Reinhard Johannes Sorge Der Sieg des Christos Eine Vision dargestellt in dramatischen Bildern Franziskus der heilige Bettler [Widmung] Allen minderen Brüdern Warum hört man in euren Schulen nur von dem einen und nicht auch von dem anderen? O ihr Heuchler! Die Kräfte der Physik und die Zahlen der Geschichte geben eurer Jugend das Zeugnis ihrer Reife, aber der Name des Heiligen von Assisi ist nicht an mein Ohr gedrungen. Falle auf euch die Schuld, wenn ihr Steine bietet; aber den Hunger nach Brot legte uns Gott ins Herz. Widmung An den Heiligen Fels und Christus, – liebeglühend Jeder Müh dich unterziehend, Stehst du zwischen –, und das Nackte, Graue felsene Gezackte Hebt dich reinlich in die Lichte; Armer, gib, daß arm ich dichte! 1. Bild Erstes Bild Auf einer Anhöhe bei Assisi. Neben einer Eiche liegt Franziskus und sieht in das Land. Helm, Schild und Rüstung ihm zur Seite auf der Erde. Er hat das Schwert im Schoß. Dort winkt mir Assis. – Wunderbare Vorsicht! Wer bin ich, Gott, daß Du so zu mir redest! Ich bin ein armer Bursch. Was hab ich an mir? Nicht ein Spur von Heiligkeit, nur bös Von meiner Jugend an; mich dünkt, ein andrer – Sei es der Schlechteste – wär dennoch würd'ger Als ich. – Doch gabst Du mir den Traum. Den Traum! Franziskus, du! Narr deines Ich! Ich meinte, Der herrliche Palast, Geziert mit Schilden, Waffen und Gehängen Des Kriegs, den Du im Traumwort mir versprachest Samt meinen Kriegsgenossen, deute also Auf Ehre hin, eisernen Ruhm. O Tor! Ich sah das Kreuz nicht, heiliges Gebälke, Das in dem Traum das Waffenhaus mir schmückte! Auszog ich; Ritter sein, beißen mit Eisen Ins feindliche Gedärm, Des Schwertes Arbeiter, und gute Gasse Bahnen dem Mordzeug wider alle Feinde, Schien rühmlich mir, ein ganzes Leben wert. – Zu einem Ritter wollt ich in die Lehre. Er springt auf. Franziskus, doch die Nacht hernach, Franziskus! Schon auf dem Weg! In fremder Stadt! Da ging Zu dir die Stimme voll der Majestät: »Franziskus! Kann dir Besseres erweisen Der Herr oder der Knecht? Warum verläßt Den Herrn du um des Knechtes willen? Wisse, Geistlich gedeutet sein will dein Gesicht! Und dieses wird vollbracht in dir nicht menschlicher Anordnung nach, vielmehr aus Gnade Gottes.« – Da kehrt ich um und bin nun hier. O Herr, Und auf dem Wege süße Anmutung Gabst reichlich Du, ist süßer etwas, als Dir dienen!? Hei! Ich werf das Schwert froh fort! Er kniet. Du gibst ein neues mir in die gefalteten Hände, das führst mir Du, und ich es halte. Und der Herr Christus soll der Ritter sein, Bei dem ich geh in Dienst! Liebwerter Ritter! Dein armer Kriegsmann ich! Verfahr nur gnädig Und schone mein! Doch will ich Dir die Gasse Schon bahnen gut, wenn Du nur Gnade schickst. Was willst Du? Soll ich Mönch sein? Sag mir alles! O süß vielliebe Rüstung, mit dem Strick! Gib mir nur alles ein! Ich werde beten Fern von den Meinen, ungestört. Sankt Damian Ist eine alte, halb verfallene Kapelle, sie soll bergen meine Seufzer, Herbergen meine Tränen; gib mir Aufschluß! Er stutzt. Wie – halb verfallen? Halb verfallen? Was? Bist du ein Kriegsknecht Christi und willst dulden, Daß der gottselige Herr Verfallne Stätte schauen muß, wo Ehre Ihm drin gebührt und inniglicher Lobsang? Er steht wieder auf. Ich bau sie wieder neu! Mit meinen Händen! Das Schwert nicht führen, aber Steine schleppen Zu meines Herren Tempel! Auf, Franziskus! Nicht umgeschaut! Sogleich geh, schlechter Leib, Gerissner Sünder, büße! Denn der Holde, Um dessenwillen du dich beugst in Buße, Ist wert dein Bluten und ein ganzes Leben. Die Rüstung laß ich hier. O armer Schlucker! Ich habe nichts als meinen Herrn. Herr, hörst Du? Großmütiger Herr! Ich staune ob der Großmut. Nimmst Du sie an, die Dienste des Franziskus? Er geht hin. 2. Bild Zweites Bild Im bischöflichen Palast. Bischof, Pietro Bernardoni, Vater der Heiligen, der Heilige. – – – Und dieses nicht genug, Stahl er mir Tücherballen, lud sie auf Und zog nach Fulgineum, Verkaufte sie, in Seligkeit noch schwärmend, Gab noch den Rappen zu für lumpigen Pfennig – Und hat die Stirn, so wieder umzukehren Mit Geld ohn Gut; Worauf er dies dem Priester von Sankt Damian Aushändigt, der's nicht annahm; 's war Gestohlenes, Gestohlenes! Halunke von einem Sohn! Gesegnet seist du, Kreuz dir über, Vater, In Vater, Sohn und Geist – Er macht gegen den Scheltenden das heilige Zeichen. Du nanntest mich mit meinem rechten Namen. Halunke ich! Oh gibt es süßeren Wohlklang!? Er ist von Sinnen. Widerlich Besessner! Ich bitt euch, mäßigt euch! Sehr gut kann sein, Daß diesen Gott hat. Ha! Gestohlenes Verkaufen, so entwenden, heißt das christlich? Euer bischöfliche Gnaden, Lasset Euch nicht betören von dem Schlingel, Weißnäsige Gliederpuppe! St.. st.. st..! Die Würde des Ortes achtet! Sagt mir weiter Den wahrhaften Verlauf, Doch seid behutsam, daß ihr mir nicht sündigt In Zorn, nein, wütet nicht so! Ich befehl euch. Miteins zu sagen: kommt mir dieser Bursche Nach Assis ruhig unter meine Hände, Als wär es nichts. Sein Aussehn wie ein Irrer, Kreidweiß, Staub in den Zügen, das Gesicht Verwahrlost, so verwahrlost all sein Anzug Gleich dem geringsten Bettler, – Kot von der Gasse warf ganz Assis nach ihm Hohnlachend, er ertrug's, der Feigling, schweigend. Ein Edeler hätt sich gerächt, o Feigling! Mit Gassenkot! Mit Gassenkot! Pft – pft – Gebärde der Verachtung. Bin ich des Kotes würdig? Kot ist sündlos. Erstaunlich! Höchst erstaunlich! Welche Antwort! Ich aber nahm ihn unter meine Fäuste, Da setzt' es Hiebe, wie sich das gebührt, Euer bischöfliche Gnaden! Nun zum Ende! Ja! Hört nur! Meine Frau, die ließ ihn laufen, – Gott strafe sie dafür! – als ich verreiste; Ich hielt ihn streng in Wahrsam; – ließ ihn laufen! Und er trieb wieder trügerische Dinge Rings um die Stadt. Da riß mir die Geduld: Ich jag ihn aus dem Lande, mach mich auf, Ich jag ihn aus dem Lande! Doch er legt sich Ins Gras vor mich und sagt: »Nun schlage, Vater! Doch bleib ich, wo ich bin und wie ich bin Um Christi willen!« Nun sah ich es, wer Besessen, bleibt besessen, bleibe also, Sohn, der mein Sohn nicht ist, bleib hier zu Lande! Doch vorerst marsch! zur bischöflichen Gnaden! Und nun entsage du im Angesicht Des hochehrwürd'gen Herrn in meinem Beisein Dem väterlichen Erbe! Jedem Pfennig! Oder du bleibst nicht heil! Stille. Willst du entsagen? Entsagen, wie? Entsagen? Ist Entsagung, Mein bischöflicher Herr, Euer bischöfliche Gnaden, Sich aus dem Kote retten oder waschen Von Schlamm sich rein; denn Geld ist Pfui und Schlamm, Denn Geld ist Sünde; ist Entsagen: Sünde fliehn? Ich gebe, oh ich gebe, oh ich gebe Aufjauchzend, weinend hin mein ganzes Erbe Um Christi willen; weinend, daß der gute Herr Christus mich so überschwänglichen Gewinnes würdigt, den ich mir verdiene Durch meinen Unverdienst. O Herr! O Herr! Ich habe nichts auf dieser Welt als Christus! Und dieser Mann da, der da steht, will nicht Mein Vater sein; ich danke, oh, ich danke! Er sinkt in die Knie. Willkommene Gelegenheit! So darf ich sagen: Vater unser, Vater, Du Einziger im Himmel hoch! in Rührung. O Armer An Gut, doch reich an Gnade, reich in Gott! Ehre sei deinen Worten! Zu Pietro. Doch ihr habt Gehört den mutigen Treueeid des Sohnes Dem Christus zu; so schweigt und geht von dannen! Und ein Notar besiegelt's. Halt die Kleider! Die hab ich, Vater, noch von dir. Zurück Darf nichts ich halten vom elenden Gut! Er beginnt sich zu entkleiden. Hier sind sie Stück um Stück. Er bricht in Tränen aus. Das Unterkleid, Ich bitte, seht nicht an; denn es ist hären. Ich hab es von Erbetteltem. Nicht ansehn! Jetzt muß ich offen zeigen, was ich heimlich Wollte verborgen haben, Kleid der Buße. Um Christi willen sei es! Deine Kleider, Gestrenger, darf ich nicht behalten. Er ist ganz bloß bis auf das härene Bußhemd. breitet nach langem Schweigen ihm die Arme hin. O bloßer Christ! Ich möchte dich besitzen! In meine Arme eile! Wie Johannes Ein zweiter Rauher nackt! Ich bin dein Bischof. neigt sich demütig der Brust des Bischofs. Ich bin Euer Schäfchen. Laßt mir meine Wolle! 3. Bild Drittes Bild Papst Innocenz III. Kardinäle. Der armselige Heilige niedergeworfen zu Füßen des päpstlichen Stuhles. Wer ist der sonderliche Mann? Er nenne seine Regel! Nenne sie! Die nackte Armut. Abgerissenheit. Der Kirche Kleinod ist die Armut längst Samt Keuschheit und Gehorsam. Führst du ein, Was längst Bestand hat? Nenne deine Regel! Das Evangelium. Wie wäre dies? Als Christus, heiliger Vater, unser Meister, Die Jünger sandte, zu verkündigen Die frohe Botschaft, sprach Er: »Ohne Geld Zieht aus, habt nicht zwei Röcke, keinen Stab, Noch Schuhe an den Füßen, noch auch Vorrat An Wegzehrung!« Also der Benedeite. Nun traf dies Wort mich armen Staub und Asche So wie ein Blitz ins Innre: Süßer Christus, Zu was befahlst Du dies, wenn nicht zur Folge Und mutigem Gehorsam? Was der Sohn Gottes uns vortat oder redete, Ziemt alsobald uns nachzutun, es sei denn, Wir wünschen Anteil an dem Göttlichen. Drum also dies die Regel: Mindre Brüder Wollen wir sein und unser Meister Christus, Der minnigliche Herr, Wir wollen arm wie Seine Jüngerschar Ins Weite ziehen, bloßer als die Sterne, Ganz glanzlos, nur mit Gottes Lieb bekleidet, Gedrehte Hände leer, demütiger Nacken, Barfüßig, schlechtes Tuch, wandelnde Blöße, – Daß Gottes Liebe zu bekleiden hat, Damit dem weißen Fittich Seiner Güte Wird ganzer Platz zuteil, drum sind wir nackt. Nur zur Verherrlichung! Nur zur Verherrlichung Des höchsten Herrn, ganz evangelisch, wahrlich. Die Regel scheint uns unausführbar. Nein, Wir geben nicht das Siegel. Wie der Papst will. Mög mir mein armer Herr zum Sieg verhelfen! Ich bitte meinen Christus. Er flüstert alsbald, immer auf dem Angesicht liegend, sein Gebet. zu den Kardinälen. Nun, was dünkt euch? Gebt ihm zur Antwort: So besteht kein Orden! Das war zu Christi Zeit. Er würdigte Sich also, Der eingeborne Sohn, Die Jünger zu erhalten auf der Reise. Heut ist Er nicht mehr unter uns auf Erden Ein Mensch, heut thront Er längst im Tabernakel; Vermessenheit, zu fordern, was nicht stimmend Mit wahrer Demut ist; denn wahre Demut Begibt sich solcher Forderung, demütig Schafft sie das Ihre, läßt sich nicht ernähren Von Gott, ohn einen Finger aufzuheben. Vortrefflich diese Antwort. Mann, vernimm sie! Stille! Franziskus flüstert weiter. ungeduldig. Es geht das Hirn des Menschen manchmal schwanger Mit Spuk phantastischen Gedinges, also Scheint uns das deine, Mann. Wie? Hörst du nicht? Nackt, gänzlich arm, in Blöße, sind wir Tiere? Du geh hinaus und wälz dich mit den Schweinen Im Kot und fühle, ob sich dies geziemt. Franziskus küßt ehrfürchtig den Boden und entfernt sich eilig. Stille. Vorsichtig urteilt Eure Heiligkeit, Und nur mit Recht. Denn allzu leicht schießt auf Das Unkraut, gibt es sich auch gutes Ansehn. Doch hier ist Weizen. Eure Heiligkeit Verzeih den Ausspruch Ihr zuwider! Freilich, Bedachtsam handeln, ganz mit Vorsicht, klug! Es gilt die heilige Kirche! Aber dieser Ist echtes, rechtes Korn und gottgesendet. Wenn wir die Bitte dieses Armen Verwerfen werden, hüten wir uns wohl, Das Evangelium zu kränken! Wer In Worten Christi liest Unmöglichkeit, Der, mein ich, läuft Gefahr. Stille. bedachtsam. Wir wollen beten Um eine Offenbarung, um ein Zeichen. Es gilt die heilige Kirche. Wir sind Mensch, Und nur der Heilige Geist aus großen Gnaden Nach demüt'gem Erflehn Kann uns vor Irrtum wahren, rein gemäß Dem Ausspruch Christi. Bitten wir ein Zeichen! Der heilige Franziskus kommt wieder, über und über mit Kot besudelt und bleibt, aus Furcht, durch die Nähe dem Papst lästig zu fallen oder durch seinen Kniefall die Würde des Ortes zu verunreinigen, an der Schwelle demütig geneigten Hauptes stehn. Hier bin ich Ärmster! Eurer Heiligkeit Gebot befolgend, zitternd, Euch zu kränken, War ich bei Schweinen in dem Miste. Oh, Gebt Huld! Gebt Huld! Um Christi Wort das Siegel! Der Papst hat sich überrascht erhoben. Staunen unter den Kardinälen. Dies ist das Zeichen! Wir bedürfen keines Zweiten! O, Mann der Demut! langsam, unablässig den Blick auf Franziskus. Säule der Kirche! Du hast gesiegt. Die Regel hat das Siegel. mit demütig erhobenen Händen. O süßer Heiland, Dir allein die Ehre! 4. Bild Viertes Bild Vor der Scala Santa beim Lateran. Der Heilige kniet vor der untersten Stufe tief bis zum Boden und Bruder Leo hinter ihm bis zum Boden. Dies also sind die Stufen, Bruder Leo! Oh, vielfach benedeit! Mein Herz will brechen! Hier schrittest Du, unschuldig auserkornes Und gottgeweihtes Lamm, Gebückt, zwischen zwei eisernen Römern, hin. Und nun der Abstieg! Oh, du süße, himmels- Wonnige Liebe! Striemen heiß bedeckten Den Leib Dir, Deines Vaters Zornesküsse, Mit welchen Er Dich herzte, nach der Schuld Der stumpfen, bleiernen, schuldvoller Menschen. Oh, süße Liebe, süße Liebe! Leis Beträufelte der blutige Regen weißen Marmor; und unsre Herzen, unsre Herzen Bissen Dich wund, wie Mörder-Ungetüme! Er schluchzt tief auf. Und ich, der Bruder Franz, dies arme Wenig Von Menschennot, ich immer noch Zuviel, Darf Deinen süßen Schritten meine nachtun! O sel'ge Gnade! Sel'ge Gnade! Nein, Innig Geliebtester, ich bin nicht würdig! Ach, nur dies Wissen, daß Dir wohlgefällig Diese Verdemüt'gung, Bestimmt mich auf die Stufen, auf die Stufen, Die, sprachlos, noch vom Hall der Liebe zittern, Die sie betrat, die immer Liebe schwingen Hin in den Raum, noch überreich von damals; Die immer Liebe klingen für das Lauschen Der Engel. Sel'ge Gnade! Sel'ge Gnade! O armer Wurm, bekniest die erste Stufe! Er kniet tief auf der ersten Stufe, sie immerfort küssend – Stille. rückt kniend ihm nach. Ich tu dir nach, mein Vater, ich bin deine Fußspur, ich armer Leo! Küsse! Küsse! Ach, gäben meine Lippen Flammen her! Oh, kaltes Herz! Oh, kaltes Herz! Mein Heiland! Du Bräutigam der Liebe, Liebe Du, Von Schmach ganz überhäufter, atemlos Aus Liebesübermaß, Du wankender Himmel! Hinwankend unterm Schmerz, mit leeren Händen, Du übervolle Hand, durch die das All Rollend Bestand hat! Süßer, Lieber! Ach! Er kniet auf der zweiten Stufe, Bruder Leo alsbald auf der ersten. Ach, meine Zunge ist unwürdig – Und möcht doch immer bilden, immer bilden Den süßen Namen Jesu! Immerzu Ein ganzes Leben lang und weit darüber Nur immer Jesus lallen, Jesus, Jesus! Du nie erhörtes Wort! Du Himmelssalbe! Du Born, Du unsre Wiege, Menschen-Freund! Du reinste Lust, Du Engelhüpfen, Du – Oh, süßes Rinnen! Süßes Rinnen! Wie Der Liebliche mir niederkommt, mich tränkt Mit Milch der Gnaden! Weiße Milch der Himmel, Einst tränkst Du mich für ewig, immerzu! Da ist nur immer Tränken, da heißt Dasein Tränken aus himmlisch süßer Milch. Und meine Irdische Zunge darf dann Himmelfeuer Zu Gottes Lobe spein. Darf Regenbogen Verkünden über Ozean der Güte Und ewiger Seligkeit. O heiß Geliebter!! Er ruht sprachlos mit dem Kopf auf der Stufe. Ach, Jesus! Der Heilige kniet auf der dritten Stufe, Bruder Leo folgt nach. O Leo! Hier ist Blut! Hier sind zwei Tropfen! Ach Wunder! Wunder! Übermaß von Wunder! Noch sind sie sichtbar, Edelsteine, schimmernd Im Weißen. Heil'ge Treppe! Heil'ge Treppe! Ich werde küssen, Blut des hoch Erwählten, Dich, innig Unterpfand zukünftigen Lachens. Mein Gott, mein Alles! Der Du alles mir Gegeben: Hauch und Atem, reine Regung, Gesicht und Hand, mich durch und durch beseelst, O unschätzbares Gut: gott-einiges Leben! Ich will Dich küssen und im Kuß umhauchen Mich lassen von der angestammten Macht Der Liebe, die Dich sehnend niederzog Ins Weltenweh, o leidender Beseliger! Denn diese Stufen durch Dein bitter banges Weh, wurden sie die Leiter in den Himmel Durch das geliebte Naß. O Heiland! Heiland! Dein rot durchstochner Herzschlag hält stark hier die gesamten Stufen, Auf denen Dir jetzt ein Beleidiger, Ein Herzdurchbohrender herzdurchbohrt nachfolgt! O Gott, ich will hinzusteigen zu Deinem Altar im Himmel, zum Altar des Lammes – Zu Gott, der meine Jugend durchzückt – Franziskus bückt sich im Kusse. 