Julius von Soden Doktor Faust Volks-Schauspiel in fünf Akten Personen Personen: Doktor Faust . Mann von 30 Jahren. Feuer, Anstand, Schwermut. Schwarze einfache, doch anständige Kleidung. Brenner , Student, sein Freund; tückischer Wüstling; nachlässig und unordentlich gekleidet. Fausts Vater , Greis von 60–70 Jahren; feurig, bieder; bäurische Kleidung. Ithuriel ; lieblicher Genius, in weißem, fliegendem Gewand; ein Sternenkranz um sein Haupt. Mephistopheles 1 ; Teufel in Menschengestalt; schwarze Kleidung, fliegendes Haar; Flor vor dem Gesichte. Statistenrollen : Eine Stimme. Sieben Geister. Studenten. Gerichtsdiener. Wirt. Ein Mädchen. Ein Mann in Lumpen. Ein Alter. Ein Maler. Eine Dame. Sokrates. Cato. Solon. Der Fürst. Höflinge. Tanzende Mädchen. Helena . Bürger und Bauern. Fausts Mutter ; gutes Mütterchen; Bauernkleidung. Liese , Fausts Braut; holdes, naives Bauernmädchen. 1. Akt 1. Szene 1. Szene. allein. Sieben Uhr, und noch nicht zurück? Ja! laufe nur der Barmherzigkeit nach, liebes Dokterchen! Du entrinnst mir nicht; meine Klauen haften zu tief. – Nein, nein, ich will nicht allein hinab – Hu, welcher Gedanke mir durch die Seele fährt! Hinweg damit! Er trinkt. Und wärst du gelehrter als Parazelsus, der dumme, der liederliche Brenner ist dein Meister; denn Venus und Bacchus ... 2. Szene 2. Szene. Mephistopheles, Brenner. Hu! Du rufst mir? Ich? Dir? Nanntest du nicht unsre Gehilfen? Auch ist's Zeit, daß ich dich wecke. Schlaf' ich denn? Du schläfst! Bedenke, was du versprachst – unter welcher Bedingung unser Meister deine Zeit fristete! Diese Spanne, die du mir so kärglich zumissest! Eine Spanne? Wieviel Tugenden hast du seitdem ermordet? Wieviel ehrliche Namen vernichtet? Wieviel ... Gewinn für euch. – Du gehörst uns längst. Wirke bei uns! Laßt mir Zeit! Brenner! Böses zu tun bedarf's deren wenig. – Wieweit bist du mit Faust? Nahe am Ziele. Laß hören! Sein Geld ist alle. Gut. Seine Bücher ekeln ihn an. Gut und nicht gut. Wir rechneten ja auf seinen Durst nach Kenntnis. Den wecken wir, wenn's mein Plan fordert. Jetzt drückt ihn die Zeit blutig. Er treibt sich umher im höfischen Müßiggange. O gut! Bald stürzt er sich in die wildesten Zirkel und ertränkt seine Unruhe in Fluten von Wein und ausgelassener Lustigkeit. Verhüte das! Bald vergräbt er seine finstere Melancholie in düstre Einsamkeit. Sehr gut! Zwar hat er hin und wieder Rückfälle von Scham, von Reue – Vortrefflich! Was sagst du? Das sind die Momente, die wir fassen müssen. Gefesselte Reue, hoffnungslose Scham sind die Ammenbrüste der Verzweiflung. Sorge nur ... Sei ruhig! Noch ist so manche Stelle seiner Seele ohne Wunde; aber meine Dolche suchen sie rastlos auf. Tausend Netze sind gespannt. Ein Dummer fiele drein, geschweige der gelehrte Doktor. – Ich brüte über einem Plane: Ich habe seinem Vater wissen lassen; seine Gläubiger sind aufgeschreckt. – Ich höre unsre Kameraden. – Sorge nicht und sei bei der Hand, wenn ich dein bedarf! Fehlt' ich dir je? Verschwindet. O wahr! Luftiger Bösewicht, nur zu wahr! 3. Szene 3. Szene. Drei Studenten, Brenner. Servus, Brenner! DRITTER. Servus! Servus! Servus! Wo ist der Doktor? Der Teufel mag's wissen! – Nun, wenn's Brenner nicht weiß, mag der's wohl auch ignorieren. Ihr steht ja im Bund. Wer sagt das? Vox populi! Warum laufen dir denn die Mädels nach? Possen! Bin ich nicht ein hübscher Kerl? Hast ja Gold in Säcken! Possen, sag ich euch. Gold ist Metall; Metall ist Kot. – Aber Wein, Wein, Brüder! Das ist etwas! Das ist Gold und Perlen und Edelstein! Trinkt! Die Studenten setzen sich. Vivat der Doktor! Alle trinken. Er lebe! Morgen besuchen wir ihn auf dem Karzer. Wieso? Ihr wißt von den Hirschstangen, die der Rektor letzthin auf seiner Perücke fand, als er auf den Katheder steigen wollte? Ich weiß es! Es ist verraten. Faust hat sie ihm angeheftet. ALLE LACHEN: Ha! Ha! Ein wahrer Geniestreich! Die Philister werden ihn dort warm halten. Meinst du? Man mummelt, daß er heimlich gen Wittenberg ziehen will. Wo er doch bleibt? Sind doch seine Flaschen da! zu Brenner. Wo verließest du ihn denn? Du bist ja sonst sein Schatte. Ihr kennt ja seine Art. Feuer brennt unter seiner Sohle. Immer etwas Neues, immer etwas Tolles. Wir kommen von Sattlers Lenchen. – Ihr kennt sie ja wohl. O ja! o ja! Da begegnet uns am Markt ein Betteljunge, der heult ihm vor von der kranken Mutter, die auf dem Stroh liegt. Ha! ha! ha! Und Faust? Leert aus seinen Taschen, was Lene ihm übrig ließ. Ich fluche, ich bitte – fort läuft er mit dem Jungen. ERSTER, ZWEITER, DRITTER STUDENT. Mit dem Betteljungen? Ha! ha! ha! 4. Szene 4. Szene. Doktor Faust am Eingang. Vorige. Mit dem Betteljungen! aufstehend. Willkommen, Doktor! Willkommen Herzensdoktor! Willkommen! – Setzt euch! Sie setzen sich. Mit dem Betteljungen, sag' ich euch. Denn – er ist mein Sohn! Dein Sohn? Der Mutter stahl ich einst ihre Unschuld. – Sie kam mir aus dem Gesicht. – Ich hab's versöhnt, so gut ich konnte. – Börse, Uhr, Degen, alles blieb dort. Du wirst doch nicht? Was glotzt ihr, Werktagsgesichter? Ist euch das zu hoch? Trinkt! Es lebe der edle Doktor! Der großmütige Doktor! Schweigt! In eurem Munde mag ich das so gerne hören, als wenn Lenchen von Jungferschaft spricht. – Wo ist Feßler? Auf dem Karzer. Der arme Tropf! Dort wird ihm die Zeit lange werden. Denn er selbst ist ein verdammt schlechter Gesellschafter. Besuchen wir ihn morgen! O das wirst du ohnehin! Wieso? Sahst du nicht an deiner Türe: Dominus Dominus citatur etc. Bei meiner Seele, nein: Nun und was will die gekrönte Magnifizenz? Du bist verraten. Immerhin! Hätte der Kerl geschwiegen, so schwieg' ich auch. – Aber daß er noch prahlt, öffentlich prahlt mit der Tugend seiner Messaline, – das grollte mir, das mußte gegeißelt werden, und sollt' ich dafür in die Hölle! Bravo, Doktor! Also im Karzer! Immerhin! Ich bin's satt unter Eseln und Narren umherzuwandeln. Ich denke die Einsamkeit soll mir behagen. Sorge nicht; wir besuchen dich; Dir soll keine Zeit lange werden. Mir? Wie du das nun verstehst! – Wenn ich erst anfange an meiner Tatze zu saugen, so schick' ich euch alle zum Teufel. – Ich bin des hundischen Lebens müde. Hier zausen sich zwei Pedanten die Perücke, ob Cicero tum oder cum geschrieben hat – und das ist Gelehrsamkeit. – Dort klingeln ein paar Narren mir mit ihren Schellen die Ohren taub, und das ist Weisheit. Dort schwört mir eine Dirne ewige Zärtlichkeit, um sie morgen einem andern zu schwören. – Es lebe unser Doktor, der Philosoph Sie trinken. Er lebe! sie heftend. Hier blinken meine Flaschen und man schwört mir ewige Freundschaft! Geleert, und mit ihrem Saft verrinnt sie! Es lebe unser Doktor, der Satirikus! Alle trinken. Er lebe! Pedanten und Parasiten, Huren und Beutelschneider; da habt ihr Titel vom Menschenkatalog. – Nichts als Schellen und Dolche! – Das halte der Teufel aus! – Trinkt! Es leben die Wände des Karzers! Du wirst noch satt über sie fluchen. Meinst du? Ich will euch beweisen, wieviel sie besser sind als ihr. – Sie schweigen, wenn ich's will. Und ihr? – Ich zeichne meine Ideen, meine Empfindungen auf sie, und willig nehmen sie sie auf. Und ihr? – Sie hören das Klaggeschrei meines Kummers und halten es treu und innig zurück. Und ihr? – Endlich verlassen sie mich nicht, bis ich sie verlasse. – Merkt ihr nun? Fein, wahrlich, sehr fein! Schweigt und sauft; dies ist eure einzige Kunst und Wissenschaft. Meint ihr, weil ich euch meine Flaschen leeren lasse, ich kenn' euch nicht? Täuscht euch nicht, Jungens! Lava muß bisweilen über kalte tote Steine fließen; die schmelzen nicht. Ihr seid alle Hallunken, glaubt mir's aufs Wort. – Dich nehm' ich aus, Brenner. Viel Ehre. Denn wenn du gleich ein Bösewicht bist, so hast du doch Kraft dazu und Verstand des Lasters Kelch auszuschlürfen bis auf den Grund. ERSTER, ZWEITER, DRITTER STUDENT. Ha! ha! ha! Lacht, lacht, o ihr Genieköpfe! Blüte des Staats! Hoffnung des Vaterlandes! Sieh sie nur an, Brenner! Aus diesem Teig knetet man die Minister und Oberpriester und die Regenten des Volks. Das arme Volk! Man möchte wahnwitzig werden. – Sauft! Trinkt seine Leibgesundheit! Holla, Faust! Es lebe das Volk und das Vaterland! ERSTER, ZWEITER, DRITTER STUDENT. Es lebe das Volk und das Vaterland! glühend. Vaterland! Vaterland! Hallunken entweiht doch diesen Namen nicht! O daß wir eins besäßen! – Meint ihr, umsonst und um nichts schwärme ich mit euch und schwelge? – Es ist eine Glut in mir, und da ich sie nicht zu löschen vermag, so muß ich sie verdämpfen. Ich fühl' in mir Durst nach edlen Taten, ich könnte tugendhaft sein und edel und groß – und möchte es; aber Gott, für wen? Für einen Haufen Narren, Esel und Schurken? Zeigt mir einen weisen, tugendhaften Mann, und ich will niederknien und ihm nachfolgen. Aber in dieser Marionettenwelt, wo sich's nicht einmal verlohnt den Draht zu ziehen. – Mich ekelt das an. Ich habe alles genossen und das alles ist ein erbärmlich Possenspiel, zu schal zum Weinen wie zum Lachen. Wißt ihr etwas, Brüder! Ich hab einen Plan, euch und mich groß und berühmt zu machen. O trefflich! Hoch lebe der Doktor! Und unsterblich obendrein! Doktor! Herzensdoktor! Ideal und Traum ist alles um uns her. Nur dieser Nektar ist Wirklichkeit. Laßt uns mit dem Glas in der Hand, Arm in Arm geschlungen hinwegschleichen aus dieser erbärmlichen Bude! Wie? Und gleich dem erhabenen Seneka unsre Seelen mit unserm Blute in ihre Heimat sanft hinüberschwemmen. O du spaßhafter Doktor! Spaß? Bei meiner Treue, ich spaße nicht. – Was denkt ihr dazu, Freunde, süße, edle Gespielen? Ha! ha! ha! zu Brenner. Lustig, bei allen Elementen, lustig! – Sieh doch an, wie ihre Augenwimpern steigen! Wie ihre Lippen zum Lächeln sich zerren! – Holla! ho! Die Flaschen sind leer! Hohes Projekt der Unsterblichkeit, nun bist du freilich verloren. Mit dem letzten Tropfen dieser Flaschen rauschen des Pantheons Tore zusammen. Gute Nacht, süße Lieblinge! Alle guten Geister behüten euch und euer weiches Fell und eure Gurgeln und eure Verdauungswerkzeuge! – Gute Nacht, Breimenschen! Seelen von Pappe! Meine Flaschen werden euch wieder winken. – Für jetzt hat der arme Doktor dazu weder Geld noch Kredit. Gute Nacht! Er führt sie höflich spaßhaft ab. 5. Szene 5. Szene. Doktor Faust. Brenner. Was Teufel hast du denn mit ihnen vor? Soll ich den armen Sündern nicht ihr Henkermahl gönnen? Ich will ihrer los sein, und das wird man der Schmeißfliegen mit leerer Flasche am sichersten. Faust, du bist bitter! Sollt' ich nicht? Wofür wirft mich die Flut der Natur an den Strand, wenn ich dort wie eine Auster im Sande kriechen soll? Warum gab sie mir Kraft in die Sehnen und Flammen in die Adern, wenn ich nicht wirken soll? Wirke! Wirke! Wirke! Verteidige die Unschuld, predige den Richtern Unbestechlichkeit und sie erwürgen dich; den Weibern Keuschheit, und sie kratzen dir die Augen aus; den Plusmachern Respekt fürs Eigentum und sie confiszieren dein eigenes, den Regenten Volksrechte und sie jagen dich zum Land hinaus! Peitsche los auf die Tanzbären und sie fallen auf ihre vier Pfoten! Wirken! Ebensogut möcht' ich auf Leichname und Mumien wirken als auf diese Menschheit! Ei, so laß andere ihr Wesen treiben und sorge für dich! – Trinke, schwelge, sei fröhlich! Es gibt ja der Weinwirte und der guten Mädchen genug! – Im Schuldturm? Da sieh! Wendet seine Börse um. Sitzt dir die Philosophie da? O, dafür ist ja noch Rat! Ja, ja, der fehlt dem Elenden nie; aber Hilfe? Auch bin ich dieser Murmeltiersexistenz müde. Ich sage dirs, ich bin des allen satt und will gehen. Bist du toll? Es ist etwas in mir, und das ist ein anderes Ich und bedarf mehr als Flaschen und Phrynen. Sollt' es denn allein sein in dem unermeßlichen Raume der Dinge? Es muß Brüder haben und ich will sie aufsuchen. Auch dafür ist hier noch Rat. aufspringend. Wie, Brenner, dafür? Nur ruhig, Tollkopf! Du weißt, daß ich längst in Verbindungen stehe. Du, Brenner? Du in Verbindung mit höheren Wesen? Ja, ja, bisweilen, wenn die Flaschen leer waren, prahltest du wohl damit, aber wer dirs glaubte? Warte und sieh. Bei allen Heiligen, Brenner! Wenn das wahr wäre! Wenn du vermöchtest! Wahrlich! Ein einziger Blick ins erhabene Reich der Geister – und ich denke, mir wäre geholfen. Zweifelst du? Was nützte dir denn all dein Wachen und Studieren und deine Bücher? Ins Feuer mit dem Plunder! Mikrologisches Schulgeschwätz, Zerfetzung der Leidenschaften! Kaltes Wasser auf glühende Steine gegossen. – Brenner, presse sie aus, wie sie da sind; und wenn du aus all diesen Folianten einen einzigen Tropfen Lebensweisheit drückst, so will ich meine Seele dem Teufel ergeben. bedeutend. Wolltest du das? betroffen. Was sagst du? 6. Szene 6. Szene. Fausts Vater. Vorige. in Doktor Fausts Arme stürzend. Mein Sohn, mein Sohn! äußerst erschüttert. Vater! Stumme Szene, in der sich Brenner entfernt. Gottlob, meine Augen sehen dich noch einmal! Setzt euch, Vater, eure Knie zittern. Es ist mein letzter Gang, der nächste zum Grabe. Ich dachte dich nicht wiederzusehen. Wieso Vater? Die Sage kam in unser Dorf, du seist tot. Ist's möglich! Öffentlich hingerichtet! Die verleumderischen Schurken! Der Schmerz riß deine schwache Mutter ans Grab. Mir gab er Stärke. Ich wollte meine morschen Knochen hinschleppen an deinen Rabenstein, Buße zu tun für unsere Liebe zu dir und an deinem zerschmetterten Gebein meinen letzten Odem aushauchen. Schrecklich! Schrecklich! Hans, Hans, wie hast du deinen Eltern gelohnt! zu seinen Füßen. O, vergebt mir! Ja, denn dein Auge ist naß. Vater, es sind auch meine letzten Tränen. Hast du die letzten 50 Taler erhalten? Ja! Ach, meine arme Schecke! Die Mutter hatte sie aufgezogen, ihre Milch nährte uns und deine Liese. Wir heulten alle, als man sie wegführte. sich vor die Stirne schlagend. Bösewicht! Daß ich den närrischen Grillen deiner Mutter nachgab! Aus dem Schoßkinde sollt' und mußt' ein Doktor werden! Hans, warum ließ ich dich von mir? Gott vergeb's euch! Wenn unsre Nachbarssöhne heimziehen vom Pfluge, so jubeln ihre Eltern. Wir zittern, so oft ein Bote aus der Stadt kommt. Weh mir! Bald ist's eine Dirne, die uns ihren Bankert vors Fenster zu legen droht, bald ein Weinwirt, der dich festmachen lassen will, bald schreibt ein Herr Professor: Euer Sohn schwärmt Tage und Nächte und ist ersoffen in aller Liederlichkeit. Vater, es soll anders werden! Da kommen denn abends die Nachbarn, um uns zu demütigen für unsern Wohlstand, und jeder weiß eine andere Geschichte, uns das Herz abzunagen. »Er sitzt auf dem Turm«, sagte der eine. »Man sieht ihn nie in der Kirche«, der andere. »Er will von Gott und seinem Wort nichts wissen«, der dritte. Ha! »Jauner und Teufelsbanner seine täglichen Gesellschafter«, der vierte. O wahr! »Er selbst hat sich dem Teufel ergeben«, der fünfte. Nein! Nein! Und da ringt denn die Mutter ihre Hände, der Vater rauft seine grauen Haare aus; unser alter, treuer Fix springt auf den Tisch und leckt unsre Tränen ab und Liese, deine Liese – Sie liebt mich? Bleich und abgehärmt welkt sie hin. Gottlob, sie wird's nicht lange mehr treiben. Sie liebt mich noch? Wollte Gott, nein! Sie ist unser Augapfel, sie wartet und pflegt deine kranke Mutter. Bösewicht, unmenschlicher Bösewicht! Hans, kehre um, weil's noch Zeit ist! – Zehn Jahr dient' ich dem Landesfürsten, versuchte manches in der Welt, zog dann heim, heiratete deine Mutter und baute mein Gütchen. Fleiß bringt