William Shakespeare König Johann Personen König Johann Prinz Heinrich, sein Sohn, nachmaliger König Heinrich III. Arthur, Herzog von Bretagne, Sohn des verstorbnen Herzogs Gottfried von Bretagne, älteren Bruders vom König Johann William Mareshall, Graf von Pembroke Geffrey Fitz-Peter, Graf von Essex, Oberrichter von England William Longsword, Graf von Salisbury Robert Bigot, Graf von Norfolk Hubert de Burgh, Kämmerer des Königs Robert Faulconbridge, Sohn des Sir Robert Faulconbridge Philipp Faulconbridge, sein Halbbruder, Bastard König Richard I. Jakob Gurney, Diener der Lady Faulconbridge Peter von Pomfret, ein Prophet Philipp, König von Frankreich Louis, der Dauphin Der Erzherzog von Österreich Kardinal Pandulpho, Legat des Papstes Melun, ein französischer Edelmann Chatillon, Gesandter von Frankreich an König Johann Eleonore, die Witwe König Heinrich II. und Mutter König Johanns Constanze, Arthurs Mutter Blanca, Tochter Alfonsos, des Königs von Kastilien, und Nichte König Johanns Lady Faulconbridge, Mutter des Bastards und Robert Faulconbridges Herren und Frauen, Bürger von Angers, ein Sheriff, Herolde, Beamte, Soldaten, Boten und andres Gefolge Die Szene ist bald in England, bald in Frankreich Erster Aufzug Erster Aufzug Erste Szene Northampton. Ein Staatszimmer im Pataste. König Johann, Königin Eleonore, Pembroke, Essex, Salisbury und andre, nebst Chatillon, treten auf. Nun, Chatillon, sag, was will Frankreich uns? So redet Frankreichs König, nach dem Gruß, Durch meinen Vortrag zu der Majestät, Erborgten Majestät von England hier. Erborgten Majestät? – Seltsamer Anfang! Still, gute Mutter? Hört die Botschaft an! Philipp von Frankreich, kraft undlaut des Namens Von deines weiland Bruder Gottfried Sohn, Arthur Plantagenet, spricht rechtlich an Dies schöne Eiland samt den Ländereien, Als Irland, Poictiers, Anjou, Touraine, Maine; Begehrend, daß du legst beiseit das Schwert, Das dieses Erb' anmaßendlich beherrscht, Daß Arthur es aus deiner Hand empfange, Dein Neff' und königlicher Oberherr. Und wenn wir dieses weigern, was erfolgt? Der stolze Zwang des wilden, blut'gen Kriegs, Zu dringen auf dies abgedrungne Recht. Wir haben Krieg für Krieg und Blut für Blut, Zwang wider Zwang: antworte Frankreich das! So nehmt denn meines Königs Fehderuf Aus meinem Munde, meiner Botschaft Ziel! Bring' meinen ihm, und scheid' in Frieden so! Sei du in Frankreichs Augen wie der Blitz: Denn eh' du melden kannst, ich komme hin, Soll man schon donnern hören mein Geschütz. Hinweg denn! Sei du unsers Grimms Trompete Und ernste Vorbedeutung eures Falls! – Gebt ehrliches Geleit ihm auf dem Weg: Besorgt es, Pembroke! – Chatillon, lebt wohl! Chatillon und Pembroke ab. Wie nun, mein Sohn? Hab' ich nicht stets gesagt, Constanzens Ehrgeiz würde nimmer ruhn, Bis sie für ihres Sohns Partei und Recht Frankreich in Brand gesetzt und alle Welt? Dies konnte man verhüten; es war leicht Durch freundliche Vermittlung auszugleichen, Was die Verwaltung zweier Reiche nun Durch schrecklich blut'gen Ausgang muß entscheiden. Uns schirmt Besitzes Macht und unser Recht. Besitzes Macht weit mehr als Euer Recht, Sonst müßt' es übel gehn mit Euch und mir. So flüstert in das Ohr Euch mein Gewissen, Was nur der Himmel, Ihr und ich soll wissen. Der Sheriff von Northamptonshire tritt auf und spricht heimlich mit Essex. Mein Fürst, hier ist der wunderlichste Streit, Vom Land an Euren Richterstuhl gebracht, Wovon ich je gehört. Bring' ich die Leute? Ja, führt sie vor! – Sheriff ab. Die Klöster und Abteien sollen zahlen Die Kosten dieses Zugs. – Der Sheriff kommt zurück mit Robert Faulconbridge und Philipp, seinem Bastard-Bruder. Wer seid ihr beide? Ich Euer treuer Knecht, ein Edelmann, Hier aus Northamptonshire, und, wie ich glaube, Der älteste Sohn des Robert Faulconbridge, Den Löwenherzens ruhmverleih'nde Hand Für Kriegesdienst' im Feld zum Ritter schlug. Wer bist du? Der Erb' und Sohn desselben Faulconbridge. Ist das der ältre, und der Erbe du? So scheint's, ihr seid von einer Mutter nicht. Gewiß von einer Mutter, mächt'ger König, Das weiß man, und ich denk' auch, einem Vater: Doch die gewisse Kenntnis dieses Punktes Macht mit dem Himmel aus und meiner Mutter: Ich zweifle dran, wie jeder Sohn es darf. Pfui, grober Mann! Du schändest deine Mutter Und kränkest ihren Ruf mit dem Verdacht. Ich, gnäd'ge Frau? Ich habe keinen Grund; Das schützt mein Bruder vor, ich keineswegs: Denn wenn er es beweist, so prellt er mich Zum mind'sten um fünfhundert Pfund des Jahrs. Gott schütz' mein Lehn und meiner Mutter Ehre! Ein wackrer, dreister Bursch! – Warum spricht er, Als Jüngstgeborner, deine Erbschaft an? Ich weiß nicht, außer um das Lehn zu kriegen; Doch einmal schalt er einen Bastard mich. Ob ich so echt erzeugt bin oder nicht. Das leg' ich stets auf meiner Mutter Haupt; Allein, daß ich so wohl erzeugt bin, Herr, (Ruh' dem Gebein, das sich für mich bemüht!) – Vergleicht nur die Gesichter, richtet selbst! Wenn uns der alte Herr, Sir Robert, beide Erzeugt', und dieser Sohn dem Vater gleicht, – O alter Robert! Vater! siehe mich Gott knieend danken, daß ich dir nicht glich! Nun, welch ein Tollkopf ist uns hier beschert? Er hat etwas von Löwenherzens Zügen, Und seiner Sprache Ton ist ihm verwandt. Erkennt Ihr nicht Merkmale meines Sohnes Im großen Gliederbaue dieses Manns? Mein Auge prüfte seine Bildung wohl Und fand sie sprechend ähnlich. – Ihr da, sprecht, Was treibt Euch, Eures Bruders Lehn zu fodern? Weil er ein Halbgesicht hat, wie mein Vater, Möcht' er mein Lehn ganz für das Halbgesicht. Sein Groschen mit dem Halbgesicht-Gepräge Brächt' ihm alsdann fünfhundert Pfund des Jahrs. Mein gnäd'ger Lehnsherr, als mein Vater lebte, Braucht' Euer Bruder meinen Vater oft, – Ei, Herr, damit gewinnt Ihr nicht mein Lehn: Erzählt uns, wie er meine Mutter brauchte! Und sandt' ihn einst auf eine Botschaft aus, Nach Deutschland, mit dem Kaiser dort zu handeln In wichtigen Geschäften jener Zeit. Der König nutzte die Entfernung nun Und wohnt' indes in meines Vaters Haus. Wie er's erlangte, schäm' ich mich zu sagen; Doch wahr ist wahr: es trennten meinen Vater Von meiner Mutter Strecken See und Land (Wie ich von meinem Vater selbst gehört), Als dieser muntre Herr da ward erzeugt. Auf seinem Todbett ließ er mir sein Gut Im Testament und starb getrost darauf, Der, meiner Mutter Sohn, sei seiner nicht; Und wenn er's war, so kam er in die Welt An vierzehn Wochen vor der rechten Zeit. So gönnt mir denn, was mein ist, bester Fürst, Des Vaters Gut nach meines Vaters Willen! Still! Euer Bruder ist ein echtes Kind; Des Vaters Weib gebar ihn in der Eh', Und wenn sie ihn betrog, ist's ihre Schuld, Worauf es alle Männer wagen müssen, Die Weiber nehmen. Sagt mir, wenn mein Bruder, Der, wie Ihr sprecht, sich diesen Sohn geschafft, Von Eurem Vater ihn gefodert hätte: Traun, guter Freund, sein Kalb von seiner Kuh Könnt' er behaupten gegen alle Welt; Das könnt' er, traun! War er von meinem Bruder, So konnt' ihn der nicht fodern; Euer Vater Ihn nicht verleugnen, war er auch nicht sein. Kurz, meiner Mutter Sohn zeugt' Eures Vaters Erben, Dem Erben kommt das Gut des Vaters zu. Hat meines Vaters Wille keine Kraft, Das Kind, das nicht das seine, zu enterben? Nein, nicht mehr Kraft, mich zu enterben, Herr, Als, wie ich glaub', er mich zu zeugen hatte. Was willst du lieber sein? ein Faulconbridge, Der Lehn-Besitzer wie dein Bruder, oder Des Löwenherzens anerkannter Sohn, Herr deines Adels, und kein Lehn dazu? Ja, Fürstin, säh' mein Bruder aus wie ich, Und ich wie er, Sir Roberts Ebenbild, Und hätt' ich Beine wie zwei Reitergerten Und Arme wie von ausgestopfter Aalhaut, Ein dünn Gesicht, daß ich mit keiner Rose, Ins Ohr gesteckt, mich dürfte lassen sehn, Daß man nicht schrie': »Seht da Drei-Heller gehn!« Und wär' ich dieses ganzen Landes Erbe: Ich will von hier nie weichen, gäb' ich nicht Den letzten Fußbreit hin für dies Gesicht. Um keinen Preis würd' ich ein solcher Wicht. Ich hab' dich gern: willst du dein Teil verlassen, Das Land ihm übermachen und mir folgen? Ich bin Soldat und geh' auf Frankreich los. Bruder, nimm du mein Land, wie ich mein Los. Gilt Eu'r Gesicht fünfhundert Pfund auch heuer, Verkauft Ihr's für fünf Heller doch zu teuer. – Ich folge, gnäd'ge Frau, Euch in den Tod. Nein, lieber will ich Euch vorangehn lassen. Des Landes Sitte gibt den Höhern Vortritt. Wie ist dein Name? Philipp, mein Fürst: mein Name so beginnt; Des alten Roberts Eh'frau ältstes Kind. Führ' künftig dessen Namen, dem du gleichst: Knie' du als Philipp, doch steh auf erhöht: Steh auf, Sir Richard und Plantagenet! Gebt, mütterlicher Bruder, mir die Hand: Mein Vater gab mir Adel, Eurer Land. Gesegnet schienen Sonne oder Sterne, Als ich erzeugt ward in Sir Roberts Ferne. Das wahre Feuer der Plantagenet! Nennt mich Großmutter, Richard, denn ich bin's. Von ungefähr, nicht förmlich; doch was tut's? Geht's nicht grad' aus, so sieht man, wie man's macht: Herein zum Fenster, oder übern Graben. Wer nicht bei Tage gehn darf, schleicht bei Nacht, Und, wie man dran kömmt, haben ist doch haben. Weit oder nah, gut Schießen bringt Gewinn, Und ich bin ich, wie ich erzeugt auch bin. Geh, Faulconbridge! Du hast, was du begehrt; Ein armer Ritter hat dir Gut beschert. – Kommt, Mutter! Richard, kommt! Wir müssen eilen Nach Frankreich, Frankreich! Denn hier gilt kein Weilen. Bruder, leb wohl! Das Glück sei dir geneigt! Du wurdest ja in Ehrbarkeit erzeugt. Alle ab außer der Bastard. Um einen Schritt zur Ehre besser nun, Doch schlimmer um viel tausend Schritte Lands. Ich kann ein Gretchen nun zur Dame machen; – »Habt guten Tag, Sir Richard!« – »Dank, Gesell!« – Und wenn er Jürge heißt, nenn' ich ihn Peter: Denn neugeschaffner Rang vergißt die Namen; Es ist zu aufmerksam und zu vertraulich Für unsern Hofton. – Dann mein Reisender, An meiner Gnaden Tisch die Zähne stochernd, Und ist mein ritterlicher Magen voll, So saug' ich an den Zähnen und befrage Den Schönbart aus der Fremde: »Bester Herr«, – So auf den Arm mich stützend, fang' ich an, – »Ich möcht' Euch bitten«, – das ist die Frage nun, Und dann kommt Antwort wie ein Abc-Buch: »O Herr«, sagt Antwort, »gänzlich zu Befehl, Wie's Euch beliebt, zu Euren Diensten, Herr.« – Sagt Frage: »Nein, ich, bester Herr, zu Euren.« Und so, eh' Antwort weiß, was Frage will, – Bloß mit dem hin und her Komplimentieren Und Schwatzen von den Alpen, Apenninen, Den Pyrenäen und dem Flusse Po Zieht es sich bis zur Abendmahlzeit hin. Das ist hochadlige Gesellschaft nun, Die strebenden Gemütern ziemt, gleich mir. Wer nicht nach Wahrnehmung der Sitte schmeckt, Der ist ja nur ein Bastard seiner Zeit; (Das bleib' ich zwar, mit oder ohne Beischmack:) Und dies nicht bloß in Tracht und Lebensart, In äußerlichem Wesen und Manier, Nein, auch aus innern Kräften, zu erzeugen Süß, süßes Gift für des Zeitalters Gaum. Will ich dies schon nicht üben zum Betrug, So will ich's doch, Betrug zu meiden, lernen: Mir soll's die Stufen der Erhöhung ebnen. – Wer kommt in solcher Eil'? im Reithabit? Welch eine Frau'n-Post? Hat sie keinen Mann, Der sich bequemt, das Horn vor ihr zu blasen? Lady Faulconbridge und Jakob Gurney treten auf. O weh! 's ist meine Mutter. – Nun, gute Frau, Was bringt Euch hier so eilig an den Hof? Wo ist der Schalk, dein Bruder? sag mir, wo. Der außer Atem meine Ehre hetzt? Mein Bruder Robert? alten Roberts Sohn? Colbrand der Riese, der gewalt'ge Mann? Ist es Sir Roberts Sohn, den Ihr so sucht? Sir Roberts Sohn! Ja, du verwegner Bube, Sir Roberts Sohn: was höhnest du Sir Robert? Er ist Sir Roberts Sohn, du bist es auch. Laß, Jakob, eine Weil' uns hier allein! Empfehl' mich, guter Philipp. Philipp? Possen! Jakob, Hier ist was los, sogleich erfährst du mehr. Gurney ab. Ich bin Sir Roberts Sohn, des alten, nicht: Sir Robert konnte seinen Teil an mir Karfreitags essen und doch Fasten halten. Sir Robert konnte was; doch – grad' heraus: Konnt' er mich zeugen? Nein, das konnt' er nicht: Wir kennen ja sein Machwerk. – Gute Mutter, Sagt also, wem verdank' ich diese Glieder? Nie half Sir Robert, dieses Bein zu machen. Verschworst auch du mit deinem Bruder dich, Der meine Ehr' aus Klugkeit schützen sollte? Was soll dies Höhnen, ungeschliffner Knecht? Kein Knecht, ein Ritter, meine gute Mutter; Ich hab' den Ritterschlag, hier auf der Schulter. Doch, Mutter, ich bin nicht Sir Roberts Sohn; Sir Robert und mein Erbe gab ich auf, Nam', ehrliche Geburt, und alles fort: Drum, gute Mutter, nennt mir meinen Vater! Ich hoff', ein feiner Mann; wer war es, Mutter? Hast du dem Namen Faulconbridge entsagt? Entsagt von Herzen, wie dem Teufel selbst Dich zeugte König Richard Löwenherz. Durch lange, heft'ge Zumutung verführt, Nahm ich ihn auf in meines Gatten Bett. Der Himmel mag den Fehltritt mir verzeihn! Du bist die Frucht vom sträflichen Vergehn, Dem ich, bedrängt, nicht konnte widerstehn. Beim Sonnenlicht! Sollt' ich zur Welt erst kommen, So wünscht' ich keinen bessern Vater mir! Es gibt auf Erden losgesprochne Sünden, Und Eure ist's; Ihr fehltet nicht aus Torheit: Ihr mußtet dem durchaus Eu'r Herz ergeben, Als Huldigungstribut für mächt'ge Liebe, Mit dessen Grimm und Stärke sondergleichen Der unerschrockne Leu nicht kämpfen konnte, Noch Richards Hand sein fürstlich Herz entziehn. Wer mit Gewalt das Herz dem Löwen raubt, Gewinnt von einem Weib es leicht. Ach, Mutter! Von Herzen dank' ich dir für meinen Vater. Wer sagen darf, daß Übles sei geschehn, Als ich erzeugt ward, soll zur Hölle gehn. Komm, meine Anverwandten sollst du kennen; Sie werden sprechen: hätt'st du Nein gesagt, Als Richard warb, das wäre Sünd' zu nennen. Ein Lügner, wer zu widersprechen wagt! Ab. Zweiter Aufzug Erste Szene Erste Szene Frankreich. Vor den Mauern von Angers. Von der einen Seite kommt der Erzherzog von Österreich mit Truppen, von der andern Philipp, König von Frankreich, mit Truppen, Louis, Constanze, Arthur und Gefolge. Gegrüßt vor Angers, tapfrer Österreich! – Arthur! der große Vorfahr deines Bluts, Richard, der einst dem Leu'n sein Herz geraubt Und heil'ge Krieg' in Palästina focht, Kam früh ins Grab durch diesen tapfern Herzog. Und zur Entschädigung für sein Geschlecht Ist er auf unser Dringen hergekommen Und schwingt die Fahnen, Knabe, für dein Recht, Um deines unnatürlich schnöden Oheims, Johanns von England, Anmaßung zu dämpfen. Umarm' ihn, lieb' ihn, heiß' ihn hier willkommen! Gott wird Euch Löwenherzens Tod verzeihn, Je mehr Ihr seiner Abkunft Leben gebt, Ihr Recht mit Euren Krieges-Flügeln schattend. Seid mir bewillkommt mit ohnmächt'ger Hand, Doch einem Herzen reiner Liebe voll: Willkommen vor den Toren Angers', Herzog! Ein edles Kind! Wer stünde dir