William Shakespeare, John Fletcher Die beiden edlen Vettern Personen: Theseus, Herzog von Athen Pirithous, atheniensischer Feldherr Artesius, atheniensischer Hauptmann Palämon, Arcites, Neffen des thebanischen Königs Kreon Valerius, ein thebanischer Edelmann Sechs Ritter Ein Herold Kerkermeister Ein Freier der Tochter des Kerkermeisters Ein Arzt Bruder und Freunde des Kerkermeisters Ein Edelmann Gerrold, ein Schulmeister Hippolyta, eine Amazone, Braut des Theseus Emilia, Schwester des Theseus Drei Königinnen Die Tochter des Kerkermeisters Dienstfrauen der Emilia. Landleute. Boten. Ein Mann, welcher Hymen vorstellt. Ein Knabe. Ein Henker. Wache. Dienstboten. Landmädchen. Nymphen. Scene: Athen und seine Umgebung, außer im ersten Act, wo die Handlung auch in Theben und seiner Umgebung vor sich geht. Prolog Prolog Ein neues Stück und eine junge Maid, Sie gleichen sich einander beid'! Ist es mit ihnen gut bestellt, Begehrt man sie und schont für sie kein Geld. Ein neues Stück, das mädchenhaft erglüht, Wenn's seinen Hochzeitstag gekommen sieht, Und bangend, hoffend, ahnungsvoll Nun seine Unschuld opfern soll, Gleicht einer Jungfrau, die von ihrer Art Sich nach der Trauung so viel noch bewahrt, Daß sie bei allem, was sie thut und treibt, Obgleich sie Frau nun, doch noch Mädchen bleibt – So wünschen wir, daß unser Stück möcht' sein! Nach Herkunft ist es edel, gut und rein, Hat einen Vater, wie ein zweiter so Nicht zwischen Silber-Trent und Po Gefunden wird, denn Chaucer ist der Mann, Der diese Märe uns ersann. Sein Ruhm wird ewig dauern jung und frisch, Und sollt' etwa durch unsre Schuld Gezisch Der erste Willkomm seines Kindes sein, So würde sich im Grabe sein Gebein Umdrehn, und rufen würd' er ohne Zweifel: Jagt diese Pfuscher mir zum Teufel, Die meinen hohen Werth begriffen nicht Und ärger plündern mein Gedicht, Als Robin Hood des Reisenden Gepäck! Ja! Diese Furcht, wir reden sie nicht weg, Denn freilich wissen wir wie knabenhaft Die Hoffnung ist, mit unsrer schwachen Kraft Ihm nach in seine tiefen Wasser gehn. Doch sollen wir die Wahrheit Euch gestehn? Wir rechneten auf Eure Helfershand, Die schon manch Unglück von uns abgewandt. Auch diesmal bitten wir um Eure Gunst Für dieses Spiel, das freilich seiner Kunst Nicht würdig ist, indeß vielleicht doch werth, Daß Ihr ein Stündchen opfert und es hört. Doch müßten wir erleben, daß dies Spiel, Statt Euch die Zeit zu kürzen, nur misfiel, So würde das den Muth uns so benehmen, Daß wir dann lieber gar nicht wiederkämen! Erster Act Erste Scene Erste Scene (Athen; vor einem Tempel.) Hymen mit einer brennenden Fackel tritt auf; vor ihm her ein Knabe in weißem Gewande, Blumen streuend und singend. Ihm folgt eine Nymphe mit gelöstem Haar, einen Aehrenkranz auf dem Haupte. Hierauf Theseus zwischen zwei andern Nymphen, die ebenfalls Aehrenkränze tragen. Dann, von Pirithous geführt, Hippolyta mit hängendem Haar. Eine Nymphe hält über ihrem Haupte einen Aehrenkranz. Zuletzt Emilia, ihre Schleppe über dem Arm tragend. Artesius und Gefolge. – Musik. Gesang Dornenfreie, makellose Königin der Düfte, Rose, Farbenreiche, licht und mild, Federnelke, bar der Düfte, Asphodil, du Schmuck der Grüfte, Herzblatt echter Treue Bild; Primel, erste von den süßen Blümlein, die den Lenz begrüßen, Wenn er seinen Einzug hält; Maßlieb mit den blauen Aeuglein, Schlüsselblum' an schwankem Zweiglein, Rittersporn, du tapfrer Held; Kinder des vergnügten Maien, Laßt dem edlen Paar euch streuen, Labt ihm Auge und Geruch; Englein, steigt vom Himmel nieder, Vöglein, Sänger süßer Lieder, Lenket hierher euern Flug! Kuckuck aber, Eul' und Krähe, Kommet nicht in seine Nähe, Denn ihr kündet nur Gefahr; Sollt nicht nisten hier noch singen, Unheil nicht und Zwietracht bringen Unserm holden Liebespaar! (Die drei Königinnen, in schwarze Schleier und Gewänder gehüllt, Königskronen auf dem Haupte, treten auf. Die erste fällt vor Theseus, die zweite vor Hippolyta, die dritte vor Emilia nieder.) Um der Barmherzigkeit und Gnade willen Erhöret mich! Um Eurer Mutter willen, Und daß Ihr holde Kinder mögt gebären, Erhöret mich! Um des Beglückten willen, Dem Zeus die Ehre Eures Bettes einst Gewähren wird, – um Eurer Keuschheit willen Erbarmt Euch unsres Leids. Die gute That Löscht jedes Unheil, das im Buch des Schicksals Für Euch verzeichnet steht, auf immer aus! Steht auf! Steht auf! O, kniet nicht vor mir! Für jede meiner Schwestern, die sich grämt, Hab' ich ein fühlend Herz. Was bittet ihr? Für alle rede eine von euch drei'n. Wir sind drei Königinnen, deren Gatten Als Opfer fielen König Kreon's Wuth. Dort im Theban'schen Felde liegen sie Den Raben, Geiern, Krähen hingeworfen. Er will nicht dulden, daß wir ihre Leichen Zu Asche brennen und in Urnen bergen, Damit der Greuel menschlicher Verwesung Dem Strahlenauge Phöbus' sei entrückt. Erbarmt Euch unsrer! Ihr, der Erde Herrscher, Zieht Euer siegreich Schwert, des Rechtes Hort, Und gebt der todten Könige Gebeine Uns Jammernden, damit wir sie bestatten! Und dann erwägt in Eurem edlen Sinn, Daß wir, gekrönte Königinnen, ach! Kein Obdach haben, außer da, wo Löwen Und Bären hausen, wenn nicht schlimmer noch. Ich bitte, stehet auf, kniet länger nicht! So sehr hat Eure Rede mich ergriffen, Daß ich darob vergaß, Euch aufzuheben. Das Schicksal eurer edlen Gatten kenn' ich, Und Mitleid feuert mich zur Rache an. Ihr war't mit König Kapaneus vermählt! An Eurem Hochzeitstag, 's war um die Zeit Des Jahres, wo auch ich jetzt Hochzeit halte, Traf ich mit Eurem Bräutigam zusammen An Mars' Altar. Ihr waret damals schön, Eu'r Lockenhaar floß dicht und voll und golden Von Eurem Haupte, schöner als der Schleier Der Göttin Juno. Euer Aehrenkranz, Er strahlte frisch und war noch unversehrt. Fortuna lächelte Euch freundlich zu, Und unser Vetter Hercules, besiegt Von Euern Blicken, streckte seine Keule, Warf sich auf des Numäischen Löwen Fell Und schwur, ihm sei der Sehnen Kraft geschmolzen. O, wie doch Zeit und Leid bis zur Vernichtung An allem zehren! Unsre Hoffnung ist, Es werd' ein Gott in Eure Heldenseele Ausgießen seine Kraft und Euch bestellen Zu unsrem Helfer! Nicht vor mir, Verwaiste, Kniet vor Bellona, der behelmten, hin Und fleht für Euren Krieger. Weh' ergreift mich! (Er wendet sich ab.) Hippolyta, du tapfrer Amazonen Gefürchtetste, die den fünfzahn'gen Eber Erschlug und dann mit ihrem starken Arm, So stark als schön, das Volk der Männer fast Dem weiblichen Geschlecht hätt'st unterworfen, Wenn er, der jetzt dein Herr, der Schöpfung Willen Nicht aufrecht hätt' erhalten, und die Flut, Die über ihre Ufer schwellte, bändigend Durch Liebe dich und Kraft bezwungen hätte: Du Kriegerin so barsch wie mitleidsvoll, Die Macht hat über ihn, wie er zuerst Sie über dich geübt, der seine Kraft Wie seine Liebe dir zu Diensten stellte Und seiner Rede deinen Inhalt leiht; Du Spiegel aller Frau'n, o bitte ihn, Daß er uns, von der Glut des Kriegs Verzehrten Im Schatten seines Schwerts, das über uns Er breitet, Kühlung gebe. Bitte ihn Mit sanfter Frauenstimme, so wie wir, Und spare auch dabei der Thränen nicht. Fall' vor ihm auf das Knie, doch länger nicht, Als sterbend der geköpften Taube Flügel Den Boden schlägt, – und rede solche Worte, Wie sie dir kämen, wenn er selbst verwesend Auf blutgetränktem Felde läg', der Sonne Die Zähne weisend und den Mond angrinsend! Kein Wort mehr. Glaubt mir: freud'ger schreit' ich nicht Der heil'gen Handlung dort im Tempel zu, Als ich bereit für Euch zu handeln bin. Mein Herr ist tief von Eurem Leid ergriffen, Er überlege erst, dann rede ich. (vor Emilia kniend). Zu Eis gefroren war mein Flehn, das nun Der Schmerzen heiße Glut zu Tropfen schmolz. So weicht der Gram, der keinen Ausdruck findet, Dem stärkern Drang. Ich bitte Euch, steht auf! In jedem Eurer Züge les' ich Gram. Nein, wehe mir! Dort könnt' Ihr ihn nicht lesen, Wie Kiesel in des klaren Stromes Flut Seht Ihr ihn nur verschoben. Edle Frau, Wer ganz der Erde Schätze will erkunden, Muß dringen bis zum tiefsten Kern hinab, Und wer mein kleinstes Fischchen fangen will, Der senke tief ins Herz mir seine Angel. Die höchste Noth, die den Verstand sonst schärft, Macht mich zur Närrin. Bitte, sagt nichts mehr! Wer in dem Regen steht und ihn nicht fühlt, Der weiß auch nicht, was naß, was trocken ist. Wenn eines Meisters Meisterstück Ihr wäret, Ich würd' Euch kaufen, mich vor Gram zu warnen, So herzzerreißend stellet Ihr ihn dar. Doch da Ihr mir als Weib verschwistert seid, Trifft Euer bittres Leid so lebhaft mich, Daß es von meinem Herz abprallen soll Auf meines Bruders Herz und es erweichen, Wär' es so hart als Stein. Drum seid getrost! Jetzt in den Tempel! Laßt andächtig uns Die heiligen Gebräuche dort verrichten. O, diese Feier! Länger wird sie dauern Und mehr Euch kosten, als ein Krieg für uns. Bedenkt, daß Euer Ruhm die Welt erfüllt. Was schnell Ihr thut, ist drum nicht übereilt. Mehr werth, als andrer langes Ueberlegen Ist Euer plötzlicher Entschluß, – mehr werth Als all ihr Handeln, Euer Ueberlegen. Doch wenn Ihr unverweilt zum Werke schreitet, Betäubt Ihr sie, wie Spiritus den Fisch, Eh' sie sich rühren. Edler Fürst, bedenkt, Wie hart gebettet unsre Kön'ge liegen! Wie ruhelos auf unsrem Lager wir, Da unsre theuren Gatten keine haben – Wie's Todten doch geziemt. Wer überdrüssig Des Sonnenlichts, durch Strick, Dolch, Gift und Sturz Den eignen Tod gesucht hat und gefunden, Selbst dem gibt menschlich Mitleid noch ein Grab! Doch unsre Gatten faulen in der Sonne, Obgleich sie lebend gute Herrscher waren. Ihr redet wahr, und Trost will ich Euch bringen, Ein Grab den Todten geben, doch dazu Muß ich mit Kreon, Thebens Herrscher, kämpfen. Gewiß, ein solcher Kampf steht Euch bevor. Jetzt nimmt die Hitze ab, die Zeit ist günstig, Unnütze Arbeit lohnt nur eigner Schweiß. Jetzt wähnt er sicher sich und träumet nicht, Daß wir vor Euch Gewalt'gem unser Flehn, Von Thränen unterstützt, erschallen lassen. Jetzt greift ihn an, wo er vom Siege trunken – Und wo sein Herr in üpp'gem Nichtsthun schwelgt. Artesius, du bist der rechte Mann, Dies Unternehmen klüglich einzuleiten, Die nöth'ge Zahl der Truppen zu bestimmen Und was zu unsrem Zwecke dienen kann Vorzubereiten. Dir sei's überlassen, Indeß wir selbst den großen Lebensact Vollziehen, dieses kühne Unternehmen – Uns zu vermählen. Schwestern, laßt uns gehn, Umsonst war unser Flehen! Dieser Aufschub Beraubt uns jeder Hoffnung. Lebet wohl! Zur Unzeit kamen wir. Doch konnte Leid Sich je den besten Augenblick zur Bitte Frei wählen? Edle Frau'n, die heil'ge Handlung, Zu der ich schreiten will, ist wicht'ger mir Als jeder Krieg, und geht mich näher an Als alles andre, was ich je vollbracht Und was ich künftig noch vollbringen werde! Um so viel hoffnungsloser unsre Bitte! Wenn ihre Arme, die die Macht besitzen, Selbst Zeus vom Götterrathe fern zu halten, Im sanften Licht des Mondes Euch umschlingen, Ihr Purpurlippenpaar an Eurem hängt, Was werd't Ihr da an Kön'ge, die verwesen, An grambedrängte Königinnen denken?! Wie soll Euch kümmern, was Ihr selbst nicht fühlt, Wenn, was Ihr fühlt, selbst Mars bewegen könnte Die Trommel hinzuwerfen? Eine Nacht Mit ihr und jede Stunde macht für hundert Euch zum Gefangenen, daß Ihr alles andre Vergessen werdet über diesem Mahl, So Euch geboten wird! (vor Theseus kniend). Obgleich ich fürchte, Ihr möchtet wen'ger liebeeifrig sein Als zornig, daß ich Euch mit Bitten plage, Doch mein' ich, folgt' ich nur dem eignen Wunsche Und suchte meine Freude nur, wo jene An dem, was schnelle Heilung fordert, leiden, So dürfte jede Frau mit Recht mich tadeln. Darum, o Herr, laßt meiner Bitten Kraft Erproben mich, ob sie Euch rühren können, Ob machtlos sie verhallen! Schiebt die Feier, Die wir begehen wollen, auf und hängt Um Euren Nacken, der mein Eigenthum Und den ich diesen armen Königinnen Zu Lehen jetzt will geben, Euren Schild! Ja helft, auf Euren Knieen fleht für uns! Wenn Ihr der Schwester rührendes Gesuch, Das sie so dringend an das Herz Euch legte, Nicht in dem gleichen Sinn und schnell erfüllt, So werd' ich nie Euch mehr um etwas bitten Und niemals einem Manne mich vermählen! Ich bin bewegt; steht auf! Mich selber drängt's Zu thun, was Ihr da knieend von mir fordert. Pirithous, führ' du die Braut nach Haus; Um Sieg und Rückkehr flehet zu den Göttern. Ihr Königinnen, folget Eurem Ritter! Artesius, mach' schnell dich auf den Weg, Und so viel Truppen, als du sammeln kannst, Führt' uns nach Aulis nach; dort finden wir Schon viele vor, – was selbst zu schwererm Werke Genügen würd'! Da Eile uns geboten, (Zu Hippolyta.) Drück' ich auf deine Lippen diesen Kuß, Als meiner Liebe Zeichen. (Zu Artesius.) Geh' voran, Daß ich dich gehen sehe! – Lebe wohl, Lieb' Schwesterlein! Pirithous, du lass' Dem Feste seinen Gang; um keine Stunde Sei es gekürzt! Ich möchte, Herr, Euch folgen, Das Fest kann warten, bis Ihr wiederkehrt! Nein, Vetter! Rühre von Athen dich nicht! Wir sind zurück, noch eh' das Fest zu Ende, Das nicht gestört soll werden! Einmal noch: Lebt alle wohl! So thut Ihr, was die Welt Von Euch erwartet! Schwingt zum Gott Euch auf, Ein andrer Mars. Seid größer noch als er, Zu göttlicher Verehrung zwinget Ihr, Ein Sterblicher, die Herzen. Die das thun, So sagt man, leiden unter solcher Last! Wie sollt' es anders sein? Denn sie verlieren Der Menschheit Rechte! Folgt uns, edle Frauen, Zu Eurem Trost sind wir bereit zu handeln! Zweite Scene Zweite Scene (Theben. Der Hof vor dem königlichen Palaste.) Palämon und Arcites treten auf. Geliebter Vetter, theurer mir durch Neigung Als durch Verwandtschaft noch, der du dich rein Von Lastern hast erhalten, laß uns fliehn Vor den Versuchungen, die hier in Theben Uns rings umlauern, daß wir nicht zuletzt Der jungen Seelen Unschuld noch verlieren! Wir schämen uns, der Ausschweifung zu fröhnen Und ebenso Enthaltsamkeit zu üben! Nicht mit dem Strome schwimmen, heißet hier So viel, als in dem Strome untergehn! Es wäre mindestens verlorne Müh', Und folgten wir dem Strom, so trieb' er uns Zu solchen Wirbeln, wo wir wenden oder Ertrinken müßten; kämen wir hindurch, Wär' der Gewinn ein Leben der Erschöpfung. Die Weisheit deines Rathes zeigt ein Beispiel: Wenn wir durch Theben wandern, auf wie viele Ruinen stoßen wir, die alle erst Es wurden seit den Zeiten unsrer Kindheit! Auf wie viel ärmliche Gewänder, Narben, Dem einzigen Gewinne Kriegeslust'ger, Die wohl von Haufen Golds und Ehren träumten Doch nie erlangten, allem Sieg zum Trotz, Getäuscht vom Frieden, den sie uns erkämpften. Wer opferte da noch an Mars' Altar? Begegn' ich solchen, blutet mir das Herz; Dann wünsch' ich, daß der Juno Eifersucht Den Kriegern Arbeit gäb' durch Friedensbruch Und Streit und Krieg. Doch das ist Eines nur: Sahst du sonst nichts, dein Mitleid zu erregen, Als unversorgte Krieger? O, noch manches, Denn alles, was zu Grunde geht, beklag' ich, Am meisten aber jene, deren Schweiß Ehrlicher Arbeit man mit Eis bezahlt, Sie abzukühlen! Davon sprach ich nicht, Das ist nun einmal so Thebaner Art. Ich wollt' nur sagen, wie gefährlich es Für unsre Tugend sei, wenn wir noch länger In Theben bleiben, wo man alles Böse So schön zu färben weiß und alles Gute Als Maske für das Böse nur gebraucht, Wo jeder, der nicht mit den Wölfen heult, Als Fremder und Barbar geachtet wird. Es steht in unsrer Macht – wir hielten denn Affen für gute Muster – unsre Sitte Uns selbst zu machen. Hab' ich Selbstvertraun, Was werd' ich eines andern Gangesart Nachahmen, oder einer andern Weise Zu sprechen mich befleißen, da man meine, Die ich zu reden pflege, ja versteht? Was sollte mich vermögen, dem zu folgen, Der seinem Schneider folgt, bis dieser ihn Zuguterletzt verfolgt? Ich möcht' doch wissen, Warum mein Bartscher schlechter sollte sein, Und ebenso mein Kinn, weil es nicht just Nach eines Gecken Spiegel ward geschoren! Gibt's eine Regel, die von mir verlangt, Daß ich statt an der Hülfe, in der Hand Den Degen trage, auf den Spitzen gehe, Obgleich die Wege rein? Entweder will ich Das Leitpferd sein im Zuge, oder gar nicht Mit andern gehn! Doch kümmert alles das Mich wahrlich äußerst wenig; was mich grämt Und tief betrübt, ist – Kreon, unser Oheim! Ja er, der ungezügelte Tyrann, Der macht, daß man den Himmel nicht mehr fürchtet, Daß Niedertracht auf ihre Stärke trotzt, Auf Gunst vertraut und blindem Zufall huldigt; Der alles das, was andre für ihn thun, Sich selber zumißt, ihre Dienste fordert Und dabei Ruhm und Beute an sich reißt; Der furchtlos Böses thut, doch Gutes nie Zu thun sich untersteht. O, könnten Egel Dies Blut, das mich mit ihm versippt, aussaugen, Bis sie, der Fäulniß voll, vom Leib mir fielen! Mein guter Vetter, laß den Hof uns fliehn, Damit uns diese Schmach nicht auch ergreife Und unsre Milch nach schlechter Weide schmecke. Entweder Schurken oder Widersacher, Das ist für uns, die wir mit ihm durch Blut, Nicht durch Gesinnung nah verwandt, die Wahl! Nur allzu wahr! Das Echo seiner Frevel Hat, wie ich glaube, taub gemacht das Ohr Der himmlischen Gerechtigkeit. Das Schrei'n Der Witwen dringt nicht zu der Götter Thron, Kehrt ungehört zurück. Valerius! (Valerius tritt auf.) Der König schickt nach euch, doch eilet nicht, Bis sich erst seine Wuth gelegt. Als Phöbus Den Peitschenstiel auf seinen Sonnenrossen Zerbrach und aufschrie, war's ein Lispeln nur, Verglichen mit dem Aufschrei seiner Wuth! Der kleinste Hauch bläst ihn zur Flamme auf; Doch was war jetzt der Grund? Tödliche Fehde Entbot ihm Theseus, dessen Drohn allein Schon Schrecken ist. Vernichten will er Theben, Und naht sich, seinen Vorsatz auszuführen! Er möge kommen, fürchteten wir nicht In ihm die Götter, sollt' er uns nicht schrecken, Obgleich er stärker