Maria Katharina Stockfleth Die Kunst- und Tugend-gezierte Macarie / Das ist: Historischer Kunst- und Tugend-Wandel / In hochteutscher Sprach beschrieben / Und In einer anmuthigen Liebes-Geschicht vorgestellet; Dann Mit neuen Liedern / Melodeyen / und andern Lehr-Sprüchen / auch Historischen Kupffer-Stücken ausgezieret Erster Theil Erklärung des Titul-Bildes Erklärung des Titul-Bildes Hie steht das schöne drey der netten Charitinnen / Die Mütter solcher Lust / als Kunst und Tugend bringt. Hie steht ein Hirten-Bild / ein Bild der Kunst-Hirtinnen / Die Kinder solcher Lust / wornach Kunst-Tugend ringt. Sie halten dieses Buch / den Kunst- und Tugend-Wandel / Weil hier ein Hirte Kunst und Tugend lehren will. Weil auch nicht anderst soll / als in Kunst- und Tugend-Handel Anjetzo seyn gesetzt der Künste-Hirten Ziel. Das allerschönste drey zeigt das auf Cronen-Bande Damit sie binden sich / und wieder lösen nie. Es muß die Thorheit nun und Laster gehn zu schanden / Man ehrt und mehrt und lehrt GOtt / Kunst und Poesie / Das ist der Ordens-Zweck der Kunst-gekrönten Hirten / Die an der Pegnitz nun zur Bluhmen-Weide gehn. GOtt / Kunst und Poesie wird wieder sie bewirthen / Daß sie auf blossem Feld / doch unter Schirmen / stehn / Und was uns Dorus hier von allen giebt zu lesen / Wird man / nach seiner Bitt / so von ihm nehmen an; Daß / wie er jederzeit gantz eigen ist gewesen / So bleib er GOtt und Sprach und Künsten zugethan. Aus dem Lateinischen Aus dem Lateinischen Unter beygefügtem Bildnuß des Edel-würdigsten Dorus. Bleich wie der Leib von aus: so sieht das Hertz von innen / Die äussere Gestalt giebt Zeugnuß von den Sinnen. Ein schönes Angesicht zeigt einen schönen Geist / So lang die Stirn das Thor des innern Hertzens heist. Nur schöne Bluhmen sinds / die mit Geruch ergötzen; Wer will das Sonnen-Gold / ohn durch die Stralen / schätzen? Nicht anderst wird ein Hertz / das schön von Schönheit strahlt / Als durch ein schönes Aug / mit Farben abgemahlt. Auch selbst die schöne Kunst / muß durch gelehrtes lehren! Der Tugend-Ruhm sich nur / durch Tugend-Wercke / mehren. Das ist das schöne Kleid / darinn sie prachten kan / So offt man sie / als schön / durch schöne Werck sieht an. Was tapffer heissen wil / muß mit den Waffen spielen. Ein hoher Edel-Muth nach hohen Dingen zielen: Und wer dann allzuviel nach eitler Ehre trachtt / Kan je sich rühmen nicht / daß er der Demuth acht. Wer Kunst und Tugend wählt / die schöne zwey / zu lieben / Muß in Kunst-Tugend auch erwählen sich zu üben. Sie zeigt sich durch ein Werck gelehrter Schrifften an: Da sieht man / wer sie ist / und was sie endlich kan. Ihr / Dorus / zeigt uns das / durch euer Schönheits-Stralen / Muß uns ein Pinsel hier ein kluges Hertze mahlen. Die Schrifften aber sind die Zeugen Euer Kunst / Die Euch den Ruhm erwirbt / und grosser Herren Gunst. C.D.L.V.N. Nach Stands-Gebühr schuldig-geehrter und geliebter Leser Nach Stands-Gebühr schuldig-geehrter und geliebter Leser! Diese neue Lehr- und Schreib-Art / deren ich / in gegenwärtigem Werk / gefolget / ist kein Zweiffel / daß sie vielen verwunderlich / ja! wol gar verwerfflich vorkommen wird. Ich ermahne aber / ja bitte / daß der jenige / welcher ihm / über diß Werck / das Richter-Ampt nehmen will / auch zugleich die nöthige Anmerckungen / eines gerechten Richters / anzunehmen /sich nicht wägere. Diese sind: nicht richten / ohne Verstand; nicht urtheilen / ohne erkündigter Warheit; nicht Recht oder Unrecht sprechen / wieder sein besser Wissen. Alles dreyes wird den Einwurff widerlegen / der die neue Lehr-Art bestreitet. Ist alles / was neu / und vor dem unerhört ist / zu verwerffen / so werden diese unsre Zeiten sich keiner Erfindung rühmen können; da ich doch schwerlich den Ausspruch machen werde / ob solte die Vor- oder Nach-Welt /sonderlich / was die neu-hochgestiegene und recht-verneurte teutsche Dicht-Kunst anbelanget / des Erfindungs-Ruhms würdiger seyn. Es bleibt doch die Warheit: je länger die Welt bestehet / je spitzfindiger werden die Einwohner. Solte aber ein anderer das Widerspiel beglauben wollen / von der Boßheit der Menschen / die sich mehr / als die Weißheit / vermehre /will ich zwar demselben eben wenig widersprechen /ja! viel sicherer beklagen helffen / daß selbige / in Erfindung Laster-hafften Sitten und gleichsam verjüngter Boßheit / mehr neues erdencken / als die fromme Alten ihnen gewünscht: Gleichwohl wird daher meine verneuerte Ersinnung nicht straffbar / sondern desto eher gelitten werden / weil sie neuer Boßheit und Verführung / mit neuer Behutsamkeit / vorzugehen suchet. Wie der heutige Welt-Wandel mehr in der Laster-als Tugend-Bahn einher gehe / ist an der hellen Sonnen: Das aber ist am verderblichsten / daß die meisten / unter der Tugend-Decke / die Laster verbergen /und doch vor Tugend-gezierte wollen geehret seyn. Ein hoffärtiger Spanier (sagt der hoch-geschätzte Opitz /) will sich erbar grüssen lassen. Ein unverschämter Welscher / freundlich. Ein leichtsinniger Frantzos / behertzt. Ein springerischer Engeländer /hurtig / und ein versoffener Teutscher / lustig und vertreulich. Von Kunst und Weißheit / muß ich gleiches gestehen / und sitzet gemeiniglich mehr Gelehrtigkeit auf der Zungen / als im Hertzen / mehr in der Einbildung / als dem Haupt-Sitz derselben. Der wenigste Theil wird die wahre Kunst umfangen. Die Ursach beyder Fehler ist so bekannt / als bewährt. Viel wolten gerne Weise werden / wann nur der Helicon nicht so hoch zu ersteigen. Andere möchten sich in Tugenden üben / wann nur die Bahn derselben / mit so vieler Verhindernus / nicht verlegt. Dem dritten fehlet Wagen und Anspann / ja wol gar der Führer / der ihn hinzubringe. In dessen Ersinnung nun / hab ich mir / meines Erachtens / nicht übel gefallen lassen / weil ich sonderlich / mich selbsten / in diesem Krancken-Bett / offt erkennet / theils denen Kunst- und Tugend-begierigen zu dienen / theils meine hochgeliebte Mutter-Sprach zu beehren / dann mir selbsten zu helffen / gegenwärtiges Werck / der Tugend- und Laster-übenden Welt vorzulegen / ob möchte / durch dessen Führung / sich einer / aus allen (dann alle / vor einen / ist wohl zu wünschen / aber nicht zu erwarten) in der Irre zu recht / und in dem wahren Tugend-Wandel / zur Vollkommenheit bringen. Es hat mir aber / zu solchem meinen Vornehmen /nicht wenig gedienet / diese gegenwärtige Geschichts-Beschreibung / die ich auf mein Vorhaben geschickt befunden / auch um desto lieber angenommen / weil mir wissend / wie die Gemüther dieser Zeit bewandt /daß sie gerne was neues lesen oder hören / sonderlich von solchen Sachen / die / mit selbster Erfahrung / bekräfftiget sind. Lebe demnach der gevesteten Hoffnung / es werde diese leßwürdige Geschicht / nicht bloß eine Historische Wissenschafft / sondern die Kunst- und Sitten-Lehr / dem fleissigen Leser entdecken. Dann dahin zielet alles / was in diesem Werck begriffen / so / daß ich keinen Scheu trage / dasselbe den Kunst- und Tugend-Wandel zu benahmen. Daß du aber / Gunst-gewogener Leser! mein Vorhaben deutlicher verstehest / und dieser wolgemeinten Arbeit nützlicher geniessest / will ich dir / kürtzlich /den Inhalt des gantzen Wercks / nach dessen beschehener Eintheilung / so wol in der Historischen Beschreibung / als der Sitten-Lehre / entwerffen / damit du desto fertiger / bey einem jeden Absatz / deine Lehr behalten könnest. Die kürtzeste Verfassung ist / in der Abtheilung der 4. Bücher zu finden / welche den Allgemeinen Enthalt des gantzen Wercks fürtragen / als Das erste Buch Erkläret den Eingang Polyphili zu Macarien / das ist /eines Kunst-liebenden zu Kunst und Tugend; erweisend / durch wie viel ungebahnte Wege derselbe wandern müsse / so / daß er von manchem Unglücks-Dorn geritzet werde / ehe er die wahre Glücks-Rosen brechen könne. Das andere Buch Erkläret den Fortgang auf dieser Tugend-Bahn / der die Überwindung mancher Widerwertigkeit zum Begleiter erwählen / und sich keine befremdliche Ungedult muß verleiten lassen: sondern in seinem rühmlichen Vorsatz unverruckt verharren / biß er überwunden. Das dritte Buch Erkläret den Nachgang / das ist / die Bekrönung / so auf diese Tugend-Eroberung erfolget: Nemlich unverfälschtes Glück / und der Schatz einer wahren Ehre: Deren keines / wie mächtig auch die Unglücks-Wellen wüten / kan ersäuffet noch vertilget werden. Das vierdte Buch Erkläret den Ausgang / welcher ist die süsse Freude /und verzuckerte Lieblichkeit der Tugend-Früchte / die wir in der Zufriedenheit und vergnügten Seelen-Ruh empfinden / auch durch keine Bestürmung zerstören lassen / sondern in aller widerstrebenden Unruh / den Sieg des Friedens / das ist / die Vergnügung unsers Verlangens / behalten. Eine genäuere Unterrichtung wird uns eines jeden Buchs unterschiedener Absatz geben / auf folgende Art: Des ersten Buchs erster Absatz Beschreibet die Ankunfft Polyphili in die Gegend der Insul Soletten: Lehret / wie der Mensch offt / ein Glück zu erlangen / dem Unglück unterworffen werde. Anderer Absatz Beschreibet die Zusammenkunfft Polyphili und Philomathi: Lehret / wie uns offt / wider unser Verhoffen /der gütige Himmel zu guten Freunden verhelffe /deren Beförderung wir uns bedienen können: Durch welche auch Gott / als die Ihm gefällige Mittels-Personen / mit uns handele. Dritter Absatz Beschreibet die Zeit-kürtzung und das Gespräch der beyden / welches ist von der Ruhe der Einsamkeit: Lehret neben der / wie wir / aus vortrefflicher Leute Reden / unsere Weißheit schöpffen müssen. Vierdter Absatz Beschreibet den Abschied Philomathi / mit Versprechung der Wiederkehr / welcher / durch den Vorwitz Polyphili / vergebens war / der ihn / Polyphilum / mit Lebens-Noth / weit von dannen geführt: Lehret / wie wir unser Glück offt selber muthwillig verschertzen. Fünffter Absatz Beschreibet das Unglück Philomathi / dessen Traum und Tod: Lehret / zu Seiten Polyphili / wie gemeiniglich / bey grossem Glück / gleiches Unglück erwachse; zu Seiten Philomathi / wie heimliche Mißhandlung / von dem Himmel / öffentlich gestraffet werde. Sechster Absatz Beschreibet den Zustand Polyphili / in der verwildeten Einsamkeit / und wie er den Verlust der Insul Soletten hinwieder bereichert: Lehret / daß wir Tugend / mit Müh / gewinnen müssen. Siebender Absatz Beschreibet die Wiederkunfft Polyphili auf Soletten /durch Hülff Talypsidami / der ihm den Tod Philomathi verkündet: Lehret / daß dennoch Kunst- und Tugend-liebenden das Glück beförderlich seyn / und sie / nach vieler Widerwertigkeit / endlich begnaden müsse. Achter Absatz Beschreibet den Zuspruch Polyphili / mit Talypsidamo / bey Macarien / und deren geführte Reden: Lehret / wie hoch die Tugend zu halten / und die Kunst zu lieben. Neundter Absatz Beschreibet die Ersäuffung Polyphili / und die daher entstandene betrübte Klagen / der erschreckten Macarien / und was sie vor Nacht-Gesicht betrübet: Lehret an Polyphilo / die / der Kunst und Tugend ewig widerstrebende / Unglücks-Bestürmung / von deren bißweilen alle Hoffnung niedergeschlagen wird; an Macarien aber / die selbst nothleidende Tugend. Zehender Absatz Beschreibet die Errettung Polyphili / durch Melopharmis geschehen / die ihn zu den versenckten Schloß geführt / und was sich allda ferner mit ihm begeben: Lehret / wie dennoch der gnädige Himmel / ein wachendes Auge habe / auf die Tugend-verliebte / und seine Hülff wol verberge / aber nicht entziehe. Des andern Buchs erster Absatz Beschreibet den Eingang Polyphili / in den Tugend-Tempel / und dessen Zierat: Lehret den Unterscheid /der warhafften und verderbten Kunst; desgleichen wie man zu jener gelangen / diese aber meiden solle; gibt Unterricht von der Tugend-Werbung / und wie dieselbe kröne. Anderer Absatz Beschreibet den Eingang Polyphili / in den Glücks-Tempel / und wie derselbe gebauet / und gezieret gewesen: Lehret die nahe Verwandnus / der Tugend-Kunst / mit dem Glück; bewähret die Ursachen / der Ungleichheit / unter den Menschen; berichtet von dem Glück / daß es nicht ein blinder Zufall; nicht auch ein Sternen-Blick: sondern Gottes so gefälliger Wille und Ordnung sey. Dritter Absatz Beschreibet den Eingang Polyphili / in den Liebes-Tempel / und wie derselbe gestaltet: Lehret die nöthige Verbündnus / der Tugend-Kunst / des Glücks / und der Liebe; Unterscheidet die falsche / von der warhafften / und zeiget beyder Ursprung. Vierdter Absatz Beschreibet / was sich ferner / in dem Liebes-Tempel / mit der Königin und Polyphilo / begeben: Beantwortet etzliche Liebes-Fragen / die ihre Lehr-Puncten selbsten zeigen. Fünffter Absatz Beschreibet die endliche Erfüllung / des Verlangens Polyphili / durch den Anblick derer Tafeln geschehen / auf welchen der Name der schönen Macarien geschrieben / und was sich weiter begeben: Lehret / daß endlich das Tugend-Verlangen nicht unvergnügt bleibe / solt es gleich heimlich / und etwas scheinbar geschehen. Sechster Absatz Beschreibet die Erlösung Sophoxenien / mit welchem zugleich Kunst und Tugend versencket war: Lehret /wie dieselbe / durch Fleiß und Schweiß / erwachsen /hernach desto frölicher blühe / und ewige Freyheit gewinne. Siebender Absatz Beschreibet das Gespräch Melopharmis mit Polyphilo / die ihm den Berg zeiget / hinter welchem die Insul Solette gelegen / die das Hertz Polyphili dermassen zu sich ziehet / daß er sein selber vergisst: Lehret / wie auch die Tugend-geübte offtmals die Bezahlung so begierig fordern / daß sie mehr darüber verlieren / als erhalten. Achter Absatz Beschreibet / wie Polyphilus / mit der Königin / und deren Angehörigen / Tafel gehalten / und was sie von der Verbannung dieses Schlosses vor Gespräch erkieset: Lehret / daß Kunst und Tugend / nicht durch des Himmels / sondern der boßhafften Menschen Schuld /erdrucket liege. Neundter Absatz Beschreibet den Ausspruch der beyden Weisen / Clyrarchae und Cosmaritis / von der Macht und Ohnmacht der Zauberer; welches Gespräch die Lehr-Puncten selber zeiget. Des dritten Buchs erster Absatz Beschreibet die Ehr-Bekrönung Polyphili / von der Königin / und derer gantzen Hof-Staat geschehen / die auf alle Kunst- und Tugend-Werbung unausbleiblich folget: Welches hier die Lehre selber ist. Anderer Absatz Beschreibet die Zeit-Verbringung / der biß daher bekümmerten Macarien / und wie Polyphilus bey derselben ärgerlich verleumdet worden: Lehret den ersten Anstoß / welcher die Tugend-verliebte zu bestreiten pflegt / nemlich / Verleumdung. Dritter Absatz Beschreibet die Berathung und Anschläg Polyphili /wie er sicher zu Macarien gelange / dazu ihm ein fremder Ritter / Namens Agapistus / bedienlich: Lehret / wie alles / durch klugen Rath und ernstliche Bemühung / könne gewonnen werden. Vierdter Absatz Beschreibet den Abzug Agapisti auf Soletten / und den Nach-Wunsch Polyphili / auch sein Gespräch /mit der Königin / von dem Frauen-Lob: Welches hie an Statt der Lehre stehen kan. Fünffter Absatz Beschreibet die Reise-Fahrt Agapisti / und in was Unglück er gerathen / als er Talypsidamum / von der Mörder Banden / zu erledigen suchte: Lehret den andern Anstoß / welcher die Tugend-liebende zu bestreiten pflegt / nemlich / die Verhindernus. Sechster Absatz Beschreibet den Schrecken Polyphili / den er / über das unberitten-wiederkehrende Pferd Agapisti / eingenommen / und wie er zum Talypsidamo kommen: Ist eine Lehre von der blinden Glücks-Neigung / welche auch die Tugend-suchende nicht selten begleitet. Siebender Absatz Beschreibet die Reden Talypsidami mit Polyphilo und der Königin / auch wie er Macarien gerühmet: Lehret / wie hoch die Tugend-Kunst zu erheben. Achter Absatz Beschreibet / wie Talypsidamus sich mit Polyphilo berathen / zur Macarien zu kommen / und was jener /nach seiner Heimkunfft / mit derselben geredt / auch wie ihr Wider-Sinn sich in Liebe verwandelt: Lehret /ob die Tugend anfänglich schwer zu gewinnen / sey doch die endliche Ergebung freywillig / daher wir /mit Polyphilo / nicht ablassen sollen / dieselbe zu erringen. Neundter Absatz Beschreibet die Ankunfft Phormenae gen Sophoxenien / und die Schlitten-Fuhr Polyphili / welche so unglückselig / als verhinderlich war: Lehret den dritten und gemeinsten Anstoß der Tugend-verliebten / die Unglückseligkeit. Zehender Absatz Beschreibet das elende Leben Agapisti / in der Wildnus / und wie wunderbar er gen Sophoxenien / zum Polyphilo / wiederkommen: Ist eine Lehr / von der Treu und Beständigkeit / auch deren reichen Belohnung. Des vierdten Buchs erster Absatz Beschreibet die andere Fuhr Polyphili auf Soletten /welche ihn zu der lang-verlangten Macarien bringet /deren Gunst-Gewogenheit er gewinnet: Lehret die endliche Vergnügung und Zufriedenheit der Tugend-verlangenden. Anderer Absatz Beschreibet / was sich mit Polyphilo und Macarien /über der Mahlzeit / begeben / und wie betrübt er den Abschied genommen / doch aber der Liebes-Früchte /in etwas / genossen: Lehret den Tugend-Genieß / als die lieblichste Frucht / versauerter Arbeit. Dritter Absatz Beschreibet / wie Agapistus / dem ruckwendenden Polyphilo / entgegen gefahren / ihn zu empfangen /und wie Atychintida / durch die Liebs-Erzehlung der Phormenen / erzürnet / dem Agapisto Befehl ertheilet / Polyphilum von Macarien abzuwenden / auch wie sich Agapistus / in diesem / verhalten: Lehret den vierdten Anstoß der Tugend-liebenden / nemlich Mißgunst. Vierdter Absatz Beschreibet die Erinnerung Polyphili an die Reden seiner Macarien / und deren Bereimung / die ihre Lehr-Puncten selbsten erklären. Fünffter Absatz Beschreibet den ereyferten Grimm Polyphili / welchen die Erzehlung Agapisti / von dem / was er mit der Königin geredt / verursachet / und wie er darum von Melopharmis gestrafft / denselben / vor der Königin /verborgen hält: Lehret den fünfften Anstoß der Tugend-verliebten / die Widerwertigkeit: Gibt auch andere Zorn-Straffen. Sechster Absatz Beschreibet den Gruß Polyphili / an Macarien / durch ein Brieflein geschehen / und die verwaigerte Antwort / die Agapistum / mit einem andern Gruß-Brief /an Macarien / begleitet / auf Soletten ziehet / dessen vergebliche Wiederkunfft Polyphilum erzürnet / der aber / wieder begütiget / den dritten Brief an Macarien abgehen heisset: Lehret / daß hohe Sachen / mit grosser Müh / zu gewinnen / und die Tugend / einen unermüdeten Fleiß / ja auch ein unerschrockenes Hertz / fordere. Siebender Absatz Beschreibet die Beantwortung der Macarien / auf die Briefe Polyphili / und dessen Verwirrung / über die versteckte Wort / auch wie listig er dieselbe wieder beantwortet: Lehret / daß Tugend-Erwerbung / auch bißweilen / eine verführende List zulassen / wann die offne Warheit schädlich oder gefährlich scheinet. Achter Absatz Beschreibet die Verleitung Polyphili / zu der Liebe einer andern / Apatilevcheris genannt / und wie schändlich er sich von derselben bethören lassen: Lehret / wie die Tugend-gezierte am erschröcklichsten irren / wann sie Laster / unter dem Tugend-Schein /nehren / und sich unvorsichtig betriegen. Neundter Absatz Beschreibet die unversehene Zusammenkunfft Polyphili mit Macarien / die Bereuung seines begangenen Fehlers / und dessen Verbesserung / zusambt der Unterredung dieser beyden / und wie er / ihr seine Gedicht zu übersenden / versprochen: Lehret / wie die Tugend-gezierte / ob sie gleich von einem Fehl übereilet werden / doch nicht in der Laster-Versenckung bleiben / sondern dieselbe zu einer grössern Krafft /Tugend zu gewinnen / gebrauchen / daher solche Verführungen / die jenige auch nicht so bald des Tugend-Ruhms beraubet / ob sie ein- oder mehrmal dawider handeln. Dann ein Fehl ist kein Fehl. Zehender Absatz Beschreibet den Widerwillen / der erzürnten Macarien / welchen sie / nach erkundigter fremder Lieb /bey Polyphilo / so mächtig / in ihr / herrschen ließ /daß sie alle Liebe aus ihrem Hertzen verbannete: wiewol sie / durch Zwang und Flehen / wieder versöhnet ward: Lehret die Straffen / so dem Verbrechen folgen / damit ein unbestrafftes Ubel nicht Gelegenheit zu fernerer Mißhandlung gebe. Eilffter Absatz Beschreibet die Zeit-gleiche Begrüssung / so zwischen Polyphilo und Macarien schrifftlich geschehen: Lehret die Tugend-Art / welche / in zweyen Gemüthern / einerley Würckung übet; und anders mehr /das in den Briefen / und deren Erklärung selbsten / erörtert wird. Zwölffter Absatz Beschreibet die selbste Besuchung / der Macarien /von Polyphilo geschehen / und was sich darinnen begeben / auch wie sie / nach dem / einander zugeschrieben: Ist ein Beweiß / der unvergnüglichen Begierde /menschlichen Verlangens / welches von Tugend-Liebe entzündet ist. Dreyzehender Absatz Beschreibet / wie ein anderer / Namens Evsephilistus / um Macarien Gunst sich bemühet / und dieselbe / Polyphilo zu entziehen / gesuchet / auch mit was Bedienungen: Lehret den sechsten Anstoß der Tugend-verliebten / die Verfolgung. Vierzehen der Absatz Beschreibet fast einen verliebten Streit / in der Dicht-Kunst / zwischen Polyphilo und der gelehrten Macarien / auch wie sie ihm die Werbung Evsephilisti heimlich zu vernehmen gibt / und wie er dieselbe beantwortet: Lehret / daß je herrlicher die Tugend in uns blühet / je mächtiger erzeige sich die Widerwertigkeit / die / mit einer gefassten Gedult / zu überwinden. Fünffzehender Absatz Beschreibet die fernere Bestreitung des Lieb-werbenden Evsephilisti / und wie die getreue Macarie solches Polyphilo offenbaret / oder zu offenbaren zu sich bittet / auch was sie sich berathen: Ist eine Probe wahrer Tugend / die mit glücket / mit unglücket. An Polyphilo aber finden wir den siebenden Anstoß der Tugend-verliebten / die Versuchung. Sechzehender Absatz Beschreibet den Blut-Rath Polyphili / so er über Evsephilistum beschlossen / und wie er selbigen der Macarien entdecket / auch wie bestürtzt diese antwortet; Dann endlich / wie sich Polyphilus betrogen: Lehret die anfeindende Laster / in hohen Trübsalen / die mehrentheils / mit der vergifften Süsse / der Verzweiflung / zu locken pflegen. Siebenzehender Absatz Beschreibet den Gegen-Rath Agapisti / und wie Polyphilus streit-rüstig auf Soletten ziehet / aber von Macarien / mit der Wider-Rede / seiner nichtigen Einbildung / begütiget und erfreuet wird / in dem sie ihn vor allen / und ewig / erwählet: Lehret die endliche Vergnügung der Tugend / die so widerwertig auch das Glück spiele / dennoch ewig beglücket bleibet / und ohne Ende. Aus diesem nun / wird dir / Gunst-gewogener Leser! allerkündig seyn / wohin meine Erfindungen / in dieser Tugend-Bahn / gerichtet. Daß aber der Weg bißweilen verworffen / und die Staffel versetzet sind / in dem zu Zeiten zu letzt berühret wird / was zu allererst hätte sollen betretten werden / wirst du nicht einen Erfindungs-Fehl / sondern den Geschichts-Fall benennen / welchen ich unverruckt behalten wollen / der Meynung / es könne die Lehr / so anfangs / so zu letzt / behalten werden. Betreffend die Namen / die ich in der Geschichts-Erzehlung angezogen / sind dieselbe mehrentheils von den Griechen entliehen / und aus ihren Wörtern zusammen gesetzt / daß sie zugleich die Lehre bewähren / die ich in der Historischen Erzehlung suche. Es sind aber diese: Macarie / die Geist-besehligte. Polyphilus / der Viel-Liebende. Philomathus / der Lieb-Lehrende / Pistimorus / der Tod-getreue. Amichanus / der Verwirrte / Atychintida / die Unglückselige. Talypsidamus / der Behülffliche. Melopharmis / die Viel Vermögende. Cacogretis / die Mißgünstige. Parrisiastes / der Offenhertzige. Coßmarites / der Kunst-Lehrende. Clyrarcha / der Glück-Mehrende. Erothemitis / die Lieb-Nehrende. Pseudologus / der Verleumdende. Agapistus / der Treu-Liebende. Psychitrechis / die Tod-gefährliche. Aphetus / der Hülff-willige. Gennadas / der Dienstfertige. Phormena / die Liebhägende. Servetus / der Verbundene. Heroarcha / der Großmüthige. Apatilevcheris / die Verführende. Evsephilistus / der Einfältige. Eines jeden Bey-Name wird / geneigter Leser! das Amt benennen / so er führet / und wofür du ihn in dieser Tugend-Bahn bekennen sollest. Die Macarie ist selbsten die Kunst und Tugend / und also das gleichsam aufgesteckte Ziel / welches zu errennen / wir Menschen allesamt / durch den viel-liebenden Polyphilum gedeutet / uns angelegen seyn lassen / da wir dann viel Philomatos / die uns unterrichten / auch Pistimoros und Talypsidamos / die uns in der ersterbenden Kunst Hülff-Hände leisten / gebrauchen / die einen verwirrten Amichanum / oder / wie Polyphilus / eine unglückselige Atychinidam erlösen. Dafern wir aber durch eine viel-vermögende Melopharmis /verstehe die Beforderer und andere Kunst-Helffer /auf den Weißheit-Sitz / durch Sophoxenien