5. Bild Fünftes Bild Vollmondnacht. Beschneites, weites Feld. Rechts Dorngestrüpp und unter ihm eine winzig kleine Zelle aus Backsteinen, in welcher der Heilige, nur im Rücken sichtbar, betet. Ai! Ai! Ai! Ai! Nie! Nimmer! Satan! Sagt nicht der süße Herr: »Wer läßt sein Weib Um meinetwillen –?« Und: »Verlasse alles!« Nein, nein, ich greif nicht zu! Du bietest da Mir etwas Blühendes, prangend in Reizen. Und Jesus sagt: »Es gibt Verschnittene, Die sich verschneiden um des Himmelreichs willen.« Und der Apostel singt von den vieltausend Jungfräulichen in weißen Kleidern, die In Weihrauch stehn und goldne Harfen schlagen Auf Zion unablässig und ein Lied, Vom Weibe unbefleckt, zu singen wissen, Das weiß nicht der, der je ein Weib umarmt hat. Ich will dies süße Lied. Nun weiche! Weichst du? O heilloser Verräter! Immer ärger Stellst du mir nach? Wohlan! Er eilt aus seiner Zelle vor und wirft sich in den Schnee. Wohlan, du Feind, ich will dich überlisten, Denn wir sind schlangenklug nach dem Gebot Des Meisters. Also sieh: ich balle Klumpen, Er formt Schneeballen. Sieben. Der große, sonderliche deutet Mein Weib – und hier zwei Söhne und zwei Töchter. Und Knecht und Magd dazu. Und nun, Franziskus, Schaff Brot und Kleidung, schaffe dies und das, Sei hier und dort, nur nicht bei deinem Herrn, Dem süßgeliebten Christus! Tue dies Und tue das, nur nicht ununterbrochenes, Beseligend Gebet in stiller Zelle. Er steht auf. Feind, wenn dir dieses nicht genügt, vernimm in Inbrunst: Ich will die Ewigkeit und nicht die Zeit; Die Zeit ist tot, die Ewigkeit ist lebend. Ein Weib ist Zeit, und eine Ewigkeit Ist ewige Hochzeit ewiglicher Minne. Ich will die Ewigkeit! Mir gab den Ring Das Lamm, das alle Zeiten überbrückte Im blutigen Opfer. Und ich halt den Ring, Den süßen, feurigen, an meiner Hand. Ich bin des Geistes und vermählt dem Geist, Ich zeuge feurige Tage Der ewiglichen Minne süß in Christus, Im Vater und im Geist. Sei, heilige Jungfrau, Du reines, weißes Haus Des Herrn, mein Beistand! Und du weiche, Satan! Er wirft sich in die Dornen, und es sind lauter rote Rosen. 6. Bild Sechstes Bild Nacht. Sturm. Fliegende Wolken. Ein Zickzackweg erklimmt eine Anhöhe. Der heilige Franziskus von rechts, voran ihm der Bruder Leo. Der Wind ist ihnen entgegen und zerrt ihr armseliges Gewand. Der Regen durchpeitscht sie. Sie ersteigen langsam hin und her den Gipfel, auf dem ein Kreuz seine nackten Balken zeigt. O Bruder Leo! Wahres Schäfchen Gottes! steht. Mein Vater redet – Nicht so, Bruder Leo! Laß uns nur weiterziehn in dunkler Nacht! Daß wir nicht zögern! Weiter! Redend geh ich. Bruder Leo geht alsobald. Schreib auf, schreib auf und zaudere nicht, mein Schäfchen, Den Spruch des Minderen, den Spruch des Bettlers Franziskus, des ganz armen, Würmchens Christi: »Wenn auch ein minderer Bruder Blinde sehend Machte miteins und Krumme gerade, Teufel Ausfahren mit Geschrei, Dämonen zittern, Stummen die Zunge löste, Lahmen Füße, Viertägige Tote ließe leben, (schreibe, O Leo, dies bedachtsam mit dem Griffel:) Ist nicht vollkommene Freude, nein, dies nicht.« Erstaunlich, Vater, sehr erstaunlich! Sie schreiten hin. Leo! Und füge dies noch bei, du treues Lasttier: »Die Sprachen aller Zungen, Wissenschaft Und Schrift und Prophezeiung und das Schauen In die Gewissen andrer ganz durchdringend, So alles das ein mindrer Bruder hätte: Ist nicht die wahre Freude«, sagt dein Griffel. Ich schreibe, Vater, jedes Wort mir ein In mein Gewissen, zu Portinukula Trag ich es nach, Und nach noch nicht den Schluß! »Denn falls ein minderer Bruder durch die Gnade Des süßen Christus redete mit Lippen Von Engeln überfließendes Geheimnis, Der Sterne Lauf vernähme, in den Kräften Die Kräuter alle kennte, aller Tiere Eigene Art, der Wurzeln und der Steine Heimliches, alles dies, dazu noch Heilkraft Von alledem: Es ist nicht wahre Freude, Ist nicht vollkommen froh, ist nicht der Jubel.« Sie schweigen wieder eine Weile. O Schäfchen, Schäfchen, ich muß weiter sagen: »Wenn auch ein minderer Bruder Prediger Gewaltig wäre, alle Heiden finge Ins Netz, bekehrte und bekehrte: nein, Dies ist noch nicht der Springquell, der hoch aufspringt In Freuden hin zu Gott.« O Vater, Vater! Ertrag ich's noch? O süßer Überschwang! Nein, Bruder Leo, ob die minderen Brüder Schon auf der ganzen Erde Beispiel sind Von Heiligkeit und Andacht zur Erbauung, Wie wär das wahre Freude! Wahre Freude! Vater, ich halt es kaum! Ich halt es kaum! Ich bitte dich um Gotteswillen, Vater, Worin besteht sie nun? Oh, sag es doch! O süßer Name Jesus! Aber wenn Mein Schäfchen Leo, wir anlangen in Santa Maria degli Angeli, Von Regen ganz durchweicht, von Kot ganz sudlig Und mit dem Wurm, dem Hunger, – pochend also Ans Tor, wenn dann der Pförtner kommt: »Wer seid ihr? Ihr naseweisen Schlingel!« Wir hingegen Demütig, Bruder Leo, demütig Ihm sagen: »Zwei von euren Brüdern, Herr!« Nun wirft er uns das Tor zu: »Schlechte Wichte!«, Noch hinterdrein; wir aber stehen draußen Starr, steif vor Kälte, und er tut nicht auf In unwirtlicher Nacht; schreib: »Freude! Freude! O hohe Himmelsfreude! Born der Gottheit!« Ich schreibe schon: »O hohe Himmelsfreude« Wir zittern durch und durch und klopfen an Von neuem er jedoch fährt böse zu: »Packt euch von hier, ihr Niederträchtigen! Ins Wirtshaus! Oder wie? Wer seid ihr denn? Hier gibt es nichts zu essen!« Dabei schlägt er Mit Wucht ins Angesicht, daß wir schon taumeln, Dies ist die höchste Freude dieser Erde! Ich schreibe fort und fort. Noch einmal schlagen Wir atemlos das Tor: »Tut uns doch auf!« Und flehen jammernd: »Wir sind mindre Brüder!« Nun ist zu Ende die Geduld des andern. Er gibt den Stock zu kosten. Tüchtig! Tüchtig! Wir liegen da am Boden unter Hieben. »Ihr unverschämten, meisterlosen Kerle!« Und Wunden springen auf und platzt die Haut – Wir aber jubeln ob so vieler Schläge, Eins mit dem Kot, vor Schmerzen klappernd, preisen Den gütigen Gott, der uns gewährt, die Leiden Christi zu schmecken, zu ertragen; schreibe: »O hohe Freude, ist ein Brautbett froher?« Ja, schreibe, Leo, schreibe dies! Sie sind oben. Mein Vater! unter dem Kreuz auf den Boden niedergestreckt. Und ach! Hier unter diesem süßen Holze Und benedeitem Lamm Erkenn ich voll das Übermaß von Hochmut Der Seele mein. Gleich trittst du, Bruder Leo, Mir auf die Kehle, hin und wider schreitend, Und gibst mir unablässig diese Namen: »Du Schuft, du Lästerer, Ehbrecher, Mörder; Wie, hörst du noch nicht auf?« Und trittst mich weiter. Beim heiligen Gehorsam! zögernd den Fuß auf des Heiligen Kehle setzend. Süßer Vater, Warum nur dies, warum nur dies? O wehe! Du bist das nicht! Zu, Bruder Leo, zu! Ich war das alles. Ohne Gottes Gnade Wäre ich es noch. Und jeder Mörder wäre Besser als ich bei soviel Überströmen Von minniglichem Reichtum aus der Höhe. Zu, Bruder! Hungert mich nach deinen Worten! Und tritt mir derb! O süßer Mörder, Vater, Ehbrecher, Schuft – Er bricht in Tränen aus. Ich kann nicht! Ach, ich kann nicht! So wenig Wahrheit sagen, Bruder Leo? Ei sieh! Doch hast du auch die Schrift bewahrt, mein Sohn? Wenn wir geschlagen werden von dem Pförtner? – Dort hängt der Heiland an dem bitteren Balken, Der Herr der Welt macht beide Arme breit! O süße Wonne mein! Oh niedrig! niedrig! O Würmchen Gottes! Süße Liebe! Gott! 7. Bild Siebentes Bild Weite Ebene. Im fahlen Mondlicht sitzt der heilige Franziskus mit seinen Elf. Er sitzt auf einem Stein, und sie im Kreis zu beiden Seiten vor ihm. Aus einem Korbe langt der Heilige Stücke Brot und verteilt sie. Sie gehen von Hand zu Hand, sie brechen die Brote und halten Mahl. Wir essen nun das letzte Mal mitsamt. – Dann geht hinaus, zweie und zwei, wie Christi Jünger hingingen, einer und der andre Und wieder zweie durch das ganze Land. Also auch ihr! Stille. Wen wählst du aus dir, Vater? Ich wähle mir den Leo, Schäfchen Gottes. Stille. Seht, welch ein Morgen nah am Tagen ist! Das Graue ist so keusch und ungetastet, Wie unseres Heilands Mantel grau vom Staub Des Wanderns und doch unberührbar. So auch der Morgen. Alles Gott zur Ehre! Und Seinem Christus! Wie der Wind nun hinstreicht Und uns die Mäntel hebt! Viel schöner weht Der blumige Gottesgeist zu unsren Häupten, Lüftend die Decke unsrer armen Ohnmacht Und Nacht von Mensch und Schuld. Er hebt beide Hände und kehrt das Antlitz gen Himmel. Ja, Brüder, preiset Den Süßen, den die Himmel all nicht fassen; Und der doch klein ist, wie ein weißes Brot Und runde, weiße Scheibe –, der zu Hause In einem Zelt, das niemals ganz enthüllt wird Erschaffenem, und das die Engel heilig Bestaunen jede Ewigkeit und alle Die lieben, tapfren Heiligen: das Zelt Der allerheiligsten Dreifaltigkeit! Ja, Brüder, kniet mit mir und betet an! Sie knien alle mit ihm nieder. O süßer Gott, der Du das Würmlein herzest, Das in dem Grase kriecht, der Du sogar Das Würmlein Mensch mit Gegenwart beseligst, Allgegenwärtiger, so innig nah, Daß wir nur fassungsloses Staunen haben Und Tränen, rinnend ob der vielen Güte –: Sieh hin auf Deine kleine, mindre Herde, Die in dem Grase weidet, das Du sätest Durch Wort des Sohnes, die dem treuen Hirten Durch Ewigkeiten folgsam folget nach; Sieh an, wie sie nun ziehn, zu zweien also, Gesegnet nur durch Dein erhabenes Beispiel, Ziehn in die böse Welt! Und Wolle lassen Und Blut um den ganz teuren, hohen Christus, Das ist der Herzwunsch, den Dir jedes Herz schlägt Der kleinen Herde, der geringen. Daher Gib Deinen Segen, Vater, Sohn und Geist, Und Deine Gnade! Deine Salbung salbe Uns mit dem lauteren Geist der heiligen Armut, Demut und des Gehorsams; unsre Hände Mach allzeit leer, daß sie schön bitten lernen, Wie es sich ziemt für Hände minderer Menschen! Und segne uns! Und benedeie uns! Ja, gib uns Segen! Amen. Amen. Amen. Er steht auf und alle Brüder stehen. weisend. Ihr nach Ägypten, ihr nach Spanien, ihr Nach Palästina, – euch sagt ich es schon –, Ihr in den Norden, also zieht mir hin, Geliebte! Ich bete allzeit um euch, ihr für mich! Gott gab mir oft die Gnade, die Entfernung Betend zu überschauen, oft schon sah ich Den Weitzerstreuten mit dem Blick der fliegenden, Sorgend wachsamen Liebe allen zu. Ich weiß dann, wo Gefahr ist, Räuber, Flüsse, Verleumdung, Kerker, Wolf, Frostnächte, Hitze: Ich schaue sie und komme heil zu Hilfe, Betend, um Engel bittend, die da schützen. So geht nun allesamt und kehrt mir wieder Hierher an diesen Ort und baut mir Hütten, Wartend einander ab bis wieder elf sind Und ich der mindere Vater! Meine Söhne! Betet ihr schlicht, so betet »Vater unser«, »Gegrüßt, Maria« und »Herr Jesus Christus, Wir beten an und benedeien Dich, Denn durch Dein Kreuz hast Du die Welt erlöst.« jäh einfallend. Oh, träfe mich der Henker mit dem Eisen! Oder die heil'ge Flamme fräße mich Und gäbe endlich, endlich süße Einung Mit meinem Herrn, die minnigliche Hochzeit! Franziskus, bitt, daß mich die Flamme frißt! Auffrißt mich auch, Franziskus, auch den Leo! Und mich! Und mich! O teure Schafe, Herde! Das steht im Willen unsres Herrn. Dies süße, Feurige Bett ist eine große Gnade. Verlangt es nicht so unbescheiden! Wer Ist solcher liebenden Umarmung würdig? O niemand, Vater! Niemand! Also, Schäfchen, Zieht hin, und niemand gebe Anstoß von euch! Die Völker grüßt: »Der Herr verleih dir Frieden!« Und bietet an die Liebe immerzu, Die Liebe Gottes laut oder auch leise, Wo ihr nur Menschen trefft, geheim und offen. Aufwachsend. Ihr habt den Schatz, ihr Armen! Salz der Erde Seid ihr, mit glaubeninnigen Tränen salzend Das ganze Erdreich und die ganze Erde. Mit herber, starker Lehre aller Menschen Glückloses Dasein zwingend, beizend treffend. Mit Salz vom Ewigem salzend das Schale Der Zeit in dieser Welt, o mächtige Herren, Ihr allesamt aus dem, der Opfersalz ward, Aus ihm, dem Lamm! Stille. Und sprecht mir auch die Horas Gut und pünktlich, wo sie treffen, ob im Gehen, Im Stehen oder Liegen: Gott die Ehre Demütiger Anrufung! Im Regen oder Im Schnee, bei Tag und Nacht, ihr Brüder, allzeit Ewige Lampen, brennend vor dem Herrn, Die Herzen! Geht nun! Zwei und zwei ihr tretet Heran und nehmt von mir den Kuß des Friedens Und schenkt ihn euch und bringt ihn heil zurück! Und schafft mir Frucht! Sämänner meine! Kommt! Sie treten hinzu, immer zwei, sich bei den Händen haltend. Die Stirnen neigen sie, dann küßt sie der heilige Vater, dann küssen sich die beiden, wappnen sich mit dem Kreuzzeichen und gehen wortlos hin nach ihrer Richtung. Zugleich mit dem Kusse haucht ihnen der Heilige das: »Pax tecum«. Man sieht, wie sie über die weite Ebene sich verbreiten. Zuletzt ist Sankt Franziskus allein mit dem Bruder Leo. Komm Bruder, in dem Zeichen unsres Herrn! Doch vorerst deiner Stirn ein Kuß und meiner, Und leise zeichne uns der fromme Finger Auf unser Haupt das auserwählte Zeichen, Das T, wie wir es im Propheten lesen! 