nicht bei? Auf deine Wange nimm den heil'gen Kuß Als Siegel an dem Pfandbrief meiner Liebe, Daß ich zur Heimat nimmer kehren will, Bis Angers und dein sonstig Recht in Frankreich, Samt jenem Felsenufer, dessen Fuß Zurück des Weltmeers wilde Fluten stößt Und trennt sein Inselvolk von andern Ländern, Bis jenes England, von der See umzäunt, Dies wellenfeste Bollwerk, sicher stets Und unbesorgt vor fremdem Unternehmen, – Ja! bis der westlich fernste Winkel dich Als König grüßt; bis dahin, holder Knabe, Denk' ich der Heimat nicht und bleib' im Feld. O nehmt der Mutter, nehmt der Witwe Dank, Bis Eure starke Hand ihm Stärke leiht Zu besserer Vergeltung Eurer Liebe! Den lohnt des Himmels Friede, der sein Schwert In so gerechtem, frommem Kriege zieht. Nun gut, ans Werk! Wir richten das Geschütz Ins Antlitz dieser widerspenst'gen Stadt. – Ruft unsre Häupter in der Kriegskunst her, Die vorteilhaft'sten Stellen zu ersehn! – Wir wollen lieber hier vor dieser Stadt Hinstrecken unser königlich Gebein, Zum Marktplatz waten in Franzosen-Blut, Als diesem Knaben nicht sie unterwerfen. Erwartet erst Bescheid auf Eure Botschaft, Daß Ihr zu rasch mit Blut das Schwert nicht färbt; Vielleicht bringt Chatillon das Recht in Frieden Von England, das wir hier mit Krieg erzwingen; Dann wird uns jeder Tropfe Bluts gereun, Den wilde Eil' so unbedacht vergoß. Chatillon tritt auf. Ein Wunder, Fürstin! – Sieh, auf deinen Wunsch Kommt unser Bote Chatillon zurück. – Was England sagt, sag's kürzlich, edler Freiherr! Wir warten ruhig dein: Sprich, Chatillon! So kehrt von dieser winzigen Belag'rung All Eure Macht auf einen größern Kampf! England nicht duldend Eu'r gerecht Begehren, Hat sich gewaffnet; widerwärt'ge Winde, Die mich verzögert, gaben ihm die Zeit, Mit mir zugleich zu landen seine Scharen. Er naht mit schnellen Märschen dieser Stadt, Die Heersmacht stark, die Krieger voller Mut. Mit ihm kommt seine Mutter Königin, Als Ate, die zu Kampf und Blut ihn treibt; Dann ihre Nichte, Blanca von Kastilien, Ein Bastard vom verstorbnen König auch; Und aller ungestüme Mut im Land, Verwegne, rasche, wilde Abenteurer Mit Mädchenwangen und mit Drachengrimm; Sie haben all' ihr Erb' daheim verkauft, Stolz ihr Geburtsrecht auf dem Rücken tragend, Es hier zu wagen auf ein neues Glück. Kurz, eine beßre Auswahl kühner Herzen, Als Englands Kiele jetzt herübertragen, Hat nie gewogt auf der geschwollnen Flut, Zu Harm und Schaden in der Christenheit. Man hört Trommeln. Die Unterbrechung ihrer frechen Trommeln Kürzt jeden Umschweif ab; sie sind zur Hand, Zu Unterhandlung oder Kampf: empfangt sie! Wie unversehn kommt dieser Heereszug! Je mehr uns unerwartet, um so mehr Muß es zum Widerstand den Eifer wecken; Es steigt der Mut mit der Gelegenheit. Sie sei'n willkommen denn, wir sind bereit. König Johann Eleonore, Blanca, der Bastard, Pembroke treten auf mit Truppen. Mit Frankreich Frieden, wenn es friedlich uns Gönnt einzuziehn in unser Erb' und Recht! Wo nicht: so blute Frankreich, und der Friede Steig' auf zum Himmel, während wir, als Gottes Grimmvolle Geißel, zücht'gen deren Trotz, Die seinen Frieden so zum Himmel bannten. Mit England Frieden, wenn der Krieg aus Frankreich Nach England kehrt, in Frieden dort zu leben. Wir lieben England, und um Englands willen Bringt unser Rüstung Bürd' uns hier in Schweiß. Dies unsrer Werk käm' deiner Sorge zu; Doch, daß du England liebest, fehlt so viel, Daß seinen echten König du verdrängt, Zerstört die Reih' der Abstammung, gehöhnt Des Staats Unmündigkeit, und an der Krone Jungfräulich reiner Tugend Raub verübt. Schau hier das Antlitz deines Bruders Gottfried! Die Stirn, die Augen sind nach ihm geformt, Der kleine Auszug hier enthält das Ganze, Das starb mit Gottfried; und die Hand der Zeit Wird ihn entfalten zu gleich großer Schrift. Der Gottfried war der ältre Bruder dir, Und dies sein Sohn; England war Gottfrieds Recht, Und er ist Gottfrieds: in dem Namen Gottes, Wie kommt es denn, daß du ein König heißest, – Weil lebend Blut in diesen Schläfen wallt, Der Krone wert, die du bewältigt hast? Von wem hast du die große Vollmacht, Frankreich, Zur Rede mich zu stellen auf Artikel? Vom höchsten Richter, der des Guten Trieb In jeder Brust von hohem Ansehn weckt, Des Rechtes Bruch und Fälschung zu durchschaun; Der setzte mich zum Vormund diesem Knaben; Aus seiner Vollmacht zeih' ich dich des Unrechts, Mit seiner Hülfe hoff' ich es zu strafen. Ach, maße dir kein fremdes Ansehn an! Verzeih', es ist, um Anmaßung zu dämpfen. Wen, Frankreich, zeihest du der Anmaßung? Laßt mich die Antwort geben! – Deinen Sohn. Ha, Freche! König soll dein Bastard sein, Damit du herrschen mögst als Königin. Mein Bett war immer deinem Sohn so treu Als deines deinem Gatten; dieser Knabe Gleicht mehr an Zügen seinem Vater Gottfried Als du und dein Johann an Sitten euch: Die ihr einander gleichet wie der Regen Dem Wasser, wie der Teufel seiner Mutter. Mein Sohn ein Bastard! Denk' ich doch beim Himmel, Sein Vater war so ehrlich nicht erzeugt. Wie könnt' er, da du seine Mutter warst? Eine gute Mutter, Kind! Schmäht deinen Vater! Eine gute Großmama, die dich will schmähn! Still! Hört den Rufer! Wer zum Teufel bist du? Ein Mensch, der Teufelsspiel mit Euch will treiben, Ertappt er Euch und Euer Fell allein. Ihr seid der Hase, wie das Sprichwort geht, Der tote Löwen keck am Barte zupft. Pack' ich Euch recht, so schwefl' ich Euren Pelzrock: Ja, seht Euch vor! Ich tu's fürwahr, ich tu's! O wie so wohl stand dem des Leu'n Gewand, Der dies Gewand dem Leuen hatt' entwandt! Es liegt so stattlich auf dem Rücken ihm Wie Herkuls Löwenhaut auf einem Esel. Bald, Esel, nehm' ich Euch die Last vom Nacken, Um andres drauf, was besser drückt, zu packen. Wer packt hier solche Prahlereien aus, Die unser Ohr mit leerem Schall betäuben? Louis, entscheidet, was wir sollen tun! Ihr Narr'n und Weiber, laßt vom Hadern ab! – König Johann, die kurze Summ' ist dies: England und Irland, Anjou, Touraine, Maine Sprech' ich von dir in Arthurs Namen an; Trittst du sie ab und legst die Waffen nieder? Mein Leben eher, – Trotz sei, Frankreich, dir! Vertraue mir dich, Arthur von Bretagne; Aus treuer Liebe will ich mehr dir geben, Als Frankreichs feige Hand gewinnen kann. Ergib dich, Knabe! Komm zur Großmutter, Kind! Tu's, Kind! Geh' hin zur Großmama, mein Kind! Gib Königreich an Großmama! Sie gibt dir 'ne Kirsche, 'ne Rosine und 'ne Feige: Die gute Großmama! Still, gute Mutter! Ich wollt', ich läge tief in meinem Grab: Ich bin's nicht wert, daß solch ein Lärm entsteht. Der arme Junge weint, weil seine Mutter Ihn so beschämt. Sie tu' es oder nicht, Scham über Euch! Nein, der Großmutter Unrecht, Nicht die Beschämung seiner Mutter lockt Aus seinen armen Augen diese Perlen, Die als ein Pfand der Himmel nehmen wird. Ja, der krystallne Schmuck besticht den Himmel, Zu schaffen ihm sein Recht und Rach' an Euch. O du Verleumderin von Erd' und Himmel! O du Verbrecherin an Erd' und Himmel! Nein, ich verleumde nicht. Du und die Deinen, Ihr risset Landeshoheit, Würden, Rechte Von dieses unterdrückten Knaben Haupt. Er ist der Sohn von deinem ältsten Sohn, In keinem Stück unglücklich als in dir; Dein Frevel wird am armen Kind gestraft, Der Ausspruch des Gebotes sucht ihn heim, Weil er, im zweiten Gliede nur entfernt, Aus deinem sündenschwangern Schoße stammt. Wahnwitz, hör' endlich auf! Nur dieses noch: Er wird nicht bloß geplagt um ihre Sünde, Gott machte ihre Sünd' und sie zur Plage Für diesen Nachkömmling, geplagt für sie; Mit ihr plagt ihn ihr Sohn, ihr Unrecht ist Sein Unrecht, er der Büttel ihrer Sünden. Das alles wird in diesem Kind bestraft, Und alles bloß um sie: Fluch über sie! Du töricht lästernd Weib! Ein letzter Wille Schließt deinen Sohn von jedem Anspruch aus. Wer zweifelt dran? Ein Will', ein Weiber-Wille, Ein böser, tückischer Großmutter-Wille! Still, Fürstin! oder mäßigt besser Euch! Schlecht ziemt es diesem Kreise, Beifall rufen Zum Mißlaut solcher Wiederholungen. – Lad' ein Trompeter auf die Mauern hier Die Bürger Angers'; hören wir, wes Recht Bei ihnen gilt, ob Arthurs, ob Johanns. Trompetenstoß. Bürger erscheinen auf den Mauern. Wer ist es, der uns auf die Mauern ruft? Frankreich, für England. England für sich selbst. Ihr Männer Angers', mein getreues Volk, – Getreue Männer Angers', Arthurs Volk, – Wir luden euch zu freundlichem Gespräch, – In unsern Sachen; – darum hört uns erst! Die Banner Frankreichs, die sich hier genaht Bis vor das Aug' und Antlitz eurer Stadt, Sind angerückt euch zur Beschädigung. Mit Grimm gefüllt ist der Kanonen Bauch; Sie sind gestellt schon, gegen eure Mauern Die eiserne Entrüstung auszuspein. Zum blut'gen Angriff alle Vorbereitung Und der Franzosen feindlich Tun bedroht Die Tore, eurer Stadt geschloss'ne Augen. Und, wenn wir nicht genaht, so wären jetzt Die ruh'nden Steine, die euch rings umgürten, Durch des Geschützes stürmende Gewalt Aus ihrem festen Bett von Leim gerissen. Und die Verwüstung bahnte blut'ger Macht Den Weg, auf euren Frieden einzubrechen. Doch auf den Anblick eures echten Königs, Der mühsamlich, mit manchem schnellen Marsch, Vor eure Tor' ein Gegenheer gebracht, Um unverletzt die Wangen eurer Stadt Zu schützen, – siehe da! erstaunt bequemen Zur Unterredung die Franzosen sich; Und schießen nun, statt Kugeln, rings in Feuer, Um eure Mauern fieberhaft zu schütteln, Nur sanfte Worte, eingehüllt in Dampf, Um eure Ohren treulos zu betören. Traut ihnen dem zufolge, werte Bürger, Und laßt uns, euren König, ein, des Kräfte, Erschöpft durch dieses Zuges strenge Eil', Herberge heischen im Bezirk der Stadt! Wann ich gesprochen, gebt uns beiden Antwort! Seht, hier an meiner Rechten, deren Schutz Aufs heiligste gelobt ist dessen Recht, Der sie gefaßt, steht Prinz Plantagenet, Sohn von dem ältern Bruder dieses Manns, Und König über ihn und all das Seine. Für dies zertretne Recht nun treten wir Im Kriegerzug den Plan vor eurer Stadt, Wiewohl wir weiter euer Feind nicht sind, Als Nötigung gastfreundschaftlichen Eifers Zur Hülfe dieses unterdrückten Kinds Uns im Gewissen treibt. Seid denn gewillt, Die schuld'ge Pflicht dem, welchem sie gebührt, Zu leisten, nämlich diesem jungen Prinzen: Und unsre Waffen werden, wie ein Bär Nach angelegtem Maulkorb, harmlos sein. Der Stücke Grimm wird auf des Himmels Wolken, Die unverwundbar sind, sich fruchtlos wenden; Mit frohem, freiem Rückzug wollen wir, Die Helm' und Schwerter ohne Beul' und Scharte, Das frische Blut nach Hause wieder tragen, Das wir an eure Stadt zu spritzen kamen, Und euch mit Weib und Kind in Frieden lassen. Doch schlagt ihr töricht dies Erbieten aus, So soll nicht eurer grauen Mauern Ring Vor unsern Kriegesboten euch verbergen, Wär' all dies Volk von England und ihr Zeug In ihren rauhen Umkreis auch gelegt. Sagt denn, erkennt uns eure Stadt als Herrn Zu Gunsten des, für den wir es geheischt? Wie, oder geben wir der Wut Signal Und ziehn durch Blut in unser Eigentum? Wir sind dem König Englands untertan, Die Stadt bleibt ihm und seinem Recht bewahrt. Erkennt den König denn und laßt mich ein! Wir können's nicht; wer sich bewährt als König, Der soll bewährt uns finden: bis dahin Verrammen wir die Tore aller Welt. Bewährt die Krone Englands nicht den König? Genügt das nicht, so bring' ich Zeugen mit, Aus Englands Stamm an dreißigtausend Herzen, – Bastarde und so weiter. Die mit dem Leben stehn für unser Recht. Nicht weniger, noch minder edles Blut – Auch einige Bastarde. Steht hier, der Federung zu widersprechen. Bis ausgemacht, wes Recht das würdigste, Verweigern für den Würdigsten wir's beiden. Vergebe Gott denn aller Seelen Sünden, Die heut zu ihrem ew'gen Aufenthalt, Bevor der Abend taut, entschweben werden, Im grausen Kampf um unsers Reiches König! Amen! – Zu Pferd, ihr Ritter! zu den Waffen! Sankt George, der Drachenspießer, der seitdem Auf jeder Schenke Schild zu Pferde sitzt, Nun steh uns bei! Zu Österreich. Ihr da! Wär' ich daheim, In Eurer Höhle, Herr, bei Eurer Löwin, Ich setzt' ein Stierhaupt auf Eu'r Löwenfell Und macht' Euch so zum Untier. Still doch, still! O zittert, denn Ihr hört des Leu'n Gebrüll. Hinauf zur Ebne, wo in bester Ordnung Wir alle unsre Truppen reihen wollen! So eilt, der Stellung Vorteil zu gewinnen. zu Louis. So sei's; und an den andern Hügeln heißt Den Rest sich stellen! – Gott und unser Recht! Alle ab. Zweite Szene Zweite Szene Getümmel und Schlacht. Dann ein Rückzug. Ein französischer Herold mit Trompetern tritt an die Tore. Ihr Männer Angers', öffnet weit die Tore, Laßt Arthur, Herzog von Bretagne, ein, Der heut durch Frankreichs Hand viel Stoff zu Tränen Den Müttern Englands schaffte, deren Söhne Gesäet liegen auf dem blut'gen Grund. Auch mancher Witwe Gatte liegt im Staub, Nun kalt umarmend die verfärbte Erde; Und Sieg, mit wenigem Verluste, spielt Auf der Franzosen tanzenden Panieren, Die triumphierend schon entfaltet stehn, Um einzuziehn und Arthur von Bretagne Aus Englands Herrn und euren auszurufen. Ein englischer Herold mit Trompetern. Freut euch, ihr Männer Angers'! Läutet Glocken! König Johann, Englands und eurer, naht, Gebieter dieses heißen, schlimmen Tags. Die ausgerückt in silberheller Rüstung, Sie nahn, vergoldet mit Franzosen-Blut; Kein Englisch Haupt trug Federn auf dem Helm, Die eine Lanze Frankreichs weggerissen; Die Fahnen kehren in denselben Händen, Die erst beim Auszug sie entfaltet, heim. Und wie ein muntrer Trupp von Jägern, kommen Die Englischen, die Hände ganz bepurpurt, Gefärbt vom Morde, der die Feind' entfärbt. Tut auf die Tor' und gebt den Siegern Raum! Herolde, von den Türmen sahn wir wohl Den Angriff und den Rückzug beider Heere Von Anfang bis zu Ende: ihre Gleichheit Scheint ohne Tadel unserm schärfsten Blick. Blut kaufte Blut, und Streiche galten Streiche, Macht gegen Macht, und Stärke stand der Stärke. Sie sind sich gleich, wir beiden gleichgesinnt. Bis einer überwiegt, bewahren wir Die Stadt für keinen und für beide doch. Von der einen Seite treten auf König Johann mit Truppen, Eleonore. Blanca und der Bastard, von der andern König Philipp. Louis, Österreich und Truppen. Frankreich, hast du mehr Blut noch zu vergeuden? Hat freien Lauf nun unsers Rechtes Strom? Er wird, gehemmt durch deinen Widerstand, Sein Bett verlassen und in wilder Bahn Selbst dein beschränkend Ufer überschwellen. Wo du sein silbernes Gewässer nicht In Frieden gleiten läßt zum Ozean. England, du spartest keinen Tropfen Blut In dieser heißen Prüfung mehr als Frankreich; Verlorst eh' mehr: und bei der Hand hier schwör' ich, Die herrscht, so weit sich dieser Himmel streckt: Wir wollen die gerecht getragnen Waffen Nicht niederlegen, bis wir dich gestürzt, Auf den