Segen. Meine Saaten wurden die schönsten im Flur, meine Ställe voll Vieh. Ein Junge fehlte mir, dem ich das all' übergäbe, der mir einst dafür die Augen zudrückte. Da wallfahrtete ich mit deiner Mutter zum Wunderbild – und sieh' da, ich ward erhört und du geboren. Fluch! Fluch dem unseligen Gedanken, der euch diese Wallfahrt eingab! Ich habe euer Glück ermordet. Hab' ich dir je geflucht? Aus Barmherzigkeit flucht mir! – Komm mit mir! Unserer Hände Arbeit wird uns nähren. Mutter, Mutter lebt noch, Liese lebt noch! Komm mit mir! 7. Szene 7. Szene. Gerichtsdiener. Vorige. Himmel und Hölle, was ist das? Doktor, ich habe Befehl Euch auf den Turm zu bringen. Mich? auf seinen Stuhl sinkend. Sohn! Auf wessen Verlangen? Eurer Gläubiger. Lest! liest. Faust als ein Schurke entwichen? Zu seines Vaters Füßen sinkend. Vater! So tief ist euer Sohn gesunken! Arme Marthe! Arme Liese! Vater, noch flucht ihr mir nicht? Der Zorn des gerechten Gottes liegt schwer auf dir. Ich fluche dir nicht. Eilt! Hier, Bube, ist der älteste meiner Gläubiger; tilge diese Schuld und dann nimm mich hin! Siehst du nicht seine Ohnmacht? Was kümmert das mich? Tiger! Ich bin Fleisch von seinem Fleisch. Diese Hände haben mich ernährt, gepflegt und groß gezogen. Vater! Und ich bleichte vor der Zeit deine Haare, ich belastete mit Kummer dein ehrwürdiges Alter und stürzte dich verzweifelnd in die Grube. Fort! fort! Seine Gehilfen packen ihn. Vater, um der Barmherzigkeit des Allerbarmers willen, Euren Fluch, eh' ich gehe! Armer Hans! Euren Fluch, oder ich sterbe zu euren Füßen! sich losreißend. Laß mich! Wo wollt ihr hin? Meine Hütte zu verkaufen! Gott hat ja ein weites Zelt ausgespannt für uns alle. Er füttert ja die jungen Raben, er wird mein nicht vergessen. Hans, daß du sein nie vergessen hättest! Ab. Vater! Um Gotteswillen! Die Gerichtsdiener schleppen ihn fort. 8. Szene 8. Szene. hervorkommend. Ja, Satan, dein Bund wirkt; denn diese Augen sind trocken! – Brenner fasse dich! Haben wir ihn nicht da, wo wir ihn wollten? – Nun, Philosoph, wir wollen sehen, wenn du da dich herauswindest! – Fort, jetzt ist jeder Moment wichtig. Diesmal, Mephistopheles, will ich selbst dem Satan Dank abdringen! Ab. 9. Szene 9. Szene. Gefängnis. Doktor Faust. Gerichtsdiener. Dies ist eure Wohnung. Ab. 10. Szene 10. Szene. allein. Seid mir gegrüßt, Furien der Hölle! Hier fühl' ich rein euer glühendes Wehen! Euch war dieser Eingang nicht verschlossen, ich trug euch in meinem Busen. – O Bewußtsein! Bewußtsein! Hier ist dein Thron! Schließt euch auf immer, furchtbare Riegel! Auch aus euch ist ein Ausgang! – Ausgang? O mein Vater! Warum erschienst du, als ich lächelnd diese Ketten abgestreift hätte, um mich mit neuen zu fesseln? Freuden des Lebens, Durst des Wissens, Glut emporzustreben, Glorie der Zukunft – ihr lagt hinter mir; – aber Schuld, Schuld der Natur! – Kann Dolch und Gift sie tilgen? Wenn alle Erinnerung mich verläßt, wird nicht dies blutige Gespenst meine davoneilende Seele verfolgen in die Schatten der Nacht, und ihr rauben den einzigen Trost des Lasters: Nichtsein? – Faust! Faust! daß du die brennende Stirne an diesen Wänden zerschellen dürftest, ein ewiges Denkmal verlorner Unschuld! 11. Szene 11. Szene. Brenner. Doktor Faust. Was seh' ich, Brenner? Deinen Brenner. Bist du es selbst? Nur Schatten suchen je das Unglück auf. Erkenne deine Freunde! Ich kenne eure Worte. Hier hoff' ich sie zu vergessen. In diesen Mauern allein gilt Wahrheit. Faust, was ist dir? Deine Augen rollen furchtbar. Woher die Wildheit deines Bluts? Woher diese Verzweiflung? Ha, du wüßtest nicht? Daß deine Gläubiger dich fest machen lassen? Nichts natürlicher, nichts gerechter; bezahle sie! Du höhnst mich? Das wäre schurkisch. Hättest du ihn gesehen, ihn, wie er seine grauen Haare in Tränen badete. Ich habe – Gehört seine letzten zermalmenden Worte! Ich habe sie gehört. Ich bat um seinen Fluch, und er versagte ihn. Brenner! Mein Vater ist elend, unaussprechlich elend. Hörst du wohl? Er schüttelt ihn. Mein Vater! Du bist außer dir! Mein Vater, sag' ich dir! Rette ihn! Bist du ein Teufel? Bedenk's, ich steh' in meiner letzten Stunde. Was ist mit dir vorgegangen? Cato drückte sich den Dolch in den Busen, aber er starb fürs Vaterland. Curtius stürzte sich in den Abgrund, aber für seine Mitbürger. Und so wollte Faust in seiner Laufbahn stille stehen? Schwelgerischer Wollüstling, Räuber fremden Eigentums, der die Larve der Ehrlichkeit dem Gutmütigen ablog, Verführer keuscher Jungfrauen, Spötter der Tugend, treuloser Freund. O halt' ein! Verräterischer, undankbarer, meuchelmörderischer Sohn! Halt' ein, Satan! Und endlich ein kleinmütiger Selbstmörder! Halt' ein, oder zittre! Der Rabenstein sein Monument und der Abscheu seiner Zeitgenossen sein Nachruhm! Hier hast du einen Strick; geh' und hänge dich! Halt' ein, Bösewicht – Die Natur hat dich ausgesteuert mit ihren reichsten Gaben. Wo ist er hin, dieser Durst nach großen Taten, dieses Streben nach einer Sonnenlaufbahn? Wohin diese Gierde alles zu wissen, alles zu erschöpfen, zu messen das Unermeßliche, zu erforschen das Unendliche? Mit kühnem Flug zu schreiten über den Gestirnen, mit Riesenschritten zu erklimmen das Allerhöchste, zu gebieten über die weite Natur, vom Monarchen bis zum Wurme, zu ergründen die Tiefen der Schöpfung? Beim Himmel, er ist da! Ein Schuldturm zu Ingolstadt hat diese Riesenkraft gelähmt und die goldnen Schwingen des hohen Genius abgeschnitten. Wahrlich, nein! – Sprich, was soll, was kann ich tun? Alles, wenn du nur willst. Wofür hast du denn die Magie studiert? Hinab in das Reich der Geister! Der Kühnheit öffnen sich seine eisernen Tore. Ein Wort, und die Natur ist zu deinen Füßen! Brenner, du hast meinen schlafenden Genius geweckt. Hinauf mit dem Vorhange! Ich wage alles! Bis jetzt hast du dein Dasein gemordet; beginn' eine neue Laufbahn! Du hast schwere Schulden gegen die Natur auf dich geladen; tilge sie! Du hast oft und gewaltsam ihre weise Ordnung gestört – vergüt' es! Habe Mut, dich hinaufzuschwingen aus diesem erbärmlichen Dunstkreis; er ist nur für gewöhnliche Menschen. Dir hat die Natur das Siegel der Größe auf die Stirne gedrückt. Löse es, oder versinke rettungslos und unbemerkt im Schlamm gemeiner Seelen. Nicht weiter. Ich will! All deine Bücher sind schales Geschwätz, Märchen für Ammen und Kinder. Lies dieses! Es enthält die Geheimnisse der Geisterwelt. Hast du Mut, so bist du ihr Beherrscher. Zagst du, so bist du verloren. Ab. 12. Szene 12. Szene. allein, in höchster Spannung der Unruhe. Zagen? Am Saum der Gestirne wie in der Tiefe des Abgrunds zagt man nicht. Ich will! Ich will! Er liest. Himmel und Erde! Welcher Flor fällt von meinen Augen? Bin ich noch ein Sterblicher? Erdball zittre und horche auf meinen Wink! Firmamente, steht still in eurer Bahn und erwartet meine Befehle! Unsichtbare Geister, empfangt mich, ich ahndete euch längst! Bewohner des Firmaments, ich schwinge mich in eure Reihen! – Bürger des Schattenreichs, ich steige hinab in eure nächtliche Heimat. Ha, wie fühl' ich mich so groß und kraftvoll! Wohlan! Er zieht den Kreis und hebt die Beschwörung an; Sturm erhebt sich, Blitze. hält plötzlich inne und fällt auf seine Knie. Unglücklicher, was beginnst du? Ein Donnerschlag, sanfte Musik. 13. Szene 13. Szene. Ithuriel aus Wolken hervortretend. Doktor Faust. ITHURIEL Steh' auf! Wer ruft mir? Ithuriel. Wer bist du? Dein Schutzgeist! Mein Schutzgeist? Engel des Himmels! Dich ahndete ich längst. O warum sah ich dich nie? Und jetzt? Nie verließ ich dich. Wo warst du so oft, wenn Unmut meine Seele zerfleischte, wenn mein Fuß wankte am Abgrund, wenn die Furie der Sehnsucht nach fernem verschleierten Ziel mich umhertrieb, wenn meine zagende Seele schwebte zwischen dem Gewölke des Himmels und dem Erdball, zwischen Raum und Zeit, Gegenwart und Zukunft, Ewigkeit und Vernichtung? Wo warst du, holdes, liebliches Wesen, sprich, wo warst du? Im innersten Heiligtum deines Herzens. Und doch hört' ich dich nicht. Du hörtest mich. Aus ewigem Kampfe mit Leidenschaft stieg ich stets besiegt, aber stets kraftvoller in dir wieder auf: Ein ewiger Jüngling! Das Gewissen altert nicht. Das Gewissen? Ja, lieblicher Genius, ja ich besinne mich, ich hörte deine Stimme. Du hörtest sie. Sie wütet nicht, sie stürmt nicht. Anmut ist die Gewalt ihres Adels, Wahrheit, Wahrheit ihr unwiderstehlicher Zauber, Innigkeit der Charakter ihrer Töne. Sie riß dich oft aus den Armen einer Buhlerin. O wahr! Überraschte dich am Morgen einer durchschwelgten Nacht und spannte mit der Magie ihrer Musik deine horchende Seele zur einsamen Betrachtung. Der Tugend Mutter! O Wonne! Wonne! Ich bin gerettet! Geliebter, warum erscheinst du mir erst jetzt? Alles verließ dich. Dann erst erscheint der Freund. O wahr! Und Ithuriel ist dein treuster Freund, dein unzertrennlicher Gefährte. Sei es auf ewig! Unauflöslich an dich durch das Schicksal gekettet, begleitet er dich über Felsen und Abgründe; unbeweglich schlingt er sich an dich, haftet an dir, bis du gewaltsam ihn ermordest. Lieber, ich will dich in meinem Herzen tragen. Faust, und doch warst du so nah mich auf ewig zu verscheuchen. Ich? Was wolltest du beginnen? Wenn hier Bosheit mich angrinst, dort Dummheit mich angafft, wenn ich einsam wandle unter lebenden Leichen, verschlagen auf einen wüsten, nackenden Strand; wenn das Gewühle von Narren und Bösewichten mich anekelt; wenn ich müde bin am allgemeinen Rade des Egoismus mitzudrehen; wenn meine dürstende Seele den Vorhang heben will, der mich trennt von der mir verwandten Geisterwelt – so wäre das Verbrechen? Es ist's! Wär's möglich? Bedenkst du, unglücklicher Freund, was dich's kostet? Wie das? Alles! Die Glorie deines zur Veredlung geschaffenen Wesens, den Adel deiner Seele. Gott! Ewigkeit zahlt den Bund mit der Hölle und tilgt ihre Schuld nicht. Bedenk's, Ewigkeit! O halt' ein, Furchtbarer! Nimm mich hin! Aber rette meine Freiheit, rette meinen gebrandmarkten Ruf, rette meinen unglücklichen Vater! Ich vermag's nicht. Ohnmächtig, und ein Bürger der Geisterwelt? Der Schluß des Schicksals fesselt meine Macht; er kettete mich an dich. Ich bin nur mächtig in dir und durch dich. In mir, und durch mich? Tiefen der Weisheit, ich werd' euch nachforschen. Nach langem verzweiflungsvollem Sinnen. Aber was vermag ich jetzt? O, zerfließt in Anrorens Nebel, purpurne Träume der Größe! Hoffnungen! Ahndungen! Erwartungen! Doch nein! Umsonst spannst du meinen ausgestreckten Arm. Ich zerreiße den Faden des Schicksals! Mein Name, mein Vater werde gerettet! Armer Freund! Sieh, welches Schicksal ihm dann dein Entschluß bereitet! Traurige Musik. Im Hintergrund erscheint Fausts Vater in seiner Hütte, seine Haare ausraufend, am Strohlager seiner Mutter; Liese, sich ins Wasser stürzend. Hier dein Vater, dir fluchend, am Sterbebette deiner von dir gemordeten Mutter! Dort Liese, der Engel der Unschuld, wahnsinnig, sich in den Teich an deines Vaters Hütte stürzend. niedersinkend. Engel des Himmels, ich bin überwunden! 2. Akt 1. Szene 1. Szene. Mephistopheles, Ithuriel von verschiedenen Seiten. Wie? Du hier, Ithuriel? Du kennst mich noch? Doch Erinnerung ist ja ein Teil eurer Pein. Ich kenne dich. Aber hier? In der Tat, deine Gegenwart überrascht mich. Überraschen? Sage, sie erschüttert dich, sie erschreckt dich. Sie ist nur unerwartet, unangenehm sogar, wenn du willst; denn ich begegne dir nicht gerne. Wirklich? Ringe ungerne mit dir. In der Tat? Möchte dir lieber brüderlich die Hand bieten. Genug! Ist's möglich, so sei nur auf einen Moment weniger Satan und bekenn' es: du hassest mich. Du tust mir unrecht. O, wie käm' auch Wahrheit in ein gefallenes Wesen! In ein gefallenes? Wer nach Freiheit ringt, fällt nicht. Unabhängigkeit ist Würde. Unabhängigkeit? Sklave! Soll ich mein Wesen enthüllen, soll ein Strahl seiner Glorie deinen zerfleischten Busen öffnen und all die Nattern aufschrecken, die mit ewigen Flammenbissen an deiner Seele nagen? Soll ich das Grab der Verwesung deines Herzens erleuchten, das du mit den bunten Lappen der Hölle behängst? Keine Bitterkeiten, Lieber! Da der Zufall uns zusammenführt, so laß uns nur ringen auf dem Kampfplatze. Wohl, aber verleugne nicht die einzige unvertilgbare Eigenschaft des Geists und stelle dich, als könntest du einen Unsterblichen täuschen. Gut! Aber laß uns ruhig aufklären! Was führt den Unsterblichen auf einen Planeten, der seiner Gegenwart unwert ist? Pflicht! Wie? Diese kleinlichen Geschäfte der armseligen Menschheit wären Wirkungskreis für einen erhabenen Genius? Tugend, Glück ist sein Wirkungskreis. Er ist unermeßlich und umfaßt alles. Aber diese jämmerlichen Sterblichen, Maulwürfe, rastlos grabend, ohne Zweck; Grillen, ewig zirpend ohne Musik? Sind unsterblich, bestimmt zu unsern Genossen. Heuchler! Daß Ihr das wißt, ist ja euer Wirkungskreis. Keine Ungeduld, lieber Genius! Vergib meiner Neugierde! Hier? Was suchst du, was kannst du hier suchen? auf Faust zeigend. Diesen Unglücklichen. Faust? In der Tat, ich erstaune. Worüber? Das Schicksal bestimmte mich ihm zum Schutzgeist. Ich gehorche seinem Rufe. Ich bedaure dich. Du bist ein trefflicher Schauspieler. Er ist ein armseliger Wicht, ganz deines Schutzes unwert. Nein! Seine Seele floß aus dem Strome der Gottheit wie die meinige und er ist kein gewöhnliches Wesen. Sein Geist steht auf einer hohen Stufe und sein Herz hat Kraft zur Anstrengung und ist großer Tugenden fähig. Desto sicherer ist es meine Beute. Bist du deiner Sache gewiß? Ich bin es. Wir wollen sehen. Auf was baust du deine Hoffnung? Er forscht nach Wahrheit. Sie ist jenseits, und vergebliches rastloses Forschen gibt ihm den Dolch. Er liebt die Wissenschaften. Und findet rings um sich Pedanterie und Schellengetöse. Ekel stürzt ihn in Apathie. Er sucht oft die Einsamkeit. Dem müden Schwelger reicht sie Gift. Er liebt. Die Weiber, nicht deine Psycharion. Sie ist ja ein Ideal. Die Blumenketten der Weiber sind nur Schlangenfesseln; das weißt du längst. – Und doch, gutmütiger Genius, wolltest du den Kampf um diese Beute mit mir wagen? Ich will, ich muß. Wohlan! Du wirst unterliegen. Deine Entwürfe sind also so richtig berechnet? Untrüglich! Er hat große Leidenschaften und sie sind der Zauberkreis der Hölle. Er hat Durst emporzustreben; der Erdball engt ihn und seine umherschweifende Seele stößt an an den Polen. Desto besser! Es wäre mir leicht sie hinzudrängen zur Verzweiflung, zum Selbstmord. Entsetzlich! Doch das wäre Torheit, das würde die verwegenen Schwingen nur lähmen auf eine Zeit; sie müssen in Asche verwandelt werden. O, daß ich dein Anschauen ertrage! Und deine Pläne? Vergib, sie sind mein einziges Eigentum. Doch, nenne mir deine Waffen! Ist Allmacht dein Schild, bist du gerüstet zu Wundern, so erspare mir aus Mitleid die Scham der Mißlingung! Nein! Die Gottheit greift nicht gewaltsam in die Räder der Geisterwelt. Meine Waffen sind Tugend und Wahrheit. Ein Lächeln wäre doch hier wohl verzeihlich? Unglücklicher, erzürne den Rächer nicht! Freiheit des Geists ist dein Kampfplatz. Wirke! Ich werde meine Pflicht tun. Deine Pläne wenigstens sind kein Geheimnis. Euer Wesen ist ja ein reiner Spiegel. Kein Geheimnis? – Bedenk's! Er ist nicht dein bis zur letzten Stunde des Bunds und ohnmächtig sinkt dein Dolch bis zum letzten Moment der Reue. Ich werde ihn fallen lassen; denn gefallene Tugend hebt durch Reue sich eine Stufe höher. Ich werde deinen trügerischen Schleier lüften und seinen Blick fesseln auf den Abgrund von Elend und Jammer, den du ihm bereitest. Alle Furien deiner Heimat sollen vor seinen Augen vorübergehen. Ich werde hauchen jeden schlafenden Funken seines Ursprungs zur Flamme, die Wolken seines Daseins teilen und ihm öffnen all die Glorie der Tugend, der Hoheit, des Adels der Gefühle, der Wonne zusammenzuschmelzen mit allem, was edel und anmutig und groß ist, einzig zu lieben und geliebt zu sein. – Du zitterst? Unglückliches Wesen, deine Schlangen heben empört ihre Häupter. Ich bedaure dich noch. Entferne dich, ich erlaube dir's! Mephistopheles verschwindet. 