1 Hier nimm es hin! Nun gib es mir! Ich gab es Allen. Da ziehen sie. Zieht hin, ihr Brüder! Und kehrt zurück, die Kutten weiß vom Reifen Des Weizens, den euch Gott reichlich beschere! Voran, mein Leo, wie wir es gewohnt sind! Er schlägt das Kreuz, so auch der Bruder Leo. Bruder Leo geht vor und Franziskus folgt nach. 8. Bild Achtes Bild Mattenkapitel: Die minderen Brüder erfüllen die Ebene. Nur ärmliche Hütten aus Strohmatten unterbrechen die dichtgedrängte Menge der Mönche, die sich weit ringsum dehnt, ein Feld der Geringen. Ihr Vater Franziskus steht mitten unter ihnen auf einer kleinen Anhöhe predigend. Ihr fünfmaltausend Brüder! Süße Herde! Der Herr gibt Sieg! Der Herr gibt Sieg! Seht, zahlreich Wie Meeressand, fruchtbar unüberwunden Ist eure Menge, die Er durch den Ärmsten Und Mindersten der Mindren Zeugte, der Allerbarmer! Meine Brüder Fünftausend! Ihr habt euch der Welt enteignet Und greift das Himmlische mit beiden Händen, Ihr selig Reichen, Sofern ihr Gott erfüllt, was ihr versprochen. Bringt weiter Frucht! Bringt weiter Frucht! Blüht, Brüder! Ihr tragt der Welt die Ewigkeit entgegen, Tragt ihr mit vollen Händen süßes Heil Und ewigen Bestand, ewige Wonnen Vom Heiland zu, der Sich für uns enterbte Der angestammten Herrlichkeit. O Brüder, Bringt weiter Frucht! Die Welt beseligend! Krankheiten heilend, die Aussätzigen Reinend; wo immer Jammer ist und Fehde Und wankendes Bestehn, Tragt ihr das Saatkorn zu, das den Gott-Vater, Den Süßen birgt zu heiler Süße, zu Süß blühendem Gedeihn. Dies Saatkorn ist Des Sohnes Wort, des Heiligen Geistes Hauch. O reiche Ritter, überreiche Ritter! Heersturm des Herrn, verbrüdert mit den Scharen Stürmender Engel, die den Satan bannen Ins unterste Bereich! – Habt kurz die Summe, Geliebte Brüder, Summe der Liebe, hört: Armut: Herr Jesus Christ ist arm geboren, Arm kam Er her vom Stern Des Jenseits aus dem Schöße Seines Vaters. Hat arm gelebt, Armut gelehrt, ist arm Dahin. O Armut, edle Liebe Christi, Wahrhaft erwählte Braut! Sie blieb am Kreuz Nackt ausgespannten Arms Ihm treu; Maria selber mußte drunten Verbleiben. Liebt deshalb die heilige Armut! – Keuschheit: Wie innig Jesus Keuschheit liebte, Sieht das beschauende Aug In der jungfräulichen Geburt des Herrn. Er hüllte Sich in reinster Jungfrau Fleisch, Sich, die wandelnde Liebe. Welch ein Mensch! Drum, Lämmlein, trügt euch um den Zarten nicht, Ihr habt Ihn sichrer unbeweibt. Er riet Die reine Jungfrauschaft, und Er bewahrte Dies unberührte Gut, und Er schied hin Erblassend zwischen Jungfraun. Reiner Christus! – Zuletzt Gehorsam: Er hielt Gott Gehorsam Rein von der Krippe bis zum Kreuz. Schaut auf Ihn! Gehorsame der heiligen Kirche seien Die Minderen, nicht selbstisch, keine Ketzer! Die heilige Kirche ist die nährende Mutter, Ihr liegt an ihrer Brust. Ja, Brüder Schäfchen! Drum irrt nicht in die Dornen! Vieler Abfall, So sah ich im Gesicht, Wird kommen in den Zeiten, schreckliche Verwirrung, die sich für die Wahrheit ausgibt. Nacht wird Tag heißen, Morgenröte nennen Die Sänger die Lohe ihres Untergangs. Ich sah das alles, Brüder! – Zeiten nahen, Da ist die Liebe lau, und Menschen werden Gebrandmarkt, die nicht leere Worte reichen, Und die die Hände tragen voller Flammen Der Himmelsleidenschaft. O Brüder, Streite Gibt es noch viel! – Ihr aber habt die Liebe, Die sich gekreuziget um unseretwillen, Im Herzen rein in steter Anbetung! Bewahrt das Band! Seid demütig im Glück! Im Unglück frohe, in der Trübsal Milch Und süße Labsal immer noch! Habt Frieden Mit Gott, mit euch, mit allen Friedenskindern! Brecht Segen euren Feinden! – Nun laßt beten Uns zu der unerschaffnen, benedeiten, Himmlischen Liebe! Kniet! Der Heilige kniet, und die Fünftausend neigen sich wie Weizen vor dem Wind. hebt an. O Vater unser ...! 9. Bild Neuntes Bild Der Heilige kniend auf dem Berg Alvernia. Morgenröte. Des Heiligen Antlitz lodert im Feuer. Er hält die Arme gebreitet. Auf weißer Haut empfing ich Deine Wunden, Dein Liebebluten, Meister, übertrug sich: Aus Deinem Himmel trafst Du mich mit Peinen, Aus Deinem Glühen stachst Du mich mit Licht! Er sinkt blutend hin. Der Liebe Opfer Du, o Christus, Liebe Küßt mich bis in den Tod fünffach im Kuß! Er verstummt. 10. Bild Zehntes Bild Die Sterbezelle des Heiligen zu Portiuncula. Die elf Brüder stehen um Sankt Franziskus, der auf der nackten Erde stirbt. Durch den niedrigen Eingang in der Rückwand der Zelle sieht man ins leuchtende Rot des Abends. – Eine Weile Stille. aufrufend. Mein Vater! am Fußende. Seht der letzte Seufzer hauchte Ihm hin! Sie sinken alle in die Knie. O Vater, bist du hin! Mein Hirte, Was soll ich Schäfchen ohne dich? Nicht weinen, Leo, der gute Vater ist in Freuden! O Vater, bitt für uns! Bitte für uns! Bitte für uns den Vater in den Himmeln, Der unser aller erster, einziger Herz-Vater ist, oh, bitt Ihn, frommer Vater! Vater Franziskus, bitte Ihn für uns! Seht, wie er ruht, wie eine Lilie schlicht Gelegt! Wie eine schlichte Armut duftet! Duft spür auch ich, so wie im Frühling morgens Frühe die Rosen duften, die der Tau netzt. Der Tau des ewigen Lebens netzt den Vater – Und seine blinden Erde-Augen salbt er – Mit Fernsicht in die Gottheit salbt sie Gott. Drum laßt uns alle fröhlich sein wie Englein! Wie jetzt die Engel unablässig Rosen Hinstreuen dem, der in seraphischer Rose erglühend hold sich Christo gibt In Liebeeinigung der Ewigkeit –, So wollen wir in Psalmen und in Hymnen Die ganze Nacht mit unablässigem Preise Hinbringen, Lilien reichend aus dem Herzen Im Sang dem Vater zu, der selig ist. Das Abendglühen in der Pforte wird tiefer brennend. Ja! Ja! – Doch st! Bernhard, oh darf ich einmal Zur Ehre Gott und Seinem heiligen Bettler Franziskus, darf ich ganz klein wenig Das Tuch der Seite öffnen und verehren, Was Gott gezeichnet süß und tief und rot? Tu es, Ginepro! Hört einmal die Lerchen! Oh, Dank, Bernhard! Horcht! Sie knien alle lauschend, nur Ginepro lüftet entzückt die Seite des Vaters. Wahrlich, lauf ich hin, Das wundersam Gezwitscher ins Gesicht Zu fassen –! Er tritt in das Tor, schaut hinauf und breitet die Arme weit. Oh! O seht! Schwärzliche Striche Lerchen streichen den Himmel hin von Nacht her, Von Westen und von Osten und von Mittag; In Kreuzesform sie ziehn – Du heilige Seite! Pforte der Liebe, Rubinrot in Gott, Vom Speer durchstochen; fünfmal stach die Flamme Sengender Liebeslohe dich am Leib, Fünf Wunden brachen auf, fünf Küsse schmolzen In einer Woge roten Mitleids eins Mit Christi Malen, als am Holz Er hing. indes die andern mit betend erhobenen Angesichtern im zart roten Dämmer knien. Der Himmel steht gekreuzt in Lerchenvögeln: Die unvernünft'ge Kreatur gedenkt Des Schöpfers, der für die Erneuerung Auch ihres armen Leibes-Tier Sprengte Sein Blut, erfüllend so im Opfer, Was jene Tiere vorbedeutend taten, Im alten Bund. gen oben blickend. O Wunder über Wunder! Ganz Licht erwarb sich Sankt Franziskus sterbend. Mit Last des heiligen Leidens sühnte er Aufs neu die Schuld vor Gott in Seinem Christus. Zwingend den Tod, zieht er die Lerchen alle Zum Kreuzesflug in Paradiesesdemut. Er zwang den Tod, mit seiner Male fünf Bestrahlend diese ungeheure Weltnacht Ins Morgenrote einer neuen Schöpfung. Dort stirbt der Abend zwar, der Heilige sendet Pfeile des Morgens in die Gottheit hin. Die Gottheit wirkt durch ihn des Morgens Pfeile Zu neuer Erde, Pfeile süßer Sehne, Pfeile der Liebe, die das Weltall baut. hymnisch. Amen! Amen! Ora pro nobis, pater! Ende Martin Luther der ohne Reichtum Gesang 1-3: Die Begierde 1. Bild Erstes Bild Klosterzelle des Bruder Martin. Brennende Kerze. Nackte Wände. Kruzifix. Lager des Mönches. In der Tür steht der Bruder Johannes und mustert den anderen, der rechts vom an der Wand lehnend sein Antlitz vor dem Mitbruder im Arm verbirgt. Da bin ich wieder, störe dich in deiner Betrachtung. Zeig dein Angesicht! Her, Bruder! Die Ängste, oh! die Ängste! Ganz die Nacht Hindurch! Ich weiß es. Hör ich deine Stimme schon So ängstlich grau, fahl, ohne Klang der Hoffnung. O Bruder! Ja, wer hilft von Sünden auf!? Ich bin so sehr verstrickt! Werd ich bestehen? Von Sünden hilft dir Christus durch Sein weh Vergossenes Blut. Was schließt du deine Augen, Als ob Der da nicht hinge Weist auf das Kruzifix. angenagelt Um unsre Last, als ob nicht dieser kahle Kreuzbaum die Urschuld trüge, die erwürgt Vor Gott ist mit dem Einen, dessen Name Heißt Ohnschuld? Worte! Worte! Müßig! Ich quäle mich hinan durch Werke, Werke, Zerquält bis an die Nieren, quäle mich –; Wann geht mir auf die Sonne süßen Friedens? Ich quäle mich der Werke Stufen an, Der Himmel wird nicht hell. O Martin! Martin! Gott hadert nicht mit dir, doch du mit Ihm! Selbst Haderer! Schweig, Bruder! Martin! Martin! Mein Aug sieht tief! Mein Aug sieht tief! So kommst du Nicht aus. Ich bitte dich, laß mir die Zelle, Und stör mir nicht das Tiefe, das aus mir Sich loszuringen ist bestrebt! Ja, du Gehst einsam, Bruder Martin, gehst beiseite, Gehst einen eigenen Weg. Ist dir die sichre Stiege im Silberlicht nicht licht genug, Die wir alltäglichen Menschen hingehen in der Gnade Christi, Kleinwinzig wie wir sind? Kenne sie wohl. Ihr nehmt zu leicht es, ihr! Ein Ablaß macht Euch selig, lächelt vor euch hin, vergnügt. – Und hat nicht Er die Sündenstrafen gnädig Macht zu erlassen aus dem kostbaren Gefunkel Seiner heiligen Sühnetat? Und ziert nicht unsere Freude Den bleichen Kreuzeshelden, laut Ihn kündend Als Licht in tiefster Nacht? Hast du Gesichte? Wie? Nein! Nun freilich! Hast gut lächeln, lachen Dir in die Faust! Doch ich, ich habe also Schreckliche Heimsuchungen, Daß mir die Haare stehn, die Zähne klappern, Daß es mich schüttelt irr und wirr, – ja, freilich, Dann dein Getrost von lichtem Weg und sichrem Gelangen klingt wie ein gepfiffnes Lied Hin in die Luft! Christus ist Jubel, Martin! Ist Jubel über Jubel und kein bloßes Lied! wendet sich jetzt zu dem Sprechenden um. Mir aber hat der Herr Gegeben diese Hoffnung: »fürchterliche Trübsal ist nur die Morgenröte Meiner Liebseligen Ankunft.« – So werd ich geprüft! Gott wohl hat Großes noch im Auge. Bruder, Das steht bei Gott. Doch hast du Trost, was also Dies Jammern schmerzentstellter Züge? Nimm du Mein bleiernschweres Herz und sieh dann lächelnd! Doch weshalb schwer? Schwer ist der gnädige Gott! O leichte, süße Last, o Joch aus Lilien, – Spricht denn nicht so der Herr –? Und wo ist Schwere? Eine Uhr schlägt. Alsbald ruft ein Glöcklein singend hin und her sein Lied. schlägt um im Ton. Ich müh mich ab, mein Bruder, sieh, mein Werkeln Bringt mir den Frieden nicht. Und Frieden such ich, Laut sehnend meine Arme nach ihm dehnend, Such meiner Qual ein Grab. – Und woher stammt dies: Daß mir die lechze Seele lechzender Zu meinem Bann und Tun Reißt in der Brust und mir die Augen tief Einhöhlt? Das Glöcklein singt fort. Das weiß ich nicht zu sagen, Bruder Doch eines weiß ich: – unterbricht. Nicht zu sagen! Nicht Zu sagen! Weiß ich nicht zu sagen! Sieh da! Ein starker Trost! Fürwahr! Kurze Stille. Hei! Nicht zu sagen! Doch eines weiß ich, Sohn der Unruh, wohl: Du hast die gnadenvolle Auserwählung Des Priestertums. So süßer Labe-Trost Ist dir durch jene heimlich minnigen Worte, Daß du vom Lichte reif und süß und schwer Fast brechen müßtest, vor so vieler Gnade! Was Worte? Was für heimlich minnige Worte? Was weißt du für ein ganz geheimes Mittel, Mein Bruder Zauberer? Die innige Geschwisterschaft der Fünf, den süßen Reihen, Der dir erschwingt den liebeglühenden Christus vom höchsten Himmel, der liebkosend Auf jene Worte sich verdemütigt Und wird zur weißen Scheibe. Diese fünf: Hoc est enim corpus meum. Ich kenne sie! Ich kenne sie! Ich kenne sie! Und ziehst ein trüb Gesicht? O du Philister! Wahr deine Zunge! Ich bin nicht gut bei Mut! Bist du ein Heide, daß du aus dem Israel Der hellen, hohen, heilen, jubelnden Freude dich ausschließt und dich selbst belegst Mit einem Bann der Trübsal voller Marter? Wie! Pharisäer! Hast du Sünden!? Eitler Heuchler! Ich heuchle meinen Frohmut nicht. Noch meine liebeselige Gemeinschaft Mit meinem süßen Christ. Denn meine Sünden Bring ich in Stille unter Tränen vor Den Herrn. Doch Seine himmlische Barmherzigkeit Wischt mir die Tränen ab und macht mich lachend, Daß ich wie eine kleine Sonne leuchte Zu Lob und Ehre meinem süßen Christ! Herunter mal die Kappe! fällt ihm ein. Doch du, Bruder, Bist in der Trübsal ohne Wiederkehr Zur freudigen Losung. Wie? Du weißt doch wohl, Daß uns die heiligen Väter warnend lehren, Dem trüben Mut in unsrem Wesen keine Stätte zu gönnen. Also blicke froh! Es spricht auch der Apostel von der Freude – Herunter mal die Kappe! Ei, es frommt nicht, Dastehn aufs Maul geschlagen wie ein Schulbub! Ei, guter Bruder! Guter Bruder Trost! Du bist ein braver Arzt! Doch deine Pillen Sind überzuckert, bergen bittre Galle, Fein sauber überzuckert, Teufels Listen! weicht zurück. Was ist das für eine Sprache –! Ja, eine gerade Sprache, gerad heraus! Oh, über Last der Werke! Eitles Mühen! »O vanitatum vanitas!« wie richtig Der Prediger sagt. Wir mühen uns ins Eitle. Es ruht kein Segen drauf. Und Frieden? Nein! Wir quälen uns mit Beten und mit Fasten; Kommt doch nicht Ruh. Wo aber Ruh, wo ist sie –? – Kein Wunder, wahrlich! Meint ihr den gestrengen Richter und Herrn durch euer kleinlich Rechten Und Haschen nach Verdienst, Wie? zu versöhnen? Nimmer! Nimmer! Nimmer! O Bruder Martin, du sprichst keckes Wort, Den eignen schlimmen Willen, schlimm noch pflegend, Dich selbst verallgemeinernd in die weite Anzahl! Oh, hüte dich! Ich seh mit Jammer – Ich kann es nicht! Kann's nicht! Den Frieden nicht Finden durch reuzerfleischter Lippen Paar, Noch wunde Knie, noch stöhnende Gehärme. Kann's nicht! Vermag's nicht! Was tut das der Sache? Was tut dem Frieden (der den wunden Knieen Und rotgeweinten Augen niederkommt), Was tut ihm, daß du ihn nicht findest? Vielmehr Bist du es, Martin, der da Rechten übt Mit Gott; denn nicht genügt dir allgemeine Und wahrhaft mitleidsvolle Mild-Verzeihung Aus Christi Tropfen. Unsere Werke nicht Versöhnen; unsrer Werke Stammeln aber, Getan in Christo und vereint mit Christi Ganz einzig gültigem Werk –: Dieses versöhnt und macht uns heil und heilfroh. Komm laß uns gehn zur Mette! bleibt. Bist du Priester? Bist du es nicht, der in der heiligen Messe Das Lamm hält opfernd zwischen beiden Händen, Darbietend Dem den Eingeborenen, Den einzig der durchstochene Sohn versöhnt? Du hebst das Unterpfand unsrer Versöhnung Täglich zu Gott auf, und du zweifelst noch? Kennst du die Angst? Das Glöcklein wird still. Die Angst –? Wie meinst du? Du kennst sie nicht, und weißt mir nichts zu sagen. Die Angst vor dem verdammenden Gezürne, Angst, die das elende Gewürm durchbebt, Ahnt es den Urteilsspruch. Was meinst du, Martin –? Vertrauen überklimmt noch jede Angst Mit innigem Aufstieg. Wir sind dessen, der Zum Abendmahle unsre Füße wusch, Sich niederbückend in der triefenden Barmherzigkeit des Worts, das Fleisch geworden. Ich aber kenne sie, du kennst sie nicht! Hör an ein Stückchen, schaudre! Die Primiz War da, und ich der Neue, Ungewohnte Am Altar handelnd. Wie nun nach dem Sanctus Ich in den Kanon komme und beginne »Te igitur«, ergreift mich solch ein Beben Weit aufgerißnen Augs, gesträubten Haares, (Stand ich doch vor der großen Majestät!) Daß Fort-sich-reißen, in gehetzten Sprüngen Die Stufen niederfliehn mir war Ergötzen Gewesen, selige Beruhigung! Nun aber Hielt man mich da ... O Martin! Martin! Martin! Das ist nicht gut! Nicht gut! Pax tecum, frater! Die Angst ist nicht von Christus, Christus tröstet –, Die Angst ist nicht von Christus – schreit auf. Von wem denn? Pax tecum, frater! Laß uns die horas lesen! Zur Mette! Komm mit mir! O Martin! Martin! Gott will noch sonderlich hinaus mit dir. Bruder Johannes geht voran und Bruder Martin folgt nach. Durch die offen bleibende Tür sieht man in einen Kreuzgang. Kurze Zeit Stille. Nun kommen der Bruder Peter und der Bruder Thaddäus rechts her den Gang hinab, Bruder Thaddäus hält vor Martins Zelle an, blickt hinein, tritt in die Tür. Er ging schon fort. Der Bruder Martin. nun auch heran. Die beiden stehen im Rahmen der Tür. Sieh! Dieses die Wohnung seiner ewigen Seufzer! Sehr sonderbar der Bruder Martin, wahrlich! Ist er besessen, daß er schrie beim Künden Des Evangeliums vom Besessenen? Was ist denn dies für eine neue Sache? Vorgestern erst geschehn. Du warst verreist, So will ich's dir erzählen. Wir sind alle Miteins im Chor beim feierlichen Opfer, Johannes hielt das Amt. Als jetzt die Zeilen Gesungen werden, welche vom Besessnen Aussagen, hören wir ersticktes Stöhnen. Und mitten in der feierlichen Obacht Der Bruder Martin hingeworfen zitternd, Zerrissenen Gemüts und ruft: »Ich bin's nicht! Ich bin's nicht! Ich bin's nicht!