, Es ist der Götter Amt, dies zu bestrafen, Nicht meins, davon zu sprechen. Scheint Ihr doch Zu wissen, was mich nah betrifft: Ich bitte (Da Ahnung eines Übels oft mehr quält Als Überzeugung: denn gewisses Unglück Ist ohne Rettung, oder, früh erkannt, Dadurch geheilt), entdeckt mir, was zugleich Euch spornt und zügelt! Hätt' ich diese Wange, Die Lippe drauf zu baden; diese Hand, Die, nur berührt, des Fühlers Seele zwingt Zum Eid der Treu'; dies Angesicht, das fesselt Das wilde Schweifen meines Auges, einzig Es hier entzündend: würd' ich geifern dann Mit Lippen (Schmach!) gemein, so wie die Stufen Zum Kapitol; und Hände drücken, hart Durch stete Falschheit (Falschheit ihre Arbeit), Dann in ein Auge blinzeln, niederträchtig, Und glorreich wie das qualm'ge Licht, das sich Vom ranz'gen Talge nährt? Gerecht wär's nur, Wenn aller Höllenfluch auf solchen Abfall Zugleich sich stürzte! Mein Gemahl, ich fürchte, Vergaß Britannien. Und sich selbst. Nicht gern Gab ich aus freier Neigung diese Kunde Von seinem Bettlertausch; nur Euer Reiz Beschwor, aus stummstem Gram, auf meine Zunge Das herbe Wort. Laßt mich kein zweites hören! O göttlich Wesen! Eure Schmach erschüttert Krankhaft mein Herz. Ein Frauenbild, so schön, Und Erbin eines Kaisertums, erhöhte Zu Doppelwert den größten König! Dirnen Nun zugesellt, bezahlt von Ausstattung, Die Ihr ihm schenkt! Mit angesteckten Läufern, Die um Gewinn mit jeder Krankheit kosen, Durch die Natur verweset! Stoff, so ätzend, Daß er das Gift vergiften könnte! Rächt Euch! Sonst war, die Euch gebar, nicht Königin, Und Ihr entartet Eurem großen Stamm. Mich rächen? Wie könnt' ich wohl mich rächen? Ist dies wahr (Doch hab' ich solch ein Herz, das meine Ohren So schnell nicht täuschen sollen), ist es wahr, Wie könnt' ich wohl mich rächen? Er ließe mich, Im kalten Bett, wie Dianens Priest'rin, leben? Indes er frevelt in den frechsten Lüsten, Zur Kränkung Euch, von Eurem Golde? Rächt es! Ich weihe selbst mich Euren süßen Freuden, Weit edler als der Flüchtling Eures Lagers; Und werde fest an Eurer Liebe halten, So sicher wie geheim. Heda, Pisanio! Laßt Euren Lippen meinen Dienst verpfänden! Hinweg! – Fluch meinen Ohren, die so lange Dich angehört! – Wärst du ein Mann von Ehre, Du hätt'st um Tugend dies erzählt, und nicht Für einen Zweck, so niedrig als befremdend. Du schmähst 'nen edlen Mann, der so entfernt Von deiner Schild'rung ist, wie du von Ehre; Und buhlst um eine Frau, die dich verabscheut, Dich und den Teufel gleich. – Pisanio, he! – Dem König, meinem Vater, wird gemeldet Dein Angriff, und wenn er es schicklich findet, Daß hier am Hof ein frecher Fremdling marktet, Wie in dem röm'schen Bad, und viehisch darlegt Den schnöden Sinn: so hat er einen Hof, Für den er wenig sorgt, und eine Tochter, Die er für gar nichts achtet. – He, Pisanio! – O sel'ger Leonatus! So nun sprech' ich: Der feste Glaube deiner edlen Gattin Verdient wohl deine Treu', und deiner Tugend Vollendung ihren Glauben! – Lange lebt beglückt! O Weib des Edelsten, den je ein Land Den Seinen nannte! Und Ihr, seine Herrin, Die nur der Edelste verdient! Verzeiht, Ich sprach dies prüfend nur, ob Euer Zutraun Tief Wurzel schlug; so wird nun Euer Gatte Das, was er ist, erneut: und er ist einer Von reinsten Sitten; solch ein heil'ger Zaubrer, Daß er in Scharen alles zu sich bannt: Der Herzen Hälft' ist sein. Ihr söhnt mich aus. Verehrt, ein Gott, sitzt er im Kreis der Menschen; Die Huld'gung, die ihm wird, hebt ihn empor Vor allen Sterblichen. Seid nicht erzürnt, Erhabne Fürstin, daß ich es gewagt, Durch Lüge Euch zu prüfen: Eure Weisheit Hat durch den festen Sinn sich neu bewährt, Wie in der Wahl des einzig edeln Mannes, Der fehllos ist; zu ihm die Herzensliebe Gab mir die Sichtung ein; doch, allen ungleich, Schuf Euch der Himmel spreulos. Drum vergebt! Jetzt ist es gut, mein Herr: Was ich am Hof vermag, steht Euch zu Dienst. Ich dank' in Demut. Fast hätt' ich vergessen, Um Eure Huld zu flehn in kleiner Sache, Und wichtig doch, denn Euren Herrn betrifft es; Ich selbst und ein'ge Freunde nehmen teil An dem Geschäft. So sagt mir, was es ist! Ein Dutzend von uns Römern und Eu'r Gatte, Die schönste Feder unsrer Schwinge, kauften Gemeinsam für den Kaiser ein Geschenk; Ich, der Agent der andern, tat's in Frankreich; 's ist Silberzeug von seltner Arbeit, Steine Mit reicher, edler Fassung, großen Werts; Und etwas ängstlich bin ich hier, als Fremder Sie sicher zu verwahren: nähmet Ihr Sie wohl in güt'ge Obhut? Herzlich gern; Für ihre Sicherheit bürgt Euch mein Wort: Und da mein Gatte teil dran hat, bewahrt sie Mein Schlafgemach. Sie sind in einer Kiste Bei meinen Leuten, und ich bin so dreist, Sie Euch zu senden, nur für diese Nacht; Ich muß an Bord schon morgen. Oh, nein, nein. Verzeiht, ich muß; sonst kommt mein Wort zu kurz, Verlängr' ich meine Fahrt. Von Gallien Kreuzt' ich die See: mein Wunsch war's und Versprechen, Zu sehn Eu'r Hoheit. Dank für Eure Müh'! Doch morgen reist Ihr nicht. Ich muß, Prinzessin; Drum bitt' ich sehr, wenn Ihr noch Euren Herrn Durch Briefe grüßen wollt, so tut's heut abend: Ich blieb zu lange schon, und wichtig ist Die Überreichung des Geschenks. Ich schreibe. Schickt Eure Kiste, sie wird gut verwahrt Und sicher Euch zurück gestellt. Lebt wohl! Sie gehn ab. Zweiter Aufzug Erste Szene Erste Szene Britannien, ein Hof vor dem Palast. Cloten tritt auf mit zwei Edelleuten. Hatte je ein Mensch solch Unglück! Wenn meine Kugel schon die andre berührte, weggestoßen zu werden! Ich hatte hundert Pfund darauf gesetzt: und dann muß solch ein verwünschter Maulaffe mir noch mein Fluchen vorwerfen; als wenn ich meine Flüche von ihm borgte, und sie nicht nach Gefallen ausgeben könnte! Was hat es ihm geholfen? Ihr habt ihm mit Eurer Kugel den Kopf zerschlagen. für sich. Wenn sein Verstand dem Verwundenden gleich wäre, so wäre er ganz ausgelaufen. Wenn ein vornehmer Herr Lust hat zu fluchen, so schickt sich's nicht für irgend jemand, der dabei ist, ihm seine Flüche verschneiden zu wollen. Nein, mein Prinz; für sich oder ihnen die Ohren zu stutzen. Verwünschter Hund! – Ich ihm Genugtuung geben? Ich wollte, er wäre von meinem Range! für sich. Um auch solche Range zu sein wie du? Nichts auf der Welt kann mich so ärgern, – der Henker hol's! Ich möchte lieber nicht so vornehm sein, als ich bin; sie getrauen sich nicht, mit mir zu fechten, wegen der Königin meiner Mutter; jeder Hansnarr schlägt sich die Haut voll, und ich muß auf und ab gehen, wie ein Hahn, an den sich keiner traut. für sich. Und doch ist Euch die Dummheit angetraut. Was sagst du? Es schickt sich nicht für Euer Gnaden, sich mit jedem Gesellen herum zu schlagen, den Ihr beleidigt. Ja, das weiß ich wohl; aber es schickt sich für mich, die zu beleidigen, die weniger sind als ich. Ja, das schickt sich nur für Euer Gnaden allein. Nun, das mein' ich. Habt Ihr von jenem Ausländer gehört, der heut abend an den Hof gekommen ist? Ein Ausländer! Und ich weiß nichts davon? für sich. Er ist selbst ein ausländisch Tier, und weiß es nicht. Ein Italiener ist angekommen; und wie man sagt, ein Freund des Leonatus. Leonatus? Der verbannte Schuft; und dieser ist auch einer, er mag sein, wer er will. Wer sagte Euch von diesem Ausländer? Einer von Euer Gnaden Pagen. Schickt es sich, daß ich gehe und ihn ansehe? Ist das keine Erniedrigung für mich? Ihr könnt Euch gar nicht erniedrigen, Prinz. Nicht so leicht, das glaube ich auch. für sich. Ihr seid ein ausgemachter Narr, und dadurch so erniedrigt, daß nichts, was Ihr tut, Euch noch mehr erniedrigen kann. Kommt, ich will diesen Italiener ansehn; was ich im Kugelspiel verloren habe, will ich heut abend von ihm wieder gewinnen. Kommt, gehn wir! Zu Euer Gnaden Befehl. Cloten und der erste Edelmann gehn ab. Daß ein so list'ger Teufel, wie die Mutter, Der Welt den Esel gab! Ein Weib, das alles Mit ihrem Geist erdrückt; und er, ihr Sohn, Kann, für sein Leben, nicht von zwanzig zwei Abziehn, daß achtzehn bleiben. Arme Fürstin, O edle Imogen, was mußt du dulden! Der Vater hier, den die Stiefmutter lenkt; Die Mutter dort, die stündlich Ränke spinnt; Ein Freier, hassenswürd'ger als der Bann Des teuren Gatten und der sünd'ge Vorsatz Der Scheidung! Unerschüttert halte Gott Die Mauer deiner Her', und unentweiht Den Tempel, dein Gemüt; die Treu' belohne Rückkehr des Gatten und die Herrscherkrone! Er geht ab. Zweite Szene Zweite Szene Schlafzimmer, in einer Ecke steht die Kiste. Imogen im Bett, lesend, eine Kammerfrau. Ist jemand da? Wie, Helena? Hier bin ich. Was ist die Uhr? Fast Mitternacht, Prinzessin. Drei Stunden las ich denn; mein Aug' ist matt – Schlag' hier das Blatt ein, wo ich blieb; zu Bett! Nimm nicht die Kerze weg – nein, laß sie brennen; Und könntest du um vier Uhr munter werden, So, bitte, weck' mich! Schlaf umfängt mich ganz. Die Kammerfrau geht ab. Ihr Götter, eurem Schutz befehl' ich mich! Vor Elfen und den nächtlichen Versuchern Schirmt mich, ich flehe! Sie schläft ein. Jachimo steigt aus der Kiste. Die Heimchen schrill'n, der Mensch, von Arbeit matt, Gewinnt sich Kraft im Ruh'n; so leis' auf Binsen Schlich einst Tarquin, eh' er die Keuschheit weckte, Die er verwundete. – O Cytherea, Wie hold schmückst du dein Bett! Du frische Lilie! Und weißer als das Linnen! Dürft' ich rühren! Nur küssen; einen Kuß! – Rubinen, himmlisch, Wie zart sie schließen! – Ihre Atemzüge Durchwürzen so den Raum. Das Licht der Kerze Beugt sich ihr zu und möchte lauschen unter Das Augenlid, zu sehn verhüllte Sterne, Jetzt von den Fenstergattern zugedeckt: Weiß und Azur umsäumt mit Himmelsdunkel. Allein mein Vorsatz? Das Zimmer merken – alles schreib' ich nieder; – Gemälde, die und die – das Fenster dort – Des Bettes Umhang so; – Teppich, Figuren Sind so: – dies der Geschichte Stoff; – doch oh! Nur ein natürlich Merkmal ihres Leibes, Mehr als zehntausend niedre Dinge würd' es Bezeugen, mein Verzeichnis zu bekräft'gen. Schlaf, Todesaffe, liege schwer auf ihr! Und ihr Gefühl sei wie ein steinern Bild, Das in der Kirche ruht! – Komm, komm herab, Er nimmt ihr das Armband ab. So schlüpfrig, wie der gord'sche Knoten fest! Mein ist's, und ist nunmehr ein äußrer Zeuge, So kräftig, wie Bewußtsein innerlich, Zur Raserei den Mann zu treiben. Auf Der linken Brust ein Mal, fünfsprenklig, wie Die roten Tropfen in dem Schoß der Primel: Beweis, hier gült'ger als Gerichtsausspruch: Dies Zeichen zwingt ihn, daß er glaubt, ich löste Das Schloß und raubte ihrer Ehre Schatz. Genug. – Was soll's? Wozu noch schreiben, was geschmiedet mir, Geschroben ins Gedächtnis? Sie las eben Vom Tereus noch; das Blatt ist eingelegt, Wo Philomele sich ergab; – genug! Zurück zum Schrein, die Feder springe zu! Schnell, Drachenzug der Nacht, – daß Dämm'rung öffne Des Raben Auge! Furcht umschließt die Stelle; Ruht hier ein Engel gleich, ist dies doch Hölle. Die Uhr schlägt. Eins, zwei, drei. – Nun ist es Zeit! Er geht wieder in die Kiste. Dritte Szene Dritte Szene Vor Imogens Gemach. Cloten tritt auf und die Edelleute. Euer Gnaden sind der geduldigste Mann beim Verlust, der kaltblütigste, der je ein As aufschlug. Es muß jeden Menschen kalt machen, wenn er verliert. Aber nicht jeden so geduldig, wie Eure edle Gemütsart ist, mein Prinz: Ihr seid nur hitzig und wütig, wenn Ihr gewinnt. Gewinn macht den Menschen mutig. Könnte ich nur diese alberne Imogen erlangen, so hätte ich Gold genug. Nicht wahr, es ist fast Morgen? Schon Tag, gnädiger Herr. So wollte ich, daß die Musik käme; sie haben mir geraten, ihr des Morgens Musik zu bringen; sie sagen, das würde durchdringen. Die Musiker kommen. Na, kommt; stimmt! Wenn ihr mit eurer Fingerei bei ihr durchdringen könnt, gut; dann wollen wir es auch mit der Zunge versuchen; wenn nichts hilft, so mag sie laufen, doch aufgeben will ich es nicht. Erst ein vortreffliches, gut gespieltes Ding; nachher ein wunderbar süßer Gesang, mit erstaunlichen, übermäßigen Worten dazu. – Dann mag sie sich's überlegen. Lied Horch! Lerch' am Himmelstor singt hell, Und Phöbus steigt herauf, Sein Roßgespann trinkt süßen Quell Von Blumenkelchen auf; Die Ringelblum' erwacht aus Traum, Tut güldne Äuglein auf; Lacht jede Blüt' im grünen Raum, Drum, holdes Kind, steh auf; Steh auf, steh auf! So, nun fort; wenn dies durchdringt, werde ich eure Musik um so besser beachten: wo nicht, so ist es ein Fehler an ihren Ohren, den Roßhaare, Darmsaiten und die Stimmen von Hämlingen noch dazu nicht bessern können. Die Musiker gehn ab. Cymbeline und die Königin treten auf. Hier kommt der König. Es ist mir lieb, daß ich so spät noch auf war, denn das ist Ursach', daß ich so früh schon wieder auf bin. Er muß diese Liebesbewerbung väterlich aufnehmen. Ich wünsche Eurer Majestät und meiner gnädigen Mutter einen guten Morgen. Harrt Ihr vor unsrer strengen Tochter Tür? Und kommt sie nicht? Ich habe sie mit Musik bestürmt, aber sie geruht nicht, darauf zu achten. Zu neu ist die Verbannung ihres Lieblings; Noch denkt sie sein; und eine längre Zeit Muß erst sein Bild in ihrer Seele löschen, Dann ist sie dein. Viel Huld zeigt dir der König; Er nutzt jedweden Anlaß, der dich fördert Bei seiner Tochter; tu' nun selbst das Beste Durch angebracht Bewerben: sei befreundet Mit Zeit und Stunde; durch Verweigerung Vermehre sich dein Eifer, daß es scheine, Begeist'rung treibe dich zu allen Diensten, Die du ihr weihst; daß du ihr stets gehorchst, Nur wenn sie dir befiehlt, dich zu entfernen, Dann sei wie sinnlos! Sinnlos? Das fehlte noch? Ein Bote tritt auf. Gesandte sind von Rom da, hoher Herr; Der ein' ist Cajus Lucius. Ein wackrer Mann, Kommt er auch jetzt auf bösen Anlaß; doch Nicht schuld ist er. Wir müssen ihn empfangen, Gemäß der Ehre dessen, der ihn sendet; Und daß er einst uns Freundesdienste tat, Sei frisch in der Erinn'rung! – Teurer Sohn, Sobald Ihr Eure Herrin habt begrüßt, Folgt uns und Eurer Mutter; Ihr seid nötig In Gegenwart des Römers. – Kommt, Gemahlin! Cymbeline, Königin, Bote und Edelleute gehn ab. Ist sie schon auf, so will ich mit ihr sprechen; Wo nicht, so schlaf' und träume sie. – Heda! – Er klopft an. Stets hat sie ihre Frau'n um sich. Wie wär's, Salbt' ich die Hand der einen? Gold ist's ja, Das Zutritt kauft, sehr oft; ja, es besticht Dianens Förster, daß sie selbst das Wild Dem Dieb entgegen treiben; Gold ist's ja, Was Brave mordet und den Räuber schützt; Ja, manchmal Dieb und Redlich bringt zum Galgen. Was kann's nicht schaffen und vernichten? Mir Soll's eine ihrer Frau'n zum Anwalt machen; Ich selbst versteh' das Ding noch nicht so recht. Ist niemand da? Er klopft. Eine Kammerfrau tritt auf. Wer klopft? Ein Edelmann. Nichts mehr? Ja, einer Edeldame Sohn. Und das ist mehr, als mancher rühmen kann, Des Schneider ihm so hoch kommt als der Eure: Was ist denn meinem gnäd'gen Herrn gefällig? Eu'r gnäd'ges Fräulein da: ist sie bereit? O ja, aus ihrem Zimmer nicht zu gehn. Da habt Ihr Gold, verkauft mir Eure Liebe! Wie! Euch zu lieben? Oder andern nur Mit Liebe von Euch sprechen? – Die Prinzeß – Imogen tritt auf. Guten Morgen, schönste Schwester – Eure Hand! Guten Morgen, Prinz; Ihr kauft mit zu viel Mühe Euch Unruh' nur: der Dank, den ich Euch gebe, Ist das Geständnis, daß ich, arm an Dank, Ihn nicht verschenken kann. Stets, schwör' ich, lieb' ich Euch. Sagt Ihr es bloß, so gilt's mir minder nicht; Doch schwört Ihr stets, bleibt Euer Lohn doch stets, Daß ich's nicht achte. Das ist keine Antwort. Nur daß mein Schweigen nicht Nachgeben scheine, Sonst spräch' ich nichts. Ich bitte, laßt mir Ruhe: Glaubt, Eure beste Zärtlichkeit erweckt Mißhöflichkeit, wie jetzt; ein Mann, so weise, Lernt doch wohl, einen Vorsatz aufzugeben. Euch in der Tollheit lassen? Sünde wär's. Ich tu' es nimmer. Narren sind nicht toll. Nennt Ihr mich Narr? Ich tu' es, da ich toll bin. Seid Ihr vernünftig, bin ich nicht mehr toll; Das heilt uns beide. Es tut mir leid, mein Prinz, Ihr zwingt mich, daß ich fremd der Frauensitte So gradezu bin. Ein für allemal, Ich, die mein Herz geprüft, beteure hier Bei dessen