2. Szene 2. Szene. Ithuriel. Doktor Faust. Faust berührend. Erwache nun, Unglücklicher! Ewache, denn Satan schläft nie. Ich kann dich nur wecken, nicht retten. O Tugend, meine Mutter! Bedecke ihn mit deinem Sonnenschilde! Verschwindet. 3. Szene 3. Szene. allein, erwachend. Wie ist mir? Wie sanft habe ich geschlafen! Ha, auch die Nattern des Gewissens entschlummern also? Schlaf ist nicht der Bruder der Unschuld? Doch Unglück versöhnt ihn mit dem Laster. Und ich bin ja sehr unglücklich! – Furchtbare Erscheinung, wärst du denn nur ein Traum? O mein Schutzgeist, warum zeigtest du dich, um mich zu verlassen? Eine Wüste ist mir ohne dich die Welt; furchtbar werfen mich ihre Wogen gen Himmel, schleudern dann mich wieder in den Abgrund. Daß ich doch in ihm versinken könnte! O Bewußtsein! Bewußtsein! Bist du mein ewiges Selbst, oder ein Meteor, das ein nördlicher Schein aus Dünsten hervorruft und das mit ihm in Dünsten zerfließt? Was in mir denkt, empfindet und leidet, ist's nur der Abdruck meines Wesens im Spiegel der Schöpfung? – Bist du ein eigenes, selbständiges Wesen, nur ein Gast dieser Herberge? O so verlasse sie bald, denn ihre Grundpfeiler wanken. O Bewußtsein! Furchtbarer Geist! Warum zermalmest du mich mit deinem Riesendruck? Wenn ich deine eisernen Arme abschüttle, wird der Schmetterling rein und groß und hehr emporschweben über der modernden Puppe? Ja, da liegt's! 4. Szene 4. Szene. Brenner. Vorige. Willkommen, Herzensdoktor! Willkommen? Zurück, Teufel! Denn im Kerker ist ja die irdische Hölle. So bitter, Brüderchen? Nur die Lockung der Heimat kann dich wieder hieher rufen. Seit wann ist denn der Besuch des Unglücks Weltsitte? Sachte, Tollkopf! Brenner ist immer der nämliche. Das ist er, das wird er sein; zu schwach zur Tugend, zu schwach zum Laster; Sphynx oder Centaur, Bacchant oder Hyäne, wie's das Marionettenschauspiel gibt. Willkommen, drolliges Ungeheuer! Du bist lustig, Doktor. Sehr lustig! Siehst du's nicht, jeder Prinzipal von Verstand flickt ein Fastnachtsspiel an die Tragödie. Es ist um der Wirkung willen. Doktor, Doktor! So empfängst du deine Freunde? Freunde? Buben, was denkt ihr? Wenn der allmächtige Geist in mir stürmte, wenn die Morgenröte mich nicht weiser, nicht befriedigter, nicht verklärter, nicht ruhiger überraschte! Wenn das Resultat all meines Forschens und Sinnens über Kraft und Natur und mein Selbst und dessen hohe Ahndungen mit dem Rauch meiner nächtlichen Lampe verlosch. Freilich, dann stürzt' ich mich fühllos in eure Reihen, zechte und schwelgte und strebte, die Molche meiner Seele zu stillen, denn die saugen ja nur Gift. Doch was schwätze ich da! Dies alles ist ja für dich Unsinn. Was gibt's Neues in der Körperwelt? Wenig und das nicht tröstlich. Laß hören! Du bist peinlich angeklagt vom Senat beim Landesfürsten. Ich? Worüber? Das ist lustig. Die peinliche Anklage meiner Gläubiger liegt hier und ich werde sie heben oder untergehen. – Aber hab' ich meine Dirnen nicht bezahlt? Meine zerbrochenen Gläser und Fensterscheiben nicht bezahlt? Bezahlen ist ja die große Stufenleiter eurer Menschenmoralität. Ja, davon handelt's nicht. Wovon denn? Was klagt man mich an? Als einen Verleumder und Pasquillanten. Ha! Weil ich den Rektor einen Esel nannte? Wahr ist's, ich hätt' ihn auch einen Schafskopf nennen können, denn der Esel ist ein nützliches Tier und trägt seine Last; dieser Nikodemus nützt und trägt nichts, das ich wüßte, als die Geweihe seiner Hahnreischaft. Als einen Unruhstifter und Aufwiegler. Aufwiegler, ich? Weil meine Seele glühenden ewigen Haß schwur dem Drucke der Willkür? Weil ich dem Volk predige, das Gesetz sei sein Regent, nicht die Verdauungswerkzeuge der Schreiber? Weil ich predige den Amtleuten und Schergen, daß sie um des Volks willen da sind, nicht das Volk um ihretwillen? O laß sie kommen diese Lotterbuben. Faust, du hast mächtige Feinde. Die Wahrheit ist allmächtig. Ja, dringe du damit zu den Thronen, um sie ist eine eherne Mauer, und Trug und Schmeichelei ihre unbesiegbare Wache. Ich will durchdringen; meine Stimme soll schallen von einem Grenzsteine des Landes zum andern. So läßt man dich im Kerker faulen. Hast du Gold? Bist du nicht verschuldet? tiefsinnig. Ha! Faust, lebe mit der wirklichen Welt, und kannst du's nicht, so erhebe dich zur höhern! Ha, daß ich könnte! Du kannst und wolltest. Warum zittertest du zurück beim ersten Schritt? Wenn du wüßtest! Taschenspielerkünste. Von den Geistern selbst veranstaltet, deinen Mut zu prüfen. Wie? Aufmerksam. Faust, du bist der Menschheit entwachsen. Erhebe dich zu der Höhe deines Wesens! Wie? Du kriechst umher unter den Fröschen des Sumpfs, und dein kühner Genius ruft dich zum Adlerflug? Sprich ein Wort, und du bist allmächtig wie ein Gott. Sprich ein Wort, und du zerschmetterst all diese giftigen Kröten und zertrittst lächelnd diese armseligen Ameisenhaufen. Bösewicht! Welchen Orkan erregst du in meinem zerrissenen Busen! Hier erwartet dein: Kerker, Fesseln, der Schandpfahl, vielleicht das Blutgerüst oder die Flamme. Denn auch der Zauberei bist du schon verdächtig. Dort Macht, Hoheit und Glorie. Wähle! Und dazu könntest auch du klimmen, Brenner? Brenner? Mein Pfad ist nicht der deine. sinnend. Wahrheit, Wahrheit, die ich anbete, seit ich denke, warum zeigst du dich nicht? Versuch's wenigstens! Der erste Schritt ist nicht entscheidend. Wage einen Blick ins Reich höherer Wesen, nach dem du strebtest. Blendet dich seine Majestät, so krieche zurück! Aber versinke und schweige auf ewig! Pause. Ich will! Gib mir zum zweitenmal die Bücher und geh! Hier! Du wirst zum zweitenmal wanken. Bube, mach mich nicht wahnsinnig! – Laß die Flammen der Hölle über mich zusammenschlagen und sieh, ob ich wanke! Heil dir dann, edler Doktor mit dem Strahlenhaupt! Triumphierend seh' ich dich wieder. Ab. 5. Szene 5. Szene. allein. Dich? Das verhüte selbst die Hölle! Denn für Himmel und Hölle hast du kein Diplom der Bürgerschaft. Faust! was beginnst du? O mein Vater! O Elise! – Nacht! allenthalben Nacht! Nur einzelne Blitze am fernen Horizont! Ha, Fackeln meines namenlosen Jammers! – Ithuriel, wo bist du? Fantom, was würgst du mich zwecklos? Was wag ich denn? Ein Schritt vorwärts ist ein Schritt zurück. Gleiche Spanne! Und wenn der Sturz drückt durch seine eigene Schwere in den unerforschlichen Abgrund? Armseliger, so hättest du nicht Kraft ihn im Fluge zu hemmen, und hinge dein Gebein zerschmettert an den zwischenstehenden Klippen. – Wohlan! Entschluß ist das Diadem des Geists. Wahrheit, dich such' ich auf. Bist du in der Tiefe des Orkus, so ist Himmel nie dein Thron! Er beginnt die Beschwörung; Sturm und Blitze; Wolken erfüllen das Zimmer. 6. Szene 6. Szene. Wer bist du? Ein Sterblicher. Ich bin unsterblich. Wahr! Aber auch ich, denn ich habe den Mut es zu wollen. Was begehrst du? Bürgerschaft der Geisterwelt, Aufnahme in die Genossenschaft höherer Wesen. Ermorde dich! Wie? Ungeheuer! Will ich gewaltsam die Glieder der Kette reißen? Geist und Fleisch sind die zwei Enden der Natur. Und doch gebiet ich dir. Hervor mit deinen Geistern, mit den Bürgern der Unterwelt! Ich sende sie. Wähle dir deinen Genossen! Sieben Geister erscheinen. Willkommen, Brüder! Eure Bahn ist nun die meinige. Welcher von euch will mir folgen? Ich! Willig seid ihr, und das ist dankenswert. Aber auch stark? Zum ersten Geist. Bist du kühn? Wie ein Hofschranze. Hinweg mit dem! Dies Geschmeiße ist nur kühn gegen Weiber und Schwache. Zum zweiten Geist. Und du? Kühn wie der Adler Hermanns des Deutschen! Du bist mein Mann! Zum siebenten Geist. Und du? Kühn wie der Kampf des freien Mannes fürs Vaterland! Das wohl! Zum zweiten Geist. Bist du reich an Kenntnissen? Alle Sprachen des Orients und Okzidents sind mir eigen. Das ist etwas. Und du? Zum dritten Geist. Nenne mir eine Wissenschaft, ich besitze sie. Mag sein! Lachend gießt der einsame Flußgott Segen aus seiner Urne durch die jubelnde Landschaft; dem Ufer des Meers entsprießt keine Blume. Mir ekelt dieser Pansophie. Zum vierten Geist. Und du? Ich habe die Tiefen der Natur gemessen; ihre Kraft ist in meiner Hand. Wirklich? Das ist etwas. Mein Feuerblick durchschaut die Tiefen des Menschenherzens. Aber seid ihr auch rasch und schnell? Wie der flammende Blitz. Pfui des Trägen! Wie der Zorn des Rächers. Er schleicht gegen den Flug meiner Gedanken. Wie der Uebergang vom Guten zum Bösen. 2 Du täuscht dich. Man fliegt nicht mit wunden Füßen. Jeden Schritt bezeichnet Blut des Wanderers. Schnell wie der Uebergang vom ersten Schritt zum zweiten. Ha, du hast's getroffen! Du bist mein Geist. Hervor mit dir! In welcher Gestalt? In menschlicher. Sorge nicht aus deinem Kreise zu schweifen! Deine Hölle hat keine furchtbarere Hyäne und die Wildheit deiner Phantasie schafft kein Ungeheuer, das Menschheit nicht in sich faßt! Hervor mit dir! Sturm, Donner und Blitze; die sieben Geister verschwinden. 7. Szene 7. Szene. Mephistopheles. Doktor Faust. Was befiehlst du, Gebieter? Du, mein Diener? Ich werd' es. Wie heißt man dich? Mephistopheles. Ein gelehrter Name! Also auch in der Hölle Pedanterie? Es ist mein irdischer; dort hat man seinen eignen Kalender. Wie nennt man dich dort? Skorpion der Reue. Gut und bedeutend. In der Tat, Teufel, eure Namen sind konsequenter als die unsrigen. Warum dein Antlitz bedeckt? Das Auge ist der Spiegel des Geists. Wahr! Was bringst du mir? Macht, Hoheit, Reichtum, alle Freuden des Daseins. Und für des Daseins Wehmut? Opium. Opium? Nichts als Opium? Schlaf? Zum Stachel des Erwachens? O weh mir! – Doch stille, mein Herz, du hast ja keine Stimme mehr. – Laß denn hören, dienstfertiger Geist, was vermagst du? Soll dieser Kerker sich verwandeln in einen Palast, dieses Strohlager in einen Thron, so sprich! Gut! Sollen deine Feinde zitternd sich krümmen zu deinen Füßen, deine Verleumder bluten unter des Henkers Hand, so sprich! Schweig! Scham sei ihr Henker! Soll ich jene tausendjährigen Eichen entwurzeln und verpflanzen auf die Spitze des fernen Kaukasus, so sprich. Teufel, du versprichst viel! Sprich, und aus dem Schoße der Ruhe soll ein furchtbarer Orkan sich erheben und weit umher die Landschaft verwüsten, hohe Fluten sich wälzen über die Turmspitzen von Ingolstadt. Nein, Satan, hier ist nicht deine Hölle. Laß uns vielmehr die Erde wandeln in eine blühende Aue, mit glücklichen Wesen besäet. Wahrlich, Skorpion, du kennst mich nicht. Ich kenne dich! Stolz ist deine Leidenschaft. Du magst recht haben. Streben nach dem Unerreichbaren, wie satter Durst nach Wahrheit dein glühender Wunsch. Wahrlich, du blickst tief. Unabhängigkeit von der Schöpfung, von dir selbst. Die Karte der Natur soll aufgeschlagen liegen zu deinen Füßen, ihre Quellen rinnen am Rande deiner lechzenden Lippen. Getroffen, edler Geist! Alle Elemente sollen horchen auf den Zauberschlag deines Winks, das Band der Planeten aufgelöst liegen vor dir und sein Ende in deiner Hand; aufgezogen sein vor deinem Blicke der Vorhang der Zukunft und des erhabenen Reichs der unsterblichen Geister. Du fassest mich. Deine Wünsche sollen befriedigt werden. Beschwöre den Bund! Schwören? Den Bund? Auch die Hölle hat also noch ihr Zeremoniell? Wahrlich, Satan, darüber dacht' ich euch erhaben. Wille ist der Bund. Die Hölle vertraut ihre Macht nur ihren Bürgern, das Bürgerrecht des Bösewichts ist sein Herz; das Bürgerrecht des Schwachen sein Wandel. Den Starken bindet an uns nur sein Wort. Du magst recht haben. Aber wenn ich schwöre, wer rettet dann meinen Vater? Du selbst. Gib ihm Gold, Ueberfluß, ein kummerloses Alter! Mein Schwur wird ihn ins Grab stürzen. Verbirg ihn! Verbergen? Wird er nicht mit Flammenzügen an dieser Stirne stehen? Sorge nicht, er soll glücklich werden. Satan, halte Wort! Aber wenn ich nun schwöre, was wird mir? Unsterblichkeit! Wie? Und das wäre nicht mein angebornes Erbteil? Hast du Bürgen? Ha, dieses Hochgefühl, diese Ahndungen, selbst dieser Drang, der zu dir mich treibt? Forscher der Wahrheit! Sohn der Weisheit! Träume und Ahndungen? O Skorpion! Skorpion! – Wie weiter? Bürgerrecht der Geister, Hoheit und Macht! Laß mir Bedenkzeit! So mächtig auch der Zauber deiner Beschwörung sei, mich ruft der Sterbliche nur einmal. So entferne dich wenigstens! Laß mich allein mit mir selbst! Gut! Vergiß auf wenige Momente dein Wesen! Ich bitte dich, lieber Skorpion, laß mich wirklich allein; behorche nicht meine leisen Gedanken! Soll ich dein werden, so sei es frei und besonnen, nicht durch Verrat. Sei ruhig! Ich erwarte deinen Ruf. Verschwindet. 8. Szene 8. Szene. allein. Ithuriel! Ithuriel! Du bist da! ich höre deine Stimme, ich höre den leisen Schlag deiner goldenen Fittiche. Weh! Weh mir! O Ewigkeit! Zukunft! Furchtbarer Riese, warum trittst du dräuend in meine Bahn? Hat denn vergebens die Natur meiner Seele diese Schwingen angesetzt? Warum glüht's in diesem Hirne? Warum tobt's in diesen Adern? Fort! – Aber Tugend? – Ohnmächtiger, was kannst du noch für sie, als jammern und sterben? Triumphiert nicht hier der Bösewicht? Ist hier nicht Unschuld die Beute des Lasters, der Schwache die Beute des Stärkern? – O hinweg! Ich will der Hölle ihre Macht abborgen und ihre Flammen verlöschen. Ich will rächen das Klaggeschrei der gemißhandelten Tugend und diese nur von Tränen betaute Wüste zum fruchtbaren Elysium wandeln. – O fort, meine Seele hat neue Fittiche. Fort! Mein Entschluß ist gefaßt. Erscheine! Beim allmächtigen Siegel Salomonis, erscheine! 