« Und Krämpfe Betraten grausam den mit Schaum bespienen, Blaurot ward das Gesicht. Und schrie und schlug. Wir aber – (komm, daß wir uns nicht versäumen!) Indem er den Bruder Thaddäus mit sich zieht. Wir aber, ganz erschreckt ob der so grausen Verwirklichung des Evangeliums – Sie sind abgegangen. Stille. Man sieht die Brüder einzeln und zusammen von rechts her den Gang entlang ziehen. Verschwinden. Stille. Der Bruder Martin kommt linksher mehr gestürzt als gelaufen. Er bleibt erschöpft am Türpfosten lehnend. nach einer Weile bangen Atems. – Ich kann jetzt nicht! Jetzt nicht! Kann nicht wie ein Puppe, die schreit, wenn man die Bänder zieht, Zur festgewollten Zeit die horas singen, Gott loben, wo's im Innren tobt und wütet Von Schreckensübermaß. Bin ich ein Heuchler? Soll meine Zunge loben, während mir Das Herz vom Lob weitab ist? Er schreit hoch, auf. – Die Versuchung –! Ai! – Die Versuchung lästernd auszusprechen Den Namen Gottes! Kann ich widerstehn? Er fällt und wälzt sich. stimmen froh, fest an, singen. Deus, in adjutorium meum intende! Domine, ad adjuvandum me festina! Gloria Patri et Filio et Spiritui Sancto, Sicut erat in pricipio et nunc et semper et in saecula saeculorum! Amen! Alleluia! springt auf und wirft mit Wutgebärde die Tür ins Schloß. 2. Bild Zweites Bild Im Dom zu St. Peter. Rechts hoher, mächtiger Pfeiler, links hoher, mächtiger Pfeiler. Im Hintergrund der Schimmer einer ewigen Lampe. Es ist sehr früh am Morgen, noch finster. Erst zu Ende der Begebenheit wird es hell, dann enthüllt sich auch der Hintergrund, das Grabdenkmal eines Papstes. – Der Mönch Luther beim linken Pfeiler niedergekrümmt am Boden. Tiefe Stille. Nur der stöhnende Atem des Mönches weht hin und wieder. Ai! Ai! Verfluchte Schmach! Verdammter Hohn! Zu Rom bist du, will heißen: nah der Hölle! Sie schrien: passa! passa! hetzten: passa! Jagten die Messe mich entlang mit passa! Und toller: passa! passa! Ich wie'n Lamm, Wie'n Christus unter Hunden mußt es dulden! O Luther! Luther! kam's so weit mit dir!? Bist du so tief erniedert, du mit Kot Beworben und dein Heiland immerzu –!? Beim heiligen Opfer! Passa! passa! passa! O Christus! Christus! Martin! Und das andre!! Der Bruder Johannes taucht von rechts auf, geht dort hinter dem Pfeiler vorüber und tritt nah heran. Der Mönch Luther, ihn gewahrend, stöhnt und richtet sich halb auf, kniend an den Pfeiler gelehnt starrt er vor sich hin, aber er meidet das Anschauen des anderen. Luther! Du quälst und läßt es nicht! Mein Gott! Hör doch auf mich! Hör doch auf mich! Ich ging Hin durch die weite, wunderbare Halle, Und wie ich stille steh am Grab des Petrus, Bedenkend, was ein Fischer ausgerichtet Durch dessen Hilfe, der uns fing im Netz Ewiger Heiligung, – steh und aufrichte Das Haupt zur Kuppel (die gleich wie ein Siegel Besiegelt mit erhabenem Gefilde Des Raums, den sie umwölbt, die Lieb-Gebeine Des Kirchenfürsten), weht herab ein Schauer Der goldnen Lettern, die dort oben schlingen Ihr Band im Kreis, ich fühle es tief tröstlich Und wahr gewiß und bin so ganz i in Bann Und flüstere mit ihnen: Tu es Petrus, Et super hanc petram aedificabo Ecclesiam meam. Du bist Fels, Ich will Bauen auf diesen Felsen meine Kirche. Wie steht sie groß und mächtig und bereitet! lacht grell. Ja, groß an Unflat, mächtig, – und bereitet Zur Höll zu fahren! Nein du Irrender! »Der Hölle Pforten werden nicht bewältigen Meine Gemeinde, aufgebaut auf Petrus!« So sprach der Herr. So wird der Mächtige Es machen noch durch die Jahrtausende! Das ist nun deine Art: so schöne Worte! Die meine Art ist bitterlicher, doch Wahrheit. Er steht und richtet sich hoch auf. Hast du nicht Mut, du Bruder? G'nügt Dir eines Tempels schöne, bunte Halle!? Mir nicht! Mir nicht! Und Christo nicht! Das sag ich! Und eines weiß ich Du schließt deine Augen Gewaltsam, haftest dich ans dinglich Schöne, Was doch nur Tand ist vor der Wucht des Donnerers! Du schließt die Augen, wie ein Flüchtling schließt Die Augen vor der Waffe, die ihn will. Geduckter Bleicher! Du geduckter Bleicher! Nicht sehn der Kirche Schäden, weil dein Mütchen Du laben willst an Augenkitzel und Getändel. Feigling! Feigling! Feigling bist du! mit unerschütterter Stille. Die Kirche ist wie eine Jungfrau reine. Und wer rein werden will, soll Reinheit sehn Und schauen brünstiger Liebe. Trifft dir dies Die reine Kirche, wenn ein Priester sündend Sich kehrt in Wolf und Tier und sich befleckt? Nur überreiner Dem irdischen Auge glänzt sie über Makel Des Einzelnen weiß auf! Du senkst die Hände In Schoß, gaffst, sperrt das Maul und grinst Für dich. Ja grinse, Grinser! Rühre nicht 'nen Finger! Wirst ja gut der Kirche nützen Durch dein geruhsam Wesen, lieber duldend, Daß unser Heiland in den Kot gezerrt wird, Als daß du deine Ruhe ließest stören. Ja, ruh nur! ruhe fein! da liegst du schon Und schläfst und schnarchst! So wird die Kirche heil! Sie wird ja heil, doch du weißt nicht den Weg! höhnend. Heil durch dein Schlafen? Nein. Doch durch mein Schrein Was für ein Schrein? Hast du auch eine Stimme!? Ja, eine Stimme, betend aufzurufen! Und so willst du die Kirche heil reformen? Durch brünstige Bitten und durch reines Beispiel. Bequeme Art, die Hände nicht zu regen! Ich rege meine Hände im Gebet. Und betend glaubst du, rührest du die Sache? Ich rühre Mächte, die die Himmel regen! Gott gab uns Arme, tätig anzupacken! Ich packe an, doch erst einmal mich selber. Du bleibst bei dir, wagst nicht herauszugehn! Ich pack mich an und strecke mich zu Boden, Verharrend so, bis mich mein süßer Herr Zur Sühne annimmt für das niedre Treiben Und einen Engel schickt, der uns herausreißt. Du, Mensch, wagst Gott die Sühne zu erstatten? Ketzer! Vereint mit Christus gilt mein Leben viel. Mit Christi Sühnblut eins versühnt auch meins. Wohlauf! Wohlan! Lauf hin und wage Frommheit! Bald liegst du ausgeweidet auf der Gasse, Denn Priesterhände kennen kein Erbarmen! leise erschreckt. Wie sprichst du, Martin? Bitt dich, lästre nicht! mehr erregt. Ist Wahrheit sagen Lästerung!? Wer sagt das? Eins sag ich dir: Wer fromm ist, wird verbrannt! aufschreiend. Martin! Versuch's! Versuch's! (Das soll nicht heißen: Fromm ist, wer da verbrannt wird. Nimmermehr! Den Feuertod dem Ketzer! Sagt ich was Wider das Heil'ge, will ich selbst verbrannt sein!) Groß auf. Doch deiner Frommheit Weg ist nicht der meine! Und deiner Hilfe Hand die meine nicht! Das käme den Verruchten wohl zupaß: Fein artig taub sein und das Maul fein halten Und mit den Augen blinzelnd seitab sehn! Stillsein zum Laster ist ein halbes Ja! Und Bluten für das Laster: lasterhaft! Blutfleck tilgt nicht den Schandfleck, ist zu wert Für Schandfleck, aber ausgespannter Arm Und offner Mund und Herz, das klirrend dreinschlägt! Er steht keuchend. Was hetzt du dich ins Ungeheure hoch, Um, ungeheur dir selbst, dich zu betören! Die Lichtgefilde flücht'gen Blickes streifend, Kehrst du dich hin, wo Hölle tobend Nacht fängt, Und an dem furchtbarn Dunkel dich umdunkelnd, Wächst du an ihren Rändern furchtbar auf. Willst du die schwarzen Scharen siegreich treiben Ins Finstere, so werde siegreich licht! Ja, werde Licht! Und Lichtmacht! Greife an! Doch trink dann erst vom Balsam tiefster Milde, Durchbohre dich mit heiligem Verzicht! – Du starrst die Hölle an, bis sie dich hat! An ihrer Wut entflammst du dich mit Wut! Dann spreizt du deine Flügel und fliegst auf: Spreizt deine schwarzen (doch du wähnst sie weiß), Fliegst gegen Himmel (doch du wähnst gen Hölle, Um zu erdrosseln ihr gemein Gewürm.) Nein, sag ich dir, du spannst die Schwingen wider Das Heiligste. Duld ich noch die Beschimpfung? Luther, unsel'ger Dämon! Sieh rein zu! Raff ein das Himmlische, raff in dich, innerst! Oh, ganz verschling kristallrein springend Wasser! In Buße und Abtötung herz den Tod, In Untergang eins mit dem ausgespannten Helden am Kreuz. Eins so mit dem Erstandenen, (Und nur durch diese Weise, nur durchs Kreuz) Ein blinkend Licht, ein schneidend Schwert und Licht, Dann, Luther, greife an! Dann schneide nieder Vom Himmel her mit einem lichten Schnitt Entzwei die Hölle, stich sie bis ins Mark! Dies ist der Weg, dein anderer ist Irrung. Könnt ich so flink und fein die Worte setzen, So gleißend blank und glatt, so blinzelnd schillernd, So trüg'risch schwärmend, so gespreizt wie'n Priester, So hin und her die Zunge, wie ein Aal Im Wasser winkt und wimmelt, schwippt und gleitet, Hei! hei! ich schmiegte mich an dir vorbei, Hitsch! griffest in das Leere! Aber so, Da ich ein Tölpel, ungelehrter Klotz Und Polterer zudem, vermag ich's nicht Mit gleicher Münze. Nur ein Stückchen hör, – Ein Stücklein wahr aus tölpelhaftem Mund – Hör es und richte dann: ich lese Messe, Bedacht, das Kleinste sorgsamst zu versehen, Bedacht, der inneren Andacht nicht ein Wörtlein, Nicht sed noch et durchlasse Zung, zu rauben; So komm ich langsam nur voran. Da hör ich Hinter mir zischt's und zischelt's: Passa! passa! Und wächst und schwillt und speit mir seinen Geifer Ins Ohr (so zischelte die Schlange einst Der Eva zu: Iß! iß!), – wie mir nun hier Aus hundert Priestermäulern: Passa! passa! Und toller: Passa! passa! passa! kommt Der Ruf zur Sünde. Ich jedoch, wie'n Lamm, Wie'n Christus unter Hunden mußt es dulden! Und: Passa! passa! schrie's und wieder: Passa! Sechs Fette wurden fertig mit der Messe, Eh ich mit meiner war zu Ende. Was sagst du? Hastig weiter. Und ist dir dies zu wenig, weiß ich mehr; In Rom wird man nicht fertig, nicht in Jahren, Die Höll zu lernen, hei! hie Hölle, hie Rom! Das ist ein Losungswort, das laß ich gelten! O Martin, brünstig bitt ich, sei nun stille Zu Lieb dem weißen Leibe des Erstandenen, Weil heute Ostern ist. Dies Fest will inn'gen Jubel, will Herzen, die sich berstend öffnen, Herauszugeben ihren Schein, der bleibt Allewiglich. Wie damals berstend auftat Den Mund die Gruft und unsern Herrn herausgab, Den Ewiglichen mild im Scheinen. Also Zu Liebe dem so mildiglichen Fürsten Sieh ab vom Zorn und neige dich still bittend. Gewäsch! Mein guter Bruder, willst nicht hören Ein Weiteres, daß dir die Ohren brummen Und summen? Glaub es wohl, daß du nicht willst! Denn dieses Stück ist arg! Selbst Ostern wird Bleich vor Entsetzen vor ihm, kreischt in Ohnmacht! Vernimm's, entsetz dich, schlag ein Kreuz und schweige! Ich ließ mir melden von glaubwürd'gen Zungen Solch schauderhafte Meldung: Bei der Wandlung, Wo unser einem fast die Zähne klirren Vor Angst und Grausen vor so Heiligem ... fällt rasch ein. Nicht so, wo uns das Herz in Lieb fast hinsinkt – in Hast. So schaudervoller Frevel wird begangen, Daß Erde schreit zur Sonne: Werde Nacht! wie oben. Vielmehr: Erhelle Nacht! Verscheuche Nacht! wie oben. Daß Mond und Stern vor Starren sich verfinstern Und schwarze Leere klafft – Komm nun zum Ziel! »Brot bleibe Brot!« »Wein bleibe Wein!« So geifern Die Frechen – Luther! Luther! lebst du noch!? Oh ungeheurer Frevel, grasse Schande! Schandhaft: Besudeln, gottverfluchte Unzucht, Laster und Unflat – muß ich dieses dulden, Der ich in Liebe glüh zu meinem süßen Christus? Was stehst du da und starrst mich an? Hast du noch Worte? Hast noch eine Zunge? Ward dir zu Eis dein sonst so flink Organ? Ja, stumm und still und Faust, das ist die Antwort! Bei deiner nächsten Messe, bei der Wandlung So unter Zähren anflehn den Geliebten, So innig sich zur Sühne bieten, innig Vergebung heischen den unseligen Männern, Dann unter solcher Glut die Worte sprechen, Die heil'gen fünf, wie du nur glühen kannst In Lieb, in Inbrunst, in Hingebung, Sehnsucht, Daß der Geliebte etwa sich herabläßt, Nachsicht zu üben, – dies sei deine Antwort! Es wird allgemach heller. indem er sich bekreuzt. Du hast den Teufel, Bruder, der dich blind schlägt. Du willst nicht sehn! Du hast nur weiche Milch, Die du wie'n Säugling ziehst und glucksend schluckst, Fein satt und dicklich dich zu trinken. Trinke! Der hier nicht sehen will, bist du, Mönch Luther! Der hier den Abstieg tut, sehenden Blicks Die Höhe streift und sich verkehrt und wegsieht! Du siehst zu dir, drum willst du in die Tiefe. Du blickst vom Glanz fort, darum wirst du glanzlos. Er geht ruhig rechts hin. zurückbleibend, sieht ihm nach. So einer war der Schächer wohl am Kreuze, Der unsern Herrn gelästert. Armer Christus, Da Deine Kirche schläft, muß Luther wachen! Höchst armer Christus, Luther muß Dich kleiden! O nackter Christus, Luther muß Dich letzen! Indem er langsam nach rechts abgeht. Doch heute les ich nicht die heilige Messe! Zum Trotz den Hunden, die ihr Passa kläfften! Soll Christi Ehre wieder sein geschändet? Heut bleib ich fort, ihr mögt nur nach mir ausschaun! Der Luther kommt nicht und ihr habt das Nachsehn. Er geht. Man hört noch das milde Schüttern der Osterglocken, die hoch oben zu klingen beginnen. 