Treu': ich frage nichts nach Euch, Und bin fast so der Nächstenlieb' entfremdet (Ich klage selbst mich an), daß ich Euch hasse. Fühltet Ihr's lieber, braucht' ich mich nicht dessen Zu rühmen. Am Gehorsam sündigt Ihr, Den Euer Vater fodern darf. Denn Ehe, Die Ihr vorschützt mit diesem niedern Wicht (Den Almos', kalte Schüsseln aufgefüttert, Abfall des Hofes), ist nicht Ehe, nein! Und wenn man niedern Ständen auch vergönnt (Doch wer ist niedriger?), ihr Herz zu binden (Bei ihnen wird nichts mehr erzielt als Bälge Und Bettelpack) in selbstgeschürzten Knoten, Hält Euch vor solchem Unfug doch gezügelt Das Anrecht auf den Thron; des Kostbarkeit Dürft Ihr nicht schmähn mit einem niedern Sklaven, Einem Mietling für Bedient', einem Tischaufwärter, Brotschneider, noch zu schlecht für solche Würden. Verworfner Mensch! Wärst du der Sohn des Zeus, und sonst so, wie Du jetzt bist, wärst du doch zu niederträchtig, Sein Knecht zu sein; hoch wärest du geehrt (Selbst um den Neid zu wecken, schätzte man Euch beide nach Verdienst), würd'st du ernannt In seinem Reich zum Unterbüttel, und Gehaßt für unverdiente Gunst. Treff' ihn die Pest! Kein größer Unheil kann ihn treffen, als Von dir genannt zu sein. Das schlechtste Kleid, Das je nur seinen Leib umschloß, ist teurer Für mich, als alle Haar' auf deinem Kopf, Wär' jedes solch ein Mann. – Heda, Pisanio! Pisanio tritt auf. Sein Kleid? Der Teufel hol's – Geh schnell zu Dorothee, der Kammerfrau – Sein Kleid? Ein Narr verfolgt mich wie ein Spuk; Macht Schreck und noch mehr Ärger: – heiß' das Mädchen Nach einem Kleinod suchen, unversehens Glitt mir's vom Arm: es war von meinem Gatten; Wahrlich, nicht für den Schatz des größten Königs In ganz Europa möcht' ich's missen. Heut Am Morgen, dünkt mich, sah ich's noch, doch sicher War's gestern abend noch an meinem Arm; Da küßt' ich's: es entfloh, doch, nicht dem Herrn Zu sagen, daß ich außer ihm was küßte. Wohl findet sich's. Das hoff' ich: geh und such'! Pisanio geht ab. Ihr habt mich schwer gekränkt – sein schlechtstes Kleid? Jawohl, das war mein Wort; Wenn Ihr mich drum verklagen wollt, ruft Zeugen! Eu'r Vater hört es. Eure Mutter auch. Sie ist mir hold gesinnt und wird das Schlimmste Gern von mir denken. So empfehl' ich Euch Dem schlimmsten Unmut. Imogen geht ab. Rache muß ich haben – Sein schlechtstes Kleid? – Schon gut! Ab. Vierte Szene Vierte Szene Rom, in Philarios Hause. Posthumus und Philario treten auf. Freund, fürchtet nichts: Wär' ich so sicher nur, Den König zu gewinnen, wie ich weiß, Daß ihre Ehre sicher ist! Welch Mittel Gebraucht Ihr, ihn zu sühnen? Keins; ich warte Der Zeiten Wechsel ab, und zittre jetzt Beim Winterfrost, in Hoffnung wärmrer Tage; So kränkelnd kann ich nichts als Dank Euch bieten: Schlägt Hoffen fehl, so sterb' ich Euer Schuldner. Schon Eure Freundschaft, Euer edler Umgang Zahlt übervoll, was ich getan. Eu'r König Hat jetzt Augustus' Botschaft. Cajus Lucius Wird streng, mit Nachdruck sprechen; jener, denk' ich, Bewilligt den Tribut und zahlt den Rückstand, Sonst schaut er unser Heer, des Angedenken Noch frisch in Eurer Kränkung lebt. Ich glaube (Bin ich kein Staatsmann gleich und werd' es nie), Dies bringt uns Krieg; und Ihr vernehmt wohl eher, Daß Eure gallischen Legionen landen In unserm unerschrocknen Vaterland, Als daß man einen Deut zahlt. Kriegsgeübter Ist unser Volk, als einst, da Julius Cäsar, Ihr Ungeschick belächelnd, ihren Mut Doch finstrer Blicke wert fand: ihre Kriegszucht, Nunmehr von Mut beschwingt, wird es beweisen Dem, der sie prüft, sie seien wohl ein Volk, Das fortschritt mit der Zeit. Jachimo tritt auf. Seht! Jachimo! Die schnellsten Hirsche zogen Euch zu Lande, Und alle Winde küßten Eure Segel, Um Euer Schiff zu treiben. Seid willkommen! Die rasche Antwort, die Euch wurde, hoff ich, Führt Euch so bald zurück. Eure Gemahlin, Sie ist die schönste, die ich je gesehn. Dazu die beste; sonst mag ihre Schönheit Durchs Fenster schaun und falsche Herzen locken Und falsch mit ihnen sein. Da habt Ihr Briefe. Ihr Inhalt ist doch gut? Das glaub' ich wohl. War Cajus Lucius an dem brit'schen Hof Bei Eurer Ankunft dort? Er wurd' erwartet, Doch war noch nicht gelandet. Alles gut. – Glänzt dieser Stein wie früher? Oder ist er Zu schlecht für Eure Hand? Verlor ich ihn, So hätt' ich seinen Wert an Gold verloren. Gern macht' ich einen Weg, noch mal so weit, Für eine zweite Nacht, so süß und kurz, Als mir Britannien gab; mein ist der Ring. Zu schwer ist es, dem Steine beizukommen. Nicht, da sich Eure Frau so leicht erfand. Macht nicht zum Spaß so den Verlust: ich hoffe, Ihr wißt, daß wir nicht Freunde bleiben dürfen. Doch, guter Herr, wenn den Vertrag Ihr haltet. Hätt' ich nicht die Ergebung Eurer Frau Mit mir gebracht, dann gäb' es freilich Kampf; Nun nenn' ich mich Gewinner ihrer Ehre; Und Eures Rings dazu; und nicht Beleid'ger Von ihr noch Euch, da ich nach beider Willen Getan. Könnt Ihr beweisen, daß Ihr sie Im Bett umarmt, ist Euer Hand und Ring: Wo nicht, so muß dafür, daß Ihr so schändlich Von ihr gedacht, mein oder Euer Schwert Verloren sein; vielleicht, daß herrenlos Sie beide liegen für den nächsten Finder. Was ich aussagen kann, ist fast Beweis Durch jeden Umstand, daß Ihr glauben werdet; Doch will ich alles noch durch Eid erhärten, Was Ihr mir, zweifl' ich nicht, erlassen werdet, Wenn es Euch selber überflüssig scheint. Fahre fort! So hört denn: Erst ihr Schlafgemach (Wo ich nicht schlief, gesteh' ich, doch bekenne, Erhielt, was Wachens wert) ist rund umhangen Mit Teppichen von Seid' und Silber, schildernd Cleopatra, die ihren Römer trifft, Der Cydnus über seine Ufer schwellend, Aus Drang der Fahrzeug' oder Stolz: ein Werk, So reich, so schön gewebt, daß Kunst und Pracht Ihr Äußerstes getan; mich macht' es staunen, Wie es so fein und sorgsam ausgeführt, Ganz wie das Leben selbst; – Nun freilich, ja Doch hörtet Ihr's vielleicht von mir; wo nicht, Von andern. Manch besondrer Umstand noch Muß den Beweis verstärken. Ja, das muß er, Sonst kränkt Ihr Eure Ehre. Der Kamin Ist südwärts im Gemach, und das Kaminstück Die keusche Dian' im Bad – nie sah ich Bilder So durch sich selbst erklärt: der Künstler schuf Stumm, wie Natur, und übertraf sie, ließ Nur Atem und Bewegung aus. Dies alles Habt Ihr wohl durch Erzählung Euch gesammelt: Da man viel drüber spricht. Des Zimmers Decke Ist ausgelegt mit goldnen Cherubim; Die Feuerböcke (ich vergaß) von Silber, Zwei schlummernde Cupidos, jeder zierlich Auf einem Fuß, gestützt auf seiner Fackel. Und dies ist ihre Ehre! – Mag sein, Ihr saht dies alles (und ich lobe Eu'r gut Gedächtnis), – die Beschreibung dessen, Was ihr Gemach enthält, gewinnt noch lange Die Wette nicht. Dann, wenn Ihr könnt, erbleicht: Er zieht das Armband hervor. Erlaubt, das Kleinod nur zu lüften: seht! – Nun ist es wieder fort; mit Eurem Ring Vermählt sich dies: und mein sind beide. Zeus! Laßt mich's noch einmal sehn: ist es dasselbe: Was ich ihr gab? Ja, Dank sei ihr, dasselbe: Sie streift's von ihrem Arm; ich seh' sie noch; Ihr lieblich Tun war mehr noch als die Gabe, Und machte doch sie reich; sie gab mir's, sagend: Sie schätzt' es einst. Kann sein, sie nahm es ab, Um mir's zu senden. Schreibt sie so? Seht nach! Oh, nein, nein, nein; 's ist wahr. Hier, nehmt das auch; Er gibt ihm den Ring. Er ist jetzt meinem Aug' ein Basilisk, Und tötet mich im Anschaun: – Keine Ehre, Wo Schönheit; keine Treu', wo Schein; noch Liebe, Wo je ein andrer Mann: der Frauen Schwur Hält fester nicht an dem, dem er geweiht, Als Frau'n an ihrer Tugend; das ist – gar nicht! O ungeheure Falschheit! Faßt Euch, Freund, Nehmt Euren Ring zurück; noch ist er Euer: Kann sein, daß sie's verlor; wer weiß, ob nicht Ein' ihrer Frauen, die bestochen ward, Es ihr entwendet hat. Gewiß; Und so, denk' ich, erlangt' er's: – her den Ring! Nennt mir an ihr ein körperliches Zeichen, Von mehr Gewicht als dies; dies ward gestohlen. Beim Jupiter! Von ihrem Arm bekam ich's. O hört, er schwört; er schwört beim Jupiter. Wahr ist's; – hier, nehmt den Ring – wahr ist's: o sicher, Sie konnt' es nicht verlieren: ihre Diener Sind treu, beeidigt all' – verführt zum Stehlen? Und durch 'nen Fremden? – Nein; sie war die seine. Dies ist das Wappen ihrer frechen Lust, – So teuer kaufte sie den Namen Hure. – Nimm deine Zahlung, da; und Höll' und Teufel Mag unter euch sich teilen! Freund, seid ruhig: Denn dies genügt zur Überzeugung nicht, Da Ihr des Glaubens – Ha! Verliert kein Wort mehr; Denn seine Buhle war sie. Wenn Ihr fodert Noch stärkre Proben: unter ihrer Brust (So wert des Druckes) ist ein Mal, recht stolz Auf diesen süßen Platz. Bei meinem Leben, Ich küßt' es, und es gab mir neuen Hunger Zu frischem Mahl, nach dem Genuß. Erinnert Ihr Euch des Mals? Und Zeuge ist's des Brandmals, So ungeheuer, wie der Raum der Hölle, Umschlöss' er nichts als diesen Greu'l. Hört noch mehr! Spart Eure Rechnung; zählt nicht auf die Sünden; Ein Mal, und 'ne Million! Ich schwöre – Schwört nicht! Schwört Ihr, daß Ihr's nicht habt getan, so lügt Ihr; Und ich ermorde dich, wenn du es leugnest, Daß du mich hast beschimpft. Ich leugne nichts. Hätt' ich sie hier, sie stückweis' zu zerreißen! Ja, ich geh' hin, und tu's am Hofe vor Des Vaters Augen! – Etwas will ich tun – Er geht ab. Der Fassung ganz beraubt! – Ihr habt gewonnen. Laßt uns ihm nach, die rasche Wut zu wenden, Die auf sich selbst er kehrt. Von ganzem Herzen. Sie gehn ab. Fünfte Szene Fünfte Szene Ebendaselbst. Posthumus tritt auf. Kann denn kein Mensch entstehn, wenn nicht das Weib Zur Hälfte wirkt? Bastarde sind wir alle; Und jener höchst ehrwürd'ge Mann, den ich stets Vater Genannt, war weiß der Himmel wo, als ich Geformt ward; eines Münzers Werkzeug prägte Als falsches Goldstück mich. Doch meine Mutter Galt für die Diana ihrer Zeit: so steht Mein Weib in dieser gleichlos. – Rache, Rache! Rechtmäß'ges Glück verweigerte sie mir, Und bat mich oft um Mäß'gung; tat es mit So ros'ger Sittsamkeit: dies süße Bild Hätt' auch Saturn erwärmt; mir schien sie rein Wie ungesonnter Schnee – oh, all ihr Teufel! – Der gelbe Jachimo, in einer Stunde, – Nicht wahr? – Nein, schneller, – gleich: er sprach wohl kaum! Wie ein gemäst'ter deutscher Eber schrie er Nur »Oh!« und tat's: fand solch Entgegnen nur, Daß, was ihn hemmen sollte, sie ihm schnell Als Sieger gab. Oh, fänd' ich doch nur aus Des Weibes Teil in mir! Denn keine Regung, Die sich zum Laster neigt im Mann, ich schwör' es, Die nicht des Weibes Teil: sei's Lügen, merkt, Es ist des Weibes; Schmeicheln, ihr's; Trug, ihr's; Wollüst'ger Sinn, ihr's, ihr's; die Rachsucht, ihr's; Geiz, Ehrsucht, Hohn, Hoffart im steten Wechsel, Verleumdung, seltsam Lüsten, Wankelmut, Was Laster heißt, was nur die Hölle kennt, Ist ihr's, zum Teil, wenn ganz nicht; ja, doch ganz: Denn selbst im Laster Sind sie nicht fest, nein, tauschen immer Laster, Das nur Minuten alt, mit einem andern, Nur halb so alt. Ich schreibe gegen sie, Verfluche sie: – Nein, Rache mehr zu stillen, Bet' ich aus Haß, es geh' nach ihrem Willen: Mehr quälen kann sie nicht der schlimmste Teufel. Er geht ab. Dritter Aufzug Erste Szene Erste Szene Britannien, im Palast. Es treten auf von einer Seite Cymbeline, die Königin, Cloten und Gefolge; von der andern Seite Cajus Lucius und seine Begleiter. Nun sprich, was uns Augustus Cäsar will? Als Julius Cäsar (des Gedächtnis noch Lebt in der Menschen Blick; für Ohr und Zunge Ein ew'ger Gegenstand!) im Reich hier war Und es besiegt', versprach Cassibelan, Dein Ohm, berühmt durch Cäsars Lob, nicht minder Als es sein Tun verdient, für sich und sein Geschlecht Tribut an Rom, dreitausend Pfund Jedwedes Jahr; seit kurzem hast du diesen Nicht eingeliefert. Und nie wird's geschehn, Das Staunen gleich zu töten. 's gibt viel Cäsars, Eh' solch ein Julius kommt. Britannien ist 'ne Welt für sich; und wir bezahlen nichts Für unsre eignen Nasen. Zeit und Glück, Die ihnen günstig waren, uns zu drücken, Stehn jetzt uns bei, zu weigern. – Denkt, mein Herrscher, Der Kön'ge, Eurer Ahnen; und zugleich, Wie die Natur umbollwerkt unsre Insel: Sie steht, ein Park Neptuns, umpfählt, verzäunt Mit unersteigbar'n Felsen, brüll'nden Fluten, Sandbänken, die kein feindlich Fahrzeug tragen, Nein, es verschlucken bis zum Wimpel. Wohl ward hier Cäsarn eine Art Erob'rung; Doch ward ihm hier sein Prahlen nicht erfüllt, Von »kam, und sah, und siegte«: nein, mit Schmach (Der ersten, die ihn je berührte!) floh, Zweimal geschlagen, er von unserm Strand: Sein Schiffgezeug, arm, unbehülflich Spielwerk Auf unsrer Schreckenssee, wie Eierschalen Hob es die Brandung, und zerschellt' es leicht An unsern Klippen. Freudig des Erfolgs, Cassibelan, ruhmreich, einst Meister fast (O ungetreues Glück!) von Cäsars Schwert, Erleuchtete Luds Stadt mit Freudenfeuern, Und jeder Brit' erhob sich siegesstolz. Was da! Es wird kein Tribut mehr gezahlt; unser Reich ist jetzt stärker als damals, und, wie gesagt, es gibt nicht solche Cäsars mehr; manche mögen noch krumme Nasen haben, aber so stämmige Arme hat keiner. Sohn, laß die Mutter reden! Wir haben noch manchen unter uns, der eben so tüchtig zugreifen kann wie Cassibelan; ich will nicht sagen, daß ich einer bin, aber eine Faust hab' ich auch. – Warum Tribut? Warum sollen wir Tribut bezahlen? Wenn Cäsar uns die Sonne mit einem Laken zudecken kann, oder den Mond in die Tasche stecken, so wollen wir ihm für das Licht Tribut zahlen; sonst, Herr, kein Tribut mehr: kurz und gut! Erinnert Euch, Bis Rom anmaßend den Tribut uns abzwang, War frei dies Volk. Der Ehrgeiz dieses Cäsar (So angeschwollen, daß er fast zersprengte Den Bau der Welt) warf ohne Schein und Vorwand Dies Joch auf uns; es wieder abzuschütteln, Ziemt einem tapfern Volk, wie wir zu sein Uns rühmen. Also sprechen wir zu Cäsar: Mulmutius, unser Ahnherr, war's, der unser Gesetz uns schuf (des Kraft der Degen Cäsars Zu sehr verstümmelt hat; es herzustellen Und zu befrein durch uns verliehne Macht, Sei unsre Tugend, wenn auch Rom drum zürnt!); Mulmutius schuf unser Gesetz, der erste Der Briten, der mit einer goldnen Krone Die Stirne sich umgab, sich König nannte. So muß ich denn mit Kummer, Cymbeline, Verkünden öffentlich Augustus Cäsar (Cäsar, dem Kön'ge mehr als Diener folgen, Als Hausbediente dir) als deinen Feind: So hör' es denn von mir: – Krieg und Zerstörung Ruf' ich in Cäsars Namen aus; dich trifft Sein Zorn vernichtend. – So herausgefodert, Nimm Dank, was mich betrifft! Du bist willkommen, Cajus. Dein Cäsar schlug zum Ritter mich, und unter ihm Tat ich als Jüngling viel; er schuf mir Ehre; Jetzt will er sie mir rauben, und ich muß Auf Tod nun kämpfen; auch weiß ich gewiß, Daß die Pannonier und Dalmatier wacker Für ihre Freiheit rüsten: uns ein Vorgang, Der, nicht erkannt, den Briten furchtsam zeigte: So wird ihn Cäsar nimmer finden. Die Tat entscheide! Seine Majestät heißt Euch willkommen. Tut Euch hier gütlich mit uns einen Tag, oder zwei, oder länger; wenn Ihr uns nachher auf andre Art sucht, so werdet Ihr uns in unserm Gürtel von Salzwasser finden: wenn Ihr uns heraus schlagen könnt, so ist er Euer; wenn Ihr in der Unternehmung umkommt, so finden die Krähen an Euch um so bessere Mahlzeit; und damit gut! Ja, Prinz. Ich weiß den Willen Eures Herrn, er meinen; Für alles übrige seid mir willkommen! Alle ab. Zweite Szene Zweite Szene Ein anderes Zimmer im Palast. Pisanio tritt auf mit Briefen. Wie? Ehebruch? Weshalb denn schreibst du nicht, Welch Scheusal sie beschuldigt? – Leonatus! Oh, Herr! Was für ein fremder Pesthauch goß Sich in dein Ohr? Welch falscher Italiener (Mit Zung' und Hand vergiften sie!) besiegte Den allzu leichten Sinn dir? – Treulos? Nein! Für ihre Treu' wird sie gestraft, und duldet, Mehr einer Göttin gleich als einer Frau, Andrang, dem wohl der meisten Kraft erläge. – Oh, mein Herr! So tief steht dein Gemüt jetzt unter ihr, Als sonst dein Glück stand! – Wie! Ich sie ermorden? Bei Lieb' und Treu' und Pflicht, die deinem Dienst Ich angelobt? – Ich, sie? – Ihr Blut vergießen? Nennst du dies guten Dienst, nie heiße man Mich guten Diener! Wie denn seh' ich aus, Daß ich so bar von Menschlichkeit erscheine, So sehr, wie diese Tat es fodert? Er liest. »Tu' es, Gelegenheit wird ihr Befehl dir geben, Auf meinen Brief an sie.