sie zielen, sollten wir auch selbst Mit königlicher Zahl die Toten mehren Daß dann die Liste von des Kriegs Verlust Mit Mord beim Namen eines Königs prange. Ha, Majestät! wie hoch dein Ruhm sich schwingt, Wenn köstlich Blut in Königen entglüht! Ha! nun beschlägt der Tod mit Stahl die Kiefern, Der Krieger Schwerter sind ihm Zähn' und Hauer; So schmaust er nun, der Menschen Fleisch verschlingend, In unentschiednem Zwist der Könige. – Was stehn so starr die königlichen Heere? Ruft Sturm! Zum blut'gen Schlachtfeld eilt zurück, Ihr gleichen Mächte, wild entflammte Geister! Laßt eines Teiles Fall des andern Frieden Versichern; bis dahin: Kampf, Blut und Tod! Auf wessen Seite treten nun die Städter? Für England, Bürger, sprecht: wer ist eu'r Herr? Der König Englands, kennen wir ihn erst. Kennt ihn in uns, die wir sein Recht vertreten. In uns, wie wir selbst eigne Vollmacht führen, Und uns allhier behaupten in Person: Herr unser selbst, von Angers und von euch. Dies weigert eine höh're Macht als wir; Bis es entschieden ist, verschließen wir Den vor'gen Zweifel in gesperrten Toren, Von unsrer Furcht beherrscht, bis diese Furcht Uns ein gewisser Herrscher löst und bannt. Bei Gott! dies Pack von Angers höhnt euch, Fürsten: Sie stehn auf ihren Zinnen sorglos da, Wie im Theater gaffen sie und zeigen Auf dies geschäft'ge Schauspiel voller Tod. Folg' eure Fürstenhoheit meinem Rat! Wie die Empörer von Jerusalem Seid Freunde eine Weil' und kehrt vereint Der Feindschaft ärgste Mittel auf die Stadt! Von Ost und West laßt Frankreich so wie England Die übervoll geladnen Stücke feuern, Bis ihre Donnerstimme niederbrüllt Die Kiesel-Rippen dieser kecken Stadt. Ich wollt' auf dies Gesindel rastlos zielen, Bis wehrlos liegende Verheerung sie So nackend ließ' wie die gemeine Luft. Wenn das geschehn, teilt die vereinte Macht, Trennt die vermischten Fahnen noch einmal: Kehrt Stirn an Stirn und Spitze gegen Spitze! Dann wird Fortuna sich im Augenblick Auf einer Seite ihren Liebling wählen: Dem wird sie günstig den Gewinn des Tages, Glorreichen Sieg mit ihrem Kuß verleihn. Behagt der wilde Rat euch, mächt'ge Staaten? Schmeckt er nicht etwa nach der Politik? Beim Himmel, der sich wölbt ob unsern Häuptern! Mir steht er an. – Sag, Frankreich, sollen wir Die Macht verbinden und dies Angers schleifen, Dann fechten, wer davon soll König sein? Ja, wenn dich stolzer Fürstenmut beseelt, Da dich wie uns die lump'ge Stadt beleidigt, So kehre deiner Stücke Mündungen Mit unsern gegen diese trotz'gen Mauern; Und wenn wir nun zu Boden sie gesprengt, Dann fodert euch, und schafft euch auf der Stelle, Wie's kommen mag, zu Himmel oder Hölle! So sei's! – Sagt, wo berennet Ihr die Stadt? Von Westen wollen wir Zerstörung senden In ihren Busen. Ich von Norden her. Und unser Donner soll sein Kugelschauer Aus Süden regnen über diese Stadt. beiseit. Von Nord nach Süden – welch ein kluger Fund! – Schießt Östreich sich und Frankreich in den Mund: Ich will dazu sie hetzen. – Fort denn, fort! Verweilt noch, große Fürsten, hört ein Wort, Und Frieden zeig' ich euch und frohen Bund. Gewinnt die Stadt doch ohne Wund' und Streich, Bewahrt die Leben für den Tod im Bette, Die hier als Opfer kommen in das Feld: Beharrt nicht, sondern hört mich, mächt'ge Fürsten! Sprecht! mit Genehmigung; wir hören an. Die Tochter da von Spanien, Fräulein Blanca, Ist England nah verwandt: schaut auf die Jahre Des Dauphin Louis und der holden Magd! Wenn muntre Liebe nach der Schönheit geht, Wo fände sie sie holder als in Blanca? Wenn fromme Liebe nach der Tugend strebt, Wo fände sie sie reiner als in Blanca? Fragt ehrbegier'ge Liebe nach Geburt: Wes Blut strömt edler als der Fräulein Blanca? Wie sie, an Tugend, Schönheit und Geburt, Ist auch der Dauphin allerdings vollkommen. Wo nicht vollkommen: sagt, er ist nicht sie; Und ihr fehlt wieder nichts, wenn dies für Mangel Nicht etwa gelten soll, sie sei nicht er. Er ist die Hälfte eines sel'gen Manns, Den eine solche Sie vollenden muß, Und sie, geteilte holde Trefflichkeit, Von der in ihm Vollendungsfülle liegt. O so zwei Silberströme, wenn vereint, Verherrlichen die Ufer, die sie fassen; Und solche Ufer so vereinter Ströme, Zwei Grenzgestade, Kön'ge, mögt ihr sein, Wenn ihr ein fürstlich Paar wie dies vermählt. Der Bund wird an den festverschloss'nen Toren Mehr tun, als Stürmen: denn auf diese Heirat Tut plötzlicher, als Pulver sprengen kann, Der Tore Mündung angelweit sich auf, Euch einzulassen! Aber ohne sie Ist die empörte See nicht halb so taub, Nicht Löwen unerschrockner, Berg' und Felsen Nicht unbeweglicher, ja selbst der Tod In grauser Wut nicht halb so fest entschieden Als wir, die Stadt zu halten. Das ist ein Trumpf! Der schüttelt euch des alten Tods Geripp' Aus seinen Lumpen! Traun, ein großes Maul, Das Tod ausspeit und Berge, Felsen, Seen, Das so vertraut von grimmen Löwen schwatzt Wie von dem Schoßhund dreizehnjähr'ge Mädchen. Hat den Kumpan ein Kanonier erzeugt? Er spricht Kanonen, Feuer, Dampf und Knall, Er gibt mit seiner Zunge Bastonnaden, Das Ohr wird ausgeprügelt; jedes Wort Pufft kräftiger als eine fränk'sche Faust. Blitz! ich bin nie mit Worten so gewalkt, Seit ich des Bruders Vater Tatte nannte. Sohn, horch auf diesen Vorschlag, schließ' die Heirat, Gib unsrer Nichte würd'gen Brautschatz mit: Denn dieses Band verspricht so sicher dir Den widersprochnen Anspruch auf die Krone, Daß dort dem Kindlein Sonne fehlen wird, Die Blüte bis zur mächt'gen Frucht zu reifen. Ich sehe Willfahrung in Frankreichs Blicken; Sieh, wie sie flüstern: dring' in sie, derweil Die Seelen dieser Ehrsucht fähig sind, Daß nicht der Eifer, durch den Hauch geschmelzt Von sanften Bitten, Mitleid und Bereuen, Zu seiner vor'gen Härt! aufs neu' erstarrt. Warum erwidern nicht die Majestäten Den Freundes-Vorschlag der bedrohten Stadt? Red' England erst, das erst sich hingewandt, Zu dieser Stadt zu reden. – Was sagt Ihr ? Kann dein erlauchter Sohn, der Dauphin dort, »Ich lieb'« in diesem Buch der Schönheit lesen, So wägt ihr Brautschatz Königinnen auf; Denn Anjou soll, samt Poictiers, Touraine, Maine Und allem, was wir nur diesseit des Meers, Bis auf die jetzt von uns berennte Stadt, An unsre Kron' und Herrschaft pflichtig finden, Das Brautbett ihr vergülden und sie reich An Titeln, Ehren und Gewalten machen, Wie sie an Reiz, Erziehung und Geburt Sich neben jegliche Prinzessin stellt. Was sagst du, Sohn? Schau in des Fräuleins Antlitz! Ich tu's, mein Fürst, und find' in ihrem Auge Ein Wunder, das mich in Verwund'rung setzt, Den Schatten von mir selbst in ihrem Auge, Der da, wiewohl nur Schatten Eures Sohns, Zur Sonne wird und macht den Sohn zum Schatten. Ich schwör' es Euch, ich liebte niemals mich, Bis ich mich selber eingefaßt hier sah, In ihren Augen schmeichelnd abgespiegelt. Er spricht heimlich mit Blanca. In ihren Augen schmeichelnd abgespiegelt! In finstern Runzeln ihrer Stirn gehängt! Im Herzen ihr gefesselt und verriegelt! So rühmt er sich, von Liebespein bedrängt. Nur schade, daß, wo Huld und Schönheit thront, Gehängt, gefesselt, solch ein Tölpel wohnt. Des Oheims Will' in diesem Stück ist meiner. Sieht er etwas in Euch, das ihm gefällt, So kann ich leicht dies Etwas, das er sieht, In meinen Willen übertragen; oder, Um richtiger zu reden, wenn Ihr wollt, Will ich es meiner Liebe gern empfehlen. Nicht weiter schmeicheln will ich Euch, mein Prinz, Der Liebe wert sei, was ich seh' an Euch, Als so: daß ich an Euch nichts sehen kann (Wenn selbst die Mißgunst Euer Richter wär'), Was irgend Haß mir zu verdienen schiene. Was sagt das junge Paar? was sagt Ihr, Nichte? Daß Ehre sie verpflichtet, stets zu tun, Was Eure Weisheit ihr geruht zu sagen. So sprecht denn, Prinz, könnt Ihr dies Fräulein lieben? Nein, fragt, ob ich mich kann der Lieb' erwehren, Denn unverstellten Herzens lieb' ich sie. Dann geb' ich dir Volquessen, Touraine, Maine, Poictiers und Anjou, diese fünf Provinzen, Mit ihr zugleich, und diese Zutat noch, Bar dreißigtausend Mark engländisch Geld. Philipp von Frankreich, wenn es dir gefällt, Laß Sohn und Tochter nun die Hand sich geben! Es sei! Vereint die Hände, junges Paar! Die Lippen auch! So ist der Brauch belobt: Ich macht' es so, als ich mich einst verlobt. Nun, Angers' Bürger, öffnet eure Tore Und laßt die Freundschaft ein, die ihr gestiftet: Denn in Marien Kapelle wollen wir Sogleich die Bräuche der Vermählung feiern. – Ist Frau Constanze nicht in dieser Schar? Gewißlich nicht; denn die geschloss'ne Heirat Hätt' ihre Gegenwart sonst sehr gestört. Wo ist sie und ihr Sohn? Sagt, wer es weiß! Sie ist voll Gram in Eurer Hoheit Zelt. Und, auf mein Wort, der Bund, den wir geschlossen, Wird ihrem Grame wenig Lind'rung geben. – Bruder von England, wie befried'gen wir Die Fürstin Witwe? Ihrem Recht zu lieb Sind wir gekommen, welches wir, Gott weiß, Auf andern Weg gelenkt zu eignem Vorteil. Wir machen alles gut: den jungen Arthur Ernennen wir zum Herzog von Bretagne Und Graf von Richmond, machen ihn zum Herrn Von dieser reichen Stadt. – Ruft Frau Constanze, Ein eil'ger Bote heiße sie erscheinen Bei unsrer Fei'rlichkeit: – Wir werden, hoff ich, Wo nicht erfüllen ihres Willens Maß, Doch in gewissem Maß ihr so genugtun, Daß wir ihr Schrei'n dagegen hemmen werden. Gehn wir, so gut die Eil' es uns erlaubt, Zu diesem unverseh'nen Feierzug! Alle außer dem Bastard ab. Die Bürger ziehen sich von den Mauern zurück. O Welt! o tolle Fürsten! tolles Bündnis! Johann, um Arthurs Anspruch an das Ganze Zu hemmen, hat ein Teil davon erteilt; Und Frankreich, den Gewissen selbst gepanzert, Den Christenlieb' und Eifer trieb ins Feld Als Gottes Streiter: da der schlaue Teufel, Der Vorsatz-Ändrer, ihm ins Ohr geraunt, Der Mäkler, der die Treu' zur Makel macht, Der Alltags-Meineid, der um alle wirbt, – Um Kön'ge, Bettler, Alte, Junge, Mägde, – Die er, wenn sie nichts zu verlieren haben Als das Wort Magd, um dies die Armen trügt, – Der glatte Herr, der Schmeichler Eigennutz, – Ja Eigennutz, der schiefe Hang der Welt, Der Welt, die gleich gewogen ist an sich, Auf ebnem Boden grade hin zu rollen; Bis dieser Vorteil, dieser schnöde Hang, Der Lenker der Bewegung, Eigennutz, Sie abwärts neigt von allem Gleichgewicht, Von aller Richtung, Vorsatz, Lauf und Ziel; Und dieser Hang nun, dieser Eigennutz, Dies allverwandelnde Vermittler-Wort, Für Frankreichs leichten Sinn ein Augenpflaster. Zieht ihn von seiner selbstverlieh'nen Hülfe Von einem wackern, ehrenvollen Krieg, Zu einem schnöden, schlechtgeschloss'nen Frieden. – Und warum schelt' ich auf den Eigennutz? Doch nur, weil er bis jetzt nicht um mich warb. Nicht, daß die Hand zu schwach wär', zuzugreifen, Wenn seine schönen Engel sie begrüßten; Nein, sondern weil die Hand, noch unversucht, Dem armen Bettler gleich, den Reichen schilt. Gut, weil ich noch ein Bettler, will ich schelten Und sagen, Reichtum sei die einz'ge Sünde; Und bin ich reich, spricht meine Tugend frei: Kein Laster geb' es außer Bettelei. Bricht Eigennutz in Königen die Treu', So sei mein Gott, Gewinn, und steh mir bei! Ab. Dritter Aufzug Erste Szene Erste Szene Das Zelt des Königs von Frankreich, Constanze, Arthur und Salisbury treten auf. So sich vermählt! Den Frieden so geschworen! Falsch Blut vereint mit falschem! Freunde nun! Soll Louis Blanca haben? Sie die Länder? Es ist nicht so: du hast verredt', verhört; Besinne dich, sag den Bericht noch 'mal: Es kann nicht sein; du sagst nur, daß es ist: Ich traue drauf, daß nicht zu traun dir steht; Dein Wort ist eines Menschen eitler Odem. Ja, glaube, daß ich dir nicht glaube, Mann; Ich hab' dawider eines Königs Eid. Man soll dich strafen, daß du mich erschreckt: Denn ich bin krank, empfänglich für die Furcht, Von Leid bedrängt und also voller Furcht, Bin Witwe, gattenlos, ein Raub der Furcht, Ein Weib, geboren von Natur zur Furcht; Und ob du nun bekennst, du scherztest nur, Kommt doch kein Fried' in die verstörten Geister, Daß sie nicht bebten diesen ganzen Tag. Was meinst du mit dem Schütteln deines Kopfes? Was blickst du so betrübt auf meinen Sohn? Was meint die Hand auf dieser deiner Brust? Warum tritt diese Salzflut in dein Auge, Gleich einem Strom, der stolz dem Bett entschwillt? Sind diese Zeichen deines Worts Beteurer? So sprich! Nicht ganz die vorige Erzählung, Dies Wort nur: ob sie wahr sei oder nicht? So wahr, wie Ihr gewiß für falsch die haltet, Die schuld sind, daß Ihr wahr mein Wort erfindet. Oh, lehrst du mich, zu glauben dieses Leid, So lehr' du dieses Leid, mich umzubringen! Laß Glauben sich und Leben so begegnen Wie zwei verzweiflungsvoller Menschen Wut, Wo jeder fällt und stirbt beim ersten Stoß. Louis vermählt mit Blanca! Kind, wo bleibst du? Frankreich mit England Freund? Was wird aus mir? Fort, Mensch! Dein Anblick ist mir unerträglich: Wie häßlich hat die Zeitung dich gemacht! Was tat ich denn für Harm Euch, gute Fürstin, Als daß ich sprach vom Harm, den andre tun? Der Harm ist so gehässig in sich selbst, Daß, wer davon nur spricht, nicht harmlos bleibt. Beruhigt Euch, ich bitte, liebe Mutter! Wärst du, der mich beruhigt wünscht, abscheulich. Häßlich und schändend für der Mutter Schoß! Voll widerwärt'ger Flecke, garst'ger Makeln, Lahm, albern, bucklicht, mißgeboren, schwarz. Mit ekelhaften Mälern ganz bedeckt: Dann fragt' ich nichts danach, dann wär' ich ruhig Dann würd' ich dich nicht lieben, und du wärst Nicht wert der hohen Abkunft noch der Krone. Doch du bist schön, dich schmückten, lieber Knabe, Natur und Glück vereint bei der Geburt. Von Gaben der Natur prangst du mit Lilien Und jungen Rosen; doch Fortuna – oh! Sie ist verführt, verwandelt, dir entwandt. Sie buhlt mit deinem Oheim stündlich, hat Mit goldner Hand Frankreich herbeigerissen, Der Hoheit Anspruch in den Grund zu treten, Daß seine Majestät ihr Kuppler wird. Er ist Fortunas Kuppler und Johanns, Der Buhlerin mit ihm, dem Kronenräuber. – Sag mir, du Mann, ist Frankreich nicht meineidig? Vergift' ihn mir mit Worten, oder geh, Und laß allein dies Weh, das ich allein Zu tragen bin bestimmt. Verzeiht mir, Fürstin. Ich darf ohn' Euch nicht zu den Kön'gen gehn. Du darfst, du sollst: ich will nicht mit dir gehn. Ich will mein Leiden lehren, stolz zu sein; Denn Gram ist stolz, er beugt den Eigner tief. Um mich und meines großen Grames Staat Laßt Kön'ge sich versammeln; denn so groß Ist er, daß nur die weite, feste Erde Ihn stützen kann; den Thron will ich besteigen, Ich und mein Leid; hier laßt sich Kön'ge neigen! Sie wirft sich auf den Boden. König Johann, König Philipp, Louis, Blanca, Eleonore, der Bastard, Österreich und Gefolge treten auf. Ja, holde Tochter: diesen Segenstag Soll man in Frankreich festlich stets begehn. Um