9. Szene 9. Szene. Mephistopheles. Voriger. Hier bin ich. Ich bin entschlossen. Heil dir, edler Doktor! Aber halte Wort, oder deine Unsterblichkeit selbst schützt dich nicht vor meiner Rache. Ich halte Wort. Unbegrenzte Macht ist dein Eigentum auf die Zeit unsers Bunds und dein Wunsch ist erfüllt. So laß uns eilen! Fort von dieser Freistätte der Beutelschneider und Heuchler! Laß uns fliegen von Planeten zu Planeten, von Landschaft zu Landschaft, ergründen die Tiefen der Schöpfung, trocknen allenthalben die Tränen der Unschuld und niederstürzen die Idole der Tyrannei und des Lasters! Wohl, mein edler Gebieter! Dieser Mantel wird dich in die Lüfte erheben und ich folge dir. Hinweg denn! Schwöre erst! Wem? Unserm Gebieter. Rufe ihn! Sturm, Donner und Blitz. Schwöre! Ich schwöre. Unterzeichne den Bund mit deinem Blute! Ich unterzeichne. Er entblößt den Arm, ritzt die Ader und unterzeichnet. Halblaut. Wahrheit und Tugend, mein Herz schwört auch euch! 10. Szene 10. Szene. Ithuriel im Hintergrund. Vorige. Unglücklicher, was hast du getan! seine Arme nach ihm ausbreitend. Ithuriel! Ithuriel verschwindet, der Donner rollt, grauses Gelächter der Hölle. Doktor Faust fliegt mit Mephistopheles auf dem Mantel in die Höhe. 3. Akt 1. Szene 1. Szene. Doktor Faust und Mephistopheles auf dem Mantel in den Lüften, sich zur Erde senkend. Nun, Gebieter, bist du zufrieden mit deiner Reise? Zufrieden? Zufrieden? Ist deine Wißgierde gestillt? Gereizt bis zur Wut. Ich habe den Donner brüllen hören, die Blitze flammen sehen unter meinen Füßen. Der Erdball, dies Lazarett von Narren und Bösewichtern, schwamm, kaum bemerkbar, tief unter meinem Blicke. Mein Auge sah diese Sonne, die der Erdbewohner angafft, in ihrer vollen Majestät, sah die Planeten rollen in ihrer ewig jugendlichen Laufbahn, sah den Wunderbau der Schöpfung in seiner ganzen Glorie. Aber warum rollen diese Planeten? Wozu diese Harmonie des Ganzen? Wozu dieser abgemessene, erhabene Reihentanz? O dies Warum und Wozu ist alles und ohne sie der ganze herrliche Bau ein armseliger Guckkasten für Kinder. Dein Wunsch ist erfüllt, du hast gesehen. Denke nun und forsche! Denken? Als ob nicht gerade die Reise den Flug niederdrückte! Einsam schwimmt meine Seele in diesem unermeßlichen Ozean und sollte nicht versinken? Einst flog meine Phantasie hinaus über die Sphären und träumte sich kühn und stolz den einzigen Bewohner des unbekannten Lands; ihre Schwingen sind nun gelähmt und mit ihnen mein letzter Trost. Unzufriedner! Warum und wozu das alles? Wozu mein Dasein, dieser armselige unbemerkbare Punkt im großen Universum? Wie hangt er in dieser Kette? Und weswegen? Und wo ist ihr erhabener Ring? Bedenk's, Doktor, du hast eine Stufe deines Daseins übersprungen. Hab' ich? O des fürchterlichen, unbesonnenen Sprungs! Alles in der Natur geht seinen stillen Stufengang, und ich allein riß mich gewaltsam aus der Reihe der Wesen? – Ha, Satan, warum fühl' ich das erst jetzt? Kannst du selbst der Tugend den Dolch in die Hand geben? Warum ringst du mit dem Phantom der Zukunft, Gebieter? Genieße die Gegenwart! Da ist auch zu genießen! Ich dachte meine Augen zu beflügeln, blickte in die Sonne, und ewige Nacht bedeckt meine Augenlider. Herabgestürzt ist der tollkühne Phaethon von seinem Sonnenwagen, zertreten von den zügelfreien Rossen. Erfüllt' ich nicht alle deine Wünsche? Befolgt' ich nicht alle deine Befehle? Da liegt's eben. Der Maulwurf wünscht zur Sonne aufzufliegen. Die Ameise befiehlt dem nahen überhangenden Felsen, sich abzulösen und sie zu zerschmettern. Hinweg mit diesen finstern Grillen! Laß uns weiter! Die Gestirne rollen unaufhaltsam fort in lichtvollen Zirkeln. Ewiger Frühling des Universums! Aber sprich, wo ist das geheime Band dieser glorreichen Harmonie? Was hält diese majestätische Schleife in seiner Hand und gebietet der horchenden Schöpfung den regelmäßigen, ruhigen, ewig gleichen Pulsschlag des Lebens? Sprich, daß ich niederfalle und anbete! mit furchtbarer Stimme. Schweig oder, bei den Mächten der Hölle, ich hebe den Schleier und ein Blick verzehrt dich zu Staub. Weh mir! Meine Kraft ist dahin und ich bin verloren. ihn bei der Hand fassend; leise und sanft. Vergib mir, Gebieter! Höhere Macht sprach jetzt aus mir, nicht ich. Ich liebe dich, ich wünsche dich glücklich zu sehen. Du sollst es werden, aber vergiß nicht deinen Urstoff; vergiß nicht die Pflichten, die er dir auflegte. Das Schicksal deines Vaters beunruhigte dich. O mein Vater, mein armer Vater! Er ist arm, im Elend, und wartet deiner Hilfe. Laß uns eilen! Elise, deine geliebte Elise glaubt dich tot und ringt mit der Verzweiflung. Fort! Sprich, wo ist sie? Gebieter! Ich sah den Sturm, den jenes glorreiche Anschauen in deiner Seele erregen mußte. Ihn zu stillen, führt' ich dich zurück auf die ruhige Bahn des irdischen Wallens, an den Busen der Natur, führte vorsätzlich dich hieher. Hier ist Elisens Hütte. Hier, mein treuer Freund! Laß mich anpochen! Er pocht. von innen. Wer ist's? Arme Reisende, die eine Herberge suchen. 2. Szene 2. Szene. Liese heraustretend. Vorige. Seid willkommen! Milch und Stroh ist alles, was wir haben. der rückwärts stand, in ihre Arme stürzend. Elise! Du bist's, lieber Hans? Ich bin es, dein treuer Geliebter. Bist du es denn auch wirklich? Sie befühlt ihn. Du zweifelst? Ja, die Leute sprachen auch wunderlich Zeug. Küsse mich und laß sie schwätzen! Und ich habe mir bald die Augen darüber ausgeweint. Armes Kind! Ich sehe nun wohl, daß sie mich zum besten gehabt haben. Was sagten denn die Leute? Sie sagten, sie sagten – ja, du wirst böse werden – Sorge nicht! Du wirst ganz gewiß böse werden. Ich beteure dir's, nein! Sie sagten, du wärst – wenn du aber böse wirst? Sei doch ruhig! Du wärst ein Hexenmeister geworden. Ein Hexenmeister? Und wärst mit dem – Sieht sich um. du verstehst mich schon, in den Lüften davongefahren. In den Lüften? Ja, ja, in den Lüften. Hoch! so hoch! Pantomimisch zeigend. Ist's möglich? Und du hättest soviel Gold, daß es nicht in unsers Schulzen Scheune ginge. Was die Leute alles sagen! Und da sagten sie auch: Gib acht, nun wird Liese auch reich werden und eine hohe Haube tragen mit goldnen Spitzen und ein Mieder mit silbernen Ketten, so lang – Wirklich? Und da wird man sie für Hochmut nicht mehr kennen, wenn sie zur Kirche geht. Und du, Elise? Ja, ich glaubte das alles nicht, denn wo solltest du soviel Gold hernehmen? Dein Vater hat ja kein Stückchen Feld im Flur so groß und das Hüttchen ist auch verkauft. Ist's verkauft? Und wie wir denn nichts mehr von dir hörten, da foppten sie mich obendrein und hießen mich die reiche Frau Doktorin und der Schulz sagte zu meiner Mutter: Hätte sie sich nicht mit Fausts Hausen verhängt und hättet ihr nicht darüber eure Kuh verkaufen müssen, ich hätte ihr meinen Michel gegeben. Des Schulzen Michel? Hättest du ihn denn genommen? verschämt. I nun, es ist ein hübscher, schlanker Bursche. Du kennst ihn ja. Aber ich kenne dich nicht mehr. – Gott! – Elise! Ich bin kein Hexenmeister; aber Gold hab' ich. Wo hast du's denn her? Ich fand einen verborgenen Schatz. horchend. Wirklich? Aber schweige! Nun kannst du wohl der Mutter eine Kuh kaufen? Allerdings. Und mir eine goldne Haube? Ganz gewiß. Und silberne Ketten zum Mieder? Freilich. Aber so lang, wie sie's in der Stadt tragen. Nicht anders. O Freude über Freude! Will ab. Wo willst du hin? Zu des Wirts Anne. Du weißt ja, wie sie sich brüstet; die wird sich ärgern, wenn ich ihr das erzähle, die wird sich ärgern! Ich komme gleich wieder! Hüpft ab. 3. Szene 3. Szene. Doktor Faust. Mephistopheles. mit geschlungenen Armen sprachlos ihr nachsehend. wieder hervortretend. Was ist dir, Gebieter? Gold hab ich, aber keine Tränen mehr. – Dorthin einen Sack Metall! Mephistopheles legt ihn an Liesens Türe. Und nun fort zur verkauften Hütte meines Vaters! 4. Szene 4. Szene. Mephistopheles. Doktor Faust. Fausts Vater auf einem Stein in der Tiefe in Bettlerkleidung. Hier ist er selbst. Wie? Dieser Elende? Dein Vater. auf ihn zustürzend, zu seinen Füßen sinkend. Vater! Du bist's, Hans? Du bist's wirklich? Euer undankbarer, reuiger Sohn. Ach! Ich dachte, du hättest mich vergessen. Eh' die ganze Schöpfung als euch. Aber wie? In welcher Lage treff' ich euch? Ja, ich verkaufte die Hütte, dich auszulösen. Vater! Und trug das bißchen Geld nach Ingolstadt. Unnatürlicher Sohn! Als ich hinkam, sagten die Leute, du hättest dich der Zauberei ergeben und der Böse hätte dich weggeführt. Aber ich glaubt's nicht, denn du bist ja ein Gelehrter. Weh mir! Trostlos wollt' ich also zurück. Am Tor nahmen sie mich auf deinen Namen gefangen. Endlich ließen sie mich los, aber mein bißchen Habe blieb in den Händen der Amtleute und Gerichtsfronen. Die Ungeheuer! Dies sollen sie mir büßen. Da bettelte ich mich denn zurück in meine Heimat. Und dann? Die Hütte war verkauft. Des Nachbars Scheune ist nun meine Wohnung und Almosen guter Leute meine Nahrung. O namenlos schrecklich! Und meine Mutter? Die zog zur Miete, indes ich dich aufsuchte. Als sie nicht bezahlen konnte, stieß man sie auf die Straße. Dort starb sie. O haltet fest, ihr Sehnen meines Fleisches! Unbegraben lag sie hinter jenem Zaun. Ich vertauschte meine Kleider gegen diese Lumpen und zahlte die Leichgebühren. Schändlich! Entsetzlich! Und das alles ist dein Werk, Ruchloser! Vater! Dir zulieb netzten wir unser trockenes Brot mit Schweiß und Tränen – und so lohnst du's. O vergebt! Ziehst in der Welt umher in Saus und Braus, indes dein alter Vater bettelt. Wahrlich, nicht länger. Und da höhnen mich noch die Leute: Euer Sohn hat ja Gold in Säcken, sprechen sie, laßt euch doch helfen! Das soll er, das will er. Wie? Du könntest? Vergüten, was ich kann. Wirklich, lieber Hans? Du hast also Gold? Kann ich die Jahre eures Kummers damit zurückkaufen, diese bleichen Haare färben, die Mutter damit aus dem Grabe wecken? Vater, weh mir, ich habe nur Gold. Viel Gold? Soviel ihr verlangt. Herzensjunge! Nun seh' ich, daß ich dir Unrecht getan habe. Es kostet mich viel. Was denn? Meine Seele! Wirklich? Nun, du bist ja gelehrt. ernster. Meine Seele, sag' ich euch. Du verstehst das besser, du wirst dafür schon sorgen. Vater, ich erkenn' euch nicht. Nun werd' ich auch meine Hütte wieder kaufen können. Das ganze Dorf, wenn ihr wollt. Das Herz frißt mir's ab, so oft ich dort am Fensterchen um ein Stück Brot anpochen muß. Aber wo hast du denn dein Gold? Geht in jenes Haus! Was, in dieses Schloß? Je, wo kommt es denn her? Fragt nicht! Es ist euer und alles, was es enthält. ihm um den Hals fallend. Goldner Junge! Und da werd' ich finden? Mehr, als ihr je träumtet und hofftet. auf das Schloß zueilend. Freude über Freude! Ab. 5. Szene 5. Szene. Doktor Faust. Mephistopheles. Wohl mir, daß er fort ist! Herz, warum pochst du, ungestümer Gläubiger, und zerspringst nicht? O ich Unglücklicher! sich ihm nahend. Ist das die Freude des dankbaren Sohns? Satan, ich erkenne dich. Der festeste Faden der Tugend, Kindesliebe, mußte zerrissen werden, eh ich zur Hölle reifte. O Wut und Verzweiflung! Ist's meine Schuld, wenn du nach Idealen jagst? Empfindung, dein Heiligtum ist also nur ein Traum? Was nun? Fort, fort! Weiter! Wohin? Gleichviel. Ins Geräusch der Welt! Einsamkeit wühlt in der Wunde des Gewissens. Sie fliegen davon. 6. Szene 6. Szene. Glänzender Gasthof. Doktor Faust. Mephistopheles. Der Wirt. Ich bin sehr glücklich, daß Euer Exzellenz meinem Gasthofe die vorzügliche Ehre Gut, gut! Ich hoffe, daß Euer Durchlaucht diese geringe Zimmer Ich bin zufrieden. Wirt unter vielen Komplimenten ab. 7. Szene 7. Szene. Doktor Faust. Mephistopheles. Was? Nirgend Wahrheit, nirgend Sinn dafür? Wofür sieht er mich an? Er sieht sechs Pferde, einen goldnen Wagen, zwei Kuriere, vier Bediente, nicht dich. Wenn ich bedenke, welch jämmerliche Puppen es sind, unter denen ich umhertreibe! O, ich möchte Wälder und Felsen beleben und mit ihnen Kameradschaft machen. Welche Rolle denkst du hier zu spielen, Gebieter? Welche? Meine eigene. Und dein Zweck? Es muß doch noch Wesen geben, die die Flamme der Empfindung wärmt. Oder bin ich ein Stiefkind der Natur? Eine Mißgeburt ihrer Launen? Ewig nagt Undank, Verleumdung und Bosheit an den Fäden, die an die Menschheit mich ketten und eine geheime Macht knüpft sie rastlos wieder an. Vertilge diese, und ich will flüchten in einsame Felsen und saugen am Busen der Natur. Dein Plan also? Dreißig Jahre stand ich lechzend an der Quelle der Weisheit; dreißig Jahre strebt' ich, die Menschheit zurückzuführen zur Wahrheit und Natur. Umsonst! Kann ich sie nicht weiser und besser machen, so will ich mindestens – sie beglücken. – Du lächelst? – O flieht, liebliche Phantome! Wenn Satan lächelt, so trauert die Schöpfung. Vergib mir, Gebieter! Versuch es! Ich horche auf deine Befehle. Wenn die Tiefe der Wissenschaften, wenn Magie nicht dahin führt, nicht dahin – o so verschlingt mich, Fluten des Phlegethon! Unter welchem Namen denkst du hier aufzutreten? Ich bin stolz auf den meinigen. Wie, dahin wär's mit der Menschheit gekommen, daß der Erfinder der Buchdruckerkunst fremde Lappen aushängen müßte, um Achtung zu erbetteln? Faust! Den Weisesten täuscht sein Selbst. Fluch der Pfaffen und Sultane ist dein einziger Lohn für diese Erfindung. Und Segen des Volks. Nach Jahrtausenden vielleicht; jetzt kennt man dich nur in der Litanei. Willst du wirken, so glänze; willst du glänzen, so hänge ein Schild aus, bunt und vergoldet. Klingle mit deinen Schellen und vor allem mit deinen Dukaten! – Ich verkünde dich als den Minister des Königs. Was weiter? Verkünde, daß ich komme gleich einem wohltätigen Genius: Tränen zu trocknen, Unrecht zu vergüten, Segen und Glück um mich her zu verbreiten. Mein Herz, meine Macht, meine Börse, meine Türe sei jedem Dürftigen, jedem Unglücklichen offen! Ich fliege. 8. Szene 8. Szene. allein, umhergehend. Bist du nun glücklich, bist du nun ruhig? Warum rast's denn noch in dieser Brust? Die Karte der Natur lag aufgeschlagen vor dir. Zerstückt vor deinem Blicke die Räder des majestätischen Uhrwerks und hörbar dem verklärten Ohre der erhabene Takt ihres Gangs. Die Elemente gehorchten deinem Winke; dein Auge verlor sich im unermeßlichen Raume der Welten und unsichtbare Geister gaukelten vor deinem nur leicht verschleierten Blicke. Bist du nun glücklich? Da werfen sie Berge auf, die Maulwürfe der Welt, ohne Frommen und verraten ihre Heimat. Da knüpfen sie rastlos ihr Spinngewebe an – den Schatten eines Baums. Das seh ich wohl und lache ihrer Burzelbäume und Bockssprünge und Danaidenarbeit. – Aber warum? Wozu dieser rastlose Zirkeltanz, dieses Streben und Treiben und Ringen und Wälzen und Jagen nach –? Ja, da liegt's! Dies furchtbare Warum ist es, das meine Ruhe ermordet, oder alles wäre meinem Auge sichtbar. Nur der Zweck, das Ziel? – Himmel und Erde und wäre dies alles nur Maskenball – der Zeit, der Furie des Nichts? O Entsetzen! 9. Szene 9. Szene. Ein Eremit. Doktor Faust. Was sucht ihr, Vater? Euer Ruf verkündet den Wohltäter der Armen, und ich bin sehr arm. halb abwärts. Seltsam genug, daß ein Mönch mein erstes Probstück ist. Ich borge mein Dasein dem Mitleid ab und bitt' euch um eine Gabe. Was ist dein Handwerk? Beten. Ein nützlicher Weltbürger! Und schweigen. Recht so, Vater! Bist du ein Tor, so schweige; bist du ein Weiser, o so schweigst du ewig. Was führte dich in diese Kutte? Reue und Buße. ihn beobachtend. Brenner, du bist's? Faust! Ich dachte dich nie wieder zu sehen. Wie kommst du hieher, und in dieser Larve? Mein Stundenglas lief zu Ende, vollendet der Bund, da flüchtete ich in eine einsame Zelle am Fuße der Apenninen. Wie? Einsamkeit, wähnt' ich, sei der Schutzgeist der Tugend, und du? Da wich Satan. Wirklich? Und zerrissen waren die diamantnen Ketten. Brenner! Und du hattest den Mut zu entsagen allen Freuden des Lebens, in diesem härenen Gewande zu dulden all seine Beschwerden und Mühseligkeiten? Wahrlich, ich ahndete diese Kraft nicht in dir. Gebet gibt Kraft dem Schwachen. O armseliger Teufel, den eine Kutte entwaffnet. Faust, entsag' ihm, eh' die Glocke schlägt! Und da müßt ich –? Beten und Buße tun in Staub und Asche. Ha! Lösche erst die Flammen dieses Busens! Heuchler, fleuch! Daran erkenn' ich dich! – Nein, nein! Wer nicht Tugend in die Zelle bringt, findet dort Satans Werkstätte. Fleuch und verbirg dich vor mir auf ewig, denn der Heuchler bewohnt die siebte der Höllen. Eremit ab. 10. Szene 10. Szene. Ein Mädchen zu Fausts Füßen stürzend. Doktor Faust. Rettung, Rettung, edler Mann! Kind, was willst du? Das unglücklichste Mädchen liegt zu deinen Füßen. Liebe ist mein Verbrechen. Heilige, innige Liebe bindet mich an den Geliebten meiner Seele. Mein Vater versagt seine Einwilligung. Verzweiflung ergreift ihn, ein langsames Fieber droht ihn ins Grab zu stürzen, und mit ihm mich. Armes Kind, steh auf! Im Vorzimmer wartet dein Geliebter. Wär's möglich? Er ist hergestellt. Am Tor findest du einen Wagen in Bereitschaft; dein Vater – bin ich! Großer, edler! Geh. von außen. O mein Geliebter! 