« Verdammtes Blatt! Schwarz, wie die Tint' auf dir! Fühlloser Fetzen, Bist Mitverschworner dieser Tat, und scheinst So jungfräulich von außen? Ach! Sie kommt. Imogen tritt auf. Ich tu', als wüßt' ich nichts von dem Befehl. Was gibt's, Pisanio? Hier ist ein Brief von meinem Herrn, Prinzessin. Wer? Dein Herr? Das ist mein Herr, Leonatus? Oh, weise wär' der Astronom, der so Die Sterne kennte, wie ich diese Schrift; Ihm wär' die Zukunft klar. – Ihr güt'gen Götter, Laßt, was dies Blatt enthält, von Liebe sprechen, Vom Wohlsein, der Zufriedenheit des Gatten, – Doch nicht mit unsrer Trennung, nein, die schmerz' ihn; Denn mancher Schmerz ist heilsam: so ist dieser, Er stärkt die Liebe; – drum Zufriedenheit, Nur damit nicht! – Erlaube, liebes Wachs – Gesegnet seid, ihr Bienen, die ihr knetet Der Heimlichkeiten Schloß! Der Liebende Und Schuldbedrängte betet sehr verschieden; Den Ausgeklagten werft ihr ins Gefängnis, Hold riegelt ihr das Wort Cupidos ein! – Gebt gute Nachricht, Götter! Sie liest. »Die Gerechtigkeit und der Zorn deines Vaters, wenn er mich auf seinem Gebiete ergriffe, könnten nicht so grausam gegen mich sein, daß dein Blick, Geliebteste, mich nicht in das Leben zurück riefe. Wisse, daß ich in Cambria, in Milford Hafen bin. Was deine Liebe dir auf diese Nachricht raten wird, dem folge! Hiermit wünscht dir alles Glück, der seinem Eide getreu und der Deinige bleibt in stets wachsender Liebe, Leonatus Posthumus.« Oh ein geflügelt Roß! – Hörst du, Pisanio? Er ist in Milford Hafen: lies, und sprich, Wie weit von hier? Quält mancher sich um Nicht'ges In einer Woche hin, könnt' ich denn nicht In einem Tag hingleiten? – Drum, du Treuer (Der, so wie ich, sich sehnt, den Herrn zu schaun: Sich sehnt, – doch minder, – nicht, nicht so, wie ich: – Dennoch sich sehnt, – doch schwächer: – nicht wie ich; Denn meins ist endlos, endlos), sprich, und schnell (Amors Vertrauter müßte des Gehörs Eingänge rasch, bis zum Ersticken füllen), Wie weit es ist, dies hochbeglückte Milford; Und nebenher, wie Wales so glücklich wurde, Solch einen Hafen zu besitzen. Doch, vor allem, Wie stehlen wir uns weg? Und wie den Riß Der Zeit, von unserm Fortgehn bis zur Rückkehr, Entschuldigen? – Doch erst, wie komm' ich fort? Warum vor dem Erzeugen schon gebären Entschuldigung? Das sprechen wir nachher. O bitte, sprich, Wie vielmal zwanzig Meilen reiten wir In einer Stunde? Zwanzig an einem Tag Ist Euch genug, Prinzeß, und viel zu viel. Ei, der zum Richtplatz ritte, Freund, er könnte So säumen nicht; von Pferdewetten hört' ich, Wo Rosse schneller liefen als der Sand Im Stundenglas. – Doch dies ist Kinderei: – Geh, meine Kammerfrau soll krank sich stellen, Und heim zu ihrem Vater wollen. Du Schaff' mir ein Reitkleid, besser nicht als ziemlich Der Pächterfrau! Fürstin, bedenkt doch lieber – Nur vorwärts blick' ich, weder rechts noch links, Noch rückwärts: dort ist Nebel überall, Der mir die Augen schließt. Ich bitte, fort; Tu', was ich sage: – laß so Furcht wie Hoffen, Nach Milford einzig ist der Weg mir offen. Sie gehn ab. Dritte Szene Dritte Szene Wales, eine waldige Berggegend mit einer Höhle. Es treten auf Bellarius, Guiderius und Arviragus. Ein heitrer Tag, nicht drin zu sitzen, wenn man So niedres Dach wie wir hat! Schlaft ihr, Knaben? Dies Tor lehrt euch, wie man zum Himmel betet; Es beugt euch zu des Morgens heil'gem Dienst. Der Kön'ge Tore sind so hoch gewölbt, Daß Riesen durchstolzieren können, ohne Zu lüften ihren freveln Turban, um Den Morgen zu begrüßen. – Heil, du schöner Himmel! Wir Felsbewohner sind dir wen'ger hart Als Stolzbegüterte. Heil, Himmel! Himmel, Heil! Nun an die Bergjagd: ihr zum Hügel auf, Jung ist eu'r Fuß; ich bleib' im Tal. Betrachtet, Wenn ihr von dort mich klein als Krähe seht, Daß nur der Platz verkleinert und vergrößert: Und so durchdenkt, was ich euch viel erzählte, Von Höfen, Fürsten und des Krieges Tücken; Der Dienst ist Dienst nicht, weil man ihn getan, Nur wenn er so erkannt. Solch Überlegen Zieht Vorteil uns aus allem, was wir sehn: Und oft, zu unserm Troste, finden wir In beßrer Hut den hartbeschalten Käfer Als hochbeschwingten Adler. Oh, dies Leben Ist edler, als aufwarten und geschmäht sein; Reicher, als nichts tun für ein nichtig Spielwerk; Stolzer, als rauschen in geborgter Seide: Solchen begrüßt zwar der, der ihn so putzte, Doch wird dadurch die Rechnung nicht bezahlt: Kein Leben gleich dem unsern. Aus Erfahrung Sprecht Ihr; wir armen Flügellosen schwangen Uns nie noch weit vom Nest und wissen nicht, Was draußen weht für Luft. Dies Leben mag Das beste sein, ist Ruh' das beste Leben; Süßer für Euch, weil Ihr ein schärfres kanntet; Für Euer steifes Alter passend; doch Für uns ein Käfig der Unwissenheit, Reisen im Bett, ein Kerker, wo der Schuldner Nicht über seine Grenze darf. Wovon Doch sprechen wir, sind wir in Eurem Alter? Wenn draußen Wind und Regen schlägt des dunkeln Dezember, wie, geklemmt in unsre Höhle, Verschwatzen wir alsdann die frost'gen Stunden? Wir sahen nichts, wir sind nur wie das Vieh, Schlau, wie der Fuchs, um Beute; wie der Wolf Krieg'risch um unsre Ätzung: unsre Kühnheit Ist jagen das, was fliehet; unser Käfig Wird uns zum Chor, wie dem gefangnen Vogel, Mit Freimut unsre Knechtschaft zu besingen. Wie ihr nun sprecht! Kenntet ihr nur die Wucherei der Städte, Und hättet sie gefühlt; die Kunst des Hofes, Der, schwer errungen, schmerzlich wird verlassen, Wo bis zum Gipfel klimmen sichrer Fall ist, Der Gipfel selbst so schlüpfrig, daß die Furcht So schlimm ist wie der Fall; – des Kriegs Beschwer, Ein Mühn, das nur Gefahr zu suchen scheint Um Glanz und Ruhm, der dann im Suchen stirbt; Und daß ein schmachvoll Epitaph so oft Statt edler Tat Gedächtnis lohnt; ja, selbst Durch wackres Tun verhaßt wird, und, noch schlimmer, Sich beugen muß der Bosheit. – Oh, ihr Kinder! Dergleichen mag die Welt an mir erkennen: Gezeichnet ist mein Leib von Römerschwertern; Mein Ruf stand einst den Besten obenan. Mich liebte Cymbeline; kam auf Soldaten Die Rede, war mein Nam' in jedes Mund; Damals glich ich dem Baum, der seine Äste Fruchtschwer herabsenkt: doch in einer Nacht Ward – wie ihr's nennen wollt – durch Sturm, durch Raub, Mein reifes Obst, ja Laub selbst, abgeschüttelt, Und kahl blieb ich dem Frost. Unsichre Gunst! Mein Fehl war nichts (wie ich euch oft erzählte), Als daß zwei Buben, deren Meineid mehr Als meine Ehre galt, dem König schwuren, Ich sei verbunden mit den Römern: so Ward ich verbannt; und diese zwanzig Jahr War dieser Fels, die Waldung meine Welt. In edler Freiheit lebt' ich hier und zahlte Mehr fromme Schuld dem Himmel, als vorher Die ganze Lebenszeit. – Doch, auf zum Bergwald! Dies ist nicht Jägersprache. – Wer zuerst Ein Wild erlegt, der sei der Herr des Festes; Die beiden andern sollen ihn bedienen, Und wir besorgen nichts von Gift, das lauert In glanzvoll prächt'gen Räumen. Hier im Tal Treff' ich euch wieder. Guiderius und Arviragus gehn ab. Wie schwer, die Funken der Natur zu bergen! Die Kinder träumt nicht, daß sie Königssöhne; Und Cymbeline denkt nicht, daß sie noch leben. Sie glauben, daß sie mein; und, wenn gleich niedrig Erwachsen in der engen Höhle, reicht Ihr Sinn doch an die Dächer der Paläste, Und die Natur lehrt sie bei schlechten Dingen Ein fürstlich Tun, weit mehr als andr' erkünsteln. Der Polydor, – Britanniens Erb' und Cymbelines, Guiderius genannt von seinem Vater, – Zeus! Wenn auf dreibein'gem Stuhl ich sitz', erzählend Von Kriegertat, durch mich vollbracht, fliegt seine Begeist'rung in mein Reden; – sprech' ich: »So fiel mein Feind, so setzt' ich meinen Fuß Auf seinen Nacken!« – alsbald steigt dann Sein Fürstenblut ihm in die Wang', er schwitzt Und spannt die jungen Muskeln in der Stellung, Die meine Schild'rung malt. Der jüngre, Cadwal (Arviragus sonst), gleich heftig in Gebärden, Leiht Leben meinem Wort, mehr selbst erregt Als hörend. – Horch! Das Wild ist aufgescheucht! – O Cymbeline! Gott weiß und mein Gewissen, Wie ungerecht du mich verbanntest: damals Stahl ich, zwei und drei Jahr alt, diese Kinder; Nachkommen wollt' ich dir entziehn, wie du Die Güter mir geraubt. Du säugtest sie, Euriphile, du galt'st als Mutter ihnen, Und täglich ehren sie dein Grab; mich selbst, Bellarius (Morgan jetzt geheißen), halten Für ihren Vater sie. – Die Jagd beginnt. Er geht ab. Vierte Szene Vierte Szene In der Nähe von Milford Hafen. Imogen und Pisanio treten auf. Als wir vom Pferde stiegen, sagtest du, Wir wären gleich zur Stelle. – Niemals sehnte Sich meine Mutter so nach mir, als ich jetzt. – Pisanio! Mann! Wo ist nun Posthumus? Was ist dir im Gemüt, daß du so starrst? Warum aus deiner innern Brust dies Ächzen? Ein Mensch, so nur gemalt, ihn kennte jeder Als Bildnis des Entsetzens, spräch' er nichts: Zeig' dich in minder schrecklicher Gestalt, Eh' Wahnwitz meinen festern Sinn bewältigt! Was gibt es? Warum reichst du mir dies Blatt, Mit diesem wilden Blick? Ist's Frühlingskunde, So lächle erst: ist's winterlich, so paßt Die Miene gut dazu. – Des Gatten Hand! Italiens Gifthauch hat ihn angesteckt, Er ist in schwerer Drangsal. – Sprich! Dein Mund Mildert vielleicht den Greuel, der gelesen Mir tödlich werden kann. Ich bitte, lest; Dann seht Ihr, daß mich armen Mann das Schicksal Ins tiefste Elend stürzte. liest. »Deine Gebieterin, Pisanio, hat als Metze mein Bett entehrt: die Beweise davon liegen blutend in mir. Ich spreche nicht aus schwacher Voraussetzung, sondern aus einem Zeugnis, so stark wie mein Gram, und so gewiß, wie ich Rache erwarte. Diese Rolle, Pisanio, mußt du an meiner Statt spielen, wenn deine Treue nicht durch den Bruch der ihrigen befleckt ist. Mit eigner Hand nimm ihr das Leben: ich verschaffe dir Gelegenheit dazu bei Milford Hafen. Sie bekommt deshalb einen Brief von mir; wenn du dich fürchtest, sie zu töten, und mir nicht gewisse Nachricht davon gibst, so bist du der Kuppler ihrer Schmach, und im Verrat gegen mich verbunden.« Was brauch' ich noch mein Schwert zu ziehn? Der Brief Durchstach ihr schon das Herz. – Nein, 's ist Verleumdung, Sie schneidet schärfer als das Schwert; ihr Mund Vergiftet mehr als alles Nilgewürm: Ihr Wort fährt auf dem Sturmwind und belügt Jedweden Erdstrich: Kaiser, Königinnen, Fürsten, Matronen, Jungfrau'n, ja in Grabes Geheimnis wühlt das Natterngift Verleumdung. – Wie ist Euch, Fürstin? Falsch seinem Bett? Was heißt das, falsch ihm sein? Wachend drin liegen, und an ihn nur denken? Weinend von Stund' zu Stund'? Erliegt Natur Dem Schlaf, auffahren mit furchtbarem Traum Von ihm; erwachen gleich in Schreckenstränen? Heißt das nun falsch sein seinem Bette? Heißt es? Ach, gute Fürstin! Ich falsch! Ha, eigne Schuld nur: – Jachimo, Als du der Unenthaltsamkeit ihn zeihtest, Da glichst du einem Schuft; doch scheint mir jetzt Dein Aussehn leidlich gut. – 'ne röm'sche Elster, Die Tochter ihrer Schmink', hat ihn verführt: Ich Ärmste bin unschmuck, ein Kleid nicht modisch; Und weil zu reich ich bin, im Schrank zu hängen, Muß ich zerschnitten sein: – in Stücke mit mir! – Oh! Der Männer Schwüre sind der Frau'n Verräter! Durch deinen Abfall, o Gemahl, gilt selbst Der beste Schein für Bosheit; heimisch nicht Da, wo er glänzt, nur angelegt als Köder Für Frau'n. Oh, hört mich, teuerste Prinzessin! Des bravsten Manns Erzählung galt für falsch In jener Zeit, weil falsch Äneas war; Die frommsten Tränen schmähte Sinons Weinen, Das wahrste Elend fand Erbarmen nicht: So wirst du, Posthumus, Vergiften alle Männer schöner Bildung! Edel und ritterlich scheint falsch, meineidig, Seit deinem großen Fall. – Komm, sei du redlich, Tu' deines Herrn Geheiß: wenn du ihn siehst, Meinen Gehorsam rühm' ein wenig! Sieh! Ich ziehe selbst das Schwert: nimm es, und triff Der Liebe schuldlos Wohnhaus, dieses Herz! Nicht zage: alles wich dort, Gram nur blieb: Dein Herr wohnt nicht mehr dort; sonst war er freilich Sein einz'ger Schatz; tu' sein Gebot: stoß' zu! – Du bist vielleicht bei besserm Anlaß tapfer, Jetzt bist du feige nur. Fort, schändlich Werkzeug! Nicht werde meine Hand durch dich verflucht! Nun, sterben muß ich. Tut's nicht deine Hand, So bist du nicht ein Diener deines Herrn; Selbstmord verbeut so göttlich hehre Satzung, Daß meine schwache Hand erbebt. Hier ist Mein Herz: was find' ich? – Still! Nein, keine Schutzwehr. – Gehorsam, wie die Scheide. – Was ist hier? Die Schriften des rechtgläub'gen Leonatus All' Ketzerei geworden? Fort mit euch, Verfälscher meines Glaubens! Nicht mehr sollt ihr Mein Herz umgürten! So traut falschen Lehrern Manch armes Kind. Fühlen Betrogne auch Den Stachel des Verrats, lebt der Verräter Doch für noch schlimmres Weh. Und Posthumus, der du zum Ungehorsam Mich gegen meinen Vater hast verleitet, Daß manch Gesuch von fürstlichen Bewerbern Ich höhnisch abwies, – dies erkennst du einst Als eine Tat nicht von gemeiner Art, Nein, hoher Seltenheit; und es betrübt mich, Zu denken, wenn du ihrer satt nun bist, Die deine Gier jetzt nährt, wie dein Gedächtnis Durch mich dann wird gequält sein. – Bitt' dich, schnell! Das Lamm ermutiget den Schlächter. Wo Hast du dein Messer? Allzu träge bist du Des Herrn Geheiß, zumal wenn ich's begehre. Oh, gnäd'ge Frau, seit ich Befehl empfing, Die Tat zu tun, schloß ich kein Auge mehr. So tu's, und dann zu Bett! Eh' soll vor Wachen Die Sehkraft mir erblinden! Warum denn Gingst du es ein? Und maßest so viel Meilen Unnütz, mit diesem Vorwand? Kamst hieher? Wozu dies Tun von dir und mir? Ermüdung Der Rosse? Zeit, dir günstig? Angst am Hofe Um meine Flucht? Wohin ich nie zurück Zu kehren denke. Was gingst du so weit, Und zielst jetzt nicht, da du den Stand genommen, Auf das von dir erlesne Wild? Zeit wollt' ich Gewinnen und dies böse Amt verlieren: Indes ersann ich einen Plan; Prinzessin, Hört mich geduldig! Rede! Sprich dich müde: Ich hört', ich sei 'ne Metze; nach dem Schlag, Dem lügenhaften, gibt's nicht größre Wunde; Sie traf so tief, daß ich sie nicht ergründe. Sprich! Nun, ich dacht', Ihr ginget nicht zurück. Natürlich, denn du brachtest mich hieher, Um mich zu töten. Nein, gewiß, auch das nicht: Wär' ich so klug als ehrlich, führte wohl Zum Glück mein Vorschlag; 's kann nicht anders sein, Mein Herr ist schändlich hintergangen worden: Ein Schelm, ja, und ein Meister seiner Kunst, Tat an euch beiden dies verdammte Werk. 