ihn zu feiern, wird die hehre Sonne Verweilen und den Alchymisten spielen, Verwandelnd mit des kostbar'n Auges Glanz Die magre Erdenscholl' in blinkend Gold. Der Jahres-Umlauf, der ihn wiederbringt, Soll ihn nicht anders denn als Festtag sehn. – aufstehend. Ein Sündentag und nicht ein Feiertag! Was hat der Tag verdient und was getan, Daß er mit goldnen Lettern im Kalender Als eins der hohen Feste sollte stehn? Nein, stoßt ihn aus der Woche lieber aus, Den Tag der Schande, der Gewalt, des Meineids, Und bleibt er stehn, laßt schwangre Weiber beten, Nicht auf den Tag der Bürde frei zu werden, Daß keine Mißgeburt die Hoffnung täusche; Der Seemann fürcht' an keinem sonst den Schiffbruch, Kein Handel brech', als der an ihm geschlossen; Was dieser Tag beginnt, schlag' übel aus, Ja, Treue selbst verkehr' in Falschheit sich! Beim Himmel, Fürstin, Ihr habt keinen Grund, Dem schönen Vorgang dieses Tags zu fluchen. Setzt' ich Euch nicht die Majestät zum Pfand? Ihr troget mich mit einem Afterbild, Das glich der Majestät: allein berührt, geprüft, Zeigt es sich ohne Wert; Ihr seid meineidig, Ihr wolltet meiner Feinde Blut vergießen, Und nun vermischt Ihr Eures mit dem ihren. Die Ringer-Kraft, das wilde Drohn des Krieges Kühlt sich in Freundschaft und geschminktem Frieden, Und unsre Unterdrückung schloß den Bund. Straf, Himmel, straf' die eidvergess'nen Kön'ge! Hör' eine Witwe, sei mir Gatte, Himmel! Laß nicht die Stunden dieses sünd'gen Tags In Frieden hingehn; eh' die Sonne sinkt, Entzweie diese eidvergess'nen Kön'ge! Hör' mich, o hör' mich! Frau Constanze, Friede! Krieg! Krieg! Kein Friede! Fried' ist mir ein Krieg. O Östreich! o Limoges! du entehrst Die Siegstrophäe: du Knecht, du Schalk, du Memme! Du klein an Taten, groß an Büberei! Du immer stark nur auf der stärkern Seite! Fortunas Ritter, der nie ficht, als wenn Die launenhafte Dame bei ihm steht Und für ihn sorgt! Auch du bist eidvergessen Und dienst der Größe. Welch ein Narr bist du, Gespreizter Narr, zu prahlen, stampfen, schwören Für meine Sache! Du kaltblüt'ger Sklav', Hast du für mich wie Donner nicht geredet? Mir Schutz geschworen? mich vertrauen heißen Auf dein Gestirn, dein Glück und deine Kraft? Und fällst du nun zu meinen Feinden ab? Du in der Haut des Löwen? Weg damit, Und häng' ein Kalbsfell um die schnöden Glieder! O daß ein Mann zu mir die Worte spräche! Und häng' ein Kalbsfell um die schnöden Glieder! Ja, untersteh dich das zu sagen, Schurke! Und häng' ein Kalbsfell um die schnöden Glieder! Wir mögen dies nicht, du vergißt dich selbst. Pandulpho tritt auf. Hier kommt der heilige Legat des Papstes. Heil euch, gesalbte Stellvertreter Gottes! König Johann, dir gilt die heil'ge Botschaft. Ich, Pandulph, Kardinal des schönen Mailand Und von Papst Innocenz Legat allhier, Frag' auf Gewissen dich in seinem Namen, Warum du unsre heil'ge Mutter Kirche So störrig niedertrittst und Stephan Langton, Erwählten Erzbischof von Canterbury, Gewaltsam abhältst von dem heil'gen Stuhl? In des genannten heil'gen Vaters Namen, Papst Innocenz, befrag' ich dich hierum! Welch ird'scher Name kann wohl zum Verhör Geweihter Kön'ge freien Odem zwingen? Kein Nam' ist zu ersinnen, Kardinal, So leer, unwürdig und so lächerlich, Mir Antwort abzufodern, als der Papst. Sag den Bericht ihm, und aus Englands Mund Füg' dies hinzu noch: daß kein welscher Priester In unsern Landen zehnten soll und zinsen. Wie nächst dem Himmel wir das höchste Haupt, So wollen wir auch diese Oberhoheit Nächst ihm allein verwalten, wo wir herrschen, Ohn' allen Beistand einer ird'schen Hand. Das sagt dem Papst, die Scheu bei Seit' gesetzt Vor ihm und seinem angemaßten Ansehn. Bruder von England, damit lästert Ihr! Ob alle Könige der Christenheit Der schlaue Pfaff' so gröblich irre führt, Daß Ihr den Fluch, den Geld kann lösen, scheut Und um den Preis von schnödem Gold, Kot, Staub Verfälschten Ablaß kauft von einem Mann, Der mit dem Handel ihn für sich verscherzt; Ob Ihr und alle, gröblich mißgeleitet, Die heil'ge Gaunerei mit Pfründen hegt, Will ich allein, allein, den Papst nicht kennen Und seine Freunde meine Feinde nennen. Dann durch die Macht, die mir das Recht erteilt, Bist du verflucht und in den Bann getan: Gesegnet soll der sein, der los sich sagt Von seiner Treue gegen einen Ketzer; Und jede Hand soll man verdienstlich heißen, Kanonisieren und gleich Heil'gen ehren, Die durch geheime Mittel aus dem Weg Dein feindlich Leben räumt. O sei's erlaubt, Daß ich mit Rom mag eine Weile fluchen! Ruf' Amen, guter Vater Kardinal, Zu meinem Fluch; denn ohne meine Kränkung Hat keine Zunge Kraft, ihm recht zu fluchen. Mein Fluch gilt durch Gesetz und Vollmacht, Fürstin. Und meiner auch: schafft das Gesetz kein Recht, So sei's gesetzlich, nicht dem Unrecht wehren. Mein Kind erlangt sein Reich nicht vom Gesetz, Denn, der sein Reich hat, bindet das Gesetz. Weil das Gesetz denn höchstes Unrecht ist, Verbiet' es meiner Zunge nicht zu fluchen. Philipp von Frankreich, auf Gefahr des Fluchs, Laß fahren dieses argen Ketzers Hand, Und Frankreichs Macht entbiete wider ihn, Wenn er nicht selber Rom sich unterwirft! Wirst du blaß, Frankreich? Zieh' die Hand nicht weg! Gib, Teufel, acht, daß Frankreich nicht bereut! Der Hände Trennung raubt dir eine Seele. Hört auf den Kardinal, erlauchter Philipp! Hängt ihm ein Kalbsfell um die schnöden Glieder! Gut, Schurk', ich muß dies in die Tasche stecken Weil – Eure Hosen weit genug dazu. Philipp, was sprichst du zu dem Kardinal? Wie spräch' er anders als der Kardinal? Bedenkt Euch, Vater, denn der Unterschied Ist: hier Gewinn des schweren Fluchs von Rom, Dort nur Verlust von Englands leichter Freundschaft. Wagt das Geringre denn! Das ist Roms Fluch. O Louis, steh! Der Teufel lockt dich hier In einer jungen schmucken Braut Gestalt. Constanze spricht nach Treu' und Glauben nicht, Sie spricht nach ihrer Not. Gibst du die Not mir zu, Die einzig lebt, weil Treu' und Glauben starb, So muß die Not notwendig dies erweisen, Daß Treu' und Glauben auflebt, wenn sie stirbt. Tritt nieder meine Not, und Treue steigt; Halt' aufrecht sie, und Treue wird zertreten. Der König steht bestürzt und gibt nicht Antwort. O tritt zurück von ihm! Antworte gut! Tu's, König Philipp, häng' nicht nach dem Zweifel! Häng' um ein Kalbsfell, schönster, dummer Teufel! Ich bin verwirrt und weiß nicht, was zu sagen. Was du auch sagst, es wird dich mehr verwirren, Wenn du verflucht wirst und in Bann getan. Setzt Euch an meine Stell', ehrwürd'ger Vater, Und sagt mir, wie Ihr Euch betragen würdet. Die königliche Hand und meine hier Sind neu verknüpft, die innersten Gemüter Vermählt zum Bund, verschlungen und umkettet Von aller frommen Kraft geweihter Schwüre. Der letzte Hauch, der Ton den Worten gab, War fest geschworne Treue, Fried' und Freundschaft Für unser beider Reich und hohes Selbst. Und eben vor dem Stillstand, kurz zuvor, – So lang', daß wir die Hände waschen konnten, Um auf den Friedenshandel einzuschlagen, – Der Himmel weiß es, waren sie betüncht Von des Gemetzels Pinsel, wo die Rache Den furchtbar'n Zwist erzürnter Kön'ge malte; Und diese Hände, kaum von Blut gereinigt, In Liebe neu vereint, in beidem stark, Sie sollen lösen Druck und Freundes-Gruß? Die Treu' verspielen? mit dem Himmel scherzen? So wankelmüt'ge Kinder aus uns machen, Nun wiederum zu reißen Hand aus Hand, Uns loszuschwören von geschworner Treu' Und auf des holden Friedens Ehebett Mit blut'gem Heer zu treten, einen Aufruhr Zu stiften auf der ebnen milden Stirn Der graden Offenheit? O heil'ger Herr! Ehrwürd'ger Vater! Laßt es so nicht sein! In Eurer Huld ersinnt, beschließt, verhängt Gelindre Anordnung: so wollen wir Euch froh zu Willen sein und Freunde bleiben. Unordentlich ist jede Anordnung, Die gegen Englands Liebe nicht sich wendet. Drum zu den Waffen! Sei der Kirche Streiter! Sonst werfe ihren Fluch die Mutter Kirche, Der Mutter Fluch, auf den empörten Sohn! Frankreich, du kannst die Schlange bei der Zunge, Den Leu'n im Käfig bei der furchtbar'n Tatze, Beim Zahn den gier'gen Tiger sichrer halten, Als diese Hand in Frieden, die du hältst. Ich kann die Hand, doch nicht die Treue lösen. So machst du Treu' zum Feinde deiner Treu'. Du stellst, wie Bürgerkrieg, Eid gegen Eid Und deine Zunge gegen deine Zunge. O daß dein Schwur, dem Himmel erst getan, Dem Himmel auch zuerst geleistet werde! Er lautet: Streiter unsrer Kirche sein. Was du seitdem beschworst, ist wider dich Und kann nicht von dir selbst geleistet werden. Wenn du verkehrt zu tun geschworen hast, So ist es nicht verkehrt, das Rechte tun, Und wo das Tun zum Übel zielt, da wird Durch Nichttun Recht am besten ausgeübt. Das beste Mittel bei verfehltem Vorsatz Ist, ihn verfehlen: ist dies ungerade, So wird dadurch doch Ungerades grade, Und Falschheit heilet Falschheit, wie das Feuer In den versengten Adern Feuer kühlt. Religion ist's, was den Eid macht halten, Doch du schworst gegen die Religion: Wobei du schwörst, dawider schwörest du; So machst du Eid zum Zeugen wider Eid Für deine Treu', da Treue, die nicht sicher Des Schwures ist, nur schwört, nicht falsch zu schwören. Welch ein Gespötte wäre Schwören sonst? Du aber schwörst, meineidig nur zu sein, Meineidig, wenn du hältst, was du beschworst. Die spätern Eide gegen deine frühern Sind drum in dir Empörung wider dich; Und keinen bessern Sieg kannst du erlangen, Als wenn du dein standhaftes edles Teil Bewaffnest wider diese lose Lockung; Für welches Beßre wir Gebete tun, Wenn du genehm sie hältst: wo nicht, so wisse, Daß unsrer Flüche Drohn dich trifft, so schwer, Daß du sie nie sollst von dir schütteln; nein, Verzweifelnd sterben unter schwarzer Last. Kein Zaudern! Offne Fehde! Immer noch? Wird denn kein Kalbsfell deinen Mund dir stopfen? Auf, Vater! Krieg! An deinem Hochzeittag. Und gegen das mit dir vermählte Blut? Wie? Sollen unser Fest Erschlagne feiern? Soll schmetternde Trompet' und laute Trommel, Der Hölle Lärm, begleiten unsern Zug? O Gatte, hör' mich! – ach, wie neu ist Gatte In meinem Munde! – um des Namens willen, Den meine Zunge niemals sprach bis jetzt, Bitt' ich auf meinen Knie'n, ergreif' die Waffen Nicht gegen meinen Oheim! Oh, auf meinen Knie'n, Vom Knieen abgehärtet, bitt' ich dich, Du tugendhafter Dauphin, ändre nicht Den Ausspruch, den der Himmel hat verhängt. Nun werd' ich deine Liebe sehn: was kann Dich stärker rühren als der Name Weib? Was deine Stütze stützet: seine Ehre. O deine Ehre, Louis, deine Ehre! Wie scheint doch Eure Majestät so kalt, Da sie so hohe Rücksicht treibt zu handeln? Ich will den Fluch verkünden auf sein Haupt. Du brauchst nicht. – England, ich verlasse dich. O schöne Rückkehr echter Fürstlichkeit! O schnöder Abfall fränk'scher Flüchtigkeit! Frankreich, dich reut die Stund', eh' sie verstreicht. Der alte Glöckner Zeit, der kahle Küster, Beliebt es ihm? Gut denn, so reut es Frankreich. Die Sonn' ist blutig: schöner Tag, fahr' hin! Mit welcher der Parteien soll ich gehen? Mit beiden: jedes Heer hat eine Hand, Und ihre Wut, da ich sie beide halte, Reißt auseinander und zerstückelt mich. Gemahl, ich kann nicht flehn, daß du gewinnst; Oheim, ich muß wohl flehn, daß du verlierst; Vater, ich kann nicht wünschen für dein Glück; Großmutter, deine Wünsche wünsch' ich nicht; Wer auch gewinnt, ich habe stets Verlust, Er ist mir sicher, eh' das Spiel beginnt. Bei mir, Prinzessin, ist dein Glück und Hort. Wenn hier mein Glück lebt, stirbt mein Leben dort. Geht, Vetter, zieht zusammen unsre Macht! – Bastard ab. Frankreich, mein Innres zehrt entbrannter Zorn; Die Hitze meiner Wut ist so beschaffen, Daß nichts sie löschen kann, nein, nichts als Blut, Das Blut, das köstlichste, das Frankreich hegt. Die Wut soll dich verzehren, und du wirst Zu Asch', eh' unser Blut das Feuer löscht. Sieh nun dich vor! Ich mache dir zu schaffen. – Und ich dem Droher auch. – Fort zu den Waffen! Alle ab. Zweite Szene Zweite Szene Ebene bei Angers. Getümmel, Angriffe. Der Bastard tritt auf mit Österreichs Kopf. Bei meinem Leben, dieser Tag wird heiß. Ein böser Luftgeist schwebt am Firmament Und schleudert Unheil. Östreichs Kopf, lieg' da, Solange Philipp atmet! König Johann, Arthur und Hubert treten auf. Hubert, bewahr' den Knaben! – Philipp, auf! Denn meine Mutter wird in unserm Zelt Bestürmt und ist gefangen, wie ich fürchte. Ich habe sie errettet, gnäd'ger Herr. Sie ist in Sicherheit: befürchtet nichts! Doch immer zu, mein Fürst! Denn kleine Müh' Bringt dieses Werk nun zum beglückten Schluß. Alle ab. Dritte Szene Dritte Szene Getümmel, Angriffe, ein Rückzug. König Johann, Eleonore, Arthur, der Bastard, Hubert und Edelleute. zu Eleonore. So sei es: stark bewacht soll Eure Hoheit Zurück hier bleiben. – Sieh nicht traurig, Vetter; Großmutter liebt dich, und dein Oheim wird So wert dich halten, als dein Vater tat. O dieser Gram wird meine Mutter töten! zum Bastard. Ihr, Vetter, fort nach England! Eilt voran, Und eh' wir kommen, schüttle du die Säcke Aufspeichernder Prälaten; setz' in Freiheit Gefangne Engel; denn die fetten Rippen Des Friedens müssen jetzt den Hunger speisen. Ich geb' hiezu dir unbeschränkte Vollmacht. Buch, Glock' und Kerze sollen mich nicht schrecken, Wenn Gold und Silber mir zu kommen winkt. Ich lasse Eure Hoheit; – ich will beten, Großmutter, wenn mir's einfällt, fromm zu sein, Für Euer Wohl: so küss' ich Euch die Hand. Lebt wohl, mein lieber Vetter! Lebe wohl! Bastard ab. Komm zu mir, kleiner Enkel! Hör' ein Wort! Sie nimmt Arthur beiseit. Komm zu mir, Hubert! – O mein bester Hubert! Wir schulden viel dir; eine Seele wohnt In diesem Fleisch, die dich als Schuldner achtet Und deine Liebe will mit Wucher zahlen. Und dein freiwill'ger Eid, mein guter Freund, Lebt sorgsamlich gepflegt in dieser Brust. Gib mir die Hand! Ich hätte was zu sagen, Allein ich spar's auf eine beßre Zeit. Beim Himmel, Hubert, fast muß ich mich schämen, Zu sagen, wie du lieb und wert mir bist: Gar sehr verpflichtet Eurer Majestät. Noch, Freund, hast du nicht Ursach', das zu sagen, Doch du bekömmst sie; wie die Zeit auch schleicht, So kömmt sie doch für mich, dir wohlzutun. Ich hatte was zu sagen, – doch es sei: Die Sonn' ist droben, und der stolze Tag, Umringt von den Ergötzungen der Welt, Ist allzu üppig und zu bunt geputzt, Um mir Gehör zu geben. – Wenn die Glocke Der Mitternacht mit eh'rner Zunge Ruf Die Nacht an ihre träge Laufbahn mahnte; Wenn dies ein Kirchhof wäre, wo wir stehn, Und du von tausend Kränkungen bedrückt; Und hätte Schwermut, jener düstre Geist, Dein Blut gedörrt, es schwer und dick gemacht, Das sonst mit Kitzeln durch die Adern läuft Und treibt den Geck, Gelächter, in die Augen, Daß eitle Lustigkeit die Backen bläht, – Ein