11. Szene 11. Szene. Ein Mann in Lumpen. Doktor Faust. Was willst du, Freund? Hoher Patron! Still mit Komplimenten; was verlangst du? Schutz und Beistand! Ich war reich, angesehen, im Ueberfluß. Gutmütigkeit stürzte mich ins Elend. Schmeichler und Speichellecker mißbrauchten mein Vertrauen. Meine Güter verschwanden, die Freunde flohen, die Gläubiger erschienen. Ein geliebtes Weib, Kinder und diese Lumpen sind alles, was sie mir ließen. Ich kenne die Otterbrut der Freunde. Ich kenne die eisernen Herzen der Gläubiger. Armer Mann, ich bedaure dich. Tage und Nächte arbeit' ich rastlos um kärglichen Lohn – und meine Kraft unterliegt. Da hast du Gold. Geh', tröste dein Weib! Genieße und sei glücklich! Großmütiger Wohltäter! Euer Glück sei mein Dank! Entferne dich! Ab. 12. Szene 12. Szene. Ein Alter. Doktor Faust. Hilfe! Barmherzigkeit! Was ist dir, guter Alter? Mein Sohn schmachtet im Kerker. Ich flehe um seine Freiheit. Im Kerker? Wofür? Wild wuchs ex auf, mit starken, stürmenden Leidenschaften. Ach! er ist mein einziger Sohn! Dein einziger? Einst in der Wut eifersüchtigen Argwohns – zielt er auf seinen Nebenbuhler und verwundet ihn. Der Bösewicht! Sechs Jahre büßt er im Kerker. Er ist der einzige Trost meines Alters. Seine Befreiung oder den Tod! Dir, dir allein verdank' er seine Befreiung, bilde ihn zur Tugend! Geh! Im Vorzimmer wird er an deinen Busen sinken. O mein Sohn! Ab. 13. Szene 13. Szene. Maler. Voriger. Hoher Mäzen! Wer seid ihr, Freund? Ein Schüler des Apells. Und ihr sucht? Unterstützung. Wie? Eure Kunst sollte der bedürfen? Verflogen ist der hohe Enthusiasmus fürs Schöne; das goldne Zeitalter der Griechen ist nicht mehr und kärglicher Taglohn jetzt das Los des Künstlers; nur Hunger gibt ihm die Palette. Was ist Euer Fach? Geschichte! Recht; sie ist die schöne Braut der Kunst. Eure letzte Arbeit? sein Gemälde zeigend. Seht, Curtius, sich in den Abgrund stürzend, um das Vaterland zu retten. Wahr und schön! – Freund, ich bedaure euch. Wer hat hier Sinn für diesen großen Gedanken? Der Name Vaterland ist Kontreband. Geht, malt nackende Mädchen und Eure Börse wird sich füllen. Der Künstler entweiht nicht seinen Pinsel. Ihn treibt ein Genius, oder er wirft die Palette weg. So malt Heilige, das ist kurrente Ware. Ich liebe die Kunst und bin kein Tüncher. Brav, edler Mann! Hier hast du Gold. Sorgenfrei folge nun deinem Genius! – Geh und sei meiner Freundschaft gewiß! Maler ab. 14. Szene 14. Szene. Eine Dame. Doktor Faust. Ich flehe um Mitleid. Ihr Anliegen, schöne Dame? Drei Jahre lebt' ich in glücklicher Ehe. In einem schwachen Augenblicke ward ich die Beute eines treulosen Verführers. Mein Gatte verläßt mich, er entreißt mir meine Kinder. Umsonst sucht meine Reue ihn zu versöhnen; er ist unbeweglich und der Gram frißt an meinem Dasein. Wohltätiger Mann, vereinigen Sie uns wieder, oder ich sterbe zu Ihren Füßen. Armes, strafbares und doch edles Weib! Eile, dein Gatte, deine Kinder sind in deinem Hause, werden an deinen Busen sinken. Gott! Gott! Ab. 15. Szene 15. Szene. allein. Herz, Herz, bist du nun ruhig? O Wonne, Wonne! Glücklich sein ist Unding, aber glücklich machen? 16. Szene 16. Szene. Mephistopheles. Doktor Faust. Gebieter, der Schwarm droht die Türe zu erbrechen. Wer ist's? Handwerker, Bettler, Weiber und – Und was wollen sie? Gold! Gib ihnen und schicke sie fort! Vorher noch eine Frage. Aber beim Siegel des Salomons, Vater der Lüge, diesmal Wahrheit! Sprich! Wo ist Brenner? Sein Bund ist aus, sein Stundenglas abgelaufen. Weh! Weh mir! Mephistopheles verschwindet; Geräusch. Wie sie lärmen! – Gold! Nichts als Gold? Ist das der einzige Faden, mit dem ich hange an der Menschheit? 17. Szene 17. Szene. Ein Geist im Priestergewand. Doktor Faust. Welche Erscheinung! Ehrwürdiger Greis, wer bist du? Ein Priester der Wahrheit. Willkommen, deine Gottheit ist die meinige. Woher kommst du? Aus ihrem Tempel. Längst such' ich ihn; laß uns eilen – wo ist er? Im Gebiete der Tugend. Vater, mich täuschen nicht Orakel. Was ist sie? Stilles Horchen auf die innre Stimme. Und wenn Narren um dich summen? So ziehst du dich in dich selbst zurück. Wenn der Leidenschaften Orkan heult? Du stehst fest auf deiner Base. Vater, du bist mein Mann. Auch ich dürste nach Wahrheit, auch ich ringe nach Tugend. Was suchst du bei mir? Nichts. Ich bringe dir. Du bringst? Einen Spiegel und diesen Zypressenkranz. Ich fasse dich nicht. Du strebst die Menschheit zu beglücken, und ermordest sie. Ich? Und jetzt? Jetzt! Gleich einem feindlichen Genius setzest du die Erde in Brand und dein vergiftender Hauch verbreitet rings Tod und Verderben. Rasest du? Sieh in diesen geheimnisvollen Spiegel: Es ist der Spiegel der Wahrheit. Sieh und schaudre! Diesem Mädchen gabst du ihren Liebhaber. Er ist ein Landstreicher. Bei der Nachricht ihrer Flucht erhängt sich ihr unglücklicher Vater. Die Dünste schwärmerischer Leidenschaft verfliegen und die betrogne, verratne, verlassne Tochter folgt ihrem Vater. Entsetzlich! Dieser Bettler verschwendete leichtsinnig seine Habe. Not gab ihm Kraft zur Arbeit. Du gabst ihm Gold – um es von neuem zu verschwenden. Müßiggang und Wollust geleiten ihn zum Hochgericht. Sein Weib, seine Kinder jammern ihm nach. Ich Unglücklicher! Diesem Greise gabst du seinen Sohn; aber auch Tugend und Sanftheit? Wütend über die Vorwürfe eines erzürnten Vaters, gibt er ihm Gift. Ungeheuer! Dieser Künstler ward der Stolz seines Vaterlands. Armut, der Sporn seines Fleißes, beflügelte seinen Ehrgeiz. Du gabst ihm Gold und die Kunst trauert. O Menschheit! Dieser entehrten Gattin gabst du ihren Gemahl wieder; aber sieh, wie der Geier des Argwohns an seinem Herzen frißt! Die Unschuld selbst fängt sich in dem Spinngewebe des Mißtrauens. Auf grundlosen Verdacht ermordet er sie und dann sich. O weh, weh mir! Sieh die Folgen deiner Wohltaten! Sieh die Hoffnungen, die sie in den Herzen wankender Tugenden wecken, sieh das Hohngelächter der Verführten, die Tränen entehrter Weiber, die Verzweiflung gemißhandelter Gatten, die Hölle gestörter häuslicher Glückseligkeit, das Geschrei verwaister Familien! Es klagt dort am Richterstuhle gegen dich. O weh, weh mir! Willst du mehr? Blicke in den Abgrund von Neid, Wollust, Müßiggang und Jammer, den dein Gold unter diesem armen, verblendeten Haufen schaffen wird. Halt ein! Meine Seele hat keinen Platz für neue Wunden, mein Auge keine Träne mehr. Dies alles ist dein Werk! Hölle, verberge mich! Unglücklicher! Es ist leicht glücklich zu sein. Es ist schwer, glücklich zu machen. Vater, du blickst in mein Innerstes. Lehre mich diese Kunst. Nicht auf der geräuschvollen Straße der Schwärmerei findest du sie, nicht mit der Wünschelrute des Goldes. Sie ist auf dem stillen, einsamen Pfade der Weisheit. Sprich, wo finde ich sie? Willst du sie finden, so suche sie nicht! Faust! Die Tugend säet aus im Lenze, gewiß, daß der Herbstwind über ihre Urne weht. Der Glanz einer erforschten Wahrheit, die nach Jahrtausenden wuchert, verklärt ihren letzten sterbenden Blick. Edler, du bist ein höheres Wesen. Die Tugend hebt jedes. Sprich, wer bist du, daß ich niederfalle und anbete. Faust, ich beobachtete dich längst. Lange irrtest du umher auf der Bahn des Lasters; selbst Satan war dein Gefährte. Ich trauerte und zitterte nicht. Denn du hast Kraft und Gefühl, und für diese ist Ausgang aus jedem Labyrinth der Leidenschaft. Aber da du dich wähntest auf der Bahn der Tugend, da ich dich anzünden sah die Flamme edler Gefühle an der Fackel der Furien, da zitterte ich und eilte, dir zum letztenmal die Hand zu bieten. Ha, nun erkenne ich dich. Wohl dir! Du bist es, Ithuriel, mein Wohltäter, mein Freund. in seiner wahren Gestalt. Ich bin es. Nur am Grabe verlaß ich dich! Sinkt in seine Arme. 4. Akt 1. Szene 1. Szene. Mephistopheles. Doktor Faust. Da sind wir! Die Zeit des Genusses verstreicht unter rastlosen Wanderungen. Laß sie verstreichen! Sehen wir doch Länder – und das ist auch das Beste am ganzen Erdball. O, das Feld ist ein so traulicher, bescheidner, verschwiegener Freund! Such dir solch einen unter den Menschen! Was willst du denn aber in der Residenz des Fürsten, lieber Faust? Seit wann diese Vertraulichkeit? O, wir rücken näher zum Ziele. Denk' an Brenner! Die Zeit der Kameradschaft ist nicht fern. Skorpion, verhülle deinen Basiliskenblick! – Wahrlich, du bist ein armseliger Komödiant. Machen wir auch hier Glückliche? Höhne nicht! Schweig und gehorche, oder beim allmächtigen Siegel der Magie, ich klemme deine Seele ein zwischen Bewußtsein und Reue und presse so alles Mark deiner Sünden aus deinem faulenden Wesen! Zürne nicht, Gebieter, ich gehorche und schweige. Gut! Was soll ich? Mir ekelt meiner Macht. Satan, du sahst Ihn ja einst von Antlitz zu Antlitz? Erbarmung, Gebieter, du zermalmest mich. Hast du Sinn für eine einsame Gottheit? Meine Seele muß sich ausdehnen auf verwandte Wesen, oder in Dünste zerfließen. Wozu nützt mir dein Gold, als den Erdkreis zu verpesten? Weisheit ist die Mutter des Glücks. Ich will Weisheit sammeln und sie segnend über den Erdball gießen und ihn schmücken mit ewig jugendlicher Glorie. Großer Magus! Liebling Salomonis – Schweig! Diese Angel ist nur für die leichten Truppen deiner Hölle. Vergebens preß ich an dieser toten, verbrannten Gegenwart; statt Tau gibt sie mir Tränen und Ekel. Ich will denn zurück; ich will saugen an der großen Vergangenheit; ich will noch einmal Wonne atmen aus dem Anschauen ihrer hohen Bürger und Weisheit aus ihren Lippen. Zurück in den majestätischen Schoß der grauen Vorzeit. Rufe mir ihre unsterblichen Männer! Wen verlangst du? Meine Freunde, Sokrates, Cato und Solon. 2. Szene 2. Szene. Sokrates erscheint. Vorige. Wonne! Er ist's! Ehrwürdiger Schatte, vergib, wenn ich deine Ruhe störe. Das vermagst du nicht. Ich erkenne dich. Sie ist unabhängig und unerschütterlich. Vater, den ich anbete, dessen Dasein die Menschheit verklärt, nimm mich auf zu deinem Sohn, zu deinem Schüler! Folge der Natur und du bist's. Sprich! Gib mir die Kraft, gleich dir geduldig Druck und Unrecht zu tragen, lächelnd den Giftbecher zu leeren! Gib mir Ruhe! Wandle rein und forsche nach Wahrheit! Ich forsche und irre und falle. Wo ist ihre unfehlbare Bahn? Im Frieden der Seele. Wie erlang' ich ihn? Denk an deine Bestimmung! Und die ist? Unsterblichkeit! Und ihr Ziel? Adel! Verschwindet. Ich danke dir! Ha, warum entfliehst du schon? Ich danke dir, edler Lehrer! Nachdenkend. Was weiter? Ich will Ruhe, aber auch Kraft emporzustreben. 3. Szene 3. Szene. Cato von Utika erscheint. Vorige. Willkommen, erhabener Schatte! Zu Mephistopheles. Sieh, wie unwillig er deinem Rufe gehorcht! Dieser stolze Blick, dieser majestätische Anstand verkündigen den freien Mann, den Märtyrer fürs Vaterland! O lehre mich hinaufklimmen zu der Höhe, die dir den Dolch in die Hand gab. Liebe dein Vaterland! Ha, ich bin ein Deutscher. Werd' es! Auch meine Seele hat Federn und Schwungkraft, auch mein Geist dürstet nach Freiheit. Unsterblicher, hebe mich hinauf zu deiner Höhe, lehre mich wahrhaft frei sein! Lerne dir selbst gebieten, dir selbst gehorchen! Lerne entbehren! Verschwindet. Wahr! Edler Schatte! 4. Szene 4. Szene. Solon erscheint. Vorige. Sei mir gegrüßt, Vater der geselligen Menschheit, edler Gesetzgeber! O lehre du mich die schwere Kunst, die Menschheit zu beglücken. Gib ihr weise Gesetze. Die deinigen, erhabner Schatte, wären mein Vorbild. Aber lehre mich auch die Kunst, die Sterblichen von ihrer Weisheit zu überzeugen, ihnen Gehorsam zu verschaffen. Zergliedre die Seele des Menschen; zeige jedem im Spiegel fremden Glücks den Abdruck seines eigenen! Beweise ihm: Gesellschaft sei Familienbund, oder Kerker der Verdammten. Verschwindet. 5. Szene 5. Szene. Doktor Faust. Mephistopheles. Ich danke dir, erhabner Weiser, und werde dir folgen. O hätte die Natur an deiner Seite, unter deiner Leitung mich geboren werden lassen, und ich wäre glücklich und ruhig. Doch genug! Die Fäden meiner Ruhe sind zerrissen, ein einziger schwebt noch; reißt auch er, o dann hinab mit dir, Unglücklicher! Fort! Fort! Wohin? Siehst du nicht diese verwaisten Hütten, diese zerstörten Saaten? Fort, zum Fürsten dieses Lands! Fort! Fort! 6. Szene 6. Szene. Vorzimmer des Fürsten. Doktor Faust. Mephistopheles. Du bist schwermütig, Gebieter? Wohl bin ich's, und nicht ohne Grund. Vergiß nicht, wo wir sind und warum wir kommen. Du hast recht. Angewurzelt haftete meine Seele an diesem unglücklichen Land. Blut statt Tränen erpreßten mir die Szenen der Tyrannei, der Ungerechtigkeiten, des Drucks, des Jammers und Elends. Ich will es enden oder – Auf die Festung wandern. Ist das Regierung? Wozu denn der Fürst? Was tut er? Er amüsiert sich. Was? Was? Hölle und Tod! Komm, die Hofschranzen versammeln sich. Laß uns sichtbar werden, die Hölle selbst soll dir kein bunteres und krauseres Spektakel liefern! 