'ne röm'sche Buhlin. Nein, bei meinem Leben! Ich geb' ihm Nachricht, Ihr seid tot, und send' ihm Davon ein blutig Zeichen; denn befohlen Ward mir auch dies; am Hof vermißt man Euch, Und dadurch scheint's gewiß. Doch was, du Treuer, Tu' ich indes? Wo berg' ich mich? Wie leb' ich? Und was für Trost im Leben, bin ich tot Für meinen Mann? Wollt Ihr zurück zum Hof – Kein Hof, kein Vater, und nicht längre Qual Mit jenem rohen, tör'gen, stolzen Nichts, Dem Cloten, dessen Liebeswerben furchtbar Mir wie Belag'rung war. Wenn nicht am Hof, So bleibt auch in Britannien nicht! Wo denn? – Hat nur Britannien Sonne? Tag und Nacht, Sind sie nur hier? Im großen All der Welt Scheint abseits nur Britanniens Nebenwerk; Im großen Teich ein Schwanennest; auch außer Britannien leben Menschen. Mich erfreut's, Daß Ihr auf andre Örter denkt. Der Römer Lucius, der Abgesandte, kommt nach Milford Schon morgen: könnt Ihr Euren Sinn verdunkeln, Wie Euer Glück ist, wollt Ihr das verbergen, Was, wenn's erschiene, immer nur Gefahr Euch bringen würde, – steht ein Pfad Euch offen, Recht wegsam und voll Aussicht: ja, vielleicht Führt er zu Posthumus – so nah ihm mind'stens, Daß, wenn Ihr auch sein Tun nicht sehen könnt, doch Der Ruf es stündlich Euerm Ohr erzählt, Der Wahrheit treu. Oh, nenne mir dies Mittel! Verletzt es Sittsamkeit nur nicht zum Tode, So wag' ich's gern. Gut denn, dies ist die Sache: Ihr müßt die Frau vergessen, und Befehl In Dienst verwandeln; Scheu und Zierlichkeit (Der Frau'n Begleiterinnen, ja, vielmehr Der Frauen zartes Selbst) in kecken Mut; Gewandt im Spotten, trotzig, schnell von Zunge, Und zänkisch wie das Wiesel: ja, Ihr müßt Vergessen diese Kleinod' Eurer Wangen, Und sie (o hartes Herz! Doch muß es sein) Der gierigen Berührung Titans bieten, Der alles küßt; vergessen Eure schmucken, Mühsam geflochtnen Locken, die den Neid Der großen Juno wecken. Nun, sei kurz: Ich merke deinen Zweck, und bin fast schon Zum Mann geworden. Schafft Euch erst den Schein! Dies vorbedenkend, hab' ich schon bereit In meinem Mantelsack Wams, Hose, Hut Und allen Zubehör: so ausgestattet, Und im erborgten Anstand eines Jünglings So zarten Alters, stellt dem edlen Lucius Euch vor, daß er in Dienst Euch nehme; sagt ihm, Worin Ihr seid geschickt: das merkt er bald, Wenn für Musik er Sinn hat; ohne Zweifel Nimmt er Euch gern. Er ist ein Mann von Ehre, Und, was noch mehr ist, fromm. Auswärts zu leben, Gebraucht, was mein ist, und es fehlt Euch nicht Für jetzt und künftig. Du bist aller Trost, Den mir die Götter gönnen. Bitte, fort: Noch mehr ist zu bedenken; schlichten wir's, Wie's uns die Zeit erlaubt: dem Unternehmen Werb' ich mich an, und will es auch bestehn Mit Fürstenmut. Ich bitte dich, hinweg! Prinzessin, laßt uns kurzen Abschied nehmen, Damit, werd' ich vermißt, man Eure Flucht Vom Hof mir nicht zur Last legt. Edle Fürstin, Dies Fläschchen nehmt, mir gab's die Königin; Was drin, ist kostbar; seid Ihr krank zur See, Wohl auch zu Lande schwach, ein wenig hievon Vertreibt die Übelkeit. – Geht dort ins Dickicht, Und schafft Euch um zum Mann! Die Götter leiten Zum besten alles! Amen! Habe Dank! Sie gehn ab. Fünfte Szene Fünfte Szene In Cymbelines Palast. Es treten auf Cymbeline, die Königin, Cloten, Lucius und Gefolge. So weit; und nun lebt wohl! Dank, großer König! Mein Kaiser schrieb, und ich muß eilig fort, Und bin betrübt, daß ich Euch melden muß Als meines Herren Feind. Es will mein Volk Sein Joch nicht länger tragen, und ich selbst Erschiene, zeigt' ich wen'ger Herrscherstolz, Unköniglich. Herr, so vergönnt mir denn Geleit nach Milford Hafen, durch das Land! – Kön'gin, Euch wünsch' ich alles Heil, und Euch! Mylords, ihr seid zu diesem Dienst erlesen; Versäumt der Ehre Pflicht in keinem Punkt! – Lebt, edler Lucius, wohl! Prinz, Eure Hand! Empfangt sie freundschaftlich; doch von jetzt an Gebrauch' ich sie als Feind. Der Ausgang, Prinz, Nennt erst des Siegers Namen. Lebt denn wohl! Laßt nicht den würd'gen Lucius, edle Herrn, Bis er jenseit der Severn! – Glück mit Euch! Lucius geht ab mit Gefolge. Im Zorne geht er fort; doch ehrt es uns, Daß wir ihm Ursach' gaben. Um so besser; Der tapfern Briten Wunsch wird nun erfüllt. Lucius hat seinem Kaiser schon geschrieben, Wie es hier steht. Drum ist's die höchste Zeit, Daß unsre Ross' und Wagen wir bereiten; Die Truppen, die er schon in Gallien hat, Sind schnell versammelt; von dort kommt sein Kriegsheer Nach unserm Land. Nicht frommt Saumseligkeit; Mit Kraft und Schnelle müssen wir uns rüsten. Erwartung, daß dies kommen werde, trieb uns Zur Vorbereitung. Doch wo, teure Kön'gin, Mag unsre Tochter sein? Nicht vor dem Römer Erschien sie, und versagt auch uns die Pflicht Des Morgengrußes: ein Geschöpf, mich dünkt, Aus Bosheit mehr geschaffen als Gehorsam – Wir merkten's wohl. – Ruft sie herbei; wir waren Zu lässig im Erdulden. Ein Diener geht ab. Großer König, Seit Posthumus' Verbannung führte sie Ein einsam Leben; solcher Wunden Arzt Ist nur die Zeit. Geruh' Eu'r Majestät, Nicht hart mit ihr zu reden: tief empfindet Verweise sie, so daß ihr Worte Streiche, Und Streiche Tod sind. Der Diener kommt zurück. Nun, wo bleibt sie? Was Entschuldigt ihren Starrsinn? Herr, vergebt, Ihr Zimmer ist verschlossen, und es folgt Auf unser lautstes Klopfen keine Antwort. Sie bat mich, da ich sie zuletzt besuchte, Bei Euch ihr einsam Leben zu entschuld'gen; Ihr Kränkeln, sprach sie, nöt'ge sie dazu, Daß sie so unerfüllt die Pflichten lasse, Die sie Euch täglich schuldig: und sie bat mich, Euch dies zu sagen; doch des Hofes Unruh' Macht mein Gedächtnis tadelnswert. Verschlossen Die Tür? Sie unsichtbar? Der Himmel gebe, Daß meine Ahnung falsch! Er geht ab. Sohn, folg' dem König! Den alten Knecht, Pisanio, ihren Diener, Sah ich zwei Tage nicht. Geh, forsche nach! – Cloten geht ab. Pisanio, du, des Posthumus Vertrauter! – Er hat Arznei von mir: käm' sein Verschwinden Daher, daß er sie trank! Er glaubt, es sei Ein kostbar Mittel. Doch, wo ist sie nur? Vielleicht, daß sie Verzweiflung hat ergriffen; Vielleicht, beschwingt von Liebesandacht, floh sie Zu ihrem teuren Posthumus. Fort ist sie, In Tod, in Schmach gestürzt; und meinem Zweck Kann beides dienen: sie nicht mehr am Leben, Hab' ich die Britenkrone zu vergeben. Cloten kommt zurück. Wie nun, mein Sohn? 's ist richtig, sie entfloh. Geht, sprecht dem König zu, er wütet; keiner Wagt ihm zu nahn. So besser: daß der Schlag Ihn schon entseelte vor dem nächsten Tag! Die Königin geht ab. Ich lieb' und hasse sie: sie ist schön und Fürstin; Ausbünd'ger hat sie alle Zier des Hofes Als eine Dam', als alle Damen, alle Frau'n; Von jeder hat sie 's Beste: so zusammen Gesetzt aus allen, sticht sie alle aus: Drum lieb' ich sie; doch mich verhöhnen, weg An jenen Knecht sich werfen, das befleckt Ihr Urteil so, daß alles, noch so herrlich, Daran verdirbt; und dies in ihr beschließ' ich Zu hassen, ja, und mich an ihr zu rächen. Denn wenn Dummköpfe so – Pisanio tritt auf. Wer ist das? Was! Kabalen machst du, Kerl? Hieher gekommen! Kostbarer Kuppler du! Spitzbube, wo Ist deine Fürstin? Schnell, sonst schick' ich dich Zu allen Teufeln hin. Oh, bester Prinz! – Wo ist die Fürstin? Sonst, beim Jupiter! – Ich frage nicht noch mal. Verschwiegner Schelm, 'raus dein Geheimnis aus dem Herzen, sonst Spalt' ich's und such's. Ist sie bei Posthumus? Aus dessen Zentner Niederträchtigkeit Auch nicht ein Gran von Adel ist zu schmelzen? Ach, gnäd'ger Herr, wie kann sie bei ihm sein? Wann wurde sie vermißt? Er ist in Rom. Wo ist sie? 'raus damit, kein Stottern mehr: Gib gründlichen Bescheid, was ward aus ihr? Ach, mein sehr würd'ger Prinz! Sehr würd'ger Schuft! Sprich, wo ist deine Herrin? Gleich sprich's aus, Mit einem Wort, – nichts mehr von würd'gem Prinzen; Sprich's aus, sonst ist dein Schweigen augenblicklich Dein Todesurteil und dein Tod. So nehmt Dies Blatt: darauf steht alles, was ich weiß Von ihrer Flucht. Er gibt ihm einen Brief. Laß sehn! Ich lauf' ihr nach Bis vor Augustus' Thron. für sich. Ich muß, sonst sterb' ich. Sie ist schon fern genug; was er da liest, Bringt Mühe ihm, doch ihr Gefahr nicht. Ha! für sich. Dem Herrn meld' ich sie tot. Oh, Imogen, Glück dir, du magst nach Rom, zur Heimat gehn! Du, ist der Brief auch echt? So viel ich weiß. Es ist Posthumus' Hand, ich kenne sie. – Kerl, wenn du kein Spitzbube sein wolltest, und mir treu dienen, die Geschäfte besorgen, zu denen ich Gelegenheit hätte, dich zu brauchen, mit einem wahren Eifer – das heißt, jede Schurkerei, die ich dir zu tun befehle, ausführen, geradezu und gewissenhaft, – so würde ich dich für einen ehrlichen Mann halten: da solltest du auf meine ganze Hülfe zu deinem Besten rechnen können, und auf meine Stimme zu deiner Beförderung. Gut, mein edler Prinz. Willst du mir dienen? Denn da du so geduldig und standhaft bei dem kahlen Glück des bettelhaften Posthumus ausgehalten hast, so mußt du nach den Regeln der Dankbarkeit auch getreuer Anhänger des meinigen sein. Willst du mir dienen? Ja, ich will. Gib mir deine Hand, hier hast du meinen Beutel! Hast du von deinem vorigen Herrn Kleider in deiner Verwahrung? Ich habe eins in meiner Wohnung, Prinz, dasselbe Kleid, das er trug, als er von meiner Herrin und Gebieterin Abschied nahm. Der erste Dienst, den du mir tun sollst, ist, daß du mir das Kleid holst. Das soll dein erster Dienst sein. Geh! Sogleich, Prinz. Er geht ab. Dich in Milford Hafen treffen! – ein Ding vergaß ich noch zu fragen, ich will gleich daran denken – gerade da, du Schurke Posthumus, will ich dich umbringen. Ich wollte, die Kleider wären erst da. Sie sagte mal (die Bitterkeit davon stößt mir noch immer im Herzen auf), daß sie das bloße Kleid des Posthumus höher achte, als meine eigne, edle, natürliche Person, mitsamt dem Schmuck meiner Eigenschaften. In demselben Kleide will ich ihr Gewalt antun – erst ihn umbringen, und vor ihren Augen; da soll sie meine Tapferkeit sehn, und das wird eine Marter für ihren Hochmut sein. Er auf dem Boden, meine Rede voll Hohn auf seinem toten Leichnam beendigt, – und wenn ich meine Lust gebüßt habe (was ich, wie ich sagte, sie zu quälen, alles in den Kleidern tun will, die sie lobte), will ich sie nach Hofe zurück schlagen, sie mit den Füßen wieder nach Hause stoßen. Es machte ihr eine rechte Freude, mich zu verhöhnen: nun will ich auch in meiner Rache ausgelassen sein. Pisanio kommt mit den Kleidern. Sind das die Kleider? Ja, mein edler Herr. Wie lange ist's, daß sie nach Milford Hafen ging? Sie kann kaum dort sein. Trage diesen Anzug auf mein Zimmer: das ist das zweite Ding, das ich dir befohlen habe; das dritte ist, daß du von Herzen gern von meiner Absicht schweigst. Sei nur dienstbeflissen, und hohe Beförderung wird dir selbst entgegen kommen. – Meine Rache wohnt jetzt zu Milford: ich wollte, ich hätte Flügel, um sie zu verfolgen! Komm, und sei treu! Cloten geht ab. Du rätst mir schlecht: dir treu, das sei mir fern, Das wäre Falschheit an dem treusten Herrn! Nach Milford geh, doch wirst du nimmer schauen, Die du dort suchst. Oh, möge niedertauen Auf sie des Himmels Segen! Diesen Toren Halt' Säumnis auf, sein Mühen sei verloren! Er geht ab. Sechste Szene Sechste Szene Vor Bellarius' Höhle. Imogen tritt auf in Mannskleidern. Ich seh', als Mann zu leben ist beschwerlich: Ich bin ermattet. Schon zwei Nächte war Mein Bett die Erde, und ich würd' erkranken, Hielt' mein Entschluß mich aufrecht nicht. – Milford, Als dich Pisanio mir vom Berge zeigte, Schienst du nicht fern. O Jupiter! Ich glaube, Gebäude fliehn den Unglücksel'gen, solche, Wo er Erquickung sucht. Zwei Bettler sagten, Ich könne fehl nicht gehn: – lügt armes Volk, Das Leiden trägt, und selber weiß, wie schwer Als Züchtigung sie oder Prüfung lasten? Kein Wunder, da kaum wahr der Reiche spricht. Im Überfluß zu sündigen ist schlimmer, Als Lüg' aus Not; und Falschheit zeigt sich böser Im Kön'ge als im Bettler. – Teurer Gatte! Du bist der Falschen einer: dein gedenkend, Vergeht der Hunger; eben wollt' ich noch Verschmachtend niedersinken. – Was ist das? Es führt ein Pfad hinein: welch Haus der Wildnis? Am besten wohl, nicht rufen; nein, ich wag's nicht; Doch macht Verhungern tapfer die Natur, Eh' es sie aufreibt ganz. Der Überfluß Und Friede zeugen Memmen, Drangsal ist Der Keckheit Mutter. – Heda! Wer ist hier? Bist ein gesittet Wesen, sprich; bist wild, Nimm oder gib! – Ganz still? So tret' ich ein. Doch zieh' ich erst mein Schwert, und wenn mein Feind Das Schwert nur fürchtet so wie ich, dann wagt er's Kaum anzusehn. Oh, solchen Feind, ihr Götter! Sie geht in die Höhle. Bellarius, Guiderius und Arviragus treten auf. Du warst der beste Weidmann, Polydor, Und bist des Festes König; ich und Cadwal Sind Koch und Diener: so ist unsre Ordnung; Verderben würd' und sterben Fleiß und Kunst, Errängen sie nicht Vorzug. Kommt, der Hunger Würzt die geringe Mahlzeit. Müdigkeit Schnarcht auf dem Stein, und Trägheit findet hart Das Daunenbett. – Heil dir, du armes Haus, Das selbst sich hütet! Ich bin tüchtig müde. Ich schwach an Kräften, doch im Hunger stark. Im Fels ist kalte Kost; wir nagen dran, Bis unser Wildbret gar. in die Höhle schauend. Halt, nicht hinein! Äß' es von unsern Speisen nicht, so dächt' ich, Eine Elfe wär's. Was gibt es, teurer Vater? Bei Jupiter, ein Engel! Wenn nicht das, Ein irdisch Wunderbild! Seht, Gottheit selbst In eines Knaben Alter! Imogen kommt aus der Höhle. Ihr guten Herrn, o tut mir nichts zu leide! Eh' ich hinein ging, rief ich, und ich dachte Zu betteln oder kaufen, was ich nahm. Weiß Gott, ich habe nichts gestohlen; tat's nicht, Fand ich den Boden auch mit Gold bestreut. Dies Geld hier für mein Essen, legen wollt' ich's Da auf den Tisch, so wie ich nur gesättigt, Im Scheiden betend für den Wirt. Geld, Kind? Eh' werde alles Gold und Silber Kot, Wie's denn auch ist, und dem nur kostbar scheint, Der Kot als Gott verehrt. Ich seh', ihr zürnt: Wißt, wenn ihr mich um mein Vergehen tötet, Ich wär' gestorben, wenn ich's nicht beging. Wo willst du hin? Nach Milford. Wie dein Name? Fidelio. Einen Anverwandten hab' ich, Der sich in Milford einschifft nach Italien; Ich reise zu ihm; fast vor Hunger tot, Fiel ich in diese Sünde. Schöner Jüngling, Halt' uns für Wilde nicht; miß unsern Sinn Nicht nach dem rauhen Wohnort! Sei willkommen! Fast ist es Nacht; du sollst ein beßres Mahl Erhalten, eh' du gehst; und Dank, wenn du Verweilst und speisest! – Grüßt ihn herzlich, Jungen! Wärst du ein Mädchen, würb' ich stark um dich, Doch ehrlich, dir zu dienen. – So viel biet' ich, Als wollt' ich dich erkaufen. Mir sei's Freude, Daß er Mann ist; so lieb' ich ihn als Bruder: – Und wie nach langer Trennung man den Bruder Begrüßt, so grüß' ich dich – herzlich willkommen! Sei froh, du kamst zu Freunden. Ja, zu Freunden! Für sich. Warum nicht Brüder? – Wär's doch so, dann hießen Sie meines Vaters Söhn', ich sänk' im Preis, Und wöge gleich mit dir, mein Posthumus! Ihn drückt ein Kummer. Könnt' ich ihm doch helfen! Und ich; was es auch sei, und was es koste, Gefahr und Müh', ihr Götter! Hört, ihr Kinder! Sie sprechen heimlich. Die höchsten Herrn, Von einem Hof umgeben, räum'ger nicht Als diese Höhle, die sich selbst bedienten, Von solcher Tugend, die versiegelt würde Durch eigenes Gewissen, ganz vergessend Den nicht'gen Prunk der urteilsleeren Menge – Sie überstrahlten nicht die zwei. Ihr Götter! Vertauschen möcht' ich mein Geschlecht, als ihr Genoß, da Leonatus falsch. So sei's! Laßt uns das Wild bereiten! – Komm, mein Knabe, Es spricht sich hungrig schwer; wenn wir gespeist, Befragen wir dich höflich um dein Leben, So viel du sagen magst. Oh, komm herein! Die Nacht ist nicht der Eul', und nicht der Morgen Der Lerche so willkommen. Dank! Tritt ein! Alle ab. Siebente Szene Siebente Szene Rom. Es treten zwei Senatoren und Tribunen auf. Dies ist der Inhalt von des Kaisers Schreiben: Weil die Gemeinen jetzt im Felde stehn, Pannonien und Dalmatien zu bekämpfen, Und die Legionen, die in Gallien liegen, Zu schwach sind, um den Krieg zu führen gegen Die abgefallnen Briten, wird der Adel Für diesen Feldzug aufgerufen. Lucius Ernennt er zum Prokonsul; euch, Tribunen, Erteilt er unumschränkte Vollmacht, schleunig Die Truppen auszuheben. Heil dem Cäsar! Ist Lucius Führer dieses Zuges? Ja. Ist er in Gallien noch? Mit den Legionen, Die ich genannt, die eure Aushebung Ergänzen muß; die Vollmacht nennt euch noch Die Zahl, die euch bestimmt, so wie die Zeit Des Aufbruchs. Schnell sei unsre Pflicht erfüllt! Alle ab. Vierter Aufzug Erste Szene Erste Szene Der Wald bei der Höhle. Cloten tritt auf. Der Platz, wo sie sich treffen sollten, muß hier in der Nähe sein, wenn's Pisanio richtig bezeichnet hat. Wie gut mir seine Kleider passen! Warum sollte seine Geliebte, die von dem gemacht wurde, der den Schneider machte, mir nicht auch passen? Um so mehr, weil man zu sagen pflegt, ein Weib kommt einem zu passe, wenn man ihr aufzupassen weiß, und das ist jetzt meine Sache. Ich mag es mir selbst wohl gestehen (denn es ist keine Eitelkeit für einen Mann, mit seinem Spiegel zu Rate zu gehn; in seinem eignen Zimmer, mein' ich), die Fugen meines Körpers sind so richtig, wie die seinigen; eben so jung bin ich, stärker, stehe nicht unter ihm im Glück, und über ihm in allen Vorteilen der Zeit; bin höher von Geburt, eben so bewandert im allgemeinen Dienst, und preiswürdiger im einzelnen Gefecht: und doch liebt ihn dies eigensinnige Ding mir zum Trotz. Was ist doch der sterbliche Mensch! Dein Kopf, Posthumus, der jetzt noch auf deinen Schultern steht, muß noch diese Stunde herunter; deiner Geliebten wird Gewalt angetan; deine Kleider vor deinen Augen in Stücke gerissen, und wenn das vorbei ist, treibe ich sie mit Fußstößen zu ihrem Vater zurück, der vielleicht etwas böse über mein zu hartes Verfahren sein wird; aber meine Mutter, die seine wunderlichen Launen ganz beherrscht, wird alles zu meinem Besten kehren. Mein Pferd hab' ich angebunden. Heraus, Schwert, zu deinem tödlichen Werk! Fortuna, gib sie in meine Hand! Dies muß gerade der Platz sein, wo sie sich treffen wollten; und der Kerl wagt wohl nicht, mich zu hintergehen. Geht ab. Zweite Szene Zweite Szene Vor der Höhle. Bellarius, Guiderius, Arviragus und Imogen kommen aus der Höhle. Du bist nicht wohl: drum bleib' hier in der Höhle: Wir kommen zu dir nach der Jagd. Bleib', Bruder! Sind wir nicht Brüder? Das sollte Mensch dem Menschen immer sein; Doch gibt sich Staub vor Staub der Hoheit Schein, Ist beider Staub auch gleich. Ich bin recht krank. Geht ihr zum Jagen, ich will bei ihm bleiben. Nein, so krank bin ich nicht! – und doch nicht wohl; Doch solch verwöhnter Städter nicht, der glaubt Zu sterben, eh' erkrankt: drum geht, und laßt mich; Folgt eurem Tagsgeschäft; Gewohnheit stören, Heißt alles stören. Ich bin krank; doch hilft mir Eu'r Bleiben nicht: Gesellschaft ist kein Trost Dem Ungesell'gen; ich bin nicht sehr krank, Ich kann noch drüber reden. Laßt das Haus Mich hüten! Nur mich selbst werd' ich berauben, Und wenn ich sterb', ist's nur ein kleiner Diebstahl. Ich liebe dich, ich hab's gesagt, so innig Wie selbst den Vater nur. Wie! Was ist das? Ist's Sünde, das zu sagen, trag' ich auch Des Bruders Schuld: ich weiß es nicht, warum Ich diesen Jüngling lieb'; Ihr sagtet einst, Der Liebe Grund sei grundlos; wenn die Bahre Hier ständ', und einer müßte sterben, spräch' ich: »Mein Vater, nicht der Jüngling!