Trieb, der meinem Tun verhaßt ist; – oder Wenn du mich könntest ohne Augen sehn, Mich hören ohne Ohren und erwidern Ohn' eine Zunge, mit Gedanken bloß, Ohn' Auge, Ohr und läst'gen Schall der Worte: Dann wollt' ich, trotz dem lauernd wachen Tag, In deinen Busen schütten, was ich denke. Doch ach! ich will nicht. – Doch bin ich dir gut, Und glaub' auch, meiner Treu! du bist mir gut. So sehr, daß, was Ihr mich vollbringen heißt, Wär' auch der Tod an meine Tat geknüpft, Ich tät's beim Himmel doch. Weiß ich das nicht? Mein guter Hubert! Hubert! Wirf den Blick Auf jenen jungen Knaben: hör', mein Freund, Er ist 'ne rechte Schlang' in meinem Weg, Und wo mein Fuß nur irgend niedertritt, Da liegt er vor mir: du verstehst mich doch? Du bist sein Hüter. Und will so ihn hüten, Daß Eure Majestät nichts fürchten darf. Tod. Mein Fürst? Ein Grab. Er soll nicht leben. Genug! Nun könnt' ich lustig sein; Hubert, ich lieb' dich, Ich will nicht sagen, was ich dir bestimme. Gedenke dran! – Lebt wohl denn, gnäd'ge Frau: Ich sende Eurer Majestät die Truppen. Mein Segen sei mit dir. Komm, Vetter, mit nach England! Hubert soll dein Gefährt' sein, dich bedienen Mit aller Treu' und Pflicht. – Fort, nach Calais! Alle ab. Vierte Szene Vierte Szene Zelt des Königs von Frankreich. König Philipp, Louis, Pandulpho und Gefolge treten auf. So wird durchtobend Wetter auf der Flut Ein ganz Geschwader von verstörten Segeln Zerstreut und die Genossenschaft getrennt. Habt Mut und Trost! Es geht noch alles gut. Was kann noch gut gehn nach so schlimmem Fall? Ist nicht das Heer geschlagen, Angers fort? Arthur gefangen? werte Freunde tot? Und England blutig heimgekehrt nach England, Frankreich zum Trotz durch alle Dämme brechend? Was er erobert, hat er auch befestigt. So rasche Eil', so mit Bedacht gelenkt, So weise Ordnung bei so kühnem Lauf Ist ohne Beispiel. – Wer vernahm und las Von irgendeiner Schlacht, die dieser glich? Ich könnte England diesen Ruhm wohl gönnen, Wüßt' ich für unsre Schmach ein Vorbild nur. Constanze tritt auf. Seht, wer da kommt? Ein Grab für eine Seele, Das wider Willen hält den ew'gen Geist Im schnöden Kerker des bedrängten Odems. Ich bitte, Fürstin, kommt hinweg mit mir! Da seht nun, seht den Ausgang Eures Friedens! Geduld, Constanze! Mutig, werte Fürstin! Nein, allen Trost verschmäh' ich, alle Hülfe, Bis auf den letzten Trost, die wahre Hülfe, Tod! Tod! – O liebenswürd'ger, holder Tod! Balsamischer Gestank! Gesunde Fäulnis! Steig' auf aus deinem Lager ew'ger Nacht, Du Haß und Schrecken der Zufriedenheit, So will ich küssen dein verhaßt Gebein. In deiner Augen Höhlung meine stecken, Um meine Finger deine Würmer ringeln, Mit eklem Staub dies Tor des Odems stopfen Und will ein grauser Leichnam sein, wie du. Komm, grins' mich an! Ich denke dann, du lächelst, Und herze dich als Weib. Des Elends Buhle, O komm zu mir! O holde Trübsal, still! Nein, nein, ich will nicht, weil ich Odem habe. O wäre meine Zung' im Mund des Donners! Erschüttern wollt' ich dann die Welt mit Weh Und aus dem Schlafe rütteln das Geripp', Das eines Weibes matten Laut nicht hört Und eine schwache Anrufung verschmäht. Fürstin, Ihr redet Tollheit und nicht Gram. Du bist nicht fromm, daß du mich so belügst. Ich bin nicht toll: dies Haar, das ich zerrauf', ist mein; Constanze heiß' ich; ich war Gottfrieds Weib; Mein Sohn ist Arthur, und er ist dahin. Ich bin nicht toll, – o wollte Gott, ich wär's! Denn ich vergäße dann vielleicht mich selbst, Und könnt' ich's, welchen Gram vergäß' ich nicht! – Ja, pred'ge Weisheit, um mich toll zu machen, Und du sollst Heil'ger werden, Kardinal. Da ich nicht toll bin, und für Gram empfindlich, Gibt mein vernünftig Teil mir Mittel an, Wie ich von diesem Leid mich kann befrein, Und lehrt mich, mich ermorden oder hängen. Ja, wär' ich toll, vergäß' ich meinen Sohn, Säh' ihn wohl gar in einer Lumpenpuppe. Ich bin nicht toll: zu wohl, zu wohl nur fühl' ich Von jedem Unglück die verschiedne Qual. Bind't diese Flechten auf! – O welche Liebe Seh' ich in ihres Haares schöner Fülle! Wo nur etwa ein Silbertropfe fällt, Da hängen tausend freundschaftliche Fäden Sich an den Tropfen in gesell'gem Gram, Wie treue, unzertrennliche Gemüter, Die fest im Mißgeschick zusammenhalten. Nach England, wenn Ihr wollt! Bind't Euer Haar auf! Das will ich, ja: und warum will ich's tun? Ich riß sie aus den Banden und rief laut: »O lösten diese Hände meinen Sohn, Wie sie in Freiheit dieses Haar gesetzt!« Doch nun beneid' ich ihre Freiheit ihnen Und will sie wieder in die Banden schlagen: Mein armes Kind ist ein Gefangner ja. – Ich hört' Euch sagen, Vater Kardinal, Wir sehn und kennen unsre Freund' im Himmel; Ist das, so seh' ich meinen Knaben wieder; Denn seit des Erstgebornen Kain Zeit, Bis auf das Kind, das erst seit gestern atmet, Kam kein so liebliches Geschöpf zur Welt. Nun aber nagt der Sorgen Wurm mein Knöspchen Und scheucht den frischen Reiz von seinen Wangen, Daß er so hohl wird aussehn wie ein Geist, So bleich und mager wie ein Fieberschauer, Und wird so sterben; und so auferstanden, Wenn ich ihn treffe in des Himmels Saal, Erkenn' ich ihn nicht mehr: drum werd' ich nie, Nie meinen zarten Arthur wiedersehn. Ihr übertreibt des Grames Bitterkeit. Der spricht zu mir, der keinen Sohn je hatte. Ihr liebt den Gram so sehr als Euer Kind. Gram füllt die Stelle des entfernten Kindes, Legt in sein Bett sich, geht mit mir umher, Nimmt seine allerliebsten Blicke an, Spricht seine Worte nach, erinnert mich An alle seine holden Gaben, füllt Die leeren Kleider aus mit seiner Bildung; Drum hab' ich Ursach', meinen Gram zu lieben. Gehabt Euch wohl! Wär' Euch geschehn, was mir, Ich wollt' Euch besser trösten als Ihr mich. Sie reißt ihren Kopfputz ab. Ich will die Zier nicht auf dem Haupt behalten, Da mein Gemüt so wild zerrüttet ist. O Gott, mein Kind! Mein holder Sohn! Mein Arthur! Mein Leben! Meine Lust! Mein alles du! Mein Witwentrost und meines Kummers Heil! Ab. Ich fürcht' ein Äußerstes und will ihr folgen. Ab. Es gibt nichts in der Welt, was mich kann freun; Das Leben ist so schal wie 'n altes Märchen, Dem Schläfrigen ins dumpfe Ohr geleiert; Und Schmach verdarb des süßen Worts Geschmack, Daß es nur Schmach und Bitterkeit gewährt. Vor der Genesung einer heft'gen Krankheit, Im Augenblick der Kraft und Bess'rung, ist Am heftigsten der Anfall; jedes Übel, Das Abschied nimmt, erscheint am übelsten. Was büßt Ihr ein durch dieses Tags Verlust? Des Ruhmes, Heils und Glücks gesamte Tage. Gewißlich, wenn Ihr ihn gewonnen hättet. Nein, wenn das Glück den Menschen wohltun will, So blickt es sie mit droh'nden Augen an. Unglaublich ist's, wie viel Johann verliert Durch das, was er für rein gewonnen achtet. Grämt dich's, daß Arthur sein Gefangner ist? So herzlich, wie er froh ist, ihn zu haben. Eu'r Sinn ist jugendlich wie Euer Blut. Nun hört mich reden mit prophet'schem Geist; Denn selbst der Hauch des, was ich sprechen will, Wird jeden Staub und Halm, den kleinsten Anstoß Wegblasen aus dem Pfad, der deinen Fuß Zu Englands Thron soll führen: drum gib acht! Johann hat Arthurn jetzt in der Gewalt, Und, weil noch warmes Leben in den Adern Des Kindes spielt, kann, seinem Platze fremd, Johann unmöglich eine Stunde, ja Nur einen Odemzug der Ruh' genießen. Ein Szepter, mit verwegner Hand ergriffen, Wird ungestüm behauptet wie erlangt; Und wer auf einer glatten Stelle steht, Verschmäht den schnöd'sten Halt zur Stütze nicht. Auf daß Johann mag stehn, muß Arthur fallen: So sei es, denn es kann nicht anders sein. Doch was werd' ich durch Arthurs Fall gewinnen? Ihr, kraft des Rechtes Eurer Gattin Bianca, Habt jeden Anspruch dann, den Arthur machte. Und büße alles ein, wie's Arthur machte. Wie neu Ihr seid in dieser alten Welt! Johann macht Bahn, die Zeit begünstigt Euch; Denn wer sein Heil in echtes Blut getaucht, Der findet nur ein blutig, unecht Heil. Der Frevel wird die Herzen seines Volks Erkälten und den Eifer frieren machen; Daß, wenn sich nur der kleinste Vorteil regt, Sein Reich zu stürzen, sie ihn gern ergreifen: Am Himmel kein natürlich Dunstgebild, Kein Spielwerk der Natur, kein trüber Tag, Kein leichter Windstoß, kein gewohnter Vorfall, Die sie nicht ihrem wahren Grund entreißen Und nennen werden Meteore, Wunder, Vorzeichen, Mißgeburten, Himmelsstimmen, Die den Johann mit Rache laut bedrohn. Vielleicht berührt er Arthurs Leben nicht Und hält durch sein Gefängnis sich gesichert. O Herr, wenn er von Eurer Ankunft hört, Ist dann der junge Arthur noch nicht hin, So stirbt er auf die Nachricht; und alsdann Wird all sein Volk die Herzen von ihm wenden, Des unbekannten Wechsels Lippen küssen Und Antrieb aus den blut'gen Fingerspitzen Johanns zur Wut und zur Empörung ziehn. Mich dünkt, ich seh' den Wirrwarr schon im Gang, Und oh, was brüten noch für beßre Dinge, Als ich genannt! – Der Bastard Faulconbridge Ist jetzt in England, plündert Kirchen aus Und höhnt die Frömmigkeit: wär' nur ein Dutzend Von Euren Landesleuten dort in Waffen, Sie wären wie Lockvögel, die zehntausend Engländer zu sich über würden ziehn; Oder wie wenig Schnee, umhergewälzt, Sogleich zum Berge wird. O edler Dauphin, Kommt mit zum König! Es ist wundervoll, Was sich aus ihrem Unmut schaffen läßt. Nun da der Haß in ihren Seelen gärt, Nach England auf! Ich will den König treiben. Ja, starke Gründe machen seltsam wagen: Kommt! Sagt Ihr Ja, er wird nicht Nein Euch sagen. Beide ab. Vierter Aufzug Erste Szene Erste Szene Northampton. Ein Zimmer in der Burg. Hubert und zwei Aufwärter treten auf. Glüh' mir die Eisen heiß, und stell' du dann Dich hinter die Tapete; wenn mein Fuß Der Erde Busen stampft, so stürzt hervor Und bind't den Knaben, den ihr bei mir trefft, Fest an den Stuhl! Seid achtsam! Fort und lauscht! Ich hoff', Ihr habt die Vollmacht zu der Tat. Unsaubre Zweifel! Fürchtet nichts, paßt auf! Aufwärter ab. Kommt, junger Bursch', ich hab' Euch was zu sagen. Arthur tritt auf. Guten Morgen, Hubert! Guten Morgen, kleiner Prinz! So kleiner Prinz mit solchem großen Anspruch, Mehr Prinz zu sein als möglich. Ihr seid traurig. Fürwahr, ich war schon lust'ger. Liebe Zeit! Mich dünkt, kein Mensch kann traurig sein als ich: Doch weiß ich noch, als ich in Frankreich war, Gab's junge Herrn, so traurig wie die Nacht, Zum Spaße bloß. Bei meinem Christentum! Wär' ich nur frei und hütete die Schafe, So lang der Tag ist, wollt' ich lustig sein. Und das wollt' ich auch hier, besorgt' ich nicht, Daß mir mein Oheim noch mehr Leid will tun. Er fürchtet sich vor mir und ich vor ihm: Ist, daß ich Gottfrieds Sohn war, meine Schuld? Nein, wahrlich nicht: und, Hubert, wollte Gott, Ich wär' Eu'r Sohn, wenn Ihr mich lieben wolltet. beiseit. Red' ich mit ihm, so wird sein schuldlos Plaudern Mein Mitleid wecken, das erstorben liegt: Drum will ich rasch sein und ein Ende machen. Seid Ihr krank, Hubert? Ihr seht heute blaß: Im Ernst, ich wollt'. Ihr wärt ein wenig krank, Daß ich die Nacht aufbliebe, bei Euch wachte. Gewiß, ich lieb' Euch mehr, als Ihr mich liebt. – Sein Reden nimmt Besitz von meinem Busen. Lies, junger Arthur! – Zeigt ihm ein Papier. Beiseit. Nun, du töricht Wasser? Du treibst die unbarmherz'ge Marter aus? Ich muß nur kurz sein, daß Entschließung nicht Dem Aug' entfall' in weichen Weibestränen. – Könnt Ihr's nicht lesen? Ist's nicht gut geschrieben? Zu gut zu solcher schlimmen Absicht, Hubert. Müßt Ihr mir ausglühn meine beiden Augen Mit heißem Eisen? Junger Knab', ich muß. Und wollt Ihr? Und ich will. Habt Ihr das Herz? Als Euch der Kopf nur schmerzte, So band ich Euch mein Schnupftuch um die Stirn, Mein bestes, eine Fürstin stickt' es mir, Und niemals fodert' ich's Euch wieder ab; Hielt mit der Hand den Kopf Euch mitternachts, Und wie der Stunde wachsame Minuten Ermuntert' ich die träge Zeit beständig, Frug bald: »Was fehlt Euch?« und: »Wo sitzt der Schmerz?« Und bald: »Was kann ich Euch für Liebes tun?« Manch armen Manns Sohn hätte still gelegen Und nicht ein freundlich Wort zu Euch gesagt; Doch Euer Krankenwärter war ein Prinz. Ihr denkt vielleicht: das war nur schlaue Liebe, Und nennt es List? Tut's, wenn Ihr wollt; gefällt es Dem Himmel, daß Ihr mich mißhandeln müßt, So müßt Ihr. – Wollt Ihr mir die Augen blenden? Die Augen, die kein einzig Mal Euch scheel Ansahn, noch ansehn werden? Ich hab's geschworen, Und ausglühn muß ich sie mit heißem Eisen. Ach! niemand tät' es, wär' die Zeit nicht eisern! Das Eisen selbst, obschon in roter Glut, Genaht den Augen, tränke meine Tränen, Und löschte seine feurige Entrüstung In dem Erzeugnis meiner Unschuld selbst; Ja, es verzehrte sich nachher in Rost, Bloß weil sein Feuer mir das Aug' verletzt. Seid Ihr denn härter als gehämmert Eisen? Und hätte mich ein Engel auch besucht Und mir gesagt, mich werde Hubert blenden, Ich hätt' ihm nicht geglaubt: niemand als Euch. stampft. Herbei! Aufwärter kommen mit Eisen, Stricken usw. Tut, wie ich euch befahl! O helft mir, Hubert! Helft mir! Meine Augen Sind aus schon von der blut'gen Männer Blicken. Gebt mir das Eisen, sag' ich, bindet ihn! Was braucht Ihr, ach! so stürmisch rauh zu sein? Ich will nicht sträuben, ich will stockstill halten. Ums Himmels willen, Hubert! Nur nicht binden! Nein, hört mich, Hubert, jagt die Männer weg, Und ich will ruhig sitzen, wie ein Lamm; Will mich nicht rühren, nicht ein Wörtchen sagen, Noch will ich zornig auf das Eisen sehn. Treibt nur die Männer weg, und ich vergeb' Euch, Was Ihr mir auch für Qualen antun mögt. Geht! Tretet ab, laßt mich allein mit ihm! Ich bin am liebsten fern von solcher Tat. Aufwärter ab. O weh: so schalt ich meinen Freund hinweg. Sein Blick ist finster, doch sein Herz ist mild. – Ruft ihn zurück, damit sein Mitleid Eures Beleben mag! Komm, Knabe, mach' dich fertig! So hilft denn nichts? Nichts, als dich blenden lassen. O Himmel! Säß' Euch was im Auge nur, Ein Korn, ein Stäubchen, eine Mück', ein Haar, Was irgend nur den edeln Sinn verletzt! Dann, fühltet Ihr, wie da das Kleinste tobt, Müßt' Euch die schnöde Absicht greulich scheinen. Verspracht Ihr das? Still! Haltet Euren Mund! Hubert, die Rede zweier Zungen spräche Noch nicht genugsam für ein Paar von Augen: Laßt mich den Mund nicht halten, Hubert, nein! Und wollt Ihr, schneidet mir die Zunge aus, Wenn ich die Augen nur behalten darf: O schonet meine Augen! sollt' ich auch Sie nie gebrauchen, als Euch anzuschaun. Seht, auf mein Wort! Das Werkzeug ist schon kalt Und würde mir kein Leid tun. Ich kann's glühen, Knabe. Nein, wahrlich nicht: das Feuer starb vor Gram, Daß es, bestimmt zum Wohltun, dienen soll Zu unverdienten Qualen. Seht nur selbst! Kein Arges ist in dieser glüh'nden Kohle, Des Himmels Odem blies den Geist ihr aus