ist als unsrer Drei. Doch wer kann sich auf seine Kraft verlassen, Wenn, was er sonst mit Ueberzeugung thäte, Für Böses nur gethan wird? Laß das jetzt, Um Theben handelt's sich und nicht um Kreon! Beiseit' zu stehn erlaubt uns Ehre nicht, Und gegen ihn zu streiten wär' Verrath – So müssen wir mit ihm bis an das Ende Sein Schicksal theilen. Ja, das müssen wir! Hat schon der Krieg begonnen, oder wird Noch unterhandelt? Er hat schon begonnen! Zu gleicher Zeit mit unserm Boten traf Die Kriegserklärung ein. Zum König komm'! Wär' nur ein Viertheil von der Ehre sein, Die seinem Feind gebührt, so wagten wir Gesunden Aderlaß, und unser Blut Wär' nicht verschwendet, nein, gut angelegt. Doch so, da wir mit unsern Händen nur, Nicht mit den Herzen kämpfen, bringt's nicht Heil, Wie auch die Schläge fallen. Das verkündet Der Richter, der nie irret, der Erfolg, Uns, wenn wir's selber wissen. Laßt uns jetzt Der Stimme unsres Schicksals folgen. Kommt! (Alle ab.) Dritte Scene Dritte Scene (Vor den Thoren von Athen.) Pirithous, Hippolyta und Emilia treten auf. Nicht weiter! Lebet wohl, Pirithous! Bringt meine Grüße unserm großen Fürsten, Sagt ihm, an seinem Siege zweifl' ich nicht, Doch sollte bösem Glücke er begegnen, So wünsch' ich ihm, daß seine Kraft es zwinge. Eilt schnell zu ihm! man hat ja nie genug Der treuen Helfer. Nur ein Tropfen ist, Was ich in seinen Ocean kann schütten, Doch ist's Tribut, den ich ihm schuldig bin. (Zu Emilia.) Mein theures Kind, bewahrt Euch im Gemüthe Die köstlichen Gefühle, die der Himmel Nur seinen Auserwählten senkt ins Herz! Ich dank' Euch, lieber Herr; und grüßt von mir Den königlichen Bruder. Beten will ich Daß ihm Bellona günstig sei! Und da Uns Erdgebornen Bitte ohne Gabe Nicht ansteht, will ich ihr das Beste bringen, Von dem man sagt, sie lieb' es. Unsre Herzen Sind dort bei seinem Heer – in seinem Zelt. In seiner Brust! Wir waren selber Krieger Und jammern nicht, wenn unsre theuren Helden Den Helm aufsetzen, auf die Meerfahrt ziehn, Von aufgespießten Säuglingen erzählen, Oder von Frauen, die die eignen Kinder Gesalzt mit ihren Thränen selbst verschlangen. Wenn Ihr auf solche Schwachheit von uns wartet, So kommt Ihr, denk' ich, niemals fort von hier! Den Frieden wünsch' ich Euch, und mir den Krieg, In den ich ohne Weilen nun will ziehn. (Ab.) Wie sehr er sich nach seinem Freunde sehnt! Seit jener fortzog, galt ihm alles gleich: Das Wichtigste, das seine Sorgfalt heischte, Nachlässig that er's, völlig unbekümmert, Ob es zum Vortheil ausschlug oder Schaden; Wenn ein Geschäft ihm auf den Händen lag, So dacht' er an ein andres, und sein Geist Mußt' so verschiedenart'ge Zwillinge Zu gleicher Zeit ernähren. Habt Ihr ihn, Seid Theseus von uns schied, beobachtet? Sehr aufmerksam und ihn nur mehr geliebt. Sie beide waren Kampf- und Schlafgenossen, Die, so in Mangel wie Gefahr vereint, Zu mancher Zeit, an manchem Orte kämpften. Reißende Ströme haben sie durchschwommen, Vor deren Wuth der kühnste Schwimmer bebt, Gefochten, wo gewisser Tod in Aussicht – Doch brachten sie es durch. Ihr Band der Liebe Ist so mit Kunst, so stark und fest gewebt, Daß sich's verschleißen, doch nicht reißen kann. Ich meine, müßte Theseus seines Herzens Aufricht'ge Neigung theilen, daß er selbst Nicht würde sagen können, welche Hälfte, Wollt' er gerecht sein, ihm die liebre wär'. Doch eine muß es sein und die seid Ihr, Ich wüßte keinen Grund, weswegen nicht! Einst gab es eine Zeit, in welcher ich Mich einer Spielgenossin durft' erfreun. Ihr war't damals im Krieg, als sie das Grab Verherrlichte, das stolz war sie zu betten, Und Abschied nahm vom Monde, der erblich, Als sie von hinnen ging. Wir waren beide Elf Jahr' erst alt! Du meinst Flavina? Ja! Ihr spracht von Theseus' und Pirithous' Liebe. Begründeter gewiß ist ihre, reifer, Durch Wahl und Urtheil stärker ausgerüstet, Da gegenseitiges Bedürfniß ja Der Liebe engverschlungne Wurzeln nährt. Doch ich und sie, von der ich seufzend rede, Wir waren kleine, unschuldsvolle Dinger, Die sich nur liebten, weil sie eben mußten, Wie Elemente einfach wirken müssen, Und selber doch nicht wissen wie? warum? Was ihr gefiel, gefiel auch mir, was nicht, Das war auch ohne weitres mir zuwider. Brach ich 'ne Blume, die ich in den Busen Mir steckte (der zu schwellen erst begann), Litt es sie nicht, bis daß sie eine gleiche An ihre jungfräuliche Brust gelegt, Wo beide dann ihr Leben, phönixgleich, In Duft verhauchten. Meiner Locken Schmuck War Muster ihr; die Kleidung, die sie trug, Die einfach immer, doch geschmackvoll war, Wählt' ich zu Festen mir. Hatt' ich ein Lied Mit meinem Ohr erlauscht und summt' es leise, So sing sie's auf, ließ es nicht wieder los Und sang's im Schlafe noch. – Was ungerufen Mir so in das Gedächtniß kommt, beweist, Daß Liebe zwischen Mädchen heft'ger ist Als zwischen den verschiedenen Geschlechtern. Ihr seid ganz hingerissen, dieser Eifer Beweist nur, daß ihr niemals einen Mann So lieben könnt, wie Ihr Flavina liebtet. Dess' bin ich ganz gewiß. Doch, Schwesterchen, Glaub' ich in diesem Punkt Euch dennoch nicht, Obgleich ich weiß, daß Ihr es ehrlich meint. Mir scheint dies nur ein krankhafter App'tit, Der leicht in Ekel umschlägt. Wär' ich reif Für Eure Weisheit, ei da hättet Ihr Fürwahr genug gesagt, um aus den Armen Des edlen Theseus mich herauszureden, Für dessen Heil ich in dem Tempel jetzt Will beten, mit der freudigen Gewißheit, Daß ich den ersten Platz in seinem Herzen Dennoch besitze vor Pirithous. Bewahrt Euch diesen Glauben, während ich Bei meinem bleibe. (Beide ab.) Vierte Scene Vierte Scene (Eine Ebene vor Theben.) Trompetenstöße. Schlacht. Rückzug. Theseus als Sieger tritt auf. Ein Herold. Gefolge. Die drei Königinnen gehen Theseus entgegen und fallen vor ihm nieder. Dir leuchten alle Sterne! Erd' und Himmel Sei'n günstig dir! Der Götter Segen träufle Auf dich hernieder, Amen, ruf' ich, Amen! Vom hohen Himmel schaun gerechte Götter Auf Sterbliche herab, sehn, wie sie irren, Und strafen, wenn es Zeit. Nun geht und sucht Nach den Gebeinen Eurer todten Gatten, Bestattet sie mit feierlichen Ehren. Daß nichts dazu Euch fehle, sorgen wir Und geben Auftrag, daß man Euch sofort In Eure Würd' einsetze und vollende, Was unsre Eile unvollendet läßt. So lebet wohl, der Himmel schütze Euch! (Die drei Königinnen ab.) (Man bringt Palämon und Arcites auf einer Tragbahre herein.) Sag', wer sind diese? Nach der Kleidung Leute Von hohem Stande. Wie theban'sche Männer Uns sagten, wäre sie des Königs Neffen, Die Söhne seiner Schwestern. Bei Mars' Helm, Ich sah die beide in der Schlacht, wie Löwen Vom Blut des Wildes triefend, ihren Weg Durch der erschreckten Krieger Reih'n sich bahnen. Unausgesetzt behielt ich sie im Auge, Es war ein Schauspiel, eines Gottes würdig! Wie nannte der Gefangne sie, den ich Nach ihrem Namen fragte? Hört' ich recht, So nannt' er sie Palämon und Arcites. Ganz recht, es sind dieselben. Sind sie todt? Nicht todt und nicht lebendig. Hätt' man sie, Als sie verwundet wurden, gleich gefangen, So wären sie vielleicht davongekommen; Doch athmen sie und sehn wie Männer aus! Und auch wie Männer soll man sie behandelt. Die Hefe solcher gilt unendlich mehr Als Millionen andrer bester Wein. Ruft alle unsre Aerzte für sie her, Spart nicht den Balsam, sei er noch so kostbar, Für ihre Heilung, denn ihr Leben gilt Mir mehr als Theben. – Lieber als in Freiheit Und kräftig, wie sie heute Morgen waren, Säh' ich sie todt, doch hunderttausendmal Noch lieber so gefangen hier, als todt. Die frische Luft möcht' ihnen schädlich sein, Tragt sie hinein. Was Menschenhülfe nur Kann leisten, leistet es um unsertwillen. Ich weiß, wie Schrecken, Wuth, der Freunde Drängen, Reizung der Liebe, Eifer, Müh' um Frau'n, Wie Sehnsucht nach der Freiheit, Fieber, Wahnsinn Uns solche Ziele setzen, daß Natur Sie ohne großen Zwang nicht kann erreichen, Wobei dann Kraft des Willens und Vernunft Leicht Schiffbruch leiden. Darum thut für mich Und um Apollo's Gnade, was Ihr könnt Und pflegt sie gut. Jetzt führt mich in die Stadt, Von wo ich, wenn ich alles dort geordnet, Fort eile nach Athen, dem Heer voraus. (Trompetenstöße. Alle ab.) Fünfte Scene Fünfte Scene (Ein anderer Theil desselben Feldes, etwas entfernter von Theben.) Die drei Königinnen mit den Todtenbahren ihrer Gatten, in feierlichem Zuge. Musik Erde, öffne deine Grüfte, Weihrauch steige in die Lüfte, Seufzer, Stöhnen, bittre Klag', Ueberflort den lichten Tag. Lieber Tod als solche Schmerzen! Leichenöl und wunde Herzen, Opferkrüglein, voll von Thränen, Bringen wir und ruhlos Sehnen. Was nur trüb und schwarz erscheint Lustbegier'gem Aug' ein Feind, Nahe uns, daß wir vereint Sei'n verbündet und befreund't. Auf jenem Wege dort gelanget Ihr Zu Eurer heimatlichen Todtenstätte. Mög' Freud' Euch wieder werden. Friede ihm! Auf diesem ziehet Ihr! Auf diesem Ihr! So hat der Himmel wohl der Wege viel, Doch führen alle zu demselben Ziel. Die Welt ist eine Stadt mit tausend Straßen, Zu Marktplatz Tod bringt jed' uns gleichermaßen. (Alle nach verschiedenen Richtungen ab.) (Der Vorhang fällt.) Zweiter Act Erste Scene Erste Scene (Athen. Ein Garten; im Hintergrunde eine Burg.) Der Kerkermeister und der Freier seiner Tochter treten auf. Bei meinen Lebzeiten kann ich nur wenig geben; etwas vielleicht, aber viel nicht. In das Gefängniß, dem ich vorstehe, schwimmt selten ein fetter Fisch herein, obschon es eigentlich nur für solche bestimmt ist. Fünfzig Gründlinge für einen Lachs. Man hält mich für reicher, als ich in der That bin. Ich wollte, ich wäre, wofür man mich hält. Doch alles, was ich habe (soviel es nun ist), soll meine Tochter nach meinem Tode bekommen. Mehr verlange ich nicht. Dagegen sichere ich ihr alles das zu, was ich versprochen habe. Nun gut. Nach dem Feste wollen wir weiter darüber reden. Aber habt Ihr auch ihre Zusage? Wenn das der Fall ist, so soll es an meiner Einwilligung nicht fehlen. Die habe ich, Herr; da kommt sie selbst. Dein Freund und ich sprachen hier eben von dir und der bewußten Angelegenheit. Aber jetzt nichts weiter davon. Wenn der Spectakel hier bei Hofe vorbei sein wird, wollen wir die Sache zu Ende bringen. Unterdessen laß dir die beiden Gefangenen angelegen sein. Ich kann dir sagen, es sind Prinzen. Dies Streuwerk ist für ihr Zimmer. Es ist wahrlich recht traurig, daß sie im Gefängniß sind; aber noch mehr sollte es mir leidthun, wenn sie nicht drin wären. Ich glaube, sie besitzen solch eine Geduld, daß sie alles ruhig ertragen würden; das Gefängniß kann stolz darauf sein. Sie wiegen die ganze Welt auf. Ja, man sagt, sie wären ein paar ganz ungewöhnliche Leute. O, glaubt mir, das Gerücht stammelt nur ihren Ruhm. Sie stehen weit über allem, was man von ihnen sagt. Ich hörte, so tapfer wie sie hätte keiner in der Schlacht gekämpft. Das traue ich ihnen zu; darum leiden sie auch so tapfer. Ich hätt' sie erst als Sieger sehen mögen, da sie es so gut verstehen, sich selbst in der Gefangenschaft wie Freie zu betragen, über ihr Unglück zu scherzen und alle Traurigkeit hinwegzuspotten. Thun sie das? Mir scheint, sie kümmern sich um ihre Gefangenschaft gerade so viel, wie ich mich um die Herrschaft Athens, – haben guten Appetit, sehen ganz vergnügt aus und sprechen von allem Möglichen, außer von ihrer unglücklichen Lage. Manchmal nur stößt einer von ihnen einen halbunterdrückten Seufzer aus, was der andere ihm dann so sanft verweist, daß man wünschen möchte, selbst so ein Seufzer zu sein, um so verwiesen, oder noch besser, solch ein Seufzender, um so getröstet zu werden. Ich habe sie noch nicht gesehen. Der Herzog kam ganz heimlich in der Nacht an und sie auch. Ich weiß nicht, was das bedeuten mag. (Man sieht Palämon und Arcites oben am Fenster der Burg.) Sieh, da sind sie; der sich umschaut ist Arcites. Nein, Vater, das ist Palämon; der kleinere ist Arcites. Ihr könnt ihn nur halb sehen. Zeige doch nicht mit der Hand auf sie; sie wollen gewiß nicht gesehen sein. Kommt weg von hier! Solch ein Anblick ist ein wahrer Genuß. Gott! Wie die Menschen doch verschieden sind. (Sie gehen ab.) Zweite Scene Zweite Scene (Ebendaselbst.) Palämon und Arcites treten auf den Balkon heraus. Wie geht es, Vetter? Sag', wie geht es dir? Noch bin ich stark genug, daß ich das Unglück Verlachen und des Schicksals böse Laune Ertragen kann. Wir sind Gefangne hier; Für immer, fürcht' ich! Ja, so scheint es, Vetter, Auf solch ein Schicksal mach' ich mich gefaßt! O, mein Arcites, wo ist Theben jetzt? Wo unser edles Land, wo unsre Freunde Und Anverwandte? Was so theuer uns, Wir sehen nie es wieder! – niemals mehr Die tapfern Jünglinge beim Waffenspiel, Geschmückt mit den Devisen ihrer Schönen, Beflaggten Schiffen unter Segeln gleich, Und wir als frischer Ostwind unter ihnen, Der träger zieh'nden Wolkenschar voraus, Arcit-Palämon, den lautschall'nden Beifall Der Menge überholend geilen Sprungs Und schneller uns den Siegeskranz erobernd, Als noch der Wunsch entstand, er schmücke uns. Wir beide, – Zwillinge der Ehre, sollen Nun nicht mehr unsre guten Waffen proben, Nicht Rosse, stolzer als des Meeres Flut, Mehr bändigen, und unsre guten Schwerter, Wie bess're der rothäug'ge Kriegesgott, Getragen nie und die man uns geraubt, Sie sollen in den Tempeln nun der Götter, Die uns verfolgen, rosten; unsre Hand Soll sie mit Blitzesleuchten nicht mehr zücken Und ganze Heere schrecken! Ja, Palämon, Die Hoffnung liegt jetzt hier mit uns gefangen. Hier wird der Jugend Blüte uns verwelken, Wie ein zu früh gekommner Lenz; hier uns Das Alter finden (wehe!) unvermählt! Des holden Weibes zärtliche Umarmung, Ihr Kuß, der Gattenliebe Seligkeiten Sind uns versagt, versagt das Vaterglück! Wir werden unsre Knaben niemals lehren, Wie junge Adler auf den Glanz der Waffen Den Blick zu richten, niemals ihnen sagen: »Denkt eurer Väter, kämpft und siegt wie sie!« Schönäug'ge Jungfrau'n werden uns beweinen, Dem blinden Glück in ihren Liedern fluchen, Bis es erkennt, wie schwer es sich verging An Jugend und Natur. – Hier unsre Welt! Wir beid' allein und niemand außer uns. Nichts hören, als den Glockenschlag der Uhr, Die uns die Stunden unsres Elends zählt. Der Sommer kommt in aller seiner Pracht, Doch um uns her bleibt's todeskalter Winter! Ach! nur zu wahr, Arcit. In Thebens Wäldern Wird unsrer Hunde Klaffen nicht das Echo Mehr wecken, werden wir den scharfen Spieß Nicht schleudern mehr, wird nicht der wilde Eber, Von ihm getroffen, mit des Partherpfeils Geschwindigkeit vor unsrem Wurfe fliehn. Die tapfern Spiele, edler Geister Nahrung Und täglich Brot, für uns sind sie dahin! Und endlich sterben wir – was ja das Schlimmste Des Ruhmes ist – vergessen und als Kinder Des Elends! Ja, Palämon. Dennoch steigt Selbst aus der Tiefe dieses herbsten Schicksals, Das uns betreffen konnte, noch ein Trost Und Segen! Mit der Götter Hülfe tragen Wir's in Geduld und tragen es vereint! Solange du bei mir, scheint dieser Ort Mir ein Gefängniß kaum! Ja, wahrlich, Vetter, Ein großes Glück, daß uns dasselbe Los Gemeinsam traf. Denn wenn zwei edle Seelen, Im Leib getrennt, des Schicksals Wuth erleiden, So wachsen sie zusammen, werden – können Nicht untergehn. Ein stillgefaßter Mann, Er stirbt im Schlaf und alles ist vorbei! Wir wollen würdig nützen diesen Ort, Der jedermann verhaßt ist. Wie, mein Lieber? Laß dies Gefängniß wie ein Heiligthum Uns ansehn, das uns vor Verführung schützt. Wir sind noch jung und möchten gern die Wege Der Ehre wandeln, nicht durch lose Reden, Durch unbeschränkte Freiheit, die ein Gift Für reine Seelen sind, wie Buhlerei, Seitab gezogen werden. Diesen Segen Verschafft uns sinnige Betrachtung hier. Wie eine unerschöpflich reiche Mine Sind wir einander, sind uns Gattinnen, Sind Väter, Freunde, sind Familie uns, – Mein Erbe du, der deine ich; hier wird Kein Unterdrücker unsre Erbschaft uns Zu nehmen wagen. Ruhig können wir, Wenn wir geduldig sind, hier lange leben Und lange lieben ohne Ueberdruß; Hier rührt die Faust des Kriege keinen an, Und niemand wird vom wilden Meer verschlungen. – Wenn frei wir wären, ei, wie leicht könnt' da Ein Weib uns, oder etwas sonst uns trennen, Streit uns entzweien, böser Menschen Neid Sich drängen zwischen uns. – Es wäre möglich, Daß, würd' ich krank, du nichts davon erführest, Und stürb' ich, deine Bruderhand mir nicht Die Augen schlösse, zu den Göttern du Nicht für mich flehtest! Wären wir nicht hier, Wir wären tausend Wechseln unterworfen! Ich danke dir, Arcit. Du hast mich fast Dahin gebracht, Gefangenschaft zu lieben. Wie elend nun, da draußen frei zu leben, Dem dummen Viehe gleich bald hier, bald dort; Ein bess'rer Aufenthalt ist diese Burg! Nun ward mir klar, wie nichtig alle Freuden Doch sind, die nur zur Eitelkeit verlocken! Der Welt möcht' ich's verkünden, sie sind nichts Als prächt'ge Schatten, so die Zeit, die alte, Die nimmer ruht und rastet, mit sich nimmt. Wenn wir an Kreon's Hof geblieben wären, Wo Sünde Recht und Thorheit Tugend ist, Was wär' aus uns geworden? Liebster Vetter, Hätt' nicht die Gnade Gottes diesen Ort Für uns hier ausgewählt, so wären wir Als alte böse Menschen einst gestorben, Beweint von niemand, – unser Epitaph Des Volkes Fluch. Wie, sage ich nicht wahr? Sprich immer weiter nur, ich hör' so gern! Vernahm man je von Zweien, die sich mehr Als wir geliebt, Arcit? Das ist unmöglich! So wie's unmöglich ist, daß unsre Freundschaft Je schwinden könnte! Bis zum Tode nicht! (Emilia und ihre Zofe treten unten auf.) Und dann gehn unsre Seelen hin zu jenen, Die ewig lieben. Rede, lieber Bruder! O, gar zu schön ist es im Garten hier! Wie heißt die Blume da? Narcisse, Fräulein! So hieß ein schöner Jüngling, doch er war Ein Narr und in sich selbst verliebt. Gab