3. Bild Drittes Bild Im Kloster. Raum unter dem Dach. Luther klimmt links die Stiege herauf, er hält einen brennenden Span; es ist Nacht. Die Stiege schreitend steigt er gleichsam aus dem Boden auf, dann betritt er die Dielen, steht und leuchtet um sich. Haufen Bücher liegen geschichtet ringsum, oft bis hoch hinauf. Teils in Ordnung aufgereiht, teils unordentlich gehäuft. Er steht und starrt. Saubere Wirtschaft! Rumpelwerk! Des Satans Fetzen! Und dies heißt euer Christentum! Mit dem versaßen Männer all ihr Leben Und wähnten noch, es sei Verdienst darum! Verdienst soll sein, die Sprudelquellen stopfen Mit Sand und Unrat, bis sie sieches, seichtes Rinnsal geworden, sickernd in den Schlamm? O Christ, wie sehr ist Deine Lehr verstümmelt, Verschnitten und zerstückt, verhunzt, verhurt! Was wollt ich hier? Ja doch die Stelle suchen, Im Aristoteles, Mit der die Lausebuben mich zu fangen Wähnen. Er klemmt den Span in eine Ritze der Mauer. Da hafte, Span! Nun, Martin, kneife Dir mit der Hand die Nase zu, du willst Im Drecke klauben. Er tritt an die Bücher heran und beginnt zu suchen. Aristoteles! Her, Mist des Satans! Lotterbube! Luther Will dir die Zehen treten, daß du aufhupst Wie'n Floh! Nachschlagend. Bist du nicht da? Bist du nicht da? Zum Teufel mit dir! Er schlägt heftiger um und wirft die Bücher durcheinander. Wo bist du verkrochen? Hast Angst vorm Luther? Ja, der Luther schont nicht, Deckt dein Gesäß auf, nimmt dir deinen Balg! Wo bist du, feiler Aristoteles? Er hält auf einmal an, lehnt sich gegen die Wand von Büchern und blickt vor sich. Hier bin ich, Luther, und wo seid ihr, Feinde? Zerstoben in den Wind, vom Mund des Herrn Ins Wirbelnde geblasen, wie Staubwolken! Ich triumphiere. Gott ist mit mir. Er Begann in mir, Er packte mich, ich mußte. Oh, wie begann Er Zuerst, da ich mich mühte, Werke schwitzte, Schwitzend die Stufen der Scala Santa, Schwitzend die Unzahl murmelt der Aves, Da der Skorpion »Brevier« mich täglich stach Mit seiner Worte Hunderttausend! Ich Biß mir die Lippen ein, ballte die Faust, Warf's weg. Ich machte weit die Augen, sah. Ich sah – o siehe – wandelnde Skelette, Heere in ihrer Knochen dürr Geklapper, Die Knochen schlangen, Knochen schißten, Knochen Anbeteten und über Knochen turnten Gen Himmel. Sah die knickernden Gerippe Hurtig erklimmen 'ne beinerne Leiter, Die sie den Weg zum Himmel priesen. Himmel Verschloß sich, gab nicht Tor frei auf ihr knöchern Anpochen droben, aber eine Rechte Griff wild herab und knickte um die Leiter, Sie brach entzwei, sie stürzte hin, sie fiel. Und die Gebeine schössen in die tiefste Tiefe der Hölle, fingen Feuer, lohten. O Luther, reich gesegnet mit Gesichten! Die Knochen sind die Werke, die sich tot Vor Gott erweisen. Er steht über Werken, Wir Menschen werkelnd sind vor Ihm wie Krämer. Die um den Himmel feilschen mit dem Höchsten. Sie bieten ihre Kupferpfennige, Er spottet ihrer und verwirft sie sämtlich. O Anmaßung, durch Werk gerecht zu werden Vor dem Gerechten, so sehr der Gerechte, Daß Ihm des Guten Werk noch ungerecht ist! Vor Seinem Grimme gehen alle Werke In Feuer auf, fressend die eignen Herren, Die Selbstgerechten, die sich werkelnd spreizen. Wer ist wie Du, o Gott, wer ist wie Du? – Ich faßte, was sich bot, vor Deinem Zorn. Ich klammerte mich an, ich grub mich ein. Ich griff den Glauben Christi, wie ein Ringer Den andern greift, und rang und siegte ob. Ich siegte, und ich nahm die Sühnetat Des Sohnes Gottes und die frommen Werke Alle von Ihm wie eine Kriegstrophäe, Ich schmückte mich damit und ward gerecht! Ja, einzige Weise der Gerechtigkeit! Nicht durch sein eigenes, nein durch Tun Christi, Durch Aneignung der einzig gültigen Werke Des Sohnes Gottes, durch den Schmuck des Blutes Des Heilands. Luther! Luther! Kühner Finder! Mit Gottes Hilfe, ja! Schickt sich an weiter zu suchen. Her, Aristoteles! Der Deutsche nimmt's mit dir, dem Griechen, auf! Wo bist du? Eine gute Klinge führ ich! Er hält wieder im Suchen inne. Wohlan! Auch dies steht fest wie Fels, wie Christus! So wie der Himmel selbst!: Wie unsre Werke Nicht Gott genügen, ist verrottet gänzlich Die menschliche Natur. Sie sagen zwar, Durch Buß und Taufe würde ausgetilgt Der Erbteil Sünde, den wir wie 'ne Schnur Des Nabels allesamt aus unsrer Mutter Bauch blutig schleppen, mit behaftet. Nein, Sag ich! Sag ich, so sagt es Christus. Freilich, Ich sag und laß nicht ab: Erbsünde ist Getilgt nicht: zugedeckt, – nicht ausgemerzt: Nur schonend übersehn von Gott. So ist's! Und ist es so, dann sind wir sündiger Stoff Und Sünde durch und durch. Nichts Gutes an uns, In uns und um uns, durch uns –: alles böse! Ich fühl's in mir: bös, Rotte, niederträchtig, Ohnmacht, Vergehen, Lästerung, Zorn, Hader, Samt einem ganzen Hofstaat von Gemeinheit, Von Brunst und Gier; des Satans Sippe! Hei! Nun sagen sie: was du da fühlst –, dies wilde Ringen und Glühn ist Sünde nicht, Begehren Ohne Dreinwilligen ist Sünde nicht. Hei, sieh die Schleicher, wie sie faule Winde Hinstreichen lassen, sagen: 's duftet Rosen! Verfluchte Schleicherbande, heimlich Diebe! Er greift ein Buch und wirft es weit im Bogen. Ich klimme weiter, greife meinen Christus Am Zipfel, laß Ihn nicht, Er kündet mir: Im Bösen glühst du gänzlich, Mensch nichts Gutes Blieb hängen, gänzlich ausgeplündert bist du. Doch bist du ausgeräubert (durch den Satan, Die gift'ge Schlange), blieb in dir nichts Gutes, So auch kein Stümpfchen eines guten Willens. Bös ist dein Wille, unfrei und vertan. Du kannst nichts tun, tut Gott nicht in dir selber. Hei, diese Lehre, mein Herr Jesus Christus, Ist wirklich Dein; denn sie gibt Dir die Ehre! Nicht Werkelheiligkeit kann nun mehr fristen Ihr aufgeblähtes, räuberisches Sein, Dir, Gott, die Ehre raubend. Wir sind Menschen Ohn guten Willen, Ohnmacht, Knick und Grashalm! Nun greif ich Floh den Herrn, zieh ihn mir über, Wie sich 'n fetter Priester auf das Schmier'ge Zieht weißes Meßgewand, so ich den Christus. Klatsch in die Hände, jauchze, bin gerecht! Nein, nicht durch mich, durch Gott! Stille. Nachsinnen! Dann tut er einen ängstlichen Aufschrei. Weg, Teufel! Weg! Dreck dir in deine Fratze! Kommt immer wieder! Will nicht weichen! Nein! Und doch? Er disputiert, der Böse, fein. Und doch? Der Wille unfrei, alls wirkt Gott, Wir nichts durch uns, alles durch Ihn? Sich in Pein krümmend. O weh! So ist es wahr, ist unentrinnbar wahr: Den Er zur Höll bestimmt, der fährt zur Hölle! Satan, dein ist der Sieg! 's ist unausbleiblich. Wir können nichts, Gott tut, was ihm beliebt; Tut Er, was Ihm beliebt, so nimmt Er den An sich, verwirft Er den; der fährt in Abgrund, Der fährt in Himmel hoch – – O Luther! Luther! Und nun sitzt dir der Feind ins Ohr geklemmt Und spützt hinein: Du bist zur Hölle, du, Martinus Luther, du erwählt. Du bist's! Wilder, sinnloser Schrei. Ai! Ai! Bin ich's? Ich bin's! Was tun? Ai weh! Martine, Martine, fliegst hin, weit hin Ins höllisch schlimme Maul! Er ist auf den Knien, jetzt breitet er beide Arme weit und bleibt so. Oh, Martin! Martin! Jetzt sieht dein Geist, den Gott dir licht gemacht Bisher (Gott ließ dich finden, dich und niemanden Sonst, alle irren), sieht dein Geist den sichren, Ganz herrlichen, erlauchten Weg zum Himmel! Bist du verdammt, der Hölle Kind, es sei! Es sei! 's will Christus! Christus will's, da füg dich, Und neige wie ein Kind dich hin zur Hölle, Er neigt sich im Rumpf. Da, Henker, da mein Haupt! Schlag's ab, mein Herr! Ich will verdammt sein, wie Du willst. Nimm hin! O grenzenlose Demut, wahrhaft christlich! Puppenspiel die Demut meiner Feinde, Demut, die zwinkernd ihren Lohn erwartet! Ich aber bin gewärtig keines Lohnes Und stöhne dennoch hin: Gott, brenn mich ewig! Stille. Darauf schriller Frohschrei. Doch, Vater, willst Du Deines Kindes schonen? Was zeigst Du Licht, oh, oh, es läßt sich greifen! Der sich zur Hölle hingibt, kommt in Himmel! Denn er gab völlig seinen Willen hin In Deine Hand. Gab er den Willen hin, So ist er Dein, ist also auch gerettet; Denn er ist Dein. Und somit ist gerettet Meine Seele, ich bin frei, bin für den Himmel Erlesen, nicht zu rütteln, nicht zu rütteln, Und alle Satans Macht vermag nichts mehr! Martine, o Martine, halleluja! Er glüht in Freuden, wieder die Arme weit gebreitet kniend. – Die schwarze Gestalt eines mittelgroßen Mannes ist im Nu vor Luther, links sich am Ende der Dachkammer zeigend. Die Erscheinung ist ganz schwarz bekleidet, schwarzes, enganliegendes Beinkleid, schwarzes Wams. In schwarzer Scheide steckt ein Degen mit prachtvoll goldenem Griff. Den Geist trägt die Luft, er steht ein paar Handhoch über dem Boden. Ein mattgelber Schimmer umkreist ihn von Kopf zu Fuß, fast wie ein Lichtschein, doch allzu sehr in Farbe für ein Licht. mit feierlich schöner Armbewegung winkend. Martinus Luther, Doktor! Wer bist du? Ich bin der Geist, ich bin das Licht, Ich bin das Wesen, bin das Nein, Ich bin der Kalte, bin das Nicht, Ich bin das Feuer, bin das Sein, Ich bin das Tote und der Eifer, Ich bin das Zeichen, bin der Sinn, Ich bin der Engel, bin der Geifer, Ich bin ein End und ein Beginn. Du bist der Böse! Kauderwelsche nur! Heb weg dich! Eilig! Luther, deine Spur Ist Lüge. Lügner! Lügner du dir selbst! Mein Wort ist Gottes Wort. Beweise, Teufel, Der mich der Lüge zeiht, beweise Lüge! indem er ganz langsam und magisch lockend einmal um sich selbst kreist. Nu nennst mich Teufel und Verräter, Du sprichst ein Wort aus Menschenmund. Ich bin der Kämpe, bin der Täter, Ich bin die Hoffnung, bin der Grund, Ich bin der Freie, frei im Glanz – Er leuchtet auf. Ich bin das Haupt, das sich nicht bog, Ich bin der Gott, der niemals log, Ich bin die Jungfrau und der Tanz. Er leuchtet heftig und steht wieder. Ai! Ai! Du Schmeichler-Geist! Du gleißend Wollust! Du zwingst mich nicht! Mich nicht! Ich fall nicht nieder, Wie du es willst, und lästre Gott. Ich tu's nicht! Du bist der Hölle heil entwunden, Indem du dich zur Hölle schickst, So meinst du, Mensch. Und wie du nickst Zum Untergang, und wie du blickst Auf Gottes Rat, willst du gesunden. Du meinst in deinem eitlen Gleißen, Gerettet bist, wenn du dich fügst; Ich zeige, Luther, wie du lügst, Und sollst mich nicht mehr Lügner heißen! Trotz Hölle, Tod und Teufel! Ja, ich bin Gerettet vor Verdammnis, wenn ich willig Gott stelle heim, ob Er mir Himmel oder Hölle zuteilen will nach der Bestimmung In Ihm. Denn bin ich willig, bin ich Sein, Und bin ich Sein, bin ich nicht höllisch, wahrlich! Du zuckst und zappelst in der Falle. Du wehrst dich noch, du zerrst, du stemmst. Wenn Gott in Seines Lichtes Halle Dir schließt die Riegel, meinst, du klemmst Sie auseinander ohn den Alten, Der Seine Mucken sinnt und seiht? Er will es! Siedende Gewalten Umklammern dich in Ewigkeit. Luther greift mit den Armen auf, die Kiefer klaffen ihm im Schreck, aber kein Ruf tönt. gebieterisch und mit prachtvollen, lebendigen wechselnden Gesten der Hand. Du meinst, dich rettend zu verkleinern, Doch was Er plant wird Ihm zur Tat; Willst du hinweg auf eignem Pfad? Narr du! Sein Will und Herz ist steinern! Du lehrtest doch, du griffest Wahrheit: Dem gibt er gut, dem bösen Stempel, Der geht zur Hölle, der in Tempel: Dies war dir deine sichre Klarheit! Dein Stempel ist nicht zu verwischen, Durch keine Demut, wie du weißt; Ja, krümmen magst du, heulen, zischen, Der Stempel bleibt, der Stempel beißt! Schon legte Gott seit Ewigkeit, Luther, den Pfeil, der dich bedeutet, Auf Seine Sehne flugbereit: Der Pfeil, der dein, wird ausgereutet, Er fliegt, er saust, er kam, er schwirrt, Ich fing ihn auf, Gott schießt ihn mir In meinen Schoß, du sinkst verwirrt, Mein bist du, du wirst ausgebeutet! Er fliegt, er zischt, er schwirrt, er schwingt; Doch keine Demut bricht den Bogen; Er haftet mir, er klang, er klingt, Gott hat die Sehne angezogen! Luther! Dem Herrn ein Jagd und Spiel, Mein Diener du, mein Spieß, mein Ziel, Du hast dich froh umsonst entflammt! Doktor! in Ewigkeit verdammt! Er zieht mit einer herrisch-edlen Gebärde die Klinge. Der Mönch stürzt zu Boden. Der Feind schwingt den Stahl mehrmals leicht und flüchtig wie Blitz über den Machtlosen. Er verharrt eine Weile mit ruhig gezückter Klinge, schwindet. hebt sich stöhnend von der Erde auf, sieht irr um sich, krampft die Hände weit, ruft. Böser! Böser! Nicht umsonst! Nicht umsonst! Du bist erschienen – hei! du scheinst mir Schein nicht! Treffliche Worte! Raufe dir das Haar, Martine! Speie Geifer! Kreische! Balle So Fuß wie Faust! Gott der Gerechtigkeit, Des Zürnens, des Verdammens, des Totschlagens! Alter Totschläger, Du bist hassenswert! Er schlägt sich mit Fäusten. Ai! Ai! Nein! Nein! Was sprach ich? Spie ich? Doch! O Luther, du bist Kot! Stöhnen am Boden. Ja, brenne Span, Leck hurtig hoch und rot ins Düster-Trübe; So brenn, Martine, ich. So brenn ich einst, Die Feuerzunge feurig fletschend wider Den Peiniger, den Gott. – O süßer Heiland! Ein wenig Licht, 'ne Unze Licht, 'nen Heller Wirf mir ins lausige Loch! Ich brenne, ich brenne! Verfluchter Herr! Schrei. Ich meine ja den Teufel! Nicht Dich, o weh! Er fällt und bleibt wie ohnmächtig hingestreckt. Wie er dann zu sich kommt: Ich atme noch? Noch atm ich! O Furie Leben, die mein Blut versehrt! Nein! Nein! Ich fasse – faß ich Dich, o Christus, an? Umklammert Holz, ich laß dich nicht! 'nen Atem, 'nen Atem, der ins sichre Heil sich mündet! Stöhnende Stille. Ai! Licht! Licht! Strahl – O böser Dämon Nacht! 's ist alles wieder finster! Licht! ich will dich! 's ist alles wieder finster! Totes Brüten! Ist all umsonst vertan! Dort dein Heil, Christe, Hier meine Schuld. Und wenn ich's griffe, hielte? Den kühnen Griff, die kühne Hand, das Herz kühn? Und zöge über mich und hielte Schild Vor Gott, vor Christi, Christi Leidensschild? Und wäre so gerecht und deckte mich Selbst vor dem Höchsten, sicherstes Versteck? Frohlockend. Es ist! Es ist! Ich will! Es ist gewiß! Springt auf und richtet sich hoch. Ich bin's gewiß, ich bin gerecht, ich siege Ob dem Verdammer, meinem Christ zum Heil Und mir zur Freude und Genesung! Lustig! Er greift den Span und schwingt ihn. Ich halt dich, Lunte. Gott wie Satan machtlos Aus meines süßen Christi Rein-Verdiensten! Nun heidi in die Welt! Ich spreng die Welt hoch, So himmelhoch, wie höllisch sie gestürzt liegt! Er stürmt fort. Gesang 4-6: Die Erfüllung 4. Bild Viertes Bild Bei Wittenberg. Der Bruder Johannes und der Bruder Thaddäus sitzen einer grünen Anhöhe zu Füßen auf sternernem Sitz. Goldner Abend. Es ist vor dem Elstertor. Martinus häufte schon Irrung um Irrung Aufs Haupt sich, heute aber – weh der Stunde! – Vertut er ganz sein Heil. Und dieses alles, Weil sein Ich nicht geneigt ist, lebestark Lebendig-inniges Heil zu wirken mit Dem Christus durch den Christus in dem Christus. Jammer und Not. Gar schrecklich seine Pein! O Irre um und um! Du weißt doch, Bruder, Woran es mangelt? Ich weiß es nur zu gut! Held oder Lasser ist der Mensch geboren. Der Held heilt auch im Bauer all sein Gutes Reiflich im Einen aus, der Christus heißt. Es reißt der Pflug den Boden, Held will Heil. Die Tat ist gleich, den Willen, den sieht Gott an. Es fährt der Held den Mist auf einem Karren Zu seinem Heil, weil Held die Dinge ihrer Fäulnis beraubt, entkernt; denn Held will Heil. Ist Held Heil, Unheil hängt dem Lassen an. – So teil ich es; und nun sieh an den Luther! Der Held will seinen Heiland so umfangen Ins innerste Gebein, Daß Held nicht lose läßt von Kreuz und Blut. Er ficht um Ihn, er dringt mit Hieb voran Wider den Feind. So wie ein Ritter zahllos Die Griffe lernen muß um Schwert und Knauf, Womit die silbern lichte Waffe siegt, So muß der Mönch und der geistlich gebaut ist Mit Griff und Stich und Hieb den Feind besiegen, Mit Griff und Stich steigt er zu Christus auf, Mit Griff und Stich und Hieb gerecht vor Gott, Gefochten und gestochen in dem