Und streute Aschen auf ihr reuig Haupt. Mein Odem kann sie neu beleben, Knabe. Wenn Ihr das tut, macht Ihr sie nur erröten Und über Eu'r Verfahren glühn vor Scham. Ja, sie würd' Euch vielleicht ins Auge sprühn, Und wie ein Hund, den man zum Kampfe zwingt, Nach seinem Meister schnappen, der ihn hetzt. Was Ihr gebrauchen wollt, mir weh zu tun, Versagt den Dienst; nur Euch gebricht das Mitleid, Das wildes Feu'r und Eisen hegt, Geschöpfe, Zu unbarmherz'gen Zwecken ausersehn. Gut, leb'! Ich will dein Auge nicht berühren Für alle Schätze, die dein Oheim hat. Doch schwur ich drauf und war entschlossen, Knabe, Mit diesem Eisen hier sie auszubrennen. Nun seht Ihr aus wie Hubert! All die Zeit Wart Ihr verkleidet. Still! Nichts mehr! Lebt wohl! Eu'r Oheim darf nicht wissen, daß Ihr lebt; Ich will die Spürer mit Gerüchten speisen, Und, holdes Kind, schlaf' sorgenlos und sicher, Daß Hubert für den Reichtum aller Welt Kein Leid dir tun will. O Himmel! Dank Euch, Hubert! Nichts weiter! Still hinein begleite mich! In viel Gefahr begeb' ich mich für dich. Beide ab. Zweite Szene Zweite Szene Ebendaselbst. Ein Staatszimmer im Palaste. König Johann, gekrönt; Pembroke, Salisbury und andre Herren treten auf. Der König setzt sich auf den Thron. Hier nochmals sitzen wir, nochmals gekrönt, Und angeblickt, hoff' ich, mit freud'gen Augen. Dies »Nochmals«, hätt' es Eurer Hoheit nicht Also beliebt, war einmal überflüssig. Ihr wart zuvor gekrönt, und niemals ward Euch dieses hohe Königtum entrissen, Der Menschen Treu' mit Aufruhr nicht befleckt; Es irrte frische Hoffnung nicht das Land Auf frohen Wechsel oder beßres Glück. Drum, sich umgeben mit zweifachem Prunk, Den Rang verbrämen, der schon stattlich war, Vergülden feines Gold, die Lilie malen, Auf die Viole Wohlgerüche streun, Eis glätten, eine neue Farbe leihn Dem Regenbogen, und mit Kerzenlicht Des Himmels schönes Auge schmücken wollen, Ist lächerlich und unnütz Übermaß. Müßt' Euer hoher Wille nicht geschehn, So wär's die Handlung wie ein altes Märchen, Das, wiederholt, nur Überdruß erregt, Weil man zu ungelegner Zeit es vorbringt. Hiedurch wird das bekannte, würd'ge Ansehn Der schlichten alten Weise sehr entstellt; Und, wie der umgesetzte Wind ein Segel, So kehrt es der Gedanken Richtung um; Daß die Erwägung scheu und stutzig wird, Gesunde Meinung krank, Wahrheit verdächtig, Weil sie erscheint in so neumod'ger Tracht. Der Handwerksmann, der's allzugut will machen, Verdirbt aus Ehrgeiz die Geschicklichkeit, Und öfters, wenn man einen Fehl entschuldigt, Macht ihn noch schlimmer die Entschuldigung; Wie Flicken, die man setzt auf kleine Risse, Da sie den Fehl verbergen, mehr entstellen Als selbst der Fehl, eh' man ihn so geflickt. Auf dieses Ziel, eh' neugekrönt Ihr wart, Ging unser Rat: doch es gefiel Eu'r Hoheit, Ihn nicht zu achten, und wir sind zufrieden, Weil all und jedes Teil von unserm Wollen In Eurer Hoheit Willen sich ergibt. Verschiedne Gründe dieser zweiten Krönung Trug ich euch vor, und halte sie für stark: Und stärkre noch, wenn meine Furcht sich mindert, Vertrau' ich euch: indessen fodert nur, Was ihr verbessert wünscht, das übel steht, Und merken sollt ihr bald, wie willig ich Gesuche hören und gewähren will. Ich dann, – bestellt als dieser Männer Zunge, Um aller Herzen Wünsche kund zu tun, – Sowohl für mich als sie, (allein vor allem Für Eure Sicherheit, wofür sie sämtlich Ihr best Bemühn verwenden) bitte herzlich Um die Befreiung Arthurs, des Gefängnis Des Mißvergnügens murr'nde Lippen reizt, In diesen Schluß bedenklich auszubrechen: Habt Ihr mit Recht, was Ihr in Ruh' besitzt, Warum sollt' Eure Furcht, – die, wie man sagt, Des Unrechts Schritt begleitet, – Euch bewegen, So einzusperren Euren zarten Vetter, In ungeschliffner Einfalt seine Tage Zu dämpfen, seiner Jugend zu verweigern Der ritterlichen Übung reiche Zier? Damit der Zeiten Feinde dies zum Vorwand Nicht brauchen können, laßt uns Euch ersuchen, Daß Ihr uns seine Freiheit bitten heißt, Wobei wir nichts zu unserm Besten bitten, Als nur, weil unser Wohl, auf Euch beruhend, Für Euer Wohl es hält, ihn frei zu geben. So sei es; ich vertraue eurer Leitung Den Jüngling an. Hubert tritt auf. Hubert, was gibt es Neues? Der ist's, der sollte tun die blut'ge Tat: Er wies die Vollmacht einem Freund von mir. Es lebt das Bild von böser arger Schuld In seinem Auge: dies verschloßne Ansehn Zeigt Regung einer sehr beklommnen Brust; Und fürchtend glaub' ich, schon geschah, wozu Wir so gefürchtet, daß er Auftrag hatte. Des Königs Farbe kommt und geht: sein Anschlag Und sein Gewissen schickt sie hin und her, So wie Herolde zwischen furchtbar'n Heeren. Die Leidenschaft ist reif, bald bricht sie auf. Und wenn sie aufbricht, fürcht' ich, kommt der Eiter Von eines holden Kindes Tod heraus. Wir halten nicht des Todes starken Arm. Lebt schon mein Will' zu geben, edle Herrn, So ist doch eu'r Gesuch dahin und tot: Er sagt, daß Arthur diese Nacht verschied. Wir fürchteten, sein Übel sei unheilbar. Wir hörten, wie so nah dem Tod er war, Eh' noch das Kind sich selber krank gefühlt. Dies fodert Rechenschaft hier oder sonst. Was richtet ihr auf mich so ernste Stirnen? Denkt ihr, daß ich des Schicksals Schere halte? Hab' ich dem Lebenspulse zu gebieten? Ein offenbar betrüglich Spiel! und Schande, Daß Hoheit es so gröblich treiben darf! – Viel Glück zu Eurem Spiel, und so lebt wohl! Noch bleib', Lord Salisbury; ich geh' mit dir Und finde dieses armen Kindes Erbe, Sein kleines Reich des aufgezwungnen Grabes. Das Blut, dem all dies Eiland war bestellt, Besitzt drei Fuß davon: o schlimme Welt! Dies ist nicht so zu dulden; was uns kränkt, Bricht alles los, und schleunig, eh' man's denkt. Die Herren ab. Sie brennen in Entrüstung; mich gereut's, Es wird mit Blut kein fester Grund gelegt, Kein sichres Leben schafft uns andrer Tod. Ein Bote kommt. Ein schreckend Aug' hast du: wo ist das Blut, Das ich in diesen Wangen wohnen sah? Solch trüben Himmel klärt ein Sturm nur auf. Schütt' aus dein Wetter! – Wie geht in Frankreich alles? Von Frankreich her nach England. Niemals ward Zu einer fremden Heerfahrt solche Macht In eines Landes Umfang ausgehoben. Sie lernten Eurer Eile Nachahmung; Denn da Ihr hören solltet, daß sie rüsten, Kommt Zeitung, daß sie alle angelangt. Oh, wo war unsre Kundschaft denn berauscht? Wo schlief sie? Wo ist meiner Mutter Sorge, Daß Frankreich so ein Heer vereinen konnte Und sie es nicht gehört? Mein Fürst, ihr Ohr Verstopfte Staub: am Ersten des April Starb Eure edle Mutter, und ich höre, Daß Frau Constanz' in Raserei gestorben Drei Tage früher; doch dies hört' ich flüchtig Vom Mund des Rufs und weiß nicht, ob es wahr ist. Halt' inne, furchtbare Gelegenheit! Schließ' einen Bund mit mir, bis ich besänftigt Die mißvergnügten Pairs! – Wie? Mutter tot? Wie wild gehn meine Sachen dann in Frankreich! – Mit welcher Führung kam das Heer von Frankreich, Das, wie du aussagst, hier gelandet ist? Unter dem Dauphin. Der Bastard und Peter von Pomfret treten auf. Schwindlig machst du mich Mit deiner Botschaft. – Nun, was sagt die Welt Zu Eurem Tun? Stopft nicht in meinen Kopf Mehr üble Neuigkeiten; er ist voll. Doch scheut Ihr Euch, das Schlimmste anzuhören, So laßt es ungehört aufs Haupt Euch fallen! Ertragt mich, Vetter, denn ich war betäubt Unter der Flut: allein nun atm' ich wieder Hoch überm Strom und kann jedweder Zunge Gehör verleihn, sie spreche, was sie will. Wie mir's gelungen bei der Geistlichkeit, Das werden die geschafften Summen zeigen. Doch da ich reiste durch das Land hieher, Fand ich die Leute wunderlich gelaunt, Besessen vom Gerücht, voll eitler Träume, Nicht wissend, was sie fürchten, doch voll Furcht. Und hier ist ein Prophet, den ich mit mir Aus Pomfrets Straßen brachte, den ich fand, Wie Hunderte ihm auf der Ferse folgten, Derweil er sang in ungeschlachten Reimen, Es werd' auf nächste Himmelfahrt vor Mittags Eu'r Hoheit ihre Krone niederlegen. Du eitler Träumer, warum sprachst du so? Vorwissend, daß es also wird geschehn. Fort mit ihm, Hubert, wirf ihn ins Gefängnis, Und auf den Tag zu Mittag, wo er sagt, Daß ich die Kron' abtrete, laß ihn hängen! Bring' ihn in sichre Haft, und komm zurück: Ich hab' dich nötig. – Hubert mit Peter ab. O mein bester Vetter, Weißt du die Nachricht schon, wer angelangt? Herr, die Franzosen; alles Volk bespricht es. Dann traf ich auch Lord Bigot und Lord Salisbury, Mit Augen, rot wie neugeschürtes Feuer, Und andre mehr: sie suchten Arthurs Grab, Der, sagten sie, die Nacht getötet sei Auf Euren Antrieb. Liebster Vetter, geh, Misch' dich in ihren Kreis; ich hab' ein Mittel, Mir ihre Liebe wieder zu gewinnen. Bring' sie zu mir! Ich geh', sie aufzusuchen. Ja, aber eilt! Es jag' ein Fuß den andern! Oh, keine feindlichen Vasallen nur, Da fremde Gegner meine Städte schrecken Mit eines kühnen Einbruchs furchtbar'm Pomp! – Sei du Merkur, nimm Flügel an die Fersen, Und fliege wie Gedanken wieder her! Der Geist der Zeiten soll mich Eile lehren. Ab. Gesprochen wie ein wackrer Edelmann! Geh, folg' ihm, denn ihm ist vielleicht vonnöten Ein Bote zwischen mir und jenen Pairs; Und der sei du! Von Herzen gern, mein Fürst. Ab. Und meine Mutter tot! Hubert tritt auf. Mein Fürst, es heißt, man sah die Nacht fünf Monde, Vier stehend, und der fünfte kreiste rund Um jene vier in wunderbarer Schwingung. Fünf Monde? In den Straßen prophezei'n: Bedenklich alte Frau'n und Männer drüber. Von Mund zu Munde geht Prinz Arthurs Tod, Und wenn sie von ihm reden, schütteln sie Die Köpfe, flüstern sich einander zu, Und der, der spricht, ergreift des Hörers Hand, Weil der, der hört, der Furcht Geberden macht, Die Stirne runzelt, winkt und Augen rollt. Ich sah 'nen Schmied mit seinem Hammer, so, Indes sein Eisen auf dem Amboß kühlte, Mit offnem Mund verschlingenden Bericht Von einem Schneider, der, mit Scher' und Maß In Händen, auf Pantoffeln, so die Eil' Verkehrt geworfen an die falschen Füße, Erzählte, daß ein großes Heer Franzosen Schlagfertig schon gelagert steh' in Kent. Ein andrer hagrer, schmutz'ger Handwerksmann Fällt ihm ins Wort und spricht von Arthurs Tod. Was suchst du diese Furcht mir einzujagen Und rügst so oft des jungen Arthurs Tod? Dein Arm ermordet' ihn; ich hatte mächt'gen Grund, Ihn tot zu wünschen, doch du hattest keinen, Ihn umzubringen! Keinen, gnäd'ger Herr? Wie, habt Ihr nicht dazu mich aufgefodert? Es ist der Kön'ge Fluch, bedient von Sklaven Zu sein, die Vollmacht sehn in ihren Launen, Zu brechen in des Lebens blut'ges Haus Und nach dem Wink des Ansehns ein Gesetz Zu deuten, zu erraten die Gesinnung Der droh'nden Majestät, wenn sie vielleicht Aus Laune mehr als Überlegung zürnt. Hier Euer Brief und Siegel für die Tat. Oh, wenn die Rechnung zwischen Erd' und Himmel Wird abgeschlossen, dann wird wider uns Der Brief und Siegel zur Verdammnis zeugen! Wie oft bewirkt die Wahrnehmung der Mittel Zu böser Tat, daß man sie böslich tut! Wenn du nicht da gewesen wärst, ein Mensch, Gezeichnet von den Händen der Natur Und ausersehn zu einer Tat der Schmach, So kam mir dieser Mord nicht in den Sinn. Doch da ich acht gab auf dein scheußlich Ansehn, Geschickt zu blut'ger Schurkerei dich fand, Bequem zu brauchen für ein Wagestück, So deutet' ich von fern auf Arthurs Tod: Und du, um einem König wert zu sein, Trugst kein Bedenken, einen Prinz zu morden. Mein Fürst, – Hätt'st du den Kopf geschüttelt, nur gestutzt, Da ich von meinem Anschlag dunkel sprach, Ein Aug' des Zweifels auf mich hingewandt, Und mich in klaren Worten reden heißen: Ich wär' verstummt vor Scham, hätt' abgebrochen, Und deine Scheu bewirkte Scheu in mir. Doch du verstandst aus meinen Zeichen mich Und pflogst durch Zeichen mit der Sünde Rat, Ja ohne Anstand gab dein Herz sich drein Und dem zufolge deine rohe Hand, Die Tat zu tun, die wir nicht nennen durften. – Aus meinen Augen fort! Nie sieh mich wieder! Der Adel läßt mich; meinem Staate trotzen Vor meinen Toren fremder Mächte Reih'n; Ja selbst in diesem fleischlichen Gebiet, Dem Reich hier, dem Bezirk von Blut und Odem, Herrscht Feindlichkeit und Bürgerzwist, erregt Durch mein Gewissen und des Neffen Tod. Bewehrt Euch gegen Eure andern Feinde, Ich gebe Frieden Eurer Seel' und Euch. Prinz Arthur lebt, und diese Hand hier ist Noch eine jungfräuliche, reine Hand, Gefärbt von keines Blutes Purpurflecken. In diesen Busen drängte nie sich noch Die grause Regung mörd'rischer Gedanken. Ihr schmähtet die Natur in meiner Bildung, Die, wie sie äußerlich auch roh erscheint, Doch eine beßre Sinnesart verhüllt, Als Henker eines armen Kinds zu werden. Lebt Arthur noch? O eile zu den Pairs, Gieß' den Bericht auf die entbrannte Wut Und zähme zur Ergebenheit sie wieder! Vergib, was meine Leidenschaft gedeutet Aus deinen Zügen: meine Wut war blind; Mein Aug', in blut'ger Einbildung verwildert, Wies dich mir fürchterlicher, als du bist. O sprich nicht! Eilends die erzürnten Großen In mein Gemach zu bringen, mach' dich auf! Langsam beschwör' ich, schneller sei dein Lauf! Beide ab. Dritte Szene Dritte Szene Ebendaselbst. Vor der Burg. Arthur erscheint auf den Mauern. Die Mau'r ist hoch, ich springe doch hinab: Sei milde, guter Boden, schone mich! – Fast niemand kennt mich; täten sie es auch, Die Schifferjungen-Tracht verstellt mich ganz. Ich fürchte mich, und doch will ich es wagen. Komm' ich hinab und breche nicht den Hals. So weiß ich, wie ich Raum zur Flucht erwerbe: So gut, ich sterb' und geh', als bleib' und sterbe. Er springt hinunter. Weh! Meines Oheims Geist ist in dem Stein, – Nimm, Gott, die Seel', und England mein Gebein! Er stirbt. Pembroke, Salisbury und Bigot treten auf. Ihr Herrn, ich treff' ihn zu Sankt Edmunds-Bury. Dies stellt uns sicher, und man muß ergreifen Den Freundes-Antrag der bedrängten Zeit. Wer brachte diesen Brief vom Kardinal? Der Graf Melun, ein edler Herr von Frankreich, Des mündlich Zeugnis von des Dauphins Liebe Viel weiter geht, als diese Zeilen sagen. So laßt uns also morgen früh ihn treffen! Nein, auf den Weg uns machen; denn es sind Zwei starke Tagereisen bis zu ihm. Der Bastard tritt auf. Noch einmal heut gegrüßt, erzürnte Herrn! Der König läßt durch mich euch zu sich laden. Der König hat sich unser selbst beraubt. Wir wollen seinen dünnen, schmutz'gen Mantel Mit unsern reinen Ehren nicht verbrämen, Noch folgen seinem Fuß, der Stapfen Bluts, Wo er nur wandelt, nachläßt; kehrt zurück Und sagt ihm das: wir wissen schon das Schlimmste. Wie schlimm ihr denkt, denkt doch auf gute Worte! Der Unmut, nicht die Sitte spricht aus uns. Doch eurem Unmut fehlt es an Vernunft, Drum wär's vernünftig, daß ihr Sitte hättet. Herr, Herr! hat Ungeduld ihr Vorrecht doch. Ja, ihrem Herrn zu schaden, keinem