gedeutet /gebracht würden / sind wir offt und offt wiederum eines offenhertzigen Parrisiastes / unter denen Kunst-Lehrern / benöthiget / der die Warheit nicht geheim halte. Auch finden sich der verleumdenden Pseudologen / und mißgünstigen Cacogreten / so viel / daß /wofern nicht ein treuliebender Agapistus sich bißweilen findet / die tod-gefährliche Psychitrechis / in ihrem Kunst-Verlust ersterben müste. Gleichwol erwecket noch immerdar / der wach-haltende Himmel /einen hülff-willigen Aphetum / oder Dienst-fertigen Gennadam / oder auch lieb-hägende Phormenam / ja bißweilen einen verbundenen Servetum / das ist /einen guten treu-meynenden Freund ; ja wohl gar einen großmüthigen Heroarcham / das ist einen mächtigen Beförderer / der unserm Tugend- und Kunst-Verderben zu helffen / der verführenden Apatilevcheris widerstehen / den einfältigen / Evsephilistum aber / mit klugem Rath / abweisen kan. Und das ist kürtzlich der Inhalt dieses Wercks. Ob nun dem allen so / soltu doch / lieb-geehrter Leser! dich keinen Zweifel verleiten lassen / als wäre die Geschicht erdichtet / und ohne Warheits-Grund. Ja um deßwegen / dieselbe desto verwunderlicher achten / daß sie zwey Kunst- und Tugend-verständige Hertzen / in solcher Vollkommenheit / vorstellet /die / zu diesen Welt-Zeiten / leichter zu suchen / dann zu finden sind. Doch must du einen verständigen Sinn mitbringen / wann du die Historische Warheit erforschen wilt. Die gefährliche Schiffarten / deute durch Unglücks-Wellen; Die offtmalige Lebens-Gefahr /durch grosse Noth; die Versenckuug des Schlosses /durch Unterdruckung der Kunst und Tugend / und was mehr / mit Unmüglichkeits-Farben / angestrichen ist / must du / dem Zeugnus / unsers vorgepriesenen Opitzens / nach / dahin deuten / daß die Poeterey so wenig ohne Farben seyn könne; als der Frühling ohne Blumen. Davor geb ich dir auch dieses / dann in dem ich lehren will / bin ich ein Sitten-Beschreiber /indem mir aber der Fleiß des Nutzens oblieget bin ich ein Geschichts-Erzehler; und wann ich zu belustigen suche / bekenne ich mich einen Poeten. Diese drey wohnen gemeiniglich / in dem schwesterlichen Band der Vereinigung beysammen / oder zum wenigsten in der Verfassung dieser meiner Lust-Besinnung. So weissest du nun / gunst-geehrter Leser! wohin diese Beschreibung zielet / und was sie vor Warheits-Glauben verdienet; ist derowegen nichts übrig / als daß du wissest / die Reden / so dem Werck / als eine Zierde / beygefüget sind; wie auch etzliche Lieder /seyn mehr zu nutzen und zu belustigen / als der Warheit nachzugehen / eingeführet worden: Sonderlich /wo sichs am füglichsten thun lassen; Wo man von der Einsamkeit geredt / da habe ich / von derselben / mit reden wollen; wo man das Glück gesucht / hab ich mit suchen müssen; wo man von Zaubereyen geredt /hab ich nicht schweigen dörffen; wo man Liebe gesucht / hab ich von Liebe zeugen müssen; und wo man das Weiber-Lob gefordert / hab ich billiche Antwort nicht versagen können. Die Arien sind von einem guten Freunde und der Music wohl-erfahrnen dem Werck hinzu gethan worden / deßwegen ich den Ruhm solcher Erfindungen nicht verdiene / sondern selbigen dem Erfinder / an statt des Dancks überlasse / der Hoffnung mich verlassend / Er werde auch in dem andern / bald künfftigen / und nun schon /nicht zwar von mir / sondern (welches ihn verwunderlich machen wird) einer gekrönten Hirtinnen aus unser Genossenschaft / verfertigten Theil / der bekehrte Schäfer genannt / (welchen ich um seiner viel-herrlichern Erfindung wegen / billich den Schlüssel dieses ersten nenne / als in welchem der begierige Leser / den meinen allererst recht verstehen wird) seine Hülff-Hand ferner nicht entziehen / sondern auch denen darinn befindlichen Gedichten eine liebliche Kling-Art gönnen; welches mit aller Dienstlichkeit um ihn hinwieder zu verschulden; auch besagten andern Theil / diesem ersten / durch offenen Druck /ehistens folgen zu lassen / ich mich unsäumig erweisen werde. Nun solt ich auch den Gebrauch der Heydnischen Wörter / die zu Zeiten mit eingeschlichen sind / entschuldigen / zu beglauben / daß ich ein Christ sey /der nicht mehr / dann eine einige Gottheit verehre /und auch jederzeit dessen Ehre / als das förderste Ziel / unserer Hirten-Gespielschafft / in allen meinen Ersinnungen führe: Aber weil ich das bey dem verständigen Leser vor unnöthig / bey dem Unverstängen ungültig halte / will ich dißmals mit den schönen Worten des Herrn Ferrante Pallavicino schliessen /daß der Gebrauch Heydnischer Wörter meinen Glauben nicht verdammen solle; sintemal ich auf ihre Art schreibe / und nach meiner Schuldigkeit glaube. Hiemit GOtt befohlen. Glück- und Ehren-Zeilen 1. [von Sigmund von Birken] 1. Wehrter Dorus! eurem Kiel Ist Macarie verpfändet. Fama Mund / ist euer Spiel / Ihr Lob durch die Länder sendet. Sie wird zu Soletten nicht / Nicht mehr einsam / können bleiben. Weil sich schwingt ihr Lobgerücht In die Welt / durch euer Schreiben: Wird sie suchen jeder Geist / Der versteht / was trefflich heist. Forthin man den Peneus wird Einen Flüsse-Printzen nennen: Weil ihn diese Zierde ziert / Die diß Buch uns machet kennen. Daß die Gegend Tempe heist / Prangt mit schöner Tausend-Wonne: ursacht dieser edler Geist / Diese schöne Erden-Sonne; Ihr Blick / ist der warme Stral / Der Lust-schwängert dieses Thal. Der so schön von Schönheit schreibt: Was soll ihm zu Lohne werden: Er soll werden schön beWeibt. Daß er himmlisch leb auf Erden: Werd ein Engel seine Braut. Die Macarien sich gleiche / Soll mit ihme seyn getraut. Daß der Wunsch sein Ziel erreiche / Will hierzu ich setzen diß: Gebt dem Dorus Dorilis! Zu dienstfreundl. Andenken zugeruffen von Floridan. 2. [von Catharina Margaretha Dobenecker] II Preißwürdigster Dorus! 1. Was will sich der Kunst vergleichen? Was kan ihren Pracht erreichen? Was giebt einen solchen Schein? Wo uns Kunst und Tugend führet / Alles eitle sich verlieret / Nichts kan da verdunckelt seyn. 2. Ihr / mit unsern Blumen-Orden Seyt der Kunst verschwestert worden / Strom-weiß sie bey euch erquillt: Da sie tröpfelt bey den andern / Die zwar mit den Sinnen wandern / Noch so hoch / als ihr bezielt. 3. Solche haben zwar den Willen: Aber diesen zu erfüllen / Und die That zu stellen dar / Hindert / daß sie nicht erwägen Ihr so grosses Unvermögen / Das doch zu erwägen war. 4. Wann auf Wünschen folgt erlangen / Auf Begehren das Empfangen / Wann auf Seufftzen folget Ja: Wär auch deren Wunsch gestillet / Ihr Begehren wär erfüllet / Und die Frucht des Seufftzens da. 5. Selbst auch ich / (könt ich erreichen Euren Sinn /) wolt mich vergleichen Euch und eurem edlen Geist; Den eur Buch mit Loben führet / Welches euch mit Ewig zieret / Und vor alles herrlich preist. 6. Aber weil das Werden spielet Nicht so / wie das Wünschen zielet: Bleibt der Wunsch gleich einem Wind / Welcher ohne Frucht versteubet / Und sich in die Lufft verleibet / Da er endlich gar verschwindt. 7. Dennoch will ich mich befleissen / Weil ich Sylvia soll heissen / In der Künste-Hirten Schaar: Daß ich mich der Lust vermähle / Die ich durch Kunst-Tugend wehle. Und du Himmel mach es wahr. So wünschet und ehret Sylvia. 3. [von Maria Katharina Stockfleth] III Ruhm-Gedicht über den Bekehrten Schäfer Mein Dorus! die Vernunfft / die Wissenschafft und Gaben / Die von Macarien so schön geschrieben haben / Erweisen / daß man Kunst auch bey der Jugend sind / Und daß die Weißheit sich nicht an das Alter bind. Die Tugend / welche du in diesem Buch gelehret / Hat dich / an ihrer Brust / von Wiegen an / ernehret: Dich / hat die Klugheit selbst / gesetzt in ihren Schoß / Wer wundert dann? wann du wirst vor den Jahren groß? Nie keiner / ist so schnell auf dieser Bahn gegangen. Ein ander höret auf / wie du hast angefangen. So fahre freudig fort / ereile bald das Ziel / Das dich / vor deinen Fleiß / mit Ruhm bekrönen wil. Es setzet Fama dich bereits auf ihren Wagen / Der dich / den Sternen gleich / wird von der Erden tragen: Auch rühmet deine Müh / und trefflichen Verstand / Durch diese wenig Wort / mein ungeübte Hand. Die nimm gewogen auf / und ob sie schlecht geschrieben / So weiß ich doch / du läft mein wollen dir belieben / Das dennoch lobens wehrt. Bleib Dorilis geneigt / Mein Dorus ! ob sie schon Macarie nicht gleicht. Dieses wenige / setzet ihren Ehrengeneigten Herrn Gesellschaffter / zu schuldigen Ehren / die Schäfferin Dorilis. 4. [von Johann Sechst] IV Ist Dorus nicht ein Pegnitz-Hirte: Wie daß er dann von Peneus singt? Er thät ja besser / wenn er führte Im Mund / was unsern Fluß beklingt. Doch muß man ihn nicht unentschuldigt lassen. Die Kundschafft er vom Peneus brachte mit / Da er geholt / als Dichter vom Parnassen / Den Lorbeer-Krantz / im Phocischen Gebiet. Es ist / wie Hellas giebt zu lesen / Die Dafne / die dem Phöbus floh / Des Peneus Tochter ja gewesen / Die ward zum Lorbeer-Baum also. So gieng er dann / das Laub selbst abzubrechen / Zum Peneus-Strand: von dem er jetzund schreibt. Die Pegnitz lernt / durch ihn / vom Peneus sprechen. Daher viel Lobs ihm billig eigen bleibt. Seinem vielgeehrten Herrn Gesellschaffter / zu dienstlichsten Ehren / schriebe dieses der Pegnitz-Hirt Alcidor. 5. [von Martin Limburger] V M. G. Dafne fleht dich / Peneus! an / Sey willfährig deinem Kinde: Wann es sich so nennen kan / Unter dieser Runtzel-Rinde; Die des Föbus Buhler-Kuß Unverschuldet büssen muß. Er / der mich noch immer liebt / Brach jüngst eins von meinen Zweigen. Bleibe (sprach er /) unbetrübt / Dann ich gebe diß zu eigen / (Wirst du schon von mir versehrt /) Dem / der deinen Vatter ehrt. So ein Wunde / sagte ich / Daraus nur der Danck-Safft rinnet / Nicht verletzt / ergötzet mich. Mein Verlust sehr viel gewinnet. Dieser Mangel macht mich reich / Zahlet Schuld und Huld zugleich. Sey nun / Vatter! was du bist / Zahle / was ich nicht kanzahlen / Laß den Grieß / darauf du fliest / Gleich den Tagus-Kieseln mahlen; Küsse damit diese Hand / Die dich macht so weit bekandt. Laß von deines Ehrers Ehr Die beredte Wellen lallen / Laß sie mit dir in das Meer / Bey der Sonnen-Wiege / fallen; Daß auch in der andern Welt / Dorus Ruhm werd angemeldt. Mit diesen schuldigen Ehren-Zeilen hat die Dafne redend gemacht Myrtillus. 6. [von Johann Ludwig Faber] VI Uber den neulichst erneurt- und neu erweiterten Christlichen Pegnitz-Schäfer-Orden. Du steigst noch überhoch / du Teutsch-gesinnter Bund! Von dir / dein Pegnitz-Fluß ein Pegas-Guß will werden: Dein Neroberg ist schon ein Pindus Teutscher Erden / statt Kunst-Göttinnen sich neun Hirten machen kundt / Die ihr Apollo führt. (Daß ich mit stillem Mund Die Nymfen übergeh / als Charites der Herden.) Es bricht dein Nam hervor mit Zügel-losen Pferden / Und steht es jetzt um dich / als kaum es besser stund. Die Donau Damon hört / der Mayn den Dorus fingen / Und Floridan will fast die gantze Welt bezwingen. Was wuchert täglich nicht Myrtillens theures Pfund? Ich weiß nicht / wie ich selbst mit Hoffnung schwanger gehe. Stinckt schon das Eigen-Lob / doch / warlich! ich gestehe: Du steigst noch überhoch / du Teutsch-gesinter Bund. Seinem werthen Herrn Gesellschaffter wolte es zu längst-schuldigen Ehren von der Pegnitz übersenden Ferrando. 7. [von Johann Geuder] VII Was ist die Lieb: man kan sie nicht beschreiben: Die Liebesglut steckt Kiel und Schreiber an: Wie daß doch er / mein Werther! schreiben kan / Und gleichwohl so bey seinen Kräfften bleiben: Man muß ihm nur Macarien verweiben / Die kühle das / was einen Brand gethan / Wo anderst mich nicht trügt ein starcker Wahn / Die Glut werd ihn noch wol zu höhern treiben. Soll / gleich und gleich gebunden / lieblich stehn / So müst es dann nach Hertzens-Wunsch euch gehn. Ich wünsche Glück! Bin ich gleich ein Poet / Der öffters dicht: So wird man doch noch sagen: Macarie hab er davon getragen. So bin ich dann Poet und auch Prophet. Rosidan. Erstes Buch 1. Absatz Erster Absatz Beschreibet die Ankunft Polyphili / in die Gegend der Insul Soletten: Lehret / wie der Mensch offt / ein Glück zu erlangen / dem Unglück unterworffen werde. Eben hatte die liebliche Frühlings-Luft / durch das Gold-strahlende Welt-Auge / die Mutter der Sterblichen wiederum erfreuet / und mit ihrer zerschmeltzenden Hitze / die Eiß-feste Mauren / derer in den Gründen fliessenden Wasser / erweichet; daß der lang-verhaltene Schiff-Raub aller Seiten wieder ersetzet: als der edle Schäffer Polyphilus / nach viel-erlidtener Unglücks-Bestürmung / durch die unbeständige Menschen-Freund- und Feindin / das Glück / mit wenigem Anlachen / in eine ergötzende Gegend versetzet / und dem wild-gefährlichen Meer entnommen / dem sicher-und ruhigem Erden-Schoß anvertrauet wurde. Die Freude der Sicherheit / welche gemeiniglich des überstandenen Unglücks Vergesserin zu seyn pfleget / ließ nicht zu / daß er andere Gedancken fassen konte / als die Schöne und Lieblichkeit gedachten Orts; und wie glücklich er ans Ufer angelendet / zu behertzigen. Es war die Gegend an ihr selbst ergötzlich / als welche auf einmal einen Schutz und Erlustigung gewähren kunte / wegen des / an einer Seiten / durch die Wunder-würckende Natur künstlich erhobenen anmuthigen Berges / welchen der silber-gläntzende Strom / der /durch sein rauschendes Brausen / eine nicht unangenehme Lust erregte / von dem / auf der andern Seiten entlegenen / weit-ebenen Felde entscheidete / in welches / nicht ohne sonderbare Befriedigung / gedachter Polyphilus seine Straalen gehen ließ / und die milde Begnädigung des reichen Himmels stillschweigend bey sich verwunderte. Selbst Flora / gedachte er / muß ihre besondere Meisterstück an diese Matten / deren Reichthum und Lieblichkeit täglich zu vermehren /gewandt haben. Es müssen / sagte er / selbsten die Najaden / in diesen Lieb-rauschenden Strömen / nicht ohne sondere Begierde / ihre stündlich-gewohnte Bade-Lust verüben. Ja / fieng er an / wann ich meinen Augen etwas gewieses trauen darff / halt ich davor /daß der Lieb-durstige Pan / an keinem Ort weniger /als in diesen Lust-tragenden Feldern / seiner Hirten-Freude vergessen: Auch die Busch-liebende Diana wird ihre Wild-treibende Jagt-Begierde / in diesen Baumreichen Wäldern / ohne einige Verlust ihrer Arbeit / und mit völliger Begnügung endigen. Zu dem kam die in der Lufft hell-zwitzrende kleine Vogel-Meng / die auch dem Gehör keine geringe Freudigkeit verursachete: und so viel das Verlangen der übrigen Sinnen und Begierde seyn mochte / konten die mancherley Arten der bund-gefärbten Blumen / und andere Früchte der Erden / diesen Polyphilum in so gehäuffter Meng vergnügen / daß er mit allen Zufriedenheiten / müde zwar von der gefährlichen Reyse / sich in das grüne Thal niederlegte / umb ein wenig seine matte Glieder / mit einer anmuthigen unverhinderten Ruh / welche ihm dieser Ort sattsam gewähren konte /zu erfrischen. Kaum hatte er sich / wie gedacht / solcher Morpheischen Beherrschung ergeben / daß nicht alsobald der sonst Lügen-liebende Mahler der Nacht / durch seine Lust-schattigte Abbildung anderer gleichfalls erwünschter und annehmlicher Dinge / sein Gemüth /nunmehr von Betrachtung der Gegend befreyet / anderwerts / und auf solche Erwartung richtete / die viel schwerer in Gedancken zu ertragen / als im Werck zu erlangen war. Er führete ihn an den Ufer des Wassers gleiches Weges hinauf / zeigete dessen Bewandschafft / und wunderbaren Fall / der / weil er mehr zu steigen scheinte / allen und jeden / sonderlich aber vor dißmal diesem Fremden-Schäfer / sich über die Kunst der Natur / und göttlichen Allmacht höchlich zu verwundern / Ursach und Gelegenheit genug zur Hand gab. Wie dann auch Polyphilus dem allem / wiewol schlaffend / mit grosser Ergötzlichkeit lang zusahe /und die Herrlichkeit der Geschöpff und Ordnung des Himmels / mit tieffstem Nachsinnen bey sich überlegte. Da er aber voll solcher angenehmen Gedancken /das Liecht seiner weit-strahlenden Augen etwas schärffer / (so traumete ihm) entzündete: Ward er /wieder alles verhoffen / etzlicher hocherhabenen Gebäu / gegen dem Strom stehend / gewahr; kondte doch / weil / wie ihm dauchte / die schimrende Strahlen der Sonnen / durch den Gegenschein des herunter-steigenden hell-gläntzenden Wassers / seine Augen in etwas blendeten / nicht allerdings vernehmen / was ihm zu Gesichte kommen wäre. Deßwegen er dann verursachet / seinem Verlangen die Pflicht-Schulden zu leisten / sich immer näher und näher / durch das Ufer dem Ort zu machte / biß er endlich völlig verstehen konte / was ihm zuvor die Schwäche seines Gesichts versaget. Es war eine zwar kleine / doch sehr anmuthige und wohlgelegene Insul / dermassen gebauet / daß / wann Polyphilus die Bau-Kunst nicht wol verstanden / er fürwahr vor Verwunderung und Nachsinnen erwachen müssen. Das alles aber / und ein jedes dessen / was ihn / wegen dieses köstlichen und künstlichen Gebäues / in die Verwunderung setzete / war Ursach / daß ihn sein Verlangen / diß edle Meisterstuck und Haupt-Werck aller Kunst / eigentlicher zu besehen / aufs näheste zu der Insul hinführete. Und in dem erwachte Er. Wie es nun mehrentheils geschicht / daß die nichtige Traum-Freude / ihr Bildnüß / auf einen zerbrechlichen Grund setze: Also hatte auch Polyphilus den gäntzlichen Betrug für seinem Gesicht / da er selbige mit wachenden Augen besehen wolte / deswegen er dann voller Betrübnüs / über den Verlust / seines gehabten Gesichts / nicht gnug klagen könte: Seine genossene Traum-Freude aber / auch in der höchsten Betrübnüs / nicht gnug verwundern. Darumb sagte er unverhindert / er müsse bekennen / daß / ob schon das grosse Liecht der Sonnen / den / in der Lufft hangenden / künstlichen Erden-Bau / schon über die 23. mal mit ihren Gold-gläntzenden Stralen bemahlet / seynd er / durch seine Eltern / in das Register der Natur eingenahmet worden / ihn doch niemaln solche sattsame Zeit-Kürtzung oder Lust-Vollbringung / als dazumal /wie er auch nur von einen schattichten und nichts-würckenden Traum geführet wurde / erhoben. Sonderlich / weil er in der festen Einbildung verharrete / es beherrsche das Bild der stillen Ruh / die eingeschlaffenen Sinne nicht allemal mit blosser Phantasey: sondern es werde offtermals dem Menschen / theils die Warheit; theils / seiner gefasten Einbildung und Verlangen nach / in einem / so zu reden / schartichtem Mahlwerck / ein solches Bild / durch das Kind der Nacht abgedrucket und verbracht / als er ihm zu sehen oder auch zu haben gewünschet Diese und dergleichen viel-freudige Gedancken vermochten bey dem Schäfer Polyphilo so viel / daß er / ungeacht seiner grossen Müdigkeit / noch beförchtenden vergeblichen Beginnens / sich also bald entschloß / seinem Traum-Bilde vor diesesmal völligem Warheits-Glauben beyzumessen / und demselben mit wachsamer Behendigkeit nachzustellen / was er durch die schlumrende Müdigkeit nicht erlangen können: Weil ihm sonderlich / weiß nicht / soll ich sagen / die unruhige Einbildung / so offtermals viel zu versprechen pflegt; Oder das so-wollende blinde Glück / so doch eben auch wenig beständig zu halten / gewohnet; eine grosse Hoffnung gemacht / herrliche und wunder-würckende Ding zu erfahren. Darum ihn / weder die Lieblichkeit des Orts / noch die Müdigkeit der Glieder von seinem Vornehmen zu ruck halten kondte / als welche billich folgen musten / wohin sie die Lehr-begierige Vernunfft-Herrschafft führete. Wie es nun nicht selten zu geschehen pflegt / daß /dem alten Sprichwort nach / der wagende Gewinn /zuvor / wann die blindgeneigte Gunst des unverhofften Glücks unser Vornehmen etwas reicher beseeliget: So traff es auch in diesem Stück allermassen dem Schäfer Polyphilo ein / daß / was ihm der Traum-Schatten angedeutet / er nicht ohne völlige Vergnügung wachend erhalten und gewonnen. 2. Absatz Anderer Absatz Beschreibet die Zusammenkunfft Polyphili und Philomati: Lehret / wie uns offt / wieder unser Verhoffen / der gütige Himmel zu guten Freunden verhelffe / deren Beförderung wir uns bedienen können: Durch welche auch Gott / als die Ihm gefällige Mittels-Personen / mit uns handele. Wer war froher / als eben Polyphilus? Ich meyne /sein vergnügtes Hertz hätte nicht unrecht ein Himmelreich voll Wonne können benahmet werden / so gar hatte die unerschöpffte Lust dasselbe eingenommen /alsbald er der erhabenen Kunstrühmlichen Insul ansichtig worden. Wie aber die Begierde Menschlichen Hertzens nimmer satt wird / sondern immer fort /mehr und mehr verlanget / also konte auch Polyphilus in dieser Zufriedenheit nicht ruhen / sondern nahm ihm vor / selbsten in die Insul zu kommen / umb desto besser sich darinnen zu besehen / und vielleicht etwas neues zu erlernen. Was ge schicht? Es muste auch das wahr werden / was die alten Heyden geglaubet / daß denen / die den Himmel zu ersteigen gesinnet / selbst Jupiter die Leiter bauen und ansetzen müsse: So gar muste sich alles schicken / was dem Polyphilo in seinem Vornehmen behülfflich seyn kondte. Denn / als er kaum ein wenig am Strand hinauf gangen / so / daß er Gelegenheit suchte / wie er über das Wasser gelangete / siehe! da begegnet ihm ohngefähr einer von den Inwohnern derselben Insul /welcher auch diesen Ort besuchet / seinen ermüdeten und betrübten Gedancken / durch die Lieb-kosende Wald- und Felder-Freude / einige Artzney und Ergötzung beyzubringen. Polyphilus / der sich alsbald der Hoffnung freuete /er werde von diesem / in allem völligen Bericht erhalten / und nunmehr vernehmen / welcher Theil der Erden ihn aufgenommen / und welches Land seine Sicherheit beschantzet / legte so balden allen Scham auf die Seiten / fassete ein Hertz / und näherte mit höfflicher Freundlichkeit auf ihn zu / umb allergünstige Verzeihung bittende / daß er aus Unwissenheit dieser Ort-Bewandtschafft gezwungen / sich unterwinden dörffe / dessen Namens-Erkandtnüs / und was sonsten denckwürdiges allhier zu behalten / durch ein kurtzes Gespräch zu erforschen. Philomathus (so bekandte der Antworter seinen Nahmen) nachdem er mit gleich-gebührender Reverentz sein Anbringen aufgenommen / war gar leicht zu erbitten / und hätte ihm nichts bequemers eben anjetzo zu handen kommen können / alldieweiln er ohne das / seine sorgfältige Betrübnüs in etwas zu erfrischen / sich dem Felde / und dessen immerblühenden Ergötzlichkeit ergeben / da sichs dann nicht übel schickete / von dergleichen beliebenden Sachen / nach Gelegenheit der Zeit / zu reden. Wurden also diese beyde / durch beyderseits gefasste Hoffnung / man würde von neuen Dingen hören / bald einig / sich in das grüne Blumen-Thal / welches gerad gegen der Insul über / durch den offt-erwöhnten leiß-rauschenden Fluß / getheilet ward / nieder zu setzen / und ihre Ergötzung / auf begehrte Art zu suchen. Polyphilus / durch sein unruhiges Verlangen gezwungen / vermochte sich nicht länger zu gedulten /sondern fieng ohne Verzug zum Philomato an / seine biß daher gefährlich-geführte Reiß allen Umbständen nach zu erzehlen / und wie er / wider Wunsch und Hoffen / vor wenig Stunden allhier angelander / auch durch die beschönte Gegend überwunden / an diesem Ufer ausgestiegen: Verlange also nicht mehr / als nur den Nahmen dieses Landes / Wassers / und der vor ihm liegenden Insul zu erlernen / damit er / nach dem / verstehen könne / an welchem Ort der Welt er lebe / und wie fern er von den Seinen entschieden. Philomathus / ein bescheidener und höfflicher Mann / kont ihm nicht verüblen / daß er seiner begierigen Jugend den Zaum zu weit nachgelassen / und sich ihm vorzureden keinen Scheu getragen / bevor da diese Begierde / so viel er vernommen / einen löblichen und Tugend-erbaulichen Zweck vor sich hatte /welchen zu erreichen / Philomathus / Krafft seiner Geschicklichkeit / und guten Vermögens / Ihm / Polyphilo / wol behülfflich seyn köndte: Derowegen fieng er folgender Gestalt an zu ihm zu reden: Tugend-begieriger Polyphile! Aus euren bißher geführten Worten hab ich sattsam vernommen / was massen ihr euren Schäfer-stock verlassen / und / umb Kunst und Tugend zu erwerben / euch denen gefährlichen Schiffarten anvertrauet / die euch / eurer gefassten Hoffnung nach / in fremde Land bringen / und unerfahrne Ding lehren köndten. So hab ich auch mit nicht geringem Schrecken die Ungestümm des Meers /so euer Leben bey einem bald-reissendem Härlein furchtsam genug herum gezogen / aus eurer Erzehlung verstanden / habe deßwegen ein schmertzgebührliches Mitleyden: Doch soll das euer Trost seyn / daß eines theils durch solche ausgestandene Lebens-Gefahr /eben ein grosser Theil eures Vornehmens vollbracht worden / wie ihr dann wol wisset / daß Kunst und Tugend nicht im Schlaf erworben / noch weniger der Himmel durch Geigen- und Seiten-Spiel gestürmet werde. Nun bekenne ich ohne verhelen / daß / wie ich selbsten / in meiner damals noch blühenden Jugend /mir dergleichen Ziel gestecket / und / so viel Menschliches Vermögen zu läst / alles mein Sinnen und Beginnen dahin gerichtet; Auch durch des allwaltenden Himmels-Hülff endlich dahin kommen bin / daß ich /durch Müh und Fleiß / den beperleten Helicon erstiegen / und daselbsten von der gantzen Pindus-Schaar /mit der Tausendfaltigkeit ihrer himmlischen Wissenschafft / bin umzieret worden: Also auch allen denen /die mit gleichmächtiger Begierde entzündet / ihren Namen dem Diamantischen Register einverleiben wollen / zu allen Müglichkeiten / mit Rath und That /verpflichtet bin / auf daß sie / wie sie wünschen und begehren / sonder Abschlag / die felsichte Spitzen /der unergründlichen Weißheit / zu ersteigen / Macht und Gelegenheit haben. Polyphilus / der diese verguldete Reden / mit sonderbahrer Hertzens-Erfreuung anhörete / belustigte sich allbereit nicht wenig mit dem / was ihm auch die Hoffnung nur versprach / die er / ohne Mißtrauen /aus dem ungeforderten selbst-willigem Bekäntnüs Philomathi / und dessen ohne Verdienst anerbottenen Beförderung / gar leicht schliessen kondte. Derowegen er nicht säumete / sein Vatterland / Eltern / Verwandten / auch sich selbsten / und was er suche / dem Philomatho / als einem seinen mächtigsten Lehrer und Beförderer / zu eröffnen / mit angehengter Bitte /ihme die Beschaffenheit dieses Orts / und dessen Benennung zu ertheilen. Dieses alles gefiel dem Philomatho so wohl / daß er nicht nur seiner Bitte ein völliges Genügen that /sondern auch mit Mund und Händen ihme treu-meynend versprach / alle Heimlichkeiten derselben Insul /(welches traun gegen einem Frembden ein Grosses Versprechen war) eigentlich und deutlich vorzulegen /so gar / daß / wann es seine Gelegenheit gestatten würde / sich eine weile in diesen Feldern aufzuhalten /sein Leben nicht ohne vergnügliche Freude / auch sein Verlangen voller beliebiger Erfüllung seyn und werden solte. Darum fieng er folgender Gestalt an: Erkandter Polyphile! Euer Vatterland Brunfile /daß ihr mir allbereit genennet / ist vor dem eine Ernehrerin meiner Kunst-dürfftigen Musen / und meines jungen / etwas frey-begierigen Lebens / eine Nutzbringende Lehrerin gewesen: Deme diese gegenwärtige Insul / mit allen deren beseeligten Innwohnern so viel zu dancken hat / als sie täglich von mir Gutes und Gedeyliches überkommen. Finde mich dahero / ohne einige Widerrede / über mein Vermögen verpflichtet /und solches um desto mehr / weil mir gleichsam /durch ein stilles Gethöne / das hochgelobte und mir hertzlich-ja schuldig-gelobte Brunsile / durch die Ohren / ihre mir tausend-fältig-erwiesene Dienste zuschreyet / und dieselben an euch / als der in diesen Jahren auf gleicher Glücks-Kugel bestehet / zu ersetzen anmahnet. Wisset demnach / treugeliebter Polyphile! daß ihr / meines Erachtens / zu eurem grossen Glück / das viel-grosse Unglück ertragen müssen /sintemal ihr / durch des Meers Ungestümm / in ein solch Land geführet worden / daß ihr selbst erkennen werdet / die Gütigkeit des unsterblichen Himmels habe euch also heissen führen. Dieser Fluß / dem ihr sonderlich für seine Fahrt zu dancken habt / ist der in aller Welt bekandte Peneus-Strand / an sich zwar gering / doch wegen des Einflusses vier schöner Bächlein / grosser Schiffarten fähig genug / wegen dieses beschönten Lust-thales aber / daß er theilet und doppelt / viel grösser / als daß sein belobter Ruhm solte können von sterblichen Zungen ausgesprochen / oder nach Würden beschrieben werden. Der Ort / welcher euch die Sicherheit gönnet / ist das von männiglich viel-gerühmte Thal Tempe; Diese Berge aber / Ossa und Olympus / an der Höhe / allen anderen / so viel Thessalien Berge in sich hält / weit vorzuziehen. So bin ich / fragte der Schäfer / in Thessalien / und in dem beschreyeten Thal Tempe? So ists / versetzte Philomathus / und da es euch nicht miß-fällig / mir zu folgen / will ich euch diese Lust-bare Gegend / so lang uns die Sonne ihr Liecht gönnen wird / durchführen / und was darinnen sonderlich zu bemercken / erklären. Polyphilus entdeckte sein Verlangen / durch den Danck / und folgte den Schritten Philomathi / biß sie dem Ort nahe kamen / allwo der Bach Eurotas / in besagten Fluß Peneus sich ergiesset / dabey Philomathus erinnerte / wie diß sonder-wunderlich zu bemercken / daß / ob dieser Eurotas völlig in den Peneus-Fluß falle / er dennoch sein Wasser / mit jenem nicht vermenge / so / daß man beyde / an dem Unterscheid der Farben / voneinander kenne. Und / fuhr er weiter fort / ist noch mehr zu verwundern / daß der Fluß Peneus / nach dem er / ohne der Wasser Vermischung /mit dem Bach Eurotas / eine Zeitlang geronnen /gleich als ob es ihm verdrösse, denselben seitwarts stosst / und sich / im Ausfluß / wieder von ihm unvermischt theilet / etc. Unter währender Rede gieng Philomathus mit dem Schäfer / langst dem Fluß hinab / da dann zu beyden Seiten / an dem Ufer / kleine Myrthen-Gehäge und Lorbeer-Häyne zu sehen waren / so denen beyden /wie anderen vorbeygehenden / mannigfaltigen kühlen Schatten ertheilten. Sonderlich aber / beschönte diesen vor-annehmlichen Ort / daß unter selbigen unterschiedlichen Schatten / unterschiedliche kleine Bächlein ronnen / derer Wässer nicht allein anmuthig zu trincken / sondern auch förderlichst der Gesundheit dienlich zu seyn / von Philomatho bekandt / dem Schäfer Polyphilo aber versucht wurden. Von hinnen verführte sie die Lust zu etzlichen so scheinenden grünen Zelten / und erinnerte Philomathus vor anderen / die vielerley Eyländlein wol zu beobachten / die beydes dem Fluß / und dem Tempe-Thal eine herrliche Verschönerung beybrachten. Die Bäume / so man da sahe / waren von der Wurtzel an / biß an die Gipffel mit Epheu umzogen / so / daß man nichts dann lauter Grün sahe. Auch stund daselbst ein herrlich-schönes Graß / daß gleichfals sich an den Bäumen hinauf zog / übergebogen wieder zu rück fiel / und den gantzen Boden bedeckte: Diß berichtete Philomathus / daß es von den Innwohnern Smilar genennet würde. Je ferner aber Philomathus seinen Fuß setzte /und je weiter der Schäfer Polyphilus folgte / je angenehmer dunckte ihm die Lufft werden / als welche einen lieblichen Geruch / gleichsam eingenebelt / behielt. Der Schäfer daher veranlasset / fragte Philomathum / woher diese Lieblichkeit rühre? Welcher auf ein Wäldlein / dahin sie Schritt vor Schritt gangen /deutend / zur Antwort setzte / daß die umliegende Völcker glauben / dieses Wäldlein sey den Göttern sonder-lieb / und dannenher solches / darinnen zu opffern / vor andern erkiesen / in dem betrüglichen Wahn verharrend / ihre Gelübde werden daselbst gnädiger /als anderwarts / erhöret. Daher / sprach er ferner / die Durchräisende diese Lufft stets wolriechend antreffen werden / weil dieselbe nicht bald ohn einem guten Opffer-Rauchwerck wird zu spüren seyn. Es helffen aber auch dazu die mannigfaltige wolriechende Blumen / deren Purpur diesen wunder-lieblichen Ort / wie ihr selbsten sehet / so reichlich bekleidet / daß ich zweiffele / soll ich dem Opffer / oder ihnen / vor den schönen Geruch Danck bringen. Das lassen wir die verfechten / sprach Polyphilus /die den Unterscheid des Geruchs lieben / von meinem wenigen Urtheil / soll das Opffer / mit den Blumen /gleichen Preiß erwarten. Wol dem; antwortet Philomathus / so will auch ich keinem einen Vorzug gunnen: Diß Wäldlein aber wird die Unsterblichkeit seines Namens / ja / die Vortrefflichkeit seiner Bewohnung / mehr den Opffern / als Blumen / beyzulegen haben. Dann / wie die Thessalier berichten / ist der Delphische Apollo / nach dem er den Drachen Python erschossen / in diß Thal kommen / sich / auf des grossen Jupiters Befehl / allda zu reinigen: Ist auch von den Lorbeern / welche allhier in grosser Menge stehen / gekrönet worden. Und dafern ihr gäntzlicher Bericht glaubens würdig / hat er / so bald er bekräntzet worden / von eben selbigem Lorbeer-Baume einen Ast genommen / ist mit demselben gen Delphis gezogen / allwo er sich in Besitzung der allenthalben so berühmten Götter-Antwort gesetzet. Zum Beweiß dessen / wird in nechster Insul / denen Ausländern /ein Weyhtisch vorgezeiget / darauf sie bestätigen /daß Apollo sey gekrönet worden / und von dannen den besagten Ast genommen. Ob aber dessen Warheit zweiffelhafft / erwirbet dennoch die alljährige Ankunfft / der jungen Mannschafft von Delphis / in diesen Peneus-Grund / nicht geringen Glauben / in dem sie zu gewisser Zeit / durch einen Hauptmann geführet / hieher gleichsam Wallfahrten / und zu des Apollo Gedächtnus / in diesem Lust-Wald / ein Opffer bringen / auch mit Lorbeer bekrönet / heimkehren / da sie unter Weges viel schöne anmuthige / und dem Apollo zu Ehren verfertigte Lieder singen und erklingen lassen: Daher komts auch / daß alle die / so dieses Thal durchwandern / mit sonderbarer Ehrerbietung / als durch einen dem Apollo gewidmeten Ort / einher gehen / auch keiner einigen Widerstand oder Unglücks-Betreffung darinnen ersiehet. Diese / des Philomathi Erzehlung verleitete den begierigen Schäfer / daß er das gantze Wäldlein durchsahe / dessen Ende ihm die Insul Soletten völliger zu Gesicht brachte / daher er / des vergangenen vergessend / seine Gedancken / in derselben Beschauung /arbeiten ließ. Alsbald Philomathus diß merckte / fieng er mit folgenden Worten an: Diese zugegen liegende Insul betreffend / welche nicht unbillich / wegen ihrer erscheinenden Lieblichkeit und künstlichen Erbauung dem Thetis-Schloß zu vergleichen / ist die / durch eben diesen Fluß berühmte Solette / und sind deren Innwohner / unter welche Zahl auch ich mich rechne /mehrentheils der Einsamkeit ergeben / so gar / daß sie auch ihre gantze Lebens-Länge / nicht mit Gesellschafft / sondern in einzeler Ruhe zu kürtzen gedencken. Und dörfft ihr euch / geliebter Polyphile! dessen keines weges wundern / weilen auch selbsten die Art dieses Landes / und die aufsteigende Feuchtigkeiten /solche Lufft würcken / die den Menschen / ob er von Natur etwas frisch und Gesellschafft-liebend wäre /dennoch mit solcher Veränderung regieren können /daß er wider sich selbsten zu leben / mit nicht geringer Belustigung / erwehlet. Polyphilus / voller Wunder / kondte dem sinnlichen Gespräch Philomathi nicht länger mit stillschweigen zuhören / vielweniger umhin / daß er nicht fragen solte / was Art Volcks dann allhier wohnete? Darauf Philomathus antwortete: Wundert euch nicht / Polyphile! Dann eben dem haben wir zu dancken / daß die vornehmste und durch alle Welt berühmte Künstler dieses Orts ernehret und vermehret werden. So werden auch / fragte Polyphilus / an diesem Ort viel vortreffliche Pindus-Ritter anzutreffen seyn / die täglich denen zwar Schweiß-verachteten / doch dabey Himmel-würdigen Musen / ihre gebührende Schuld ablegen? Nein / sagte Philomathus / diese Insul hat nicht mehr / dessen sich die betrübte Pierinnen freuen köndten / als einig das über die Natur steigende Tugend-völlige Muster / aller Weiblichen / und mehr als weiblichen / Vollkommenheiten / die ich zweiffele /ob sie von den Unsterblichen denen Sterblichen zur Beherrscherin / und selbst vom Himmel der Erden zur Tugend-Sonne erkohren / oder sonst mit mehr Menschlichen Gaben am Verstand / Tugend und Schöne sey versehen worden. Zwar / sagte Philomathus ferner / hat diese unsere Insul keinen Mangel an deren Pindischen Gesellschafft / weilen / meines Erachtens / selbst die Princessin des Helicons / mit samt ihren Dienerinnen bey uns wohnet / deren vortrefflicher Name / durch ihre Himmel-würdige Wissenschafft / in kurtzer Zeit / von uns selbst / in den Diamant der Unsterblichkeit wird gepräget werden Polyphilus / dem dieses von einer Weibs-Person zu hören / unglaublich vorkam / fragte nicht ohne Ursach / was es dann für eine Beschaffenheit mit derselben hätte / und ob sie / an statt einer Göttin / von ihnen geehret werde? Philomatus antwortete: Wir sind allemahl / und von Natur zu wider dem Höllverdammlichen Laster der Abgötterey / doch / so fern sich in einem sterblichen Leib Göttliche Gaben befinden / wegen deren billich alles aus der Menschen-Zahl / in die Himmel-Zinnen erhöhet wird: Werden auch wir keinen Abscheu tragen / die jenige eine Göttin zu grüssen / die wir erkennen / daß mehr himmlisch als irrdisches an ihr hervor leuchte. Kaum waren diese wenig Wort gesprochen / daß nicht allbereit / die Begierde diese Göttin zu sehen /durch ein brünstiges Verlangen / in dem Hertzen Polyphili / entzündet war / darum sprach er / und fragte ferner: Ob man sich nicht unterstehen dörffte / derselben die Glückseeligkeit abzubitten / daß er mit ihren Strahlen beschönet / und erleuchtender Gegenwart beglücket würde? Das braucht grosse Mühe / antwortete Philomathus / und sonderlich-geneigte Zeit-Gelegenheit / die ihr vor dißmal weniger überkommen / als wol hoffen möget. Dann / fuhr er fort / das meiste /dem sich diese unsre Erden-Göttin ergeben / ist / wie vorgemeldt / die beliebte Einsamkeit / deren angenehme Ketten / sie / mit uns / dermassen gebunden hat /daß / ehe sie ihr selber vergessen / als selbige ändern wird. Darum dißfalls alle Hoffnung mit vergeblicher Erwartung wird bezahlet werden. Hat einmal die Freud-verzehrende Betrübnüs / das Hertz Polyphili getroffen / so ists / in Warheit / durch diese Wort geschehen. Kan ich dann nicht / sprach er / in dieser frohen Blüth meines Gunst-geneigten Glücks auch diese Blumen brechen / so muß ich freylich erfahren / daß kein Glückes-Stand bey denen Sterblichen zu finden / der nicht aufs wenigste mit einem betrübenden Unfall beflecket sey. Doch drehet sich die Kugel des Glücks nicht anders / weiln / wann selbige ihre Gnaden-Stralen gar zu hoch werffen /oder zu bell wolte scheinen lassen / möchte das Glaß /ehe wirs verhoffen / und wieder unser Versehen / zerbrechen. Darum will auch ich selbiges mir nicht besser wünschen / oder gnädiger begehren / als es Menschlichem Geschlecht / von dem mild-gütigem Himmel gegönnet ist / damit ich nicht dafür angesehen werde / als wolt ich mehr / dann Menschliche Vermögenheit / fordern. 3. Absatz Dritter Absatz Beschreibet die Zeit-Kürtzung und das Gespräch der beyden / welches ist von der Ruhe der Einsamkeit: Lehret / neben der / wie wir / aus vortrefflicher Leute Reden / unser Weißheit schöpffen müssen. Mit diesen Worten muste sich der betrübte Polyphilus vor dieses mal trösten. Gleichwol aber / damit er solche gefasste Traurigkeit in etwas wenden möchte /fieng er zum Philomato ferner an / von der Einsamkeit zu reden / und ihn zu überweisen / wie er ihm selber so unrecht gethan / in dem er auch sich diesen Ketten gebunden ergeben / die / wie sie männiglich schädlich / also sonderlich ihm nicht zuträglich seyn würden. So sprach aber Polyphilus: Es wundert mich fast sehr / daß das Geschlecht der Menschen einige Einsamkeit zulässet / wie der Schöpffer selbst / dem Geschöpff / alsbald im Anfang / solche nicht gut oder nutzlich zu seyn bekräfftiget. So sehe ich aus den Ursachen / welche sonsten sonderlich diß Gefängnus verlangen / einen solchen Beweiß / der vielmehr wider sich selbsten streiten wird. Der Stiffter solcher Einsamkeit / ist in Warheit nichts anders / als die Betrübnüs. Diese hat freylich die Art / daß sie gern allein ist / damit sie ihren kümmerlichen Gedancken / freyen Paß lassen könne: Aber was folget endlich? Eine Melancholische Verzweifflung / welche das erschrockene Hertz / mit solchen Wellen ersäuffet / daß es nimmer kan errettet werden. Auch hat der verführende Höll-Gott keine listigere Tück / als daß er geängstigten Hertzen die Gesellschafft verhasset / die Einsamkeit aber beliebt mache / damit er ihnen mit seinen feurigen Versuchungs-Pfeiln desto besser könne beykommen: Wann der Schmertz das Hertz drenge / daß es ihm selber nicht helffen könne / auch sonst niemand vorhanden / der es mit Trost erquicke / oder der Angst befreye. Bleibt also das der erste Schluß / daß die Einsamkeit sey ein Fecht-Platz der höllischen Geister / da wir genug wider ihre Macht und List zu kämpffen haben. Deme setz ich hinzu / daß sie gerad wider die Ordnung der Unsterblichen lauffe / welche die Gesellschafft der Menschen gestifftet / damit einer dem andern dienen und behülfflich seyn könne. Ja: sie laufft schnur-gerad wider die Natur selber / welche mehr nach Gesellschafft und Lust: als Leid und Einsamkeit strebet. Daher die Weltweisen den Menschen ein solches Thier nennen / das sich gern zu dem andern geselle. Und das diß alles übertrifft / habt ihr euch einer solchen Tugend ergeben / die wider alle Tugend streitet / und die schuldige Lieb des Nächsten ausleschet. Wie könnt ihr lieben / dem ihr nicht dienet? Wie könnt ihr dienen / von dem ihr ferne seyt? Sehet an die Wittwen und Wäisen / so lang sie einsam sind /wer ist / der ihnen aufhilfft? Und bleibt ihr in der Einsamkeit / wer besuchet Wittwen und Wäisen? Welches doch der nöthigste und schuldigste Dienst ist. Wolt ihr mehr hören? saget mir die Ursach: Warum euch der Himmel / vor andern Thieren eine redende Zung gegeben? Saget mir / warum euch die Natur /gleich andern Menschen / Affecten und Bewegnussen gegeben? Sollt dann GOtt und die Natur etwas vergebens thun: Ist nicht glaublich. Sehet an die Thiere in den Wäldern / die sich lieben: Sehet an die Vögel unter dem Himmel / da sie in grosser Meng fliegen: Sehet an die Fisch in den Wassern / da sie bey paaren gehen: Hat die Natur diesen unvernünfftigen Thierlein eine solche Begierde eingepflautzet / daß sie die Einsamkeit fliehen: Warum nicht viel mehr den Menschen / welcher das edelste unter allen Geschöpffen ist: Erkennet auch noch zum Uberfluß / was euch die leb-lose Creaturen erinnern: Es rinnen die Wasser zusammen in einen Fluß Die Gewächse der Erden stehen unter einander: Die dicke Wälder rauschen wegen der Gesellschafft der Bäume: Die Lufft hänget dick aneinander: Und an dem Firmament selbsten wincket ein Stern dem andern. Alles / was einen Bestand haben soll / das bemühet sich um einen Gesellen: Hingegen kan nicht bestehen / wer allein stehet. Nehmet ein Exempel an einem Baum / der im Felde vom Wind ausgerissen wird / weil er keinen Schutz hat. Kan auch ein grosses Haus / das aller Drten frey stehet / vor dem Gewalt der Anstösse sicher seyn? Was gibt der Mond vor ein Liecht / wann er ohne der Sonnen ist? Mangel und Noht ist überall. Artig hats David treffen / wann ich aus dem Buch der Offenbahrung etwas anführen darff / welcher sich / da er aus seinem Vatterland in der Einsamkeit herum ziehen muste dem Rohrdommel in der Wüsten verglichen /und einem Käutzlein in den verstohrten Städten. Was ist ein einsamer Mensch anders / als ein Rohr / daß der Unglücks-Wind hin und her wehet: Oder / so er noch etwas mehr ist / ein Anstoß aller deren / die ihn beleidigen / und ihr Spiel mit ihm treiben wollen. Woher mag er sich einiges Schutzes versichern? Er ist allein: Woher mag er einigen Trost nehmen? Er ist allein: Woher mag er auf eine Errettung hoffen? Er ist allein: Wer Einsamkeit erwählet / Mit keinem sich vermählet / Wird überall gequälet. Gar zu kräfftig wolte Polyphilus seine Sache behaupten / deßwegen ihm zwar Philomathus eine Zeitlang /aber mit grossem Widerwillen zuhörete: Und weil er fürchtete / Polyphilus möchte seiner Gedult mißbrauchen / konte er ihm nicht mehr Freyheit / die Einsamkeit zu verringern / gestatten / sondern fiel ihm / mit diesen Worten / in die Rede: Verzeihet mir / Polyphile! daß ich eure Red abreissen / und eurer freygelassenen Zungen einen Zaum anlegen muß. Wie dörfft ihr die Frucht-bringende Einsamkeit in meiner Gegenwart so vergeblich / und wider ihre Verdienst schänden? Was für nichtige und untüchtige Gründe führet ihr an / welche in Ewigkeit das nicht erweisen werden / was ihr zu behaupten gedencket. Werde ich euch nicht in allem sattsam widerleget / und alle euren Beweiß kräfftig umgestossen haben / wann ich allem dem / was ihr nach der Länge erzehlet / einig die Laster-führende Boßheit / der jetzt verderbten Welt entgegen setzen werde? Saget mir /trägt die Welt etwas anders bey ihren Rosen / dann Disteln: Ist was mehr an ihren Bäumen / als Rinden: Was beschleust sie sonst in ihren Fässern / als Hefen: Was samlet sie in ihre Scheuren mehr / dann Stroh: Was behält sie in ihren Schätzen / denn Schaum: Gleichwol / sagte Polyphilus / findet man auch Rosen unter den Dornen: Safft und Kraffe innerhalb der Rinden: klares Getränck in den Gefäsen: Korn und Wäitzen auf der Tenne: Gold und Silber in den Schätzen; Und wäre gar unleidentlich geschlossen / weil in dieser Welt viel Anläß und Gelegenheit sind zu denen Lastern / so sey ein jeglicher verderbt. Folget dann das: Wann ein anderer lüget / darff ich auch lügen: Wann ein anderer spielet / darff ich auch spielen: Wann ein anderer ein Unflat ist / soll ich auch ein Unfläter seyn? Nein / Philomathe! man findet noch einen Kern in den Nüssen: Das Marck in Beinen: Die Glut unter der Aschen: eine Traube unter den Schleen: Eine Perlen unter den Kieselsteinen: Ja / unter dem Schaum das Gold. Und halt ich vor gewiß / daß die Unsterbliche noch aller Orten ihr Heyligthum erhalten. Uberall sind Fromme unter den Bösen / Böse unter den Frommen. Ist wol etwas geredt / versetzte Philomathus / aber wie erkennet man die Frommen unter den Bösen / wie entscheidet man diese von jenen? Schlaget selber in euch / Polyphile! und besinnet den Wandel der Welt; Wie viel sind / die unter der Tugend-Decke unsere Augen mit schändlichen Lastern blenden? Wie viel finden sich / die / mit dem Mantel der Ehren bedeckt /ihren Schalck bergen? Wie viel preisen ihre Frömmigkeit nicht nur mit Worten / sondern auch so gar durch die Werck / und halten die Boßheit heimlich in ihrem Hertzen? Wer vermag den Grund zu erkennen /wann die Farben allbereit geführet sind? Wer kan wissen / wohin sich eine Schlang verkrochen / wann sie im Graß verborgen ligt? Meines Erachtens / wird Menschliche Müglichkeit / in diesem Fall / ihre Schwachheit erkennen. Sehet nun Polyphile / wie weit ihr fehlet / auch nur in diesem. Soltet ihr aber eben das auf das Band der Gesellschafft ziehen / würdet ihr die Grösse eures Fehlers weit besser erkennen. Eine unter den grössesten Glückseeligkeiten dieser Welt /haltet ihr ja das zu seyn / wann ihr gute vertraute Freunde habt / mit denen ihr euch erlustiget / und keine Feinde / vor denen ihr euch fürchtet. Freundschafft ist die Gebärerin der Gesellschafft: Freundschafft ist die Zerstörerin der Einsamkeit. Soll ich nun meinen Vorsatz enden / und mich in Gesellschafft geben / so zeiget mir einen getreuen Freund / darauf ich mich verlassen / und so sicher / als in meiner erwehlten Einsamkeit leben könne. Aber wo ist der? vielleicht nie gebohren / oder überall verlohren. Ich förchte gar sehr / es dörffte mich jene Frag und Antwort betreffen: Was suchst du Freunde / die es treulich mit dir meynen? Such unter Tausenden / und zeige mir denn einen. Viel sind deren zwar / die vorwerts lachen: Viel / die freundlich mit uns reden: viel / die uns tieffe Reverentz erweisen: viel / die miteinander essen / trincken / gehen / stehen / reiten / fahren / sitzen / liegen: Viel bieten einander ihre willige Dienst an: Viel küssen einander Hände und Füsse: Viel suchen einander heim / und klagen in der Noth ihr Leyden; zeugen im Glück ihre Freuden: Welches alles dann einen Schein der waaren Freundschafft führet: Wann wir aber das Hertz besehen / und ihre Werck in der Noht versuchen / finden wir offt und offt / daß viel ein anders die Wort reden / als das Hertz gedencket; viel ein bessers die äusserliche Werck erweisen / als der Will beschlossen. »Dann die vorwärts lächeln / finden wir /daß sie ruckwärts beissen: Die freundlich reden / erfahren wir / daß sie feindlich gesinnet seyn: Die einander tieffe Reverentz erweisen / sehen wir / daß sie vielmehr die Ehre stehlen: Die an einer Tafel essen /und am nächsten beysammen sitzen / erkennen wir /daß ihr Hertz wie fern ist: Die einander ihre willige Dienst anerbieten / müssen wir gestehen / daß sie offtmals lieber einander möchten fressen: Die einander Händ und Füsse küssen / ist zu erweisen / daß sie selbige viel lieber abbeissen möchten; ja! die einander besuchen / erkennen wir offt / daß sie lieber einander begraben / einander verderben / einander ermorden möchten; sich lieber freuen über seiner Noht / als klagen; lieber klagen über sein Glück / als freuen.