Christus, Der uns gerecht erlöst. Der Luther aber – Luther, mein Bruder, ließ die Inbrunst aus, Die Inbrunst, die uns geistlich Ritter sein läßt, Luther die Inbrunst, die den Schild des Heils Samt Schwert des Glaubens siegreich tätig führt. Dies nennt er nun die eitlen, blinden Werke. Tor, ohne Hände-Regen nicht zu Gott! Und weißt du, wie er's tut? Er nimmt den Herrn Wie räuberisch – und ohne Übertragung Durch gliedlebendiges Mühn. Denn gliedlebendig Schuf uns der Höchste, Heil in Ihm zu wirken. Luther, ein Lasser, ließ die Inbrunst aus, Die unsre Glieder zieht, sie einverleibend Mystischerweise in die Gliedschaft Christi Zum Leib des Herrn. Wir aber sind Sein eigen Durch wirkend Spruch, durch wirkend Tat, durch Wirken Gebrochnes Knie, reumütig rauher Leib, Buße und Abtötung, durch Untergang Das Kleinen in uns werden wir der Allmacht Höchst zulebendige Tat. So sind wir sicher Ganz licht im Herrn und stehen wie die Ritter In Rüstung ganz, und niemand darf uns fällen. Wir sind des Herrn. Zwar lehrt Martinus Luther, – – Ein Bruder einst, jetzt Wolf in dichter Herde – Die Zutat unsres Willens sei ein Nichts Vorm Herrn. Wir alle seien nichtig, ohne Den Willen frei, wir seien wie die Rosse: Gott oder Teufel reitet – wir sind nichts. Ja, wie ein Roß rennt dieses Luthers Lehre Ins Ungestüm der Tat; – hier kommt er selbst. Der Ritter Michael bändigt einst dieses Roß, Das anstürzt – wie ein Stier mehr – mit Gebrüll; Ritter, nicht Roß schuf Gott den freien Sohn. (Wir wollen hinter dem Geäst der Buche Zuwarten grausem Zufall. Komm!) Sie treten hinter eine Buche, ganz rechts, zublickend. Der Haufe der Menge erstürmt den grünen Hügel, sie tragen Äste, die sie auf dem Hange zerbrechen und zu einem Holzstoß türmen. Schon züngeln Flammen, als das Volk vor einem Schwarzgekleideten auseinanderschlägt, der nun vor das Brennende tritt, eine Pergamentenrolle in seiner Rechten. Die Bücher her; – sie sollen vorerst brennen! Der Haufe reicht Bücher. Es spreizt das mörderische Ungestüm Der Werke sich durch die Jahrtausende Schon längst zum Überdruß der rechten Christen. Der Bruder Johannes sinkt rechts am Stamme im Gebet nieder. Hier, Gratian, sollst brennen, weil du kecklich Das fleischgewordne Wort Mit falscher Rede Hufen niedertrittst In Staub und Mist und Kot! Desgleichen du, Clavasio, Eck auch Emser, wie sie alle Sich nennen, reichet her, nur her damit! Die Bücher fliegen ins Feuer. Du lohe lustig, meine Flamme, zu! Des Luthers Lehr schmilzt alles ein in Glut, Was, glutentstammt, höllischen Irrtum schmiedet. Der Bruder Johannes glüht im Gebete. Die falsche Zeit sei hiemit überwunden, Wo man papieren unsern Heiland ehrt; Denn Pappgeschnitzel gleicht der Werke Treiben. Sie streuen von allen Seiten Bücher ins Feuer. Hei! Luther! wirft die Bücher. Hier, lustig näher eurem Feuer, Bände! Und aus dem Brande steige hell der Genius Vergnügter Lehre eilends gegen Rom! In seiner Rechten schimmere der Morgen, In seiner Linken sei zornige Wage, Mit der er wägt des Papsttums bunte Reihe Von Unfug; donnernd stürze in die Tiefe Die Schale deiner Unzucht, Antichrist! Der Bruder Johannes betet auf dem Antlitze liegend. Hei! Nieder! Die Bücher stürmen flatternd. indem er die Pergamentrolle der Bulle in seiner Rechten hoch aufschwingt. Nun aber hier! Des Papsttums freche Miene, Wütend Gesicht und kreidweiß stierer Bannblick! Wenn meiner Schriften eine Silbe fehl ist, Wenn nicht das lauter Evangelium Reinlich verkündet ich vom Herrn besitze, Die Schrift kraft ihrer hohen Offenbarung, So will verdammt ich sein in tiefste Hölle! Weil aber dieses alles lauter ist, Was ich verkündet, weil dies alles wahrsagt Von Christi Güte und der Sühnetat Für uns, weil dieses alles rein gemäß ist Der heil'gen Zeugenreihe der Apostel, Weil wir aus Glauben denn allein gerecht sind, Du aber lehrst der Werke Prangetun, Greift Er dich heut in diesem Feuer an, Als Signum, daß ein Feuer deiner wartet. Er wirft die Bulle in die Flammen. während das Volk noch schreit erhebt sich, prüft Strick und Rosenkranz und schreitet gefaßt und ruhig voran, bis er am Hang unten Luther gegenüber steht. Der Mönch hebt die Hand, ruft. Martinus Luther, Doktor der Verdammten! Todesstille. Martinus Luther, im Namen des Herrn! Er schlägt das Kreuz gegen ihn. einigermaßen unsicher. So harte Worte sollen nicht betäuben, Was ich ersann und lehre, Augustiner! im Gemurmel. Der Mönch! Ein Augustiner! Luther kennt ihn! Ich stehe hier, dich anzuklagen, Luther! Es gab die Zeit, wo du in deiner Zelle Bußübung treibend, mönchische Inbrunst wachriefst, Zu trösten deine friedelosen Nächte. Mönchische Inbrunst, Luther, stand dir bei In meinen armen Worten, doch viel Weisheit, Weil sie der Väter Worte, doch voll Inbrunst, Weil sie des Heiles Inbrunst wach dir riefen Ins innerste Gebein. Doch da war Ehrgeiz, Mönchischer Tugend ehrgeizig beflissen, Da war nicht jenes milde Feuer innen, Das fließt, wie Licht und das Gebein verherrlicht Und einst am Jüngsten Tag Gebein bekleidet. Nun stand der auf in dir, der unsre Knochen Wie Brand frißt, aushöhlt wie ein feuriger Heizer, Der schürt und schürt und ewiglich nicht abläßt. Nun stand der auf in dir, und bis zur Zunge Fuhr er dir auf, die Worte mit zu heizen, Der Glut und Kohlen bläst ins allzeit Hohe. Nun bist du selber Glut und Kohlen blasend Vor mir, und wie ein Element das gleiche Als anverwandtes Angebinde sucht, Suchst du die Flamme, selber schon in Flammen, Suchst du Vernichtung, selber schon zunicht. Mönch, Feuer spützend wie der Teufel selbst, Mit Worten kriegend, wo sind deine Werke? In Geist und Kraft, bezeige deinen Scharfsinn! Mein Wort ist Werk und Kraft und Wucht und Richter, Bestätigt durch die Kirche, die Bestät'gung Durch Christus hat in vielen Wunderwerken Der Kinder, die der Mutter Lehre folgten. Wer aber immer wider diese Kirche Den Arm aufhebt, der weise seine Wunder, Mit denen Gott bekräftigt, nie bekräftigt Er Kirchenfeinde durch gewirktes Heil! Mein Heil und Wunderzeichen ist dies Volk, Das dicht gedrängt den Rücken deckt. So viele In solcher kurzen Zeit zeugt für die Sache Der reinen Wahrheit, »Christi Abbild«, so Schreibt der Apostel im Galaterbrief – Verdrehe Epheser und auch Kolosser: – Worte wie Spreu schwätzt der betörte Redner, Dein Volk ist nur wie Häcksel flatterhaft – Höhnt uns die Kutte! Mault der Freche! Heißa! Unflätig Mönchsbild, Satans Abgesandter! Werft Steine! Haltet! Sie beginnen ihn zu steinigen. Der Bruder Thaddäus tritt näher. O Gericht des Herrn! indem er unbewegt aufgerichtet steht. O Luther, netzt dein Werk in Blut die Hände, Mein Blut schenk ich der Kirche Gottes hin: Im Tod verzeih mir, der aus Tod mich löste, Im Sterben küß mich, der mein Sterben starb! Er sinkt hin. an der Leiche kniend. Laß mich die Wunden küssen, heil'ger Martyr, Die du um Gott empfingst: Gott siehst du nun. Bleibt kniend. Ungern wird mir der Fall an meine Fahne Geheftet; Rotten werden wir fortan gescholten. Das Evangelium will Lieb und Vorsicht. Bewahrt den stürmischen Sinn! Es gibt auch Messer Die stechen ohne Stich; doch liegt nun dieser Hier tot. Weh! weh der grausen Tat! Ich wollte, Den Odem blies ich diesem ein, er schadet Doch unsrer Sache mehr, als daß er nützt. – – Kommt, härmen wir uns nimmer! Gott hilft fort. Geht. 5. Bild Fünftes Bild Im ehemaligen Augustinerkloster zu Wittenberg, jetzt des Abgefallenen Wohnung. Ein Vorraum mit Pfeilern zeigt weiter hinten eine Tür in anschließendes Gemach. Fahles Licht schräg links, es nimmt ab während des Vorganges; denn der Abend bricht ein. Luther rasch von rechts im Pompe. Wie er die Tür öffnen will, richtet sich hinter einem Pfeiler eine vermummte Gestalt ihm in den Weg. Mein Gott! Er taumelt. Mein Herr und Kaiser Luther, fürchte nichts! Ich halt dich – Er fängt ihn auf. Eine Schwäche. Eine Schwäche. O edler Herr, man kennt mich also nicht? in seinem Arm zu ihm. – Dich kennen? Fürchterlicher Schwarzer!? Schwarze Maske? Die Augen rot. Die Augen rot. Du bist der Mann, der durch die Maske schaut. Römische Larven und Kapuzen Bewältigen dich nicht, du starkes Auge – Schau deinen alten Jonas! entreißt sich ihm. Wie? Wer bist du? Jonas, mein Freund, Gehilfe und Kumpan? Der eben. Die Vermummung? Bleibt, mein Herr! Zu welchem Zwecke, Freund? Hm – hm – mein Luther – beiseite. Die Stimm ist Jonas' Stimme. Laut. Sprich, weshalb? Mein Herr, zum Hochzeitstag ziemt sich ein Aufzug! Trotz Himmel, Tod und Hölle! Schweig Gewürm! Noch ist's nicht ausgemacht. Sollt Luther zagen? Eine zweite gleich vermummte Gestalt hinter einem zweiten Pfeiler hervortretend. Wie, Luther, kennst du deinesgleichen nicht? Mein Gott, was ist das? Bin dein braver Apel. Urkunde her! Die Hochzeit wird beschlossen! in krankhaftem Lachen. Mein Gott, noch mehr von diesem Mummenschanze? miteins vortretend. Hier sind die Freunde all. Voll ist die Zahl – Welch Schrecken faßt mich an? Hier, Luther, hier! Die Namen –? Aufschreiend. Eitel Höllenblendwerk ist's! Die Hölle ist im Bund mit deinen Feinden. Der Himmel, Freundchen, ist im Bund mit dir. zur vierten Gestalt. Du, scheint es, bist ein Weib. Weib wie die Bore. Ha! Mein Nam ist Kranachs Frau. Kennst nicht die Stimme? Frau Kranach!? Sieh! Wer sind die andern denn? Die Stimm verkündet – Lukas, bist es du? Lukas, der Maler-Kranach, Luthers Freund. Oh, oh, nimmt denn des Staunens gar kein Ende? Nun fehlt nur einer noch – Wie Bugenhagen? Vortrefflich rätst du, Freund. laut lachend. Vortrefflich, wahrlich! Zunehmende Dämmerung. Sie treten dichter zu ihm. wieder ernster. Erklärt euch, Lieben, dieser Mummen-Aufzug – Bist, Luther, ganz versessen? Kennst dich nicht? Wir fünfe kennen dich. Du sagtest gestern – Zur Abendstunde just um diese Zeit –: »Ich wollt die Bora nehmen, Katharina, Ich wollt, ich nähme sie; nahm ich sie, was dann? Ich wollt, ich zeigte, – nützte meiner Sache, Indem ich Mut bezeigte und den Schritt Zum Weib vollbrächte, – tat ich's? – wagte ich's?« Und so mit manchem halben Hin und Wider, Mit dunklem Munkeln und halbfestem Willen Schienst du ermuntert uns noch nicht genug; Wir sprachen: »Sind wir Freunde, helfen wir! Den ehrenwerten Mann Nagt allzu großer Skrupel, helfen wir Und öffnen ihm die Augen!« Luther, du So reichbegabt, so vielvermögend, so Vom Himmel überschüttet mit Gewinn, – Willst du den Teufel triumphieren lassen? Siehst du die Falle nicht? Ei, er ist schlau! Doch mächtiger ist Gott! Sehr mächtig wahrlich! Wie läßt Gott zu, daß Luther eine Tat läßt, Die, eine Siegesfanfare, schmettern wird Die Christenheit entlang, daß Luther läßt, Sein Volk durch großes Beispiel zu erlösen? Denn Worte ohne Beispiel sind ja taub! Nur allzu wahr! Nur allzu wahr! Wie, Luther? Ich dächte doch, du bliebest hier nicht feig. »Mein Luther zaudert, zaudert mein erwählt Gefäß!« So jammert Christus durch den Himmel. Ich hör's! wilder Aufschrei. Ihr seid die Hölle!! Sie weichen rücklings. wie vorhin. Fort mit euch!! Sie weichen bis hinter die Pfeiler zurück, sind wieder unsichtbar. – Stille. – Luther keucht und stöhnt. Kathrin, Kathrin, entgehst du meinen Armen!? Wohl so! Wohl so! Ich bleibe, wie ich bin. Denn so spricht Paulus: »Jeder bleibe – –« Wie? Der Christenheit Hilfe –? (Ruh! verstörtes Fleisch!) Der Luther ist ein Mann! Ich halte Part. Es knirscht des Satans Rachen unter mir, Gischt, Dampf und Feuer spützt er mir herauf; Umnebelt, steh ich dennoch klaren Auges! Er will nach rechts fortgehen. Aber dicht vor dem Ausgang hält er inne, und während er das folgende spricht, kehrt er wieder auf seinen früheren Platz zurück. Und dennoch: – heilig Zeichen, seh ich dich? Wer hält das Kreuz, – und drüber steht in großen, Blutigen Buchstaben: Martinus Luther? Ha! fürchterlich Symbol! Der Luther? – Ich? Gekreuzigt? Furchtbar! Wenn ich dieses täte –? (Wie stürmt mein Fleisch gewaltsam auf mich ein!) Ruh! Ruh! Halt klares Auge! – Wenn ich's täte? Wie? Luther! Was heißt Kreuz! Wer tat dies je? Wenn ich jetzt meine Tugend kreuzigte Aus Lieb zum Tugendhaften? – Herrlich Bild! Was heißt denn Kreuz? Sich selbst verleugnen, wahrlich! Ist Selbstverleugnung Selbst-sich-suchen? Nein! – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – Der Heiligen Kreuz, ein kleines Kreuz fürwahr! Ein Puppenkreuz, Kreuz für 'ne Puppe, wahrlich! Hier aber dies Gehärm – Dies Quälen, diese Schreie, alles geb ich, Mein Heiland, hin, damit du herrschend seist, Die Rede beginnt zu jagen. Selbst meine Tugend hin, mein gut Gewissen, Den Bürgeschein für meine Ewigkeit, – Da –! geb ich alles hin! Riß in euch, Fetzen! Sollt all nicht sein! Ganz nackt, ganz bloß, ganz Kreuz! Dann aller Tugend bar häng ich und schreie Mich wund nach Dir, o Gott – – oh, höchst fürtrefflich! Los über aller Lose! Wer ist so Wie du? Wer starb so? Wer ging also hin In Tod und Untergang? Gleichwie Sich Christus Verworfen machte vor dem höchsten Herrn, Mit Sünd beladen, die Er nicht gesündigt, Gleichwie Sich Christus vor Gott stinkend machte, Gleichwie Er Gottes Zornblitz auf Sich zog Um unsres Heiles willen, also ich Ans Weib mich heftend, (Weib heißt hier das Kreuz.) Am Weibe hangend, suche Untergang Vor Gott um meines Volkes Rettung willen, Um ihnen Bild zu werden, (so ward Christus Der Sünde Bild, um sündlos uns zu lösen.) Um ihnen Bild zu werden reiner Ehe Des Priesters auch, von Gott also gewollt. – Er stürzt in die Knie. O Luther! Luther! Siehst du deine Größe? Gelübde spreng ich – Er hält ein. Doch dies war der Teufel, Der wieder rückwärts will, am Kreuz mich hindern, Das ich mir selbst erkor; ihn acht ich nicht! Ja, sprich nur: »Willst du dein Gelübde brechen, Luther, das heilig gilt für ewige Zeiten?« Ja, sprich nur Satan: »Willst du wirklich brechen, Was alle keuschen Priester fromm bewahrt, Die Heiligen gerühmt und hochgehalten, Die Väter unverbrüchlich ernst besiegelt Mit frommem Leben, das der Wunder Duft Gezeitigt, wie Baum Blüte, wie Blust Frucht?