es Denn Mädchen nicht genug? (oben). Fahr fort! Sogleich! (unten). Wie? Oder wären alle unerbittlich Gewesen! Schwerlich, denn er war ja schön. Du wärst nicht so gewesen? Wahrlich nicht! Ein gutes Mädchen! Aber sieh dich vor Und sei auch nicht zu gut! Warum nicht, Fräulein? Die Männer sind so schlimm! (oben). Sprich, lieber Vetter! (unten). Kannst du mit Seide solche Blumen sticken? O ja! Ich möcht' ein Kleid, bestickt mit diesen Und diesen da. O, welche schöne Farbe, Die muß auf einem Kleid sich prächtig machen! Vortrefflich! (oben). Vetter, Vetter, höre doch! Was ist dir? O Arcit, erst jetzt, erst jetzt Fühl' ich gefangen mich! Was sagst du da? Dort, dort, schau hin, – beim Himmel, eine Göttin! Was seh' ich? Ha! Auf deine Knie sink' Und bet' sie an, denn eine Göttin ist's! (unten). Von allen Blumen ist die Rose doch Die herrlichste! Warum das, edles Fräulein? Sie ist der zarten Jungfrau Ebenbild, Denn ihren Kelch erschließet züchtig sie Des Westwinds sanftem Wehn und fängt den Strahl Der Sonne auf in lieblichem Erröthen; Doch rührt der ungestüme Nord sie an, Verbirgt erschreckt sie ihre Reize schnell Im Knospenhaus und streckt dem Wilden nur Den scharfen Dorn entgegen. Aber, Fräulein, Zuweilen geht der Schreck bei ihr so weit, Daß sie zu Boden fällt. Ein jedes Mädchen Von Ehre thäte gut, sie nähm' an ihr Kein Beispiel sich. Du bist ein loses Ding. (oben). Wie wunderschön sie ist! Die Schönheit selbst! (unten). Hoch steht die Sonne schon, gehn wir hinein. Die Blumen hebe auf, wir wollen sehn, Ob's unsrer Kunst gelingt, sie nachzuahmen. Wie leicht zu Muth mir ist, ich könnte jauchzen! Und ich im Gras mich wälzen! Mit noch Einem? Das käm' drauf an! Nun, such' dir einen Partner! (Emilia und die Zofe ab.) Ist sie nicht schön? Wahrhaftig, selten schön! Nur selten? Nein, ich meine unvergleichlich! Muß da nicht jeder ganz in Lieb' zerfließen? Ich weiß nicht, wie es dir ergeht, doch ich Bin völlig hin. Verdammt sei'n meine Augen, Jetzt fühl' ich meine Fesseln erst! Du liebst sie? Wer liebt sie nicht? Und möchtest sie besitzen? Ja, lieber noch als frei sein! Ich hab' sie Zuerst gesehn! Was kümmr' ich darum mich! Du mußt! Ich sah sie auch! Doch sollst du sie Nicht lieben! Nicht wie du, anbeten nicht, Als eine segensreiche Himmelsgöttin. Ich liebe sie als Weib, will sie besitzen, So können wir sie beide lieben! Nein, Du sollst sie gar nicht lieben! Gar nicht lieben? Wer will es mir verwehren? Ich, der sie Zuerst erblickte, der von diesen Reizen, Die sie den Menschenkindern offenbart, Zuerst Besitz ergriff mit meinen Augen. Wenn du sie liebst, dich in den Weg mir stellst, So bist du ein Verräther, bist ein Bube, Falsch, wie dein Recht auf sie. Von Freundschaft, Blut, Von allen Banden zwischen dir und mir Sag' ich mich los, wenn du an sie nur denkst! Ich liebe sie, und gälte es mein Leben, Von ganzer Seele müßte ich sie lieben! Verlier' ich dadurch dich, leb' wohl, Palämon! Noch einmal sag' ich dir, ich liebe sie, Denn frei bin ich, bin würdig sie zu lieben, Und hab' dasselbe Recht auf ihre Schönheit, Als irgendein Palämon, oder sonst Ein andrer! Nannt' ich je dich meinen Freund? Ja wohl, und hast mich immer so befunden! Was bist du so erregt? Laß uns doch ruhig Zusammenreden. Bin ich nicht ein Theil Von deinem Blute wie von deiner Seele? Hast du nicht selbst gesagt, ich sei Palämon Und du Arcit? Ja wohl! Theil' ich nicht alles Als Freund mit dir, was dich erfreut, bekümmert, Erzürnt und ängstigt? Ja, ich geb' es zu! Und warum willst du nur im Punkt der Liebe So selbstisch, feindlich, so unritterlich Mit mir verfahren? Meinest du vielleicht Ich sei nicht werth gewesen, sie zu sehn? O nein, doch gibt dir das allein kein Recht! Nimm an, ein andrer hätt' den Feind zuerst Erblickt, soll ich zum Schaden meiner Ehre Mich etwa dann des Kampfs mit ihm enthalten? Ja, wenn's nur Einer ist! Doch wenn der Eine Mich grade sucht? So möge er es sagen, Dann geb' ich Freiheit dir, – doch wenn du sonst Ihr nachstellt, bist du ein infamer Bube, Ein Landverräther, ein verdammter Schurke! Du bist von Sinnen! Ja, gewiß, ich bin's, Bis du vernünftig wirst. 's hat mich gepackt; Es wär' nicht zu verwundern, wenn ich mich, Toll wie ich bin, an dir vergriffe! Pfui! Du redest wie ein Kind. Ich will und werde Und muß sie lieben; darauf wag' ich es, Es ist mein Recht! O, wär' dein falsches Ich Und wäre ich, dein Freund, nur Eine Stunde In Freiheit, daß wir nach den Schwertern greifen Und fechten könnten, – lehren wollt' ich dich, Was es bedeutet, andern Liebe stehlen. Du bist ja schlechter als ein Beutelschneider! Steck' noch einmal durchs Fenster deinen Kopf, So nagl' ich ihn ans Brett, so wahr ich lebe! Das wagst und kannst du nicht, dazu bist du Zu schwach. Nicht durch das Fenster meinen Kopf? Den ganzen Leib steck' ich hindurch und springe, Wenn ich sie kommen sehe, in den Garten Gerad in ihre Arme, dir zum Trotz! Genug! Der Kerkermeister kommt. Ich werde Dir noch mit meinen Ketten das Gehirn Einschlagen! Thu's! (Kerkermeister tritt auf.) Verzeihet, edle Herrn, – Was gibt es, Kerkermeister? Herzog Theseus Verlangt nach Prinz Arcites. Was er will, Kann ich nicht sagen! Wohl, ich folge dir! So muß ich Euren Freund Euch, Prinz, ein Weilchen Entführen! (Kerkermeister ab mit Arcites.) Nehmt ihn fort, auch mich meintwegen, Und wenn's zum Tode wäre. Doch weshalb Schickt man nach ihm? Will man sie nicht vielleicht Zum Weib ihm geben? Er ist wohl gestalt't, Sein Aussehn, seine Herkunft hat dem Herzog Vielleicht gefallen? – Aber welche Falschheit! Wie kann ein Freund so schlecht, so treulos sein? Wenn er sich dadurch ein so herrlich Weib Erringen kann, so mögen Ehrenmänner Nur nicht mehr lieben. Könnt' ich doch noch einmal Die Holde sehn! O, du gelobter Garten, Ihr Früchte, Blumen, wie seid ihr gesegnet, Ihr blüht und reifet unter ihren Augen! Ich gäbe all mein künft'ges Glück darum, Wär' ich die blüh'nde Aprikose dort, Das kleine Bäumchen. In ihr Fensterlein Wollt' ich sehnsüchtig meine Zweige strecken, Ihr Früchte tragen, hoher Götter würdig, Die Jugend ihr und Freude bringen sollten, Wenn sie sie kostete; vor allen selig Wollt' ich sie machen, ja den Göttern gleich, Daß diese selber sie beneiden müßten! (Der Kerkermeister kommt zurück.) Dann würde sie mich lieben! – Meister, sagt, Wie steht es mit Arcit? Er ward verbannt! Pirithous erbat für ihn die Freiheit, Doch mußt' er sich einen Eid verpflichten, Mit keinem Fuß dies Land mehr zu betreten. Er ist ein Kind des Glücks! Nun kann er wieder Nach Theben gehn und unsre jungen Krieger Aufrufen zu den Waffen, daß sie sich Wie Feuersäulen stürzen auf den Feind. Ja, er hat Aussicht nun, ein würd'ger Freier Zu werden, wenn er Schlachten für sie kämpft. Verlör' er sie, so wäre er ein Feigling. Ich wollt' so Großes, Herrliches vollbringen, Daß sich die Jungfrau, die erröthende, Zum Manne wandeln und versuchen sollte Gewalt mir anzuthun! Ich habe, Herr, Für Euch noch einen Auftrag! Was für einen? Sollst du mich tödten? Nein, nur fort Euch bringen Von diesem Ort, hier sind zu viele Fenster! Der Teufel hole diese neid'sche Brut! Viel lieber tödte mich. Um selbst nachher Dafür zu hängen! Hätt' ich nur ein Schwert, So tödtete ich dich! Warum, mein Prinz? Du bringst nur immer Böses mir und bist Nicht werth zu leben. Nein, ich gehe nicht! Ihr werdet müssen! Kann man dort den Garten Auch sehen! Nein! Nun wohl, so bleib' ich hier! Dann werd' ich mit Gewalt Euch weiter schaffen, Und widersetzt Ihr Euch, Euch stärker fesseln! Thu's immerhin, die Fesseln schüttl' ich ab; Und schlafen sollst du nicht, solch einen Tanz Führ' ich dir auf! – So muß ich wirklich gehn? Ich seh' kein andres Mittel! Nun, leb' wohl, Du liebes Fenster! Möge nie ein Sturm Dir schaden. Holde Dame meines Herzens, Wenn jemals du erfahren hast, was Leid, So träume von dem meinen! – Komm, begrab' mich! (Beide ab.) Dritte Scene Dritte Scene (Gegend bei Athen.) Arcites tritt auf. Verbannt des Landes! Eine große Gnade, Für die ich dankbar sein muß, – doch verbannt Aus ihrem Angesicht, für die ich lebe? Viel härter als der Tod ist diese Strafe, So hart, daß, wär' ich alt und schuldbeladen, All meine Sünden solche Strafe nicht Rechtfert'gen würden. – Jetzt bist du, Palämon, Im Vortheil; du bleibst da und kannst nunmehr An jedem Morgen sehn, wie ihre Blicke Sich auf dein Fenster richten, neues Leben In dir entzündend; kannst vom Honigseim Der Schönheit zehren, wie Natur sie nie Noch übertraf und übertreffen wird. – Ihr Götter, wie Palämon glücklich ist! Ich wette drauf, sie kommt und spricht mit ihm, Und wenn sie gütig, wie sie reizend ist, Gewinnt er sie, denn er hat eine Zunge, Die Stürme sänft'gen kann und rauhe Felsen Geschmeidigmachen. – Komme, was da will, Ich bleibe hier; das Schlimmste ist der Tod! In meinem Lande find' ich nichts als Trümmer, Da ist kein Trost, und geh' ich fort von hier, So hat er sie. Darum soll mir Verkleidung Zum Ziele helfen, oder – ich bin todt! So oder so, ich werde glücklich sein, Ihr nahe, oder überhaupt nicht mehr! (Vier Landleute, einer von ihnen mit einem Kranze voran, treten auf.) Nu gut, ich gehe mit. Und ich desgleichen. Dann geh' ich auch. Laßt nur die Weiber schimpfen, Was schiert uns das? Stellt Euren Pflug beiseite, Ich schind' die Mähren morgen dafür doppelt. Die Meine ist so eifersüchtig wie Ein Truthahn, aber das ist mir egal; Ich gehe doch und wenn sie noch so schilt! Geh' lieber morgen Abend drauf und gib Ihr eine volle Ladung, dann ist's gut. Ja, gib ihr's in die Hand und du wirst sehn, Wie sie sich schnell bekehrt und kirre wird. Zuerst gehn wir zur Maie. Warum das? Arcas ist dort. Auch Sennois und Rycas, Drei bess're Bursche haben um die Maie Noch nie getanzt, und nun die Mädchens erst! Was meint ihr aber, wird der Domine, Der Dorfschulmeister, kommen? Denn ihr wißt, Er ist die Hauptperson. O, seid nicht bange, Sein A-b-c-Buch würd' er eh'r verschlingen, Als nicht dabei sein. Mit des Gerbers Tochter Ist ja die Sache schon zu weit gediehn, Er läßt nicht los. Sie muß den Herzog sehn, Und tanzen will sie auch! 's wird herrlich werden! Die Bursche in Athen, sie können alle, So wie sie sind, uns in die Hosen blasen. Hier will ich sein und dort und wieder hier Und wieder dort! Die Weber sollen leben! Im Wald agiren wir. Wär' es nicht besser – Nein, nein, so steht's im Buch; der Domine Wird vor dem Herzog eine Rede halten. Im Wald ist er vortrefflich; auf dem Felde Dagegen keinen Heller werth. Nu gut! Erst sehn wir uns die Spiele an, dann gehen Wir ins Geschirr. Laßt uns nur gut probiren, Eh' uns die Damens sehn, und seid recht zärtlich. Gott weiß, was noch daraus entstehen kann! Nu, Jungens, kommt und haltet euch zusammen. Erlaubt mir, lieben Freunde, wohin geht ihr? Was fragt Ihr uns so närrisch? Nun, ich frage, Weil ich es wissen möchte. Zu den Spielen! Ihr seid wohl nicht von hier, sonst wüßtet Ihr's. Nein, ich bin fremd. Gibt's heute Spiele hier? Das will ich meinen, bess're saht Ihr nie, Der Herzog selbst wird gegenwärtig sein. Und was für Spiele sind das? Ringen, Laufen! He, wollt Ihr mit uns gehn? Ich komme nach! Nu, wie Ihr wollt! Kommt, Jungens. Ich mistraue Dem Kerl; dem steckt was Falsches in der Hüfte, Sie nur, sein Leib ist wie dazu gemacht – Ich will mich hängen lassen, wenn er's wagt. Der Teufel hole diesen Tellerlecker! Der ringen? Faule Eier! Jungens, kommt! (Die vier Landleute ab.) Nicht besser hätte die Gelegenheit Mir passen können. Alle Kenner sagen, Ich wär' im Ringen Meister und im Laufen So flüchtig wie der Wind, wenn er die Aehren Des Feldes streift. Ich wag's, – verkleidet will Ich zu dem Spiele gehn, und wenn das Glück Mir günstig ist, so kann ich dort vielleicht Den Kranz und solche Stellung mir erringen, Daß ich in ihrer Nähe bleiben darf. (Ab.) Vierte Scene Vierte Scene (Ein Zimmer im Gefängniß.) Die Tochter des Gefängnißwärters tritt auf. Ach! warum lieb' ich ihn? Er wird doch niemals Mich wieder lieben. Ich bin ihm zu schlecht, Mein Vater ist sein Kerkermeister, er Ein Prinz! Sein Weib zu werden, daran ist Doch nicht zu denken, und sein Liebchen nur Zu sein, wär' eine Schmach, das möcht' ich nicht. Was doch uns armen Mädchen alles droht, Wenn wir die Fünfzehn erst im Rücken haben! Als ich zuerst ihn sah, dacht' ich bei mir: »Ein schöner Mann! Wenn er's benutzen wollte, Er könnt' den Frauen schon gefährlich werden, Mehr als ein andrer, den ich je gesehn.« – Danach that er mir leid, und jeder hätt' er's Gethan, die träumend ihrer Jugend Unschuld Sich aufbewahrt für einen schönen Mann. Dann liebt' ich ihn unendlich, unaussprechlich, Obgleich sein Vetter ihm an Schönheit gleicht. Doch hier in meinem Herzen herrscht Palämon Allein und unumschränkt! – Ihn singen hören Des Abends, welche Himmelslust, und doch Wie traurig ist sein Lied! – Voll süß'rer Rede War nie ein Mann. Wenn ich am Morgen komme Und Wasser bringe, neigt er sich zum Gruß Und spricht dann: »Guten Morgen, liebes Mädchen, Geb' dir der Himmel einen braven Mann.« Ja einmal hat er mich sogar geküßt, Zehn Tag' lang war ich stolz auf meine Lippen. Ich wollt' er thät es öfter! Ach, sein Elend Macht traurig ihn und mich, wenn ich es sehe. Wie fang' ich es doch an, damit er weiß, Daß ich ihn liebe, – wollt', er wäre mein! Soll ich es wagen, – ihm die Freiheit geben? Doch das Gesetz? – ei, was, – was kümmern mich Gesetze und Verwandtschaft! Ja, ich thu's Noch heute oder morgen ist er mein! (Ab.) Fünfte Scene Fünfte Scene (Ein offener Platz in Athen.) Theseus, Hippolyta, Pirithous, Emilia, Arcites (als Bauer verkleidet) mit dem Kranze, Landleute. Du hast es brav gemacht. Seit Hercules Sah ich mit so gewalt'gen Sehnen keinen. Wer du auch seist, du ringst und läufst so gut, Wie ich's von keinem sah. Ihr macht mich stolz. Welch Land erzog dich? Dieses, gnäd'ger Herr, Doch fern von hier. Bist du ein Edelmann? Mein Vater sagte so und zog als solchen Mich auf. Bist du sein Erbe? Nein, ich bin Ein jüng'rer Sohn. Fürwahr, dein Vater ist Beneidenswerth. Was kannst du? Allerlei, Was einem Edelmann zu können ziemt. Mit Falken weiß ich umzugehn, der Meute Gekläff' kann ich mit Jägerrufe wecken, Und was die Kunst des Reitens anbetrifft, So will ich mich nicht rühmen, doch man sagt, Daß sie die beste sei von meinen Künsten; Am liebsten aber wär' ich doch Soldat. Du bist der Mann dazu. Bei meiner Seele! Ja, das ist wahr! Gefällt er Euch, mein Fräulein? Ich staune! Wenn es wahr ist, was er sagt, Sah ich noch niemals einen edlern Mann In schlecht'rer Tracht. Gewiß war seine Mutter Ein wunderschönes Weib. Irr' ich mich nicht, So hat er ihr Gesicht. Und von dem Vater Den kräft'gen Körper und den Feuergeist. Wie das verhüllte Licht der Sonne bricht Aus schlechter Kleidung seine Kraft hervor! Ja, er ist schön gegliedert. Sag', was suchst Du hier in dieser Stadt? O, edler Theseus, Ich suche Ruhm und möchte meine Dienste Dem Würdigsten der Würd'gen weihen – dir. Denn nirgends sonst, an keinem Hof der Welt, Wohnt sternenklare Ehre so wie hier. Höchst lobenswerth ist alles, was er spricht. Ich danke dir, daß du gekommen bist, Und lasse dich nicht fort. Pirithous, Dir übergeb' ich diesen jungen Mann. Ich danke, Theseus, dir. Wer Ihr auch seid, Jetzt seid Ihr mein, und so bestell' ich Euch Zum Dienste dieser jungen, schönen Dame, Dem edelsten, dem ich Euch weihen kann. Ihr habt durch Eure Kraft und Kunst ihr Fest Verherrlicht, und deshalb gehört Ihr ihr. Küßt ihre schöne Hand! O Herr, Ihr seid Ein edler Geber. Laßt, verehrte Schöne, Mich das Gelübde meiner Treu besiegeln! (Er küßt Emilia's Hand.) Wenn jemals Euer Diener, Euer Sklav', Euch kränken sollte, laßt ihn Tod erleiden. Das wäre doch zu grausam! Euer Werth Wird, denk' ich, mir nicht lang' verborgen bleiben. Ihr seid nun mein, und besser will ich Euch Behandeln, als es Euer Rang verlangt. Vorerst sei's meine Sorg', Euch auszustatten, Und da Ihr sagt, Ihr wär't ein guter Reiter, So probet heute Nachmittag mir eins Von meinen Pferden; 's ist ein wenig wild! O, desto besser, Herr, dann werd' ich nicht In meinem Sattel frieren. Theures Weib, Und du Emilia, du Freund, ihr alle Macht fertig euch, den ersten Tag des Mai Im Wald Diana's morgen früh zu feiern. (Zu Arcites.) Gib nur auf deine Herrin sorglich Acht. (Zu Emilia.) Er wird doch nicht zu Fuße gehen müssen? Hab' ich etwa der Pferde nicht genug? Wähl' eines dir davon, und was du sonst Noch etwa nöthig hast, das lass' mich wissen. So lang' du treu mir dienst, das sei versichert, Will ich dir eine güt'ge Herrin sein. Und dien' ich anders, möge das mir werden, Was meist mein Vater haßte: Schläg' und Schande! Jetzt aber führ' uns an! Du warest Sieger Und sollst, wie sich's gebührt, auch alle Ehre, Die du erworben hast, von uns empfangen. Wahrhaftig, Schwester, hätt' ich solchen Diener Und wär' ein Weib, er sollte Herr mir sein; Doch du bist weise! Dazu, ja, zu weise! (Alle ab.) Sechste Scene Sechste Scene (Athen; vor dem Gefängniß.) Die Tochter des Gefängnißwärters tritt auf. Nun laß den Herzog, laß die Teufel toben, In Freiheit ist er, – ja ich hab's gewagt! Ich habe nach dem Wäldchen ihn gewiesen, Nicht fern von hier, da, wo die hohe Ceder Am Bache steht, die Zweige weit ausbreitend, Dort soll er bleiben, bis ich Feilen ihm Und Speise hingebracht, denn von den Fesseln Ist er noch nicht befreit. Was bist du doch, O Liebe, für ein wagehalsig Ding! Mein Vater hätte eh'r dem kalten Eisen Ins Angesicht geschaut, als das gethan! Ich aber lieb' ihn, brünstig, ohne maßen, Zum Wahnsinn, und ich hab's ihm auch gesagt. Es ist mir alles gleich, ich bin verzweifelt! Wenn das Gesetz mich faßt und mich verdammt, So werden mitleidherz'ge Jungfrau'n mir Ein Grablied singen und im Tode noch Als