« Solte mich dieses alles nicht die Einsamkeit vielmehr beliebt: die Gesellschafft aber verhasset machen? Und was soll ich von der Verführung sagen? Es ist wol so / daß Böse unter Frommen; Fromme unter Bösen seyn: Ich gebe zu / daß die Unsterbliche ihr Heyligthum erhalten: Ich gestehe / das nicht folge / wann einer ein Unflat sey / müsse der ander auch dieses Laster erwählen: Aber dennoch darff ich mit Warheit sagen / daß ein Verderbter den gantzen Hauffen anstecke; das Heyligthum durch böse Gesellschafft verwüstet; die Frommen von den Bösen verleitet werden. Und solches desto eher / weil der verführenden Lüste so viel sind / daß ihnen nicht leichtlich Widerstand kan gehalten werden / bevorab wann unsere verderbte Natur / von sich selbst / darzu geneigt ist. Bald muß man / um Ehre zu erhalten / in ein Laster willigen: Bald / um Freundschafft zu erwerben / etwas sündliches begehen: Bald / um Schande zu meyden / etwas wieder Willen billichen. Viel Sachen thut ein Gesellschafft-liebender / die er für sich selbst nicht thäte. Er muß panquetiren / will er nicht für einen Hypocriten gehalten werden: Er muß spielen / will er nicht ein Kärgling seyn: Er muß buhlen / will er nicht für einen Einfalt gescholten werden: Er muß fressen und sauffen / will er nicht für einen Schmal-Hanß angesehen seyn: Er muß die Wollüste nehren und mehren / will er nicht ein Heiligen-Fresser / und für einen solchen ausgeruffen werden / der den Göttern die Füß abbeisse: Er muß mit lachen / will er nicht den Namen eines Sauer-Topffs führen: Er muß auch mit weinen / will er nicht / daß man ihm das Laster der Unbarmhertzigkeit beymesse: Und endlich muß er alles mit halten /was die Gesellschafft beliebet / oder zu halten erwählet. Saget mir nun / Polyphile! ob nicht die von allen denen Lastern befreyete Ruh der Einsamen / um mehr denn tausend Grad / der Tugend-stürmenden Unruh deren Gesellschaffter vorzusetzen / und weit höher zu schätzen sey? Euren Gründen nach / versetzte Polyphilus / ists freylich so: Aber wann ich der Sach gründlicher nachdencke / finde ich dennoch / daß meine Meynung nicht allerdings verwerfflich. Euer weitläufftiger Beweiß bestehet auf zween Gründen / nemlich / der Boßheit der Menschen / und der verführenden Gesellschafft: Wann aber dieser Schluß richtig ist / wer siehet nicht / Philomathe! daß wir / auf solche Art / diß gantze Welt-Hauß / in weniger / als hundert Jahren /wollen geleeret und ausgestorben haben. Eurem Schluß nach / will ich ebenmässig schliessen / daß auf diesem gantzen Erden-Kräiß / und unter dem gesammten Menschlichen Geschlecht / keine Freundschafft zu halten / keine Gesellschafft zu stifften. Ist aber das? Wo bleibet Liebe / Treue / Aufrichtigkeit /Frommkeit / Gutthat? Ja! wo bleiben alle Tugenden? Wo bleibet Freude / Ehre / Glückseeligkeit? Wo bleibet endlich die Ordnung der Unsterblichen? Alles verrauchet / wie ein Dampff / und wird verzehret / wie ein Nebel. Oder ich will schliessen / daß alle Gesellschafften tadelich / lasterhafft / betrüglich / untreu und voller Untugenden seyn. Ja! daß keine Freundschafft mit dem Band treu-gehertzter Liebe gebunden / noch mit den Fässeln der unverruckten Aufrichtigkeit bestricket. Welches doch / in Warheit / in vieler Ohren zu hart klingen / und manchen treuem Hertzen zu nahe würde geredt seyn. Darum erkennet / Philomate! wie weit ihr fehlet. Und gefällt es euch / will ich mit müglicher Kürtze weisen / wie eure Gründe /die ihr wider mich geführet / euch selber bestreiten und gefangen legen werden. Ihr schliesset dahin / daß man mit Bösen keine Gesellschafft pflegen soll: Ich rathe vielmehr das Wiederspiel. Fragt ihr die Ursach /gebe ich euch zu erkennen / ja! zu beantworten: Ob der allein weise Himmel / welcher eine solche Ordnung gestifftet / daß Gut und Böß beysammen sey /deßwegen das Gute zum Bösen gesellet / daß dieses von jenem verbessert / oder jenes von diesem verführet und vernichtet werde? Wer das Letztere behaupten wolte / würde aus der heiligen Zahl der Unsterblichen / eine verdammte Zahl der Ungerechtigkeit machen: welches / wie es keinem Sterblichen möglich; also auch höchst-schädlich seyn würde. Das Erste aber zu bejahen / heisset uns die Güte des Himmels /und die Gewogenheit der Unsterblichen gegen die Sterbliche selbst. Dann auf dieser Meynung beharre ich fest / daß nicht gnug sey / Tugend lernen; nicht genug / Tugend lieben; nicht genug / Tugend wissen; nicht genug / Tugend besitzen: sondern das einige Tugend-üben besser sey / als alles Besitzen / alles Wissen / alles Lieben / alles Lernen. Wo lässet sich nun die Tugend-Sonne heller blicken / als in der Finsternüs der Laster? Wo mag die Ehren-Blume rühmlicher blühen / als unter den Dornen der Unehr? Ein Tugend-geziertes Gemüt lässet sich nicht verführen zum Bösen: sondern verführet die Bösen zum Guten. Ein Ehren-bereichtes Hertz lässer sich nicht verleiten zur Un-Ehr: sondern leitet die Schande zur Ehr. Ist also euer Schluß / geliebter Philomathe! nicht so kräfftig /als warhafftig das gesagt wird: Wer Tugend liebet /und Ehre verlanget / soll sich der Einsamkeit entziehen / und der Gesellschafft der Menschen ergeben /damit er die Großmütigkeit seines Hertzens erweise /den Lastern zu widerstehen / und die schuldige Gebühr / so ihm sein Vermögen aufleget / in Verbesserung frembder Sitten / ablege. Sehet ihr nun / Philomathe! und verstehet ihr / wohin ich ziele: so werdet ihr auch eben recht verstehen / daß nicht nur die Tugend-begabte ihre Schuldigkeit beobachten / wann sie bemühet sind / sich zu andern zu gesellen: sondern dieselbe auch weitlich übertretten / wann sie sich der Einsamkeit zu ergeben gedencken. Philomathus wuste nicht wol / wie er dieses beantworten solte; Polyphilus aber / der es ihm am Gesicht ansahe / sagte ferner: Weil ihr dann sehet / Philomathe! daß dieser euer Schluß nichts würcket oder gewinnet / so behertziget ferner meine Gründe / die ich zu erst gesetzet / vielleicht möchtet ihr die Einsamkeit gesegnen / und auf einen andern Sinn gerathen. Ehe wird die Insul Solette / gab Philomathus zur Antwort / mich nicht mehr ihren Bewohner grüssen; Ehe wird die Tugend-verliebte Göttin das Gefängnüs ihrer Traurigkeit auflösen / als ich den Bund und das Gelübd / welches ich in meinem Hertzen gethan / brechen und entfässeln will. Ihr seyt auch / fuhr er weiter fort / gantz unrecht daran / geliebter Polyphile! in dem ihr / was ich von mir geschlossen / wollet auf die ungezehlte Meng der Sterblichen ziehen. Ist dann ein anderer auch / wie ich / gesinnet? Ich meyne / so mancher Mensch / so mancher Sinn. Mir und euch dienet die Einsamkeit / ja allen Bewohnern dieser Insul /weil sie mit mir und euch / ihr Sinnen in den Schrancken / der Erlernung guter Sitten und Künste / lauffen lassen. Wann darum nichts wäre in allem / das mir ein einsames Leben beliebig machen könte / wäre das genug / weil ich / in solchem Stand / besser und mit unverhindertem Fleiß sinnen / dichten / dencken / und solchen Sachen nachgründen kan / die wegen anderer Unruh und Verhindernus / offtermals menschlichen Gedancken verborgen / und unsern Sinnen zu erreichen unmöglich sind. Wisset ihr nicht / Polyphile! daß die Einsamkeit von den Gelehrtesten und Weisesten jederzeit sey vor eine Lehrerin der Weißheit / vor eine Nehrerin der guten Sitten / ja! endlich gar vor eine Mehrerin aller zugelassenen Erlustigung geschätzt und verehret werden. Was hat Epicurum / Salustium / Lucanum und andere darzu bewogen / daß sie ihnen sonderlich das Garten-Leben gefallen lassen? einig die Einsamkeit / welche ihre Sinnen mit den Gaben der Weißheit zierete. So bin ich leicht zu überreden / daß / wofern der hochgeschätzte Virgilius / die Neapolitanische Felder / Cato sein Sabinum / Cicero sein Tusculanum / Plinius Nepos sein Laurentium / Petrarcha sein verschlossenes Thal / Ficinus sein Berg-Vorwerck / Mirandulanus und Politianus ihr Fesulanam / und Sannazar sein Mergillina nicht gehabt / oder öffters besuchet / wären sie nicht an das Gestirn erhoben / sondern wol in die Vergessenheit vergraben worden. Als Philomathus so redte / fahe ihn Polyphilus /mit lachenden Geberden / an / und schüttelte den Kopff / anzudeuten / daß diß nicht geantwortet wäre auf seinen Einwurff: Dann / in die Rede zu fallen /verbot ihm seine geziemende Höfligkeit. Weil aber Philomathus noch unter dem Reden solches merckte /fieng er zum Polyphilo an: Was schüttelt ihr den Kopff / Polyphile! Als wann ich unrecht geredt? Die tägliche Erfahrung wird mich bey der Warheit schützen. Je freyer der Muht ist / je fröliger ist er auch in allem / das er sinnet und dichtet. Wo kan aber eine grössere Freyheit gefunden werden / als bey einem einsamen Leben; Ein einsames Leben aber erfordert auch einsame Oerter: Ein schön begrüntes Thal; die Wald- und Felder-Freude: Die gleichfals freye Lufft; der wilden Oerter Ruh; Und hochgespitzte Berg / die helffen gleich darzu / Daß unser Sinn sich hebt: und eine bunte Heyde / Auch der behaarte Pusch / die steuren allem Lende Und fördern frohe Lust: der Brunnen leiß Gethön Läst die Gedancken-Post / ohn Zoll und Zinse / gehn / Wohin sie gehen will: führt sie auf frische Weide: Gibt Weißheit und Verstand: schafft einen freyen Muth / Der mehr in einer Stund / als sonst in zehen thut. Auch wo das schöne Feld trägt Speise / wohl zu leben / Wo Schatten wirft der Baum / wo weht ein leiser West / Da dichtet unser Sinn; und wann die Sorge läst Das Hertze hinter sich / dann kan es sich erheben. Sehet selbst / Polyphile! auch diesen Ort / und euren eigenen Wandel an / wie gefället euch die Einsamkeit so wol / die ihr doch so hart scheltet. Ich meyne / ihr folget den jenigen / die / wann sie ja in Kriegs-Läufften aufgefordert werden / dem Feinde getrost unter Augen ziehen / und sich ihres Manns nach Vermögen wehren: Nichts desto weniger aber auf den Frieden /als ein Kleinod dessen / und ein Vorbild des künfftigen Lebens / mit sehnlichem Verlangen hoffen. Doch kan und darff ich mich nicht unterstehen / von euren Gedancken und Vorsatz etwas gewisses zu benennen /wofern ich nicht den Namen führen will / daß ich /wie jener von dem Thun des Himmels fragte: also die Hertzens-Erwählung / so menschlichen Augen verborgen ist / kündigen wolte. Was aber meine Person anlanget / gesteh ich gern / daß ich nicht gleich sey jenem Wunder-Fisch / welcher sonst Abides genennet wird. Dieser lebet und nehret sich eine geraume Zeit im Wasser / nach Art der andern gemeinen Fisch: Wann er aber alt wird / steiget er aus dem Wasser /auf das trockne / und machet sich so ferne vom Ufer /daß er solches die Zeit seines Lebens nimmer siehet /nimmer suchet: wohnet auf der Erden / nehret sich von der Erden / und wird einem Erden-Thiere gantz gleich: Daher er dann nicht mehr Abides / sondern Astoitz genannt wird. Gleich so hab ich mich / aus dem trüben Wasser der weltlichen Lust und Unruh /in den sichern Port der Einsamkeit begeben / nach dem ich meine Jahr so hoch geführet: will auch nunmehr bey dieser angenehmen Verharrung bleiben / so lang die Lebens-Göttin meinen Faden nicht reissen wird. Und werdet ihr euch vergebens bemühen / meinen Vorsatz mit euren Widerrath zu bestreiten / massen ich die Zeit meiner Tage mich nie vergnügter oder beseeligter befunden / als weil ich meine Sinnen von der Welt abgerichtet / und allein zu leben erwehlet. So seyt ihr gewiß / sprach Polyphilus schertzweiß /befreundet mit dem / von welchem ich unlängsten bey Dion im Hadriano gelesen / daß / nach dem er von den Regiments-Ehren entsetzet / in die wilde Felder vertrieben / und allda 7. Jahr lang verharret / nach seinem Tod / ihm dieses Innhalts eine Grab-Schrifft verfertigen lassen: Hier ligt der Wunder-Mann an diesem Ort begraben / Der vor so lange Zeit / nur sieben Jahr wolt haben / Die er mit Glück gelebt: An Jahren war er alt / Und lebte doch nicht lang: sturb der nicht gar zu bald? Aber / fuhr Polyphilus weiter fort / wem nutzet ihr in diesem euren Leben; werden auch andere zu euch heraus kommen / und Weißheit holen? Oder seyd ihr allein zu eurem Nutzen gebohren? Was frommet ihr euer Ehre und Nachruhm? Wird selbigen auch die Einöde erheben / oder werden ihn die unbezungte Felder besingen? Vielleicht folget ihr denen einsamen Schwanen / mit welchen (wann die Freyheit der Poeten / nicht etwa ein Gedicht / vor Warheit verkauffet) einsmals die Gesellschafft-liebende Schwalben ein Gefechte angefangen / und ihnen aufgeruckt / daß sie vor den Menschen jederzeit furchtsame Flucht nehmen / und ihrem Schutz sich nicht vertraueten / auch ihre lieb-singende Stimme denen menschlichen Ohren nicht vergönneten: sondern / als die Einsame / fort und fort nur in den Wiesen / Flüssen / Wäldern und Feldern allein lebten / auch gar wenig / und nur vor sich selbst sängen / gleich als schämeten sie sich ihrer röchlenden Stimme: Da hingegen sie in den Städten /Stuben und Kammern / bey den Menschen frey und sicher girren und kirren dörfften / und alles ihr Thun und Verrichtung erzehlen. Welchem Geschwätz die Ruh-begierige Schwanen mit diesen Worten geantwortet: Unsre belobte und beliebte Gesänge zu hören / kommen wol gar die begierige Menschen in unsre Einöde / und verlassen die Stadt: Ihr aber seyd den Leuten auch in ihrem Zelt und Gebäu beschwerlich / und könnet euer unnötiges Schwatzen nit lassen / ob euch noch einmal die Zung beschnitten wäre. Gebet ihr mir auch die Antwort / mein Philomathe! und seyd ihr so gesinnet / will ich euch / mit meinen widrigen Reden / nicht länger verdrießlich seyn. Dieser Schertz / wiewol er den Philomathum zum Lachen bewegte / mochte doch nicht so höflich vorgebracht seyn / daß er nicht deßwegen Polyphilum straffte / und zu vernehmen gab / wann man von ernstlichen Dingen rede / solle man anderer vergeblichen Unnötigkeiten vergessen: Wäre also sein Begehren / so er ferner einen Einwurff thun wolle / die Einsamkeit zu bestraffen / soll er die noch übrige kurtze Zeit nicht mit andern unnützem Geschwätz verderben. Polyphilus merckte wol / daß dieser Eyfer nirgend anders herrühre / als aus der Scham / die daher erwachsen / daß er ihm auf seine Gründ nicht antworten können / und hätte solches gern erinnert: aber die gebührende Schamhafftigkeit hielt ihn im Zaum / darum er in folgende Wort heraus brach: Der Einwurff / so noch übrig / ist dieser / daß ich alles / was ihr auf eure Person ziehet / gern zugebe / und gestehe / daß einem Kunst-sinnendem nichts bequemers / als die einsame Oerter; auch liebe ich in diesem Lieben selbst dieselbe: Aber wie werdet ihr / auf solche Art / die Tugend-Göttin dieser Insul / und ihren Vorsatz / der Anklag befreyen? So viel hab ich doch mit meinen Gründen erwiesen / daß sie unbillich und wider die Tugend handele / in dem sie die Einsamkeit erwählet. Und wolt ihr / Philomathe! sie schützen / müsset ihr mir auf das antworten / was ich euch zu allererst entgegen gesetzet. Gar wol / sagte Philomathus / dann das ihr / Polyphile! gesagt / von der Vorsehung des Schöpffers / ist solches nicht überall gleichgültig / sondern nach Gelegenheit der Zeit und Ort zu ändern. Mit nichten /versetzte Polyphilus dawider / Gottes Schluß bleibet /wie er ist / daß er aber / durch den Widerwillen der Menschen / offt nicht vollbracht / sondern verhindert wird / das ist eben menschlicher Widerwille / der mehr zu schelten / als zu loben. Und daß wir dessen nicht mehr gedencken / was saget ihr von der Hertzens-Betrübnüs / welche eine Ursacherin ist der Einsamkeit / und endlich in eine Verzweifflung stürtzet? Philomathus antwortete: das sey ferne von unserer Göttin! Ja! sagte Polyphilus / so sey auch ferne von ihr die verführende und betrübte Einsamkeit. Und /fuhr er weiter fort / was sagt ihr zu dem / daß ich diß Gefängnüs einen Fecht-Platz der höllischen Geister genennet? Dieses brauchet einen grossen Beweiß /gab Philomathus zur Antwort: und Polyphilus: Nicht so groß / als ihr vermeynet. Möchtet ihr ein wenig in die alten Historien gehen / und euch eines und andern besinnen / würdet ihr die Warheit mit Händen greiffen. Soll ich euch nochmal in das Buch der Offenbahrung führen / so gedencket an die Mutter aller Sterblichen: Wäre Eva nicht allein gewesen / wäre sie nicht von dem Höll Geist verführet worden. Was soll ich von Loth sagen? da er allein war / beschlief er seine Töchter. Was vom Aaron? da er allein war / richtete er das güldene Kalb auf. Was von David? da er allein war / gewann er die Bathseba lieb. Was vom Saul? da er allein war / plagte ihn der Geist; und noch andere mehr / die nur zu erwehnen / euer selber Wissen und Besinnen Verbot gibt. Meynet ihr aber / daß eure Göttin / welche gleichwol auch menschlichen Schwachheiten unterworffen / von dem befreyet? Ich zweiffle sehr. Was wird mir zur Antwort werden /wegen der gebührenden Hülff / so ein Mensch dem andern schuldig? Wer allein ist / wie wird er andern helffen? wie wird ihm von andern geholffen werden? Ein Wandersmann / wann er allein ist / irret leicht /und fället den Mördern in die Händ / dieweil ihm keiner den Weg zeiget. Das ist wunderlich geschlossen / fieng Philomathus an / und schicket sich nichts weniger auf unsre Göttin. Ihre Einsamkeit müsset ihr nicht so deuten / als wann sie von allen verlassen / sich zu keinem Menschen geselle: Nein / das Gelübd gehet bloß auf den Vorsatz /der unverehlichten Glückseeligkeit / welche sie geredt / und zu halten gesinnet. Ist eben recht / sagte Polyphilus / wird dem nicht geholffen / der allein ist /von einem fremden oder sonst unvertrauten Freund: So wird auch dem nicht geholffen / der allein ist /ohne dem Vertrauten / von seinem vertrauten Freunde. Was ist das geredt? fragte Philomathus: dem Polyphilus antwortete: Die Meynung ist diß / je lieber und näher mir einer ist / je fleissiger und getreuer ist er. Ein Getreuer aber hilfft mit seiner Treu: Der mir aber nicht verbunden / verlässt mich gar. Fällt nun der so keinen Vertrauten hat / wer wird ihm helffen? Der sich aber seines Erwählten getrösten kan / weiß wieder aufzustehen. Weißlich hat daher geredt der Weiseste unter der Sonnen / wann er gesprochen: Es ist je besser zwey denn eines / denn sie geniessen doch ihrer Arbeit wol. Fället ihrer einer / so hilfft ihm sein Gesell auf. Wehe dem! der allein ist; wann er fällt / so ist kein ander da / der ihm aufhelffe. Auch / wenn zwey beyeinander liegen / wärmen sie sich; wie kan ein einzeler warm werden? Einer mag überwältiget werden / aber zween mögen widerstehen; denn eine dreyfache Schnur reisset nicht leicht entzwey. So hat der weise Salomon geschrieben: Was saget ihr darzu? 4. Absatz Vierter Absatz Beschreibet den Abschied Philomathi / mit Versprechung der Wiederkehr / welcher / durch den Vorwitz Polyphili / vergebens wart / der ihn / Polyphilum / mit Lebens-Noth / weit von dannen geführt: Lehret / wie wir unser Glück offt selber muthwillig verschertzen. Philomathus hätte gern geantwortet / aber es begunten sich allgemählig die Strahlen der Sonnen hinter die Berge zu verstecken / und warff die einfallende Nacht ihren Schatten zusehens herein: Derentwegen Philomathus stillschweigen / die grünen Matten verlassen /wieder zu Hause kehren / und von dem Polyphilo Urlaub nehmen muste: doch mit dem Vorbehalten / daß /so bald der morgende Tag diesen Nacht-Teppich wiederum aufdecken würde / wolle er / um ihr angenehmes Gespräch zu vollführen / sich wiederum an diesem Ort antreffen lassen / und ihm / dem Polyphilo /nicht nur gnügliche Antwort / auf seine gethane Einwürff; sondern auch von dieser Insul / und deren Innwohnern / sonderlich aber von der Tugend-Göttin /mehrern Bericht ertheilen. Polyphilus bedanckte sich garschön / nicht nur wegen der schon-erwiesenen Dienstfertigkeit: sondern auch des beschehenen Versprechens / mit Erbietung /daß er solchen erwünschten und verlangten Gefallen zum Pfand Gunst-geneigter Gewogenheit annehmen /auch mit aller seiner / zwar geringen / doch so willig-als schuldigen Dienst-Vermögenheit wieder ersetzen wolle. Und damit hiessen sie beyde einander wol ruhen. Philomathus suchte seine Insul: Polyphilus aber voller Verlangen / und begierig dasselbe / wovon er zu seiner Betrübnüs gehöret / zu erlangen / kondte nicht den geringsten Schlaff annehmen: Darum er sich / Zeit und Weil zu kürtzen / auch die eingeschlichene Melancholey zu vertreiben / wiederum zu Schiff setzte / in willens / diesen Peneus-Strand völliger zu besehen / und aller Orten seine Beschaffenheit zu erkundigen / auch wo müglich / in die Insul selber zu gelangen: Welch sein Vornehmen dann nicht wenig stärckete / daß die funcklende Nacht-Fackeln / mit samt Cynthia / ihr Silber-Liecht aufgestecket / und die umschattete Finsternüs aller Orten erhellet / daß es sich mehrentheils einem liechten Tag gleichete: Aber alles zu seinem grossen Unglück! Dann / so bald der arme Polyphilus in die höhe gefahren / verlohr er alles Liecht / spürete rauhe Winde / dicke Finsternüs / aufgelauffene Wellen / und das alles in einem Augenblick / so gar / daß er nicht anders klagen kondte / als das gantze Gestirn hätte sich / mit denen Elementen /ihn zu verderben / verschworen. Und ob er wol mit halb-nächtiger Arbeit / und mühsamen Beginnen /sein / von dem Wellenwerffenden Strom / schon halb-ertödtes Leben / endlich errettete: wurde er dennoch /durch der Winde grausames Brausen / mit seiner tieffsten Bestürtzung / nicht nur von dem beliebigen Peneus-Strand / in einen andern gleich unbekandten / ja auch viel unangenehmern Strom verleitet; sondern auch so ferne geführet / daß alle Arbeit und Kräffte vergebens angewendet scheineten / wann er seine vorige Freuden-Geniessung wieder suchen / und / an dem bestimmten Ort / von Philomatho fernern Bericht haben wolte. Doch dennoch / ob die blosse Unmüglichkeit an der hellen Sonnen war / wolte gleichwol Polyphilus /durch seine erhitzte Begierde und Großmütigkeit des Hertzens / anheut erweisen / daß nichts so schwer und gewaltig sey / welches nicht von unnachlässigem Fleiß / und List-erfundenen Räncken überwältiget werden köndte. Darum er mit Fuß und Händen / auch über sein Vermögen / wider die Winde zu segeln / die auflauffende Wellen zu bestürmen / und an seine verlorne Lust-Insul wieder anzuländen arbeitete: hätte auch bey nahe die Zeit getroffen / wann nicht selbst sein Trotz-begieriger Vorsatz / den Zorn der tollen Wellen / und Grimm der wilden Fluthen immer mehr ereyfert und erhitzet hätte. Philomathum hatte sein höfliches Versprechen zu ernandter Zeit wieder zu ruck bracht: aber Polyphilum hielt / theils seine Vermessenheit / theils der unnötige Vorwitz / gefangen. Und wie es gemeiniglich zu geschehen pflegt / wo gestern das wankende Glück / mit lachenden Geberden / gespielet / da ziehet es heut /mit voller Grimmigkeit den Gewinn heim: Also muste Polyphilus zum Spiel-Raub werden / und dem verbosten Neid / des widerwertigen Glücks / ein erbärmliches Schau-Spiel anstellen / mit seiner unglückhafften Schiffart. Dann bald ließ es ihm / als aus mitleidender Erbarmung / die verlangende Peneusische Wasserwogen / von dem erhöheten Fluß / in der ferne / sehen: hielt ihn aber dabey / daß er nichts dann die Augen /und diß zwar nur mit Betrübnüs / weiden kondte. Bald gebot es einem wolfügigem Westen / daß er ihn und seine Segel gar auf den ernanten Fluß führete / so gar / daß er / aber mit grossem Hertzenleid / der hefftig-begehrten Insul ansichtig wurde: hielt ihn doch dabey / daß er nicht erlangen kondte / was ihm seine Augen zu erlangen müglich / vorbildeten. Endlich kam er durch des falsch-gewogenen Glücks Regierung so weit / daß er den erwünschten Philomathum / wiewol mit Forcht und Schrecken / ersiehet / und nun gedencket / sein Verlangen zu ergäntzen: Aber es ergriff ihn ein gestrenger Sturm / durch dessen Widerwertigkeit / er in dem feindlichen Gewitter / dermassen verworffen wurde / daß er nicht nur die Insul und Philomathum; sondern so gar auch sein Schiff verlohr /weil es unter ihm zerschmettert / Polyphilo / der mit Wellen bedeckt wurde / den Tod ansagte. Was thut aber die gütige Vorsehung des Himmels? Ob Polyphilus nicht wuste / wie ihm geschehen / und wo er hinkommen; bleibt er dennoch fest auf einem Schiff-Balcken / darauf er sein so scheinendes noch kurtzes Leben erhielt / auch aller andern Gedancken vergessend / einig sich dahin bearbeitete / wie er / selbiges folgend zu erhalten / ans Land gelangen möchte. Alle arbeit aber war umsonst / und mochte nichts helffen / daß er nicht / den gantzen folgenden Tag durch / (da ich leicht glaube / daß selbsten das Unglück die Sonne aufgestecket / und die Widerwertigkeit das Liecht leuchten lassen /) in Wasser- und Wellen-Gefahr schweben / und gleichsam ertödtet leben muste: biß er endlich durch die mitleydige Hand der Unsterblichen errettet / wieder zu Land kommen / und an einen zwar sichern Port anlendete / aber der bey weitem der Insul Soletten / und deren vermehrten Wald- Feld- und Berg-Freuden nicht zu vergleichen. Wie schmertzhafft damals seinen Sinnen muß gewesen seyn / kan ein jeder leicht gedencken. Nun /dachte er / ist alles verlohren: nun sehe ich Philomathum nicht wieder: wie dann auch geschehen. Er hebte an / sein Unglück zu beklagen / seine Betrübnüs zu beweinen / seine Schmertzen zu beseufftzen; auch vor grossem Unmuth diese rasende Winde und ergrimmte Wellen / die ihm alles Glück und Nutz-bringende Freude erträncket / durch des Himmels Verderben zu verfluchen. Doch halff es alles nicht / er muste sich in seinem Elend zu frieden geben / und dancken / daß er sein Leben errettet / und wieder auf ein trucknes Land kommen. Da wir Polyphilum eine weil ruhen lassen /und sehen / was Philomathus gethan. 