7. Szene 7. Szene. Höflinge. Vorige. zu Mephistopheles. Siehst du, wie mich das Hofgesindel angafft? Bei meiner Seele, das ist lustig. Wettest du, sie beriechen meine hochadelige Abstammung? Höre, Freund Skorpion, du bist ja von einer uralten Familie; haben dir die Motten nicht etwa eine Wappentafel übrig gelassen, die uns bei diesen edlen Junkern aus der Not helfen könnte? Ich will dir die Kaiserkrone aufsetzen. Das verhüten alle guten Geister, behalte sie! Willst du meinen Doktorhut obendrein? Hat er gleich eben so wenig Gewicht mehr, so ist er doch nicht so schwer. Aber foppen möcht' ich sie gerne. Willst du, so sollen meine Geister sie kneipen. Zum Teufel, Skorpion, mit deiner höllischen Phantasie! Ich will mir nur einen Spaß mit ihnen machen, einen wahren Hofspaß, unerhört in diesen Gemächern! Gib acht, ich will sie zwingen, ihre geheimsten Gedanken laut zu sagen. Drollig genug! Gib acht, wie sich die Larvengesichter dazu gebärden werden! Du sollst Wunder hören. Was, Teufel, mag der Fratze hier wollen? Er sieht aus, als ob er um die Kanzlerstelle wärbe. Das wäre ein verdammter Streich. Mein Sohn hat sich darum gemeldet. Der Bube kommt freilich erst aus der Schule. Und dieser – Der Bursche sieht ja so demütig, so bescheiden aus wie ein ehrlicher Bürger. Wie kommt der nach Hofe? Was, Teufel, will der Spießbürger hier? Er sieht aus wie ein Abgeordneter aus der Provinz. Er wird doch dem Fürsten nicht wegen der neuen Steuer warm machen wollen? Verflucht! Wir haben so sicher darauf gerechnet. Der Kerl sieht aus wie ein Kuppler. Ich wette, er hat ein Mädchen für den Fürsten auf dem Korn. Da wäre mein armes Lieschen verloren! Der unverschämte Bursche! Ich bitte dich, laß mich ihn kneipen, ihn für seine Ungezogenheit züchtigen! Mir die Sorge! Genug! Zu den Höflingen. Meine Gegenwart ist Ihnen unangenehm, meine Herren? Bewahre, wir sind vielmehr sehr erfreut. O, bei Hofe wird man nicht rot. Sie kommen? Von Sophia, zu dienen. Sophia? Ich hörte nie von diesem Fürstentum. Es ist wohl weit von hier? Allerdings, sehr weit. Ihr Name, mein Herr? Spasmodo-Filax, aufzuwarten. Der Henker! Ein gelehrter Name! Sie sind wohl ein Gelehrter? Ein Künstler, zu dienen. Ein Künstler? Ein Taschenspieler vermutlich, der den Fürsten – Zum Narren haben will? Sie irren, mein Herr! Meine Taschenspielerei ist von ganz sonderbarer Art. Neu, und nie gesehen! So sprechen sie alle. Zum Exempel, mein Herr? Wollen Sie meine Kunststücke sehen? Allerdings, allerdings! Vermöge dieses künstlichen Spiegels, den ich mit Hilfe der Optik, Mechanik, Mathematik, Physik und Magia naturalis nach einem zehenjährigen Studium zusammenzusetzen so glücklich war, zeig' ich jedem seine wahre Gestalt. O, lassen Sie sehen! Lassen Sie sehen! Auf Ihre Gefahr, meine werten Herren! Auf unsere Gefahr! Zum Exempel also! Dem Esel gebe ich seine Ohren in proportionierlicher Länge. Er zeigt dem ersten Höfling den Spiegel. Dem Hahnreih seinen Schmuck, einen edlen Sechzehner. Wie oben, dem zweiten Höfling. Dem gierigen Geier seine Krallen. Wie oben, dem dritten Höfling. Sie erstaunen, meine Herren? O, es ist alles Natur, pure Natur, ohne Hexerei; ich versichere, meine Herren, pures Studium. Ist weiter gefällig? Wir danken, wir danken! Unter sich. Der Kerl ist ein Hexenmeister. Nach diesen kleinen Probestücken hoffe ich, Sie werden an meiner Kunst nicht zweifeln und also keinen Anstand nehmen, mich dem Fürsten vorzustellen. Der Fürst wird schwerlich heute sichtbar sein. Nicht sichtbar? Sonderbar, daß das Land von einem unsichtbaren Fürsten regiert werden kann! Ich sah doch soeben im Schloßplatze Sr. Fürstl. Gnaden mit einer feinen Dirne am Fenster. Und Sie suchen, mein Herr? Sorgen Sie nicht! Ich werde keinem von Ihnen in den Weg treten. Alles, was ich suche, taugt durchaus nicht in Ihren Kram. Also Sie suchen? Gerechtigkeit! Da müssen Sie sich an den Kanzler wenden. O nein, denn ich bringe auch, und das ist nur für den Regenten selbst. Sie bringen also? Das ist eine andere Sache! Und was bringen Sie dem Fürsten, mein Herr? Was man Fürsten selten bringt. Eine Seltenheit also? Ein ausländisches Tier vielleicht? Nein. Oder ein Vertraulich ins Ohr. ein hübsches Mädchen? Meinen Sie? Ist das ein ehrliches Handwerk! Oder eine fremde seltne Frucht? Allerdings eine Frucht, köstlich und selten! Etwas Fremdes also doch? Fremd allerdings an allen Hoflagern! – Fremd dem Hofschranzengezücht, fremd den Fürsten! – Wahrheit! Ein sonderbarer Kauz! Der Fürst! Der Fürst! 8. Szene 8. Szene. Der Fürst. Vorige. zu Doktor Faust. Willkommen an unserm Hoflager! Ich grüße Eure Fürstl. Gnaden. halblaut. Der Bursche ist unverschämt! Was bringst du uns Neues? Nichts Neues, Herr! Alte Klagen, alte Tränen, alte Schulden, alten Druck, altes Elend! Man sagt, du seist ein Künstler und Gaukler. Ein Künstler bin ich, gnädiger Herr, das leugn' ich nicht. Ich verstehe die Kunst, Hofbuben selbst schamrot zu machen – und das will getan sein; aber mit der Gaukelei will's nicht vorwärts. Wieso? Ja, Fürst, es gibt der Pfuscher zu viel im Handwerk. Sieh dort deinen Kanzler! Er gaukelt dir vor, deine Untertanen seien glücklich, indes sie in Tränen schwimmen. Dein Kammerdiener gaukelt dir vor, dein Land sei im Wohlstand, indes es zur Wüste wird. Deine Hofschranzen gaukeln dir vor, dein Land bete dich an, indes man dir und deiner Blindheit flucht. Du bist keck, Fremdling! Zu den Höflingen. Was sagt ihr dazu? O, gnädiger Herr, es ist Spaß, eitler Spaß; ein Lustigmacher, wie Ihr seht. Spaß? O ho, Bursche! Ich will euch Spaß machen, daß ihr brüllen sollt für Freude wie die Waldtiere, deren Herzen ihr im Busen tragt. Ja, ja, Fürst, ich bin ein Lustigmacher! Und ihr sollt an diesen Tigern, diesen Luchsen, diesen Schlangen, diesen Affen, diesen Horneißen eine fürstliche Lust sehen! Genug! Man sagt von einem wunderbaren Spiegel. Wollt ihr ihn sehen? Er ist wunderbar, Fürst, und doch sehr natürlich, von Kunst zusammengesetzt und doch der Spiegel der Wahrheit. Laßt sehen! Brav, Fürst! Ihr seid der erste eures Stands, der ihn zu sehen verlangt. Ihr seid wert hineinzuschauen. So seht denn, Fürst! diese Haufen Elender, in Lumpen gehüllt, sie verlassen ihre Heimat, sie wandern aus, mit sehnsuchtsvoll gewandtem Blick auf ihre leeren Hütten, sie fliehen ein Land, das die Pest der Plusmacher vergiftet; sie suchen einen andern Winkel, wo der Mensch frei und ruhig atmen und die Frucht seiner Arbeit genießen kann. Eure neuen Steuern haben sie über die Grenze gejagt. Kämmerer, was sagt Ihr dazu? Fürst, der Kammerbeutel war leer; auch ist die Gabe klein. Der Geist der Unruhe ist in die Landleute gefahren. Vor Zeiten zahlten sie geduldig. Wirklich? Aber da Ihr das letzte Mark ihnen ausdrücktet, die Haut über die Ohren zogt? Doch still, mein Herz! – Seht, Fürst, diese Greise, wie sie ihre grauen Haare ausraufen, diese Witwen, umgeben von Kindern, die um Brot schreien. Ihr nahmt ihre Söhne, die Stützen ihres Alters, und verkauftet sie zur Schlachtbank. Obrister, was sagt Ihr dazu? Herr, der Bundestraktat – Nur Satan besiegelt seine Traktaten mit Menschenblut. Stille, Fleischer! Seht, Fürst, diese armen Landleute, wie sie in der Nacht, in Sturm und Regen auf ihren Feldern umherirren, das Wild hier zu verscheuchen, das dort ihre Saaten verwüstet, die Frucht ihres täglichen Schweißes! Wie sie die letzte von der Last des Tags erschöpfte Kraft anstrengen, ihr kleines, um Eures Schutzes willen tausendfach versteuertes Eigentum zu sichern – und siech und atemlos dem nahen Grabe zueilen – Jägermeister, was ist das? Fürst, wovon sollen wir unsre Jagden unterhalten? Auch das Wild muß leben. Vom Blut des Menschen? Schweig, Tiger! Seht, Fürst, diese Elenden im Kerker! O könntet Ihr auch hören, wie sie mit ihren Ketten rasseln, wie das Jammergeschrei ihrer mit Beulen bedeckten Körper zum Himmel steigt! Kanzler? Es sind Verbrecher. Verbrecher? Dieser schoß einen fürstlichen Hasen, der ihm sein Kraut fraß, und ließ ihn liegen. Jener wagt' es, Euch das Elend seiner Mitbürger vorzutragen; dafür faulen sie nun lebendig in grausenvoller Einsamkeit. Dieser – Genug! Fremdling, du erschütterst mich. Wer bist du? Faust! Der Schwarzkünstler? Schwarz ist meine Kunst, aber weiß und rein mein Herz. Ja, Fürst, ich bin Faust, und wenn Ihr wollt, Euer Freund. – Unerhörte Frechheit! Schweigt, Eulen der Nacht, denn die Sonne erscheint. Ich weiß es, Euer Glaube ist's, ein Fürst müsse keinen Freund um sich haben, nur Speichellecker, Schmeichler, Jaherren, Kuppler und Jagdhunde. Euch klagt das Volk an all des namenlosen Elends, all der Blutschinderei und Seelenverkauferei, Euer Odem ist's, der die Luft rund um den Fürsten vergiftet; ihr seid's, die dem Fürsten nach dem Fürstenhute greift und alles in Chaos zu stürzen denkt, unbekümmert um das Ende, wenn nur ihr mit heiler Haut und fetten Bäuchen davonschleicht. Aber denkt ans Ende, denkt an mich und zittert! lachen. Ha, ha, ha! Ein Hexenmeister! Ein Zigeuner! Freund, wahrsage mir aus der Hand! Was bedarf's der Hand? Ich wahrsage dir aus diesen tief liegenden, stets zur Erde gehefteten Augen, daß du ein ausgemachter Schurke bist und dem Galgen nicht entlaufen wirst. Faust, vergeßt Euch nicht! Nein! Aber laßt sie schweigen, oder ich werd' ihre Lippen schließen, bis sie zum Richtplatz gehen. Und das alles, was du mir sagst, wäre wahr? Ich glaubte meine Untertanen glücklich. Willst du das Jammergeschrei, die Flüche, die Verwünschungen hören? Sprich, und kraft meiner Macht – Nein, nein! Ich kenne dich und zweifle nicht. Aber was tun wir, daß das anders werde? Du bist gut, aber schwach. Sei gut, aber stark! Vors erste jage all diese Hofschranzen zum Teufel, die dir einbilden, du seist ein Gott, um dich mit ihrem Weihrauch im Schlummer zu erhalten. Schicke ihnen nach all die Plusmacher, die Blutigel, diese Schmeißfliegen, die dir einbilden, der Staat, der seist du, das Land nur da, um für dich gleich einem Schwamme ausgedrückt zu werden: alle deine Untertanen Sklaven, nur da, um ihre mühselige Existenz für deine Bedürfnisse ans Grab zu schleppen. – Aber der Glanz meines Hofs – Was Glanz? Das Schellengeläute dieser Wichte nennst du Glanz? Schaff' deinen Bürgern fröhliche Gesichter, und ihr Blick wird gleich einer Glorie dich umstrahlen! Hinweg mit deinen Trabanten! Der Wohlstand des Bürgers ist die Sicherheit des Landes und seine Liebe die Wache des Fürsten. Schütze Eigentum, dafür bist du da; gib den Gesetzen ihre Kraft, den Landständen die Obhut der Gesetze, ihre Rechte, ihre freie Stimme wieder! In Verhaft mit dem Aufrührer, dem Hochverräter! Buben, das seid ihr! Ihr stehlt dem Fürsten die Herzen seiner Mitbürger, um euch in die Lappen seiner Macht zu teilen. Ihr seid die Hebammen des Elends und Elend gebiert Aufruhr und Empörung. Greift ihn! Die Wache naht sich ihm. macht ein Zeichen; alles bleibt unbeweglich. Erbärmliche Wichte! Fürst, und da siehst du gelassen zu? Wohl! ich habe dir nichts mehr zu sagen. Ich ehre deinen Stand, aber ihr werdet wenigstens, wozu ihr allein taugt – Pagoden! Der ganze Hofstaat nickt. Nickt nur, nickt! Satan wird euch einst die Köpfe schon zurechtsetzen! Fürst, gehab dich wohl! Du wirst an mich denken, wenn's zu spät ist. 9. Szene 9. Szene. Doktor Faust in einem prachtvollen Zimmer. Mephistopheles. Bist du nun geheilt? Ich bin es. Siehst nun ein, daß es für die Menschen keinen Lehrmeister gibt als Unglück? Leider! Ich seh's. Aber wofür, wofür gab ich dir mich hin? Was soll mir denn dein Gold und deine Macht? Zu genießen! Ich hatte einen goldnen Traum. Meine Seele sonnte sich an der glühenden Idee: Rächer zu sein der gemißhandelten Menschheit, furchtbarer Würger des Lasters und der Tyrannei, Schirmer der Unschuld und Schwäche, brüderlich alle Menschen des Erdkreises einander in die Arme zu führen und Frieden, Frieden, ewigen Frieden auszugießen über die weite Schöpfung. halb für sich. Träume nur! Träume, bis der Wecker ruft. schwärmend. Vaterland, Vaterland! O daß ich dem holden Wahne deines Daseins entsagen muß! Dulden wollt' ich für dich all die Qualen der Hölle, ausbluten jede meiner Adern! Und emporragen mit verklärtem Scheitel über die gedrängten grauen Häupter der Jahrhunderte! Recht so, Zergliederer! Dein Dolch ist scharf. Nein, nein, du sollst mir den Glauben an Tugend nicht rauben. Wenn die Vernunft ausäderte all die Falten der Menschenseele und all ihre Triebfedern; wenn unter ihrem Messer die Tugend zerfloß in der Selbstheit vergiftenden Dunst, so rief mein Gefühl sie wieder zurück und schuf aus den Atomen der Seele eine Gottheit. O, mein Vaterland! Was ist das? Phantom der Einbildungskraft. O nein, nein! Es ist das Glück einer großen Familie anzugehören, sein Interesse zu verschmelzen in ihres, sich zu sonnen in ihrer Liebe, sich zu verklären im Wiederschein ihrer großen Taten und großen Männer. Und das suchst du in Deutschland? Wo Nachbar dem Nachbar fremd ist, in jeder Hofstatt ein eigner Hahn kräht, als sei er Beherrscher des Erdkreises? Die Mauer des Kirchhofs den Ruhm des großen Mannes verschließt, wie seine Asche? Faust, Faust! Hör' auf zu träumen, weil es noch Zeit ist! Gabst du nicht der Welt die größte aller Künste? Sieh hinaus in die Zukunft und lächle über deinen Ehrgeiz! – Faust, der Hexenmeister wird lange auf allen Schauplätzen der Gaukler und Possenreißer, in allen Bierschenken und Gassenhauern glänzen, den Drucker kennt niemand. – Wie gefällt dir die lustige Unsterblichkeit? Dein Dolch trifft gut, Skorpion! – Da hab' ich nun der Menschheit den Scheidebrief gegeben, schwebe zwischen Himmel und Hölle! – Satan, was soll aus mir werden? Sag' ab all deinen Schwärmereien und Träumen! Sei klug und genieße! Ich schloß den Bund, die große Wunde der Menschheit bis in ihren Grund zu sondieren, und wär's möglich, sie zu heilen. Du zeigst mir sie unheilbar. Ich schloß den Bund, der Zukunft Schleier zu heben und ihre Tiefe mit Götterblick durchzuschauen, und du zeigst mir Schatten in grauer Ferne, gaukelnd in verworrenen Massen. – Sprich! Warum ist der Lasterhafte glücklich, und die Tugend in Tränen? Hinweg mit dem ehernen Riegel vom Tempel der Gerechtigkeit! Löse mir dies Rätsel, oder ich verlasse dich! – Du verstummst? Mein Dasein ist deine Antwort. sinnend. Dein Dasein? Ist's nichts als das? So ist unser Bund zerrissen. mit furchtbarer Stimme. Tor! An den Ketten unsres Bunds schlägt die Ewigkeit sich wund. Du drohst? Verwegner, zittre, es ist ein Etwas in mir, das deines Grimms lacht. Und dies Etwas ist unabhängig, frei und mein, bis zum letzten Moment. Und dies Etwas wäre? Mein Stammbaum: der Gottheit Funke! – Ha, wie die aufgedunsne Majestät zusammensinkt! Vergib mir! Halte Wort und laß uns Freunde sein! Kannst du zürnen, wenn mir's grollt, daß die blühende Gegenwart dir dahinwelkt unter der Sichel der täuschenden Phantasie? Die Gegenwart beut dir freundlich ihre volle Schale; du stößt sie zurück und entwindest gewaltsam der Zukunft ihren blutigen Dolch? Alles um dich her ist Täuschung, Gaukelei und Schatte, nur der Vergangenheit Abdruck in der Zukunft Spiegel. Nur dein Selbst ist Wahrheit! Fasse dies, sei glücklich und genieße! Und dieser Genuß, was frommt er mir? Vergessenheit! Süßen Wahnsinn! Selige Trunkenheit! Vergessenheit! Wahnsinn! Trunkenheit! Seele, dies wär' also dein gepriesener Adel und Zweck? Du forschtest und rangst und strebtest. Was fandst du heller, bestimmter und genügender? sinnend. Zerfleischen möcht ich dich und mich für Wut, daß du recht hast. Armer Faust! Mit dem ersten Zuge aus der Schale des Lasters war dein Bund mit dem Satan unterzeichnet. Der Rest – Gaukelei! Hervor denn mit deinen Freuden! Ich will taumeln, weil denn dies armselige Dasein die Nüchternheit nicht verlohnt! Hervor! Skorpion, du schlauster aller Kuppler! Die Tugend hat mich ermordet; gieße mir neues Leben ein! Was verlangst du, teurer Gebieter! Laß Saitenspiel durch den Palast schallen! Es ist ja dein treuer Gehilfe. Die Musik erhebt sich. – Bravo, edler Künstler! Lade den Tanz, die Scherze und Liebesgötter ein! Gruppen von Tanzenden erscheinen und führen ein Ballet auf. – Bravo! Laß Bacchus Nektar in Strömen fließen! Wein fließt aus zwei Bassins. Gut! Aber wie leer läßt all dein Gaukelspiel meine Seele! Du kannst meine Sinne berauschen, nicht mein Herz. Wir wollen sehen! Blicke hinter diesen Vorhang! Sieh der Liebe Freuden und ihren vollen, ins Unermeßliche vermannigfaltigten Genuß! Sieh, die Wonne, die die üppige Phantasie der allmächtigsten Leidenschaft schuf! Sieh das lebendige Gemälde der Liebeswonne mit seinen glühendsten Farben! Sieh die schäumende, überströmende Schale der Wollust und trinke nicht – wenn du kannst! Gruppen von Mädchen erscheinen und verlieren sich tanzend hinter dem Vorhang. mit Wärme. Bravo, mein guter Kuppler! Seid mir willkommen, holde Ideale des Phidias und Zeuxis! Ihr seid einen Sinnenrausch wert! Schön gedrechselt, wirklich! Und was weiter? Auch Schwelgerei hascht nach Wunderbarem. Rufe mir die Venus Griechenlands, die reizende Helena aus ihrem Grabe hervor! Laß sehen, ob sie dieses eiskalte Herz, wie einst Troja, in Brand stecken kann! Helena erscheint. in höchster Schwärmerei. O bei allen Mächten der Hölle, du hast gesiegt! Schöne Göttin, empfange mich! O Natur, wie tief liegst du unter ihren Füßen! Vater Homer, du warst blind und besangst ihren Ruhm! Ja, ja! Ein Blick dieses holden Augs war mehr als griechisches Feuer, ein Hauch dieser Lippen entflammt unauslöschliche Glut. Ich fühle sie in all meinen Adern. In meine Arme, holder Engel! – O Vernunft, spiele demütig mit diesen schönen Locken! Weisheit, entschlummre an diesem Schwanenhals! Komm, komm! O welcher Wahnsinn, Glück zu suchen außer dem Kreise deiner Arme. Glorie außer dem Widerschein deines holden Antlitzes! Er umfaßt sie. Du liebst mich, Göttin der Erde und des Meers? Ich liebe dich! So fleuch denn, fantastischer Traum der Vergangenheit! An diesem Busen will ich mein Dasein finden. Wonne! Wonne! Er umarmt sie, der hintere Vorhang fällt. 