Märtyrin mich preisen. Dorthin ging er, Das ist auch mein Weg. Sicher wird er nicht. So schmachvoll handeln und mich sitzen lassen. Wenn er das thäte, würde nie ein Mädchen Den Männern mehr vertrau'n! – Und doch – er hat Für das, was ich gethan, mir nicht gedankt, Mich nicht einmal geküßt. Das war nicht recht! Kaum daß ich ihn zur Flucht bewegen konnte; Er fürchtete für mich und meinen Vater Die schlimmsten Folgen. – Aber mit der Zeit, So hoff' ich, wird er mich ja doch noch lieben. Wenn er nur sanft und freundlich mit mir ist, So ist's schon gut, dann thu' er, was er will. Doch ist er das nicht, sag' ich ins Gesicht ihm, Daß er kein guter und gerechter Mann! Nun muß ich ein'ges noch für ihn besorgen Und meine Kleider packen. – Wo er weilt, Da will ich bei ihm sein, und wie sein Schatten Ihn nicht verlassen. – Nur ein Stündchen noch, So schallt der Wache Nachtruf durchs Gefängniß, Dann küss' ich den, den ihr zu hüten glaubt. Leb' wohl, mein Vater! Wenn du solcher Töchter Und solcher Staatsgefangnen viele hättest, Du würdest bald allein sein. Jetzt zu ihm! (Ab.) (Der Vorhang fällt.) Dritter Act Erste Scene Erste Scene (Ein Wald nahe bei Athen.) Arcites tritt auf. Der Herzog sucht Hippolyta. Sie ritt Nach andrer Richtung. – Heute feiert man Das Fest des Blumenmonds im grünen Walde Hier bei Athen. – Emilia, Königin, Du, frischer als der Mai, viel schöner du Als seine goldnen Knösplein an den Zweigen, Als all der Gärten und der Wiesen Zier, Was ist die Nymphe, die des Baches Ufer Mit Blumen schmückt, was ist sie gegen dich? Du bist des Waldes, bist der Welt Juwel, Und heiligst jeden Ort, an dem du weilst. O, daß du manchmal meiner doch gedächtest, Und unsere Gedanken so sich träfen! Dreimal gesegnet nenn' ich mein Geschick, Das solche edle Herrin mir beschieden. Sag' mir, Fortuna, – du, die nächst Emilia Gebietest über mich, was darf ich hoffen? Gewogen scheint sie mir, hält mich um sich Und hat mir heut an diesem schönen Morgen, Dem lieblichsten des Jahrs, zwei prächt'ge Pferde, Die selbst gekrönte Könige zu tragen Zu schlecht nicht wären, zum Geschenk gemacht. – Palämon, armer Vetter, dich Gefangnen Bedaur' ich! Ach! So wenig ahnest du, Wie glücklich ich jetzt bin, daß du dich selbst Für den Beglückten hältst, weil du Emilien Dich näher glaubst; doch wenn dir jemand sagte, Daß der Geliebten Athem mich umweht, Mein Ohr sie hört, in ihrem Blick ich lebe, O, Vetter, dich verzehrte Eifersucht! (Palämon tritt aus einem Gebüsch heraus, noch mit den Fesseln beladen; er hebt gegen Arcites die Faust auf.) Verrätherischer Vetter! Hinderten Nicht diese Zeichen der Gefangenschaft Den Arm mir, hätt' ein Schwert ich in der Hand, So wollt' ich meinen Zorn dich fühlen lassen, Bekennen solltest du dich als Verräther Vor mir und meiner Liebe Richterstuhl! Treuloser mit des Edelmanns Mienen, Ehrloser, der der Ehre Zeichen trägt, Heimtück'scher Vetter, der sein Blut verleugnet – Du nennst sie dein? Beweisen will ich dir's, Gefesselt wie ich bin, mit diesen Händen, Wie ich da steh', daß du ein Lügner bist, Ein Liebesdieb, ein unverschämter Prahler, Der selbst den Namen Schurke nicht verdient! Hätt' ich ein Schwert und wär' der Fesseln ledig – Palämon, lieber Vetter! – Gib mir Antwort, Wie's einem Mann geziemt! – Ich finde nichts In meiner Brust, dein Drohen zu erwidern! Hör' mich mit Ruhe an: Die Leidenschaft Führt irre dich, sie ist dein eigner Feind Und darum auch der meine. Ehr' und Treue Sind heilig mir, wie sehr du mir sie auch Absprechen willst! Mit ihnen, guter Vetter, Bring' ich in Einklang alles, was ich that; Ein Ebenbürt'ger steht dir gegenüber! Fügt' ich dir Unrecht zu, so sag' es mir In würd'ger Weise, – und mit Wort und Schwert Werd' ich als Edelmann dir Rede stehn! Das wagtest du, Arcit? Ei, ei, Palämon! Ich denke doch, du wüßtest, was ich wage, Mein Schwert kennt keine Furcht! Wahrhaftig, niemand Bezweifelt meine Tapferkeit als du, Der vor dem Altar für sie zeugen sollte. 's ist wahr, im Kampf der Männer sah ich dich Als Held; man nennt dich einen guten Ritter Und tapfer. Aber regnet's einen Tag, So ist die ganze Woche gleich verdorben. Verräthern geht die Tapferkeit verloren, Sie kämpfen wie gefangne Bären, die Viel lieber flöhen, wenn sie frei nur wären. Sprich immer, stell' dir's so im Spiegel vor, Nicht mir, der dich verachtet! Komm heran, Nimm mir die Fesseln ab, gib mir ein Schwert, Das schlechteste, und – aus Barmherzigkeit Etwas zu essen. Dann tritt vor mich hin Mit einem guten Schwerte in der Hand Und sage, daß Emilia dir gehöre! Vergeben will ich alles, was du that'st, Ja, meinen Tod selbst, wenn du Sieger bleibst; Und wenn mich im Elysium tapfre Seelen, Die männlich starben, um der Erde Dinge Befragen, will ich ihnen nichts verkünden, Als daß du brav und tapfer bist. Sei ruhig Und geh' zurück jetzt in dein grünes Haus. In stiller Nacht komm' ich mit Speise her, Die Fesseln feil' ich ab und bring' dir Kleider, Auch duftend Oel, des Kerkers Dunst zu scheuchen. Sobald du dann gestärkt dich fühlst und sprichst: »Arcit, jetzt ist mir wohl!« soll's auch an Schwert Und Rüstung dir nicht fehlen! O, ihr Götter, Ward Missethat so edel je vollbracht? Das kann fürwahr Arcit nur, – er allein Ist das zu thun im Stande. Lieber Vetter, – Dein Anerbieten nehm' ich an und danke; Willkommen ist's – dein Anerbieten mein' ich. Dich selber aber, offen sprech' ich's aus, Wünsch' ich mir vor die Schneide meines Schwertes. (Hörnerklang.) Hörst du die Hörner dort! In das Gebüsch Zieh' dich zurück und laß den Zug vorüber. Gib mir die Hand jetzt, lebe wohl! Ich bringe Dir alles, was du brauchst, und bitte dich: Sei stark und fasse Muth! Halt dein Versprechen, Wie schwer es dir auch wird. Du liebst mich nicht, Das weiß ich, darum sprich nur rauh mit mir Und laß der Rede glatte Form beiseite; Ich möcht' statt jedes Worts dir Schläge geben, Mit Gründen schafft man einmal nichts bei mir. Das wenigstens ist ehrlich. Jeder macht's Nach seiner Art. Ich schelte nicht mein Pferd, Wenn ich es sporne; Aerger wie Gefallen, Sie tragen einerlei Gesicht bei mir. (Hörnerklang.) Jetzt ruft man die Zerstreuten zum Banket, Mein Dienst verlangt dorthin mich! Solch ein Dienst Gefällt dem Himmel nicht, denn unbefugt Versiehst du ihn. Man übertrug ihn mir, So ist's mein Recht; doch diese heikle Frage, Sie bleibt als Krankheit zwischen uns, die erst Durch einen Aderlaß geheilt muß werden. So überlaß sie also deinem Schwert Und sprich nicht mehr davon. Nur noch ein Wort: Du gehst und wirst jetzt meine Herrin sehn, Denn mir gehört sie – Mir! Nein, sie ist mein! – Durch Speise willst du neue Kraft mir geben, Indeß du einer Sonn' ins Antlitz schaust, Die allem Kraft verleiht, auf das sie blickt. So bist du doch im Vortheil gegen mich. Gleichviel – bis ich es bess're, sei's! Leb' wohl! (Beide ab.) Zweite Scene Zweite Scene (Ein anderer Theil des Waldes.) Die Tochter des Gefängnißwärters. Den Ort, den ich ihm angab, fand er nicht, Er irrt umher, und schon beginnt's zu tagen. Was fang' ich an? Ich wollt', 's wär' ewig Nacht Und Finsterniß wär' Herrscherin der Welt. Horch, horch! Das ist ein Wolf! Ach, mir hat Leid Die Furcht getödtet. Um Palämon nur Bin ich in Sorge; hätt' er nur die Feilen, So möchte mich der Wolf verschlingen. Ha, Wie wär' es, wenn ich ein Hallo erhübe? Zu schwach ist meine Stimme! Oder ahm' ich Den Ruf der Eule nach? Er hört es nicht, Ich locke damit nur den Wolf heran. Was das für ein Geheul die ganz Nacht Im Wald hier war! Wenn er nur nicht die Beute Der wilden Thiere ward, denn ohne Waffen Ist er, und dabei doch am Lauf behindert. Das Klirren seiner Ketten lockt die Bestien Auf seine Spur, die aus Instinct schon wissen, Ob einer wehrlos oder gut gewaffnet Zum Widerstande ist. – Gesetzt den Fall, Sie hätten, ach, in Stücke ihn zerrissen, Denn viele heulten miteinander hier, Und können ihn gar leicht verschlungen haben, Was dann? Mach' es dir klar, was dann, was dann? Ach, wenn er todt ist, so ist alles aus! Doch nicht! Du irrst, dann hängt man deinen Vater, Weil jener floh, und schickt dich Arme betteln, Wenn du am Leben hängst und alles leugnest, Was du gethan. Doch nein, das werd' ich nicht, Und müßt' ich tropfenweis den Tod verschlucken. Mir schwindelt! Seit zwei Tagen aß ich nichts, Trank etwas Wasser nur und schloß kein Auge. Erlöse mich von meinen Leiden, Tod, Daß ich verrückt nicht werde, mich ersäufe, Erdolche oder hänge! Brich, Natur, Zusammen, da die besten Stützen wanken. Wo geh' ich hin? Wohin, als in das Grab, Auf jedem andern Wege find' ich Qualen. Die Heimchen zirpen schon, der Mond geht unter, Der Eule Schrei verscheucht die Dämmerung. Die Nacht hat ihr Geschäft vollbracht, nur meines Blieb ungethan; doch alles muß zuletzt Ein Ende nehmen, das ist noch das Beste! (Ab.) Dritte Scene Dritte Scene (Derselbe Theil des Waldes wie in der ersten Scene.) Arcites tritt auf; er bringt Essen, Wein, Feilen u.s.w. getragen. Hier bin ich nah' dem Ort. Palämon – ho – (Palämon kommt.) Arcites? Ja! Ich bring' dir Speis' und Feilen, Komm, fürchte nichts, kein Theseus lauert hier. Nein, keiner, der so edel. Laß das jetzt, Davon nachher! Nun fasse frischen Muth, Du sollst nicht sterben wie ein Vieh. Da, trink'! Du kannst ja kaum mehr stehn; – das Weitre später. Du könntest mich vergiften, Vetter. Freilich, Das könnt' ich, aber dann müßt' ich dich fürchten. Sitz' ruhig hin und laß nun das Gewäsch, Wir kennen uns und wissen, was wir werth sind, So reden Narr'n und Feige miteinander. Hier trink' ich auf dein Wohl! Wie dir's gefällt. Und sprich jetzt von Emilia nicht mehr, Bei Ehr' und Ehrlichkeit beschwör' ich dich, Das bringt uns nur zusammen, – davon später! Nun wohl, ich thu' Bescheid dir. Trinke tüchtig, Das macht frisch Blut; he, merkst du, daß es wirkt? Erst ein paar Züge noch, dann sag' ich's dir. Nur nicht geschont, der Herzog hat noch mehr. Jetzt aber iß! Gewiß! Ich freu' mich nur, Daß du so einen guten Magen hast. Und ich noch mehr, daß ich für diesen Magen So gute Speise habe. Sage, Vetter, Es läßt sich wohl recht schlecht im Wald hier hausen? Für jeden, der ein schlecht Gewissen hat. Wie schmeckt das Essen dir? Mir scheint, dein Hunger Bedarf der Saucen nicht? Da hast du recht! Und so ist's gut; die deine, Vetter, wäre Mir doch zu beißend. Was für Fleisch ist das? Ich glaube Wildpret. Delicat, fürwahr. Schenk' ein! Hier, auf das Wohl der hübschen Mädchen, Die wir zu uns'rer Zeit gekannt. Erinnerst Du dich des Mundschenks schöner Tochter noch? Und du? Sie liebte einen jungen Mann Mit dunkelbraunem Haar – Nun wohl, was weiter? Der, wie die Rede ging, Arcites hieß – Nur frisch heraus! In einer Laube trafen Sie oft zusammen, Vetter; wozu das? Spielt' er ihr etwas vor auf dem Spinett? Worüber sie dann einen ganzen Mond, Ja zwei und drei und zehn hat seufzen müssen! Nicht besser ging's, wenn ich mich recht entsinne Des Marschalls Schwester, nicht? Denn wenigstens Sprach man so etwas. Stoße an auf sie! Ich bin bereit! Ein allerliebstes Mädchen. Einmal geschah's, da gingen junge Leute Zum Jagen in den Wald, – dort stand 'ne Birke, Und an die Birke hing sich ein Geschichtchen. Ei, ei! (aufspringend). Bei Gott, Emilia allein! Hinweg mit alle dieser Narretei. Ich sag's noch einmal, dieser Seufzer galt Emilien, und du, verdammter Vetter, Fängst jetzt schon wieder an! Da irrest du! Bei Erd' und Himmel, nichts an dir ist ehrlich. Ich gehe, denn du gleichst jetzt einer Bestie! Ja, dazu hast du mich gemacht, Verräther! Du hast jetzt alles, was du brauchst, hast Feilen, Hast Oel und Salben und ein frisch Gewand. Nach zween Stunden bin ich wieder hier, Dann bring' ich was uns weiter Ruh' soll schaffen. Ja, Schwert und Rüstung. Fürchte nichts von mir. Jetzt bist du noch zu schwach mir. Lebe wohl, Trag' deine Sachen fort; nichts soll dir mangeln! Ha, Vetter! Geh', ich will nichts weiter hören! (Ab.) Hält er sein Wort, dann muß er dafür sterben. (Ab.) Vierte Scene Vierte Scene (Ein anderer Theil des Waldes.) Die Tochter des Kerkermeisters tritt auf. Mich friert! Die Sterne droben sind erloschen, So groß wie klein, des Himmels Flitterschmuck; Das Licht der Sonne schaut auf meine Thorheit. Palämon, ach, er ist im Himmel nun, Und wo bin ich? – Dort ist die See und dort Ein schwankend Schiff, das auf den Wellen tanzt. Dort unterm Wasser liegt ein Fels und lauert, – Jetzt, jetzt, – da stößt es auf – die Planken splittern, – Dreht's nach dem Wind, sonst seid ihr alle hin, – Schnell an die Segel, fest gehalten, Leute – Gut Nacht – sie sanken schon! – Mich hungert sehr! Ich wollt', ich könnte mir ein Fröschlein finden, Das sollt' mir sagen, was da draußen Neues In weiter Welt geschieht. Dann baut' ich mir Ein schönes Schiff aus einer Muschelschale Und führ' gen Ost zum König der Pygmä'n, Der kann die Zukunft deuten, wie kein andrer! Ich wett', um meines Vaters Nacken dreht Sich morgen eine Schlinge. Stille – still! Einen Fuß überm Knie meinen grünen Rock, Einen Zoll unterm Aug meine gelbe Lock', Hei di hei, will ich scheren. Will kaufen mir eine weiße Mähr', Ihn suchen und reiten hin und her, Hei di hei, soll's niemand mir wehren. O, einen Dorn mir, wie die Nachtigall, Die Brust mir zu durchbohren! Schlafen, schlafen! (Ab.) Fünfte Scene Fünfte Scene (Ein anderer Theil des Waldes.) Gerrold, vier Bauern als Morristänzer, ein fünfter als Pavian, vier Landmädchen mit einem Tambourinschläger treten auf. Pfui, wie ihr ungeschickt und täppisch seid! Hab' ich so lang' euch mit der Muttermilch Der Weisheit aufgepäppelt, so zu sagen Mit meiner Lehre Mark und Pflaumentunk' Herangefüttert, daß ihr nun nichts wißt, Als immer nur wie? wo? weshalb? zu fragen? Ihr Esel, sagt' ich nicht: »So soll es sein«, Und »Hier soll's sein« und »Dann soll's sein«? Doch keiner Von euch begriff's. Proh Deum, medius fidius, Schafsköpfe seid ihr alle. – Hier steh' ich. Weswegen, he? Weil hier der Herzog kommt! In dem Gebüsch hier nebenan steht ihr; Sobald er kommt, geh' ich entgegen ihm Und sprech' ihm allerlei gelehrte Dinge In kräft'gen Bildern vor. Er horcht und nickt, Ruft dann: »Vortrefflich!« Und ich fahre fort. Dann werf' ich meine Mütze in die Luft, Das ist das Zeichen, – dann brecht ihr hervor Wie Meleager und der wilde Eber, Doch zierlich, wie es Treuverliebten ziemt, Stellt euch in Positur und tanzt ihm, Jungens, Mit zartem Anstand euren Reigen vor. Ja, ja, mit zartem Anstand, Meister Gerrold. Nu kommt! Wo ist der mit dem Tamburin? Herr Timothe, wo bist du? Hier Kam'raden! Und wo sind eure Mädchens? Hier ist Fritze Und Lorchen hier – Und da das kleine Lieschen Mit ihren weißen Beinen – und Karline – Und Nelly mit den Sommersprossen. Habt Ihr auch die Bänder nicht zu Haus vergessen? Nun, nur recht frei und lose in den Hüften, Und hin und wieder einen kleinen Hops! Das werden wir schon machen! Aber wo Ist die Musik? Vertheilt, wie Ihr's befahlt. So tretet jetzt zu Paaren an und seht, Ob auch nichts fehlt. Wo ist der Pavian? Gib Acht, mein Freund, daß du mit deinem Schwanz Die Damen nicht beleidigst und recht männlich- Verwegen deine Purzelbäume schlägst! Und wenn du brüllst, so brülle ja recht fein! Verlaßt Euch nur auf mich! Quousque tandem? Hier fehlt ja noch ein Mädchen! Sapperment, Nu pfeif' dir was! Im Feuer liegt der Speck. Wir haben einen Ziegelstein gewaschen, Wie wir Gelehrte sagen, waren fatui Und plagten uns umsonst! Ei, diese Vettel! Cäcilia, der Näht'rin Tochter, die! So fest versprach sie, pünktlich hier zu sein. Nu, warte nur, – aus Hundeleder sollen Die nächsten Handschuh sein, die du von mir Bekommen wirst. Ihr könnt's dem Arcas sagen, Zu kommen schwur sie mir bei Brot und Wein! Ein Frauenzimmer und ein Al, so sagt Der Dichter, wollen bei dem Schwanz Und mit den Zähnen fest gefaßt sein, wenn Sie nicht entschlüpfen sollen. Pfui doch, pfui! Das Fieber über sie, da sitzen wir! Was fangen wir nun an? Jetzt ist es aus, All unsre Müh' ist eine Nullität, 'ne traurig jammervolle Nullität! Wo's um die Ehre unsres Dorfs sich handelt, So pflichtvergessen sein, 's ist unverzeihlich! Sie soll mir kommen, das gedenk' ich ihr! (Die Tochter des Kerkermeisters tritt auf und singt.) Ho ho, von Süden Jung Jürge kam, Von der Küste der Barbarei, Brave Gesellen er zu sich nahm, Einen und zwei und drei. Willkommen, willkommen ihr Bursche fein, Wo geht eure Reise hin? Nun lasset mich euer Gefährte sein, Bis ich zur Stelle bin. Drei Narren erhuben ein groß' Geheul: Der eine sagte, er wär' 'ne Eul', Der zweite thät sich's verbitten, Der dritte sagte, er wär' ein Falk, Sie hätten ihm aber, meinte der Schalk, Die Glocken abgeschnitten. Seht, Meister, seht, da kommt uns eine prächt'ge Verrückte in den Wurf, die ist so toll Wie ein Märzhase. Kriegen wir sie rum, Daß sie mittanzt, so sind wir aus der Noth. Die macht gewiß ganz wundervolle Sprünge! Sag', Liebchen, bist du toll? 