5. Absatz Fünffter Absatz Beschreibet das Unglück Philomathi / dessen Traum und Tod: Lehret / zu Seiten Polyphili / wie gemeiniglich / bey grossem Glück / gleiches Unglück erwachse; Zu Seiten Philomathi / wie heimliche Mißhandlung / von dem Himmel / öffentlich gestraffet werde. Dieser ist / wie wir oben gehört / seinem Versprechen gehorsam / zu bestellter Zeit / und am besagten Ort erschienen / wol versehen und bereit / mit Polyphilo von allerhand denck- und redwürdigen Dingen sich zu besprechen / wann nicht das feindseelige Glück ihre Kugel gedrehet / und eine Hertz-drückende Traurigkeit / zu dessen Verhinderung / gesetzt hätte. Er erwartete des Polyphili inständig / und solches um desto mehr / weil ihm die Ursach seiner Abwesenheit nicht bekandt war. So mochte er auch nicht erfinden / was ihn von dannen weggeführet / oder wohin er sich gewendet. Bald hebte er seine scharff-stralende Augen gen Auf- bald gen Niedergang dieses Flusses / kondte aber sein Warten nicht erwarten. Dieses zwar kunte er leicht schliessen / daß / wie er vernommen / Polyphilus sey ein Jüngling / der viel zu sehen und zu erfahren verlange / als werd er sich dem Wasser vertrauet /und / um ein und anders zu erforschen / weiters geschiffet seyn: Doch / gedacht er im Gegentheil / weiß ich auch / daß er so verständig / ja! so höflich und bescheiden / daß er mich / der ich / wie er weiß / sein bestes müglichsten Fleisses suche / nicht ohne gnugsame Ursach / wird verlassen / oder vergeblich heraus beschieden haben / wann er nicht gewiß wäre entschlossen gewest / gestriges beyden Theilen wolgefälliges Gespräch / anheut / mit gutem Willen und bessern Nutzen / fort zu setzen. Deßwegen er dann noch immer in dem festen Vertrauen ruhete / er werde sich bald einstellen. In dem sich aber Philomathus mit vergeblicher Hoffnung tröstet / auch solche fester zu gründen / sich an den Ort / der sie den vorigen Tag beyde in den Schoß gehalten / mit langweiligen Gedancken nidersetzet / überfällt ihn der süsse Zwang der Ruhe / welche er auch / als einen mächtigen Sorgen-Zwinger / und lebhaffte Cur / für traurhaffte Sinnen / mit fröligem Empfahen / aufnimmt. Aber / O Unglück! nicht so bald hatte der geschwinde Schlaf /seine Augen-Lieder mit verstolener Hand zugeschlossen: das nicht allbereit der viel-deutende Morpheus das liechte Sternen-Thor / dem von Sorgen wachenden Hertzen eröffnete / und ihm viel hundert Traum-und Schatten-Bilder vorstellete. Anderer zugeschweigen / deren keines doch / so viel wir Menschen von ungewissen Sachen urtheilen können / einen Lust- Weg führete / war dieses das allerschröcklichste / daß er Polyphilum ihm zu wider: sich aber selber dem Polyphilo alles böses würckend / erkennte / und das auf solche Art / als wann er / Philomathus / dem Polyphilo / seinem hertzlich geliebten Freund / mit einem Schermesser das Leben zu nehmen; Polyphilus aber /sich davon zu erretten / mit einem scharff-schneidigen Dolchen auf ihn loß / und in den Wanst zu schneiden eilete: Welcher Schnitt dann so gefährlich / daß er das Hertz getroffen / und ihn / Philomathum / Seelen-loß zu seinen Füssen / auf den Boden nidergelegt. Durch welches Schatten-Werck Philomathus / so voller Schrecken / erwachet / als wanns in der Warheit geschehen wäre; auch ihm so fest eingebildet / daß er nicht gesäumet / nach der Wunden zu greiffen / (welches fast lächerlich zu sagen und zu glauben) und ob ihm der Lügen-Mahler / auch Warheit vorgebildet hätte / zu forschen. Leichtlich war nun dieses zwar widerleget / weil die Erfahrung selbst ein Widriges zeugete; doch dennoch vermochte diß trügliche Bild so viel / daß Philomathus von stund an heim / und von dannen eilete /aus Furcht / es möchte ihm sein Traum / ehe er sichs versehe / erfüllet werden. Wie aber das Glück gemeiniglich zu spielen pflegt / daß / wer seine Tropffen fliehet / müsse gar in seiner Tieffe ersauffen / so ists auch dem guten Philomatho ergangen. Dann so bald er sich in seinen Nachen setzet / und der Insul Soletten zueilet / wird er von so viel tausend widerwertigen Gedancken / die theils durch Furcht / theils durch Mißtrauen / ernehret und gemehret wurden / dergestalt umringet / daß zehen Gifft-verderbende Dolchen /durch Polyphili Faust geführet / ihn nicht so hart und hertzlich hätten verwunden können / oder sein Leben ermorden / als ers ihm selber / durch Kummer und beängstigte Verzweifflung abnagete. Die Ursach dessen werden wir jetzt vernehmen. Damals / als Polyphilus von dem ungestümmen Meer so hefftig bedränget wurde / reisete ein fremder Ritter / Namens Pistimorus / an dem Ufer desselben vorbey / und hörete sein jämmerlich Klagen / auch /ohne Errettung / Hülff-schreyendes ächtzen / mit nicht geringer Betrübnis an: wurde auch unter andern sonderlich dieser Wort verständiget: Philomathe / Philomathe! was thust du? kan ichs dann / wegen meiner widerwilligen Abwesenheit nicht vergelten / so gebe dir der Himmel deinen Lohn. Solette / du schönste der Jusuln / verrichte an meiner statt / was ich nicht verrichten kan. Dieser / als Frembdling / wuste nicht /was das bedeuten solt / doch in Ansehung der vor Augen schwebenden Todes-Noht / kont er ihm kein andere Gedancken machen / als Philomathus habe diesem Nohtleidendem solch Bedrangnus zugerichtet /und fordere selbiger / mit diesen Worten / die Rach. Erinnert sich derowegen alsobald seiner Pflicht / die er dem ritterlichen Orden zu halten schuldig / (dann er Polyphilum auch vor einen Ritter hielt /) beschleust bey sich / auf Soletten zu zugehen / und den Tod / des nunmehr / von den Wellen / aus seinen Augen / weggerafften Ritters zu rächen / weil er ihn ja nicht von dem Untergang / ohne gleiche Lebens-Gefahr / erretten können. Was geschicht? Mord und Todschlag war die tägliche Speise seines Hertzens / und so lange /biß er gen Soletten gelangete / da er dann alsobald dem Philomatho nachfragte / und die Rach zu üben Gelegenheit suchte. Nun erkenne ein jeder / was vor Gifft / das boßhafftige Glück / denen einschencke / die ihm widerstreben / und den Tugenden nachgehen. Zu nächst an dem Hause / darinnen Philomathus / mit kümmerlicher Forcht / sein noch geringes Leben kürtzete / nam dieser Ritter seinen Einzug / nicht wissend / daß er so nahe sey bey dem / dessen unschuldiges Blut / seine verdamte Pflicht vergiessen / und seine Hände besudeln würden. Das erste / nach dem er fragte / war Philomathus / darauf er auch alsobald richtige Antwort /aber auch zugleich Gelegenheit zu grossem Unglück /erhielt. Dann / weil er so fleissig nach Philomatho fragte: wie er bißher gelebt? was man von ihm hielt? ob ihm neulichst nichts neues widerfahren? und so fort: gab der einfältige Haußwirth / Namens Amichanus / der ihm nichts Böses einbildete / alsobald / und von allem / völligen Bericht; so gar / daß er ihm auch erzehlte / wie vor wenig Tagen / der gute ehrliche (so waren des Haußwirths Wort) Philomathus / ausser der Insul / an dem Ufer / einen frembden Jüngling / Namens Polyphilum / angetroffen / selbigen dermassen viel vertrauet / daß ihm anjetzo gereue / und er sich deßwegen fast zu todt kräncke: wiewol andere sagen wolten / Er / Philomathus / hätte Noth erlitten / und habe Polyphilus gewaltige Hand an ihn geleget / daß sich Philomathus kaum mit dem kleinen Nachen salviret / ihm entrissen / und also mit solchem Schrecken herein gefahren / der ihn noch / biß auf diese Stund /kräncke / auch wol gar ins Grab legen werde. Doch /fuhr er weiter fort / sind in diesem die Sagen der Gemeine auch nicht allerdings eins: weil andere wollen /entweder Polyphilus / habe dem Philomatho Geld entführet / oder dieser habe jenen / aus erheblicher schändlicher Ursach / verjaget / auch wol gar getödtet; weil er / Polyphilus / ohne einiges Wissen oder Nachrichtung von hinnen geschieden; und wenn man deßwegen den Philomathum bespreche / sey / sein nicht Wissen / die Antwort: Doch schliesse der meiste Theil aus seinem / biß daher geführten / sorglichen Leben / es müsse nicht allerdings / nach dem Recht der Liebe und Tugend ergangen seyn. Dem Ritter fielen diese Wort / wie lauter Donner- Keil / ins Hertz; bevorab / wann er das klägliche Geschrey Polyphili / neben der Rach-Begier / die er der Insul heimgestellet / bey sich behertzigte. Und obwoln Polyphili Wort so gestalt waren / daß sie viel ehe vor Klag-Wort angesehen; als zur Rach kondten ausgeleget werden: (wie sie dann auch in Warheit nichts anders waren / als hertzliche Senfftzer / die er seinem vertrauten Philomatho zuschickte / und dessen unverhoffte Abwesenheit betraurte) mochte doch der blut-durstige Argwohn und mord-gierige Eyfer / welcher das Hertz dieses frembden Ritters schon längsten besessen / ihm nicht benommen / sondern durch solche Erzehlung immer mehr und mehr gestärcket werden: biß endlich das mord-geneigte Unglück Zeit und Gelegenheit genug an die Hand gab / solche Blut-triefende Gedancken / im Werck zu vollbringen. Wie dann die folgende Nacht / als offt ernannter Ritter sich zur Ruh begeben wolte / und in eine Kammer geführet wurde / welche von deren / darinnen Philomathus seinen Schlaf genommen / durch eine löcherichte baufällige Wand unterschieden war / allerdings geschehen. Dann / da es fast zu Mitternacht war / und Philomatus mit Pistimoro / zu ihrer beyder grossen Unglück / erwachte / fieng Philomathus / seiner Gewonheit nach /mit folgenden Worten / und tief-geholten Senfftzern sich hefftig an zu beklagen / sagende: Ich elender / ich kummerhaffter / ich verderbter Philomathus / was bin ich zu Verlängerung meines Elends noch übrig! warum hat mich nicht mit Polyphilo / meinem Vertrauten / der Mord-Geist weggerissen / an dessen Tod / so er todt ist / ich einig schuldig; so er aber noch übrig / und im Elend / oder der Irre gehet / ich nimmermehr ein ruhig Gewissen / oder einigen freudigen Geist behalten kan! Auf welche Grimm-erweckende Wort Pistimorus / welcher dieselbe alle deutlich vernehmen konte / so entrüstet war / daß er /gleich einer tollen Furien / die Wand einstieß / mit seinem scharff-gespitzten Dolchen auf ihn zurennete /und / ach! das unschuldige Blut / wider Verdienst und Hoffen / durch seine Händ verschüttete / und den Traum Philomathi / an Polyphili statt / erfüllete. Wie aber auf böse That die Reu / und nach dieser der Plag-Teufel / des sich selbst verdammenden Gewissens / nicht ausbleibet; dieses aber / aus Forcht der verdienten Straf / aller Orten flüchtig gehet / und Menschen-Gesellschafft meydet: Also flohe auch Pistimorus / mit dem noch Blut-rauchenden Dolchen /so eilig er mochte / hinweg / und mit solchem Glück /daß / wann er die Strick des bösen Gewissens / mit gleichfertiger Behendigkeit / fliehen könte; als er den Menschen-Händen entgangen / er sich freylich für nicht unglücklich zu schätzen hätte: alldieweil keiner / derer Innwohner / den Thäter anders erfahren /als daß sie ihn verlohren / und nach dem nicht wieder um gesehen. Was vor Schrecken und Entsetzen / denen Innwohnern dieser Insul / über solchen unverhofften Todes-Fall / ankommen; weil es hieher nicht viel dienet /auch die Geschichts-Beschreibung / nur mit überflüssiger Unnötigkeit / vermehret; wollen wirs einem jeden zu bedencken heimstellen / und nur dieses hinzu setzen: daß der entleibte Cörper Philomathi / mit gebührender Beyklag / sey der Erden wiedergeben worden / die ihn vor ohngefehr 40. Jahren gegeben hatte. Das war die gröste Klag / daß keiner gewiß wissen konte / aus was Ursachen dieser Mord geschehen; weil sie ihnen nicht einbilden kondten / daß ein Fremder und Unbekandter solche Thaten / ohne sonderbare Erheblichkeit / vollbringen solte: sonderlich machte das ein grosses Nachdencken bey männiglich / daß der Ritter / so streng und genau / nach ihm gefraget. 6. Absatz Sechster Absatz Beschreibet den Zustand Polyphili / in der verwilderten Einsamkeit / und wie er den Verlust der Insul Soletten hinwieder bereichert: Lehret / daß wir Tugend / mit Müh / gewinnen müssen. So schlaffe nun Philomathus in seiner seeligen Ruh. Wir kommen wieder zum Polyphilo / welcher / nach dem er / wie oben gedacht / an dem damahls erlangten sichern Port ausgestiegen / die Zeit mit allerhand betrübten Gedancken zugebracht / sonderlich da ihm sein Hertz in einer steten Creutz-Presse gedrucket worden; meines Erachtens / weil der Tod Philomathi ihn unwissend gepeiniget. Sein härtestes Anligen war / daß er nicht nach dem Namen der vortrefflichen weiblichen Vollkommenheit geforschet / davon ihm Philomathus so viel wunder-herrliche Ding erzehlet / und / daß sie vor eine Göttin / von denen Solettischen Inwohnern / gehalten werde / bekräfftiget. Tag und Nacht war dieses sein Sinen und Gedencken / wie er der Glückseeligkeit theilhafftig würde / die Insul Soletten / und darinnen seinen allerliebsten Philomathum wieder zu sehen. So viel er aber der darzu behülfflichen Anschläg machte /gleich so viel / ja noch vielmal mehr verdrüßliche Verhindernüssen legte das widerige Glück in den Weg / die dem Polyphilo den Paß verhaueten. Unter andern war diese nicht die geringste / daß / weil er durch das blinde Glück / an diesen Ort geführet worden / und so viel todt-vergifftete Gefahren ausstehen müssen / er nicht nur der Vorsehung des geneigten Himmels / sondern auch sich selbsten zuwider handeln würde / wann er die Gelegenheit dieses Orts nicht auch besehen solte; Deßwegen er dann seinem Glück zu folgen entschlossen / auch dieses Land durcheilete / und dessen Beschaffenheit erkündigte. Es war ein ungleicher Boden / an hoch-erhabenen Bergen / jähen Klippen / dicken Wäldern / hochgespitzten Eich-Bäumen / springenden Brunnen / Felsen-rinnenden Wassern / getiefften Berg-Hölen / und sumpffigten Morasten / so bereichert / daß Polyphilus leicht verstehen kundte / es sey allhier mehr eine unbewohnte Wildnüs / als ein Wohn-Hauß menschlicher Gesellschafft zu finden. Doch weil ihm dieser Anblick nicht übel gefiel / bevor weil er ein Liebhabber der begünten Wald-Freude war / setzte er sich an eine sonderlich-erhöhte Steinklippe / von dannen er über Wald und Feld schauen / und die Wunder Gottes wol behertzigen kondte. Die Gelegenheit dieses Orts / und dann die jetzige Beschaffenheit seiner eigenen Person / vermochte ihn leicht an sein / vor dem / mit ruhiger Zufriedenheit /geführtes Schäfer-Leben / dann auch die Rede erinneren / die Philomathus von der Einsamkeit der Solettischen Göttin gethan / und wie jener solch ihr Fürnehmen verthediget / er hingegen bestritten. Und weil er sich / durch eigene Erfahrung / überwunden befand /fieng er an / sein Vornehmen zu bereuen / und seinen Schäfer-stock wiederum zu verlangen. Ach! sagte er /wie hab ich mich die Macht der Begierde so sehr blenden lassen / daß ich die vergnügte Ruh meines Hirten-Lebens / mit der widerwertigen Unruh / in Gesellschafft frembder Völcker / abgewechselt. War ich nicht sicher / in meiner Hütten? vergnügt mit meiner Heerde; seelig in meinen Lust-Gründen frölich bey Gesellschafft der Hirten; frey in den einsamen Feldern; ruhig bey fetter Weyde / und ohne Verfolgung des widerspenstigen Glücks muthig? Was hab ich nun? Verlust an Sicherheit / Mangel an Vergnügung /Betrübnüs an statt der Freude / ein Gefängnüs der Freyheit / Zerstöhrung der Ruhe / und Schaden an allem / was mir / in meinem Hirten-Orden / tausendfältigen Nutzen schaffte. O edles Schäfer-Leben! was hat mich dir entnommen? Die Hoheit / welche sich auf die Begierde zu Kunst und Tugend gründet / ist zwar lobens werth: aber nicht zu lieben. Die Hoheit giebet mir diesen Felß in einer einsamen Wildnüs; Die Tugend-betrübte Gedancken in dem Gefängnüs der Traurigkeit; Die Kunst schencket dem Verlangen einen kläglichen Verlust: daß ich zu frieden wäre /wann mich der Himmel meiner Heerde / mir aber meinen Schäfer stab wieder zugeben würdigte. Folget ihr / die ihr Kunst suchet / eurem Verlangen! mir ist die Bahn zu dornicht. Suchet ihr / die ihr der Tugend folget / eure Zufriedenheit! ich nehme meinen Schäfer-Stecken / und folge meiner Heerde. Ach! aber was sag ich? wie folge ich? die Kunst hat mich verleitet /daß ich nicht mehr folge; die Tugend abgewendet /daß ich nicht mehr folgen kan. Das ist die Strafe der Verlassung / ich habe verachtet / was ich nun nicht haben kan. Warum hielt ich meinen Hirten-Stand so gering / solt ich nicht auch in demselben Künste lernen und Tugenden üben können? Woher sind dann die gelehrte Schäfer? von wannen die Tugend-geehrte Hirten? hat sich der grosse Heerden-Hüter Pan selbsten / und andere derer von den Heyden geehrten Götter mehr / diesen Namen zu führen / geschämet? Was hat Käiser / Könige und andere hohe Personen gezwungen / sich unter die Zahl der Schäfer zu wehlen? ja! was beweget die Kunst-gelehrte und Tugend-geübte ihren Namen dem Schäfer-Register einzuverleiben /so offt sie etwas sinnliches und vortreffliches reden oder schreiben wollen? ich halte / ein gelehrter Schäfer sey höher zu achten / als der Kunst und Tugend in Gesellschafft der Fremden suchet / etc. In diesen Gedancken enthielt sich der verkehrte Schäfer wie lang /gleich als zu seiner Bekehrung: Wann er aber im Gegentheil den Ruhm der Solettischen Kunst-Göttin bey sich überlegte / war ihm alles das / was von Schäfferey ihm beyfiel / Gallen-bitter / so / daß er dennoch seinen Vorsatz rühmen / und demselben zu folgen sich überreden muste. Da fieng er an / die Kunst zu verachten / die in einem geringen Stande leuchte. Die Tugend dorfft er selber verringern / die einen Schäfer zum Wohnhauß erwehlet. Am meisten aber verführete ihn die gegenwertige betrübte Einsamkeit / die ihm auch die sonst angenehme Schäfer-Ruhe dermasfen verhasset machte / daß er dennoch seinen Schluß zu behaupten / und dem Philomatho zu widerstreben /seinen Griffel zur Hand nahm / und nachgesetzte Verse / auf die bey sich führende Tafel / übersetzte /aber auch zugleich seinem Schäfer-Leben gute Nacht sagte. Das war der angenehme Streit an jenem Peneus-Strande; der damals Freud: jetzt aber Leid erwecket; Schad und Schande: weil ich verlohren den Gewinn / den ich zu holen kommen bin. Die Einsamkeit war mir verhasst; die ich doch jetzt muß lieben: bey Tag ohn Ruh / bey Nacht ohn Rast / mit schmertzlichem Betrüben. Er / der mein Freund / gab den Bescheid / daß er erwähl die Einsamkeit. Nicht Er allein; die Göttin mit Gesellschafft war verachtet; ihr Dencken / Thun und alle Tritt / ihr Reden dahin trachtet: daß die betrübte Einsamkeit erfreuen möge ihre Zeit. Was aber solt vor Freude seyn / wo selbst das Leid sich nehret? verdunckelt wird der Glückes Schein / wann Freude wird verzehret: Es fället alles / was erfreut / durch die betrübte Einsamkeit. Ich selbsten spür es jetzt an mir / wollt ich es sonst nicht glauben: weil ich von Hertzen gerne dir / Philomathe! ließ rauben / als dein Begehr / und meinen Scheu / die Einsamkeit / wie schön sie sey. Ich finde doch nicht / das gefällt / noch das mich könnt ergötzen: drum ich Gesellschafft dieser Welt / mit Recht / kan höher schätzen / als alles Leid / in Einsamkeit / als Einsamkeit / in allem Leid. Kein Rath ist hier / hier ist kein Werck / kein Trost und kein Erretter / Verzweifflung übet ihre Stärck / durch Unglücks-Sturm und Wetter: Wer einsam steht / kan nicht bestehn / wann solche trübe Winde wehn. Drum weg mit aller Einsamkeit / Philomathus / den Lieben / tilgt alles Leid / erwecket Freud / beglücket das Betrüben: Ach! wär ich / Liebster! nur bey dir / nichts wäre dann verdrüßlich mir. Nun aber muß ich meine Zeit / mit Kümmernüs / zubringen / und in verhasster Einsamkeit / mit Leid und Trauren / singen: daß / des ich wolte leben frey / mir wider Willen kommen sey. Doch will ich seyn zu frieden so / und die Erlösung hoffen / die mich wird wieder machen froh / wann meinen Wunsch getroffen das Glück / daß ich dich wieder seh / Gott gebe / daß es bald gescheh! Diese und dergleichen Gedichte mehr / die er / von der Einsamkeit / in der Einsamkeit / verfertigte /machten ihm diesen wilden Ort so beliebt / daß er bey sich selbsten gedachte / möcht ich nur einige beliebte Gesellschafft antreffen / wolt ich diese Gegend so bald nicht gesegnen. Aber / was thut die Vorsehung des günstigen Himmels? Da Polyphilus noch weiter dichten will / und allererst / auf diesem Stein-felsichten Gipffel / seiner ruhigen Tag völliger geniessen /hebt er ohngefehr seine Augen / über den Wald / gen Mitternacht / und erblicket / zu seiner hertzlich-verlangten Erfreuung / sein vorgesetztes Ziel / die Insul Soletten / an dem klaren Peneus Strand. Befindet auch / wie er unverhindert / und zu Land / mit trucknem Fuß / an deren Gräntzen gelangen könne / und nunmehr das Götter-Bild der Vollkommenheiten /davon er ihm biß daher wol tausenderley Gedancken gemacht / selber persönlich sehen. Wer damals die Tausendfältigkeit seines erfreuten Hertzens / und das Lust-Spiel seiner Gedancken hätte aussprechen wollen / müste / in Warheit / mit mehr dann hundert Zungen von der Natur seyn bereichert gewesen / so gar war kein Sinn an ihm / der nicht lauter Süssigkeit würckete / lauter Zufriedenheit dichtete. Die stral-werffende Augen ergötzten sich allbereit in Hoffnung / das Tugend-beschönte Bild zu beschauen: die bißher verknüpffte Ohren hoffeten allbereit / durch die klugverständige Reden dieser Erd-Göttinnen / eröffnet / und von ihren Schloß erlediget zu werden. Die Hände freueten sich der Zeit / die sie so hoch erheben würde / daß sie in den Beschluß der Silber-weissen Arme / dieser Tugend-Docken / aufgenommen würden. Es erlustigte sich schon der Geruch / mit dem künfftigen Rosen-Lufft / welcher mit solcher Lieblichkeit / durch die brennende Rubinen / ihrer Honig versüßten Lippen wehen würde / daß / wann Libanus auch alle seine Krafft ausliesse / er dergleichen nicht vermöchte. Und was endlich die süß schmeckende Zunge betrifft / welche allbereit das unvergleichliche Himmel-Brod / mit dem Milch- und Honig-süssem Trauben-Safft / den ihre lieb-trieffende Tugend-Reben häuffig ergiessen / gekostet / war dieselbe um desto mehr befriediget / weil diese Lieblichkeit viel süsser als der Tranck / den sonst die Hebe schencket; weit-lieblicher / dann alle Süssigkeit / die Indien an ihrer Brust gesäuget. Mit einem Wort; weil Polyphilus Soletten siehet / siehet er genug / und verlanget nichts mehr / als völlig dieselbe zu besitzen. Die Brünstigkeit seines Verlangens und entzündete Begierde / mochte ihm leicht an statt eines schnell-erhitzten Pferdes seyn / das den Wind überholend / seinen Reuter fort rieß / und an das Ziel brachte: Doch gleichwol / weil die Reuterey zu Fuß geschehen muste / und der Weg sehr ungebahnt / voller Dornsträuch und Klippen / auch die Himmel-reichende Berge zu ersteigen / den Schweiß ausjagten; daß die Glieder freywillig gestehen musten / sie könten den Begierden des Gemüths nicht gleich lauffen; muste Polyphilus auch wider seinen Willen die gezwungene Ruhe annehmen / und in einer Baum-Höle zu schlaffen niederligen. Ohngefehr mochte er noch eine Tag-Reise biß zur Insul haben / so nahe hatte er sein Verlangen erfüllet /wann nicht Sylvanus / mit seinen muthwilligen Satyren / auch ihre Feindseeligkeit an ihm verübet / und den tief-schlaffenden / durch einen Raubbegierigen Löwen / in die Ferne wegtragen / und in eine Höle verbergen lassen. Der gnädige Himmels-Schutz muß den Grimm-fressenden Rachen zugesperret haben /daß nicht der Sinnlose Polyphilus / wider sein selber Wissen / verschlungen worden. Und obschon / wie sehr vermuthlich / dieser Löwen-Raub dem Polyphilo nicht wenig Anstossen wird verursachet haben / war doch die Müdigkeit der Glieder und des Hertzens so groß / daß er auch durch