« für sich. Hohes Streben! O Adel der Natur und großer Ursprung! Schlecht stammt von schlecht, niedrig von niedrig nur, Mehl hat und Kleie, Huld und Schmach Natur: Ich bin ihr Vater nicht, doch wundervoll, Daß mehr als mich man diesen lieben soll! – Es ist des Morgens neunte Stunde. Bruder, Leb wohl! Euch Glück! Dir Beßrung! – Woll'n wir gehn! für sich. Wie freundliche Geschöpfe! Gott, wie lügt man! Der Hofmann sagt, was nicht am Hof, sei wild: Erfahrung, ach, du zeigst ein andres Bild! Das tiefe Meer zeugt Ungeheu'r, indessen Der Bach manch süßen Fisch uns gibt zum Essen. Ich bin wohl krank, recht herzensmatt – Pisanio, Dein Mittel kost' ich jetzt. Nichts bracht' ich 'raus: Er sprach, er sei von Adel, doch im Elend; Unredlich zwar gekränkt, doch redlich selbst. Die Antwort gab er mir; doch sagte dann, Einst würd' ich mehr erfahren. Fort, zum Wald: – Wir lassen Euch indes; ruht in der Höhle! Wir bleiben lang' nicht aus. Und sei nicht krank, Du bist ja unsre Hausfrau. Wohl und übel, Euch stets verbunden. Und das sollst du bleiben. Imogen geht ab. Wie kummervoll der Knab' auch ist, so scheint er Doch edlen Bluts. Wie engelgleich er singt! Und seine Kochkunst – Wurzeln schnitzt er zierlich, Und würzt die Brüh'n, als wäre Juno krank, Und er ihr Pfleger. Und wie lieblich paart er Seufzer mit Lächeln, gleich als wenn der Seufzer Beseufzte, daß er nicht solch Lächeln sei; Als spottete das Lächeln jenes Seufzers, Der aus so holdem Tempel flieht, um sich Mit Sturm zu mischen, den der Seemann schilt. Ich seh' Geduld und Kummer, so verwachsen, Daß sie die Wurzeln in einander schlingen. O wachse du Geduld! Und möchte vom Holunder Gram, dem bösen, Des süßen Weinstocks Wurzel ab sich lösen! 's ist hoch am Tage. Fort! – Doch wer kommt da? Cloten tritt auf. Ich finde die Landstreicher nicht; gehöhnt Hat mich der Schuft: – nun bin ich matt. Landstreicher? Meint er nicht uns? Kenn' ich ihn nicht? – Es ist Cloten, der Kön'gin Sohn. Verrat besorg' ich. Ich sah ihn manches Jahr nicht, und weiß doch, Er ist's: – da vogelfrei wir sind: hinweg! Es ist nur einer ; sucht Ihr mit dem Bruder, Was für Gesellen in der Nähe; geht Mit ihm, laßt mich nur machen! Bellarius und Arviragus ab. Halt! Wer seid ihr, Die vor mir fliehn? Wohl tückische Waldräuber? Man spricht von solchen. – Welch ein Sklav' bist du? Nicht so sehr Sklave, daß ich solchen Gruß Erwidert' ohne Schlag. Du bist ein Räuber, Ein Spitzbub' und ein Schuft: ergib dich, Dieb! Wem? Dir? Wer bist du? Ist mein Arm so stark Wie deiner nicht? Mein Herz nicht ganz so stark? In Worten bist du freilich stärker, denn Ich trage nicht den Dolch im Mund. Wer bist du? Weshalb mich dir ergeben? Niedrer Schuft, Kennst mich an meinen Kleidern nicht? Nein, Schurke! Noch deinen Schneider, deinen Großpapa: Er machte dir das Kleid, das, wie es scheint, Dich macht. Wie, auserlesner Schelm, mein Schneider Hat's nicht gemacht. Fort denn, und danke dem, Der dir's geschenkt! Du bist ein rechter Narr. Mich ekelt's, dich zu schlagen. Bösewicht, Hör' meinen Namen nur, und zittre! Nun? Wie ist dein Name denn? Cloten, du Schurke! Du Doppelschurke! Sei Cloten dein Name, Ich zittre nicht davor; wär's Kröte, Spinne, Das rührte eh' mich. Mehr dich noch zu schrecken, Ja, völlig zu vernichten, sollst du wissen, Ich bin der Kön'gin Sohn. Das tut mir leid; Du scheinst nicht edel, wie dein Stamm. Und noch Fürcht'st du dich nicht? Die ich verehre, fürcht' ich: Die Klugen; über Narren lach' ich nur, Die fürcht' ich nicht. So stirb des Todes denn! Wenn ich mit eignen Händen dich erschlagen, So folg' ich jenen nach, die erst geflohn, Und auf Luds Tore pflanz' ich eure Köpfe. Ergib dich, wilder Räuber des Gebirges! Sie gehn fechtend ab. Bellarius und Arviragus treten auf. Kein Mensch ist weiter dort. Nichts in der Welt: Ihr irrtet Euch in ihm. Ich weiß nicht, lang' ist's her, seit ich ihn sah, Doch keinen Zug des Angesichts von damals Hat Zeit verwischt; dies Stottern seiner Stimme, Dies Sprudeln, wenn er spricht, ist seins: ich bin Gewiß, es ist Cloten. Hier blieben sie: Wird nur mein Bruder nicht von ihm beschädigt! Ihr sagt, er ist so schlimm. Nur dürftig ausgebildet Zum Menschen, mein' ich, nahm er auch nicht wahr, Was Graus und Schrecken sei: so macht der Mangel An Urteil furchtbar oft. Doch sieh, dein Bruder! Guiderius kommt, mit Clotens Kopf. Der Cloten war ein Narr, ein leerer Beutel, Kein Geld darin. Nicht Herkules konnt' ihm Das Hirn ausschlagen, denn er hatte keines; Hätt' ich dies nicht getan, so trug der Narr Jetzt meinen Kopf, wie seinen ich. Was tatst du? Ich weiß wohl, was: ich schlug ab Clotens Kopf, Der Kön'gin Sohn, wie er mir selbst gesagt; Der mich Verräter, Räuber nannt', und schwur, Daß er allein uns all' hier fangen wolle, Abnehmen unsre Köpfe, wo, Gott Lob, Sie stehn, und über Luds Stadt henken. Weh! Wir alle sind verloren. Würd'ger Vater, Was können wir verlieren, als was er Zu nehmen schwur: das Leben? Das Gesetz Beschützt uns nicht: drum, weshalb schwächlich zagen, Wenn ein hochmüt'ger Fleischklotz uns bedroht, Der Richter spielt und Henker, alles selbst, Weil das Gesetz wir fürchten? Von Genossen Wie viele saht ihr? Keine Seele weiter Kann man ersehn; doch muß, vernünft'ger Weise, Gefolge bei ihm sein. Sucht' er auch Ehre Zumeist in stetem Wechsel, ja, und das Vom Schlechten nur zum Schlimmern, konnte doch Verrücktheit, Aberwitz so rasen nicht, Allein hieher zu kommen. Möglich wohl, Wie man am Hof gehört, daß unsers Gleichen, Felswohner jagen hier, als vogelfrei, Und mit der Zeit zur Bande werden könnten: Er hört' es wohl, brach auf (es sieht ihm gleich) Und schwur, uns einzufangen; – doch nicht glaublich, Daß er allein kam: weder wagt' er das, Noch litten sie's; drum fürchten wir mit Grund, Wenn wir den Schweif von diesem Leib für schlimmer Noch halten als das Haupt. Das Unheil komme, Wie Gott es sendet; aber dennoch tat Mein Bruder recht. Ich hatte keine Lust Zu jagen heut; Fidelios Krankheit machte Den Weg mir lang. Mit seinem eignen Schwert, Das gegen meinen Hals er zuckte, schlug ich Den Kopf ihm ab; ich werf' ihn in die Bucht An unserm Fels, er schwimm' ins Meer, und sage Den Fischen, er sei Cloten, Sohn der Königin: Was kümmert's mich! Er geht ab. Ich fürcht', es wird gerächt. O Polydor, hätt'st du s doch nicht getan! Wie sehr dein Mut dich ziert. – Tat ich es lieber, Wenn mich allein die Rache träfe! – Polydor, Dich lieb' ich brüderlich, doch neid' ich dir Die Tat, die du mir nahmst: Vergeltung mag, Kann Menschenkraft ihr widerstehn, uns nur Hier suchen, zur Verantwortung uns ziehn. Nun wohl, es ist geschehn! Heut keine Jagd, laßt uns Gefahr nicht suchen, Wo uns kein Vorteil winkt. Geh in den Fels, Du und Fidelio sind die Köch'; ich warte Hier auf den raschen Polydor, und bring' ihn Zur Mahlzeit gleich. Du armer, kranker Knabe! Gern geh' ich hin. Die Wangen ihm zu röten, Ließ' ich ein ganzes Dorf voll Clotens bluten, Und rühmte mich der Menschlichkeit. Er geht ab. O göttliche Natur, wie herrlich du dich selbst verkündigst In diesen Fürstenkindern! Sie sind sanft, Wie Zephyr, dessen Hauch das Veilchen küßt, Sein süßes Haupt nicht schaukelnd; doch so rauh, Wird heiß ihr Königsblut, wie grauser Sturm, Der an dem Wipfel faßt die Bergestanne Und sie zum Tal beugt. Es ist wundervoll, Wie unsichtbar Instinkt in ihnen bildet Königsgesinnung, ohne Unterricht; Her', ungelehrt; Anstand, gesehn von keinem; Mut, welcher wild in ihnen wächst, und Ernte Gewährt, als wär' er ausgesät! Doch seltsam, Was Clotens Kommen uns bedeuten mag Und was sein Tod uns bringt. Guiderius kommt zurück. Wo ist mein Bruder? Den Strom hinab mag Clotens Klotzkopf treiben, Als Bot' an seine Mutter; Geisel bleibt Sein Leichnam bis zur Wiederkehr. Feierliche Musik in der Höhle. Mein kunstreich Instrument! Horch, Polydor, Es tönt! Doch weshalb spielt es Cadwal jetzt? Horch! Ist er drin? Er ging erst jetzt hinein. Was meint er? Seit der teuren Mutter Tode Erklang es nicht. Nur feierlichem Anlaß Entspricht ein feierliches Tun. Was deutet's? Triumph um nichts und Klag' um Kleinigkeit Ist Affenlust und eitler Knaben Leid. Ist Cadwal toll? Arviragus tritt auf und trägt Imogen wie tot in seinen Armen. Oh, sieh! Da kommt er her, Und trägt der Klage bittern Grund im Arm, Um die wir ihn geschmäht. Tot ist das Vöglein, Das wir so zärtlich pflegten. Lieber wollt' ich Von sechzehn Jahr zu sechzig überspringen, Und kräft'gen Schritt mit matter Krücke tauschen, Als dies erblicken. O du süße Lilie, Nicht halb so schön ruhst du in Bruders Arm, Als da du selbst dich trugst. Melancholie, Wer maß je deine Tiefe? Fand den Boden, Zu raten, welche Küst' am leichtesten Der schwer beladnen Sorg' als Hafen dient? – O du gesegnet Kind! Die Götter wissen, Welch edler Mann du wurdest einst; doch ach! Schwermut dem Tode früh die Pflanze brach! – Wie fand'st du ihn? Starr tot wie jetzt; so lächelnd, Als hätt' ihn eine Flieg' in Schlaf gekitzelt, Nicht wie des Todes Pfeil, den er verlachte, Die rechte Wang' auf einem Kissen ruhend. Wo? Auf dem Grund, die Arme so verschränkt Ich dacht', er schlief; und zog die Nägelschuh' Mir ab, die, schwer, zu laut die Tritte stampften. Er schläft auch nur: ist er verschieden, macht er Sein Grab zum Bett; weibliche Elfen tanzen Um seine Gruft, und Würmer nahn dir nicht. Die schönsten Blumen, Solange Sommer währt und ich hier lebe, Streu' ich auf deine Gruft; dir soll nicht fehlen Die Blume, deinem Antlitz gleich, die blasse Primel, Die Hyazinthe, blau wie deine Adern; Noch Rosenblätter, die, um sie zu preisen, Süß wie dein Atem sind. Rotkehlchen werden Mit frommen Schnabel alles dies dir bringen (O Schande jenem reich gewordnen Erben, Der ohne Denkmal läßt des Vaters Grab!); Auch weiches Moos, wenn Blumen nicht mehr sind, Für deines Leichnams Winterschmuck. Hör' auf, Und spiele nicht in mädchenhaften Worten Mit dem, was ernst ist! Laß uns ihn bestatten, Und nicht verzögern mit Bewund'rung so Die Pflicht! – Zum Grab! Wo legen wir ihn hin? Zur guten Mutter Euriphile. Wohlan! Und laß uns, Polydor, sind unsre Stimmen Gleich männlich rauh schon, ihm das Grablied singen, Wie einst der Mutter; gleiche Wort' und Weise, Nur statt Euriphile Fidelio. Cadwal! Ich kann nicht singen, weinend sprech' ich's mit; Denn Töne, die durch Schmerz verstimmt, sind schlimmer, Als Priesterlug im Tempel. Nun, so sprich es! Ein großer Schmerz heilt kleinern: ihr vergeßt Cloten. Er war doch einer Kön'gin Sohn; Und kam er auch als unser Feind, bedenkt, Er hat's gebüßt; verwest gleich hoch und niedrig Vereint, im selben Staub, so trennt doch Ehrfurcht, Der Engel dieser Welt, den Platz des Mächt'gen Vom Niedern. Unser Feind war Prinz, und nahmt Ihr ihm das Leben gleich als unserm Feind, Bestattet ihn als Fürsten! Holt ihn her, Thersites' Leichnam ist so gut wie Ajax', Sind beide tot. Geht Ihr und bringt ihn her, So sprechen wir das Lied indes. – Fang' an! Bellarius geht ab. Nach Osten, Cadwal, muß sein Antlitz liegen; Der Vater hat 'nen Grund dafür. 's ist wahr. Komm, hilf, hier leg' ihn hin! So, nun fang' an! Lied Fürchte nicht mehr Sonnenglut, Noch des Winters grimmen Hohn! Jetzt dein irdisch Treiben ruht, Heim gehst, nahmst den Tageslohn: Jüngling und Jungfrau goldgehaart, Zu Essenkehrers Staub geschart. Fürstenzorn macht dir nicht Not, Fürchte nicht Tyrannenstreich; Sorge nicht um Kleid und Brot, Eich' und Bins' ist dir nun gleich: König, Arzt und Hochgelahrt, All' in einem Staub gepaart. Fürchte nicht mehr Flammenblitze, Zittre nicht vorm Donnerschlage; Stumpf ist der Verleumdung Spitze; Dir verstummt jetzt Lust und Klage: Jung Liebchen, Liebster, goldgehaart, Wird, so wie du, dem Staub gepaart. Kein Zauberspruch verstör' dich! Nicht Hexenkunst beschwör' dich! Kein irr Gespenst umschwärm' dich! Und nie was Böses härm' dich! Ruhiges Verwesen hier; Ehre, nach dem Tod, sei dir! Bellarius kommt mit Clotens Leiche. Die Feier ist vollbracht: legt den hier nieder! Hier sind auch Blumen – mehr um Mitternacht; Die Kräuter, die der kalte Nachttau feuchtet, Sind bester Schmuck für Gräber. – Auf ihr Antlitz – Ihr wart wie Blumen, jetzt verwelkt, wie diese, Welkt dieses Kraut auch, jetzt entpflückt der Wiese. – Kommt nun, und fern dort werft euch auf die Knie! Die Erde, die sie gab, nahm sie zurück: Hier ist ihr Leid geendet wie ihr Glück. Bellarius, Guiderius und Arviragus gehn ab. indem sie erwacht. Ja, Herr, nach Milford Hafen: dies der Weg? – Ich dank' Euch. – Bei dem Busch? – Wie weit ist's noch? O Jemine! – Kann's noch sechs Meilen sein? – Ich ging die ganze Nacht: nun, ich will schlafen. Doch still! Kein Schlafkam'rad! Oh, all ihr Götter! Sie sieht den Leichnam. Die Blumen sind wohl wie die Lust der Welt, Der blut'ge Mann die Leiden drunter. – Immer Noch Traum, – das hoff' ich. So war mir auch, ich sei ein Höhlenwächter Und Koch für wackre Leute: doch, 's ist nichts, Es ist ein Pfeil, von Nichts auf Nichts geschossen, Den unser Hirn aus Dünsten formt. Selbst Augen Sind manchmal, wie das Urteil, blind. Fürwahr, Ich zittre noch aus Furcht; doch blieb im Himmel Ein kleiner Tropfen Mitleid, winzig, wie Ein Hänflingsaug', – ihr furchtbar'n Götter, davon Ein Teilchen mir! Der Traum bleibt immer noch: Selbst wachend ist er außer mir wie in mir; Nicht vorgestellt, gefühlt. Hauptlos ein Mann! – Das Kleid des Posthumus! Oh, ich erkenne Des Beins Gestalt: und dies ist seine Hand; Der Fuß Merkurs; des Kriegesgottes Schenkel; Herkules' Arm, – doch ach, sein Jovis Antlitz – Im Himmel Mord? – Wie? – Dieses fehlt. – Pisanio, Die Flüche all', die rasend Hekuba Den Griechen schrie, zermalmen dich mit meinen! Du, mit Cloten vereint, dem wilden Teufel, Erschlugst hier meinen Mann! – Sei Schreiben, Lesen Verrat hinfort! – Du höllischer Pisanio! Mit falschen Briefen – höllischer Pisanio! Schlugst du vom schönsten Fahrzeug in der Welt Den Hauptmast ab! – O Posthumus! Weh mir! Wo ist dein Haupt? Wo ist es? Ach! Wo ist es? Pisanio konnte ja dein Herz durchbohren, Ließ er dir nur das Haupt! – Wie war es möglich? Er und Cloten, Bosheit und Habsucht legten Dies Weh