« Trotz Väter insgesamt! Es schmeckte süß Den falschen Heil'gen überzuckert Kreuz! Und Wunder wirken –? Wunden wirken, das Ist fromm! Wer sich mit Wundern nicht betrügt! Wer sich nicht täuscht in Wundern, seht nur zu! Erschöpft. Ich nehm es auf mich, muß mein Leib auch dran, Die Seele fährt einst in ihr Paradies. Stille; er flüstert. Kathrin! Kathrin! Wird es denn wirklich wahr? Das heiß Ersehnte! – Doch um Christi willen Verschmäht, doch dann ersehnt um Christi willen. Erst Held in Christus, so Asket wie Jungfrau, Dann Schächer in dem Herrn, entblößt des Schmucks, Wie Christus Sich der Gottheit ganz entblößte Und Schächer wurde unserthalb. Ganz stimmend Ist alles. Er stutzt. Und das andere, das andre! Mein Gott, wie bist du wirksam in den Schwachen! Die Nonne flieht zum Mönch. Erst Mönch, erst Nonne. Die Nonne seufzend in des Klosters Kerker, Vernimmt den Ruf der Freiheit durch die Gräber, Den ruft der Mönch, der seinen Christus fand. Nun aufersteht sie, sprengt das Grabgewölbe Und feiert Ostern. Nun dieselbe Nonne Bestimmt der gütige Schöpfer zur Bestimmung Des Weibes, die gebiert, wie er den Mönch Zum Mann, der zeugt, aus vielen Sich erlesen. Er sinnt. Vergleich ich den dem Christus, der sein alles, Die himmelblaue Tugend des Gelübdes, Hingibt um Gottes Zorn, das heißt: auf Erden Ein Feuer zu entflammen, welches loht Und loht und nicht erlischt, wie Christus Seines Durch Gottes Zorn entflammt hat, das Er wurde, – Vergleich ich mich dem Christus (aufersteh ich Doch aus der dumpfen Nacht!), so sie, Kathrina, Verwandelt ihren Namen in Marie Durch wunderbare Ähnlichkeit. Traun! traun! Kathrina – sag ich also – du sollst Heil sein Und in Vereinigung mit Luther Heil Bringen der ganzen Christenheit! Ganz seltsam Paßt alles ineinander, wie ich's wende. Dies wird zu sicherem Zeichen Seines Willens. Drum nichts mehr, Satan, deine Macht ist aus, Verloren und vertan, verwüst, vernicht. Ich triumphiere; Er stampft auf den Boden. will nicht, daß die blöden Einflüsterungen noch gehässig treiben Ihr jämmerliches Spiel: »Wie? Die Gelübde? Verletzen, was das Heiligste der Kirche, Den bräutlich Bund mit Gott? Was frei gelobt, Erkoren frei, in freier Liebe frei ist, Erhaben über jede Ausdeutung, Die du, o Mensch, die Sünde zu beschwichten, Dir deutest?« Er stampft heftig. Nein! und wieder Nein! Ich will nicht! – Wo sind die Freunde? Satan, läßt mich einsam Geruhig nicht, so kann ich dich vertreiben Durch fröhlich frische Tat! He, Freunde, he! Verschwunden wie der Wind, ihr Lächerlichen, Nun wie der Wind mir vor das Angesicht! Sie treten mit heftigem Schritt hinter den Pfeilern hervor. Stille. – Mich schaudert's – Apel, Bugenhagen, Jonas? Ja, ihre Stimm ist recht. Doch das dahinter, Das feuerglühnde Aug, – schrecklicher Aufzug! Gepreßt. So fürchterlich, ihr Lieben!? Warum also? Der großen Tat ziemt auch ein großer Aufputz. zu sich. Groß ist die Tat und furchtbar zugerichtet. O Tat, die Untergang gebiert, dir ziemt Des Untergangs Gemumme: schwarz und feurig! Schrecklicher Künder! – Untergang dem Papst! Der Tat, die Feuer facht, gebührt das Feuer. Wie eine Fackel bin ich meinem Land. Drum Fackeln fachen, Fackeln fachen, Lohe! Er nähert einen Stab, der im Gürtel stak, seinen Augen; die Flamme zuckt, die Fackel brennt. Alle anderen tun im Nu ihm nach. zwischen den brennenden Fackeln; immer geängstigt. Ein künstlich Feuerwerk und seltsam, wahrlich! Doch fein ersonnen, schöner Plan! einen Schritt näher auf Luther zu, enger um ihn. Die Hochzeit! zuckt. Schwälende Glut weckt ihr in meinem Innern; Der Fackeln Qualm hüllt alles ein. Wie heiß! Er keucht. Ich will die Hochzeit mit Kathrina Bora, Sie treten wieder einen Schritt zu. – Bleibt mir vom Leib! Was soll's! – Ich will die Hochzeit, Mönch mit der Nonne! Will! kreischt. Kathrin! Kathrin! O Luther, willst du zagen!? – Ruft sie her! Die Tür des Hintergrundes öffnet sich, Katharina von Bora, im Gewände der gottgeweihten Jungfraun, betritt die Schwelle. Erste Gestalt und vierte flankieren sie fackelhaltend. Es blitzt. Sturm steht auf. wie nebensächlich. Schwül war der Tag. Der Abend bringt Gewitter. Luther wendet sich zur Tür, schreit halb auf, taumelt, erblaßt. Fünfte Gestalt hält den Mönch im Arm, ihm ins Antlitz leuchtend. Die Gruppe bleibt. Stille. Dumpfer Donner. wieder zu Kräften kommend, in den Armen des Unholds. Kathrin – o Weib, ich hab dich nicht gerufen; Vielmehr, mich dünkt, Brautführer ist der Herr; Denn Christus bringt dich selbst in meine Arme! Luther, mein hoher Herr – immer dem Teufel anlehnend. Oh, süße Stimme, Taube! Mein Herr, dich kürt ich über alle Liebe, Gott hat mir aufgemacht des Klosters Tür. Gar mächtig ist Sein Arm; Er gibt mich dir! zu Luther. Nimm hin den hohen Preis all deiner Mühn! zur Bora. Nimm hin den Mann, dem du zu eigen bist! reißt sich heftig atmend empor, geht einen Schritt auf Bora zu. Sie macht die Arme weit. Trotz Tod und Hölle! tritt dicht hinter Luther. Und ich trau den Bund. sich zu ihm umwendend. Ja, Bugenhagen, teurer Bruder, wahrlich, Nimm du die Trauung vor! Es ziemt sich so. Heut ist's im Juni dreizehn. Gegen Abend. Es blitzt und donnert. Mein Gott, der Tag war heiß, es gibt Gewitter, – Und schwül die Luft. 's ist nicht verwunderlich. Nimm, Jonas, alles sauber zu Papier. Auch seid ihr Zeugen, Kranach, du und deine Gattin. Mein Gott, so wird es wirklich wahr! Wird wirklich – Komm doch, Luther, Käthe wartet – Ja wahrlich – Er geht wieder näher dem Weibe zu, das die Arme nicht sinken ließ. – – Furchtbarer Aufschrei. Er hält dicht vorm Weib. erschreckt, läßt die Arme sinken. Martin, was ist es –? die Fäuste ohnmächtig bis zur Stirn hebend. Die Gelübde, Weib –!! zuckt zusammen, erblaßt. Mein Gott – Gefangen – im Chore furchtbar rufend. Spricht ein Luther so? Sie werfen ihre Fackeln nieder, treten sie zu Boden und verschwinden im Nu. Dunkelheit. Der Mönch und die Nonne sichtbar nur in den zuckenden Blitzen. Die Donner rollen durchs Gewölbe. keuchend. Kathrin, ich will dich über alle Welt! ebenso. Dem Papst zum Trotz; er machte die Gelübde! ganz leise. 's ist alles Menschenwerk – – 's ist alles Mache! 's ist Gaukelspiel und Trug – 's ist Tod und Hölle! Doch dich hat Gott geschaffen – Dich will Gott – Komm, Weib, sei froh mit mir! Ich bin's mit dir. Sie sinken zusammen. – Unwetter. Unterirdisches Getöse. Nacht. 6. Bild Sechstes Bild Zeigt das Portal der Wittenberger Schloßkirche. Freier Platz vor Stufen. Viel Volk auf den Stufen in Gruppen lagernd, auf dem Platze dicht gedrängt in Masse. Ihre Tracht ist nicht die Tracht des sechzehnten Jahrhunderts, sondern bunt geflickte, zerstückte und durchsetzte Mäntel und Langgewänder, Lumpen mehr als Kleid. Die auf dem Platz Stehenden bilden gleichsam zwei Chöre, der eine rechts, links der andere. Der Mittelraum läßt den Blick offen. Gewirr der Stimmen, schwatzend und lachend, in grellster Mittagssonne, roh und laut. Nun hinkt aus der Reihe rechts ein Krüppel in die Mitte vor, hält, steht, pfeift gellend auf den Fingern. Es wird still. mit seiner Krücke zum Kirchenportal weisend. Dort geht es vor. Oh, ungeheuerlich! Ein Held, ein Schuft, ein Räuber, ein Halunke –? Wer ist der Luther? Nein, zum Teufel, sag ich! Ein Engel Gottes selbst. Bei meinen Krücken! Drum geht er hin, und nicht die Ziegel auf Den Dächern können sagen: Luther halt! So ist der Luther. – Er hat's gut befunden, Und also ist es gut. – Den Heiland selber! Er hinkt einen Schritt vorwärts. »Mein Herr und Heiland«, so spricht dieser Luther, »Man hebt Dich in den Kirchen auf, in Häusern, Man sperrt Dich ein in einen finstren Stall Und nennt dies Tabernakel – Ih, wo steht dies!? Vielmehr besagt die Schrift so klar und sichtlich, Daß selbst ein Narr es greift, besagt die Schrift: – So sagt sie: ›Himmel ist mein Haus und Erde, Ich wohne nicht in Häusern, die mit Händen Gemacht sind.‹ – Da dies also klar erhellt, Wie kann man da seit tausend Jahren und Noch länger! nein! seit fünfzehnhundert Jahren Ihn sperren in das Dunkle? Wie? Wo steht dies?« Drum jetzt der Luther aus dem Tabernakel Mit Macht und Kraft und großem Arm Ihn holt – Hei lustig! Er fällt hin. Er fällt! blickende Bewegung. Er beißt die Erde! Ai! Ai! Ai! Er hat den Krampf! Ein Gottesurteil! Betet! Viele sinken nieder, weniger bleiben aufrecht. innen aus dem Dom. Mein Gott! Mein Gott! Mein Gott! Mein Gott! Der Ruf kommt näher. Luther! Er kommt – st – links in Nonnentracht voreilend bis zu den Stufen. Will ihn sehn ganz nah – innen. Hei! Das Portal rasselt auf; der Mönch Luther läuft hindurch, vor bis zu den Stufen, wo er jäh einhält. Unweit vor ihm zuckt der Krüppel. Luther ist angetan mit langwallendem, schwefelgelben Gewand und bedeckt mit schwefelgelber Kappe. Er steht keuchenden Atems. O Graus, die Hand zuckt noch von Pest und Frevel; Und dennoch ist es wahr. Und dennoch gut. Jahrtausend Jahre willst du überrennen In zügellosem Mut? Und dennoch renn ich. Schweigt still! ruft. O Luther, was hast du getan! Erschrecktes Volk. Das Gottesurteil! Zeugte dieser nicht? Ihr hörtet alle, was er sprach. Er rast. Was kläffst du, Köter, beißt und geiferst? He? Ich sagte nicht die Wahrheit! Luther lügt! Unsinniger Patron! Den Fußtritt! Da! Er tritt nieder und stößt ihn. Ich schwör auf Gott! O weh! Er nimmt mich hin! Er stirbt. Unselig bist du, fahr zur Hölle, pack dich! Zum Volk. Und hier seht ihr ja sichtbar Gottes Finger! Was murrt ihr noch? Ist's nicht dem Pofel wohl? Ich kam und jener schied, ich aber bleibe, Mit meiner Tat ist Gott! Heil, Luther, heil! Und Heil der Brust, die dich gesäugt hat, Luther! Vereinzelte Zurufe. Mit meiner Tat ist Gott. Wer steht dawider? Ich ging hinein, da war das Tor. Das Tor, Davor sich alle beugen knieknicksend, Weil Gott darinnen haust. So sagt ihr. – Gott? Wo steht denn das geschrieben? He? Wer weiß? 's steht: »Nehmt hin und esset!« 's steht und wankt nicht. Nicht aber steht: »Nehmt hin und sperret ein!« Ha, römisch räuberische Kniffe, wahrlich! Nun also schloß ich auf – Da überfuhr mich Grausen, und ich wankte. Stille. – Da nahm ich Es, da gab mir Gott den Mut, Da nahm ich Es und aß, – leer war das Tor. Ich ließ es auf, es gähnte mich geplündert Und gramvoll an, so wie ein räuberischer Stempel bedrückt' es mich, – doch das war Satan, Drauf ich entfernte noch die Kanontafeln Am Altar, die dem Messepriester dienen Zum plappernden Gebet. Ich trat sie nieder, Weil nichts von Messegreueln in der Schrift Geschrieben steht; – sie opfern Den dort auf, Der Sich für sie geopfert, – o der Schande! »Einmal am Kreuz«, so heißt es im Sankt Paul, »Einmal am Kreuz hat Er Sich dargebracht Zur Sühne aller Sünde.« Rom jedoch, (Verhülle, Herr, Dein Haupt vor diesem Babel!) Rom peitscht den Schwanz wie ein verhungert Raubtier Und schleicht heran. Und springt und beißt vom Kreuz Den Herrn in Staub und opfert Ihn für sich, Blutdürstig fauchend, und wird nie ersättigt! Unterirdisches Rollen. Sie hängen an Luthers Lippen und hören es nicht. Ich aber habe Vollmacht überkommen Von meinem Christ, der Schlang das Haupt zu treten In Kot und modrig Schlamm. Mein Heiland selbst Hat müssen an das Kreuz geheftet hangen Drei Stunden, doch dann stand Er auf. Auch ich Bin ja ein Kreuz und Abschaum aller Welt, Wie Jener stürzend, was der Väter Lehre Bewährte fest und gut. – Trutz allen Vätern Und ihren Mären all! Es bebt und rollt heftiger. Das Volk bestürzt. zugleich. Die Erde bebt! übertönt. Laßt bersten alle Welt, Christ muß bestehn! Sturm. Es wird dunkel. laut rufend. Die Sonn verliert den Schein! Helft, rettet! Gott! Es blitzt. Das Volk zerflieht schreiend nach den Seiten. Die Erde wirft unter heftigem Getöse Wellen und ein ganz schwacher, rötlicher Schimmer lagert über ihr. Doch Kirche wie Stufen bleiben bestehn, nur der Boden des Platzes wogt, Luther bleibt in der Finsternis unsichtbar. Nun wird es ganz still. Lautlos öffnet sich das Erdreich inmitten des Platzes und in einem Strahl glühenden Lichtes, den die Erde gleichsam auf den abtrünnigen Priester speit, erscheint ein Menschenhaupt, das über trostlosem Scheitel sein Weh gehäuft und in kalkweißem Erstrahlen sein Nichts und Ich birgt und trägt. Dies grasse Dasein spricht dann mit erstickter Stimme heiße Worte. Sein Licht, ganz kalkweiß, zuckt wie Qual: Mönch und Erscheinung mustern sich in einer starren Stille und einem bösen Blick. Wer bist du? Dein. Was soll dies? Bin du selbst. Gellendes Gelächter – Stille – Du bist nicht mein, du bist nicht ich, – wer bist du? Bin deine Tat, vervielfacht mit dir selbst. Bin deine Tat, verdoppelt und verdreifacht; Dein Schatten bin ich, dein gigant'scher Leib! O Mann, mir rätselhaft und doch vertraut, Vertraut durch Auge wie durch Wort und Schein: Vertrau dich ganz mir an, brich grausige Stille! Verkappt, verhüllt, vertan und dein vergessen, So schlichest du in die geweihte Halle. Der Schlüssel scholl im Schloß, das goldne Tor, Drein sich der Schöpfer sperrte, der Verruchte, Es wich vor deiner Hand; – und ohne Schelle, Ganz lautlos, ohne einen Ministranten Auflachend. – Der Satan war dein Ministrant, fürwahr! – Entferntest du die weiße Scheibe Unflat Und schlangest sie hinab und grinstest groß. – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – Auch ich, Beinah vierhundert Jahre nach dir kommend, Haupthebend auf der Erde, Mensch und mächtig, Schleich mich in eine Halle, die blieb über Von deiner Tat. ganz leise. Erklär dich besser, besser! zischt. Du bist der Kirchenfürst, der Fürst der Kirche, Genie der Hölle, lautlos tauchst du auf; Und nun vom Stuhle, Der feurig dein ist, leitest du Vernichtung, Zwinger des Christus, dessen Kirchen leer Durch deinen Um trieb sind, beraubt des Gottes. Stille. Jahrhundert geht, Jahrhundert und noch eines; Da tritt ein andrer auf und fördert dich. Mit hohen Worten, Durch Dichtung blinkend und durch Geist gefällig Vor Mensch und Welt, tut er den zweiten Schritt: Er raubt den Christus aus dreieiniger Gottheit, (Verfluchtes Wort, das meine Lippen brennt!) Er raubt, wie du Ihn aus den Kirchen raubtest, Ihn hoch vom Himmel, da wird Gott entleert Des Sohnes, Jesus bleibt ein edeler Meister Und Mensch! Er lacht. Höllischer Kniff! Ein feines Stückchen! Nun ist die Menschheit des Erlösers bar: Gott oder Allah: alles einerlei: Mohammed oder Christus oder Goethe Ist gleich. Da wird Geheimnis hohnverlacht, Gott wird ein ferner Geist, Er wird gefällig, Das Huren zu ertragen und das Lästern, Gott wird ein schöner Vers, Natur wird Weisheit, Sternkraft wird Himmel, Unsinn wird geschätzt. Er lacht und zischt. Kreuz, Blut und bangestes Mysterium Wird Götzendienst gescholten, Jammerbild Am Holze; Isis' Horn, Anubis' Rachen Sei ähnlich oder besser. – Und in Erz Gegossen und gehüllt macht sich sein Volk Ein Standbild dieses hohen Weltallfürsten Allüberall auf jedem Markt, verehrend, Was Ehre heischt von Menschen! Großer Dichter Und großer Mörder! Großer Mörder Christi! Lorbeer um deine Stirn! Es zischt dein geiles, Grell furchtbar Licht auf mich der Worte Unzahl. Wir beide sind allein. Und Nacht ist rings. Ich träume – träum ich? Hinter mir der Kirche Portal gähnt öde, und es wankt im Abgrund. Und dennoch ist es wahr. Ich will es also. Was jener spricht, kommt nicht auf meine Rechnung. Und dennoch ist es schön, im Zwielicht stehn, Allein beleuchtet, Welt rings ausgelöscht, Erzene Kirche wie auf meinen Schultern, Die ich reforme, ich reforme sie – Er flüstert unverständlich. Vorwärts im Text! Das Weihrauchfaß geschwungen! Die heilige Lesung ist noch nicht zu End! Apokalypse, Buch der Offenbarung: Dann kommt ein Tier mit Hörnern, das bin ich! Er keucht und ächzt. Der Gott, der lebt, ist mir noch nicht gestorben! Die Kirche fiel. Brav! Christus ist gestürzt! Halloh! halloh! Messer an Seine Gurgel! Doch