die allerschröcklichste Gefahr nicht kondte erwecket werden. Wiewol ich dem nicht geringen Glauben gebe / es sey durch die allwaltende Versehung / des dem Polyphilo gunst-gewogenen Himmels / geschehen; weiln / wie die Natur-Lehrer bezeugen / die Löwen-Art dieses sonderlich nut begreiffet / daß ihr Grimm / so ungezahmter auch sey / dennoch keinen / der unter der Morpheischen Herrschung gefangen liege / angreiffe / als gedächten sie / (wann ein wildes Thier anders gedencken kan) es wäre dieses entseelte und ohnkräfftige Fleisch ihrer Zertheilung nicht werth. Dem allen aber sey wie ihm wolle / so hatte vor dieses mal Polyphilus / vor die Gnaden-Errettung /seines Tod-gefährlichen Lebens / der geneigten Himmels-Gunst Ursach genug zu dancken: genug auch über das überstandene Unglück sich zu betrüben / als welcher nun abermal / an seinem Fürnehmen / verhindert / in der irrigen Wildnüs verführet / etwa noch den jungen Löwen / so bald er erwacht / zur Speise / oder sonst den wilden Thieren zum Opfer; dieser Wüsten aber / mehr als gewiß / zum ewigen Tod-Gefangenen werden müsse. Was wird er doch gedencken / wann er erwacht / wohin wird er sich wenden / wie wird er sich daher geführet erkennen: tausendfache Betrübnüs wird sein ermüdetes Hertz in die völlige Verzweifflung stürtzen / daß er den Tag / daran er diß Welt-Liecht gesehen / verfluchet. Zu dem allen komt noch über das / der erschröckliche Traum / welcher seine Sinnen besieget hatte. Dann da er / von dem Löwen geraubet / in die abscheulich-verfinsterte Gruben geschleppet wurde / erschreckete ihn auch inwendig der Geist Philomathi / mit seinem / durch den blutigen Dolch Polyphili / zerspaltenen Hertzen: und in dem er / voller Freuden / auf ihn zueilen wolte / und den Dolch heraus ziehen / muste er mit Betrübnüs er fahren / daß er vom Philomatho gautz feindseelig zu ruck gestossen / und ihm alle Schuld seines unverdienten Todes zugerechnet wurde. Mehr aber schmertzten ihn die Wort / welche der Geist Philomathi / durch einen feurigen Rachen / blitzen ließ: hör /verdammter Polyphile! wie du / durch einen frembden Ubelthäter / meine dir erwiesene Treu / mit meinem Blut bezahlet / so müssen dir diese gifft-gefüllte Schlangen hinwieder dein Leben fressen: und damit warff er aus seinem Busen / bey grosser Meng / in den Schoß Polyphili / die Gifft-aufgelauffene Schlangen /die ihm auf das Hertz / und in das zarte Gesicht / mit so grimmigen Wüten / sprungen / daß Polyphilus von dem grossen Schrecken erwachte. Was wirst du nun /unglückseliger Polyphile! gedencken? Forcht und Zittern / Schrecken und Betrübnüs solte ja freylich dein Hertz in mehr als tausend Stück zersplittern. Must du denn so viel leyden um die Insul Soletten / die du doch noch nicht kennest / ob sie dessen allen würdig ist. Vielleicht will es der Himmel nicht gestatten / daß du dieselbe völlig sehest / und hält dich / durch so mannigfaltige Verhinderung und Widerwärtigkeit /davon zu ruck. Meynest du / daß dieses alles ohngefehr geschehe? Nein / ich glaube vor gewiß / daß /weil du des Himmels Verbot so halßstarrig bestreitest / er dir die Straf zuschicke / damit dir zu erweisen / wie der Sterblichen Macht so gar nicht gegen der Himmel Kräffte bestehen könne. Darum laß ab von deinem Vornehmen / erwähle einen andern Weg / der dir zuträglicher / und von dem Himmel beglückter sey. Diß waren gerad Polyphili Gedancken / so bald er erwachte / der schmertz-brechende Angst-Schweiß ergoß sich durch die zarte Glieder / ja / den gantzen Leib dergestalt / daß / wann er nit in der verschlossenen Gruben gelegen / er selber sein Haar vor bethauet / und seine Kleider / vom Platz-Regen gewässert oder durchnetzet geglaubet hätte: so gar erfüllte der kalte Perlen-Thau die Stirn / und was um und an ihm war. Ist auch dieses nicht zu verwundern! Dann / welcher die Todes-Angst besinnen wird / die ihm der Schlaf vorgemahlet; welcher sein ängstig Wimmern /und Schmertz-beschwerte Noth / nach dem Schlaf /behertzigen wird / wird eben leicht verstehen / daß der von allen verlaßne und überall geplagte Polyphilus /durch seine Blut-zwingende Hertzens-Angst / wol gar in seinem eigenen Schweiß-Bad ersauffen mögen. Doch / weiln gleichwol das Leben / als der unwitderbringliche Schatz / sehr lieb / also gar / daß wir aller Noth vergessen / werden wir nur dem Tod entrissen: Also machte sich auch Polyphilus behend auf / und suchte nichts mehr / als sein Leben / aus der augenblicklich-beförchtenden Todes-Gefahr zu erledigen /deßwegen er / ohne vorgesetzten Weg und Zweck /aus dem Wald eilete / biß er durch die allmögende Forcht / auf einen lustig-erhobenen geraumen Feld-Platz geführet wurde / und der Wald-Furcht entnommen. Aber wie? es muste doch waar seyn / daß das wanckende Glück / nicht nur im Wohl-stand / sondern auch in Widerwertigkeit sich leicht ändere / und den es zuvor mit herben Wermuth gekräncket / bald hernach wiederum mit verzuckerten Freuden-Brod erquicke. Dann / als Polyphilus sich ein wenig in dieser Gegend umsahe / befand er / der näheste bey der Insul Soletten zu seyn / und dem Berge / darunter er mit Philomatho geruhet / gleich entgegen. Keine Betrübnüs kundte nunmehr sein Hertz /wegen der wallenden Freud / mehr bestreiten / bevorab wann er die wunder-reiche Führung des mehr als gnädigen Himmels bey sich überlegte. Hat auch /sprach er bey sich selbsten / mich ein Wind daher geführet / oder ist die Erde / unter mir Schlaffenden /weggeschlichen / oder hat mich ein wildes Thier /durch des Himmels Befehl / daher bracht: (welches ihm etwas glaublich vorkam / in dem er seinen Arm beschädiget befunden / durch einen Biß / der sich einem Löwen-Zahn nicht ungleichete) oder durch wessen Hülff und Geschwindigkeit / hab ich diß mein verlangtes Ziel erlanget? doch sey dem / wie ihm ist /ich dancke dem gütigen Himmel / daß er mich mit einiger Glück-Stralen wieder bescheinen / und meinem Wunsch ein endliches Erfüllen verleihen wollen. 7. Absatz Siebender Absatz Beschreibet die Wiederkunfft Polyphili auf Soletten /durch Talypsidami / der ihm den Tod Philomathi verkündet: Lehret / daß dennoch Kunst- und Tugend-lieben den das Glück beförderlich seyn / und sie / nach vieler Widerwertigkeit / endlich begnaden müsse. Ob nun wol die damalige Lust des Polyphili sehr groß / und unbeschreiblich / so vermochte doch die Furcht / wegen des erlittenen Angst-Traums so viel /daß / wann er an Philomathum gedachte / sein Hertz allmählig zu sincken anfieng / und seine Freudigkeit zu verlassen. Darzu ihm der zugegen erhobne Berg nicht weniger Ursach gab / in dessen begrünten Thal /er die Stätte kennen kondte / allwo sie das herrliche Gespräch gehalten / und von dannen er / durch die ungestümme Wellen; am meisten aber / durch seinen selbst-eigenen Vorwitz / sey weggeworffen worden. Doch dorffte hie die vergebliche Hoffnung sich gleichwol unterstehen / den Klagen Polyphili einigen nichtigen Trost beyzulegen / als ob er ehistens desselben / was er damals versäumet / ohne Verhindernus /weiter geniessen würde. Dieses nun / sonderlich aber das Gesicht Philomathi / veranlassete ihn darzu / daß er mit voller Begierd / und hefftigem Riß / auf die Insul Soletten zueilete / in willens / seinen Freund Philomathum anzutreffen / der ihm Gelegenheit würcken würde / die Solettische Göttin / die er stetig / in seinen Sinnen / vor ein Wunder der Welt ehrete / mit Augen zu sehen / und mit ehrenfreundlicher Höfligkeit zu begrüssen. Sein Vornehmen zu befördern / erbot sich die Insul selber / in dem sie eben damals ein Schiff wiederkommen hieß / welches sie in den beschifften Meer-Strom segeln lassen / um allerhand nötige und nutzbare Wahren einzuholen / weiln sich eben derselben Insul Groß-Fest herbey nahete / da man ein und anders gebrauchete. Dieses Schiff / so bald ers am Wasser herauf steigen sahe / und sich der Insul zu nähern / gab er von dem Ufer / mit einem flattrenden weissen Tuch /das Zeichen seines Begehrens. Der Schiff-Patron / ein freundlicher / bescheidener Mann / gab alsobald denen / die das Schiff bedienten / Befehl / auf einem kleinen Kahn ans Land zu stossen / und den Hülff-begehrenden herbey zu bringen: wie auch geschahe. Polyphilus / so bald er des Schiff-Patrons ansichtig worden / legte seine gebührende Reverentz / mit schuldigem Danck ab / erzehlete auch / auf Begehren / was ihm bißher widerfahren / und wie er nun zum andernmal daher komme / und ein besser Glück hoffe. Der Schiff Patron / welcher von Natur ein schertzhaffter / lustiger Mann war / als er sahe / daß Polyphilus in vielen seines gleichen wäre / fieng erstlich an / ihn um Bekandtschafft anzusprechen / und richtete / nach beyderseits erkundigten Namen / Vatterland und Vorhaben / einen Eyd-befestigten Freundschaffts-Bund mit ihm auf / versprechend / daß er ihn nicht nur zum Philomatho wieder führen / sondern auch zu der Glückseeligkeit verhelffen wolle / die er zu erlangen / so viel Lebens-Gefahr ausgestanden; nemlich den Tugend-Preiß dieser Insul / und aller weiblichen Gaben Vollkommenheit zu sehen / auch wol gar mit ihr zu sprechen: wann nur das Glück gnädiger denn vorhin / seine böse Tück nicht auch an sie legte. Wo aber das / sagte er / so will ich doch meinen Schiff-Leuten befehlen / daß sie nirgend schiffen sollen / als wo mirs / und dem Polyphilo gefällt. Das sagte er aber Schertz-weise / dann sie waren schon am Ufer / und wolten jetzo aussteigen: also war der unmüglichen Gefahr wol zu spotten. Da sie nun beyde ausgestiegen / und Talypsidamus / (so war der Name des Schiff-Patrons) seinen Befehl gebührender massen ergehen lassen / und alles aufs sicherste verordnet / nötigte er Polyphilum / mit ihm nacher Hause zu gehen / allda um ein und anders weiter zu berathen. Polyphilus entschuldigte sich zwar zu erst / mit Vorwendung der grossen Unhöfflichkeit / die er in diesem Fall begehen würde: aber es mochte seine Entschuldigung vor dieses mal nicht statt finden / besondern er muste / auf instehende Bitt / folgen / weil er wol wuste / daß grosser Herren Bitt / mehrentheils einem Befehl ähnlich seyn. Auch that ers um desto lieber / weil er nunmehr sein unvergnügtes Verlangen zu stillen gedachte. Beyde wurden sie von denen Hauß-Bewohnern aufs höflichste empfangen. Talypsidamus von seiner Liebsten / nach der Lieben Gebrauch: Polyphilus aber nach Landes-Art. Das erste und beste / so Polyphilus verrichten kundte / war / daß er / so viel ihm zu Gesichte kam /die übertreffliche Schönheit der hochgeführten Gebäu; die Wunder der künstlichen Natur; die geraume Plätz und kostbare Tempel; die fest aufgeworffene Thämme / und was dergleichen mehr / aufs fleissigste und genäueste betrachtete: alles / was er mit Augen sahe /verursachte seinem Hertzen viel Nachdenckens und Wunder / so gar / daß er nicht anders schliessen kundte / als daß hie der alleredelste Ort des Lebens / und ein ergötzliches Wohl der tugend-begierigen Jugend /ja / eine reich-besetzte Tafel der mitteln Jahre müsse vorhanden seyn / auch sehr vermuthlich / daß / wenn an einem Ort der mühseligen Welt / eine Göttin zu leben erwählet / freylich dieser / vor allen zu erkiesen / würdig gewesen. Der einige Wunsch / welchen noch die Hoffnung küssete / war / daß er durch Hülff des Schiff-Patrons erstlich zum Philomatho kommen /hernach die Erden-Göttin grüssen / und nach gebührender Ehr bedienen möchte. Daher ihme alle unnötige Complementen / welche Talypsidamus mit ihm vornahm / alles Essen und Trincken / alle Lust-Bedienungen / ja! auch alle Reden zuwider waren / die nicht von seinem Verlangen zeugeten. Und weil Talypsidamus die Seiten etwas zu lang stimmete / und seine eilig versprochene Hülf / desto längsamer zu befördern scheinete / erkühnte sich Polyphilus / sein Hertzens-Gedancken ihm völlig zu eröffnen / wie er nicht ruhen könne / er habe sich dann / durch Erfüllung seines so lang geführren Verlangens / in eine angenehmere Ruh versetzet. Das gefiel Talypsidamo nicht übel / derentwegen er ihn auf einen erhöhten Saal in das Ober-Hauß führete / allda mit ihm sicherer zu reden / wie er sein Vornehmen vollbringen könne: wolle auch / weil Philomathus ein verschlagener Kopff wäre / denselben hieher holen lassen / damit er sein Gutachten vernehmen / und zu seinem Besten anwenden könne. Polyphilus gehet in den Saal: Talypsidamus befihlet / man soll Philomathum holen: wird aber von seiner Liebsten deßwegen höflich verlachet / welche sagte: Ist mir dann müglich / einen Todten aus dem Grab zu ruffen? Dessen erschrack der Schiff-Patron über die massen / und nach dem er die Art seines Todes verstanden / beförchtet er nicht mehr / als die Ungedult Polyphili / welcher sich über seinen so guten Freund hertzlich betrüben würde. Beschloß derowegen alsobald /ihm solches zu verhelen / verbot auch den Seinigen /nichts davon zu gedencken / biß es mit guter Gelegenheit geschehen köndte. Indessen Talypsidamus dieses alles verrichtet / und etwas lang verweilet / nimmt Polyphilus erwünschte Gelegenheit / der beschönten Augen-Lust der künstlichen Gemähle / damit dieser Saal gezieret war / sich zu gebrauchen. Und weil er / sonderlich unter den Ovidianischen Lieb-Gedichten / viel befunde / die sattsam erweisen kondten / daß der Pinsel in allem der Feder nachfolge: Hinwiederum die / bey manchem Conterfey / künstlich gesetzte Verse nicht minder erwiesen / wie auch die Feder dem Pinsel alles nachmache: gedacht er bey sich selbsten; wie hätt ich eigentlicher verstehen können / was die Kunstberühmte Mahlerey; ja auch / was die Himmelwürdige Poesis sey? und wie viel diese von jener entschieden / als eben bey diesem Mahl-Werck / da ich ohne Trug sehen kan / daß das edle Mahlen sey die schweigende Poesis; und diese hinwieder sey ein redendes Gemähl und Bild / das da lebe. Unter so vielen denckwürdigen Stücken aber /deren keines nicht sonderbahrer höchst-fleissiger Betrachtung werth war / leuchtete doch / vor allen / das holdselige und wunder-würdige Bildnüs / deren /davon wir bißher so offt gedacht / und / um welche zu erlangen / der gute Polyphilus so viel erlitten. Die lieb-lächlende Gestalt derselben / die hocherhabene Stirn / die scham-rothe Wangen / der Purpur ihres Mundes / der Marmor des schlancken Halses / und die bräunlichte Augen; ja / welches das allermeiste / die sittsame Geberden / die aufgezogene Lefftzen / die leiß-geschlossene Augenlieder / die ziemende Falten des Mundes / und die keusch-lächlende Wangen; welche doch in dem Bild nicht anders / als nur in dem Bild / zu erkennen waren / verführeten das Hertz Polyphili der gestalt / daß er der Solettischen Göttin allerdings vergaß / und es vor ein blosse Unmüglichkeit hielt / daß auch aus der Himmel Schoß / eine vollkommenere / schönere und mehr bereicherte Tugend entspringen köndte / weil er ihm so nicht anders einbildete / es sey dieses ein Himmels-Kind. Und war das das aller elendeste / daß bey dieser Himmel-Dame nicht bezeichnet war / wer sie wäre: Vielleicht deßwegen / weil ihre gleichsam redende Gestalt gnugsam erwiese / daß sie etwas sonderliches auf dieser Welt seyn müste. Noch mochte Polyphilus / so klug er auch sonst war / nicht verstehen / daß eben diß die Abbildung der Solettischen Würde und Tugend-Göttin wäre; biß endlich Talypsidamus zu ihm kam / und folgender Gestalt zu reden anfieng: Treu-verbundener Polyphile! die Pflicht / welche /theils mein abgelegter Eyd / theils meine Schuldigkeit / bey euch / und allen Kunst-werbenden Hertzen /erfordert / soll euch versichern / daß alle meine Vermögenheit / euch einig zu dienen / sich nicht wägern soll; und wolte ich von Hertzen wünschen / daß ich einige Gelegenheit schöpffen köndte / darinnen ich mein williges und dienstfertiges Hertz gegen Freunde und Ausländische köndte sehen lassen: so würde ich mich bemühen / wofern die Schwere der Sachen nicht mein Vermögen erdrückte / daß der Will der Müglichkeit gemäß / alles zu ihren und euren Nutzen richtete. Ja! solt ich noch heute die güldene Zeit erleben /daß ich eurem Begehren ein Genügen thun / und euch befriedigen köndte / wolt ich diese Stund seelig / und diesen Tag herrlich preisen. Ihr wisset aber selber /kluger Polyphile! und habts allbereit offt erfahren /daß dem Menschen nicht allemal sey zugelassen /nach seinem Willen zu leben / oder nach seinem Wunsch zu handeln. Sintemal gar offt / wann wir meynen am festesten zu stehen / der Fall sich findet /und wann wir die Glücks-Rosen brechen wollen / die Stachel und Dornen des Unfalls dafür fühlen müssen. Was wollen wir uns dann / geliebter Polyphile! diesem allgemeinen Gesetz entziehen? Vielmehr wird uns dißfalls gebühren / die Unbeständigkeit des Kugel-runden Glücks / auch durch unsern Schaden zu erkennen / und auf Tugend / die da allein fest bestehet / bauen zu lernen. Sehet an / sprach Talypsidamus weiter / diese vor euren Augen hangende Gemähl / so viel ihr deren sehet / werdet ihr aller Orten den Wechsel menschlicher Dinge sehen / die bald eine Sonne erfreuet / bald wieder ein Ungewitter betrübet. Polyphilus / dem diese Rede frembd vorkam / als die sich auf ihr Vorhaben gar nicht schicken wolte /konte sich länger nit enthalten; sondern fieng zum Talypsidamo solcher Gestalt an: Geehrter Herr! Die Ursach / welche mich durch so unzehlich viel Gefährlichkeit hat hieher geführet / ist eben das / daß ich auf Tugend bauen / und keinem leichtfallendem Glük mehr trauen will. Weiln ich diß alles mit voller Genüge an mir selber / und leider! durch mehr als zu grossen Schaden / erfahren / was ihr mir an diesen Kunst-Gemählen erwiesen / und sonst überreden wollet. Darum verzeihet mir / geehrter Herr! daß ich von mir selber bekennen muß / ich sey in dem gelehrt genug / und begehr jetzt nicht mehr / als einige Mittel / mich mit der Tugend zu bewahren / von euch zu lernen / darum ich nochmalen / durch Himmels Vergeltung bitte / mir völligen Bericht / entweder von diesem hie zugegen leuchtenden Damen-Bild; (die ich glaube / daß sie selbst von der Tugend sey gebildet worden) oder von der Solettischen Göltin zu ertheilen / alsdann ich euch mein ferners Vornehmen / nach Begehren / öffnen will. Dieses verlegte Talypsidamus mit folgender Rede: Kunst-verlangender Polyphile! ich sehe / daß ihr /wohin meine Rede zielet / nicht allerdings verstanden / wolt auch wünschen / daß ihrs nimmermehr verstehen solltet / weil das Verstehen bey euch ein hertzlich Betrüben verursachen wird. Nun / daß ich eurem Begehren ein sattsames Genügen thue / und euch endlich deren Sorg und Kümmernus / die euer Hertz so lang gefangen gehalten / entbinde / so wisset / Glück-bereichter Polyphile! daß dieses Bild / welches ihr billich von der Tugend selbst gebildet glaubet / sey eben diese unsere Tugend-Dame / die ihr die Solettische Göttin / wir aber Macarien nennen. Und daß ihr wisset / wie meine Gunst-Gewogenheit / euch in allen beförderlich zu seyn / sich sehr bemühe / so ist zwar nicht ohne / daß ich euch / sonder höchst-gefährliche Mühe / nicht zu ihr führen kan / weil sie ihr gantzes Thun der beliebten Einsamkeit ergeben / und nichts /was ihr etwa eine Zerstörerin ihres Vornehmens werden könte / für Augen kommen läst: Doch / so fern ihr nur dero Tugend-Ruhm zu verwundern / und ihren Verstand zu erforschen / sie sprechen wollet / will ich mich eussersten bemühen / ob die nahe Verwandschafft / welche uns mit Freundes-Blut verbunden / so viel richten könne / daß sie euch in ihrem Zimmer / aber nicht anders / als einen Tugend-Wer ber / leiden und aufnehmen möchte. Polyphilus / vor Freuden halb todt / neigte sich in tieffster Demut vor Talypsidamo / ergriff dessen Hände / küssete dieselbe hertzlich? weil er damals sein denckgeneigtes Gemüt nicht anders bezeugen konte; und preisete sich den / durch viel Unglück /Glückseligsten / und unzehlich Betrübnüs / Erfreutesten / auf dieser gantzen Welt; den Glückseligsten /als dem die unfehlbare Hoffnung sein endliches Verlangen erfüllen / und der / ach! der tausend-verlangten Macarien Glück-gesegneten Anblick verleihen werde: Den Erfreutesten aber / als welchen das Glück schon so hoch erhoben / daß er gewürdiget sey / mit dem in Verbündnüs sich einzulassen / der selbsten der Tugend Verwandter / und der Kunst-Göttin Bluts-Freund sich bekennete. Darum fiel er dem Schiff-Patron um den Hals / bat ihn flehentlich / sein Beförderer in dieser Tugend-Bahn zu seyn; legte auch die rechte Hand / als das Unterpfand des Glaubens / in seine lincke Seiten / unter das Hertz / und schwur ihm bey Treu und Glauben: hätte er einmal Philomathum geliebet / so solte er ihm vor viel tausend Philomathen stehen; Er allein solte seine Dienste beherrschen; Er allein solte sein Hertz in seiner Bothmässigkeit halten. So viel war Polyphilo an Kunst und Tugend gelegen. Talypsidamus / als er hörte / daß er ihn vor Philomathum erwählen wolte / dachte / jetzt die rechte Zeit zu seyn / desselben schmähligen Tod ihm anzusagen /deßwegen er ihm / auf vorhergehende Wort / diese Antwort gab: Jetzt will ich euch durch eure eigene Wort / entweder fällen / oder vor getreu erkennen. Ihr zeuget / daß ihr mich an statt Philomathi / und vor ihn / lieben wollet: Nun / so erweiset eure Wort im Werck / und vergesset feiner / wokt ihr mein Freund seyn. Dencket aber nicht / daß ich dieses aus feindseligem Hertzen / oder einigem Haß / sage / damit ich ihn etwa verfolge; ach nein! mein freund-gebührliches Mitleiden / theils seines Unglücks / theils eurer Betrübnüs halber machet mich so reden. Drum erschrecket nicht / betrübter Polyphile! daß ich euch verkünden muß: Philomathus / euer Hertzens-Freund / ist todt. Betrübet euch nicht zu sehr / daß ich sagen muß: Er ist durch die Spitze eines Mörders gefallen. Aengstiget eure Seele auch mit dem nicht zu hart / daß ich euch den Argwohn des gemeinen Pöbels hinterbringen muß: Philomathus ist um der Ubelthat willen / die er an Polyphilo erwiesen / elendiglich ermordet worden. Bedencket vielmehr das zum Trost / daß der wachhaltende Himmel und dessen Vorsorg / euch / an Philomathi statt / mich / einen gleich-vertrauten Freund gegeben / ja / der auch mehr euer Wolfahrt fördern mag / als eben Philomathus / durch alle seine Kräffte / verrichten können. Polyphilus / dem zwar der Tod Philomathi sehr zu Hertzen gieng / und sonderlich deßwegen / daß er auf so grausame Weise / und solcher Ursachen halber /fallen sollen / die er mit nichten vor Warheit erkennen / oder / wo dieselben herrühren möchten / mit seinen Sinnen ergründen köndte: gab sich doch leicht zu friden / weil er durch den Tod Philomathi nichts verlohren / sondern mehr gefunden; ja / weil er Philomathum / nicht seinet wegen / sondern die Macarien zu erhalten / geliebet / hatte er nicht sonderliche Ursachen / sich gar zu ängstiglich zu bekümmern. Doch würckete die Erinnerung des gehabten Traums / den er nunmehr erfüllet wuste / solche Traurigkeit / daß er sein hertzliches Betrüben mit mannigfaltiger Veränderung / und tiefgeholten Seuffzen zu erkennen gab; aber auf solche Art / daß man leicht vernehmen kunte / wo neue Freundschafft in einem Hertzen gestifftet / da vergesse man der alten. Welches er doch mit solcher Höfligkeit verblümen kunte / daß Talypsidamus glauben muste / es schmertzte ihn nichts / dann seine treue Dienste / die er ihm nun nicht wieder vergelten könte: sein Versprechen aber / das er Talypsidamo gethan / zwinge ihn fast so / daß er die Todten todt seyn lassen / der Lebenden aber stets-fertigster Diener seyn und bleiben müsse. Welche und dergleichen viel andere Reden mehr / das Hertz Talypsidami dermassen befeuerten / daß / wie Polyphilus in allem recht geredt / und sich gebührlich gehalten / er ihn je länger je mehr von Hertzen lieb gewann / und / seiner Befreundin Macarien zuzuführen / vor wol-würdig erkandte: auch alsobald um Urlaub bey derselben bitten ließ / daß er mit einem Tugend-begierigen guten Freund / ihre ruhige Einsamkeit zu verstören / sich unterfangen dörffte. Das Wonhauß Macarie war etwas ferne / darum sich Polyphilus nidersetzte / und seine letzte Treu zu bezeugen / auch sein schmertzliches Mitleiden zu klagen / folgende Leich-Ode auf den Tod Philomathi verfertigte / biß die Gesandtin wieder kam / und ihnen die Erlaubnus / bey Macarien zuzusprechen / ankündete. Liebster / nach dem Liebsten / du / O du meiner Freunde Seele! wie kan ich / in meiner Ruh / bleiben / weil die Toden-Höle / mir unwissend / dich vergraben / wie kan ich nun Freude haben? Alles stirbet gleich mit dir / was sonst hat mit mir gelebet; Hertz und Sinn / und was in mir meine Wonne sonst erhebet / ist nun alles mit verdorben / weil du bist / mein Freund! gestorben. Ach gestorben? trauter Freund! und um deines Freundes willen; Den der Freund-verliebte Feind / wollen rächen / und erfüllen / was ich anders ihm vertrauet / da er meinen Tod geschauet. Aber wie? er weiß es nicht: dennoch ist er drum zu loben / hätt er nur das Rach-Gericht nicht / mit Unrecht / aufgehoben: müst ich rühmen seine Klingen / die mir Hülffe wolte bringen. Nun ist aber das versehn / ohne Schuld bist du gestorben: wie wird / Liebster! mir geschehn? wird nicht / was ich hab erworben / alles / wie ein Wind / verwehen / weil dir das / durch mich / geschehen? So verdien ichs! meine Schuld kan die Strafe nicht verhelen: aber deine Gnad und Huld wird mich loß und ledig zehlen; weil du doch nicht kanst verderben / ob du schon hast müssen sterben. Dann was ist das Leben doch / in dem nichts / als Sterben / lebet? Nichts: und wär es etwas noch; selbst der Tod / so vor uns schwebet / wann wir unsre Augen-Lieder öffnen / oder schlagen nieder. Aber nun / nun bist du frey / in dem Leben / ohne Sterben! sag / wer dir zu gleichen sey / der / wie du / nicht könn verderben: dessen Leib nicht könne krancken / dessen Freude nicht mehr wancken? Alles ist hier Eitelkeit: dort allein ist volle Gnüge / dort die Freude / hie das Leid / biß die letzte Todes-Züge / mit dem Ende / deinem Leben jenes Lebens Anfang geben. Drum kanst du zu frieden seyn / Liebster-bester meiner Freunde! und das Klagen stellen ein über mich und deine Feinde / die / an dich / mich wollen rächen / meine Noth / durch deine / brechen. Ich auch selbst will trösten mich / und abtrücknen meine Zähren / weil / was ich gesucht an dich / GOtt / durch andre / wird gewähren / die an deine Helffers-Stelle / ich mir selbsten zugeselle. Dieses noch nur thut mir weh / dieses machet mich noch klagen: daß ich forthin dich nicht seh / noch dir schuldig Danck kan sagen; daß ich den erwießnen Willen nicht hinwieder kan erfüllen. Aber glaube / meine Schuld soll mit dir nicht seyn gestorben; auch nicht deine Freundschaffts-Huld soll bey mir seyn gantz verdorben: ich will meinen Danck erweisen / ewig deinen Ruhm zu preisen. Nun / so ruhe / Seele! dort / schlaff / entschlaffner Leib im Grabe / dencke nicht an diesen Mord / den ich dir verschuldet habe: laß Polyphilum im Frieden seyn von dir / mein Freund! entschieden. 