's wär' traurig sonst! Reich' mir die Hand. Wozu? Will dir wahrsagen. Du bist ein Narr. Zähl' zehn! Da siehst du. Bums! Iß nur kein Weißrot, denn sonst werden dir Die Zähnebluten. Wollen wir eins tanzen? Ich weiß, du bist ein Kesselflicker. Flicke Nur nicht mehr Löcher, als du sollst! O, dii, Ein Kesselflicker, ich! Oder ein Zaubrer. Beschwör' mir einen Teufel, der qui passa Auf Glocken und auf Todtenknochen spielt. Schafft sie beiseit' und bringt zur Ruh' sie. Atque Opus exegi, quod nec Jovis ira Nec ignis – aber fort, nur fort! Kommt, Mädchens! Ich will euch führen. Seid nur ja recht freundlich Mit ihr und macht's geschickt. (Hörnerklänge.) Verschwindet, schnell! (Alle ab außer Gerrold.) Ich höre Hörner. Laßt mir etwas Zeit Zum Ueberlegen und versäumt nur nicht Das Stichwort. – Jetzt, Minerva, steh' mir bei! (Theseus, Pirithous, Hippolyta, Emilia, Arcites und Gefolge treten auf.) Nach dieser Richtung floh der Hirsch! Hier Halt! Und lasse dich erbau'n! Was gibt es hier? Ein ländlich Spiel, so wahr ich lebe, Herr! Nun wohl, so woll'n wir uns erbauen lassen. Ihr Damen setzt euch. Hier gilt's auszuhalten. Fangt an! Heil unserm tapfern Herzog, Heil Und Heil den holden Frau'n. Ein schwacher Anfang. Auf Eure Nachsicht rechnet unser Spiel. Vom Dorfe sind wir, ungeschlachte Leute, Die sich in diesem Wald versammelt heute; Ein lustig Völkchen, eine bunte Schar (Ich lüge nicht, ein jedes Wort ist wahr), Figürlicher zu reden noch, ein Chor, Der deiner Hoheit gern was tanzte vor. Das Spiel von A bis Z hab' ich erdacht Und es mit großer Müh' gebracht Zu richt'gem Schluß, Ich unsres Dorfs Pädagogus, Der unsern Jungen zieht die Hosen stramm Und auch die Alten kämmt mit seinem Kamm. Heut aber leg' ich ab mein Birkenreis Und bitt' dich, Herr, dess' Heldenruhm und -Preis Von Dis bis Dädalus, von Pfahl zu Säule Die ganze Welt durchblitzt mit Blitzes Eile, Hilf deinem wohlgeneigten Knecht Und blinzle gnädig, schlecht und recht Den Tänzern Beifall zu und ihren Sprüngen, Womit wir unsre Huldigung dir bringen, Wir haben viele Müh' darauf verwandt. Zuerst komm' ich, so schlecht, wie ich nun bin, Als Prologus dahergerannt Und zeige an des Spiels Beginn. Dann kommt Herr Mai mit seiner schönen Frau'n Und Zof' und Diener, die im Morgengrau'n Ein stilles Plätzchen suchen; dann mein Wirth Mit seinem fetten Weib; – wer sich verirrt In diesen Wald, den bittet er zu bleiben Und läßt vom Zapfer dann die Rechnung schreiben; Darauf der Rüpel, der das Rindfleisch frißt, Dann der Hansnarre, der sein Schatten ist, Und hinter diesen beiden endlich dann Mit seinem großen Schwanz der Pavian, Cum multis aliis. Jetzt sind sie fertig Zum Tanz und deines Augenwinks gewärtig! Mein lieber Domine, nur zu! Fangt an! (wirft seine Mütze in die Luft. ) Intrate filii, ihr könnt beginnen. (Musik, ein maurischer Tanz.) (nachdem der Tanz beendigt). Wenn's lustig war und euch das Spiel, Verehrte Damen, wohlgefiel, Und ihr's gesehen mit Behagen, So könnt ihr immerhin nun sagen, Daß der Schulmeister, der's erfand, Kein gar zu großer Ignorant. Gefiel's Euch, Herzog, aber auch Und hieltet Ihr dabei den Bauch Euch, während unsre Jungen Herumgehüpft sind und gesprungen, So gebt zu einer lust'gen Maie Uns ein Stück Geld, zwei oder dreie, Damit wir Euch und Eure Schar Im nächsten Jahr Wieder zu lachen Machen! Nimm zwanzig, Domine. (Zu Hippolyta.) Mein trautes Herz, Hat dir's gefallen? Ueber alle maßen! Der Tanz war prächtig, und was den Prolog Erst anbetrifft, so hört' ich nie was Bess'res. Ich danke dir, Schulmeister. Seht, daß jeder Von ihnen reich beschenkt wird! Auch von mir Ist hier etwas, die Maie aufzuputzen. Und nun an unser Weidwerk wieder, Freunde! (Hörnerblasen. Theseus, Pirithous, Hippolyta, Emilia, Arcites und Gefolge ab.) Daß sich der Hirsch zum Schusse Euch stell', Daß die Hunde ihm folgen stark und schnell, Ihn nicht zerfleischen, wenn er verreckt, Und den Damen der Braten schmeckt! Nun laßt uns gehn, dii deaeque omnes, Ihr Wettermädels habt famos getanzt! (Alle ab.) Sechste Scene Sechste Scene (Wald, wie in der dritten Scene.) Palämon tritt aus dem Busch. Um diese Stunde wollt' er wiederkommen Mit Schwert und Rüstung. Hält er nicht sein Wort, So ist er auch kein Ehrenmann und Krieger. Als er hinweg ging, glaubt' ich, eine Woche Sei nicht genug, zu Kräften mich zu bringen, So hatte mich das Fasten abgeschwächt. Arcit, ich danke dir, du bist ein Feind, Wie man ihn besser sich nicht wünschen kann. Jetzt fühl' ich mich von neuem frisch und stark Für jegliche Gefahr. Wollt' ich noch warten, So könnt' man meinen, daß ich wie ein Schwein Mich mästen wollte. Drum soll dieser Morgen Der letzte sein, und will er nicht sein Schwert Mit meinem messen, wohl, so tödt' ich ihn. Steh' Lieb' und Glück mir bei! – Ha, Guten Morgen! (Arcit mit Schwertern und Rüstungen tritt auf.) Dasselbe wünsch' ich dir, mein lieber Vetter! Ich mache wahrlich zu viel Mühe dir! Nicht mehr, als meine Ehr' und Pflicht dir schulden. Ich wollt', Arcit, du wärst in allem so, Daß ich in dir den theuren Blutsverwandten Könnt' sehen, nicht den edelmüth'gen Feind, Und mit Umarmung danken, statt mit Schlägen. Mach's nach Belieben, beides dünkt mir gut. Dir zahlen werd' ich schon. Begegnest du So ruhig mir, hör' ich dir willig zu. Um unsrer Ehre willen, laß das Schmäh'n, Zum Zank mit Worten sind wir nicht erzogen. Stehn wir gerüstet, mit dem nackten Schwert Einander gegenüber, wohl, dann mag Sich gegenseitig unsre Wuth entladen, Wie wenn zwei Fluten miteinander kämpfen. Dann wird auch ohne Hohn und Stachelreden, Ohn' Lästern der Person und Schmäh'n und Schimpfen, Wie es Schulknaben nur und Mädchen ziemt, Sich zeigen, wem dies Wunderwerk der Schönheit Gehören soll, ob dir, ob mir. Deshalb, Ist dir's genehm, so waffne dich, doch fühlst du Dich noch zu schwach, und ist die alte Kraft Dir noch nicht wieder ganz zurückgekehrt, So wart' ich, Vetter, und will jeden Tag, Wenn ich abkommen kann, dich hier besuchen Und mit dir plaudern, bis du stark dich fühlst. Denn trotz dem allen bin ich doch dein Freund Und wünschte fast, ich hätte nicht gesagt, Wie ich's gethan, daß ich Emilien liebe. Doch da ich's einmal that, so muß ich auch Einstehn für meine Liebe und mein Recht. Arcit, du bist ein Feind so gut und brav, Daß nur dein Vetter werth ist, dich zu tödten. Und da ich wieder stark bin, wähle jetzt Dir deine Waffen. Wähle du zuerst! Willst du mich denn in allem überbieten? Wie? Oder rechnest du vielleicht auf Schonung? Da irrst du, Vetter, denn ich bin Soldat, So denke nicht, daß ich dich schonen werde! Nicht schlecht gesagt! So sollst du es erfinden. Als Mann von Ehre und von Rechtsgefühl, Zahl' ich dir heim, was ich dir schuldig bin – Ich wähle diese hier! Dann mir die andern! Laß mich zuerst dich waffnen. Sage, Vetter, Wo kriegtest du die schönen Waffen her? Vom Herzog! Um die Wahrheit zu gestehn, Ich stahl sie ihm. – That ich dir weh? O nein! Ist dir die Rüstung nicht zu schwer? Ich trug Wohl eine leicht're schon, doch geht auch diese. Soll ich sie fester schnallen? Ja, ein wenig. Willst du vielleicht ein Halshemd? Nein, wir kämpfen Ja nicht zu Pferde. Wie mir scheint, so freust du Dich auf den Kampf? Ach, mir ist alles gleich. Ganz so wie mir. Ich bitte, Vetter, schiebe Den Schild ein wenig höher. Wie du willst. Nun nur den Helm noch. Aber sollen wir Mit unbedecktem Arm den Kampf bestehn? So sind wir freier. Dann nimm wenigstens Die Handschuh dort, – noch besser, nimm die meinen. Ich danke dir, Arcit, wie seh' ich aus? Ein bischen abgemagert, nicht? Nur wenig, Die Liebe hat dich mild genug behandelt. Verlaß dich drauf, zu schlagen werd' ich schon! Thu's, Vetter, was zu schlagen sollst du kriegen! Jetzt du! Die Rüstung da gleicht jener sehr, Die du am Tag, wo die drei Kön'ge fielen, Bei Theben trugst; sie war nur etwas leichter. 's war eine gute Rüstung. Stets gedenken Werd' ich des Tags! Da übertrafst du mich; So was von Tapferkeit sah ich noch nie. Du warfst dich auf des Feindes linken Flügel, Und trotz des guten Pferdes, das ich ritt, Wollt' es mir nicht gelingen, dir zu folgen. Ja, ich erinn're mich, ein prächtig Thier, Ein heller Brauner. Alles war umsonst! Du flogest wie ein Sturmwind vor mir her, Kaum konnt' ich dich mit meinem Wunsch erreichen. Ein wenig nur sucht' ich dir's nachzuthun. Mir nachzuthun? Du folgtest eignem Drang; Gar zu bescheiden bist du, guter Vetter! Als ihr zusammenpralltet, war es mir Als hört' ich einen furchtbar'n Donnerschlag Herschallen von dem Feind. Dem erst der Blitz Von deiner Tapferkeit vorangegangen. Wart'! Ist der Panzer nicht zu fest geschnallt? Nein, es ist gut so. Außer meinem Schwert Soll nichts dir weh thun; eine Schande wär's, Erlitt'st du nur die kleinste Quetschung. So, Nun bin ich fertig! Also tritt zurück! Erst nimm mein Schwert, ich glaube, es ist besser. Ich danke dir, behalt' es nur, dein Leben Hängt davon ab. Wenn dieses nicht zerbricht, Brauch' ich nichts weiter. – Die gerechte Sache Und meine Ehre schützen mich. Und mich Schützt meine Liebe. (Sie wenden sich nach verschiedenen Seiten, gehen dann wieder aufeinander los und machen Halt.) Blieb' noch was zu sagen? Nur dies noch: Deine Mutter und die meine Sie waren Schwestern! Jetzt sind wir dabei, Das Bruderblut einander abzuzapfen, Du mir, ich dir. In dieser meiner Hand Halt' ich mein Schwert, und solltest du mich tödten, Vergeben's dir die Götter, so wie ich. Gibt's einen Ort, wo todte Ehrenmänner Im Tode ruhn, so mög' die müde Seele Dess', der da fällt, an diesen Ort gelangen. Nun kämpfe tapfer! Reich' die Hand mir, Vetter! Nimm sie, Palämon! Niemals wird sie nun Sich freundlich wieder in die deine legen. Nein, niemals! Fall' ich, fluche mir und sage, Ich war ein Feigling, denn ein solcher nur Erliegt in so gerechtem Gotteskampf. Noch einmal Vetter, lebe wohl! Leb' wohl. (Sie fechten.) (Man hört Hörnerklang hinter der Scene. Sie halten inne.) Horch, Vetter, unsre Thorheit rächt sich schon. Wie so? Ich sagte dir, der Herzog jage Im Walde heut, und sollt' er uns entdecken, Sind wir verloren! Ich beschwöre dich Bei deiner Ehr' und Sicherheit, zieh' eilig Dich ins Gebüsch zurück; wir finden schon Noch eine andre Zeit, um uns zu tödten. Erblickt er uns, ist uns der Tod gewiß, Dir, weil du aus dem Kerker ihm entwichest, Mir, weil ich nicht entwich und seine Gnade Misachtete. Dann wird man spottend sagen, Es wär' zwar zwischen uns ein Unterschied, Nur leider schlecht vertheilt. Nein, Vetter, nein, Ich lasse mich nicht noch einmal verstecken Und schiebe den begonn'nen Kampf nicht auf. Ich kenne deine List, weiß, was du sinnst! Schmach dem, der jetzt noch zögert! Leg' dich aus Und sei auf deiner Hut! Sag', bist du toll? Hier, diese Stunde nutz' ich, was dann später Mit mir geschieht, das fürcht' ich weniger Als meiner Liebe Schicksal. Du, Verzagter, Sollst eingestehn, daß ich Emilien liebe Und dich und jedes Hinderniß besiege! Komm' denn heran, und du sollst eingestehn, Daß reden, schlafen, sterben Eins nur ist. Ich fürchte nur den Tod durch Henkers Hand. Dein Leben schütze! Schütze du das deine! (Sie fechten wieder. Hörnerklang. Theseus, Hippolyta, Emilia, Pirithous nebst Gefolge treten auf.) Verrätherische Buben, wer seid ihr, Daß ihr, misachtend mein Gesetz, ohn' Zeugen Und ohne, daß ich euch Erlaubniß gab, Hier miteinander kämpft? Dafür, bei Castor, Erleidet ihr den Tod! Seid ruhig, Herzog! Gewiß, Verräther sind wir und Verächter Von dem, was dir und deiner Hoheit ziemt. Ich bin Palämon, der aus deinem Kerker Entfloh und keinen Grund hat dich zu lieben. Erwäge das! Doch dieser ist Arcites, Und nie gab's einen schmählichern Verräther, Nie einen falschern Freund! Dies ist der Mann, Dem du die Freiheit gabst und ihn verbanntest, Der dich verlacht und dein Gebot misachtet, Der in Verkleidung deiner Schwester folgt, Emilien, dem hellen Stern der Schönheit, Zu deren Dienste ich allein berechtigt, Da ich zuerst sie sah und meine Seele In Lieb' zu ihr entbrannte, – ja, noch mehr, Der wagt zu wähnen, daß sie ihm gehöre! Als Treuverliebter hab' ich Rechenschaft Für diesen Hochverrath von ihm gefordert. Bist du so groß und edel, wie man sagt, Der Richter aller Ungerechtigkeit, So gib uns freies Feld, daß ich mein Recht Mir selber schaffen kann, sodaß du, Theseus, Mich d'rob beneiden sollst. Ist das geschehn, So nimm mein Leben hin, – ich geb' es dir! O Himmel, welch ein Mann ist dies! Ich schwur! Wir bitten, Theseus, nicht um deine Gnade: Zu sterben fällt mir schwerer nicht, als dir Zu sagen: »Stirb!« Doch da mich dieser Mann Verräther nennt, so steh' ein Wort mir frei. Ist Lieb' Verrath im Dienste solcher Schönheit, Als die ich lieb' und immer lieben werde, Für die mein Leben ich zum Opfer bring', An der ich fest in Treu und Ehren hange Und tödten will den Vetter, der mich's wehrt, So nenne immerhin Verräther mich! Daß aber dein Gebot ich nicht befolgte, Deswegen, Herzog, frage diese Dame, Warum sie denn so schön und ihre Augen Mich hießen, daß ich bliebe und sie liebe. Sagt sie »Verräther«, nun so bin ich schuldig Und keines ehrenvollen Grabes werth! Als Gnade, Theseus, werden wir's betrachten, Wenn du sie jedem von uns zwein verweigerst. Gerecht, wie du ja bist, verstopf' dein Ohr! Bei deinem Heldenthum, beim Angedenken Des edlen Vetters, der die zwölf Arbeiten Vollführte, laß uns alle beide sterben, Ihn nur ein wenig früher, daß ich sagen Kann meiner Seele: »Er bekam sie nicht!« Dein Wunsch soll in Erfüllung gehn. In Wahrheit Hat mich dein Vetter zehnmal mehr beleidigt Als du, obgleich er Aergres nicht verbrach, Doch größ're Gnade hab' ich ihm erwiesen. Kein Wort jetzt mehr für sie! Noch eh' die Sonne Zur Rüste geht, umfängt sie ew'ger Schlaf. Barmherzigkeit! Jetzt, Schwester, oder nie, Jetzt rede du, er kann dir's nicht verweigern, Sonst bleibt an deinem Antlitz stets der Fluch Des Todes dieser beiden Vettern haften! Nein, liebe Schwester, nicht mein Antlitz war's, Das sie entzweite und das Unheil schuf, Sie tödtet ihrer eig'nen Augen Schuld. Jedoch als Weib folg' ich des Mitleids Drange Und will auf meinen Knien um Gnade flehn. Hilf, Schwester, mir bei diesem guten Werk, Und aller Frauen Bitte sei mit uns. (Sie knien vor Theseus.) Mein Bruder – Herr, bei unsrer Ehe Bund! Bei deiner eignen makellosen Ehre! Bei deiner Treue, deiner schönen Hand, Bei deinem edlen, liebevollen Herzen, Womit du mich beglückst – Bei dem Erbarmen, Das du um deiner eignen Tugend willen An andern üben sollst – Bei all den Freuden Der keuschen Nächte, die ich dir gewährt – Fürwahr, gewaltige Beschwörungen! Zu denen ich die meinen noch geselle: Bei uns'rer Bruderschaft, bei den Gefahren, Die wir vereint bestanden, wie bei dem, Was Ihr am meisten liebt, bei Kampf und Krieg Und dieser holden Frau – Bei deiner Scheu, Der Mädchenbitte etwas abzuschlagen – Bei deiner Augen Licht, bei dem du hoch Mir schwurst und theuer, daß ich alle Frau'n, Ja Männer selbst als Sieg'rin überträfe – Obgleich ich deiner Macht doch unterlag – Und endlich noch, bei deiner edlen Seele, Der Gnad' Bedürfniß ist, beschwör' ich dich – Erhöre meine Bitte – Und die meine – Gewähre Gnade – Gnade – Diesen Fürsten! Ihr macht mich ganz verwirrt; fühlt' ich auch Mitleid, Wie meint ihr, daß ich es bethät'gen soll? Laß sie am Leben und verbanne sie! Da sprichst du, liebe Schwester, wie ein Weib; Ja Mitleid hast du, doch an Urtheil fehlt's! Willst du ihr Leben, so erfinde etwas, Das sich'rer als Verbannung ist. Wie können Denn diese beiden in der Todespein Der Liebe leben, ohne sich zu tödten? Sie werden, glaub' mir, täglich um dich kämpfen Und täglich deine Ehre bei den Leuten Zum Gegenstand der Unterhaltung machen. Darum vergiß sie, denk' nicht mehr an sie. Es handelt sich um deinen Ruf und meinen. Ich hab's einmal gesagt, »sie sollen sterben«, Und besser ist's, sie sterben durchs Gesetz, Als daß sie sich einander selber tödten. Bedenke meine Ehre! Edler Bruder, Der Eidschwur, den du that'st, war übereilt; Im Zorn ward er gethan, Vernunft verwirft ihn! Wenn solchen Schwüren auch der Wille noch Zur That verhülfe, müßt' die Welt vergehn. Und dann: ich stelle diesem einen andern Entgegen von viel größerem Gewicht, Der wohl erwogen ward, der Liebe athmet Und den nicht Leidenschaft dir eingab. Welchen? Nur zu, Prinzessin, laßt ihn ja nicht los! Daß du mir nie etwas versagen wolltest, Was billig ich könnt wünschen – du gewähren! An diesem Worte halt' ich jetzt dich fest. Misachtest du's, so kränk'st du deine Ehre. Ich, Knieende, fleh' nur um dein Erbarmen, Ob dann ihr Leben meinem Rufe schade, Das gilt mir gleich. Soll jemand, der mich liebt, Um meinetwillen, ach! den Tod erleiden? Das wäre eine unbarmherz'ge Vorsicht. Pflückt man vom jungen Zweig die Blüten ab, Weil sie der Fliegen Schmeiß verderben könnte? O, Herzog Theseus, alle edlen Mütter, Die schmerzensreich gebaren, alle Jungfrau'n, Die zärtlich lieben, werden – bleibst du fest – Von nun an mir und meiner Schönheit fluchen, Und wegen dieser hier in Klageliedern Verdammen meine Grausamkeit, und Wehe Ausrufen über mich, bis ich nur noch Ein Spott der Frauen bin. Ums Himmels willen, Verschon' ihr Leben und verbanne sie! Wie meinst du, daß ich's thu'? Laß sie beschwören Mit heil'gen Eiden, fortan niemals mehr Um mich zu hadern, mich nicht mehr zu kennen, Dein Land mit ihrem Fuß nicht zu betreten Und fremd zu sein einander, wo sie sich Zufällig treffen. Eh' ich das beschwöre Laß mich in Stücke hau'n! Vergessen soll ich, Daß ich sie liebe? Dann verachte mich! Verbannt zu sein, das ginge wohl noch an, Wenn wir nur unser Schwert und unsre Sache Mitnehmen dürfen; – sonst nimm unser Leben, Denn lieben muß ich, lieben werd' ich sie, Und werde meinen Vetter darum tödten, Damit ich Friede hier auf Erden hab'! Arcit, gehst du auf die Bedingung ein? Ein Schurke müßt' er sein! Ha, das sind Männer! Nein, Herzog, niemals! Lieber würd' ich betteln, Als mir um diesen Preis mein Leben kaufen. Wenn ich auch niemals sie besitzen sollte, Bewahren will ich mir der Liebe Ruhm Und für sie sterben. Hol' den Tod der Teufel! Was soll ich thun? Denn Mitleid fühl' ich jetzt! So folgt ihm unbedingt. Emilia, sage, Wär' einer von den beiden todt – und sicher Muß einer sterben – wärest du bereit, Den andern dann zum Eh'gemahl zu nehmen? Sie beide können dich doch nicht besitzen. Wie du sind sie von fürstlichem Geblüt Und hochgepriesen von der Fama Munde. Schau sie dir an, und wenn du Liebe fühlst, So ende diesen Zwiespalt. Meine Stimme Hast du. Seid ihr damit zufrieden, Prinzen? Von ganzer Seele. Der, den nicht sie wählt, Er