bleibt noch Gott. Wer packt am Schöpf den Alten? Wer reißt Ihn an der Gurgel jäh hinab? Fauchend. Ich tu's. Ich tat's. Der ganz verruchte Wohnsitz, Der licht im Himmel uns Gesetze gibt, Den freien Herrenmensch zum Sklaven niedert, Fällt unter meiner Faust in Trümmerschutt! Ehrwürdiger Bart ist nimmer vor mir sicher, Ich spei hinein, ich trete ihn ins Kotige, Qualvoll. Ich lasse meinen Hunger an ihm aus, Und was dann übrig bleibt, ist Gottes Balg! Aufschrei. Drei Kreuze seh ich stürmend auf mich kommen, Drei Kreuze laufen Reihe auf mich zu, – Versink, mein Ich, das sich der Welt gekreuzigt, Damit sie frei vom Joch des Kreuzes sei! Er versinkt und die Erde schließt sich. Der abtrünnige Mönch steht allein in einem rötlichen Leuchten. Schwere Stille. Schön ist es, Leuchte sein für tausend Jahre; Und dies doch prophezeite das Gesicht? Wenn ich es recht verstand. Ich leuchte also Dem Papst zum Trotz mystisch in Dunkelheit. In Dunkelheit der Kirche mystisch Christ. Gesang 7-8: Das Ende 7. Bild Siebentes Bild Unterirdisches Felsengewölbe. Langer, erdentwachsener, steinerner Tisch quer von rechts nach links, hinter ihm läuft der Sitz, in den Fels gehauen. Fackeln schwälen in Spalten des Gesteins. Kein Taglicht. – Luther schwarz und lose gewandet in der Mitte am Tisch, neben ihm Katharina in Nonnentracht. Dann folgen die vier Freunde: Apel, Jonas , Kranach, Bugenhagen schwarz vermummt wie im fünften Bild; Kranachs Frau sitzt rechts neben Luther. Zechgelage. Wein und Becher auf dem Tisch. Schwarzgekleidete räumen soeben die Schüsseln weg, hin und her eilend. Ist's Nacht? Ist's Tag? Ist's Finsternis? Ist's Helle? Erlosch die Sonne? Fackelt uns der Mond? Zeitlos ward Luther längst, Ein großer Mann, den das Gestirn nicht kümmert Der Erdenzeit, hocherhaben – hocherhaben – Er lacht. Zeitloser Luther, Mensch kaum, viel mehr Geist, Ins Riesige gereckt, – leer deinen Becher! Luther trinkt. Ein Geist bist du, doch Käthe liebst du noch Als dein getreues Weib. Sie und die Kranach lachen im Einverständnis. steht auf und richtet sich mit Stolz hoch. Ich bin ein Geist, das sagst du wahrhaft, Bore! Ich bin nicht menschlich mehr, ich bin gestorben Der allzu kleinen Welt. Längst das Getümmel Und keifend ärgerliche Hin und Her Mit Papst und Priester hab ich satt! Dahin! Laßt sein! 's ist Kot! Ich bin ein Geist und mächtig. Er setzt sich wieder. Wenn du ein Geist bist, lohend Feuer wider Die Kirche und das Rudel Christenheit, So raff dich auf und wag es! Alter Schwätzer! Ein Geist schwatzt nicht, er tut. blickt ihm stier ins Angesicht. Was soll ich tun? Hm – hm – Schläft Luther, ist der Alte tot? Wo sind wir? Dünkt mir doch in meinem Keller Zu Wittenberg. Haha! Bist du ein Geist? Und haust zu Wittenberg? Potztausend, nein! Ich hause nicht zu Wittenberg, ich hause Im Weltall. Brav! Wo also bin ich, Freunde? Du bist zu Wittenberg in deiner Klause. So mein ich auch. Doch bin ich nicht ein Geist? Wenn anders Weltall Wittenberg benannt wird, Und deine Klause Grund der Erde heißt. Fürtrefflich! Sonnenklar wird's mir im Hirn! Er trinkt. erhebt sich und pocht auf den Tisch. Du bist der Herr der Erde und des Alls! kreischt. Weil du den Papst wie einen Ochs gestochen! Der sich der Herr des Himmels und der Erden Anmaßt zu sein. Doch du hast ihn gestürzt Und nimmst nun seinen Thron. Und seinen Sessel Besitzt du. trinkend. Wahr! Drum wage auch die Tat! wendet sich dem Sprecher zu, mitten aus dem Trinken auf. Was speit ihr mir von Tat und Tat ins Ohr? Das hört nicht auf, das hetzt den ganzen Abend, Das drängt, das wispert, das vereint sich wider Den armen Luther – Er springt auf und schleudert dem Bugenhagen den Becher ins Angesicht, der ihn aber geschickt mit dem Arm abwehrt. Luther schreit. Hab ich nicht den Papst Ersoffen und erstochen und erwürgt? Potz Teufel! Um und um ist er gewendet Von meiner Feder, armer Madensack; Die Maden hab ich einsam ihm geklaubt Aus Wanst und Hintern, alle insgesamt! Ist das nicht eine Tat? Wer tat je so? Was soll es noch? Ich bin erschöpft, ich schwitze, Ich liege lang und stinke vom Geschäft – Was nun? Just, Luther, zeugen einen starken Sohn! fällt auf den Sitz zurück, keucht. Wie? Zeugen? Ja, wie heißt der Sprosse mein? Nenn ihn Rauchsäule, Feuerkopf und Schwefler! eingezogen, stier vor sich. Und also sein Geschick? mit Gebärde zu denen um Luther. St – st – Kniet nieder! Betet an den Starken, Der einen Starken zeugt, den starken Zeuger; Huldigt dem Feldherrn! Auf einen Wink des Jonas versinkt der steinerne Tisch, und die Erde schließt sich über ihm. Jonas, Apel, Bugenhagen, Kranach werfen sich vor Luther mit dem Angesicht zur Erde nieder, Rechts und links fassen Luther die gleichfalls knien huldigenden trauen ein. Die Gruppe bleibt eine Zeit still. leise zischend. Kenne euch Gewürm! Die Hölle über euch! Sprecht! Sperrt das Maul! indem er Schwert und Degen von der Erde auflangt und die blanken Waffen gekreuzt und gezückt dem Mönch überreicht. Nimm Schwert und Degen, huldreich Angebinde, Wiegengeschenk für deinen starken Sprossen, Patengeschenke deines armen Jonas! Luther nimmt sie, lehnt das Schwert neben sich und legt den Degen vor sich auf seine Knie. reicht ein Feuerzeug. Nimm Stein, der Funken wirft auf steinern Anschlag, Nimm Zunder, der die Flamme rasch säugt groß, Nimm Stein und Zunder für den starken Säugling, Der sich aus Brust des Feuers Feuer sauge! die sich niederbeugt, die Füße des Priesters umklammert und sie küßt. Ich, Luther, biete dir als Unterpfand Treuer Nachfolge und Gevatterschaft Den Kuß und meine Liebe! Der Mönch stöhnt. indem sie Luther heftig umschlingt und ihn lange auf die Brust küßt. O mein Luther, In diesem Kuß nimm heiß und heftig meine Glühende Mutterschaft; ich sauge aus Von deiner Brust, die wild in Schweißen schlägt, Den feurigen Atem, daß dein Kind das meine In Fleisch und Blut sei, meiner Lenden Frucht! Stille. Dann stürzt der Unselige, erstickt aufatmend, auf die Knie und neigt sich vornüber, so daß er, mit den Armen auf die Erde gestützt, wie ein Tier keuchend sich dartut. Katharina, gleichfalls in die Knie brechend, preßt sich schräg über seinen Rücken, mit ihrer Faust seinen Nacken niederzwingend. Gruppe bleibt bis zum Ende. springt aus anbetender Stellung empor, während die übrigen Freunde bleiben. Bugenhagen entreißt dem Gestein eine Fackel, pflanzt sich vor Luther hin und beginnt. Jetzt wird das Kind gezeugt, das mehr als Mensch ist, O Luther; denn als Mensch zeugtest du schon In deiner Hochzeitsnacht. Jetzt wird das Kind, Frucht einer geistigen Vereinigung, Gezeugt, empfangen und sogleich geboren Ins obere Gefild. Denn über uns Dehnt sich der Erde Rücken lachend hin, Wiese an Wiese, Wald reiht sich an Wald. Doch hier und dort durch Busch und Stämme funkelt – Frei in der Landschaft, wie mit aufgewachsen – Ein Bild, ein Haus, ein Klotz und eine Säule. Ein Kreuz, ein Muttergottestempelchen, 'ne Martersäule oder 'ne Kapelle. Götzenanbetung freundlich blinkend tut sich Groß in Natur, schielt zwischen Baum und Weiher. – Du, Luther, der sich reiflich überdachte, Frei aus dir selbst, dein Weib und uns die Freunde Beherbergend im Busen wie im Hause Mit Atzung labend, oder auch im Bett Mit Lust genießend jungfräuliche Glieder, Hast abgeschworen jener feilen Mache Und zu dem Gott der Wälder dich bekehrt. Willst du dem Gott der Welt zum Sieg verhelfen? stöhnt zwischen Weib und Erde. Ich will dem Papst und seinem bösen Reiche Wie allen Päpsten, die gewesen sind, Und die noch kommen werden, wie den Priestern, Die je das Rund der Erde überwandeln, Ich will den Bildern allen, die sie bauen, Ich will dem Brote, daß sie gleißnerisch Beräuchern schon durch die Jahrhunderte –: Pest, Tod und Untergang in ewige Zeiten! So willst du auch das Kind, den starken Sprossen. Er winkt der Kranach, die sich erhebt und neben Luther tritt. Wollust durchzücke dich, o Mensch, o mächtiger Mönch-Vater, Priester-Feldherr, Bein und Gott Zukünftiger Zeiten! Nacht sink tief herein! Die Fackeln löschen alle aus, bis auf die Fackel des Redenden. In Strahl des Samens taufe ich dich, Sproß, In Lust der Mutter nenne ich dich, Sproß, In Bein der Eltern zünde ich dich, Sproß! Er tritt herzu und schüttelt die Fackel über den Gebückten. Feurige Flocken gleiten auf sein Haupt. Dann reicht er der Frau des Kranach die Fackel. Und du, Gevatterin, reck auf die Fackel; Du bist ein Weib und Zünderin der Sünde Demnach von Anbeginn, entzünde sie, Heb aus der Taufe dieses Menschen Kind! Die Kranach stößt dreimal mit dem Feuer an die Decke des Gewölbes. Ein donnerndes Getöse erhebt sich über der Gruft. der beide Arme mit geballten Fäusten gen oben reckt. Es sinkt der Christ, es stürzt das Bild des Gesalbten, Es facht zu Asche Wind die Unbefleckte, Es herzen die Kapellen taub den Boden In Schutt und Unrat ihres armen Nichts. Es donnern die Kanonen in die Reihen Pilgernder Priester, in den Prozessionen Durchschießt die Kugel das geweihte Brot! Es öffnen sich die Schlünde, Feuer speiend, Wider des Petri felsenharten Thron. Es springt vom Fels des Petri Fels um Felsen In dynamitnem Sprunge, Untergang. Das Kind des Christuspriester, rast und wütet Mit feurigem Schilde um der Kirche Boll. Es stürzen Breschen in ohnmächtigem Sturze; Die Hölle zieht auf Sion siegend ein! Die Engel fliehen all, die Harfen springen, Musik zerreißt, Dämonen steigen auf. Es ändert sich das Bild der ewigen Sphären: Und ewiges Feuer herrscht auf ewigem Thron. 8. Bild Achtes Bild Ein Hain hoher Buchen in schimmernder Sonne. Eine Anhöhe hebt sich in der Mitte auf, Säule um Säule besteht auch sie der Wald. Hinter den Stämmen dehnt sich sonnenerfüllter Himmel blau. Die jubelnd klare Stimme des heiligen Erzengels Michael ertönt von den Lüften. Heiliger Schild ist gesalbt, heiliges Schwert ist gefacht, Heilige Erze Hüllen in schimmernden Turm, hüllen in blitzenden Sturm Himmlische Heerschar. Sonnhoher Himmel greift an, heimliche Sonne greift ein In die Geschicke. Düsterter Spruch wird gebannt, sündhafter Bruch wird bekannt Durch die Äonen. Singendes Heil bleibt gegrüßt, heilendes Glück leicht begrüßt Brünstige Burg uns. Über Verwüstung der Christ, schimmernder Gütiger ist Jahwe-Messias. Der Sang wird still. Sogleich darauf betritt der heilige Michael zwischen den Stämmen die Anhöhe. Da der Hain Buchen nur schmal ist, erblickt man die Erscheinung deutlich in der herrlichen Silberrüstung mit dem Schilde, mit dem entblößten Schwerte, mit dem goldenen Haupthaar, das unter dem Helm dicht hervor quillt. Der heilige Engel, das Schwert griffbereit in seiner Rechten, hält und sieht in das All. O Vater, Sohn und Geist der heiligen Liebe, Gericht zu üben habt Ihr mich gesandt. Ich sehe tief in Tiefen die Verwüstung, Auf heiliger Erde Blut und Rauch und Schwert. Zersplissen dürsten einstige Altäre Noch nach dem heiligen Blute, das sie netzte: Dem Blut des Sohns, der Sich der Macht entblößte Und Sich am Holze Welt zum Opfer gab. Ich faß mein himmlisch Schwert, ich greif zum Schilde. Der Untat Einhalt zu gebieten, wenden Soll ich das Übel düsterster Gewalt. Wie füg ich es zur Ehre Gottes wohl Am leuchtesten? Soll ich den Kampf beginnen, Erscheinend blinkend über Tempels Zinne? In die Posaune schmetternd zum Gericht? Doch Gottes Sproß selbst zog es vor, verhüllt Die Erde zu befreien, ohne Schwertstreich, In eines Menschen Armut blaß und bloß. Noch ist des Kampfes Stunde nicht. Der Heertag Schlug noch nicht in den Himmeln. Also wie Entledige ich meines Auftrags mich? Stille. In der Dreifaltigkeit seh ich die Güte, Die sich verherrlicht durch des Niedrigsten Beruf und Wahl. Je gänzlich einer Staub ist, Hilflose Ohnmacht, weinendes Geschöpf, Nur um so inniger, inbrünstiger Neigt Christus Sich ihn gänzlich zu erfüllen. Und weil denn Jesus selbst zum Staub vor Jahwe Sich niederte, weil Er entblößt Sich gab In Seiner Feinde Hand, so will auch ich Durch Unscheinbarkeit mir den Sieg erringen Zu größerem Triumph. Denn Christus siegt Nur um so herrlicher, je ärmer Er Sich ließ besiegen aus der Güte Gut. Die Güte, die Ihn kreuzigte, hebt auf Den Auferstandenen in ewigen Himmel, Weil Güte nur mit Güte sich bezahlt, Weil Güte Gott ist. – Daher neig ich mich, Er senkt sich in das Knie. Und eines Knaben innigen Scheitel küß ich Durch gütigen Anhauch. So arm wie dieser ist Nicht leicht ein andrer arm. Aus Samen Luthers, Aus seines Abfalls blutiger Umnachtung Steigt auf dies Kind. Er weiß nicht aus, noch ein. Von Elternlippe kam ihm nie die reine, Die unverfälschte Lehre ewigen Heils. Sein Herz schlägt in der Brust sehnsüchtig wund. Er dürstet. Hungert. Sucht. Kein Freund, kein Helfer, Der mit Verständnis ihn zur Krippe führte, Wo Jesus Brot ist. Er steigt zu den Menschen, Sucht hilfeheischend wissender Augen Paar. Abtrünnige bereden ihn mit Abfall, Wollüstige mit Wollust, alle Welt Reicht ihm den Stein, und er wird nicht zum Brot. Brot hofft sein Herz. Er fliegt zu allen Sternen, Späht in der Krater Glut nach einem Bissen Und in der Meere Tief nach einem Trunk. Krater bleibt Stein, und Meer bleibt Wogenschwall. Er spricht: »So sterbe ich den hungrigen Tod.« In leerer Wüste leer dehnt er die Arme: »O Sehnsucht meines Herzens, trogst du mich? Was ich gesucht, wird es denn niemals Fund? Find meinem Herzen ich nicht eine Stätte?« Und so mit Auge, das in Inbrunst schwimmt, Nur Herz, nur Hunger, sehnt er sich empor, Bereit zu sterben. Wer war ärmer arm? Drum, Jahwe, Du verstattest die Berührung. Mit meinem heiligen Schwert Mit einer leisen Bewegung des Schwertes in die Tiefe hin. berühr ich dich, O Mensch, in Christi Kreuzes heimlichem Zeichen, Lehre selige Auffahrt, lehr himmlische Glut! Bitt für dein Volk, das sich dem Tod verschrieben, Bitt für das Volk, das sich dem Abfall bot! Besiege selbst den Abfall; aus der Tiefe Aufklimmend, leide alle Leiden mit, Die Christus litt in Luthers grausiger Tat! So wirst du einst ein Fürsprech gut im Himmel, Denn Armut rühret den gewaltigen Sohn. Er erhebt sich und schwindet. hoch aus der Höhe. Ewiger Sang haftet fest, seliger Klang haftet fest In düstrem Erdreich. Neigt sich der früchtige Stamm tief in die süchtige Klamm, O Jesu Wunder! Zu der süß und mächtig anwachsenden Helle dringt. Heiliger Krieg ward erweckt, schmetternder Sieg bleibt gereckt, Himmlische Inbrunst Wird über düsterster Nacht, wird über finsterster Macht Helle Posaune. Tönender Jubel hebt an, strömender Trubel weht an, Hoch durch den Himmel Hallt zu des Heilands Gericht, hallt zu des Sehers Gesicht Heilige Stimme. Chöre von glänzendem Gold, Chöre von blendendem Hold, Chöre der Geister Wirbeln im blinkenden Reihn, feiern in duftigen Weihn Christus den Meister. Höllischer Drache zerbirst, höllische Mache erstirb, Höllische Gifte Heiliger Engel erstickt, heilige Jungfrau zertritt, Ave Maria! Fußnoten 1 Ezechiel IX.