8. Absatz Achter Absatz Beschreibet den Zuspruch Polyphili / mit Talypsidamo / bey Macarien / und deren geführte Reden: Lehret / wie hoch die Tugend zu halten / und die Kunst zu lieben. Eben war das Gedicht verfertiget / als Polyphilus den Gegen-Gruß von Macarien hörte / und / daß sie ihrer Gegenwart Verlangen trüge / vernahm. Tausend Freuden-Fackeln wurden seinem Hertzen / in dem Augenblick / durch diese Wort angezündet / und laß ich mich leicht überreden / wann gleich die gantze Götter-Schaar (ohne deren gedeylichen Segen / keine Kunst noch Tugend / unter den Menschen-Kindern ihren Wachsthum führen kan) ihn selber auf einen güldenen Wagen gen Himmel geholet hätte / und allda den unergründlichen Schatz der himmlischen Tugend-Vermehrungen eröffnet / oder auch gar die Grundfeste der Weißheit zu erfassen vergönstiget / er doch nicht höher hätte können beseeliget werden / als da ihm diese Freuden-Wort gleichsam mit güldnen Buchstaben in sein Hertz geschrieben worden: Macarien wirst du sehen. Die Erlaubnus war da / an der Begierde fehlete auch nichts / beyde waren sie leicht zu erbitten / ihren Vorsatz völlig ins Werck zu richten. Sie giengen hin /und kamen an den Ort / da die Tugend ihr Zelt aufgeschlagen / und der Verstand seine Wohnung hatte. Der Schiff-Patron gieng vor: Polyphilus folgte nach: aber zu seinem Unglück. Warest du denn / Tugend-suchender Polyphile! daher kommen / deine Freyheit / das edleste Kleinod menschlicher Glückseeligkeit / um Schöne / zu verkauffen? Ist das dein Ziel gewesen / daß du / an statt der verlangten Tugend-Stralen / durch die Stralen der lieb-winckenden Augen sollest in die Netz / der unauflößlichen Dienstbarkeit / geführet werden? Suchest du das / dadurch du den köstlichen Schatz aller deiner Wolfahrt verlierest? So hätte man damals billich zu dem / durch den ersten Anblick der Macarien / liebgebundenem Polyphilo / und mit Recht sagen können: Der Eingang zu Macarien / war der Eingang ins Gefängnüs der Lieb; Der Fortgang war Entzündung des verliebten Hertzens in einer unsäglichen ja auch unerträglichen Brunst; Der Gruß war nichts anders / als das Wehklagen über seine empfangene Wunden; Der Anblick war eine Beschuldigung der Tugend selber /deren er einig und allein alle Schuld beyzumessen /als welche an ihre statt Bitterkeit der verzehrenden Lieb geschencket habe. So gar war Polyphilus entzündet / daß es nicht viel fehlete / er hätte sein selber vergessen. Wie aber / unglückseliger Polyphile! Kan das dein Tugendgeübtes Hertz / ohne grossem Nachtheil seiner verzuckerten Ruhe / zugeben? Oder ists müglich / daß der Ruhm der Kunst-Begierde / welche vor allen dein Hertz und deine Sinne besieget / sich von fremder und gantz widriger Lust-Liebe aus dem Zelt verjagen lasse? Soll dann die Tugend der Liebe weichen; Kunst und Verstand / dem verblendeten Joch menschlicher Thorheit nachgehen? Polyphile! das ist wider dich selbst gethan. Doch / was hilffts / nunmehr ists geschehen / weil Polyphilus auch selber nicht mehr sein ist. Und müssen wir daher mit starcken Gründen überwiesen werden / wie die allgewaltige Herschafft der Liebe / auch die Tugend selbst / und deren Mit-Herrscherin / unter ihrem Befehl halte / und doch waar sey / daß ihre Bothmässigkeit sich über alles erstrecke: Wie dann Polyphilus selber aus eigner Erfahrung lehret / in nachgesetzten Versen / die er eben damals stillschweigend verfertigte. Alles übermannt die Liebe: wie sollt ich dasi widerstreben? Alles steht ihr zu Gebot: drum will ich mich auch ergeben / Daß ichs nicht alleine sey / der von ihren Banden loß Leben wolle / fühlen müß manchen harten Wider-stoß. Du nur / Liebe! weil dir muß alles zu Gehorsam stehen / Laß auch sie / die mich bestrickt / unbestriket nicht ausgehen / Laß sies nicht alleine seyn / die sich deinem Joch entzieh / und noch stärcker sey / denn du; Liebe / Liebe zwinge sie! Laß sie nit / wie sie gedenkt / mit der Freyheit Pracht / stolziren; Laß sie länger nicht also / ohne Fessel / triumphiren / Hemm auch ihren stoltzen Sinn / beuge das verhärte Hertz / Daß wir beyd gebunden gleich / fühlen gleiche Liebes-Schmertz. Dan will ich / sie muß mit mir / dir zu Ehren / dieses fingen: Daß die Liebe alles könn / mit wie leichter Müh / bezwingen; Alles überwinden gleich; daß ihr keine Helden-Stärck Irgend könne widerstehn: darum lieb ich ihre Werck. Macarie nichts wissend von der so zeitig und unvermuthig erwachsenen Liebe / dachte auf nichts anders /als Kunst-Gespräch und Tugend-lehrende Sitten: Wie dann ihr deren keines / der gnädige Himmel / oder die mildreiche Natur versaget: Polyphilus im Gegentheil dichtete nichts anders / als was sein Hertz immer mehr und mehr quälete. Doch wuste er alle seine Reden so meisterlich zu führen / daß sie zwar innwendig eine heimliche Passion der Macarien leicht eröffnen könten / von aussen aber keinen Schein / ohn der auf Tugend und Verstand gehe / funckeln liessen. Macarie / welche nicht allein reich an Tugend /sondern auch mächtig am Verstand war / merckte alsobald / wohin die Augen Polyphili spielten / wornach dem Hertzen verlangte / und wohin die Wort zielten: ließ sich doch gegen Polyphilo nichts mercken / entweder ihren Vorsatz der Einsamkeit zu behaupten / oder dem vor genug-geplagten Polyphilo seine Schmertzen zu vermehren. Daher fieng sie an (wie sie dann aller List voll war) bald von der Blindheit der Liebe; bald von der Zufriedenheit der Einsamen; bald von dem Unglück der Verliebten; bald von dem Streit der Tugend / mit der Liebe; bald von der verführenden Schönheit; und wieder bald von der Unbeständigkeit verliebter Hertzen / so herrlich / als verständig zu reden: Welches alles aber / und so viel Wort aus ihrem redsamen Munde fielen / so manchen / ach! ja wol mehr als tausend vergifftete Schmertzen-Stich bekam das / unter dem Liebes- Joch / nunmehr ächtzende und lächzende Hertz Polyphili / biß es endlich / im höchsten Grad seiner unleidentlichen Pein / von der mehr als über-natürlichen Schönheit dieser irrdischen Göttin; dann auch denen lieb- und gunst-würdigen Tugenden / höflichgezierten Sitten / klug-verständigen Reden / und was mehr / den armen Polyphilum zu kräncken gleichsam sich der schönen Macarien verbunden hatte; überwunden und gezwungen wurde / einen tief-geholten Seufstzer / der winckenden Augen-Post zu vertrauen / und gegen ihren Tugend-Stral zu schicken. Macarie / die diese Entdeckung seiner gefassten Liebe alsobald verstund / hätte gern dem Polyphilo seinen Irrthum auch damals erwiesen / und zugegen gestraffet / wann sie nicht den anwesenden Talypsidamum geförchtet / daß er die Sache mercken möchte; derowegen / damit dem Polyphilo sein Blick nicht unbeantwortet bliebe / bevorab / weil er selber Gelegenheit an die Hand gab / in dem er / von der Einigkeit der Liebe mit der Tugend / redete / und solche behaupten wolte / fieng die Macarie folgender Gestalt an zu ihm zu reden: Tugend-liebender Polyphile! wann ich eure Gründe / damit ihr bißher erwiesen / wie die Liebe sich mit der Tugend so wol stelle / nach euren Worten / und nicht aus dem Grund erkennen wolte / muß ich gestehen / daß ihr mich leicht überreden könntet. Dann die Farben könt ihr artig führen / ob aber der Grund auch so gut sey / ist / das ich zweifle. Und damit ich euch euren Irrthum desto deutlicher erweise / und eure Gründe / mit grösserer Krafft und leichteter Müh /umstosse / will ich euch in euch selbst führen / und euer Hertz kündigen lassen. Saget mir / der ihr wolt vor Kunst- und Tugend-begierig angesehen werden /hat jemals / so lang ihr Tugend geliebet / und Kunst erwählet / die Liebe ihr Zelt bey euch aufschlagen dörffen? Oder / so mir ein falsches Beyspiel zu führen vergönnet / glaubet ihr wol / wann euer Hertz / etwa mit einer vergeblichen / doch heiß-entzündeten und Hertz-quälenden Liebe eingenommen wäre / oder noch künfftig bestürmet würde / daß ihr einige Tugend-Gedancken / ohne Verhindernus / erfassen köntet? Ich meines theils / glaube in diesem Stück keinem Ja-Wort Es müste dann seyn / daß ihr der Liebe feind / ihrer Macht euch widersetzen / und sie nicht woltet herrschen lassen. Sonst haben wir / in dieser Sach / viel warhaffte Exempel / sonderlich an denen /die ihre Begierden noch nicht allerdings zäumen / besondern zu weilen etwas freyer lauffen lassen. Wie dann insonderheit die leicht-verliebte Jugend in dem Fall hoch zu schelten / die / so bald sie etwas stehet /das ihren trüglichen Augen schön scheinet / ihr Hertz daran hängt / und aller Tugend / und Kunst-Begehrung vergisst: Da sie doch viel eher und mehr diese vor jenes erwählen / und die Schande ihrer Unbeständigkeit nicht so bald öffnen solte. Wie nun dieses das grösseste Laster ist / das erdacht werden kan: als bekenne ich / daß ich / so viel mich betrifft / mein Abscheuen zu bezeugen / mich freywillig der Laster-befreyeten Einsamkeit ergeben / damit ich durch solche Liebes-Blendung nicht Laster vor Tugend nehmen; sondern diese vor jenen erfassen und behalten möchte. Bekenne dannenhero / daß / da mich einige Augen solten verliebter Weise anschauen / oder auch einig Hertz meinetwegen sich in solche Brunst setzen / selbiges in Warheit eine Thorheit begehen / vergebliche Nichtigkeiten hoffen / und ihm einbilden würde. Polyphilus hatte vor dieses mal seinen Bescheid /mit welchem er vor Lieb nehmen mochte. Talypsidamus aber / der auch nicht ungeschickt war / dachte den Reden etwas nach / und wäre bald auf den Grund kommen / wann nicht Macarie / die klügeste der Frauen / alsbald zu ihm angefangen: verstehet ihr / geehrter Herr Vetter! wohin die Wort zielen? Ohnlängsten hat sich eine meiner liebsten Freundinnen / eben an diesem Ort / mich der vorgesetzten Einsamkeit halber / zu straffen unterfangen / und als eines grossen Versehens beschuldiget / daß ich in dieser frühen Jugend / manchen Jüngling in solche Netz führen würde / die er aufzulösen / ohne mein Behülf / nicht vermöchte. Nun hab ich mich zwar alsobalden in dem entschuldigen können / daß ich an mir nicht finde /was einig Netz bereiten / oder einen solchen Fall würcken könte / weil nicht die Jugend; sondern die Schöne / solches allein vermag / die sich an mir so gar nicht finde. Weil sie aber diesem noch fernere Wider-Rede hielt / und mich auch mit dem Lob der Schönheit krönen wolte / ja! so gar ihre Wort mit Werck erweisen / und mir einen edlen Jüngling nennen / der schon offtermals / ohne mein Vermercken / durch Seufftzen und andere Lieb-bietende / Lieb-bittende Augen und Zungen-Gewerbe / meine Gunst verlanget; hab ich noch von dannenher / das Beyspiel anziehen /und euch / geehrter Herr Vetter! zur Nachricht; diesem edlen und Tugend-werbenden Jüngling aber / zur Lehr und Unterricht / erzehlen wollen. Beyde / Talypsidamus und Polyphilus / fiengen zugleich an / die Rede zu beantworten; Jener zwar aus Gebühr: Dieser aber aus Angst / die ihm sein Hertz brechen wolte. Er verstund gar bald / was das geredt sey / und wie er je länger je mehr mit Bescheidenheit abgewiesen / unter eines andern Namen den Abschlag annehmen müste. Doch dennoch / ob der Schmertz gedoppelt so groß gewesen / und das Verlangen / dieses alles zu beantworten / nicht mit Fesseln hätte können aufgehalten werden; muste er gleichwol in den Schrancken seiner Jugend gebührenden Schamhafftigkeit / dem ältern dißmal die Antwort überlassen. Viel leicht zu seinem Besten / weil sehr vermuthlich / daß der Mund / in solcher Hertzens-Bedrängnüs / mehr geredt / als der Sinn erwägen können; ja / in beyseyn Talypsidami / mehr verderbet / als genutzet. Fuhr demnach der Schiff-Patron folgender Gestalt fort: Tugend-völlige Macarie! in allem dem / was ihr geredt /kan ich nicht anders zeugen / als daß die entdeckte Warheit / euern Worten Glauben erwerbe. Und ist freylich dem Zweifel sehr unterworffen / ob die Liebe mit der Tugend einigen Bund halte / weil jene auf einer leicht-wanckenden Kugel bestehet. So habt ihr an euch selbsten nicht das geringste Unrecht erwiesen / indem ihr / aller Lieb entfernet / keinem / durch dergleichen betrügliche Thorheit / trauen wollet: worinnen ihr / nicht nur mein / sondern auch jedermänniglichen Lob und Zuspruch verdienen werdet. Gleichwol aber hättet ihr / Kunst-verständige Macarie! auch dieses in euer Rede mit befassen sollen / was ihr vor eine Liebe deutet? So viel ich allen Umständen nach vernehmen kan / ist die Rede von der leicht-stehenden / Leicht-fallenden Liebe / die nit auf Tugend gegründet / sondern mit der verführenden Schönheit vergehet. Was wollen wir aber sagen von der Liebe /so durch Tugend erworben / und dem Verstand ernehret wird? könt ihr euch der auch entziehen? weiß auch diese eine Einsamkeit zu lieben? So könt ich bald schliessen / wird / die Tugend-begabte Macarie / nicht Tugend-begabt seyn / weil sie sich der Einsamkeit ergeben. Sagt mir / Macarie! was hat euch einsam zu leben verursachet? Ihr werdet bekennen: die Tugend. Sagt mir / was würcket die Tugend in eurem Hertzen? die Antwort wird kommen: Liebe. Darff ich weiter fragen: Was nutzet die Liebe / wann sie nicht thätig ist? meines Erachtens / nichts. Nun sehet dann / wie ich euren Tugend-Wandel bestraffen / und eure Einsamkeit schimpfen wolte. Unthätige Liebe ist nichts; Was ist dann eure Tugend? auch nichts. Ist die Tugend nichts; was wird sie vor eine Einsamkeit stifften? Nichts kan doch nichts schaffen. Ist also eure Einsamkeit entweder auch nichts / oder ist sie etwas /ist sie doch nicht von der Tugend. Verzeihet mir /Macarie! daß ich die Warheit so frey bekenne. Erinnert euch / was selbsten die Tugend befiehlet / wann sie ihre reiche Gaben / mit so milder Hand austheilet. Hier dieser Tugend-begüterte Polyphilus / hat / ihrem Befehl zu folgen / aus seinem fernen Vatterlande / und durch so viel Widerwertigkeiten / die er doch alle kräfftig besiegete / sich hieher zu uns / in die Frembde / begeben; und (darff ichs sagen?) bloß darum /daß er euch / Macarien / als das vollkommenste und wunder-belobte Tugend-Bild / sehen und begrüssen möchte. Eurentwegen hat er sich biß in den Tod bemühet / zu Wasser und Land / wie und wo er konte /seine Tugend-begierige Sinnen mit der jenigen zu vergnügen / die er in seinem Hertzen / vor eine Göttin der Sterblichen / und unbegreifflichen Schatz aller Tugenden und himmlischen Sitten / stets verehret /und das sein letztes Ziel seyn lassen / wann er eure Begnädigung durch seinen Gehorsam erhalten / und eure Lust-bringende Gespräch stillschweigend verwundern dörffte. Solte dann / Tugend-liebende Macarie! dieser Polyphilus / will nicht sagen / seiner auch herrlichen Tugenden und lieb-würdigen Sitten wegen; sondern vielmehr um alles das / was er schon um euch erlitten / nicht werth seyn / daß eure Tugendrührende Liebe seine Hoffnung küsse / und das erhitzte Verlangen mit einiger Gunst-Bezeugung / kühle und erfülle? Das wäre ja wider die Tugend selbst. Ich zwar will nicht hoffen / wann Polyphilus / um Tugend zu werben / und Kunst zu erlangen / euch mehrmals zu sprechen begehrt / daß ihr ihm solchen schuldigen Dienst versagen werdet: Dann ehe müstet ihr euer selber vergessen; auch sag ichs nicht aus Antrieb dessen / als wann ich wüste / was Polyphilus gedencket: sondern weil ich die Ursach / die ihn zu uns bracht hat / und seine lob-fähige Begierde gründlich vernommen. Dieses hat mich bewogen / daß ich ihm in allem beförderlich zu seyn / versprochen; ja / ich bekenne frey öffentlich / daß ich diesem Polyphilo / nicht nur mit einem Eyd verbunden bin: sondern durch seine Kunst-und Tugend-Ubungen / die er mir sattsam erwiesen /dermassen verpflichtet / daß ich ihn / als mein eigen Hertz / liebe / und mir von Macarien / kein angenehmer Glück kan bescheret werden / als wann sie /durch ihre Höflichkeit / meinem vertrautem Polyphilo ihre Ehren-vergönte Gesellschafft ertheilen / und ihn /an meine statt / beglücken wird. Wer die Gedancken der schönen Macarien erreichet / der wird auch die Unergründlichkeit der tausend-vermehrten Freuden Polyphili entdecken / in welchen er um so viel mehr vertieffet wurde / daß dieses alles ohngefähr und wieder sein Hoffen und Wissen geschehen. Deßwegen er Talypsidamum / wär es müglich gewesen / gern in den Himmel gehoben hätte / und diesen Dienst / mit einem ewigen Danck /verschuldet. Was thut aber Polyphilus? was antwortet Macarie: Jener / so bald er die erwünschte Gelegenheit ersiehet / bemühet sich dahin / wie er die Wort Talypsidami / in der That / bekräfftigen möge. Das beste / so er thun konte / war / weil Talypsidamus redete / daß er die Wort / so mit hertzlich-geholten Seufftzern / so mit lieblich-winckenden Blicken / so mit demütig-gebücktem Haupt / und andern Leibs-Bewegungen mehr / nach Art und Beschaffenheit der Sachen / begleitete: dadurch er dann völlig die Warheit zeugen / und den Reden Glauben verdienen kunte: auch wuste er das alles so meisterlich zu spielen / daß ihn offt Macarie mit Furcht ansahe / sich über ihn verwunderte / und seiner Vollkommenheit halber freuete. Wäre die weibliche gebührende Schamhafftigkeit nit so mächtig gewesen / hätte / in Warheit / Macarie fast gleiche Entzündung klagen müssen. Doch kunte Polyphilus aus ihrer offtmaligen Veränderung schon etwas schliessen / wie künstlich sie auch ihre Passion bergen wolte; daher er dann Ursach bekam / diese leiß-klimmende Funcken / durch seine liebkosende Augen-Stralen / je mehr und mehr zu entzünden / biß sie endlich in eine grosse Flammen-Brunst ausschlugen: die sich aber der Brunst Polyphili noch bey weiten nicht gleichete. Dann diese war durch die Schönheit gefangen / und hatte die Tugend vergessen: was in Macarien brannte / war alles und einig von Tugend erhitzet. Weil sich aber gleichwol die flammende Brunst nicht bergen ließ / sondern mit grossem Gewalt zu den zarten Wangen der Macarien außschlug / und dieselben mit Purpur bemahlte / so gar / daß sie selber beförchtete / es möchte es nicht allein Polyphilus /sondern auch der Schiff-Patron mercken / gedachte sie alsobald dem Argwohn vorzukommen / und die Liebes-Bewegung mit den Farben der Schamhafftigkeit anzustreichen / als wann diese / nicht jene / ihrer Scham-berötheten Wangen Ursacherin wäre. Beantwortete demnach die Red des Schiff-Patrons folgender Gestalt: Geehrter Herr Vetter! die Röthe meiner Wangen wird / ausser meinem Bekantnus / zeugen / wie mich eure Wort beschämet. Absonderlich / da ihr kein Bedencken getragen / in Anwesenheit dieses edlen Jünglings / mich auf solche Art zu straffen / daß ich ungewiß bin / soll ich meinen Irrthum bessern / oder vertheidigen. Jenes solte mir freylich obliegen / von wegen eurer / dem ich zu folgen verpflichtet; nicht weniger auch dieses Polyphili / dessen um mich vielfältig-ausgestandene Unglücks-Fälle meine Gunst-Gewogenheit / wie ich vernehme / Befehls-weiß fordern dörfften: Folg ich aber meinem aufgestecktem Ziel /und bleibe in den Schrancken-der ruhmwürdigen Tugend / solt ich billich dieses / vor jenem / erwählen; bevorab / wann ich den unauflößlichen Bund meines gethanen Gelübds besinne / der mich / die Zeit meines Lebens / die erwählte Einsamkeit zu lieben / ohn Unterlaß / und auch anjetzo / mit Schrecken ermahnet. Deßwegen mich weder ihr / geehrter Herr Vetter! noch dieser Tugend-begierige Polyphilus / oder jemand anders / einiges Verbrechens schuldig erkennen wird. Zwar / habt ihr mir nicht ohne Grund erwiesen /daß ein Unterscheid sey / unter der Liebe / so durch Tugend blühet / und der / so mit der Schönheit verdorret; Auch habt ihr über das gnugsam bekräfftiget /wie ich / ohne Verletzung meines Gelübds / selbst in der Einsamkeit / die Tugendentspringende Liebe nicht fliehen könne: wolle ich anders nicht zugeben / daß meine Tugend / oder die daher rührende Einsamkeit /vor nichts / oder / zum wenigsten / vor eine Laster-nehrende Einsamkeit gehalten werde; Dem ich in allen gerne beypflichte: indem ihr aber den Beweiß /oder vielmehr das Beyspiel / von diesem Lob- und Lieb-verdienenden Jüngling / und auf solche Art /nehmen wollen / daß ihr mir zugleich seine Hertzens-Gedancken öffnen / seine brünstige Begierden erzehlen / und mich / das einige Ziel seines Verlangens /mit so beschönten Worten / benennen dörffen / weiß ich traun nicht / ob es Fallstricke sind / meine Freyheit zu fangen / oder ob es eine heimliche Zerstörung meiner ewig-geliebten Einsamkeit seyn solle. Euch zwar / edler Polyphile! hab ich schuldigen Danck zu ersetzen / vor die unverdiente Ehr / so ihr mir in euren Gedancken / aber ohne Grund / beygelegt. Dann gedencket selber / wie ihr mir / und euch / so groß Unrechtthut. Durch was Vortrefflichkeit schätzt ihr mich eine Göttin der Sterblichen? Wisset ihr / was eine Göttin vermag / (wie ihrs zweiffels ohne wissen werdet) wird euch die Sach selbst bald widerlegen. Oder mit was Recht / nennet ihr mich den unbegreifflichen Schatz / aller Tugenden und himmlichen Sitten? Wisset ihr nicht / daß die verderbte Menschen-Art darzu nicht gelangen kan / wann sie gleich noch so hoch beseliget wäre. Drum sehet / wie weit ihr euch selber verführet. Dieses zwar muß ich bekennen / daß ich stets / und mit allem Fleiß dahin getrachtet / wie ich der Tugend nachsetzen / und meinen wenigen Verstand vermehren könte: aber daher folget noch lang nicht / was ihr geschlossen. Ja / besinnet euch / geliebter Polyphile! würdet ihr an euch selbsten nicht das grösseste Unrecht thun / wann ihr mir das zueignet / was euch doch vor allen gebühret. Wollt ihr selber / das ohnmächtige Geschlecht voller Mängel (das weibliche meyn ich) der männlichen Vollkommenheit vorziehen? Ihr werdet nicht allein an euch selbsten /sondern an aller Mannschafft untreu werden. Auch wird mich niemand jemalen / so ehrbegierig befinden / daß ich etwas annehmen solte / des ich mich nit würdig erkenne. Dann das wäre Schand / vor Ehre; Spott / vor Ruhm; und vor Tugend / Laster erkaufft. Darum besinnet euch eines bessern / edlester Polyphile! und verführet durch solche falsch-gefasste Einbildung eure leicht-fallende Jugend nit so sehr / wolt ihr anders / nach diesen den unersetzlichen Schaden /nicht mit grosser Reu wieder verlangen. Hat einmal Polyphilus fleissige Acht auf die Reden geben / so ists / in Warheit / dißmal geschehen. Furcht und Hoffnung / die ihn in die Mitte gefasset /waren die zweifelhaffte Dolmetscher eines