hieher. Oh, zu, nur zu gewiß! Der Trank, den er mir gab und köstlich nannte Und herzerquickend, ward er mir nicht mörd'risch, Betäubend? Das bestätigt's noch: Dies ist Pisanios Tat und Clotens. Ach! – Mit deinem Blut schmink' mir die bleichen Wangen, Daß wir so schrecklicher uns denen zeigen, Die uns hier finden. Oh, Gemahl! Gemahl! Es treten auf Lucius, ein Hauptmann, mehrere Anführer und ein Wahrsager. Die gallischen Legionen kreuzten schon Das Meer, wie Ihr befahlt, und harren Euer In Milford Hafen, wo die Schiffe liegen: Sie sind bereit. Was hören wir von Rom? Die Edelleute und die Grenzbewohner Hat der Senat entboten – rasche Geister, Die edlen Dienst verheißen: und sie kommen, Der kühne Jachimo befehligt sie, Siennas Bruder. Doch wann landen sie? Mit nächstem günst'gen Wind. Dies Eilen schafft Uns schöne Hoffnung. Laßt die Truppen mustern, Die hier sind; jeder Führer achte drauf. – Nun, Freund, was träumtest du von diesem Krieg? Die Götter sandten mir die Nacht ein Zeichen, Ich fastete, und betet' um Erleuchtung: Roms Aar, der Vogel Jupiters, entschwebte Vom feuchten Süd zu diesem Teil des West, Wo er im Sonnenlicht verschwand: dies deutet, Ist nicht durch Sündlichkeit mein Schaun getrübt, Den röm 'schen Waffen Glück. Träum' immer so, Und nimmer falsch! – Still, welcher Stamm ist dies, Beraubt des Gipfels? Diese Trümmer sprechen, Dies war ein edler Bau einst. – Seht, ein Page! – Tot oder schlafend auf ihm? Doch wohl tot: Denn die Natur ergraut vor solchem Bette, Bei Abgeschiednen, auf des Todes Stätte. – Laßt mich des Knaben Antlitz sehn! Er lebt. Dann gibt er Kunde von dem Leichnam. – Jüngling, Erzähl' dein Schicksal uns; denn, wie mich dünkt, Ist es des Forschens wert; wer ist's, den du Zu deinem blut'gen Kissen machst? Wer war's, Der, was Natur mit edler Hand gebildet, Zerstören durfte? Wie viel ging dir unter In diesem Schiffbruch? Wie geschah's? Wer ist dies? Wer du? Ein Nichts bin ich, und besser wär' mir, Ein Nichts zu sein. Mein Herr war dieser Mann, Er war ein tapfrer Brit', und liebevoll, Und ist durch Bergbewohner hier erschlagen – Ach! Solchen Herrn gibt's nicht mehr; wandert' ich Von Ost nach West, und weinte laut um Dienst, Fänd' manchen, alle gut, und diente treu, Nie träf ich solchen Herrn. Ach, guter Jüngling! Du rührst mich minder nicht durch deine Klagen, Als durch sein Blut dein Herr: wie war sein Name? Richard du Champ. Für sich. Lüg' ich und schade keinem, Wenn's auch die Götter hören, hoff' ich doch, Verzeihn sie's. – Wie? Dein Name? Herr, Fidelio. Als solchen hast du wahrlich dich bewährt, So treu gesinnt bist du des Namens wert. Willst du's mit mir versuchen? Find'st du gleich So guten Herrn nicht mehr, doch sicher einen, Der dich nicht minder liebt. Ein Brief des Kaisers, Mir vom Senat gesandt, empföhle dich Nicht besser als dein eigner Wert. Komm mit mir! Ich folg' Euch, Herr. Doch erst, gefällt's den Göttern, Berg' ich vor Fliegen meinen Herrn, so tief, Wie diese armen Schaufeln graben können. Hab' ich mit Blum' und Laub die Gruft bestreut, Und hergesagt ein Hundert von Gebeten, Zweimal, wie ich sie weiß, mit Seufzern, Tränen, Verlass' ich seinen Dienst, um Euch zu folgen, Wenn Ihr mich nehmen wollt. Ja, guter Knabe, Und mehr dein Vater als Gebieter sein. – Dies Kind, ihr Freunde, lehrt uns Männerpflicht. Laßt uns den schönsten Rasenfleck erkiesen Und ihm mit Lanz und Speer die Gruft bereiten! Um deinethalb ist er mir lieb, o Knabe – Kommt, hebt ihn auf, bestattet ihn zum Grabe Auf Kriegerart! – Erheitre deinen Blick: Ein tiefer Fall führt oft zu höherm Glück. Alle ab. Dritte Szene Dritte Szene In Cymbelines Palast. Es treten auf Cymbeline, Lords, Pisanio. Fort! Bringt mir Nachricht, wie es mit ihr steht! Ein Fieber um des Sohns Abwesenheit, Ein Wahnsinn, der dem Leben droht – O Himmel, Wie hart schlägst du mich plötzlich! Imogen, Mein größter Trost, dahin; die Königin Liegt auf dem Todesbett; zu einer Zeit, Da Krieg mir schrecklich droht, ihr Sohn verschwunden, So unentbehrlich jetzt: es trifft mich schwer Und hoffnungslos. – Doch du, Gesell, der sicher Um ihre Flucht gewußt, und jetzt dich stellst Wie einer, der nichts weiß, dir wird's erpreßt Durch Folterqual. Mein Leben, Herr, ist Euer, Demütig leg' ich's Euch zu Füßen – doch, Wo meine Herrin ist, ich weiß es nicht, Weshalb sie floh, noch wann sie wiederkehrt; Ich bitt' Eu'r Hoheit, haltet mich für treu! Mein König, Den Tag, als sie vermißt ward, war er hier, Ich steh' für seine Treu', und weiß, er tut, Was Untertanen ziemt. Nach Cloten wird Mit Fleiß und Eifer emsiglich gesucht, Man findet ihn gewiß. Die Zeit ist stürmisch: Für diesmal schlüpfe durch, doch schwebt Verdacht Noch über deinem Haupt. Eu'r Majestät, Die röm'schen Legionen sind gelandet Von Gallien aus, und werden noch ergänzt Durch röm'schen Adel, vom Senat gesandt. Oh, jetzt den Rat der Kön'gin und des Sohnes! Zu viel bricht auf mich ein. Mein edler Fürst, Eu'r Heer ist minder stark nicht als der Feind: Und kommt auch mehr, seid Ihr für mehr gerüstet! Man braucht nur die Armee ins Feld zu stellen, Die eifrig dies begehrt. Ich dank' Euch! Kommt! Begegnen wir der Zeit, wie sie uns sucht! Wir fürchten nicht, was von Italien dräut: Uns quält der nächste Kummer nur. Hinweg! Cymbeline und Lords ab. Kein Wort von meinem Herrn, seit ich ihm schrieb, Daß Imogen erschlagen: das ist seltsam! Auch hör' ich nichts von ihr, die doch mir Nachricht Versprach zu geben; kann auch nicht erfahren, Was aus Cloten geworden: alles dies Macht mich verwirrt. Die Götter mögen helfen! Durch Falschheit bin ich ehrlich, treu durch Untreu'. Im Krieg zeig' ich, wie ich Britannien liebe, Der König rühme selbst mich, fall' ich nicht. Die Zeit mag, was noch dunkel ist, erhellen: Heim bringen steuerlos manch Boot die Wellen. Er geht ab. Vierte Szene Vierte Szene Vor der Höhle. Bellarius, Guiderius und Arviragus treten auf. Der Lärm ist ringsum. Ziehn wir uns zurück! Wo ist des Lebens Lust, verschließen wir's Vor Tat und vor Gefahr? Ja, welche Hoffnung Bringt uns die Flucht? Die Römer morden doch Als Briten uns; wo nicht, so nehmen sie Uns auf als unnatürliche Rebellen, Gebrauchen uns, und morden uns nachher. Kommt höher aufs Gebirg', da sind wir sicher. Wir dürfen nicht zum Königsheer; die Neuheit Von Clotens Tod (wir unbekannt, gemustert Nicht mit dem Volk) bringt uns in Untersuchung, Wo wir gelebt: so zwingt man uns denn ab, Was wir getan, und Eingestehn wird Tod, Verlängt durch Qual. Dies, Vater, ist Befürchtung, Die Euch in solchen Zeiten nicht geziemt, Noch uns genügt. Es ist wohl nicht zu glauben, Daß, hören sie die röm'schen Rosse wiehern, Sehn ihre Lagerfeuer, Aug' und Ohr Geblendet und betäubt durchs Wichtigste, Daß ihnen Zeit noch bleibt, uns zu bemerken, Zu fragen, wer wir sind. Ich bin gekannt Im Heer von manchem dort; so manches Jahr, War Cloten jung auch damals, löscht' ihn nicht Aus dem Gedächtnis mir. Auch ist der König Nicht meines Diensts und eurer Liebe wert; Mein Bann war schuld, daß euch Erziehung fehlte, Daß ihr als Wilde lebtet; alles Glück, Das eure Wiege euch verhieß, verschwand, Daß euch der heiße Sommer bräunt, als Sklaven Ihr schaudern müßt dem Winter. Besser sterben Als so zu leben. Bitte, kommt zum Heer: Mich und den Bruder kennt kein Mensch, Ihr selbst Seid längst vergessen, drum aus aller Sinn, Und niemand fragt nach Euch. Beim Licht der Sonne, Ich muß dahin! Was ist's, daß ich noch nie Sah sterben einen Mann? Kein Blut erblickte, Als feiger Hasen, hitz'ger Gemsen, Hirsche? Daß ich kein Roß bestieg, als eins, das Reiter Nur trug, wie ich bin, solche, deren Ferse Nie Sporn und Eisen ziert'? Ich schäme mich, Die heil'ge Sonne anzuschaun, die Wohltat Des sel'gen Strahls zu haben, und zu bleiben Ein armes Nichts. Beim Himmel, ich will gehn! Wollt Ihr mich segnen, freundlich mich entlassen, So geh' ich froher; wollt Ihr aber nicht, So falle die Gefahr nur dreist auf mich, Durch Römerschwerter! So sag' ich, und Amen! Da ihr so wenig euer Leben achtet, Was soll mit größrer Sorg' ich mein verfallnes Noch schonen? Söhne, auf! Ich geh' mit euch, Und opfert ihr fürs Vaterland das Leben, So sei auch mir solch Todesbett gegeben: – Für sich. Die Zeit scheint lang. Zorn jagt ihr Blut in Flammen, Bis es entströmt und zeugt, woher sie stammen. Alle ab. Fünfter Aufzug Erste Szene Erste Szene Feld zwischen dem römischen und britischen Lager. Posthumus kommt mit einem blutigen Tuche. Ja, blutig Tuch, dich heb' ich auf: denn so Verlangt' ich dich gefärbt. Ihr Ehemänner, Verführ't ihr alle so, wie würde mancher Ein Weib erschlagen, besser, als er selbst, Weil sie ein wenig fehlte! – O Pisanio! Ein guter Diener tut nicht jeden Dienst; Nur was gerecht, ist Pflicht. – Ihr Götter! Straftet Ihr meine Sünden so, dann lebt' ich nicht, Dies anzuregen: zu bereuen ward Geschont die edle Imogen, und mich Verworfnen traf gerechte Rache. Doch Um kleine Schuld entrafft ihr den , aus Liebe, Daß er nicht tiefer falle: andre dürfen Auf Sünde Sünde häufen, schlimmer stets, Und Furcht erregend selbst gesichert bleiben. Doch euch gesellt ist Imogen: tut, wie ihr wollt, Und laßt mein Heil mich im Gehorchen finden! Ich kam mit röm'schen Rittern zu bekämpfen Der Gattin Reich: doch ist's genug, Britannien, Daß deine Fürstin ich erschlug; sei ruhig! Dir geb' ich keine Wunde. Drum, ihr Götter, Hört meinen Vorsatz gnädig an: hier leg' ich Italiens Kleider ab, und hülle mich In brit'sche Bauerntracht: so fecht' ich gegen Das Volk, mit dem ich kam; so will ich sterben. Für dich, o Imogen, ist doch mein Leben, Ja, jeder Atemzug ein Tod; so unbekannt, Gehaßt nicht, noch beklagt, weih' ich mich selbst Dem Untergang. Erkenne kühnern Geist Jedweder Feind, als mein Gewand verheißt! Schenkt, Götter, mir der Leonate Kraft! Die Welt beschämend, will ich jetzt beginnen Den neuen Brauch: schlecht außen, kostbar innen. Geht ab. Zweite Szene Zweite Szene Ebendaselbst. Von einer Seite kommen Lucius, Jachimo und das römische Heer; von der andern Seite das britische Heer, Leonatus Posthumus darunter, als gemeiner Krieger. Sie marschieren vorüber und gehn ab. Kriegsgetümmel. Im Gefecht kommen Jachimo und Posthumus zurück; dieser besiegt und entwaffnet den Jachimo, und geht dann ab. Der Sünden Last in der gequälten Brust Lähmt meine Mannheit; eine Frau belog ich, Die Fürstin dieses Reichs: zur Strafe raubt Die Luft mir alle Kraft: wie konnte sonst Der Kerl, der Ackerknecht, mich so bezwingen Im Ritterkampf? Geerbte Her' und Würde Trag' ich nur als der Schmach und Schande Bürde. Britannien, steht dein Adel diesem Lump Voran, wie er uns Große macht zum Spott, Sind wir kaum Männer, jeder hier ein Gott. Er geht ab. Die Schlacht dauert fort; die Briten fliehen; Cymbeline wird gefangen; Bellarius, Guiderius und Arviragus kommen ihm zu Hülfe. Steht, steht! Des Bodens Vorteil haben wir; Der Paß ist wohlbesetzt: nichts macht uns wanken, Als unsrer Feigheit Schmach. Steht, steht und kämpft! Posthumus kommt und hilft den Briten; sie befreien Cymbeline und gehen ab; dann kommen Lucius, Jachimo und Imogen. Fort, aus dem Haufen, Knab', und rette dich; Denn Freund schlägt Freund, Verwirrung wächst, als wäre Krieg blind und taub. Das macht die frische Hülfe. Das Glück hat seltsam sich gewandt; beizeiten Laßt uns Verstärkung suchen oder fliehn! Alle ab. Dritte Szene Dritte Szene Ein anderer Teil des Schlachtfeldes. Posthumus tritt auf und ein britischer Lord. Kommst du von dort, wo stand sie hielten? Ja. Doch Ihr, so scheint's, kommt von den Flücht'gen. Ja. Kein Tadel drum, denn alles war verloren: Nur Hoffnung auf den Himmel. Der König selbst Fern von den Flügeln, ganz sein Heer durchbrochen, Und nur der Briten Rücken sichtbar, alle In Flucht durch engen Paß; der Feind voll Siegslust, Nach Blut die Zunge lechzend, mehr zur Schlachtung In Vorrat, als er Messer hatte, fällte Die tödlich wund, die leicht berührt, die stürzend Aus bloßem Schreck; so ward der Paß gedämmt Mit Toten, wund im Rücken, Feigen, lebend, Um mit verlängter Schmach zu sterben. Wo War dieser enge Paß? Beim Schlachtfeld dicht, im aufgeworfnen Rasen, Was sich zu Nutz ein alter Krieger machte, – Ein Ehrenmann, das schwör' ich – wohl verdient Er langes Leben und sein Silberhaar Durch diese Tat fürs Vaterland – im Paß, Er mit zwei Knaben (Kindern, mehr geeignet Zu munterm Tanze als zu solchem Morden; Mit Angesichtern wie für Larven, schöner Als die verhüllt Scham oder Reiz bewahren), Schützt' nun den Weg und rief den Flücht'gen zu: »Der brit'sche Hirsch stirbt auf der Flucht, kein Krieger: Zur Hölle rennt, ihr rückwärts Flieh'nden! Steht, Sonst macht ihr uns zu Römern, und wir schlachten Wie Vieh euch, die ihr viehisch lauft; euch rettet Ein zornig Rückwärtsschauen; steht, o steht!« – Die drei, dreitausend durch Vertraun, und wahrlich, Nicht minder waren sie's durch Kraft und Tat (Drei Helden sind das Heer, wenn alle andern Ein Nichts sind), mit dem Worte: »Steht, o steht!«, Begünstigt durch den Platz, doch mehr noch zaubernd Durch eignen Adel (der wohl wandeln konnte Zum Speer die Kunkel), entflammten matte Blicke, Halb Scham, halb muterneut; und manche, feige Durchs Beispiel nur (oh, eine Sünd' im Kriege, Verdammt im ersten Sünder!), wandten um Auf ihrem Weg, und schäumten, Löwen gleich, Dem Jägerspieß entgegen. Da entstand Ein Anhalt der Verfolgung, Rückzug; schnell Verwirrung, Niederlage: – die als Adler Daher gestürmt, entfliehn als Tauben; Sklaven, Wo sie als Sieger prangten; unsre Memmen (Wie Brocken auf bedrängter Seefahrt) wurden Nun Lebensrettung in der Not; die Hintertür Der unbewachten Herzen offen findend, O Himmel, wie nun hieben sie! Auf schon Erschlagne, Sterbende, auf Freunde, die Die vor'ge Woge überwälzte: zehn, Die einer jagte; jeder ist nun jetzt Von zwanzigen der Schlächter: die eh'r sterben Als kämpfen wollten, sind des Felds Entsetzen. Wie sonderbar: Ein enger Paß! Zwei Knaben und ein Greis! Nicht wundert Euch! Ihr staunt wohl lieber, hört Ihr Von Taten, als Ihr selber welche tut. Wollt Ihr's im Reim, als Spottgedicht? So klingt's: Zwei Knaben und ein Greis, zweimal so alt als beide, Ein Paß, ward uns zum Hort, dem Feind zum Leide. Nun, seid nicht böse! So war's nicht gemeint. Wer vor dem Feind nicht steht, dem bin ich Freund: Denn, tut er seiner Art nach, sicherlich Läßt er auch meine Freundschaft bald im Stich. Ich komm' ins Reimen schon. Geht, Ihr seid böse. Geht ab. Doch gehn? Das heißt ein Lord! O Adelsheld! Fragt in der Schlacht, wie's um die Schlacht bestellt! Wie mancher heut gab seine Ehre preis, Den Leichnam nur zu retten! Lief davon, Und starb doch! Ich, durch Schmerzen fest gemacht, Fand nicht den Tod, wo ich ihn ächzen hörte; Fühlt' ihn nicht, wo er schlug; ein Untier, scheußlich Seltsam, verbirgt er sich im lust'gen Becher, Im sanften Bett und süßen Wort; hat mehr Bedient' als wir, die seine Klingen zücken. Sei's, dennoch find' ich ihn: Denn, wie ich jetzt den Briten beigestanden, Bin ich nicht Brite mehr und nehme wieder Das Kleid, in dem ich kam. Er wechselt die Kleider. Nicht fecht' ich mehr, Ich gebe mich dem schlechtsten Bauer, der Mich nur berührt. Groß ist der Mord, den hier Der Römer angestellt; schwer muß sich rächen Der Brite. Ich – mein Lösegeld sei Sterben, Um Tod wollt' ich auf beiden Seiten werben; Denn länger soll er mir nicht widerstehn, Und so vollend' ich's denn für Imogen. Es kommen zwei britische Hauptleute und Soldaten. Dank allen Göttern! Lucius ist gefangen: Man hält die Knaben und den Greis für Engel. Ein vierter Mann war noch, im schlechten Rock, Der auch den Feind zurücktrieb. So erzählt man; Doch alle sind verschwunden. – Halt! Wer bist du? Ein Römer, Der nicht hier um sich triebe, hätten andre Wie er getan. Legt Hand an ihn; ein Hund! Es soll kein Bein zurück nach Rom und sagen, Wie hier die Kräh'n sie hackten. Er stolziert, Als wär' er Großes; bringt ihn hin zum König! Cymbeline tritt auf mit Gefolge; Bellarius, Guiderius, Arviragus und römische Gefangne. Die Hauptleute führen Posthumus