sonst. indem er Arthur erblickt. Dies ist der Kerker: wer ist's, der hier liegt? O Tod! auf reine Fürstenschönheit stolz! Die Erde hat kein Loch, die Tat zu bergen. Der Mord, als haßt' er, was er selbst getan, Legt's offen dar, die Rache aufzufodern. Oder, dem Grabe diese Schönheit weihend, Fand er zu fürstlich reich sie für ein Grab. Sir Richard, was denkt Ihr ? Saht Ihr wohl je, Last oder hörtet oder konntet denken, Ja, denkt Ihr jetzt beinah', wiewohl Ihr's seht, Das, was Ihr seht? Wer könnte dies erdenken, Läg' es vor Augen nicht? Es ist der Gipfel, Der Helm, die Helmzimier am Wappenschild Des Mordes; ist die blutigste Verruchtheit, Die wildste Barbarei, der schnödste Streich, Den je felsäugige, starrseh'nde Wut Des sanften Mitleids Tränen dargeboten. Kein Mord geschah, den dieser nicht entschuldigt; Und dieser hier, so einzig unerreichbar, Wird eine Heiligkeit und Reinheit leihn Der ungebornen Sünde künft'ger Zeiten; Ein tödlich Blutvergießen wird zum Scherz, Hat es zum Vorbild dies verhaßte Schauspiel. Es ist ein blutig und verdammtes Werk, Ein frech Beginnen einer schweren Hand, Wenn irgend eine Hand das Werk vollbracht. Wenn irgend eine Hand das Werk vollbracht? Wir hatten eine Spur, was folgen würde: Es ist das schnöde Werk von Huberts Hand, Der Anschlag und die Eingebung vom König, – Aus dessen Pflicht ich meine Seel' entziehe, Vor diesen Trümmern süßen Lebens knieend Und atmend der entseelten Trefflichkeit Den Weihrauch eines heiligen Gelübdes: Niemals zu kosten Freuden dieser Welt, Nie angesteckt zu werden vom Genuß, Mich nie auf Muß' und Trägheit einzulassen, Bis ich mit Ruhm verherrlicht diese Hand, Indem ich ihr den Schmuck der Rache gebe. Inbrünstig stimmen unsre Seelen bei. Hubert tritt auf. Herrn, ich bin heiß vor Eil', euch aufzusuchen: Prinz Arthur lebt, der König schickt nach euch. Oh, er ist frech, der Tod beschämt ihn nicht! Fort, du verhaßter Schurke! Heb' dich weg! Ich bin kein Schurke. den Degen ziehend. Muß ich die Beute den Gerichten rauben? Eu'r Schwert ist blank, Herr, steckt es wieder ein. Wenn ich's in eines Mörders Leib gestoßen. Zurück, Lord Salisbury! zurück, sag' ich! Mein Schwert, beim Himmel, ist so scharf als Eures: Ich möchte nicht, daß Ihr Euch selbst vergäßt Und meiner Gegenwehr Gefahr erprobtet; Ich möchte sonst, auf Eure Wut nur merkend, Vergessen Euren Wert und Rang und Adel. Was, Kot, du trotzest einem Edelmann? Nicht um mein Leben; doch verteid'gen darf ich Mein schuldlos Leben gegen einen Kaiser. Du bist ein Mörder. Macht mich nicht dazu, Noch bin ich's nicht. Wes Zunge fälschlich spricht, Der spricht nicht wahr, und wer nicht wahr spricht, lügt. Haut ihn in Stücke! Haltet Friede, sag' ich! Bei Seit'! Sonst werd'ich schlagen, Faulconbridge. Schlag' du den Teufel lieber, Salisbury! Sieh mich nur finster an, rühr' deinen Fuß, Lehr' deinen raschen Zorn, mir Schmach zu tun, So bist du tot. Steck' ein das Schwert bei Zeiten, Sonst bläu' ich dich und deinen Bratspieß so, Daß Ihr den Teufel auf dem Hals Euch glaubt. Was willst du tun, berühmter Faulconbridge? Beistehen einem Schelm und einem Mörder? Lord Bigot, ich bin keiner. Wer schlug diesen Prinzen? Gesund verließ ich ihn vor einer Stunde, Ich ehrt' ihn, liebt' ihn, und verweinen werd' ich Mein Leben um des seinigen Verlust. Traut nicht den schlauen Wassern seiner Augen, Denn Bosheit ist nicht ohne solches Naß; Und der, der ausgelernt ist, läßt wie Bäche Des Mitleids und der Unschuld sie erscheinen. Hinweg mit mir, ihr alle, deren Seelen Den eklen Dunst von einem Schlachthaus fliehn! Denn mich erstickt hier der Geruch der Sünde. Hinweg! Nach Bury, zu dem Dauphin dort! Dort, sagt dem König, kann er uns erfragen. Die Edelleute ab. Nun, das geht schön! – Ihr wußtet um dies Stückchen? So endlos weit die Gnade reichen mag, Die Tat des Todes, wenn du sie getan, Verdammt dich, Hubert. Hört mich doch nur, Herr! Ha, laß mich dir was sagen: Du bist verdammt, so schwarz, es gibt nichts Schwärzres; Verdammt noch tiefer als Fürst Lucifer; So scheußlich gibt's noch keinen Geist der Hölle, Als du wirst sein, wenn du dies Kind erschlugst. Bei meiner Seele, – Stimmtest du nur ein Zu dieser Greueltat, o so verzweifle! Fehlt dir ein Strick, so reicht der dünnste Faden, Den eine Spinn' aus ihrem Leibe zog, Dich zu erdrosseln hin; ein Strohhalm wird zum Balken, Dich dran zu hängen; willst du dich ertränken, Tu' etwas Wasser nur in einen Löffel, Und es wird sein so wie der Ozean, Genug, um solchen Schurken zu ersticken. – Ich habe schweren Argwohn gegen dich. Wenn ich durch Tat, durch Beifall, ja Gedanken Am Raub des süßen Odems schuldig bin, Den diese schöne Staubhüll' in sich hielt, So sei für mich die Höll' an Qualen arm! Gesund verließ ich ihn. So geh und trag' ihn weg auf deinen Armen! – Ich bin wie außer mir; mein Weg verliert sich In Dornen und Gefahren dieser Welt. – Wie leicht nimmst du das ganze England auf! Aus diesem Stückchen toten Königtums Floh dieses Reiches Leben, Recht und Treu' Zum Himmel auf, und bleibt für England nichts, Als Balgen, Zerren, mit den Zähnen packen Das herrenlose Vorrecht stolzer Hoheit. Nun sträubet um den abgenagten Knochen Der Majestät der Krieg den zorn'gen Kamm Und fletscht dem Frieden in die milden Augen. Nun treffen fremde Macht und heim'scher Unmut Auf einen Punkt, und die Verheerung wartet, So wie der Rab' auf ein erkranktes Vieh, Auf nahen Fall des abgerungnen Prunks. Nun ist der glücklich, dessen Gurt und Mantel Dies Wetter aushält. Trag' das Kind hinweg Und folge mir mit Eil'; ich will zum König: Denn viele tausend Sorgen sind zur Hand, Der Himmel selbst blickt dräuend auf das Land. Ab. Fünfter Aufzug Erste Szene Erste Szene Ebendaselbst. Ein Zimmer im Palaste. König Johann, Pandulpho mit der Krone, und Gefolge treten auf. So übergab ich denn in Eure Hand Den Zirkel meiner Würde. indem er dem Könige die Krone gibt. Nehmt zurück Aus dieser meiner Hand, als Lehn des Papstes, Die königliche Hoheit und Gewalt! Nun haltet Euer heil'ges Wort: begebt Ins Lager der Franzosen Euch, und braucht Von Seiner Heiligkeit all Eure Vollmacht, Sie aufzuhalten, eh' in Brand wir stehn. Die mißvergnügten Gauen fallen ab, In Zwietracht ist das Volk mit seiner Pflicht, Ergebenheit und Herzensliebe schwörend Ausländ'schem Blut und fremdem Königtum. Und diese Überschwemmung böser Säfte Kann nur von Euch allein besänftigt werden. Drum zögert nicht: die Zeiten sind so krank, Daß, wenn man nicht sogleich Arznei verordnet, Unheilbares Verderben folgen muß. Mein Odem war's, der diesen Sturm erregt Auf Euer starr Verfahren mit dem Papst. Nun, da Ihr Euch zu mildem Sinn bekehrt, So soll mein Mund den Sturm des Krieges stillen Und dem durchtobten Land schön Wetter geben. Auf diesen Himmelfahrtstag, merkt es wohl, Nach Eurem Schwur, dem Papst zu dienen, schaff' ich, Daß Frankreich seine Waffen niederlege. Ab. Ist Himmelfahrtstag? Sprach nicht der Prophet, Auf Himmelfahrt um Mittag würd' ich mich Der Kron' entäußern? Also tat ich auch: Ich glaubte da, es sollt' aus Zwang geschehn, Doch, Gott sei Dank, es ist freiwillig nur. Der Bastard tritt auf. Ganz Kent ergab sich schon; nichts hält sich dort Als Dover-Schloß; den Dauphin und sein Heer Hat London wie ein güt'ger Wirt empfangen; Eu'r Adel will nicht hören und ist fort, Um Eurem Feinde Dienste anzubieten, Und wildeste Bestürzung jagt umher Die kleine Zahl der zweifelhaften Freunde. Und wollten nicht zurück die Edlen kommen, Als sie gehört, Prinz Arthur lebe noch? Sie fanden tot ihn auf der Straße liegen, Ein leeres Kästchen, wo des Lebens Kleinod Von einer Frevlerhand gestohlen war. Der Schurke Hubert sagte mir, er lebe. Bei meiner Seel', er wußt' es auch nicht anders. Doch was senkt Ihr das Haupt? Was seht Ihr traurig? Seid groß in Taten, wie Ihr's wart im Sinn, Laßt nicht die Welt von Furcht und trübem Mißtrau'n Beherrscht ein königliches Auge sehn: Seid rührig wie die Zeit, Feu'r gegen Feuer, Bedroht den Droher, übertrotzt des Schreckens Prahlhafte Stirn: so werden niedre Augen, Die ihr Betragen von den Großen leihn, Durch Euer Vorbild groß, und sie erfüllt Der kühne Geist der Unerschrockenheit. Hinweg! und glänzet wie der Gott des Kriegs, Wenn er gesonnen ist, das Feld zu zieren: Zeigt Kühnheit und erhebendes Vertrau'n! Soll man den Leu'n in seiner Höhle suchen? Und da ihn schrecken? da ihn zittern machen? Oh, daß man das nicht sage! – Macht Euch auf, Und trefft das Unheil weiter weg vom Haus, Und packt es an, eh' es so nahe kommt! Es war hier bei mir der Legat des Papstes, Mit dem ich glücklich einen Frieden schloß; Und er versprach, die Heersmacht wegzusenden, Die mit dem Dauphin kommt. O schmählich Bündnis! So sollen wir, auf eignem Grund und Boden, Begrüßung senden und Vergleiche machen, Verhandlungen, Vorschläge, feigen Stillstand Auf solchen Angriff? Soll ein glatter Knabe, Ein seidnes Bübchen, trotzen unsern Au'n Und seinen Mut auf streitbar'm Boden weiden, Die Luft mit eitel weh'nden Fahnen höhnend, Und nichts ihn hemmen? König, zu den Waffen! Dem Kardinal gelingt wohl nicht der Friede, Und wenn auch, mind'stens sage man von uns, Daß sie zur Gegenwehr bereit uns sahn! Die Anordnung der jetz'gen Zeit sei dein! Fort denn, mit gutem Mut! und Ihr sollt sehn, Wir könnten einen stolzern Feind bestehn. Ab. Zweite Szene Zweite Szene Eine Ebene bei Sankt Edmunds-Bury. Louis, Salisbury, Melun, Pembroke, Bigot kommen in Waffen mit Soldaten. Graf Melun, laßt dies hier in Abschrift nehmen, Und die bewahrt zum Angedenken uns; Die Urschrift gebt Ihr diesen Herrn zurück, Daß sie sowohl wie wir, die Schrift durchlesend, Die unsern Bund beglaubigt, wissen mögen, Worauf wir jetzt das Sakrament genommen Und fest und unverletzt die Treue halten. Wir werden unsrerseits sie nimmer brechen. Und, edler Dauphin, schwören wir Euch schon Willfähr'gen Eifer, ungezwungne Treu' Zu Eurem Fortschritt: dennoch glaubt mir, Prinz, Ich bin nicht froh, daß solch Geschwür der Zeit Ein Pflaster in verschmähtem Aufruhr sucht Und einer Wunde eingefreßnen Schaden Durch viele heilet: oh! es quält mein Herz, Daß ich den Stahl muß von der Seite ziehn Und Witwen machen; – oh! und eben da, Wo ehrenvolle Gegenwehr und Rettung Lautmahnend ruft den Namen Salisbury. Allein, so groß ist der Verderb der Zeit, Daß wir zur Pfleg' und Heilung unsers Rechts Zu Werk nicht können gehn, als mit der Hand Des harten Unrechts und verwirrten Übels. – Und ist's nicht Jammer, o bedrängte Freunde! Daß wir, die Söhn' und Kinder dieses Eilands, Solch eine trübe Stund' erleben mußten, Wo wir auf ihren milden Busen treten Nach fremdem Marsch und ihrer Feinde Reih'n Ausfüllen (ich muß abgewandt beweinen Die Schande dieser notgedrungnen Wahl), Den Adel eines fernen Lands zu zieren, Zu folgen unbekannten Fahnen hier? Wie, hier? – O Volk, daß du von hinnen könntest! Daß dich Neptun, des Arme dich umfassen, Wegtrüge von der Kenntnis deiner selbst Und würfe dich auf einen Heidenstrand, Wo diese Christenheere leiten könnten Der Feindschaft Blut in eine Bundesader Und nicht es so unnachbarlich vergießen! Ein edles Wesen zeigest du hierin: Aus großen Trieben, dir im Busen ringend, Bricht ein Erdbeben aus von Edelmut. O welchen edlen Zweikampf hast du nicht Gefochten zwischen Not und biedrer Rücksicht! Laß trocknen mich den ehrenvollen Tau, Der silbern über deine Wangen schleicht: Es schmolz mein Herz bei Frauentränen wohl, Die doch gemeine Überschwemmung sind; Doch dieser Tropfen männliche Ergießung, Dies Schauer, von der Seele Sturm erregt, Entsetzt mein Aug' und macht bestürzter mich, Als säh' ich das gewölbte Dach des Himmels Mit glüh'nden Meteoren ganz gestreift. Erheb' die Stirn, berühmter Salisbury, Und dräng' den Sturm mit großem Herzen weg: Laß diese Wasser jenen Säuglings-Augen, Die nie die Riesenwelt in Wut gesehn, Noch anders als beim Fest das Glück getroffen, Von Blut erhitzt, von Lust und Brüderschaft. Komm, komm! denn du sollst deine Hand so tief In des Erfolges reichen Beutel stecken Als Louis selbst; – das, Edle, soll ein jeder, Der seiner Sehnen Kraft an meine knüpft. Pandulpho tritt auf mit Gefolge. Und eben jetzt dünkt mich, ein Engel sprach: Seht! dort erscheint der heilige Legat, Uns Vollmacht von des Himmels Hand zu geben Und unserm Tun zu leihn des Rechtes Namen Durch heil'ges Wort. Heil, edler Prinz von Frankreich! Dies folgt demnächst: versöhnt hat sich mit Rom König Johann; sein Sinn hat sich gewandt, Der so der heil'gen Kirche widerstrebte, Der größten Hauptstadt und dem Stuhl von Rom Drum rolle nun die droh'nden Fahnen auf Und zähm' den wüsten Geist des wilden Krieges, Daß, wie ein Löwe nach der Hand gezogen, Er ruhig liege zu des Friedens Fuß Und nur dem Ansehn nach gefährlich sei. Verzeiht, Hochwürden, ich will nicht zurück: Ich bin zu hochgeboren, um mit mir Zu lassen schalten, mich zu untergeben Als ein bequemer Dienstmann, als ein Werkzeug, An irgend eine Herrschaft in der Welt. Eu'r Odem schürte erst die toten Kohlen Des Krieges zwischen diesem Reich und mir; Ihr schafftet Stoff herbei, die Glut zu nähren; Nun ist sie viel zu stark, sie auszublasen Mit jenem schwachen Wind, der sie entflammt. Ihr lehrtet mich, des Rechtes Antlitz kennen, Ihr zeigtet mir Ansprüche auf dies Land, Ja, warft dies Unternehmen in mein Herz. Und kommt Ihr nun und sagt mir, daß Johann Mit Rom den Frieden schloß? Was kümmert's mich? Ich, kraft der Würde meines Ehebetts, Begehr' als mein dies Land nach Arthurs Abgang; Und nun ich's halb erobert, muß ich weichen, Bloß weil Johann mit Rom den Frieden schloß? Bin ich Roms Sklav'? Wo schaffte Rom denn Gelder, Wo warb es Truppen, sandte Kriegsgerät, Dies Werk zu unterstützen? Bin ich's nicht. Der diese Bürde trägt? Wer sonst als ich Und die, so, meinem Anspruch pflichtig, schwitzen In diesem Handel und bestehn den Krieg? Rief nicht dies Inselvolk: »Vive le Roi!