sterbe! Welchen Tod du immer willst! Sterb' ich durch ihren Mund, so sterb' ich selig, Und segnen werden kommende Geschlechter Von Treuverliebten meine Asche noch! Verwirft sie mich, vermählt sie mich dem Grab, Und Krieger werden mir das Grablied singen! So triff nun deine Wahl! Unmöglich, Bruder! Zu edel sind sie beide, nicht ein Haar Von ihrem Haupte falle. Was wird nun Aus ihnen? Hört! Und was ich jetzt befehle, Geschehen soll's, sonst müßt ihr beide sterben. Entlassen will ich euch in euer Land; Nach einem Monat kehrt von dort zurück, Ein jeder in Begleitung dreier Ritter, An diesen Ort, wo eine Säule dann Soll aufgerichtet stehn. Wer von euch beiden Vor uns, die wir dann gegenwärtig sind, In ritterlichem Kampf den Vetter zwingt Die Säule zu berühren, dem gehört sie; Der andre aber, so wie seine Freunde, Verlieren ihren Kopf und sollen dann Sich nicht beklagen, es geschäh' um sie! Seid ihr's zufrieden? Ja! Bis dahin, Vetter Arcit, bin ich dein Freund, so wie vorher. Laß dich umarmen! Schwester, bist auch du Damit zufrieden? Muß ich es doch sein! So reicht die Hände euch und gebt nun Acht, So wahr ihr Ritter seid, daß euer Streit Bis dahin schlafe und ihr Friede haltet. Verlasset Euch auf uns! Von nun an will ich Als Fürsten und als Freunde euch behandeln. Kehrt ihr zurück, dann bleibt der Sieger hier, Den Unterliegenden beweinen wir. (Alle ab.) (Der Vorhang fällt.) Vierter Act Erste Scene Erste Scene (Athen; ein Zimmer im Gefängniß.) Kerkermeister mit einem Freunde tritt auf. Was hörtet Ihr? War keine Rede sonst Von mir und von Palämon's Flucht? Denkt nach! Ich hörte nichts, doch mußt' ich bald nach Haus, Eh' alles noch zu Ende war; so viel Nur schien mir sicher, daß den beiden Kämpfern Verziehen werden würde. Denn es flehten Hippolyta und Theseus' schöne Schwester Auf ihren Knien so leiblich um ihr Leben, Daß, wie man sah, der Herzog wankend ward, Wem er sollt' folgen, seinem raschen Schwur Oder dem Drängen dieser beiden Frau'n. Da nun zuletzt auch noch der edle Prinz Pirithous, des Herzogs andre Hälfte, Mit ihnen sich verband, so zweifl' ich nicht, Daß alles gut wird enden. Euer Name Ward nicht genannt, noch auch der Flucht erwähnt. Der Himmel gebe, daß Ihr recht gesehn! (Ein zweiter Freund tritt auf.) Seid guten Muths, ich bringe Nachricht Euch, Und zwar vortreffliche. Sie sei willkommen! Palämon spricht von jeder Schuld Euch frei, Sodaß Euch keine Strafe droht. Die Flucht Hat Eure Tochter ganz allein vermittelt, Doch ward auch ihr vom Herzog schon verziehn. Und daß sich der Befreite dankbar zeige, Hat er als Mitgift eine Summe Geldes Ihr ausgesetzt, die sehr ansehnlich ist! Ihr seid doch wirklich eine treue Seele, Die stets nur Gutes bringt! Wie kam's zuletzt? Wie's kommen mußte. Sie, die nie umsonst Zu bitten pflegen, kriegten, was sie baten, Und den Gefangnen schenkte er das Leben. Ich wußte gleich, daß es so enden würde! Doch stellt' er ihnen noch Bedingungen, Von denen ich nachher Euch sprechen werde. Sind sie annehmbar? Wenigstens vertragen Sie sich mit ihrer Ehre. Daß sie milde, Kann ich nicht sagen! Nun, das wird sich zeigen. (Der Freier tritt auf.) Sagt, wo ist Eure Tochter? Weshalb fragt Ihr? Wann saht Ihr sie zuletzt? Wie er verstört! Heut Morgen! War sie wohl, sagt, war sie wohl? Wann schlief sie? Was für sonderbare Fragen! So recht gesund schien sie mir nicht zu sein! Jetzt denk' ich dran, – ich fragte sie etwas, Und sie gab solche quere Antwort mir, Betrug sich überhaupt so ungewöhnlich, So kindisch und so albern, daß man wirklich Hätt' glauben können, sie sei halb gestört. Ich ward ganz ärgerlich. Was ist mit ihr? Ach nichts, als daß ich herzlich Euch bedaure; Doch besser ist es, daß von mir Ihr's hört, Als einem andern, der sie nicht so liebt! Was meint Ihr? Ist sie krank? Was fehlt ihr? Ach, Die Wahrheit zu gestehn, sie ist verrückt! Unmöglich! Glaubt mir! Was Ihr mir da sagt, Hab' ich gefürchtet. Helf' der Himmel ihr! Entweder ihre Liebe zu Palämon, Oder die Furcht, daß seine Flucht mir schade, Vielleicht auch beides, trägt die Schuld daran. Sehr möglich! Doch was seid Ihr so in Hast? Vernehmt! Ganz unlängst saß ich an dem Teich, Dort hinter dem Palaste, dessen Ufer Mit Schilf und Binsen dicht bewachsen sind, Und angelte. Vertieft in mein Geschäft, Hört' ich auf einmal eine schrille Stimme, Dem Klange nach mußt' sie (so schien es mir) Die eines Knaben oder Mädchens sein. Ich steckte meine Angel in den Grund Und näherte der Stelle mich, von wo Die Stimme kam, doch konnte nichts erspähn, Da Schilf und Rohr am Sehn mich hinderten. Ich legt' mich also auf den Boden hin, Die Worte des Gesanges zu erlauschen, Und sah dabei durch eine kleine Oeffnung, Daß jene Säng'rin Eure Tochter war! Ich bitte, fahret fort! Sie sang und sang, Doch alles ohne Sinn, nur hört' ich oft Sie wiederholen: »Mein Palämon ging Früh in den Wald, um Beeren sich zu pflücken, Erst morgen kehrt er wieder!« Arme Seele! – »Verrathen werden seine Fesseln ihn, Man wird ihn fangen. Was beginn' ich dann? Will eine Schar schwarzäug'ger Mädchen sammeln, Verliebte so wie ich, mit Purpurlippen Und Rosenwangen, die von Daffodillen Auf ihrem Haupte schöne Kränze tragen. Dann tanzen wir dem Herzog etwas vor Und betteln um sein Leben.« – Darauf sprach sie Von Euch und daß Ihr morgen Euren Kopf Verlieren würdet, und daß zum Begräbniß Sie Blumen sammeln müßt' und danach sehn, Daß alles hübsch in Ordnung sei zu Hause. Dann sang sie Weide, Weide, immer Weide, Dazwischen nur Palämon, mein Palämon Und: »Ja Palämon war ein schöner Jüngling!« Auf tiefer Stelle saß sie, halb im Wasser, Um ihre Locken einen Binsenkranz Gewunden und mit tausend Wasserblumen In allen Farben ihr Gewand geschmückt, Sodaß man meint', des Seees schöne Nymphe Zu sehen oder Iris, Juno's Botin, Wie sie vom Himmel hoch herabgestiegen. Aus Binsen, die sie abriß, dreht' sie Ringe Und sprach mit ihnen, zierlich, anmuthsvoll: »Nun ist für unsre Treulieb' rechte Zeit, Den hier darfst du verlieren, nur nicht mich!« Und mehr der Art. Dann wieder weinte sie Und sang und seufzte laut und lächelte Zum andernmal und küßte ihre Hand. O, welch ein Jammer! Als ich zu ihr eilte Und sie mich kommen sah, sprang sie ins Wasser, Ich sprang ihr nach und brachte sie ans Land. Doch dort entfloh sie mir mit lautem Schrei Und lief den Weg zur Stadt mit solcher Eile, Daß ihr zu folgen mir unmöglich war. Von weitem sah ich nur, daß mehre Leute, Darunter Euer Bruder, zu ihr rannten; Und da sie hinfiel und nicht wieder aufstand, Ließ ich mit jenen sie und kam hierher, Den Umstand Euch zu melden. Doch da sind sie! (Bruder und Tochter des Kerkermeisters nebst andern treten auf.) (singt). »Soll nie kein Licht dir leuchten mehr! la, la.« Ein schönes Lied, nicht wahr? Ein trefflich Lied! Ich kann noch zwanzig andre. Kannst du wirklich? Vom zierlichen Rothkehlchen und vom Ginster. Sag' bist du nicht ein Schneider? Freilich, freilich! Wo ist mein Hochzeitskleid? Ich bring' dir's morgen! Doch halte Wort, sonst bin ich nicht zu Haus. Die Schwestern muß ich laden und die Sänger Bestellen, denn beim ersten Hahnenschrei Ist es um meine Jungfernschaft geschehn! (Singt.) »O, Lieb, mein Lieb.« Ertrag's geduldig, Bruder! Gott grüß' euch, gute Leute. Habt ihr jemals Von einem, der Palämon heißt, gehört? Gewiß, wir kennen alle ihn! Nicht wahr, Das ist ein feiner Herr? Das ist er, Liebe! Gebt ihr nur immer recht, sonst wird sie wild Und ist dann schwer zu bändigen! Ei ja, Ein feiner Herr! Nicht wahr? Hast du 'ne Schwester? Ja wohl! Die wird ihn aber nicht bekommen, Das sag' ihr nur, – ich hab' ein Zaubermittel. Am besten ist's, wenn sie ihn gar nicht sieht; Denn sieht sie ihn, so ist sie gleich verloren Im selben Augenblick. Die jungen Mädchen Hier in der Stadt sind all in ihn verliebt. Doch lach' ich nur darüber, – laß sie lieben! Ist das nicht klug von mir? Das Allerbeste! Zweihundert wenigstens sind von ihm schwanger Und viere ganz gewiß. Doch ich bin stumm Wie eine Muschel. Alles werden Knaben, Das weiß er so zu machen. Sind sie dann Zehn Jahre alt, so werden's Musikanten Und singen Theseus' Kriege. Wunderbar! So was ist nicht erhört, doch sag' nur nichts. Von allen Seiten strömen sie ihm zu. In letzter Nacht hatt' er nicht weniger Als ihrer zwanzig, aber in zwei Stunden Ist er damit zu Ende, wenn er anfängt. Sie ist von Sinnen, keine Hoffnung mehr! Verhüten es die Götter! Du, komm her! Du bist ein kluger Mann! Erkennt sie ihn? Daß es so wäre! Bist ein Schiffer? Nicht? Wo hast du deinen Kompaß? Hier! So dreh' ihn Nach Norden jetzt und nimm den Curs zum Wald, Wo mein Palämon nach mir seufzt. Das andre Ist meine Sache. Hebt die Anker auf! Hio, hio, hio! Der Wind ist günstig, Die Raaen loppt – die Segel aufgespannt, Die Pfeife, Meister! Lasset schneller uns Hinein sie bringen! Auf die Masten, Jungens! Ruft den Pilot! Hier, hier! Kennst du die Gegend? Ihr meint den großen Wald? Da steure hin! Nun frisch! (Singt.) »Als Cynthia mit erborgtem Licht.« (Man führt sie fort. Alle ab.) Zweite Scene Zweite Scene (Athen; ein Zimmer im Palast.) Emilia, zwei Gemälde in der Hand tragend, tritt auf. Wie ich auch diese Wunden möcht' verbinden, Aufspringen würden sie und sich verbluten, Um meinetwillen! Darum muß ich wählen Und enden diesen Streit, denn nimmer sollen Zwei schöne, edle Jünglinge wie sie Für mich ihr Leben lassen. Ihre Mütter, Der Todtenasche ihrer Söhne folgend, Sie würden meine Grausamkeit verfluchen! – O, welch ein lieblich Antlitz hat Arcites! Ja, wahrlich, wär' Natur, die weise selbst, Begabt mit allen Reizen, aller Schönheit, Womit sie edle Menschenleiber schmückt, Ein sterblich Weib und fühlte sie dabei Der jungen Mädchen scheues Widerstreben, In diesen Mann verliebte sie sich sicher! Wie feurig blitzt, wie zärtlich strahlt sein Auge, Die Liebe selbst nahm ihren Sitz darin! Mit solchem Auge setzte Ganymed In Flammen Zeus und zwang den hehren Gott, Daß er den schönen Knaben neben sich Als glänzend Sternbild an den Himmel setzte. Wie groß ist seine Stirn, wie majestätisch Gewölbt, gleich Juno's, nur um vieles milder, Und sanft wie Pelop's Schulter. Ja, von ihr, So will mir dünken, müssen Ruhm und Ehre Wie von der Höhe eines Vorgebirgs Die Schwingen regen und der niedern Welt Der Götter und Heroen Liebesthaten Und Kämpfe singen. – Eine Folie nur Ist ihm Palämon, mehr nicht als sein Schatten. Schwarzbraun und mager, mit so düstrem Blick, Als wäre seine Mutter ihm gestorben; Ein Träumer, keine Heiterkeit in ihm, Und nichts, was ihn erregt und recht belebte, Von Witz und Geistesschärfe keine Spur. Was Mangel nur zu nennen ist, besitzt er. Doch auch Narcissus war ein ernster Jüngling, Und dennoch himmlisch schön. Wer kann bestimmen, Wohin des Weibes Phantasie sich lenkt? Ja, eine Närrin bin ich, – unverständig, Und habe keine Wahl; so schmählich log' ich, Daß alle Frauen mich verachten müßten. Palämon, ach, verzeih' mir, du allein Bist reizend! Deine Augen sind die Leuchter Der Schönheit, welche Liebe von uns fordern. Wo ist die Maid, die ihnen widersteht? Wie ernst, wie kühn und doch wie liebeheischend Ist nicht dein männlich braunes Angesicht! Von nun an, Liebe! ist das meine Farbe. Mit seiner herrlichen Gestalt verglichen, Bist du, Arcit, doch nur ein Wechselbalg. Ich bin verwirrt, – der Jungfrau Selbstgefühl Hat mich verlassen. Wenn mein Bruder jetzt Gefragt mich hätte, wen ich liebt' von beiden? Arcit hätt' ich gesagt; und fragte dann Mich meine Schwester, sagte ich: Palämon. Jetzt tretet beide her! Nun frage, Bruder. »Ich weiß es nicht!« Jetzt Schwester, frage du: »Ich muß sie mir noch einmal recht besehn!« O, welch ein Kind ist doch die Phantasie, Die unter zweien Dingen – beide herrlich – Nicht wählen kann und so nach beiden schreit. (Ein Hofherr tritt auf.) Was bringt Ihr mir? Vom Herzog, Eurem Bruder, Die Meldung, daß die Prinzen angekommen. Den Streit zu enden? Ja! O, wär' ich todt! Keusche Diana, was hab' ich verbrochen, Daß Fürstenblut die Reinheit meiner Jugend Beflecken muß, daß meine Jungfrauschaft Der Altar sein soll, wo zwei Liebende, So schön und edel, wie noch keine Mutter Sie je beglückt, als Opfer fallen müssen! (Theseus, Hippolyta, Pirithous nebst Gefolge treten auf.) Führt schneller sie hierher und zögert nicht! Begierig bin ich, sie zu sehen. Schwester, Die beiden Freier sind jetzt wieder da Zum Kampf um dich, mit seinen Rittern jeder. Nun mußt du einen lieben! Besser wär's, Wenn ihrer keiner um mich sterben müßte! Hat jemand sie gesehn? Ich, Herr! Und ich. (Ein Bote tritt auf.) Wo kommst du her? Ich komme von den Rittern. So sprich! Du sahst sie, was für Leute sind's? Die Wahrheit sag' ich Euch: sechs bess're Männer Dem Aussehn nach, als diese Prinzen brachten, Sah ich noch nie, und las von solchen nie. Der Vornehmste von dem Gefolg' Arcit's Ist stark gebaut, sein Antlitz eines Fürsten, Die Farbe des Gesichts mehr braun als schwarz; Voll Ernst und Würde schaut er um sich her, Furchtlos und kühn, verachtend die Gefahr. Aus seinen Augen sprüht der Seele Feuer, So gleichet einem zorn'gen Löwen er. Sein langes Haar hängt dunkelschwarz und glänzend Auf breite Schultern ihm wie Rabenfitt'che. Vom Scheitel bis zum Fuß ist er gewaffnet, Und auf der Hüft', an seltsam reichem Gurt, Trägt er ein Schwert, um seinem Willen Nachdruck Zu leihen, wenn er zürnt. So wahr ich lebe, Bessern Gefährten kann kein Krieger haben! Du hast ihn gut geschildert. Doch mich dünkt Palämon's Erster übertrifft ihn noch! Ich bitte, Freund, berichte. Er nicht minder Scheint mir ein Fürst zu sein, vielleicht ein größ'rer, Denn er trägt an sich aller Ehren Schmuck. Ein wenig dicker ist er als der andre, Doch sein Gesicht, das eine Farbe hat Wie reife Trauben, scheint mir angenehmer. Man sieht's ihm an, er liebt, wofür er ficht, Des Freundes Sache gilt ihm als die seine. In seinen Mienen spiegelt sich Vertrau'n Auf glücklichen Erfolg. Ist er erzürnt, Durchströmt ihn eine ruh'ge Tapferkeit, Von Uebertreibung fern, indeß sein Arm Zu kräft'ger That sich spannt. Furcht kennt er nicht, So schwache Regung ist ihm gänzlich fremd. Sein Haar ist blond und hart und krausgelockt, Wie dichtverschlungner Epheu, den kein Sturm So leicht verwirrt. Auf seinen Wangen trägt Er blendend Roth und Weiß, der Schlachtenjungfrau'n Livrey, denn noch fehlt ihm des Mannes Bart. In seinen roll'nden Augen thront der Sieg, Als wollt' er seinen Liebling nie verlassen. Der Schwung der Nase zeigt den Mann von Ehre, Und seiner Lippen Roth ist wohl geschickt, Nach Kampf und Schlacht um Frauengunst zu buhlen. Und diese wären auch dem Tod geweiht! Hörst du ihn sprechen, schallt's aus seiner Brust Wie Kriegsdrommete; jedes seiner Glieder Ist stark und kräftig, wie es nur ein Mann Sich wünschen kann. In seinen Händen schwingt er Ein gutgestähltes Beil mit gold'nem Stiel. Sein Alter, – etwa fünfundzwanzig Jahr. Da ist ein andrer noch, ein kleiner Mann, Doch voller Muth und Kraft, wie irgendeiner, Der größer ist. Gewiß, er leistet mehr, Als man's von solchem Knirps erwarten sollte. Du meinst den mit den Sommersprossen? Ja! 's sind alles tücht'ge Leute. Meine Ansicht! So wenige sie sind, da ist nicht einer, Dess' Art und Haltung nicht zu loben wäre. Der, den ich nannte, hat hellblondes Haar, Nicht milchweiß etwa, männlichere Farbe, Ins Braune spielend, ist gelenk und mager, Was schließen läßt aufrege Thätigkeit; Hat Arme, muskelreich mit starken Sehnen, Anschwellend mehr nach oben, was bezeugt, Daß er vor keiner Anstrengung sich scheut Und dem Gewicht der Waffen nicht erliegt. Sonst ruhig, springt er wie ein Tiger auf, Wenn man ihn reizt. Nach seinen grauen Augen Zu schließen, hat er Mitleid mit Besiegten, Versteht es, seinen Vortheil zu erspähn, Und ist allzeit bereit ihn auszunutzen. Er thut kein Unrecht und erduldet keins. Sein glatt Gesicht läßt, lächelnd, den Verliebten, Wenn er's in Falten zieht, den Krieger sehn. Auf seinem Helm trägt er ein Siegeszeichen, Zunebst den Farben seiner Herzensdame. Von Alter mag er fünfunddreißig sein, Und in den Händen hält er eine Lanze Mit Silber eingelegt. Sind all' ihm ähnlich? Sie alle sind der Ehre wahre Söhne. O, kaum erwarten kann ich ihren Anblick! Nun Liebste, sollst du sehn, wie Männer fechten. Gern säh' ich es, wär' es um andres nur, Zum Beispiel um zwei mächt'ge Königreiche. O, daß doch Liebe so tyrannisch ist! Was meinst du, liebe Schwester, zarte Seele? Nein, weine nicht, eh' sie noch Blut geweint. Es muß ja sein! Mit deiner Schönheit stählest Du sie! Pirithous, dir überlass' ich Das Kampffeld, ordne alles so dort an, Wie es sich ziemt für die, die kämpfen werden. Seid überzeugt – Und nun, schnell auf den Weg, Mich duldet's länger nicht, bis ich sie sehe. Mach's fürstlich, Freund! Es soll gewiß nichts fehlen. Du aber weine! Denn wer auch gewinnt, Den Vetter tödtet er! – Ich armes Kind! Dritte Scene Dritte Scene (Athen; ein Zimmer im Gefängniß). (Kerkermeister, Doctor und Freier treten auf.) Nicht wahr, wenn der Mond scheint, so pflegt es immer schlimmer mit ihr zu gehen? Sie ist immerfort nicht bei Sinnen; aber auf eine harmlose Weise, schläft wenig, ißt fast gar nichts, trinkt viel und spricht nur immer von einer andern, bessern Welt. Was ihr auch durch den Kopf geht, in alles mischt sie den Namen Palämon ein. Seht, da kommt sie. Beobachtet sie genau. (Die Tochter tritt auf.) Ich hab' es ganz vergessen. Der Refrain war »Ducke dich, ducke dich«, und kein Schlechterer hat es gemacht, als Gerrold, Emiliens Schulmeister. Er ist ein solcher Phantast, wie es keinen zweiten mehr auf Erden gibt; in der andern Welt aber wird Dido den Palämon zu sehen bekommen, und dann ist es mit der Liebe zu Aeneas aus. Was sie für Unsinn redet. Armes Mädchen! So geht es den ganzen Tag. Was den Zauber anbetrifft, von dem ich Euch sagte, so müßt Ihr Euch ein Silberstück auf die Zungenspitze legen, sonst geht es nicht. Wenn wir dann zu den seligen Geistern kommen – und warum sollte das nicht geschehen? – so werden wir Mädchen, die ihre Herzen verloren haben, weil die Liebe sie in Stücke brach, den ganzen Tag über nichts weiter thun, als mit Proserpina Blumen pflücken, dann werd' ich einen Strauß binden für Palämon und werde dann – merkt auf – werde – Wie lieblich sie in ihrem Wahnsinn ist! Laßt sie mich noch etwas länger beobachten. Ihr könnt mir's glauben, manchmal gehen wir auch zum Erntetanz, das heißt, wir Seligen. Ach, die an dem andern Ort da führen ein trauriges Leben; nichts als Brennen, Braten, Sieden, Heulen, Zähnklappern und Fluchen. Hu, hu! Sie leiden schreckliche Qualen. Nehmt euch in Acht! Ist einer toll oder erhängt oder ersäuft sich, so kommt er dahin. Zeus bewahre uns davor. Da steckt man uns in große bleierne Kessel mit Wuchererschmalz, zusammen mit tausend Beutelschneidern und kocht uns darin wie Schinken, ewig, ewig! Was das für Phantasien sind! Vornehme Herren und Hofleute, die Mädchen geschwängert haben, sind auch da drin: dort müssen sie bis zum Nabel im Feuer und bis zum Herzen in Eis stehen. Womit sie gesündigt haben, das brennt, und womit sie betrogen haben, das friert. Doch eine harte Strafe für solch eine Kleinigkeit. Mancher würde lieber eine aussätzige Hexe heirathen, um nur davon loszukommen, das könnt ihr mir glauben. Sie hält immer ein und dasselbe fest. Ausgesprochene Tollheit ist das nicht, aber eine schwere Melancholie. Horch! Da heulen eine vornehme Dame und ein stolzes Kaufmannsweib miteinander. Ein Vieh wär' ich, wenn ich daran Vergnügen fände. – Die eine schreit: »O, dieser Rauch«; die andre: »O, dieses Feuer«. Die eine jammert: »Ach, daß ich es hinter dem Vorhang that«, und heult dann; die andere verflucht den drängenden Bewerber und das Gartenhaus. (Singt.) »Mein Glück, mein Stern, dir bleib' ich treu!