vor Cymbeline, welcher ihn einem Kerkermeister übergibt; darauf gehn alle ab. Vierte Szene Vierte Szene Gefängnis. Posthumus tritt auf mit zwei Kerkermeistern. Jetzt stiehlt Euch keiner, Ihr seid angeschlossen; Grast, wenn Ihr Weide habt. Ja, oder Hunger. Sie gehn beide ab. O seid willkommen, Ketten! Denn ihr führt, Hoff' ich, zur Freiheit: ich bin weit beglückter Als einer, den die Gicht plagt; weil der lieber Möcht' ewig seufzen, als geheilt sich sehn Durch Tod, den sichern Arzt; er ist der Schlüssel, Der diese Eisen löst. Oh, mein Gewissen! Du bist gefesselt mehr als Fuß und Hand. Schenkt, güt'ge Götter, mir der Büßung Mittel, Den Riegel aufzutun, dann, ew'ge Freiheit! Genügt's, daß es mir leid tut? So sänft'gen Kinder wohl die ird'schen Väter; Gnäd'ger sind Götter. Soll ich denn bereun? Nicht besser kann's geschehen als in Ketten, Erwünscht, nicht aufgezwängt: – genug zu tun, Ist das der Freiheit Hauptbeding? So schreibt Nicht härtre Pfändung vor, nehmt nur mein alles! Ihr habt mehr Mild' als gier'ge Menschen, weiß ich, Die 'n Drittel vom bankrutten Schuldner nehmen, Ein Sechstel, Zehntel, daß am Abzug wieder Er sich erhole; das begehr' ich nicht: Fürs teure Leben Imogens nehmt meins, Und gilt's auch nicht so viel, ist's doch ein Leben. Ihr prägtet es; man wägt nicht jede Münze, Man nimmt auch leichtes Stück des Bildes wegen; Ihr um so eher mich, als euren Stempel: So, ihr urew'gen Mächte, Nehmt ihr den Rechnungsschluß, so nehmt mein Leben, Und reißt entzwei den Schuldbrief! Imogen! Ich spreche jetzt zu dir im Schweigen. Er schläft ein. Feierliche Musik. Als Geistererscheinung treten auf Sicilius Leonaius, der Vater des Posthumus, ein Greis in kriegerischem Schmuck; er führt eine Matrone an der Hand, seine Gattin, die Mutter des Posthumus. Ihnen folgen die jungen Leonate, des Posthumus Brüder, mit offnen Wunden, wie sie in der Schlacht fielen. Sie stellen sich rings um den schlafenden Posthumus. Du Donnerschleud'rer, kühle nicht Am schwachen Wurm den Mut: Den Mars bedräu' und Juno schilt', Die eifersücht'ge Wut Zur Rache treibt. War nicht mein Sohn stets fromm und rein, Des Blick mir nie gelacht? Denn als ich starb, hatt' ihn Natur Noch nicht ans Licht gebracht. Als Vater (sagt man doch, du sollst Der Waisen Vater sein) Warum nicht schirmst und rett'st du ihn Von dieser ird'schen Pein? Lucina half mir nicht, ich starb Schmerzvoll, noch im Gebären: Mir Posthumus entschnitten ward; Zu Feinden kam mit Zähren Das arme Kind. Ihn schuf Natur, den Ahnen gleich, So männlich, stark und groß, Und er erwarb den Preis der Welt, Als des Sicilius Sproß. Und als er nun zum Mann gereift Im mächt'gen Britenland, War keiner ihm an Tugend gleich, Weshalb er Gnade fand Vor Imogen, die seinen Wert, Sein edles Herz erkannt. Was ward durch Eh'glück er gehöhnt, Verbannt zu sein mit Schmerz, Geraubt ihm Leonatus' Gut Und der Geliebten Herz, Der süßen Imogen? Was litt'st du, daß ihn Jachimo, Italiens eitler Tor, In eifersücht'gen Wahn verstrickt, Daß er den Sinn verlor; Daß fremdes Bubenstück ihm Hohn Und Törung aufbeschwor? Drum kommen Vater, Mutter aus Der Sel'gen Heiligtum, Und wir, die für das Vaterland Gefallen sind mit Ruhm, Verfechtend des Tenantius Recht Im echten Rittertum. Mit gleichem Mut zog Posthumus Für Cymbeline das Schwert: Was hast du, Götterfürst, ihm nicht Verdienten Lohn gewährt? Und was er würdiglich erwarb In Leid und Schmerz verkehrt? Tu' dein kristallnes Fenster auf; Schau her; hör' unser Flehn: Laß nicht so alten, edeln Stamm Durch deinen Grimm vergehn! O Jupiter, mein Sohn ist fromm, Drum lös' ihm diese When! Schau aus dem Marmorhaus und hilf – Wir armen Geister schrein Sonst gegen dich zum Götterrat, Daß sie uns Hülfe leihn. Hilf, wir verklagen sonst dich selbst, Willst du gerecht nicht sein. Jupiter steigt mit Donner und Blitz herab, auf einem Adler sitzend; er schleudert einen Blitzstrahl. Die Geister fallen auf die Kniee. Schweigt, schwache Schatten ihr vom niedern Sitz, Betäubt mein Ohr nicht, still! – Wie wagt ihr, Geister, Den Donn'rer zu verklagen, dessen Blitz, Rebell'n zerschmetternd, kenntlich macht den Meister? Elysiums leichte Schatten, fort, und ruht Auf eurer nie verwelkten Blumenflur! Kein irdisches Geschick trüb' euren Mut; Ihr wißt, nicht eure Sorg' ist's, meine nur. Den hemm' ich, den ich lieb'; es wird sein Lohn Verspätet süßer nur. Traut meiner Macht; Mein Arm hebt auf den tief gefallnen Sohn, Sein Glück erblüht, die Prüfung ist vollbracht. Mein Sternlicht schien, als er zur Welt geboren, Mein Tempel sah den Eh'bund. – Auf und schwindet! – Ihm ist nicht Fürstin Imogen verloren, Und durch dies Leid wird mehr sein Glück begründet. Dies Täflein legt auf seine Brust; aus Huld Spricht hier sein Schicksal unser Wohlgefallen; Und so hinweg, daß meine Ungeduld Nicht aufwacht, hör' ich solche Klagen schallen! – Auf, Aar, zu meinen kristallin'nen Hallen! Er steigt wieder hinauf. Er kam im Donner; und sein Götterhauch War Schwefeldampf; der heilige Adler stieg Mit Dräun hernieder; doch sein Aufschwung ist Süß wie Elysiums Flur: der Königsvogel Spreizt seine ew'gen Schwingen, wetzt den Schnabel, Als wär' sein Gott vergnügt. Dank, Jupiter! Die Marmorwölbung schließt sich, er erreicht Sein strahlend Götterhaus – Fort! Uns zum Heil Vollbringt sein großes Machtgebot in Eil'! Die Geister verschwinden. Posthumus erwacht. O Schlaf, du warst mein Ahnherr, und erzeugtest Den Vater mir – auch meine Mutter schufst du, Mein Brüderpaar: doch höhnend nur, verloren! Schon abgeschieden, als sie kaum geboren, So nun erwacht. – Armsel'ge, die sich stützen Auf Gunst der Großen, träumen, wie ich träumte; Erwachen, finden nichts. – Doch, leerer Dunst! Mancher hat nicht Verdienst noch Traumesgunst, Und wird bedeckt mit Lohn; so wird mir hie, Ich finde goldnes Glück und weiß nicht wie. Was hausen hier für Feen? Ein Buch? Oh, Kleinod! Sei nicht wie unsre Stutzerwelt, ein Kleid Edler, als der es trägt: laß deinen Inhalt Auch golden sein, ganz ungleich jetz'gem Hofmann: Halte, was du versprichst: Er liest. »Wenn eines Löwen Junges, sich selbst unbekannt, ohne Suchen findet, und umarmt wird von einem Stück zarter Luft; und wenn von einer stattlichen Zeder Äste abgehauen sind, die, nachdem sie manches Jahr tot gelegen haben, sich wieder neu beleben, mit dem alten Stamm vereinen und frisch empor wachsen: dann wird Posthumus' Leiden geendigt, Britannien beglückt und in Frieden und Fülle blühend.« Noch immer Traum, wo nicht solch Zeug wie Tolle Verstandlos plaudern: beides, oder nichts: Entweder sinnlos Reden, oder solch Gerede, Das Sinn nicht kann enträtseln. Sei's, was immer, Dem Irrsal meines Lebens ist es gleich, Der Sympathie halb will ich es bewahren. Die Kerkermeister kommen zurück. Kommt, Herr, seid Ihr für den Tod gar gemacht? Beinah' schon zu hart gebraten: gar schon lange. Hängen ist die Losung; wenn Ihr dafür gar seid, so seid Ihr gut gekocht. Wenn mich also die Zuschauer wohlschmeckend finden, so zahlt das Gericht die Zeche. Eine schwere Rechnung für Euch, Herr; aber der Trost ist, Ihr werdet nun nicht mehr zu Zahlungen gefodert werden, keine Wirtshausrechnung mehr zu fürchten haben, die oft das Scheiden betrübt macht, wie sie erst die Lust erweckte. Ihr kommt schwach an, weil Ihr der Speise bedürft, und geht taumelnd fort, weil Ihr ein Glas zu viel getrunken habt: traurig, weil Ihr zu viel ausgegeben: traurig, weil Ihr zu viel eingenommen habt: Kopf und Beutel leer: der Kopf um so schwerer, weil er zu leicht ist, der Beutel um so leichter, weil ihm seine Schwere abgezapft ist. Oh! Aller dieser Widersprüche werdet Ihr nun los. – O über die Menschenliebe eines Pfennigstricks! Tausende macht er in einem Augenblicke richtig: es gibt kein besseres Debet und Kredit als ihn; er quittiert alles Vergangene, Jetzige und Zukünftige – Euer Hals ist Feder, Buch und Rechenpfennig; und so folgt der völlige Abschluß. Ich bin freudiger zu sterben, als du zu leben. Wahrhaftig, Herr, wer schläft, fühlt kein Zahnweh; aber einer, der Euren Schlaf schlafen sollte, wobei der Henker ihm ins Bett steigen hilft, ich denke, der tauschte gern seinen Platz mit seinem Aufwärter: denn seht, Ihr wißt noch nicht, welches Weges Ihr gehen werdet. O ja, Freund, ich weiß es wohl. Nun, dann hat Euer Tod Augen im Kopf; so Habe ich ihn noch nicht gemalt gesehen: Ihr müßt Euch entweder von denen führen lassen, die behaupten, den Weg zu kennen, oder Ihr müßt Euer eigner Führer sein, da ich doch weiß, Ihr kennt den Weg nicht: oder Euch auf eigne Gefahr über alle diese Untersuchungen hinwegsetzen: und wie es Euch am Schluß gerät, – nun, ich denke, Ihr kehrt niemals zurück, um irgendeinem das zu erzählen. Ich sage dir, keinem fehlen die Augen, ihn auf dem Wege zu leiten, den ich jetzt gehen werde, als solchen, die die Augen zudrücken und sie nicht gebrauchen wollen. Welch ein Tausend Spaß wär' das, daß ein Mensch den besten Gebrauch seiner Augen hätte, um den Weg der Blindheit zu sehen! Ich bin gewiß, Hängen ist der Weg, die Augen zuzudrücken. Ein Bote tritt auf. Nehmt ihm die Fesseln ab, und führt Euren Gefangenen zum König! Du bringst gute Botschaft; – ich werde zur Freiheit gerufen. Dann will ich mich hängen lassen. Dann wirst du freier sein als ein Schließer; für den Toten gibt es keine Riegel. Posthumus geht mit dem Boten ab. Wenn einer einen Galgen heiraten wollte, um junge Kniegalgen zu erzeugen, könnte er nicht versessener drauf sein wie der. Doch auf mein Gewissen, es gibt noch größere Schurken, die zu leben wünschen, mag dieser auch ein Römer sein: – und unter ihnen gibt es auch welche, die gegen ihren Willen sterben; wie ich tun würde, wenn ich einer wäre. Ich wollte, wir wären alle einer Gesinnung, und die eine Gesinnung wäre gut; oh! Dann würden alle Kerkermeister und Galgen aussterben! Ich spreche gegen meinen jetzigen Vorteil; aber mein Wunsch schließt eine Beförderung ein. Er geht ab. Fünfte Szene Fünfte Szene In Cymbelines Palast. Es treten auf Cymbeline, Bellarius, Guiderius, Arviragus, Pisanio, Lords, Krieger und Gefolge. Steht mir zur Seit', ihr, die die Götter sandten Als Stützen meines Throns! Es quält mein Herz, Daß jener Arme, der so herrlich focht, Des Kittel goldne Rüstungen beschämte, Des nackte Brust sich vordrang erznen Panzern, Nicht kann gefunden werden: der sei glücklich, Der ihn entdeckt – kann unsre Huld beglücken. Nie sah ich solchen Heldenzorn in so Armsel'gem Bild; solch fürstlich Tun in einem, Der nur geboren schien für Bettlerangst. Und weiß man nichts von ihm? Man sucht' ihn unter Lebenden und Toten, Doch fand man keine Spur. Zu meinem Kummer Bin ich der Erbe seines Lohns; und füge Ihn euch noch zu, Herz, Leber, Hirn Britanniens: Durch euch ja lebt es nur. Jetzt ist es Zeit, Zu fragen, wo ihr herstammt – sprecht! Mein König, Aus Cambria gebürtig sind wir, adlig: Unschicklich wär' und unwahr, mehr zu rühmen; Nur daß wir ehrlich, sag' ich noch. Kniet nieder Steht auf als meine Ritter von der Schlacht: Ihr seid hiermit die Nächsten im Gefolge, Und Würden geb' ich, eurem Stand geziemend. Cornelius kommt mit den Hofdamen. Eil' spricht aus aller Blick: – Warum so traurig Begrüßt ihr unsern Sieg? Ihr blickt gleich Römern, Nicht wie vom brit'schen Hof. Heil, großer König! Dein Glück zu trüben, muß ich dir den Tod Der Kön'gin melden. Wem steht solche Botschaft Wohl schlechter als dem Arzt? Doch wissen wir, Arznei verlängt das Leben wohl, doch rafft Der Tod zuletzt den Arzt auch hin. – Wie starb sie? Im Wahnsinn, schauderhaft, wie sie gelebt; Grausam der Welt im Leben, starb sie auch Grausamen Todes. Was sie hat bekannt, Meld' ich, wenn Ihr befehlt; und diese Frauen, Sie mögen, irr' ich, mich der Lüge zeihen; Sie sahen, feuchten Blicks, ihr Ende. Sprich! Zuerst bekannte sie, sie liebt' Euch nie; Durch Euch erhöht sein war ihr Ziel, nicht Ihr; Nur Eurem Thron war sie vermählt als Gattin, Euch selber hassend. Sie nur konnt' es wissen: Und sprach sie's sterbend nicht, so glaubt' ich's nimmer Selbst ihren eignen Lippen. Fahre fort! Und Eure Tochter, der sie trügerisch So große Liebe zeigte, sie bekannt' es, War ein Skorpion im Aug' ihr; und sie wollte – Nur daß die Flucht sie hinderte – mit Gift Ihr Leben tilgen. O du list'ger Teufel! Wer kann ein Weib durchschau'n? – Weißt du noch mehr? Und Schlimmres. Sie gestand, daß sie für Euch Ein tödlich Mittel habe, das, genommen, Minutenweis' am Leben zehrt und langsam Euch zollweis' töten sollt', indessen sie, Durch Wachen, Weinen, Pfleg' und Zärtlichkeit, Durch falschen Schein Euch täuschte – ja die Zeit, Indem ihr Mittel auf Euch wirkte, nützte, Um ihrem Sohn die Krone zu versichern. Da nun ihr Zweck durch sein Verschwinden fehl schlug, Erfaßte sie schamlos Verzweifeln; Menschen Und Gott zum Trotz, gestand sie ihre Absicht; Bereute, daß das Unheil nicht gereift, Und starb in Wut. Ihr Frau'n vernahmt dies auch? So ist es, hoher König. Meine Augen Sind ohne Schuld, denn sie war schön; mein Ohr, Das sie mit Schmeichelei erfüllt; mein Herz, Das ihrem falschen Schein getraut; nur Laster Konnt' Argwohn fassen: – aber, o mein Kind! Daß ich ein Tor gewesen, darfst du sagen, Dein Unglück hat's bestätigt. Hilf uns, Himmel! Es treten auf Lucius, Jachimo, der Wahrsager und mehrere römische Gefangene mit Wachen; Posthumus und Imogen zuletzt. Jetzt kommst du nicht, Tribut zu fodern, Cajus; Den hat Britannien ausgetilgt, wenn auch Durch manches Tapfern Tod; und deren Freunde Verlangen Sühnung ihrer Geister durch Die Tötung der Gefangnen, was ich ihnen Bewilligt: So erwäge dein Geschick! Bedenk' des Krieges Wechsel! Nur durch Zufall War dein der Sieg; und wär' er uns geworden, Bedräuten wir mit kaltem Blute nicht Die Kriegsgefangenen. Doch da die Götter Es also wollten, daß nur unser Leben Als Zahlung gilt, so mag es sein: – man weiß, Ein Römer kann mit Römerherzen dulden – Augustus lebt, und rächt es einst: – so viel, Was mich betrifft. Dies eine nur will ich Von Euch erbitten: Nehmet Lösung an Für meinen Knaben, dieses Landes Sohn; Kein Herr hatt' einen Pagen je, so sanft, So pflichtergeben, aufmerksam und fleißig, So allerwege treu, so weiblich pflegsam: Mag sein Verdienst mit meiner Bitte sprechen, Ihr könnt sie, edler König, nicht versagen; Er kränkte keinen Briten, war er Diener Auch eines Römers: – ihn verschont, und spart Kein Blut sonst! Sicher hab' ich ihn gesehn; Sein Antlitz ist mir wohlbekannt. – Mein Knabe, Es hat dein Blick sich mir ins Herz gesenkt, Und du bist mein. – Mich treibt's, ich weiß nicht wie, Zu sagen, lebe! – dank' nicht deinem Herrn – Und fodre, was du willst, von Cymbeline: Ziemt's meiner Güt' und deinem Stand, gewähr' ich's; Ja, wenn du auch von den Gefangnen foderst Den edelsten. In Demut dank' ich Euch. Nicht bitt' ich, daß du sollst mein Leben fodern; Doch weiß ich, liebes Kind, du wirst. Ach nein: Um ganz was anders handelt sich's; da seh' ich Mir Schlimmres noch als Tod: dein Leben, guter Herr, Muß selbst sich umtun. Mich verschmäht der Knabe, Verläßt, verspottet mich – wie schnell verschwindet Ein Glück, das sich auf Knab' und Mädchen gründet! – Was steht er so betäubt? Was willst du, Knabe? Mehr lieb' ich dich und mehr; denk' mehr und mehr, Was du gern hättest. Kennst du, den du anschaust? Willst du sein Leben? Ist's dein Freund? Verwandter? Er ist ein Römer, mir nicht mehr verwandt, Als ich Eu'r Hoheit; doch ich steh' Euch näher Als Untertan. Was schaust du ihn so an? Ich sag's Euch im geheim, wenn Ihr geruht, Mich anzuhören. Ja, von ganzem Herzen, Und bin für dich ganz Ohr. Wie ist dein Name? Fidelio, Herr. Du bist ein wackrer Knabe; Mein Page, ich dein Herr: komm und sprich frei! Cymbeline und Imogen sprechen heimlich. Ist er vom Tod erstanden, dieser Knabe? Ein Sandkorn sieht dem andern nicht so gleich: Das ros'ge Kind, Fidelio, welches starb – Was meint Ihr? Ganz dasselbe Wesen lebend. Still! Er sieht uns nicht an; seid ruhig, wartet! Wohl gleichen Menschen sich, und wenn er's wäre, So spräch' er auch mit uns. Wir sahn ihn tot. Schweigt, warten wir es ab! für sich. 