10. Szene 10. Szene. allein. Triumph! Triumph! Fahre hin, großer Magus, erhabner Weiser! Retter des Menschengeschlechts, Rächer der Unschuld, fahre hin! – Armselige Menschheit! Da liegt er nun, der Held der Tugend, das stolze Ebenbild der Gottheit – im Arme einer Buhlerin. Ihr Lächeln zertrümmert all seine moralischen Kartenhäuser. Zerrissen ist der Pfandbrief seliger Unsterblichkeit. – Satan, du bist ein weibliches Wesen! – Triumph! Triumph! Hervor, treue Gefährten, feiert mit mir den Sieg der Hölle! 11. Szene 11. Szene. Mephistopheles. Flammen fahren auf, ein Chor von Geistern erscheint; sie umringen ihn. Triumph! Triumph! Die Hölle ist Sieger! Schlägt Tugend und Weisheit, Mit eherner Keule Allmächtig darnieder! Der Wollust verzehrende Glut Ist Flamme der Hölle. Triumph! Triumph! 12. Szene 12. Szene. Ein Donnerschlag; Ithuriel; die Geister verschwinden; Mephistopheles bleibt entsetzt. Du triumphierst, Unglücklicher! Wo sind deine Trophäen? Der Sinnenrausch eines armen endlichen Wesens? Bezwinge den Geist und dann frohlocke! Rastlos wiegt sich seit Jahrtausenden die Woge eurer Wut an den ehernen Säulen der Tugend; stürzt sie ein und dann erhebt euer Sieggeschrei! Ohnmächtiger, Lüge stürzte euch hinab von den Stufen des Throns! Der Lüge Macht war alles, was die Gottheit euch ließ. Sie ist augenblicklich, wie ihr Vorteil. Der Wahrheit Strahl verzehrt sie zu Staub. Sieh es selbst – 13. Szene 13. Szene. Der hintere Vorhang rollt hinauf. Vorige. auf einem Sopha im Schlafe. Hinweg mit deinem Schlangenhaar, Furchtbare! Weh mir, sie schlingen sich um meinen Nacken! Ist das dein glühender Kuß? Hinweg, scheußliches Gespenst! Warum grinsest du mich an? Oh! Oh! Was schüttelst du deine blutigen Locken? Hinweg den Dolch! Oh! Erbarmung! Du mordest mich! Und tot und wieder lebend? Und wieder tot? Furchtbarer Würger, ende! Luft, Luft! Dein eherner Arm zermalmt mich! Ha, willkommen, Abgrund der Flammen! Verschlinge mich! Hinab, hinab! – Wie? Ihr brennt und verzehrt nicht? Woher dies Heulen in grauser Nacht? Jubelgeschrei! O entsetzlich! – Hinweg mit deinem höhnenden Blick! – Vernichtung! Vernichtung! Sieh die Dauer deines Triumphs! Erröte wenigstens! Zur Besserung hast du ja den Weg dir auf ewig verschlossen. Verschwindet. 14. Szene 14. Szene. Doktor Faust erwachend. Mephistopheles. Wie ist mir? Ha, das war ein schrecklicher Schlummer! Wo ist Helena? Wo deine holden Gruppen? höhnisch. Dein guter Genius hat sie verscheucht. Welche Träume, welche Erscheinungen! Alle Qualen ewiger Pein waren zusammengedrängt in wenige Momente. Dein Auge rollt fürchterlich; deine Haare stehen empor. In der Tat, Doktor, du bist ein trefflicher Schauspieler. Höhne nicht! Diese Momente entscheiden unser Schicksal. Die Decke ist gefallen. Auch naht die Stunde der Vollendung. Sie naht, aber wisse: Eine Minute der Tugend wiegt Jahre des Lasters auf. Undankbarer! Dies wäre deine gepriesne Redlichkeit? Dies der Lohn aller Freuden, die ich dir schuf? Wo sind sie? Ekel und ein wundes Gewissen bezeichnen mir jetzt ihre zurückgelegte Flammenbahn. – O Skorpion, Skorpion! Wie glücklich war ich einst! Warum riefst du mir denn? Warum – Halt ein! Wahrheit ist stark, in Satans Munde ist sie ein zerschmetternder Donnerkeil. – O daß ich der Tugend einzig sichere Bahn verließ! Unzufriedner! Welche Freuden gewährte sie dir denn? mit immer steigender Wärme. Welche Freuden? Satan! Du fragst und warst Engel? Und die gerechte Allmacht läßt dir die Erinnerung? Denn woher sonst deine Pein? Woher dein wütender Haß gegen Reinheit und Unschuld? Woher der Neid, der dein Innres zerfleischt? – Ja, Satan, die Tugend hat ihre Freuden! Es ist Wonne, sich zu spiegeln in der dankbaren Träne des Geretteten; es ist Wonne, sich zu sonnen im Lächeln beglückter Wesen um sich her; es ist Wonne, im gebildeten Sohne, gleich dem Phönix, aus seiner Asche wieder aufzuleben. Es ist Wonne, Liebe zu saugen aus dem Auge der treuen Gattin; es ist Wonne, furchtlos den Pfeilen der Bosheit und Verleumdung die offene Brust zu bieten und am Ende seiner Laufbahn dem Andenken seiner Mitbürger rein und ohne Wunde in den Arm zu sinken! – O Macht der Wahrheit und Tugend! Skorpion, du selbst bist erschüttert! Ist's möglich, o so kehre zurück! Zurück an meiner Hand! Reue schmilzt des Lasters eherne Tore! O kehre zurück, Satan, und die ganze Natur ist dann Himmel und Himmel. Mephistopheles erscheint in Flammen und umfaßt Doktor Faust. Ha, was ist das? – Weh mir! Du zermalmest mich! Treuloser! Zittre! 5. Akt 1. Szene 1. Szene. allein. Dasein? Ja, Dasein, dies ist also dein Vollgenuß in seiner Kraft und Blüte? Herumkriechen auf dieser erbärmlichen Erde, essen, trinken, schlafen – die Sonne anstaunen im Aufgang, angähnen im Untergang! Armseliges Spielzeug, das man im Genuß gleich dem Knaben zertrümmert. – Aber, der Nachhall großer Taten? Dies ewige Blühen, ewige Leben im Marmor des Menschengefühls? Ha, Nachruhm, du bist mein Mörder! Hervor, Gespenst, das allenthalben in meinem Pfade steht! Hervor, Riesengespenst! Du bist mindstens wert, daß ein Mann dich ins Auge faßt. Was bist du? Woher diese hohlen Augen? Hinauf mit dem leuchtenden Gewand, in das dein Wesen sich hüllt! Was bist du? Schatten! Du bist's also, der meinem umschlingenden Arme Gegenwart entreißt, um mir Zukunft, seinen Bruder, unterzuschieben? Ein flammendes Meteor, ohne Haltung und Wirklichkeit! – Bitter. Oh! Oh! Wenn der Sturmwind rauscht über meinen einsamen Grabhügel, wie da mein Gerippe lauschen wird auf die Posaune der Nachwelt! Wie mein hinaufgeschwungener Geist schwelgen wird im Genuß des dampfenden Weihrauchs – dieser Würmer! Ehrgeiz, nie satter Vampyr! Ich kenne dich nun. Und wenn ich dich nun abziehe von der kleinen Summe, was bleibt denn? Oh! Oh! Armer Faust, wo wirst du Ruhe finden? 2. Szene 2. Szene. Ithuriel. Doktor Faust. Am Busen der Natur! niederfallend. Ithuriel! Ich glaubte dich auf ewig von mir gewichen. Dein Herz verscheucht mich; dein Herz ruft mich. Faust, noch ist Rettung und Ruhe vorhanden. Wo ist sie, daß ich fliege – Dir nahe. Kehre zurück in die ländliche Einsamkeit! Zurück zu den großen Szenen der Schöpfung! Der Schatten des Hains, der Duft der Blumen, der reine, freie, unentweihte Aether, alles atmet dort Frieden, Tugend und Ruhe. Damit denkst du den Sturm dieses Busens zu beschwören? Damit! Damit dies Herz auszufüllen, dem das Universum zu eng ist? Damit! Ruhe wogt nicht im Ozeane; eine kleine friedliche Insel beherbergt sie. Ein Strohdach, groß genug zwei Liebende zu schützen. Weisheit ist ihre Tochter. Und Weisheit ist nicht Forschen, nicht ewiges Rücken an den Rädern der Schöpfung, nicht rastloses Streben nach Glanz. Genügsamkeit, stiller, anspruchloser Fleiß im Leisten seiner Pflichten. Das ist Weisheit! Das ist Ruhm! Faust, du bist nahe am Ziel. Kehre zurück, zurück in die väterliche Hütte! Offen sind die Arme deiner guten Eltern. Ha, Gold hat sie vergiftet. Du irrst! Sie trauern um dich. Wär's möglich? Zurück in die Arme der holden Braut! Umsonst! Sie ward mir untreu. Satans Täuschung! Sie liebt dich rein und innig. Jede Morgenröte spiegelt sich in den Tränen ihrer Sehnsucht. O Elise, Entsetzen! Und ich verließ dich? Wie, es wäre noch Rettung? Noch! So laß uns fliegen! Wohl, denn auch zum Verderben fliegt die Zeit. Aber bedenk's, hast du den Sinn verloren für die Freuden der Natur, ruft sie deine irrende Seele nicht zurück, o dann ist dein Schutzgeist auf ewig von dir gewichen. Verschwindet. Engel des Himmels, sorge nicht! 3. Szene 3. Szene. Bauernhütte. Fausts Vater arbeitend, Fausts Mutter und Elise spinnend. Hast du den Kohl begossen, Mutter? Ja, Vater. Ist Melamp gefüttert? Ja. Mieze, hat sie zu fressen bekommen? Das arme Tier hat Junge, die an ihr zehren! Sei ruhig, alles ist versorgt, auch die Wachtel. Gut! Mutter, daß mir ja keins Not leidet! Sie haben treulich bei uns ausgehalten und mit uns gehungert, eh' wir den Schatz fanden, und also ist's Pflicht – Ja, mit dem Schatze ist's auch nicht richtig zugegangen. Nicht richtig? Sieh nur, Mutter, die Liese spinnt und hat ja nicht einmal Wasser im Näpfchen. Siehst du nicht, daß sie weint? Sie netzt mit ihren Tränen. Das arme Ding! – Nicht richtig, sagst du? Hab' ich ihn nicht ehrlich und redlich? Das wohl, aber – Lag er nicht unter dem Holunderstrauche in meinem Gärtchen? Das schon, aber – Lag wohl ein schwarzer Pudel dabei mit feurigen Augen? Freilich nicht, aber – daß du ihn grade jetzt finden mußtest. Ich hätt' ihn nie gefunden; denn der Holunderstrauch, so dürr er war, war mir aus Herz gewachsen; ich hatt' ihn gepflanzt an unserm Verlobungstag. Aber Fieber schüttelte dich, das Holz war alle. O ich werd's nie vergessen, jeder Beilhieb ging mir durchs Herz. Wer weiß, wem das Gold gehörte. Mutter, das verstehst du nicht. Das ist im Kriege vergraben; denn da schlagen sich die armen Leute tot und die Reichen füllen ihre Beutel; und wenn's denn Not wird, vergraben sie's und – Wenn nur Hans nicht mit im Spiel ist! Hans? Hu! Was du mir da in den Kopf setzest! Hans? Das verhüte der Himmel! Das wäre Höllengeld. Das nicht; er kann's ja auch verdient und so heimlich uns zugesteckt haben. Verdient? Was arbeitete er denn in der Schenke? Uns heimlich zugesteckt? Soll der Sohn sich schämen den Vater zu nähren? Wüßt' ich, es wäre Satans Geld, ich verkaufte die Hütte wieder und – Ach! Es ist wohl auch mit Hansen nicht so arg, als es die Leute machen. Nicht arg, nicht arg? Hat er nicht mit dem Gottseibeiuns ein Bündnis eingegangen? aufstehend. Ach, Vater, er ist ja mit mir versprochen. Freilich, arme Hexe! Aber die großen Herren versprechen sich zehnmal. Wer weiß, ob's wahr ist. Wahr? Wahr? Frage ganz Ingolstadt! Das ganze Bayerland! Und das kommt vom Studieren. – Hat er sich nicht dem Teufel mit seinem Blut verschrieben? freudig. Nein, Vater! Die Handschrift hab' ich. Soll ich sie holen? Arme Liese! Laß sie stecken; die großen Herren stellen die Handschriften aus wie die Wechsel. Einlösen muß sie nur der Bürger und Bauer. Die Leute sagen wohl auch mehr, als sie verantworten können. Wahr ist's. Der Teufel hat die Handschrift auf dem Markt vorgezeigt. Und das kommt vom Studieren. Freilich waren die Leute neidisch darüber, daß unser Hans so ein großer Mann geworden ist. Ein großer Mann? Was? Was? Ein Hexenmeister, ein Teufelsbanner? Ich kann's nicht glauben; ich – und ich muß es doch wissen; hab' ich ihn nicht unter dem Herzen getragen? Ein großer Mann? Kann er arbeiten? Kann er säen, pflügen, dreschen? Das nicht, aber er hat studiert. Studiert? Konnte er wohl unser Holzspalten lernen? Tag und Nacht saß er über den Büchern. Ja, ja, da wächst auch das Korn heraus. Und ist ein Doktor geworden; bedenk's nur, Vater, ein Gelehrter, und die Gelehrten regieren die Welt. Daß Gott erbarm', da sitzt's eben! Alles will regieren, und zuletzt müssen wir schlechten Leute zum Land hinaus laufen und den Herren Regierern Platz machen. Aber er ist doch ein vornehmer Herr, und der ist doch mehr als unsereiner. Mehr? – Mutter, schwätz mir nicht so albern! Hab' ich nicht jetzt auch einen Taler Geld? Wenn mir abends das Schnitzmesser aus der Hand fällt, da bin ich ein vornehmer Herr. Aber die Zeitdiebe? Sieh, Liese, wer pocht! an die Türe. Ein Wandersmann, Vater. Was sucht er? Herberge. Die Schenke ist unten im Dorfe. Es regnet, Vater, und der Wind saust. Laß ihn herein! Für die Not muß unser Hüttchen immer noch Platz haben. Recht, Mutter. Mach auf, Liese! 4. Szene 4. Szene. Reisender und Vorige. Guten Abend! Auch soviel! Nehmt Platz, guter Freund! Ich danke. Woher bei dem schlimmen Wetter, Landsmann? Aus der Stadt. Und wo wollt ihr hin? Zur Kanzlei. Seid ihr gefordert? Bewahre! Mannschaft soll ich aufbieten. Wozu? Ja, die Bürger sind aufgestanden und das Landvolk dazu. Wieso? Weswegen? Die Edelleute wollen sie abschaffen. Die Edelleute? Warum? Sie sprechen, jeder ehrliche Mann sei ein Edelmann. Hm! Hm! Auch wollen sie keinen Zehnten geben und die Priester fortschicken. Daß Gott erbarm'! Das wird schöne Wirtschaft werden. Sie sagen, jeder, der Vernunft hätte und ein reines Gewissen, sei auch Priester. Was man nicht erlebt! Nun, und die Herren des Rats, was sagen die dazu? Sie haben nach dem berühmten Doktor Faust geschickt. zu Fausts Vater. Hörst du wohl, Vater? Nun, und der? Ja, sie fanden ihn nicht. Wieso? Der Teufel hat ihn in Stücke zerrissen und in den Lüften fortgeführt. die mit größter Spannung horchte, fällt am Spinnrocken in Ohnmacht. Herr Jesus! Liese! Dacht' ich's doch! 5. Szene 5. Szene. Doktor Faust von außen. Macht auf! Macht auf! Was ist's? Der Reisende verschwindet. Ich bin's! macht auf. Himmel und Erde! Hans, du bist's? hineinstürzend. Euer Sohn! auf ihn zu. Mein Sohn! zu ihren Füßen. Vater! Mutter! Mein verlorner Sohn! Euer reuiger Sohn! – Gott! Was ist Liesen? Alle auf sie zu. zu Doktor Faust. Dein Werk! Mein? Dieser ehrliche Wandersmann da – Sich umschauend. ja, wo ist er denn? – erzählte uns, der Satan habe dich – Wie sah er aus? Tückisch genug. Sein Auge sah ich nicht. Ha, ich kenne ihn! – Liese, englische Liese, erwache! Dein Faust ist da! sich erholend. Ist's möglich? Du bist's? Ich bin's Du lebst? Wo kommst du denn her? Wie ist dir's denn seitdem gegangen? Ihr sollt alles wissen. Was suchst du denn bei uns? Eure Liebe. Du bleibst? Verstoßt euren unglücklichen Sohn nicht! Wo sind denn deine Leute, deine Karossen und Pferde? Ach, wenn wir nur Raum genug haben! Sorgt nicht; ich bin allein. Allein? Ihr großen Herren seid ja sonst eingebaut wie die Wickelkinder. – Du bist also wohl kein vornehmer Herr mehr? Euer Sohn, und stolz, daß ich es bin. bedeutend. Hans! Auch kein Teufelsbanner? Schont mein! Ja wohl, lieber Vater; du siehst ja, daß es nur böse Nachrede war. Du willst also künftig arbeiten? Bei euch, für euch! Im Schweiß deines Angesichts dein Brot essen? Ich will. Topp! Du wirst's sehen, es schmeckt besser als fremdes. Nun, so sei uns willkommen! Tausendmal willkommen, lieber Sohn! Zwar hast du uns viel Kummer gemacht. O vergebt! Vergeben und vergessen! Aber, Liese? Was soll aus Liesen werden? Liesen mit höchster Innigkeit umfassend. Aus Liesen? zu Fausts Mutter. Mutter, ich denke, dein Hirsebrei läuft über. Sehen wir nach! Fausts Vater und Fausts Mutter ab. 6. Szene 6. Szene. Doktor Faust. Liese allein. Aus Liesen? Was sonst, als – mein Weib! Mein teures Weib! Lieber Hans! Du liebst mich noch? Frage nur die Mutter, wie ich mich deiner annahm gegen die bösen Leute. Engel der Unschuld! Wie ich weinte, so oft sie dir Übles nachsagten. Was sagten sie denn? Ja, du seist ein großer Herr geworden. Nie war ich groß, als in diesem seligen Augenblicke. Und du würdest mich sitzen lassen. Schändlich! Denn es wäre so die Mode der Vornehmen. Und du glaubtest's? Ach, sie sagten wohl noch was Schlimmers. Ich verstehe dich; sei ruhig! An deiner Hand will ich zum Engel werden. Gutes Mädchen, daß du doch mir treu bliebst! Frage nur die Mutter, was ich ihr auftrug, als mich der Herr