« (Ab.) Ich meine, ihr Geist ist zerrüttet, und da kann ich wohl nicht helfen. Ach, was soll dann werden?! Habt Ihr einen Begriff davon, ob sie je einem gut war, bevor sie Palämon erblickte? Vordem hoffte ich stark, daß sie ihre Neigung diesem meinem jungen Freunde hier geschenkt hätte. Ich glaubte das auch, und würde gern mein halbes Vermögen darum geben, daß wir miteinander noch auf demselben Fuße stehen sollten. Die Unmäßigkeit ihrer Augen hat das Gleichgewicht ihrer übrigen Sinne gestört. Diese können sich ermannen und ihre regelmäßigen Functionen wieder aufnehmen, doch vor der Hand sind sie in der größten Verwirrung. Was Ihr zu thun habt, ist Folgendes: Haltet sie in einem Zimmer, in welches nur wenig Tageslicht hineinscheint. Ihr, junger Freund, nehmt den Namen Palämon an und sagt, Ihr kämet zu ihr, um mit ihr zu essen und in Liebe zu verkehren. Das wird ihre Aufmerksamkeit erregen und ihren Geist auf einen bestimmten Punkt festhalten, während sonst alle andern Gegenstände, die zwischen ihr Auge und ihr Begriffsvermögen treten, zum Spielball ihrer Tollheit werden. Singt ihr solche Lenz- und Liebeslieder vor, wie sie von Palämon im Gefängniß gehört hat, steckt Euch schöne Blumen ins Knopfloch, wie die Jahreszeit gerade bietet, und benetzt dieselben außerdem noch mit wohlriechenden Essenzen, die den Sinnen schmeicheln. Alles das wird sie an Palämon erinnern, denn Palämon versteht zu singen, ist immer sanft und freundlich und stets guter Dinge. Besteht darauf, mit ihr zu essen, schneidet ihr vor, trinkt ihr zu und thut überhaupt Euer Bestes, ihre Liebe und Zuneigung zu gewinnen. Erkundigt Euch, wer von den jungen Mädchen ihre Spielgenossinnen gewesen sind, und sorgt dafür, daß dieselben den Namen Palämon immer im Munde führen und häufige Anspielungen auf ihn machen. Der Zustand, in welchem sie sich befindet, ist ein unwahrer und deshalb muß er auch mit Unwahrheiten bekämpft werden. – Auf diese Weise, hoffe ich, wird sie dahin gebracht werden, wieder zu essen und zu schlafen, wodurch alles, was bei ihr jetzt in Unordnung gerathen ist, wieder in die frühere Ordnung zurückkehrt. Das habe ich schon oft bewährt gefunden, öfter, als ich es Euch sagen kann, und daß dies auch hier der Fall sein wird, davon bin ich fest überzeugt. Im weitern Verlaufe der Cur steht Euch meine ärztliche Hülfe natürlich immer zu Diensten. Beginnt nur nun damit und beschleunigt auf diese Weise den Erfolg, der Euch Trost und Erleichterung bringen möge. (Alle ab.) (Der Vorhang fällt.) Fünfter Act Erste Scene Erste Scene (Athen. Man sieht drei Altäre mit den Inschriften: Mars, Venus und Diana.) Theseus, Hippolyta und Pirithous nebst Gefolge treten auf. Trompetenstöße. Sie mögen nun sich nah'n und zu den Göttern In frommer Andacht flehen. Laßt die Tempel Von heil'gen Feuern flammen und empor Von den Altären reichen Weihrauch steigen Zu jenen über uns. Versäumet nichts, Denn edel ist das Werk, zu dem sie schreiten, Und ehren soll's die gnadenreichen Götter! Sie nahen, Herr! (Arcites und Palämon, ein jeder mit seinen drei Rittern, treten auf). Ihr blutsverwandten Fürsten, Unausgesöhnte Feinde, die ihr kamt, Den Hader zwischen euch heut auszutragen, Vergeßt in dieser Stunde euren Zorn Und beugt in Demuth eure trotz'gen Leiber Vor eurer Helfer heiligen Altären, Der Götter, die ihr fürchtet. Euer Groll Ist mehr als menschlich, so sei euer Beistand! Die Götter schaun auf euch; drum kämpfet ehrlich! Ich wünsche Glück dem einen wie dem andern. Dem Würdigsten von euch der Ehre Kranz! (Theseus, Hippolyta, Pirithous und Gefolge ab.) Eh' jetzt der Sand im Stundenglas verronnen, Ist einer von uns todt. Bedenk' nur dies: Wär' etwas in mir, das in dieser Sache Mich hindern wollt', etwa ein Aug' das andre, Ein Arm den andern, von mir würf' ich es, Ob's schon ein Theil von mir, – das thät' ich, Vetter! Daran erkenn', ob ich dich schonen kann. Mir kostet's Müh' und Arbeit, deinen Namen, Unsre Verwandtschaft, deine alte Liebe Aus meinem Angedenken zu verbannen Und etwas andres dafür hinzustellen, Das ich vernichten möcht'. Doch laß uns nun Die Segel hissen, welche unsre Schiffe Zu jenen Häfen tragen, die die Götter Bestimmt uns haben. Das war wohlgesprochen! Bevor ich geh', laß dich umarmen, Vetter, Noch einmal – nie dann wider! (Sie umarmen sich.) Lebe wohl! Das Schicksal will es, lebe wohl! Leb' wohl! (Palämon mit seinen drei Rittern ab.) Ihr, edle, Ritter, Freunde, Anverwandte, Die ihr bereit seid, euch für mich zu opfern, Mars' tapf're Söhne, dessen Geist in euch Jedwede Furcht und Bangigkeit verscheucht, Laßt jetzt uns vor den Gott, den wir bekennen, Gemeinsam treten, und des Löwen Herz, Des Tigers Wuth, Furchtlosigkeit und Schnelle, Der Schlange List und Klugheit uns erflehn. Ihr wißt, der Preis, um den ich werbe, muß Mit Blut errungen werden; großer Thaten Bedarf's, den Kranz mir auf das Haupt zu setzen, In welchem sie als schönste Blume prangt. Drum lasset uns an jenen Gott uns wenden, Der auf der Wahlstatt, roth vom Blut der Kämpfer, Gebietend waltet. Steht mir dazu bei Und beugt im Geiste auch vor seiner Macht! (Sie treten vor den Altar des Mars, fallen auf das Angesicht und knien dann.) Gewaltiger, der du der Meere Grün In Purpurroth verwandelst; dessen Nah'n Kometen uns verkünden, dessen Fuß Auf weitem Blachfeld Spuren der Verwüstung Und bleichende Gebeine hinterläßt; Dess' Athem Ceres' Kinder niedermäht Und dessen starke Hand aus luft'ger Höhe, Der Thürme Zinnen stürzt, volkreicher Städte Steingürtel baut und gleich der Erde macht: Verleihe deinem Zögling, mir, dem Jüngsten, Der deinem Schlachtruf folgte, Kraft und Weisheit, Daß er zu deiner Ehr' sein Fähnlein schwinge, Und du als Held des Tags ihn krönen kannst. Gib, großer Mars, ein Zeichen deiner Gunst! (Hier fallen alle wie vorher auf das Angesicht. Man vernimmt Waffengeklirr und kurzes Donnerrollen, worauf alle sich gegen den Altar verbeugen.) Du, der die Zeit, die aus den Fugen ging, Von neuem wieder fügst, – entnervte Reiche Zertrümmerst, – über Staub und alte Rechte Gericht hältst, – wenn die Erde krank, mit Blut Sie heilest und vor Uebervölk'rung Die Welt bewahrst: ich nehme dies, dein Zeichen, Als glückverheißend an und gehe kühn In deinem Namen an mein Werk. Kommt alle! (Arcites und die Ritter ab.) (Palämon und seine Ritter treten wieder auf.) In neuem Glanze müssen unsre Sterne Aufgehen heute oder ganz verlöschen. Um Liebe kämpfen wir, und wem die Göttin Die Braut bestimmt, dem gibt sie auch den Sieg. So eint euch jetzt, die ihr aus Edelmuth Um meinetwillen kämpfen, wagen wollt', Im Geist mit mir. Laßt das, was wir beginnen, Der Göttin Venus Gnade uns empfehlen Und ihre starke Hülfe uns erflehn! (Sie treten vor den Altar der Venus, fallen auf das Angesicht und knien dann.) Heil dir, geheimnißvolle Herrscherin, Die du die Macht hast, des Tyrannen Wuth Zu bänd' gen, daß er wie ein Mädchen weint, – Mit einem einz'gen Winke deines Auges Mars' Trommel läßt verstummen und den Lärm Der Schlacht zu leisem Flüstern sich verlieren. Den Krüppel läßt du seine Krücke schwingen Und heilest trotz Apollo ihn. Den König Machst du zum Unterthanen seines eignen Vasallen, – lässest steife Gravität Im Tanz sich drehen, – läßt den Hagelstolz, Dess' Jugend deine Flamme übersprang (Wie wilde Buben über Freudenfeuer), Mit siebzig Jahren spät noch Feuer fangen Und, wie zum Spotte seiner heisern Kehle, Verliebte Lieder singen. Welche Macht, Wie groß auch, könnte deiner sich vergleichen?! Die Flammen Phöbus' mehrst du mit den deinen, Die heißer noch als seine Flammen glühn. Das Himmelsfeuer sengte ihm den Sohn, Den sterblichen, doch du versengst ihn selbst. Diana, doch bekannt als streng und kalt, Warf hin den Bogen und begann zu seufzen. – In Gnaden nimm mich an als deinen Jünger! Geduldig hab' ich stets dein Joch getragen, Wie einen Kranz von Rosen, ob es schwerer Als Blei auch war und mehr als Nesseln sticht. Nie hab' ich wider dein Gesetz gegrollt, Geheimes nie verrathen, denn mir war Ja nichts bekannt, doch hätt's auch nicht gethan, Wenn alles offenbar mir wär' gewesen. Nie hab' ich eines andern Weib verführt, Vielmehr bin ich erröthet, wenn ich sah, Wie andre es versuchten. Heftig frug ich Und zürnend dann: Habt ihr denn keine Mutter? Ich hatte eine und sie war ein Weib, Wie also könnet ihr ein Weib beleid'gen? Dabei erzählt' ich, daß ich einen Mann Von achtzig Jahren hätt' gekannt, der sich Mit einer Jungfrau hätt' vermählt von Vierzehn, Denn so verjünget deine Macht den Staub! Des Alters Krämpfe hatten seine Füße Verborgen, Gicht die Finger ihm gekrümmt; Die stieren Augen hatten heft'ge Schmerzen Aus ihren Höhlen ihm herausgetrieben, Was in ihm Leben war, war eitel Qual. Und doch erzielte diese halbe Leiche Mit ihrer Gattin einen kräft'gen Buben! Daß er der Vater war, bezweifl' ich nicht, Denn sie beschwor's, und wer mußt' ihr nicht glauben Genug – zu denen, die's gethan und plaudern, Gehör' ich nicht, – noch weniger zu denen, Die 's nicht gethan und doch sich dessen rühmen, Wie ich dagegen über die kann lachen Die's hätten gern gethan, und nur nicht konnten. Doch jene hass' ich, die gewährte Huld Mit Namensnennung unverschämt verkünden. So bin ich, – und beschwören kann ich es, Nie seufzte ein Verliebter wahrer, treuer. Und darum, holde Göttin, laß mich siegen In diesem Kampf, der treuer Liebe soll Den Lohn verleihn, und segne gnädig mich Mit einem Zeichen deines Wohlgefallens. (Musik läßt sich vernehmen, Tauben flattern über die Bühne. Die Ritter fallen auf ihr Angesicht und knien dann.) O du, die in der Brust der Sterblichen Von elf bis neunzig herrschest – deren Plan Die ganze Welt und wir ihr Wild! Ich danke Für dieses Zeichen, das mir Zuversicht Ins Herze gießt und meinen Gliedern Kraft Zu diesem Werk verleiht. – Steht auf und laßt In Ehrfurcht von der Himmlischen uns scheiden, Denn es ist Zeit! (Sie verbeugen sich und gehen ab. Die Flötenmusik dauert fort. Emilia, weiß gekleidet mit herabwallendem Haar, einen weißen Kranz auf dem Haupte, tritt auf. Eine ebenfalls weißgekleidete Jungfrau trägt ihr die Schleppe, eine andere, die ihr vorangeht, eine Hirschkuh von Silber, welche mit Weihrauch und Spezereien angefüllt ist, und stellt dieselbe auf Diana's Altar nieder. Während die übrigen Jungfrauen sich um den Altar stellen, zündet Emilia den Weihrauch an.) Du heil'ge, keusche Königin der Nacht, Verächt'rin wilder Lust, stummwandelnde, In einsamer Betrachtung, hehre, reine, Du, reiner als der frischgefall'ne Schnee, Die ihren Dienerinnen mehr des Bluts Nicht zuertheilt, als zum Erröthen nöthig, Dem Ordenskleid, das deine Jünger tragen: Vor deinem Altar knie' ich, deine Priest'rin, In Demuth hier! O blicke gnadenreich Mit deinem Auge, das Unreines flieht, Auf mich, die Jungfrau! Leihe, Silberreine, Dein Ohr, das nie unkeuschem Wort gelauscht Und sich unzücht'ger Rede stets verschloß, Dem, was ich hier mit heil'ger Bitt' erflehe, Der Jungfrau letzter Opferdienst ist dies. Als Braut geschmückt, bin ich doch Mädchen noch; Bestimmt ist mir ein Gatte, aber welcher Von zweien weiß ich nicht. Ich soll den einen Von ihnen wählen und für ihn den Sieg Erbitten von den Göttern. Doch ich kann Mich dieser Wahl nicht schuldig machen; lieber Gäb' ich ein Auge hin, als daß ich einen Von ihnen schickte in den sichern Tod. Darum laß du, sittsame Königin, Von beiden Freiern den, der mir am meisten In Liebe und in Treue zugethan, Den weißen Kranz von meinem Haupte nehmen. Sonst aber, Himmlische, gestatte mir, Daß ich der Jungfrau Stell' und Eigenschaft, Die ich in deiner Schar besaß, behalte. (Hier versinkt die Hirschkuh in den Altar; dafür steigt aus demselben ein Rosenstock mit Einer Blüte empor.) Seht, was der Ebb' und Flut Gebieterin Aus ihres heil'gen Altars Eingeweiden Erstehen läßt in feierlichem Act, Nur eine einz'ge Rose! Deut' ich recht, So rafft der Kampf die beiden Tapfern hin, Und einsam soll ich jungfräuliche Blume Und ungepflückt verblühn. (Hier erschallt eine lebhafte Musik. Die Rose fällt von dem Stocke ab, der zugleich im Altar verschwindet.) Die Blume fiel, der Stock verschwand! O, Herrin, Entlassen hast du mich! So scheint es demnach Daß ich gepflückt soll werden? Doch dein Wille Ward mir nicht klar. Enthülle das Geheimniß Und zürne nicht! Verheißend war das Zeichen! (Sie verbeugen sich alle und gehen ab.) Zweite Scene Zweite Scene (Athen; ein Zimmer im Gefängniß.) Der Doctor, Kerkermeister und Freier (wie Palämon gekleidet) treten auf. Hat ihr der Rath geholfen, den ich gab? Bedeutend, denn sie glaubt es den Mädchen, Die um sie sind, daß ich Palämon sei. Vor einer halben Stunde fragte sie Mich lächelnd, was ich heute essen wollte, Und ob ich sie nicht küssen würde? Ich War gleich bereit und küßte zweimal sie. Ei, zwanzigmal wär' besser noch gewesen. Das ist die beste Cur! Dann sagte sie, Sie wolle mit mir wachen heute Nacht, Sie wüßte schon, wann's mich zu packen pflege. I seht einmal! Nun, wenn es Euch dann packt, So packt sie ordentlich nur, daß sie es merkt. Dann sollt' ich ihr was singen. Thatet Ihr's? Ach nein! Das war nicht recht von Euch! Ihr müßt Thun, was sie will. Ich habe keine Stimme. Das schadet nichts, so viel kann jeder singen. In allem müßt Ihr zu Willen sein, Und wenn sie sich mit Euch zu Bett wollt' legen. Oho, Herr Doctor! Ja, so will's die Cur. Wohl möglich, aber nicht die Ehrbarkeit! Ach, Possen! Opfert nicht der Ehrbarkeit! Das eigne Kind. Erst heilt sie, will sie dann Noch ehrbar sein, so hat sie Zeit genug. Ich danke schön! Jetzt geht und holt sie her, Damit ich sie mir anseh'. Gut, ich gehe Und sag' ihr, daß Palämon sie erwartet. Herr Doctor, aber darin habt Ihr unrecht. (Ab.) Ja geht nur. Wie die Väter närrisch sind! Was Ehrbarkeit! Der müßt' man eh'r was geben, Damit sie – Haltet Ihr sie nicht für ehrbar? Wie alt ist sie? Kaum achtzehn. Dann ist's möglich, Daß sie's noch ist, doch darauf kommt's nicht an. Ihr Vater mag nun sagen, was er will, Wenn Ihr bemerkt, daß sie danach verlangt, Wovon ich sprach, videlicet nach Fleisch, So gebt es Ihr – Ganz wohl – Und macht sie satt; Das heilt sie, und vergehen werden ihr Alsbald die melancholischen Humore. (Der Kerkermeister kehrt mit seiner Tochter und ihrem Mädchen zurück.) Komm, liebes Kind! Palämon stehet dort, Schon eine Stunde wartet er auf dich. Schön Dank für so viel gütige Geduld, Er ist ein lieber Herr, ich schuld' ihm viel. Sahst du den Zelter, den er mir geschenkt? Ja wohl! Gefiel er dir? Ein prächtig Thier! Sahst du ihn tanzen? Nein! Das sollt'st du sehen! Er tanzt die Gigue unvergleichlich schön, Mit langem und mit kurzgestutztem Schwanz, Und dreht sich wie ein Kreisel. Unbegreiflich! Auf Maurisch tanzt er zwanzig Meil' die Stunde, Was ihm das beste Steckenpferd im Kirchspiel, Soviel ich mich darauf versteh' nicht nachmacht; Und galoppirt zum Liede »Lieb' mein Lieb'«. – Was meinst du zu dem Pferd? Wenn's so geschickt ist, So könnte man ja Federball ihm lehren. O, das wär nichts! Versteht er auch zu lesen, Vielleicht sogar zu schreiben? Ganz vortrefflich. Die Rechnung über seinen Proviant Führt er allein. Den Stallknecht wollt' ich sehn, Der ihn beschuppen kann. Die braune Stute Des Herzogs kennst du doch? O ja, sehr gut! Das arme Vieh ist ganz verliebt in ihn, Doch er ist kalt und spröde wie sein Herr. Was hat sie denn als Mitgift? Ei, sie hat Zweihundert Bündel Heu und zwanzig Maß Vom besten Hafer, doch er will sie nicht. Ach, wenn er wiehert, wie er dabei lispelt – Das könnte einen Müllergaul bezaubern, Es wird ihr Tod noch sein! Was sie für Unsinn Zu Tage bringt! Da kommt dein Liebster, grüß' ihn! Wie geht es dir, mein Herz? Wie schön du bist, Und welch ein