's ist meine Herrin! Nun, da sie lebt, mag kommen, was da will, Gut oder schlimm! Komm, stell' dich neben mich, Tu' deine Fragen laut! – Du da, tritt vor, Gib Antwort diesem Knaben und sprich frei; Sonst, bei der Majestät und ihrer Gnade, Der wir uns rühmen, sollen schwere Foltern Wahrheit und Lüge scheiden. – Sprich zu ihm! Ich bitte, daß der Edelmann uns sage, Wer ihm den Ring gab. für sich. Was kann ihn das kümmern? Der Diamant an deinem Finger, sprich, Wie ward er dein? Du wirst mich foltern, daß ich das nicht sage, Was ausgesprochen selbst dich foltert. Mich? Erwünscht ist mir der Zwang, das auszusprechen, Was mich im Schweigen quält. Durch Schurkerei Ward mir der Ring, einst Leonatus' Kleinod, Den du verbanntest; und (dies pein'ge dich Mehr als mich selbst!) nie lebt' ein beßrer Mann Auf weiter Erde. Willst du mehr noch hören? Das Nötige. Der Engel, deine Tochter, Um die mein Herz Blut weint, und, an sie denkend, Mir Pein die Kraft raubt – Weh! Ich sinke nieder – Mein Kind! Was ist mir ihr? Ermanne dich: Eh' sei dir Leben, bis Natur es endet, Als daß du schweigend stirbst: frisch auf, und rede! Zu einer Zeit (unselig war die Glocke, Die jene Stunde schlug!) in Rom (verflucht Das Haus!) bei einem Fest (oh, waren Gift Die Speisen! Mindestens, die ich genoß!) Der gute Posthumus – (gut, sag' ich? Freilich, Zu gut, mit bösen Menschen zu verkehren; War er doch selbst bei Auserwählten, Höchsten, Der Beste aller!) ernsthaft saß er, hörte, Wie die Geliebten unsers Lands wir priesen, Um Schönheit, die den höchsten Schwung erlahmte Des, der am besten sprach; und um Vollendung, Daß Venus und Minerva ward verdunkelt, Bildwerke die Natur beschämen; und Um Geistesadel; alle Wundergaben, Um die man Weiber liebt (der Reiz beseitigt Des Herzens Angel, der die Augen trifft) – Es brennt der Boden mir. Laß mich's erfahren! Zu bald, wenn du nicht bald dir Kummer wünschest. – Er, Posthumus, in Liebe hochgesinnt, Fürstlich geliebt, sprach nun in solcher Würde, Und nicht mißpreisend, die wir priesen (darin Wie Tugend mild), begann er seiner Herrin Gemälde, das, wie seine Zung' es schuf, Und ihm dann Seele gab, uns prahlen hieß Von Küchenmägden, oder seine Schilderung Zeigt' uns als Blödsinn, dem die Rede fehlt. Zur Sache; schnell! Die Keuchheit Eurer Tochter – hier beginnt's – Er sprach, als hätte Diana üpp'ge Träume, Und sie allein sei kalt: worauf ich, Bube, Sein Lob verhöhnt', und mit ihm Wette spielte, Goldsummen gegen das, was damals trug Sein ehrenvoller Finger, durch Verführung Und seine Schmach den Ring hier zu gewinnen, Durch Ehebruch mit ihr; er, echter Ritter, Der ihrer Ehre minder nicht vertraute, Als ich sie wahrhaft fand, setzt' diesen Ring, Und hätt's getan, war's ein Karfunkel auch An Phöbus' Rad; und konnt' es sicher, galt's Den Wert ganz des Gespanns. Fort, nach Britannien Eil' ich deshalb – Ihr mögt Euch wohl erinnern Am Hofe mein, wo Eure keusche Tochter Den großen Unterschied von Lieb' und Unzucht Mir lehrte. So, im Hoffen, nicht im Wünschen Erstickt, fing an mein welsches Hirn zu wirken In Eurer schweren Luft, höchst niederträchtig, Doch herrlich meinem Nutzen. Und, in Kürze: Durchaus gelang mein Kunststück, daß ich kehrte Mit Scheinbeweisen, g'nug, um toll zu machen Den edlen Leonatus, schwer verwundend Sein fest Vertraun in ihrer Tugend Ruhm, Durch die und jene Zeichen: ich beschrieb Gemälde, Tepp'che, zeigt' ihr Armband ihm (O List, die mir's gewann!), und nannt' ein heimlich Merkmal an ihrem Leib. Er mußte glauben, Vernichtet sei'n die Pflichten ihrer Keuschheit, Und ich Besitzergreifer. Nun hierauf – Mich dünkt, ich seh' ihn jetzt – hervortretend. Ja, also ist's, Du welscher Teufel! – Weh! weh mir leichtgläub'gem Toren! Ausbünd'gem Mörder, Dieb, ja alles, was Nur Bösewichter schimpft der Vorzeit, Gegenwart Und Zukunft! – Gebe Strick mir, Messer, Gift Ein biedrer Richter! König, sende fort Nach ausgesuchten Foltern: ich bin der, Der alles, was die Welt verabscheut, adelt, Da weit verworfner ich! Ich bin der Posthumus, Der dir dein Kind erschlug! – O nein, ich lüge bübisch: Der einem schuft'gern Buben als ich selbst, 'nem kirchenräuberischen Dieb den Mord befahl; – Der Tugend Tempel war sie, nein, die Tugend selbst. Wirf Stein' und Kot auf mich, und spei' mich an; Laß hetzend auf mich los der Straßen Hunde, Geschimpft sei jeder Bube Posthumus, Und jede andre Büberei sei Ruhm! – O Imogen! Mein Weib, mein Leben, meine Königin! O Imogen! Imogen! Still, Herr, hört – Ist hier ein Schauspiel? Du vorwitz'ger Page, Da liegt deine Rolle! Er schlägt sie, sie fällt hin. Helft, ihr Herrn! Helft mein und eurer Fürstin! – Posthumus! Erst jetzt erschlugst du Imogen: – helft, helft! O teure Fürstin! Dreht die Welt sich um? Wie kommt der Schwindel mir? Erwacht, Prinzessin! Ist dies, so wollen mich die Götter töten Mit Todesfreuden! Wie geht es, Fürstin? Geh mir aus den Augen, Du gabst mir Gift. Fort, du heimtück'scher Mensch! Und atme nicht, wo Fürsten sind! Es ist Die Stimme Imogens! Gebieterin, Zerschmettern mich der Götter Donnerkeil', Wenn ich das Fläschchen nicht, das ich Euch gab, Für heilsam hielt: mir gab's die Königin. Noch etwas Neues? Mir war's Gift. O Himmel! Eins, was die Kön'gin noch gestand, vergaß ich, Das rettet deine Ehre: »Gab Pisanio«, Sprach sie, »das Fläschchen seiner Herrin, das Ich als Arznei ihm schenkt', ist sie bedient, Wie Ratten man bedient.« Wie das, Cornelius? Die Königin, mein Fürst, drang oft in mich, Ihr Gift zu mischen; Trieb nach Wissenschaft Gab sie stets vor und sprach, sie wolle töten Nur niedrige Geschöpf', als Katzen, Hunde, Die man nicht schont; ich, fürchtend, daß ihr Anschlag Auf Größres ziele, mischt' ihr einen Trank, Der, eingenommen, augenblicklich hemmt Die Lebensgeister; doch nach kurzer Zeit Erwachen alle Kräfte der Natur Zum vor'gen Dienst. – Habt Ihr davon genommen? Gewiß; denn ich war tot. Seht, meine Söhne, Daher der Irrtum. Ja, es ist Fidelio. Wirfst du so weg dein angetrautes Weib? Denk', daß du auf 'nem Felsen stehst, und wirf Mich wieder fort! Sie umarmt Posthumus. Häng' hier als Frucht, mein Leben, Bis der Baum stirbt! Wie nun, mein Fleisch, mein Kind, Machst du zum Gaffer mich in diesem Spiel? Hast du kein Wort für mich? vor ihm knieend. Herr, Euren Segen! Daß ihr den Jüngling liebtet, tadl' ich nicht; Ihr hattet Grund. Sei dieser Tränenguß Geweihtes Wasser dir! O Imogen, Tot ist die Mutter. Es tut mir weh, mein Vater. Oh, sie war bös', und ihre Schuld allein Ist's, daß wir so uns wiedersehn. Ihr Sohn Ist fort, wir wissen nicht, wohin. Mein König, Jetzt, frei von Furcht, verhehl' ich nichts. Prinz Cloten Kam, als die Fürstin man vermißt, zu mir Mit bloßem Schwert, und schäumt' vor Wut und schwur. Entdeckt' ich ihm nicht gleich, wohin sie floh, So wär's im Augenblick mein Tod. Durch Zufall Hatt' ich 'nen falschen Brief von meinem Herrn In meiner Tasche: dieser gab ihm an, Bei Milford in den Bergen sie zu suchen; Dahin, voll Wut, in meines Herren Kleidern, Die er von mir erzwang, ging er in Eil', Mit bösem Vorsatz; meiner Herrin Ehre Schwur er zu rauben. Was aus ihm geworden, Erfuhr ich nicht. So schließ' ich die Erzählung: Ich hab' ihn dort erschlagen. Gott verhüt' es, Daß deinen edlen Taten meine Zunge Ein hartes Urteil sprechen soll; ich bitte, Verleugn' es, tapfrer Jüngling! Ich sagt' es, und ich tat's. Er war ein Prinz. Ein sehr unhöflicher: wie er mich schmähte, Das war nicht prinzlich; denn er reizte mich Mit Worten; brüllte so das Meer mich an, Ich böt' ihm Trotz; den Kopf schlug ich ihm ab, Und freue mich, daß er nicht hier kann stehn, Von meinem dies erzählen. Ich klag' um dich: Dein eignes Wort verdammt dich, das Gesetz Heißt Tod: du stirbst! Den Leichnam ohne Haupt Hielt ich für meinen Gatten. Bindet ihn, Führt den Verbrecher fort! Halt' ein, Herr König: Weit besser ist der Mann als der Erschlagne, Er ist so viel als du; und hat um dich Wohl mehr verdient als eine Bande Clotens, Die keine Narbe wagten. Laßt die Arm' ihm frei, Sie sind für Bande nicht. Ha! Alter Krieger, Willst du noch ungelohnt Verdienst dir rauben Und unsern Zorn erregen? So viel wär' er, Als selber wir? Darin ging er zu weit. Er stirbt dafür! Wir sterben alle drei: Erst zeig' ich's, zwei von uns sind ganz so vornehm, Wie ich gesagt. – Geliebte Söhn', ich muß Ein Wort enträtseln, das gefährlich mir, Doch glücklich ist für euch. Was Euch gefährlich, Ist's uns. Und unsers, Euer Glück. Wohlan! – Du hatt'st, o König, einen Untertan, Er hieß Bellarius. Was von ihm? Verbannt Ward der Verräter. Er ist's, der dies Alter Erreicht hat; freilich, ein verbannter Mann: Weshalb Verräter, weiß ich nicht. Fort mit ihm, Die ganze Welt soll ihn nicht retten. Nicht zu hitzig: Erst zahle mir die Kost für deine Söhne; Und alles sei verfallen gleich, wie ich's Empfangen habe! Kost für meine Söhne? Ich bin zu kühn und dreist. Hier knie' ich nieder, Und steh' nicht auf, eh' ich die Söhn' erhoben; Dann schone nicht den Alten! Großer König, Die beiden edeln Knaben, die mich Vater Genannt, sich meine Söhne, sind nicht mein; Sie sind die Sprossen deines Stamms, mein Lehnsherr, Und Blut von deinem Blut. Wie, mir entsprossen? Wie deinem Vater du. Ich, alter Morgan, Bin der Bellarius, den du einst verbannt: Dein Will' allein war meine Sünd' und Strafe; Dies mein Verrat; daß ich so dulden mußte, War mein Verbrechen. Diese edeln Prinzen – Sie sind es wahrlich! – hab' ich auferzogen Seit zwanzig Jahren: und ihr Wissen ist, Wie ich es lehren konnte; meine Bildung Kennt Ihr. Euriphile, die Wärterin, Die für den Raub ich freite, stahl die Kinder Nach meinem Bann; ich reizte sie dazu, Da ich vorher die Straf' empfing für das, Was ich nachher verübt; für Treu geschlagen, Ward ich dadurch Verräter; ihr Verlust, Je mehr von Euch gefühlt, entsprach so mehr Der Absicht meines Raubs. Huldreicher Herr, Nimm deine Söhne hier, verlier' ich auch Die holdesten Gefährten von der Welt: – Des Himmels vollster Segen tau' herab Auf ihre Häupter! Denn sie sind es wert, Den Himmel auszuschmücken mit Gestirnen. Du weinst und redest. Was ihr drei im Kriege Vollbracht, ist Wunder mehr als dein Erzählen; Geraubt sind meine Kinder: sind es diese, Kann ich mir nicht zwei beßre Söhne wünschen. Geduld ein Weilchen! – Der Jüngling, den ich Polydor genannt, Ist Prinz Guiderius, Euer edler Sohn; Mein Cadwal, dieser Jüngling, Arviragus, Eu'r jüngster Prinz; er war in einen Mantel Gehüllt, künstlich gewebt von eigner Hand Der Kön'gin, seiner Mutter, den, als Merkmal, Ich leicht dir zeigen kann. Guiderius hatte Ein Mal am Hals, so wie ein blut'ger Stern: Es war ein seltsam Zeichen. Dieser trägt Noch jenen Stempel der Natur an sich; Sie gab ihm dies aus weiser Vorsicht mit, Sein Zeugnis jetzt zu sein. Bin ich so Mutter Von dreien Kindern? Nie war eine Mutter So froh nach der Geburt. – O seid gesegnet, Daß, wie ihr seltsam eurem Kreis entwicht, Ihr jetzt drin herrschen mögt! – O Imogen! Dadurch hast du ein Königreich verloren. Mein Vater, nein; zwei Welten so gewonnen. – Oh, liebste Brüder, trafen wir uns so? Sagt künftig nie, daß ich nicht wahrer spreche: Ihr hießt mich Bruder, und ich war nur Schwester; Ich nannt' euch Brüder, die ihr wirklich waret. Habt ihr euch schon gesehn? Ja, teurer König, Und liebten uns beim ersten Blick, beharrten Im Lieben, bis wir ihn gestorben wähnten. Vom Trank der Königin. O Wunder des Instinkts! Wann fass' ich's ganz? Die rohe Abkürzung Ist so seltsam verzweigt, daß jedes einzeln Sich glänzend hebt. – Wie, wo habt ihr gelebt? Und wie kamst in den Dienst des Römers du? Wie fandst du, wie verließest du die Brüder? Weshalb entflohst vom Hof du, und wohin? Auch was euch alle drei zur Schlacht getrieben, Und wie viel andres noch muß ich erfragen; Die Nebensachen all', wie sich's begeben, Glücklich und seltsam; doch nicht Zeit noch Ort Paßt für so lange Fragartikel. Seht, Es ankert Posthumus auf Imogen; Und sie, wie Wetterleuchten, wirft ihr Auge Auf ihn, die Brüder, mich, den Gatten, schießend Auf jeglichen den Freudenblitz; in jedem spricht Entzücken anders. Gehn wir denn von hier, Und fülle Weihrauchduft die Tempelhallen! – Du bist mein Bruder; der sollst du mir bleiben. Ihr seid mein Vater auch, erquicktet mich, Um dieses Heil zu sehn. Es jauchzt nun alles, Nur die in Ketten nicht: sie mögen auch Sich freuen unsrer Milde! Euch, Gebieter, Will ich doch helfen noch. Seid denn beglückt? Der tapfre Krieger, den wir noch vermissen, Er hätte diesen Kreis geziert; dann wäre Die Dankbarkeit des Königs nicht verkürzt. Mein Fürst, Der Krieger, der mit diesen dreien kämpfte In armer Tracht, wie sie der Absicht ziemte, Die damals ich verfolgte, – der bin ich. Sprich, Jachimo, du lagst vor mir am Boden, Erschlagen konnt' ich dich. vor ihm knieend. Hier lieg' ich wieder, Doch des Gewissens Druck beugt jetzt mein Knie, Wie damals deine Kraft. Nimm hin mein Leben, Das ich so oft verwirkt: doch erst den Ring, Und hier das Armband der getreusten Fürstin, Die jemals Liebe schwur. Knie' nicht vor mir: Die Macht, die ich besitz', ist dich verschonen; Und meine Rache, dir verzeihen. Lebe, Sei besser gegen andre! Edler Spruch! Es soll uns Großmut unser Eidam lehren: Verzeihung allen! Herr, Ihr halfet uns, Als wenn Ihr wirklich unser Bruder wäret; Wir freun uns, daß Ihr's seid. Eu'r Knecht, ihr Prinzen. – Edler Herr von Rom, Ruft Euren Zeichendeuter: Als ich schlief, Schien mir's, daß Jupiter auf seinem Adler Sich mir genaht mit andern Geistgestalten Von meinem Haus; als ich erwachte, fand ich Dies Täfelchen auf meiner Brust; die Schrift Ist dunkeln Sinnes, so daß ich sie nicht Mir deuten kann: laßt seine Kunst ihn zeigen! Philarmonus – Hier, Herr! Lies und erkläre! WAHRSAGER liest. »Wenn eines Löwen Junges, sich selbst unbekannt, ohne Suchen findet, und umarmt wird von einem Stück zarter Luft; und wenn von einer stattlichen Zeder Äste abgehauen sind, die, nachdem sie manches Jahr tot gelegen haben, sich wieder neu beleben, mit dem alten Stamm vereinen und frisch empor wachsen; dann wird Posthumus' Leiden geendigt, Britannien beglückt und in Frieden und Fülle blühend.« Du, Leonatus, bist des Löwen Junges; So wird dein Name treu und recht erklärt, Da Leo-natus ganz dasselbe deutet; Das Stück der zarten Luft, dein edles Kind, Wir nennen's mollis aer; mollis aer Bedeutet mulier: mulier nun, erklär' ich, Ist dies standhafte Weib, die eben jetzt, Buchstäblich nach den Worten des Orakels, Euch unerkannt und ungesucht umschloß Als zarte Luft. Ein Schein, doch von Bedeutung. Die Zeder, königlicher Cymbeline, Bist du, und deine abgehaunen Zweige Sind deine Söhne, die Bellarius stahl: Seit lange tot geglaubt, und neu belebt, Vereint der mächt'gen Zeder, deren Zweige Britannien Fried' und Überfluß verheißen. Wohl! Beginnen wir mit Frieden! – Cajus Lucius, Zwar Sieger, unterwerfen wir uns Cäsarn So wie dem röm'schen Reiche, und versprechen, Tribut zu zahlen, wie bisher, wovon Die böse Königin uns abgeraten; Die Rache der gerechten Götter fiel Mit schwerer Hand auf sie und ihren Sohn. Der Himmelsmächte Finger stimmt die Saiten Zur Harmonie des Friedens. Das Gesicht, Das ich dem Lucius offenbart', eh' noch Die kaum erkühlte Schlacht begann, erfüllt Sich diesen Augenblick. Der röm'sche Adler, Der, hohen Flugs, von Süd nach Westen schwebte, Ward kleiner stets, bis er im Sonnenstrahl Verschwand: dies zeigt, daß unser Fürstenadler, Der große Cäsar, sich in Liebe wieder Mit Cymbeline, dem strahlenden, vereint, Der hier im Westen glänzt. Preis sei den Göttern! Es wirble Rauch empor zu ihrem Sitz Aus heil'gen Tempeln! Ruft den Frieden aus All unsern Untertanen! Ziehn wir heim: Ein römisch und ein britisch Banner wehe Freundlich vereint: so gehn wir durch Luds Stadt; Und in dem Tempel Jupiters beschwören Den Frieden wir, besiegeln ihn mit Festen. Brecht auf! – Nie hatt' ein Krieg, eh' noch die Hände Vom Blut sich wuschen, solch ein schönes Ende. Alle gehn mit Musik und in einem feierlichen Marsche ab.