Pfarrer einsegnete. Du warst dem Tode nah? Was? Wann? verschämt. Ach, du weißt ja wohl! 7. Szene 7. Szene. Fausts Vater und Fausts Mutter die sich hinter ihn schleichen. zu Fausts Mutter. Hörst du? Er weiß nichts! Martre ihn doch nicht! Nichts! Ich Bösewicht! Auch daran war ich schuld? Freilich du! Du weißt ja – Was denn? Als Vater und Mutter einst zu Nachbar Stephan auf die Taufe – vortretend. Ja, Hans, wir werden wohl dich nicht behalten können. Wie, mein Vater? Du siehst, die Hütte ist klein. O groß genug für zwei glückliche Paare. Das wohl! Aber du hast uns schon einen ungebetenen Gast geschickt. Ich, mein Vater? Gürgel, lauf und melde dich! Doktor Fausts Kniee umfassend. Vater! ihn aufhebend und umfassend. Himmel und Erde! Wie ist mir? Sohn! Mein Sohn? – Liese! Vater! Mutter! Es drückt mir das Herz ab. Ach! Mir Unsinnigen ekelte die Welt! Ich kannte die Vaterfreuden nicht. – O wohl, wohl mir! Ich bin nun ruhig und glücklich. Er umarmt sie alle wechselweise; großer Tumult vor der Türe. Was ist das? Man ruft: Faust! Faust! Man ruft dich. Der Tumult nimmt zu. Vater, geht hinaus und seht, was es ist. Fausts Vater geht hinaus. sich an ihn schmiegend. Du bleibst doch, lieber Hans? Sei ruhig, Liebe! Eh' verlasse mich mein Schutzgeist! Ach Gott! zurückkommend. Der Wandersmann hat recht. Die Bürger und das Landvolk sind aufgestanden und fordern dich. Was wollen sie von mir? Rat. Ich bin losgerissen von der Menschheit; ich will nicht. Das Getümmel nimmt zu. Daß Gott erbarm'! Sie drohen die Hütte zu erstürmen. So laßt denn etliche hereinkommen! Fausts Vater ab. Mutter! Muß ich denn ewig eure Ruhe stören? O besänftige sie, du bist ja klug. 8. Szene 8. Szene. Einige Bürger und Bauern. Fausts Vater. Vorige. Da ist er! Da ist er! – Ruhig da außen! Da ist er! Männer, was habt ihr vor? Das ganze Land ist aufgestanden und verlangt dich. außen. Faust! Faust! Stille! Was wollt ihr von mir? Rat, Beistand! Du sollst dich an unsre Spitze stellen. Was? An die Spitze von Aufrührern? Aufrührer? Was, Aufrührer? Wir sind keine Aufrührer. Wir fordern Gerechtigkeit! Gerechtigkeit! Gerechtigkeit! Was sind eure Beschwerden? Wir sind freie Deutsche und man hat uns als Sklaven verkauft. Wir sind freie Deutsche, und die Amtleute und Büttel pressen uns das letzte Mark ab; die Justiz wird verhandelt, der Arme gedrückt. Wir sind freie Deutsche und wollen Gerechtigkeit. Ich beklage euch; aber ich kann euch nicht helfen. Du kannst, du mußt! Er muß! Ich bin geschieden von den Menschen. Diese Hütte ist meine Welt. Du mußt! Du bist klug und kannst uns leiten. Laßt mich hier in Ruhe sterben! Du mußt, du bist unser Mitbürger. Das bin ich, aber auch Sohn und Gatte und Vater! Sohn! Lieber Hans! Vater! Bleib! – Führt ihn fort! Führt ihn fort! Gedränge um ihn. Gewalt? Nicht von der Stelle! Hier will ich sterben. Führt ihn fort! Ich bleibe hier! Hier bin ich gefesselt mit unauflöslichen Banden. Einer vom Volk sich vordrängend. Laßt mich reden! Stille! Stille! Faust! Du hast dein Dasein gewidmet der Weisheit. Beweis es! Der Zeitpunkt ist gekommen. Jammer und Aufruhr bedeckt das Land. Das Volk vertraut auf deine Einsicht. Rate ihm! – Willst du der Ruhe pflegen, indes deine Mitbürger ihr Leben wagen für ihre Freiheit? Willst du dem Strome der Empörung den zügellosen, verwüstenden Lauf lassen? Nur deine Weisheit kann ihm Ordnung geben, zum Glück des Lands! Ha! Oder sollen die Greuel regelloser Volkswut die Schatten der Tausende, die unter ihrem ungeleiteten Rachschwert fallen, einst dich als ihren Mörder anklagen? O weh mir! Du bist Bürger! Deine Pflicht ist, das Vaterland zu retten! Erfülle sie! Daß ich's vermöchte! Du bist ein Deutscher! Die Freiheit Deutschlands gilt's, und du säumst? Rastlos rangst du nach Unsterblichkeit; die Bürgerkrone erwartet den Retter des Vaterlands. Willst du eine glänzende Laufbahn als ein feiger Weichling beschließen? Bedeckt von Schande und Verwünschungen deiner Mitbürger? Deutschland soll wahrhaft frei werden; du der Stifter des jungen Freistaats! Und du wankst noch? Ich bin entschlossen, aber hört mich! Heraus mit ihm! Heraus! – Faust! Es lebe Faust! Sohn, was willst du tun? Um Gottes willen, bleib! Hans, ich überleb' es nicht. Faust! Es lebe Faust, der Retter des Vaterlands! Fausts Vater, Fausts Mutter, Liese und Gürgeln umarmend. Vater! Mutter! Weib! Sohn! Diese glühenden Tränen mögen euch sagen, was mich's kostet. Um Gottes willen, bleib! Ich kann nicht! Ich bin ein Bürger Deutschlands und muß! Hinaus mit ihm, hinaus! Ich komme! – Zu Fausts Vater. Mein eisernes Schicksal ruft mich! – Bald, tot oder lebend, bin ich wieder in euren Armen! Stürzt mit dem Gedränge ab. Es lebe Faust! Es lebe Faust! Fausts Mutter und Liese hängen sich vergebens an ihn. O mein Sohn! Verzweifelnd die Hände ringend. Mein Hans! Verzweifelnd die Hände ringend. Mutter, warum ließt du ihn doch studieren! 9. Szene 9. Szene. Freier Platz. Doktor Faust und Volk. Fortgesetztes Getümmel. vom Volk auf den Schultern getragen. Brüder! Mitbürger! Hört mich! Hört ihn! Bringt ihn auf den Hügel! Man bringt Doktor Faust auf einen Hügel. Ich bitt' euch, seid ruhig und hört mich! Stille! Stille! Hört ihn! Stille! Stille. Ich folgte euch. Ich hab' euch alles aufgeopfert, was mir auf Erden lieb und teuer ist. Nun sprecht: was wollt ihr? Wir sind freie Deutsche! Wir wollen frei sein! Frei? Recht so, edle Mitbürger! Ja, ihr seid freie Deutsche! Und Freiheit ist des Deutschen edles Kleinod! Aber wißt ihr auch, was das heißt? Hinweg mit den Steuern, den Fronen, den Schatzungen, den Beeten. Sie pressen unsern letzten Schweiß aus. Sollen wir denn ewig für die Vornehmen arbeiten? Fort mit den Kanzleiherren, Amtleuten und Gerichtsfronen, die uns wie das Vieh behandeln. Sind wir denn nicht auch Menschen wie sie? Fort mit den Pfaffen, Edelleuten und Müßiggängern! Sie trinken unser Blut und mästen sich von unserm Schweiß. Und ihre Tiere verwüsten unsere Felder. Und sie höhnen unsres Elends. Fort! Fort mit ihnen! Wir wollen frei sein! Ich habe euch gehört, hört nun auch mich! Stille! Stille! Mitbürger! Wollt ihr den Kaiser ehren und das Heilige Reich? Ja! Ja! Und alle rechtmäßige Obrigkeit? Wir wollen! Schwört mir's! Wir schwören! Nun wohlan! Dann zieh' ich mit euch, euren gerechten Beschwerden abzuhelfen, meinem Vaterlande die Freiheit zu erkämpfen, und gält's den letzten Tropfen dieses Bluts! Hallo! Hoch lebe Vater Faust, der Retter des Vaterlands! Hört mich nun, Mitbürger, und merkt wohl auf! Ihr wollt frei sein und edel! Das ist der unauslöschbare Charakter des Deutschen. Aber wollt ihr nicht auch ferner beisammenwohnen, das Land bauen und Hantierung treiben mit und nebeneinander, ruhig und friedlich? Freilich, das wollen wir. So müßt ihr Gesetze haben, die euer Eigentum schützen, den Guten schützen gegen den Bösen, den Schwachen gegen den Starken, den Furchtsamen gegen den Uebermütigen. Gesetze müssen euch beherrschen. Recht so! Brav, meine Mitbürger! Diese Gesetze müssen aber vollstreckt werden. Ihr müßt also Richter haben und Leute, die Ordnung halten. Es ist billig, daß es rechtschaffene Männer sind, die euer Zutrauen besitzen; aber ihr müßt ihnen gehorchen. Das wollen wir, das wollen wir! Ihr wollt beisammen bleiben und wohnen. Ihr wollt ein Volk ausmachen. Ja, meine Brüder, ja, edle Mitbürger, das wollen wir! Deutschland muß wieder ein Volk werden und längst sonnt sich meine Seele an dieser glorreichen Hoffnung! Aber dazu, Brüder, gehört Kraft, Mut und Opfer, eures Guts und Bluts, eures Lebens und Habe! Was sagt er da? Ihr wollt frei sein, so seid gerecht! Und vor allem ehrt das Eigentum! Sonst stiftet ihr nur eine Räuberhöhle! Wer unrecht Gut besitzt, geb' es heraus! Aber ihr wollt die Geistlichen und Edelleute verjagen. Warum? Weil sie Edelleute und reich sind! Warum? Um euch in ihre Güter zu teilen! Das wäre ungerecht und schändlich. Pfui! Gottes Priester dürfen nicht betteln; der Edelmann ist euer Mitbürger. Wollt ihr alle edel sein, so seid alle tugendhaft! Sorgt dann nicht! Der Tugend Flammenadel verzehrt den papiernen! Wollt ihr alle reich sein, so arbeitet! Der ist bestochen! Das ist ein Verräter! Habt ihr von dem Teufelsbanner etwas anders erwartet? Was? Was? Herunter mit ihm! Die Pfaffen und Edelleute haben ihn bestochen. Erwürgt ihn! Erwürgt ihn! Brüder! Bürger! Hört mich – Erwürgt den Verräter! Alle dringen auf ihn ein. Zerreißt ihn! Hängt ihn an den nächsten Baum! Was? So soll meine Laufbahn sich enden? Salomo, dein Siegel schütze mich! in der Luft. Fürchte nichts, Gebieter! Er führt auf Fausts Mantel ihn in der Luft davon; das Volk zerstreut sich. 10. Szene 10. Szene. Fausts Zimmer. allein. Faust! Faust! Wie ist dir? Dahin all deine goldnen Träume von Glück – diesseits und jenseits! – Diesseits und jenseits! O entsetzlich! Zerrissen das Spinnengewebe all deiner Hoffnungen! – Ha, verräterischer Dämon des Ehrgeizes, du führtest mich auf diese schwindelnde Höhe – und rings umher kein Fuß breit Lands mehr zur Ruhe! Rings umher unermeßlicher Abgrund! – Eine feurige Schrift erscheint an der Wand: » Faust, deine Zeit ist aus .« Ha! Was ist das? Furchtbare Erinnerung, ich bedarf dein nicht! Deine Flammenzüge stehn in diesem Busen! O mein Schutzgeist, warum wichst du von mir im entscheidenden Moment! Wahr! Oft verscheucht' ich dich! Aber ermüdet wohl die Freundschaft? Ja, ja, ich fühl' es, du bist von mir gewichen auf ewig. – Kühlung! Kühlung! Verzehrende Glut engt meinen Odem! Oh! Oh! Satan! Verräterischer Satan! Alle Pein deiner Hölle büßt deinen Frevel nicht. Der Gottheit Funke loderte in diesem Busen, und du wagst's ihn auszulöschen! 11. Szene 11. Szene. Mephistopheles. Doktor Faust. Was wirfst du mir vor? Ungeheuer, du erscheinst noch vor mir? Sprich, fordere Rechenschaft! Hier bin ich! O daß ich allen Jammer der Schöpfung seit deinem Fall zusammenpressen könnte in einen Laut, um, wär's möglich, dein Wesen damit zu zermalmen! Versuch' es! O ohnmächtige Allmacht! Harmonie des Ganzen war dein großes Gesetz, und du läßt es scheitern an diesem Wesen? Vernicht' es, wenn du kannst, oder entsage deinem Plane! Gut! Murre, fluche der Vorsicht, die Stunde der Verwandlung naht. Ein Engel würde murren, wenn Satan Rechenschaft fordert. Wes klagst du mich an? Wessen? Am Abend leuchtet mir eine furchtbare Röte. Wer tötete in mir dies wohltätige Ahnden veredelnder Unsterblichkeit, das die Welt in ihren Angeln hält? Dein Herz! Wer schlich sich in die tiefsten Abgründe meiner Seele, zog herauf den unmerkbarsten Keim der Schwachheit, begoß ihn mit der Gelegenheit, der Schmeichelei schwellendem Gifte, und zog ihn groß zum Laster? Wer hauchte jeden Funken von Tugend zur Flamme des Lasters? Ach! Meine Tugenden selbst wurden Laster unter deiner vergiftenden Hand. – Und ich war tugendhaft! Rein meine Seele von Druck und Raub. Hoch pochte mein Herz für Menschenglück und Menschenrechte. Und doch dein! Mein! Mensch! Habe alle Tugenden und eine Leidenschaft, so bist du mein! Ha! So wäre dieses Dasein nur eine Mausfalle! Aufgestellt dich zu belustigen? Wer ist ohne Leidenschaft? Wer entrönne ihr? Der sie alle beherrscht! – Faust, sei gerecht, denn auch Satan ist es. Als die ganze Schöpfung dir nicht genügte, riefst du nicht: Satan? O wahr, leider, wahr! Und du forderst, er sei ein Engel? Sterbliche! Ihn ruft ihr rastlos zu Gericht, wenn der anklagende Engel dort eure Schuld niederschreibt. Toren! Denkt ihr damit einen Pardonbrief zu erschleichen für euer Herz? – Genuß hatte deine Sinne gestumpft. Da erwachte dein Geist und ward ein Schwelger wie sie, schwamm umher in der Wissenschaft grundlosem Meere, ohne Steuermann; flog in ihm fremde Regionen mit Fittichen von Goldpapier; strebte, rastlos getrieben von verworrener Ahndungen Stachel, vorwärts, aufwärts – und fiel! Und darüber klagst du mich an? Ha, Elender! Ich kehrte zurück an den Busen der Natur, und du verfolgtest mich! Wahr! Ausgespannt ist mein Netz über die ganze Menschheit; denn seine Fäden spinnt Leidenschaft. Nahe dich ihm, dringe vorwärts, rückwärts, seitwärts; ihre Schlingen verweben sich dichter! – Horch! Die Uhr schlägt. Die Glocke schlägt! Verräter! Ich hatte nur eine Leidenschaft und sie war nicht aus deinem Reiche; sie war: zu beglücken! Wahr! Aber Tugend ist nur: Glückliche zu wissen. Faust, bedenk's! Du wünschtest dir Macht, und Macht ist der geborne Mörder der Tugend. Du hast erlangt, was du wünschtest. Ich hielt dir Wort. Halte das deinige! Du täuschtest mich! Du versprachst mir Glück. Ich gab, was ich hatte, was du fordertest. Horch! Die Uhr schlägt. Die Glocke schlägt! Eins, zwei, drei – ein Vierteil einer Stunde noch, und du bist mein! Fasse dich! O weh mir! – Nein! Nein! Meine Seele ist nicht dein, sie ist frei – so lang sie ist in der unermeßlichen Reihe der Wesen! Und wäre sie ein Atom, so steht sie unter der Allmacht Obhut! Ich trotze deinem Grimme. Elender! Ist der Mensch nicht ein freies Wesen? Sein Wille fessellos wie ein Gott? Beschwurst du nicht freiwillig den Bund? Ueber fremdes Eigentum! – Zittre! Ich kann niederfallen im Staub und anbeten und versinken in den Schoß des Allerbarmers, vor dessen Stimme die Hölle erbebt! Wag es und bete! Verschwindet. niederfallend, dann aufstehend; mit Verzweiflung ringend. O weh mir! Ich vermag's nicht! Ich bin verloren! Hohngelächter. Ha, was ist das? Der Hohn der Hölle? – O weint, Engel des Himmels! Zerfließt in Tränen! Heule, Unschuld und Tugend, die Hölle lacht! – Wo bist du, Vergangenheit? Daß ich noch einmal, zum letztenmal dich im täuschenden Wahnsinn an meinen Busen drücke! – Hinweg, Kamäleon der Zukunft! Hinweg! Hinweg! Ich hasse dich, ich entsage dir! Vernichtung, umschlinge mich mit deinem zermalmen den Arme! Fest! Fest! – Noch fester! Pause. Oh! Oh! Wie ist mir? Glut in allen meinen Adern! Hab ich euch erwürgt, blutige Gespenster? – Ha, der Hölle Angst rast in meinem Gebein! – Luft! Luft! – Pause. Grundlos ist der Barmherzigkeit Tiefe. Ich wag's! Zur Erde, halsstarrige Knie! – Umsonst! Umsonst! Furchtbarer Richter! Erbarmung! Schleudre mich hinaus mit deinem rächenden Blitze aus der Reihe der geschaffnen Wesen! Pause. Ich will mich fassen! In des Jammers voller Schale ist auch Trost! – O mein Vater, mein Vater! – Was ist das? – Auch Erinnerung ist Satan? Meine Mutter! Mein Sohn! Auf ewig seid ihr für mich dahin! – Reißt, reißt, des Herzens zarteste Adern! – Oh! Oh! Flucht meinem Andenken nicht! Zerstäub' es, Schwinge der Zeit! Ich lasse ja keine Stätte zurück, eure Tränen aufzunehmen. – Fausts Vater, Fausts Mutter, Liese, Gürgel im Hintergrund erscheinend, in der Haltung der Verzweiflung, ihre Arme gegen Faust ausstreckend. Vater! Mutter! Weib! Sohn! In furchtbarer Verzweiflung; die Erscheinung verschwindet. Ha! Auch dies noch, Satan! Du kennst den Dolch des Bewußtseins! Du hast ihn geschmiedet! O Elemente, bedeckt mich! Verschlinge mich, Abgrund! Pein der Verdammten, ich lache dein! Kühlende Flammen der Hölle, schlagt zusammen über das von der Natur gebrandmarkte Wesen! Ergreife mich, Satan, oder ich erwürge dich selbst! Oh! Oh! – – Die Glocke schlägt zwölf; Flammen fahren auf, Geister umringen ihn und entführen ihn in der Luft. Fußnoten 1 Im Original: Mephistophiles. 2 So läßt Lessing in der bekannten einzig noch vorhandenen Szene seines Fausts den Geist antworten. Verdient meine Idee neben der seinigen zu stehen? Das entscheide der Menschenkenner.