Knicks! Ganz Euch zu Diensten, Herr, In aller Ehrbarkeit! Sagt, liebe Freunde, Wie weit noch ist es, bis ans End' der Welt? Das kann wohl eine Tagereise sein. Was meint Ihr, wollt' Ihr mit mir gehn? Was sollen Wir denn dort machen? Fußballspielen, ei, Was sonst? Mir ist es recht, ich gehe mit, Vorausgesetzt, daß wir dort Hochzeit halten. Ja, das ist wahr! Dort finden wir gewiß 'nen blinden Priester, der uns trauen wird. Denn hier zu Lande sind sie gar zu mäklig, Und außerdem wird auch mein Vater morgen Gehängt, – das paßte doch nicht gut zusammen. Du bist Palämon? Kennst du mich denn nicht? O ja, doch kümmerst du dich nicht um mich. Ich hab' auch nichts als dieses Eine Kleid Und nur zwei Hemden noch. Das macht nichts aus, Ich will dich einmal haben. Willst du wirklich? So lass' zu Bett' uns gehn! Wann dir's gefällt! (Er küßt sie.) Du naschest gar zu gern! Was wischest du Dir meine Küsse ab? Sie sind so heiß Und räuchern vor der Hochzeit schon mich ein. Ist das Arcites nicht, Eu'r Vetter? Ja! Der überaus zufrieden, daß Palämon Solch eine gute Wahl getroffen hat. So meint Ihr auch, er wird zur Frau mich nehmen? Gewiß! Ist das auch Eure Meinung? Ja! Wir werden wohl recht viele Kinder haben. Mein Gott, wie feist Ihr wurdet! Hoffentlich Macht's Euch Palämon nach; nun ist er frei, Die schlechte Wohnung und die schmale Kost, Sie haben ganz vom Fleische ihn gebracht, Ich werd' ihn aber schon zurecht mir küssen! (Ein Bote tritt auf.) Was hockt ihr hier und geht des schönsten Anblicks Verlustig, der euch je geboten ward?! So sind sie schon dabei? I, freilich, freilich! Und Ihr habt dort ein Amt. Gleich will ich ihn, Darum lebt wohl! Wir werden Euch begleiten, So was muß ich mir ansehn. Nun, was meint Ihr Zu ihrer Krankheit? Habt nur guten Muth, In ein paar Tagen ist sie ganz gesund. Fahrt nur so fort und laßt sie nicht allein. Gewiß nicht. Führt sie fort! Jetzt komm zum Essen, Mein liebes Herz, nach Tische spielen wir Mit Karten. Aber küssen wir uns auch? Ei freilich, hundertmal. Und zwanzigmal. Und zwanzigmal. Und gehn zusammen schlafen. Nehmt es nur an. Und gehn zusammen schlafen. Ihr dürft mir aber nichts zu Leide thun. Nein, Herzchen, nein. Sonst fang' ich an zu schrein. (Alle ab.) Dritte Scene Dritte Scene (Ein Theil des Waldes bei Athen, nahe dem für den Kampf bestimmten Platz.) Trompetenstöße. Theseus, Hippolyta, Emilia, Pirithous nebst Gefolge treten auf. Ich bleibe hier. Wollt Ihr es nicht mit ansehn? Nein, lieber wollt' ich sehn, wie ein Rothkehlchen Die Mücke spießt, als diesem Kampf beiwohnen; Denn jeder Schlag bedroht ein edles Leben, Seufzt, wenn er niederfallen muß und klingt Wie Leichenglocke mehr als Schwerterschlag. Ich bleibe hier, genug schon, daß mein Ohr Mit dem, was dort geschieht, bestraft soll werden, Daß ich's nicht stopfen kann, – mein Auge aber Kann ich verschließen vor dem Schreckensanblick. Herr, Eure Schwester will nicht weiter gehn. Sie muß, dort wird sie Heldenthaten sehn, Verherrlicht wohl von Pinsel und von Meißel, Doch hier vollbracht in ihrer Gegenwart, Daß Ohr und Auge davon zeugen können. Du darfst nicht fehlen, denn des Siegers Lohn Und Preis und Krone bist du, wie du ja Des Kampfes Anlaß warst. Verzeih' mir, Bruder, Wär' ich dabei, ich schlösse doch die Augen. Du mußt dabei sein. Dieser Zweikampf ist Wie eine Nacht und du der einz'ge Stern, Der sie erhellt. Laß mich erloschen sein! Unselig ist dies Licht, es zeigt den einen Dem andern nur, so daß sich beide finden. O Finsterniß, des Schreckens Mutter du, Die Millionen Sterbliche verwünschen, Wirf deinen schwarzen Mantel über sie, Daß keiner seinen Gegner sehen möge. So bess're deinen Namen und thu' Buße Für manche Greuelthat, die du begingst. Komm mit uns, Schwester! Nein, ich bleibe hier. Dein Auge soll der Ritter Muth entflammen. Du bist des Kampfes Kleinod, darfst nicht fehlen, Du mußt den Preis ertheilen! Laß mich, Bruder! Wer König ist, der schöpft aus sich sein Recht. Nun, wie du willst. Doch die gezwungen sind Mit dir zu bleiben, werden ihren Dienst Gewiß verwünschen. Schwester, lebe wohl! Mich freut es nur, daß ich auf diese Weise Doch etwas früher deinen Gatten soll Erfahren als du selber. Mögen nun Die Götter von den beiden dir den besten Bescheren, darum bitt' ich sie inbrünstig. (Alle ab, außer Emilia und einige ihres Gefolges.) Ein würdevolles Antlitz hat Arcites! Doch ist sein Auge wie ein schwer Geschütz, Das nicht gerichtet ward und niemand droht, Wie eine scharfe Waffe in der Scheide. Auf seinem Angesicht sind Mannesmuth Und Milde Bettgenossen. Krieg'rischer Sieht wohl Palämon aus. Ihm ist die Stirn Gefurcht, und wenn er sie zusammenzieht, Begräbt er eine ganze Welt darin. Doch ist's nicht immer so, es ändert sich Nach den Gedanken, die ihn grad' beherrschen. Lang' weilt sein Aug' auf einem Gegenstand; Ihm stehet Schwermuth gut, Arciten Frohsinn, Doch ist Palämon's Traurigkeit nichts weiter Als eine Art von Frohsinn, so gemischt, Als mach' ihn Frohsinn traurig, Schwermuth fröhlich. Der finstre Ernst, der andern häßlich steht, Zeigt sich bei ihm in einer schönen Form. (Hörnerklang. Dann Trompetenstöße, wie zum Angriff.) Horch, wie es jetzt zum Kampf die Fürsten ruft. Wird mich Arcit gewinnen? Wird Palämon Arciten so verwunden, daß er ihm Des Leibes Schönheit raubt? O, nur zu sehr Ist dies zu fürchten! Wäre ich dabei, Nur Schaden brächt' es. Ihre Augen würden Auf mich gerichtet sein; so könnt' es kommen, Daß sie versäumten sich zu rechter Zeit Zu schützen oder vorzugehn zum Angriff. Nein, besser ist es, daß ich ferne bin. O, lieber nicht geboren sein, als solchem Unsel'gen Spiel als Zeuge beizuwohnen. (Hörnerklang und Rufe hinter der Scene. Man hört »Hoch Palämon!« schreien.) Was für ein Lärm! Sie rufen: »Hoch Palämon!« So siegte er? Ich hab' es gleich gedacht. Auf seinem schönen Antlitz lag der Sieg; Der Männer erster ist er zweifellos. Ich bitte dich, lauf' hin und bring' mir Nachricht, Wie es dort steht! (Lärm. Hörnerklang. Erneuerte Rufe: »Hoch Palämon!«) Noch immer: »Hoch Palämon!« Lauf hin und frage. (Dienerin ab.) Ach, mein armer Ritter, Du unterlagst! Auf meiner rechten Brust Trag' ich dein Bild, Palämon's auf der linken. Warum? Ich weiß es nicht, der Zufall that's, Es war nicht Absicht. Auf der linken Seite Da liegt das Herz, die beste Stelle hatte Palämon. (Wiederholtes Geschrei, Hörnerschall und Rufen.) Dieser Stimmen lautes Toben Bedeutet, daß der Kampf zu Ende ist. (Die Dienerin kehrt zurück.) Man sagte mir, Palämon hätt' Arciten Schon fingerbreit der Säule nah gedrängt, Sodaß man »Hoch Palämon« hätt' gerufen; Da hätten seine Kampfgefährten ihn Durch ihren Beistand schnell befreit und nun Sei'n beide Kämpfer handgemein geworden. O, daß in Einen sie verwandelt würden! Was sag' ich? Gäb' es auf der Welt ein Weib, Das solchen Doppelmannes würdig wäre? Was jedem den besonderen Werth verleiht, Und einen von dem andern unterscheidet, Ist schon viel mehr, als eine Frau verdient. (Hörnerschall. Rufe hinter der Scene: »Arcit, Arcit!«) Noch immer, wie? Palämon? Nein, sie rufen »Arcit« jetzt. Horch mit beiden Ohren hin, Ich bitte dich, daß du auch recht verstehst. (Hörnerschall. Lärm. Geschrei: »Sieg, Sieg, Arcit!«) Sie rufen: »Sieg, Arcit!« Horcht: »Sieg, Arcit!« Der Hörner Schall zeigt an des Kampfes Ende. Mit halbem Blicke konnt' es jeder sehn, Kein Schwächling sei Arcit. Aus seinem Auge Brach mächtig seines Geistes Kraft hervor, Wie man im Flachs nicht Feuer kann verstecken, Und niedres Ufer nicht der Wasser Schwall, Wenn er von wildem Sturm getrieben wird, Abwehren kann. Vermuthet hab' ich's gleich, Palämon würde unterliegen müssen, Nur weiß ich nicht, warum ich es vermuthet!? Vernünft'ge Gründe pflegen nicht Propheten Zu sein, viel öfter Einbildungen. Sieh, Da kommen sie. (Hörnerschall.) Palämon thut mir leid. (Theseus, Hippolyta, Pirithous, Arcit als Sieger nebst Gefolge treten auf.) In Furcht und Zagen harret unsre Schwester Des Ausgangs hier. Vernimm, Emilia, Kraft himmlischer Entscheidung gaben dir Die Götter diesen Ritter zum Gemahl, Ein besserer schlug nie den Feind aufs Haupt. Reicht Euch die Hände, nimm sie hin – du ihn, Und solche Lieb' vereine segnend euch, Die immer wächst, je mehr ihr selbst vergeht. Emilia, – dich zu gewinnen gab ich Das Köstlichste dahin (dich ausgenommen), Was ich besaß, doch dünket mich der Preis, Um den ich solchen Schatz erwarb, gering. Er redet von dem besten Ritter, Schwester, Der je ein edles Roß bestiegen hat; Ihn lassen unvermählt die Götter sterben, Daß sein Geschlecht nicht ihnen vor der Welt Zu ähnlich werde. Denn mit ihm verglichen Scheint der Alcide nur ein Klumpen Blei, So hat er mich entzückt. Doch wie ich immer Sein Lob auch singen mag, darum verliert Arcit nicht das Geringste, – denn der Große Fand seinen Größern noch. – Das Ohr der Nacht Hört' ich wetteifernd einst zwei Nachtigallen Mit wechselseitigem Gesang bestürmen; Bald lauter diese, jene bald, dann wieder Die erste ihre Schwester überbietend, Sodaß das Ohr zu keinem Urtheil kam. Nichts anders war es lang' bei diesen Vettern, Bis einer siegte durch des Himmels Schluß. Mit Stolz und Freude trage deinen Kranz, Doch den Besiegten sei Gerechtigkeit Nun schnell von uns gewährt. Ich weiß, ihr Leben Ist ihnen nur zur Qual. Hier laßt es sein, Für uns ist das kein Anblick, gehn wir also, Im Herzen fröhlich, doch nicht ohne Trauer. Umarme deinen Preis; ich weiß, um nichts In aller Welt gäbst du ihn wieder her. Hippolyta, in deinem schönen Auge Blinkt eine Thräne?! Ach, heißt das gewinnen? O Himmelsmächte, ist das eure Gnade? Sprächt ihr gebietend nicht: »So soll es sein, Nun tröste du den armen, freundeslosen, Den unglückhaften Fürsten, der ein Leben Geopfert hat, mehr werth als alle Frau'n« – Ich würde lieber sterben! Ach, wie traurig, Daß sich vier Augen wandten auf die eine Und zwei nun brechen müssen! Ja, so ist's! (Alle ab.) Vierte Scene Vierte Scene (Ebendaselbst.) Palämon mit seinen Rittern gefesselt. Kerkermeister, Henkersleute und andere treten auf. Wache. So mancher lebt, der seines Volkes Liebe Längst überlebt hat, und dasselbe gilt Von manchen Vätern und von manchen Kindern. In dem Gedanken liegt ein kleiner Trost, Wir sterben doch, von andern noch beklagt, Man wünscht uns, daß wir länger leben möchten. Des Alters böse Zeit bleibt uns erspart. Der Gicht und Gliederschmerzen schweren Pein, Die an des Lebens Ende auf uns lauert, Entgehen wir. Wir kommen zu den Göttern Noch jung und frisch, von Lastern und Verbrechen Noch nicht befleckt. So werden sie uns auch Willkommenheißen und vor jenen andern Mit Nektar tränken, da wir reine Geister. Doch immer gebt ihr, liebe Anverwandte, Zu wohlfeil euer junges Leben noch Für diesen kümmerlichen Trost dahin. Wir sind mit solchem guten Tod zufrieden. Die Sieger hatten nur für sich das Glück, Dem der Erfolg gewiß, wie uns der Tod. An keines Körnchens Ehre überwiegen Sie uns! Laßt Lebewohl uns sagen, Brüder, Und setzen wir das wankelmüth'ge Glück Durch unsere Geduld in helle Wuth! Wer macht den Anfang? Wem als mir, der euch Zu dem Bankete führte, käm' es zu, Davon zuerst zu kosten? – (Zum Kerkermeister.) Ha, mein Freund, Dein holdes Kind gab mir einmal die Freiheit, Du sollst sie nun für alle Zeit mir geben. Wie geht es ihr? Man sagte, sie sei krank? Daß sie so leiden muß, betrübt mich sehr! Sie ist genesen, Herr, und hält bald Hochzeit. Bei meinem Restchen Leben, das ist schön, Das freut mich, sag' ihr das, grüß' sie von mir Und gib ihr dies! (Er gibt ihm seine Börse.) Wir steuern alle bei! Ist sie noch Jungfrau? Ja gewiß, das denk' ich, Ein gutes, liebes Wesen, dem ich mehr Verdanke, als ich sagen kann und lohnen! (Sie geben dem Kerkermeister alle ihre Börsen.) Nehmt ihren Dank, die Götter lohnen's euch! Und nun lebt wohl! Mach's kurz mit meinem Leben, Wie ich mit meinem Abschied! Führ' uns an, Wir folgen willig dir, geliebter Bruder! (Palämon legt sein Haupt auf den Block. Man hört hinter der Bühne Geräusch und die Rufe: »Lauft, rettet, halt!« Ein Bote tritt eilig auf.) Halt, halt, ums Himmels willen, haltet ein! (Pirithous tritt eilig auf.) Halt ein, halt ein! Verwünscht sei Eure Hast, Wie leicht wär's nicht geschehn! – Edler Palämon, Die Götter wollen dir zu ihrem Ruhm Das Leben noch verlängern! Ist es möglich, Obschon ich sagte, daß mir Venus log? Wie ging das zu? Erheb' dich, edler Herr, Und leih' dein Ohr der Nachricht, die ich bringe, Die freudevoll zugleich schmerzlich ist! Was weckt uns so aus unserm Traum? Vernimm! Das Roß, das ihm Emilia jüngst geschenkt, Bestieg Arcites. Schwarz ist's wie die Nacht, Kein weißes Haar an ihm, was seinen Werth, Wie manche meinen, eben nicht vermehrt, Da es vorweg auf Tücke schließen läßt; Wer abergläubisch ist, wird ihm nicht trau'n. Auf diesem Pferd durchritt Arcit die Straßen Athens, – langsamen Schritts, als ob die Steine Er zählen wolle, während ja das Thier, Hätt' seine Kunst der Reiter zeigen wollen, Ihn wie ein Pfeil dahingetragen hätte. So aber ließ er's zur Musik der Hufen Nur zierlich tanzen. (Sagt man doch, Musik Sei aus des Eisens Klang zuerst entstanden.) Da plötzlich zuckt aus einem neid'schen Kiesel, Kalt wie Saturn und g'rade so wie er Bösart'gen Feuers voll, ein Funke her! Das Pferd, so hitzig wie das Feuer selbst, Erschrickt, macht einen Satz, stemmt sich zurück, Kennt keine Zucht und Ordnung mehr, – dem Sporn Gehorcht es nicht, schreit wie ein junges Schwein, Geräth in Wuth und sucht auf alle Weise Durch Bocken sich des Reiters zu entled'gen. Der aber sitzt in seinem Sattel fest; Der Zaum ist stark, der Sattelgurt platzt nicht, Ausschlagen ist umsonst, der Reiter drückt Es mächtig auf die Hinterbeine nieder – Da bäumt es sich empor, sodaß die Füße Arcit's hoch über seinem Kopfe stehn, Als hing er in der Luft; der Siegeskranz Fällt ihm vom Haupt und hintenüber stürzt Das wilde Thier und deckt mit seiner Last Des edlen Reiters Leib! – Noch lebt er zwar, Doch ist ein Schiff nur, das die nächste Welle Verschlingen muß. Noch einmal wünscht er Euch Vor seinem Tod zu sprechen. Seht, er naht! (Theseus, Hippolyta, Emilia. Arcites wird in einem Lehnsessel hereingetragen.) O, unglücksel'ges Ende unsrer Freundschaft! Allmächtig sind die Götter! – Wenn dein Herz, Dein würdig, männlich Herz noch schlägt, Arcites, So sprich ein letztes Wort zu mir. Ich bin Palämon, der dich Sterbenden noch liebt. Nimm du Emilien und nimm mit ihr Die ganze Lust der Welt. Gib mir die Hand, Leb' wohl! Mein Stundenglas ist abgelaufen. Geirrt hab' ich, doch treulos war ich nie! Vergib mir, Vetter. – Einen einz'gen Kuß Emilia nur – (Er küßt sie.) so, so – nun nimm sie hin. Ich sterbe! (Stirbt.) Seine Heldenseele zog Jetzt in Elysium ein! Laß mich die Augen Dir schließen, Fürst! Nun bei den Sel'gen wohne! Solang' ich lebe will ich diesen Tag Den Thränen weihn! Und ich dem Ruhm des Helden! An dieser Stelle fochtet ihr zuerst, Hier trennt' ich euch. Den Göttern bringe Dank, Daß du noch lebst und athmest. Seine Rolle Hat er nun ausgespielt, und war sie kurz, So hat er doch als Meister sich bewährt. Dein Tag ist länger und des Himmels Segen Troff auf dich nieder. Venus, die Gewalt'ge, Bewährte ihres Altars Kraft an dir Und gab dir, was du liebst, wogegen Mars, Der Krieger Herr, Arcit den Sieg verlieh, Wie sein Orakel diesem es verheißen. So zeigten sich die Götter euch gerecht. – Tragt jetzt den Todten fort! O Vetter, Vetter! Daß wir, was wir begehrten, selber uns Dann wieder rauben und den Schatz der Liebe Mit dem Verlust der Lieb' erkaufen mußten! Nie hat das Glück ein schlau'res Spiel gespielt, Denn der Besiegte triumphirt, der Sieger Erlag, und dabei haben sich die Götter Der Einmischung enthalten. Dir, Palämon, Gestand dein Vetter selbst das Vorrecht zu Auf die Geliebte, da du sie zuerst Erblickt und deine Liebe gleich erklärtest. Er gab sie dir zurück, wie ein Juwel, Das er dir stahl, und bat dich um Verzeihung, Damit er ruhig und in Frieden sterbe. Die Götter nehmen die Gerechtigkeit Aus meiner Hand und üben selber sie. Jetzt führe, die du liebst, hinweg von hier Und ruf' vom Henkerblocke die Gefährten, Sie sollen fortan meine Freunde sein. Zwei Tage oder drei weihn wir der Trauer, Bis wir Arcit zur Erd' bestattet haben. Dann aber ziehn wir Hochzeitskleider an Und jubeln mit Palämon, den ich noch Betrauerte vor einer Stunde, während Ich froh war mit Arcit. Jetzt thut Arcit Mir leid und mit Palämon freu' ich mich! – Ihr Zauberer dort droben, sagt, was macht ihr Aus uns für Wesen? Laßt bei dem uns jubeln, Was wir verlieren, und bei dem uns trauern, Was wir erlangen. Wahre Kinder sind wir! Doch laßt uns dankbar sein für das, was ist, Und haben nicht mit Euch, den über uns Allmächtig Waltenden. Kommt jetzt mit mir, Und was die Zeit verlangt, das laßt uns thun! (Alle ab.) (Der Vorhang fällt.) Ende Epilog Epilog Wie Euch das Stück gefiel, seid nun befragt. Ich bin zwar wie ein Schulbub' nicht verzagt, Doch bitt' ich Euch, bleibt noch ein bischen stehn, Daß ich mir Eure Mienen kann besehn. Wie? Keiner lacht? Das ist nun freilich schier Ein schlimmes Zeichen! Ist nicht Einer hier, Der einmal recht geliebt? Er tret' heraus Und zisch' uns wider sein Gewissen aus. Wär' keiner hier, das wär' doch sonderbar! Wir möchten Euer Urtheil, kurz und klar. Versteht mich recht: ich bin ja meiner Sache Nicht so gewiß; indeß, wenn auch die Mache Euch nicht gefiel, so war die Fabel doch Des Stückes gut, sodaß wir immer noch Vielleicht damit erzielt, was wir gewollt. Und wenn Ihr uns ein bischen Beifall zollt, So werden wir bald Bess'res Euch bescheren, Die alte Liebe zwischen uns zu nähren. Denn alles, was nur steht in unsrer Macht, Ist Euch, Ihr Herrn, zu Dienst. – Jetzt Gute Nacht!