« Als ich vorbei an ihren Städten fuhr? Hab' ich die besten Karten nicht zum Sieg In diesem leichten Spiel um eine Krone? Und gäb' ich nun den Satz auf, der schon mein ist? Nein, nein! Auf Ehre, nie soll man das sagen. Ihr seht die Sache nur von außen an. Von außen oder innen, ich beharre, Bis mein Versuch so weit verherrlicht ist, Als meiner hohen Hoffnung ward versprochen, Eh' ich dies wackre Kriegsheer aufgebracht Und diese feur'gen Geister auserkoren, Den Sieg zu überfliegen, Ruhm zu suchen Im Rachen der Gefahr, des Todes selbst. – Trompetenstoß. Welch mutige Trompete mahnet uns? Der Bastard mit Gefolge tritt auf. Der Höflichkeits-Gebühr der Welt gemäß Gebt mir Gehör: ich bin gesandt zu reden. – Vom König komm' ich, heil'ger Herr von Mailand, Zu hören, wie Ihr Euch für ihn verwandt; Und wie Ihr Antwort gebt, weiß ich die Grenze Und Vollmacht, meiner Zunge vorgezeichnet. Der Dauphin ist zu widersetzlich starr Und will sich nicht auf mein Gesuch bequemen. Er sagt: er lege nicht die Waffen nieder. Bei allem Blut, das je die Wut gehaucht, Der junge Mann tut wohl. – Hört Englands König nun, Denn so spricht seine Majestät durch mich: Er ist gerüstet, und das ziemt sich auch; Denn Eure äffisch dreiste Fahrt hieher, Geharn'schte Mummerei und tolle Posse, Unbärt'ge Keckheit, knabenhafte Truppen Belacht der König, und ist wohl gerüstet, Die Zwerges-Waffen, den Pygmäen-Krieg Aus seiner Länder Kreise wegzupeitschen. Die Hand, die Kraft besaß, vor Euren Türen Euch abzuprügeln, daß Ihr sprangt ins Haus, Wie Eimer in verborgne Brunnen tauchtet, In Eurer Stallverschläge Lager krocht, Wie Pfänder Euch in Kisten schloßt und Kasten, Bei Säuen stalltet, süße Sicherheit In Gruft und Kerker suchtet und erbebtet Selbst vor dem Schrei'n von Eures Volkes Hahn, Als wär' die Stimm' ein englischer Soldat; – Soll hier die Siegerhand entkräftet sein, Die Euch gezüchtigt hat in Euren Kammern? Nein! Wißt, der tapfre Fürst ist in den Waffen Und schwebt als Adler über seiner Brut, Herabzuschießen, wenn dem Nest was naht. Und ihr abtrünn'ge, undankbare Art, Blutdürst'ge Neros, die den Leib zerfleischen Der Mutter England, werdet rot vor Scham! Denn eure eignen Frau'n und blassen Mädchen, Wie Amazonen, trippeln nach der Trommel, Aus Fingerhüten Waffenhandschuh' machend, Aus Nadeln Lanzen, und das sanfte Herz Zu blutiger und wilder Regung kehrend. Dein Pochen ende hier, und scheid' in Frieden! Wir geben's zu, du kannst uns überschelten: Leb wohl! Wir achten unsre Zeit zu hoch, Um sie mit solchem Prahler zu verschwenden. Erlaubt zu reden mir! Nein, ich will reden. Wir wollen keinen hören. Rührt die Trommel! Des Krieges Zunge führe nun das Wort Für unsern Anspruch und für unser Hiersein! Ja, schlagt die Trommeln, und sie werden schrein; Ihr auch, wenn wir euch schlagen. Wecke nur Ein Echo auf mit deiner Trommel Lärm, Und eine Trommel ist bereit zur Hand, Die laut, wie deine, widerschallen soll; Rühr' eine andre, und die andre soll So laut wie dein' ans Ohr des Himmels schmettern, Des tiefen Donners spottend: denn schon naht, Nicht trauend diesem hinkenden Legaten, Den er aus Spaß viel mehr als Not gebraucht, Der krieg'rische Johann; und auf der Stirn Sitet ihm ein Beingeripp', des Amt es ist, Zu Tausenden Franzosen aufzuschwelgen. Rührt unsre Trommeln, sucht denn die Gefahr! Du wirst sie finden, Dauphin, das bleibt wahr! Alle ab. Dritte Szene Dritte Szene Ebendaselbst. Ein Schlachtfeld. Getümmel. König Johann und Hubert treten auf. Wie geht der Tag für uns? O sag mir, Hubert! Schlecht, fürcht' ich; was macht Eure Majestät? Dies Fieber, das so lange mich geplagt, Liegt schwer auf mir: oh, ich bin herzlich krank! Ein Bote tritt auf. Herr, Euer tapfrer Vetter, Faulconbridge, Mahnt Eure Majestät, das Feld zu räumen; Geruht zu melden ihm, wohin Ihr geht! Sagt ihm, nach Swinstead, dort in die Abtei. Seid gutes Mutes, denn die große Hülfsmacht, Die hier erwartet ward vom Dauphin, ist Vorgestern Nacht auf Goodwin-Strand gescheitert. Die Nachricht kam bei Richard eben an: Schon fechten die Franzosen matt und weichen. Weh mir! Dies Fieber brennt mich grausam auf Und läßt mich nicht die Zeitung froh begrüßen. Fort denn nach Swinstead! Gleich zu meiner Sänfte! Schwachheit bewältigt mich, und ich bin matt. Alle ab. Vierte Szene Vierte Szene Ein andrer Teil des Schlachtfeldes. Salisbury, Pembroke, Bigot und andre treten auf Ich hielt den König nicht so reich an Freunden. Noch einmal auf! Ermutigt die Franzosen! Mißglückt es ihnen, so mißglückt es uns. Der mißgeborne Teufel, Faulconbridge Trotz allem Trotz, hält er die Schlacht allein. Es heißt, der König räumte krank das Feld. Melun kommt, verwundet und von Soldaten geführt. Führt mich zu den Rebellen Englands hier! In unserm Glück gab man uns andre Namen. Es ist Graf Melun. Auf den Tod verwundet. Flieht, edle Englische, ihr seid verkauft; Entfädelt der Empörung rauhes Öhr Und neu bewillkommt die entlaßne Treu'! Sucht euren König auf, fallt ihm zu Füßen: Denn wird der Dauphin Herr des schwülen Tags, So denkt er euch genommne Müh' zu lohnen, Indem er euch enthauptet; er beschwor's, Und ich mit ihm, und viele mehr mit mir Auf dem Altare zu Sankt Edmunds-Bury, Auf eben dem Altar, wo teure Freundschaft Und ew'ge Liebe wir euch zugeschworen. O wär' das möglich! Sollt' es Wahrheit sein! Hab' ich nicht grausen Tod im Angesicht? Und heg' in mir nur etwas Leben noch, Das weg mir blutet, wie ein wächsern Bild, Am Feuer schmelzend, die Gestalt verliert? Was in der Welt kann mich zum Trug bewegen, Jetzt, da kein Trug Gewinn mir bringen kann? Warum denn sollt' ich falsch sein, da ich weiß, Daß ich hier sterb' und dort durch Wahrheit lebe? Ich sag' es noch: ist Louis Sieger heut, So schwur er falsch, wenn diese eure Augen Je einen andern Tag anbrechen sehn. Ja, diese Nacht noch, deren schwarzer Hauch Schon dampfet um den glüh'nden Federbusch Der alten, schwachen, tagemüden Sonne, – Noch diese böse Nacht sollt ihr verscheiden, Zur Buße für bedungenen Verrat, Verräterisch gebüßt um euer Leben, Wenn Louis unter eurem Beistand siegt. Grüßt einen Hubert, der beim König blieb: Die Freundschaft zwischen uns, und überdies Die Rücksicht, daß mein Ahn aus England stammte, Weckt mein Gewissen auf, dies zu bekennen. Dafür, ich bitt' euch, tragt von hinnen mich, Aus dem Getös' und Lärm des Feldes weg, Wo ich in Frieden der Gedanken Rest Ausdenken kann und Leib und Seele trennen In der Betrachtung und in frommen Wünschen. Wir glauben dir, – und strafe mich der Himmel, Gefällt mir nicht die Mien' und die Gestalt Von dieser freundlichen Gelegenheit, Den Weg verdammter Flucht zurückzumessen, Wir wollen uns, gesunknen Fluten gleich, Die Ausschweifung und irre Bahn verlassend, Den Schranken neigen, die wir überströmt, Und in Gehorsam ruhig gleiten hin Zu unserm Meer, zu unserm großen König. – Mein Arm soll helfen, dich hier wegzubringen, Denn schon seh' ich die bittre Todesangst In deinem Blick. – Fort, Freunde! Neue Flucht! Neuheit ist Glück, wenn altes Recht die Frucht. Alle ab. Melun wird weggeführt. Fünfte Szene Fünfte Szene Das französische Lager. Louis kommt mit seinem Zuge. Des Himmels Sonne, schien's, ging ungern unter; Sie weilt' und färbte rot das Firmament, Als Englands Heer den eignen Grund zurückmaß Mit mattem Zug; oh, brav beschlossen wir, Als wir mit Salven ungebrauchter Schüsse Nach blut'gem Tagwerk boten gute Nacht Und rollten die zerrißnen Fahnen auf, Zuletzt im Feld und Herrn beinah' davon. – Ein Bote kommt. Wo ist mein Prinz, der Dauphin? Hier; was gibt's? Graf Melun fiel, die englischen Barone Sind auf sein Dringen wieder abgefallen; Und die Verstärkung, die Ihr lang gewünscht, Auf Goodwin-Strand gescheitert und gesunken. Verwünschte Zeitung! Sei verwünscht dafür! Ich dachte nicht so traurig diesen Abend Zu sein, als sie mich macht. – Wer war's, der sagte. Der König sei geflohn, nur ein paar Stunden, Eh' irre Dunkelheit die Heere schied? Wer es auch sagte, es ist wahr, mein Fürst. Wohl, haltet gut Quartier zu Nacht, und Wache: Der Tag soll nicht so bald auf sein wie ich, Des Glückes Gunst auf morgen zu versuchen. Alle ab. Sechste Szene Sechste Szene Ein offner Platz in der Nachbarschaft der Abtei Swinstead. Der Bastard und Hubert begegnen einander. Wer da? He, sprecht! und schnell! Ich schieße sonst. Gut Freund! Wer bist du? Englischer Partei. Und wohin gehst du? Was geht's dich an? Kann ich nach deinen Sachen Dich nicht so gut wie du nach meinen fragen? Ich denke, Hubert. Dein Gedank' ist richtig. Ich will auf jegliche Gefahr hin glauben, Du seist mein Freund, der meinen Ton so kennt. Wer bist du? Wer du willst; beliebt es dir, So kannst du mir die Liebe tun, zu denken, Ich sei wohl den Plantagenets verwandt. O kränkend Wort! – Du und die blinde Nacht Habt mich beschämt: verzeih' mir, tapfrer Krieger, Daß Laute, die von deiner Zunge kamen, Entschlüpft sind der Bekanntschaft meines Ohrs. Kommt, ohne Förmlichkeit: was gibt es Neues? Hier wandr' ich, in den schwarzen Brau'n der Nacht, Nach Euch umher. Kurz denn: was ist die Zeitung? Oh, bester Herr! Zeitung, der Nacht gemäß, Schwarz, trostlos, fürchterlich und grausenvoll. Zeigt mir den wund'sten Fleck der Zeitung nur: Ich bin kein Weib, ich falle nicht in Ohnmacht. Den König, fürcht' ich, hat ein Mönch vergiftet. Ich ließ ihn sprachlos fast, und stürzte fort, Dies Übel Euch zu melden, daß Ihr besser Euch waffnen möchtet auf den schnellen Fall. Als wenn Ihr es bei Weil' erfahren hättet. Wie nahm er es? Wer kostete vor ihm? Ein Mönch, so sag' ich, ein entschloßner Schurke, Des Eingeweide plötzlich barst; der König Spricht noch und kann vielleicht davon genesen. Wer blieb zur Pflege Seiner Majestät? Ei, wißt Ihr's nicht? Die Herrn sind wieder da Und haben den Prinz Heinrich mitgebracht, Auf des Gesuch der König sie begnadigt, Und sie sind all' um Seine Majestät. Besänft'ge die Entrüstung, großer Himmel, Versuche nicht uns über unsre Kräfte! – Hör' an, mein halbes Heer ist diese Nacht In jener Nied'rung von der Flut ereilt: Die Lachen Lincolns haben sie verschlungen, Ich selbst bin wohlberitten kaum entwischt. Fort! Mir voran! Führ' mich zum König hin; Ich fürchte, er ist tot, noch eh' ich komme. Beide ab. Siebente Szene Siebente Szene Der Garten der Abtei Swinstead. Prinz Heinrich, Salisbury, Bigot und andre treten auf. Es ist zu spät, das Leben seines Bluts Ist tödlich angesteckt, und sein Gehirn, Der Seele zartes Wohnhaus, wie sie lehren, Sagt uns durch seine eitlen Grübelei'n Das Ende seiner Sterblichkeit vorher. Pembroke tritt auf. Der König spricht noch, und er hegt den Glauben, Daß, wenn man an die freie Luft ihn brächte, So lindert' es die brennende Gewalt Des scharfen Giftes, welches ihn bestürmt. So laßt ihn bringen in den Garten hier! Bigot ab. Rast er noch immer? Er ist ruhiger, Als da Ihr ihn verließt; jetzt eben sang er. O Wahn der Krankheit! Wildeste Zerrüttung, Wenn sie beharret, fühlt sich selbst nicht mehr. Der Tod, wenn er die äußern Teil' erbeutet, Verläßt sie unsichtbar; sein Sitz ist nun Nach dem Gemüt zu, das er sticht und quält Mit Legionen seltner Phantaseien, Die sich im Drang um diesen letzten Halt Verwirren. Seltsam, daß der Tod noch singt! – Ich bin das Schwänlein dieses bleichen Schwans, Der Klage-Hymnen tönt dem eignen Tod Und aus der Orgelpfeife seiner Schwäche Zu ew'ger Ruhe Leib und Seele singt. Seid gutes Mutes, Prinz; Ihr seid geboren, Um Bildung dem vcrworrnen Stoff zu geben, Den er so roh und so gestaltlos ließ. Bigot kommt zurük mit Begleitern. Die den König Johann auf einem Stuhle hereintragen. Ah, nun schöpft meine Seele freie Luft! Sie wollt' aus Tür noch Fenster nicht hinaus. So heißer Sommer ist in meinem Busen, Daß er mein Eingeweid' in Staub zermalmt. Ich bin ein hingekritzelt Bild, gezeichnet Auf einem Pergament; vor diesem Feuer Verschrumpf' ich. Was macht Eure Majestät? Gift, – übel, – tot, verlassen, ausgestoßen; Und keiner will den Winter kommen heißen, Die eis'ge Hand mir in den Leib zu stecken, Noch mir die Ströme meines Reiches leiten In den verbrannten Busen, noch den Nord Bewegen, daß er seine scharfen Winde Mir küssen lasse die gesprungnen Lippen Und mich mit Kälte labe; – wenig bitt' ich, Nur kalten Trost; und doch seid ihr so karg Und undankbar, daß ihr mir das versagt. O wär' doch eine Kraft in meinen Tränen, Die Euch erquickte! Das Salz in ihnen brennt. In mir ist eine Hölle, und das Gift Ist eingesperrt da, wie ein böser Feind, Um rettungslos verdammtes Blut zu quälen. Der Bastard kommt. Oh, ich bin siedend, von dem hast'gen Lauf Und Eilen, Eure Majestät zu sehn! O Vetter, du kommst her, mein Aug' zu schließen! Verbrannt ist meines Herzens Takelwerk, Und alle Tau' an meines Lebens Segeln Sind nur ein Faden, nur ein dünnes Haar; Mein Herz hängt noch an einer armen Schnur, Die kaum wird halten während deiner Zeitung; Dann ist, was du hier siehst, nichts als ein Erdkloß Und Abbild des zerstörten Königtums. Der Dauphin rüstet sich zum Zug hieher, Wo wir ihn, Gott weiß wie, empfangen werden. Denn meiner Truppen beste Hälfte ward, Als ich zurückzog, sichern Stand zu fassen, In einer Nacht, ganz plötzlich, in den Lachen Verschlungen von der unverseh'nen Flut. Der König stirbt. Ihr sagt die tote Nachricht toten Ohren. – Mein Fürst! Mein Herr! – Kaum König noch, – nun so! So muß auch meine Bahn sein, so mein Ziel. Wo ist denn auf die Welt Verlaß und Glaube, Wenn, was ein König war, so wird zu Staube? Bist du dahin? Ich bleibe nur zurück, Für dich den Dienst der Rache zu verrichten, Dann soll dir meine Seel' im Himmel folgen, Wie sie auf Erden immer dir gedient. – Nun, Sterne, die ihr rollt in eignen Sphären, Wo ist eu'r Einfluß? Zeigt nun beßre Treu', Und augenblicklich kehrt mit mir zurück, Zerstörung und beständ'ge Schmach zu stoßen Aus des erschlafften Landes schwachem Tor! Stracks laßt uns suchen, daß man uns nicht sucht; Der Dauphin wütet schon an unsern Fersen. So scheint es, Ihr wißt weniger als wir: Der Kardinal Pandulpho rastet drinnen, Er kam vom Dauphin vor der halben Stunde Und bringt von ihm Vorschläge zu dem Frieden, Die wir mit Ehr' und Anstand eingehn dürfen, Mit Absicht, gleich von diesem Krieg zu lassen. Er tut es um so eher, wenn er sieht, Daß wir zur Gegenwehr uns wohl gestärkt. Ja, ein'germaßen ist es schon getan, Denn viele Wagen hat er weggesandt Zur Küste hin, und seinen Zwist und Handel Dem Kardinal zu schlichten überlassen; Mit welchem Ihr, ich und die andern Herrn, Wenn es Euch gut dünkt, diesen Nachmittag Zu des Geschäfts Vollendung reisen wollen. So mag es sein, und Ihr, mein edler Prinz, Mit andern Herrn, die dort entbehrlich sind, Besorget das Begängnis Eures Vaters! Zu Worcester muß sein Leib beerdigt werden, Denn so verlangt' er's. Dahin soll er denn! Und glücklich lege Euer holdes Selbst Des Lands ererbten Staat und Hoheit an, Dem ich in aller Demut, auf den Knie'n, Zu eigen gebe meinen treuen Dienst Und Unterwürfigkeit für ew'ge Zeiten. Wir tun ein gleich Erbieten unsrer Liebe, Daß immerdar sie ohne Flecken sei. Ich hab' ein freundlich Herz, das gern Euch dankte Und es nicht weiß zu tun als nur mit Tränen. Laßt uns der Zeit das nöt'ge Weh nur zahlen, Weil sie vorausgeeilt ist unserm Gram. – Dies England lag noch nie und wird auch nie Zu eines Siegers stolzen Füßen liegen, Als wenn es erst sich selbst verwunden half. Nun seine Großen heimgekommen sind, So rüste sich die Welt an dreien Enden, Wir trotzen ihr: nichts bringt uns Not und Reu', Bleibt England nur sich selber immer treu. Alle ab.