jeden Worts / das aus Macarien Mund fiel. Er aber / Polyphilus selber / halb-froh / halb-betrübt / machte seinem Hertzen solche Verwirrung / daß nicht viel fehlete / es hätten die gehäuffte Schrecken seinen Geist zu ruck gehalten / und ihn in die Ohnmacht versencket: wann nicht die Gegenwart des Schiff-Patrons / seiner Jugend-geziemenden Höflichkeit ein Widriges geboten hätte. Gleichwol war die Angst so mächtig / daß er mit tief-geholtem Seufftzen / auf folgende Art anfieng zu reden: Tugend-beschönte Macarie! was soll mir der Danck wegen unverdienter Ehr / welcher nicht mir /sondern ihrer Göttlichen Vollkommenheit gebühret. Wird sie mich nun wieder straffen? Nein / alleredelste Macarie! Unverdiente Ehr läst sich noch annehmen: aber unverdiente Straf zu dulten / schmertzet sehr. Hab ich unrecht geredt / indem ich sie eine Göttin der Sterblichen genennet / so bitte ich / erweise sie / welcher dann dieser Ruhm vor ihr gebühre? Hab ich übel gethan / daß ich sie den unbegreifflichen Schatz aller Tugenden bekennet / so gestehe sie mir ein Laster /das ihren Wandel beflecke. Hab ich gefehlet / da ich ihr himmlische Sitten erwiesen / so widerspreche sie mir die Himmel-bescherte Gaben / und behaupte / daß Kunst und Tugend; Höf- und Freundlichkeit / auf der Erden wachse. Wer / meynet sie / Macarie! wird den Sieg erhalten? Ich zwar / bekenne mich dessen unwürdig / und bin vergnügt / wann Macarie meinen / ihr ertheilten / Ruhm erkennen wird / daß er fest gegründet / und nicht auf erdichteter Unwarheit bestehe. Ich bin zu frieden / wann ich ihr einfältig erwiesen / wie mein Irrthum nichts minder / als mit Reu / einigen Schaden verlangen werde. Darff ich / allerschönste Macarie! ohne ihren Verdruß weiter reden / will ich ihr mein Verlangen besser erklären. Dieses hat seine Segel einig nach Kunst und Tugend ausge pannet /welche / wann es wird errennet haben / hab ich volle Genüge. Nun befind ich / daß / wann dir Glückseligkeit mich einmal wieder auf Rosen weiden wolte / ich durch ihre Ehren-vergönnte Gesellschafft / die Stachel aller Glücks-Verhinderung mit leichter Müh fliehen köndte. Ihre verständige Reden / ihre Tugend-gezierte Sitten / vermögen gar wol die Richtschnur meiner Gedancken / ja! meines Lebens Verbesserung zu seyn. Meine Kunst kan sich nehren / aus ihrem Sinn-reichen Gespräch; meine Tugend mehren / aus ihren Lob-würdigen Thaten. Ich sehe / edle Macarie! daß sie dieses widersprechen will / und vor einen höflichen Schertz erkennen: aber sie messe die Warheit mit meinem Verlangen. Kan sie dann eine andere Ursach erfinden / die mich daher geführet? Zum wenigsten glaube sie nur dieses / daß / so bald ich von ihrer Vollkommenheit einigen gewissen Bericht erhalten / diß meine erste Gedancken gewesen: Möchtest du von dem Himmel so hoch begünstiget werden / diese Tugend- verständige Frauen zu sehen / und ihre belobte Reden zu hören / würden sich deine Sinne viel höher erheben / ja dein Beginnen die Glückseligkeit aller Zufriedenheiten auf dem Fuß nach sich ziehen: und in diesen Gedancken beharre ich noch immer fort. Ist derowegen / verlangte Macarie! mein sehnliches Bitten /dem / was dieser / mein vertrauter bester Freund / vorhin an meine Statt und wider mein Verhoffen gebeten / ihrer Tugend-Gebühr nach / gnädiges und Gunst-versprechendes Gehör zu geben / wofern sie mich einiges Glückes werth / und der geringsten Ehren nicht unwerth erkennet: und mit diesem Beschluß / nähert er zu ihren Füssen / und küssete mit gebührender Demut den Saum an ihren Rock / zum Zeichen seiner ernstlichen Bitt und unverfälschten Begehrens. Nach dem aber wandte er sich zum Talypsidamo / sagte selbigem auch hertzlichen Danck / daß er ohngebetten seine Glückseligkeit befördern / und um das werben wollen / welches er / die Zeit seines Lebens / zu begehren / sich nicht hätt erkühnen dörffen: verpflichtete sich auch hinwieder zu aller Dienst-fertigkeit / wie /wo und wann er befehlen würde: Diese That solle nicht nur in einem ewigen Gedächtnus immer grünen /sondern auch hundertfältige Frucht tragen; alles sein Vermögen würde er zu allen Zeiten und in allen Begebenheiten / so willig / als schuldig befinden: und was derselben Complementen mehr waren. Macarie / die sich indessen eines bessern besonnen / gab / wegen kürtze der Zeit / auch eine kurtze Antwort / weil sie ohne das mit Polyphilo aufgestanden waren / und wieder zu Hauß kehren wolten. Darum sprach sie: Was die Bitte meines Herrn Vettern belanget / ist mir selbe an statt eines Befehls /dem ich schuldigen Gehorsam leisten muß: doch so fern / daß eure Freundschafft / unter der Tugend-Decke nicht ein Laster verberge / oder ausser derselben etwas mehr begehre: da ich dieser Furcht entlediget /kan ich leicht gestatten / daß ihr / um ein gutes Gespräch zu halten / mich öffters besuchet. Polyphilus /dessen hoch erfrenet / bedanckte sich aufs schönste /nahm die Erlaubnus / mit dem Versprechen / sich selbiger ehistens wieder zu bedienen / an / und rathschlagte allbereit / wann er wiederkommen dörffte; nahm Abschied / und gieng mit seinem Führer nach Hause: wiewol Macarie sein Hertz bey ihr behielt. 9. Absatz Neunter Absatz Beschreibet die Ersäuffung Polyphili / und die daher entstandene betrübte Klagen / der erschreckten Macarien / und was sie vor Nacht-Gesicht betrübet: Lehret an Polyphilo / die der Kunst und Tugend ewig widerstrebende Unglücks-Bestürtzung / von deren bißweilen alle Hoffnung niedergeschlagen wird; an Macarien aber / die selbst nothleidende Tugend. Aber / O des unglückseeligen Polyphili! wie unbeständig ist doch die Freude der Menschen / welche verdorret ehe sie erwachsen / und umgerissen wird /ehe sie gegründet. Der Lusthoffende Polyphilus gieng in steten Gedancken / wie er wieder zu Macarien kommen / und etwa sein betrübt Verlangen / durch ihre Freud-erweckende Gegenwart / stillen könte / da ihm das Unglück eben eine neue Gruben bereitete /und die Netz der Verhindernus ausspannete / seine Freuden zu fangen / und seine Hoffnung zu vernichten. Dann / so bald er mit Talypsidamo ins Haus trat /befand er sich / mit einer grossen Meng gewapneter Soldaten umringet / die ihn gefangen nehmen / und in die Verschliessung führen wolten. Ein Schwerd vermochte nicht wider so viel zu streiten / und anderer Hülff hatte sich der verlassene Polyphilus / in der Fremde / nicht zu getrösten: Darum muste er sich ihrem Willen / in gezwungener Gedult ergeben. Talypsidamus / wiewol ihm die Sache unbillich vorkam / dorffte doch / vermög seiner Pflicht / nichts wider die Gemeine vornehmen; so war er auch nicht mächtig genug / dem Aufruhr allein zu widerstehen: Doch nahm er sich des Polyphili so viel an / als er vermochte / und forschete die Ursach / mit dem Verbrechen / welches Polyphilum in die Gefängnus werffen solte. Da er nun vernahm / daß die Innwohner der Insul / diesen Polyphilum / vor den fremden Ritter ansahen / welcher den Philomathum / unschuldiger weise / ermordet: sprach er selber Polyphilo zu / daß er sich zu frieden geben / ihrem Befehl nach kommen / und sich auf seine gerechte Sache verlassen solle: versprach ihm auch seine Hülff in allem / und tröstete ihn mit der Versicherung / daß er morgen wieder loß seyn solle. Polyphilus / mit tausenderley Widerwertigkeit geschlagen / dachte alsobalden an den Traum / welchen er vom Philomatho gehabt; an dessen Wort / und an die vergifftete Schlangen / die ihn ins Hertz gestochen / und das Gesicht zerrissen: schloß alsbald dahin / daß dieses die Erfüllung dessen seyn müste. Da er aber der Schlangen gedachte / überfiel ihn eine Forcht / die der Todes-Angst nicht unähnlich war / dadurch er gleichsam sich zum Tode verdammet beförchtete. Forcht und Eyfer rathschlagten miteinander / wie dieser Noth abzukommen. Ins Gefängnus zu gehen / war seiner Großmütigkeit viel zu wider; auch gedachte er / was wird Macarie sagen /wann Polyphilus gefangen ligt? Unter der Rott böser Buben geführet zu werden / verdirbet meine Ehr bey männiglich. In Forcht des Todes zu leben / ist ärger /als stündlich zu sterben: darum war das der letzte Schluß: lieber ehrlich gestorben / als schändlich gelebt. Was geschicht? In sein Schwerd zu fallen / wolte die Gelegenheit nicht leiden / dann die Hüter waren da. Durch ihren Grimm zu sterben / war wieder kein Ruhm. Dann er den Namen nicht führen mochte / als hätte er seine Ehr beschützen wollen gegen denen /die keine Ehre hatten / oder selbige seiner Spitzen gewürdiget: so wär es wieder schändlich gewesen /wann er durch ihre Schärffe hätte fallen sollen. Möchte Talypsidamus sein Unglück mit seinem Leben enden / wäre diß der grösseste Dienst gewesen / den jemals ihre Freundschafft erfordert: doch wolte auch dieses nicht angehen. Darum nahm er ihm vor / weil er sonderlich der Macarien schuldig war / sein Leben entweder mit Ehre zu retten / oder auch ohne Schand zu enden / er wolle sich in das Wasser stürtzen / sey es ihm gnädig / wolle er dem Himmel dancken / ersäuffe es ihn dann / sey er schon zu frieden / wann nur Macarie wisse / daß er ihrentwegen auch seines Lebens nicht geschonet. Der Schluß ist gemacht: Polyphili Arglistigkeit vermochte auch leicht alles nach Begehren zu vollbringen / sonderlich aber diente hierzu das Haus des Schiff-Patrons / von welchem die / so aus und eingehen musten / eine Bruck über das schnell-rauschende Wasser führete / da sich keiner ohne Verlust des Lebens hinein wagen dörffte. Wie machts aber Polyphilus / daß er vor das Hauß heraus komt / ehe er von der grimmigen Rott angegriffen wird? Er wincket dem Schiff-Patron / und bittet /durch die Pflicht ihres Verbündnüs / daß / so er ihm einmal getreu sey gewesen / er dißmal bey den Soldaten auswürcken möge / sie sollen ihm / auf sein Wort / nur biß auf die Brucken erlauben / allda er in geheim etwas von Macarien mit ihm reden wolle / das er befürchte / es möchte allhier nicht verborgen bleiben. Versprach darneben bey Treu und Glauben / daß er mit keinem Fuß die Flucht nehmen / oder nur selbige gedencken wolle; weil ihm ohne das auch unmüglich wäre / ohne Schiff von dieser Insul hinweg zu kommen. Talypsidamus / sich nichts böses beförchtend /trauete allem dem / und gedachte / Polyphilus würde sich bey Macarien / seiner Gefängnus halber entschuldigen lassen / beredete derowegen die Soldaten / daß sie / auf seinen Glauben / Polyphilum / so weit er begehrte / mit ihm hinaus liessen. Als nun Polyphilus einen gelegenen Ort ersehen / steht er still / und fängt folgender Gestalt an: Treu-geliebter und hertzvertrauter Freund! die Menge der Gutthaten / so ihr mir unverdient erwiesen / kräncket mich freylich jetzo / daß ichs nicht aller Seiten wieder ersetzen kan. Ich weiß doch wol / daß ich sterben muß / und ist ungewiß / ob ich euch / viel weniger Macarien / wieder sehe. Darum / so bitte ich euch / durch aller Götter Erhörung / ja! ich befehle euch / Krafft unsrer Eydverbundenen Pflicht / daß ihr / nach meinem unschuldigen Tod / den die Götter / durch ihre gerechte Rach erweisen werden / bey meiner / ach meiner! ja meiner hertzgeliebten Macarien / ein treuer Zeuge seyd meines Hertzens / welches sie / durch ihre Schönheit / Tugend und Verstand / so fest gebunden hält / daß / so bald diese Seele von meinem Leib scheidet / sie dorten / auf ihrem Schoß / den Ort der Ruhe nehmen wird / und nach meinem Tod geniessen / das ich in diesem Leben / so viel ich mich auch bemühet / nicht erhalten können. Zeuget auch / Vertrauter meines Hertzens! daß mein Geist / nach diesen Tagen / sie zwar offtmals schröcken wird: so bald sie aber ihres Polyphili sich erinnert / und seine ihrentwegen erlittene Noht / ja gar erwählten grimmigen Tod behertziget / sie ihn wieder zu seiner Hölen weisen / und sanfft wird schlaffen machen / so gar begehr ich nichts mehr von ihr / als daß sie meiner gedencke. Ihr aber lebet wol / mit ihr / und rächet meinen Tod /wollt ihr anders sicher leben. Saget ihr auch an / daß ich ihr in diesen meinen letzten Zügen / mehr dann tausend Seufftzer zuschicke / und mehrmals küsse /als ich lebendig hätte hoffen dörffen. Grüsset sie /lebet wol! Mit welchen Worten er sich im Wasser ersäuffte. Talypsidamus voller Schrecken / wuste nicht / was er machen / wie er helffen / wo er rathen könte. Die erzürnte Soldaten drungen mit grosser Macht auf ihn zu / und forderten ihren Gefangenen: Der aber hub an sich zu verschweren und verfluchen / daß er unschuldig wäre an diesem Tod / und daß er nichts davon gewust. Verschaffte derowegen alsbald / daß ihrer etzliche zu Schiff sitzen / ihm nachsetzen / und den todten Cörper aus den Wellen hervor ziehen solten. Es mochte auch der Innwohner Grimm und Zorn nicht so groß seyn / daß sie nicht alsobald zum Mitleiden bewegt / ihre That bereueten: aber Talypsidamus beweinte seinen Polyphilum / und kunte sich nicht trösten. Die geschwinde Fluth der durchdringenden Wellen bedeckten den Polyphilum / daß man ihn nicht mehr sahe / und ob ihn der Schiff-Patron 3. gantzer Tag lang suchen ließ / konte er ihn doch nicht erlangen. Deßwegen er hoch bestürtzt / sich wol wunderte über die Künheit Polyphili / und wie er / seine Ehre zu retten / den Tod nicht gefürchtet: aber auch wegen der frechen That / und daß er so einen guten Freund verlohren / sich hertzlich bekümmerte. Der Abschied / den er von ihm genommen / nötigte den Schiff-Patron / daß er zur Macarien gehen / und seine Pflicht beobachten muste. Diese / so bald sie erfuhr / was da geschehen / und wie sie Ursach wäre an dem allein; ja! daß er sie hertzlich geliebt / und dessen noch nichts genossen / fieng sie bitterlich an zu weinen. Es häufften die Zähren die Erinnerung seiner erlittenen Noht / es mehrete den Schmertzen die Erkantnus seiner Gedult / alles / was er geredt und gehandelt / vergrösserte die Angst Macarie / und ihres Hertzens Betrübnus. Deßwegen sie dann auch die Gesellschafft dieses Schiff-Patrons nicht länger begehrte / sondern ihn mit höflichen Worten / welche einige nötige Geschäffts-Verrichtung vorwandten / wieder heim eilen hieß. Es waren aber ihre Verrichtung nichts anders / dann bethränte Klagen / und klagbaffte Thränen / damit sie den unschuldigen Tod Polyphili /in ihrer Einsamkeit unverhindert / begleiten könte. Der Schiff-Patron merckte bald / wohin das Hertz der Macarien zielte / derohalben er auch ihr nicht länger verhinderlich / sondern vielmehr beförderlich zu seyn sich befleissete / indem er derselben die letzte Wort Polyphili / mit dem darinnen begriffenen letzten Willen anzeigete / auf Bitt und Befehl Polyphili selbst. Macarie / der ein jedes Wort / wie scharff-schneidi ge Schwerter / durchs Hertz drunge / konte sich dennoch gegen Talypsidamo so unbeweglich stellen / daß er nicht einige Veränderung an ihr mercken konte /bevorab / weil sie / durch solche Wort / aus dem vorigen Traur-Netz heraus gerissen / und in ergrimte Zornstrick / so lang sie ihres Herrn Vettern Gegenwart scheuen muste / geworffen würde. Was / sagte sie / und mit was recht / nennet er mich seine / ja seine Macarien: Durch was Dünckel will er mich seinen Geist schröcken lassen? Aus was Verdienst erwählet er meinen Schoß / zu seiner Seelen Ruhe? In allem hat er warlich weit gefehlet und wird er dessen /auch nicht des Geringsten / keinmal gewürdiget werden. Ich bin und bleibe mein eigen / und keines andern. Sein Schröck-Geist kan auch in seiner Grufft verbleiben: so ist ihm die Erde ein würdiger Schoß /da sein Leib; der Himmel aber / wie ich wünsche und hoffe / da seine Seele ruhe. Sehet indessen / geehrter Herr Vetter! was dieser unter der Tugend-Decke gesuchet? verstehet ihr nun / wie er seine Laster-Tück mit der Tugend verblümen / und mit der Kunst-Begierde decken können? haltet mich nicht für so unklug / daß ich nicht wisse / wie trüglich die Jugend sey / und wie sie nach solchen Tugenden gemeiniglich zu streben pflege / die einem Laster am allergleichsten seyn. Der Schiff-Patron / der dieses alles mit Verdruß anhörte; dieweil er gedachte: es wäre das Hertz Macarie diesen Worten gleich: hielt vergebliche Wider-Rede /und bemühete sich sehr / diese übelgefasste Einbildung der Macarien zu benehmen / mit Vorwendung /daß alles / was Polyphilus gethan / sey aus Liebe gegen Kunst und Tugend geschehen. Und das erwieß er nach solcher Länge / daß Macarie einen viel grössern Verdruß über das bekam / das sie gerne hörete /als vorher Talypsidamus über ihren widrigen Reden erlitten. Dochgefiel ihr diß wol / daß sie aus seiner unnöthigen Bemühung gewiß seyn konte / er habe nicht verstanden / daß sie / in diesem allen / seiner Freundschafft mehr / denn der Warheit beygepflichtet: wiewol auch dem Schiff-Patron in diesem Fall nicht wenig Unrecht geschahe / als welcher so gesinnet war / daß sie ihre Gegen-Gunst ihm nicht bergen dörffen. Aber Macarie war furchtsamer und vorsichtiger /als nöthig war. Endlich gehet Talypsidamus wieder fort / Macarie /die immer heimliche Sorge vor Polyphili ertödeten Cörper trug / fragte: ob der Cörper Polyphili gefunden / oder noch gesuchet werde? Und da sie von dem Letzten das Ja-Wort erhielt / sprach sie ferner: Nun denn / geliebter Herr Vetter! so thut euren Pflichten gemäß / weil ihr ihn so hertzlich geliebt / und seine Kunst und Tugend noch immerdar sehr vertheidiget /versehet ihn / wann er gefunden wird / mit einem ehrlichen Begräbnus. Mit diesem Versprechen scheidete er hinweg / und ließ Macarien allein. Diese / nach dem sie die Thür verriegelt / und alle Eingäng verschlossen hatte / so gar / daß sie sich nun / allein zu seyn / versichern konte / fieng / mit höchstschmertzlichen Senfftzern / und heiß-quällenden Thränen / ihre Kümmernus / und die Widerwertigkeit des falschen Glücks / durch den unversehenen und schmäligen Tod Polyphili / hertzlich und schmertzlich an zu beklagen und zu beweinen / weil sie sich in der grössesten Anfechtung befandte / so jemals der erzürnte Himmel denen Sterblichen zur Straf / und die ergrimmten Götter denen Ubelthätern /zur gerechten Rach / zu schicken können. Wer ihre Gestalt gesehen / konte in Warheit nicht sagen / daß diß Macarie sey. Die erhellende Augen-Sonne / welche vor dem das Hertz Polyphili / mit ihrer Stral-werffenden Hitze / so hoch entzündet / sahe man jetzo durch den rauhen Dunst der Hertz-quälenden Seufftzer verfinstert / und durch den feuchten Augen-Schweiß / gleich einem dickfallenden Regen / verdunckelt / daß sie fast nicht mehr scheinen konte. Das Purpur-Feld ihrer Wangen / das vor dem / durch die Mannigfaltigkeit ihrer Wunder-belibten Blumen / das Hertz Polyphili in die höchste Verwunderung geführt / war nunmehr durch die rauhe Winde der bleichen Kümmernus gantz verdorret / daß es kaum wieder konte ersrischet werden. Die Blut-gefärbte Corallen ihres gelehrten Mundes / mit denen beröhteten Lefftzen / die vor dem / durch ihre erhabene Pracht /den Polyphilum zur freywilligen Dienstbarkeit bereden konten / waren jetzo / durch die Gedult zwingende Ohnmächtigkeiten dermassen verstummet / daß /wofern der kummerhafte Schmertz nicht / mit voller Gewalt / das Hertz durch den Mund heraus geworffen / und also das Schloß zerbrochen / sie folgende Rede / an Polyphilum / nicht hätte vollbringen können. So beklagte sie aber den Tod Polyphili: Ach! daß mich die Gunst des Himmels so hoch geliebet hätte /daß ich entweder gleiche Straffen mit ausgestanden /oder ja keine Gelegenheit irgend überkommen / Strafe zu verdienen! Bist du denn / ertödteter Polyphile! zu deinem und meinem Tod hieher kommen? Woltestu Tugend suchen / und dein Leben verlieren? Ach das ist der unendliche Schmertzen / der mich in die Gruben legen wird / wie er dich in den Strom geworffen. Ach! warum hab ich dir / deine wohl-gemeynte Gunst nicht besser belohnet? Warum hab ich dem treuen Hertzen Polyphili nicht bessern Glauben geben? Polyphile! dein Blick / dadurch du mich von deiner Pein verständigtest / wird mir jetzo ein lauterer Gifft / der meine Seele tödtet / und meine Krafft verzehret. Wird mich nicht hinführo dein Geist schröcken? Ja / komm her Polyphile! unschuldiger Polyphile / komm her! Siehe! da ist die Stätte / da ist der Schoß / den du zu deiner Ruhe begehret. Würdige mich / Polyphile! deine Treu im Tod dir zu vergelten / die ich in deinem Leben dir versaget. Komm / Polyphile! Siehe! da ist mein Mund / den du / in deinen letzten Zügen / zu küssen begehrtest. Siehe! da ist mein Hertz / dem du so viel tausend Seufftzer zuschicktest. Siehe! da sind meine Hände: ach! daß sie dich aus den Wellen könten hervor ziehen / wie sie dich hinein gestürtzet haben! Was wilt du mehr? Polyphile! mich selbsten? Siehe! da bin ich / bitte die Götter / daß sie gerechte Rach an mir verüben / und mich neben dir in den Sternen-Saal setzen / will ich aller Welt gern entnommen seyn. Dann nunmehr ängstiget mich doch dein Tod. Ich arm-selige Macarie / soll ich noch Macarie heissen? Wie ist dann das Gefängnus meiner Besehligungen so hart verriegelt? Ich trostlose Macarie / soll ich noch Macarie heissen! wie ist dann der Wandel meines Lebens dem Namen so hart zuwider? Polyphile / Polyphile! du machest mich sterben / wie ich an deinem Tod Ursacherin gewesen. Nun so fahr ich dir nach / reiche mir deine Hand / Polyphile! daß ich dir nachfahre. Aber du wilt nicht / Polyphile! warum? daß ich dich ertödtet? Ertödte mich wieder / so will ich den Göttern das Versühn-Opffer an meinem Leibe bezahlen. Als Macarie sich so schmertzlich ängstigte / über fiel sie eine krafftlose Ohnmacht / darinnen sie so lang verharrte / biß sie in einen angenehmen Schlaf gerieth / und im Traum den Polyphilum vor sich stehend befand / sie mit freundlichen Worten bittend /sie wolle ihm das Kleinod ihrer Tugend-geziemenden Gegen Gunst nicht länger verhalten: Darauf sie aber nicht ein Wort antwortete / sondern mit Stillschweigen / sein Begehren widersprach / und obwol Polyphilus noch ferner anhielt / mochte er doch nichts erhalten / biß er endlich / mit betrübten Hertzen und weinenden Augen / von ihr scheiden muste. Bald darauf erschien ihr ein ander Bild / das auf sie zunahete / und eine Tafel überreichete / darauf der Name Polyphili in Wachs gedrucket war / welche Macarie annahm / und an die Sonnen setzte / biß das Wachs zerschmoltzen: worüber der / so die Tafel überreichet / mit einem Schwerdt erstochen. Bald nach dem befand sie sich in einer Hölen /unter den wilden Thieren / deren jedes einen Theil vom Polyphilo im Rachen hielt / und daran nagte /konte doch selbiges nicht verschlingen: Derowegen sie / wider ihren Willen / den Raub fallen liessen /und mit grossem Ungestümm auf Macarien zudrungen / sie anfielen / und bald hin / bald her schleppeten / vermochten ihr doch nichts zu schaden. Diesen Schrecken vermehrete ein ander Gesicht /weil sie in einem engen Schrancken zwey junge Ritter auf den Todt kämpffen sahe / deren keiner den andern erlegen konte; und weil sie von denen Umstehenden vernahm / daß diese an statt der Tugend und der Liebe fechteten / wolte sie der Tugend zu Hülff kommen / wurde aber durch die Geschwindigkeit der Liebe / zu samt der Tugend / auf den Boden nieder gelegt. Nach dem sahe sie ein Gesicht / das erschröcklich anzusehen war / voller Eyfer / mit aufgesperrtem Rachen / und Feur-wetzenden Zähnen / das sie doch nicht recht vernehmen konte / ob es einem Menschen /oder sonst einem Thier gleich sahe. Und als dieses verschwunden / wurde sie zweyer schwartz-bekleideten Jungfrauen gewahr / die stätig ihre Augen / so mit Thränen flossen / trückneten / bald auch / als aus Verzweifflung / die Hände ineinander schlugen / und sich kläglich geberdeten. Denen folgte ein kleiner Knab unbekleidet / welcher sich sonder-frölich stellete / und bald diesen / bald jenen anlachete: alle aber / die angelachet wurden / fiengen kläglich an zu weinen. Nach selbigen folgete eine gantze Schaar Lust-tantzender Göttinnen / die mit erhobener Stimm ihre Hertzens-froh besungen / und nichts unter liessen /was zur Vermehrung ihrer angefangenen Lust dienen mochte. Diese Schaar zog einen Gefangenen nach /mit Fesseln und Ketten so wol verwahret / daß er /ohne groß Geklapper und Geräusch / nicht vorbey gehen mochte. Sieben waren der Wächter und Kriegs-Knechte um ihn her. Und dieser war die Ursach ihres Freuden-Spiels. Sie setzten ihn auf einen erhabnen Thron / und verwahreten die Ketten aller Orten mit festen Schlössern / und kam ein jede der Göttinnen /und übete ihre Rache. Endlich trat auf der kleine Knabe / und zog aus seiner Brust / wunderbahrer Weiß / ein Siegel / darinnen das Bildnus Macarie stunde; Darauf ihm eine der Göttinnen etliche verguldete Pfeil darreichte / die er mit solcher Geschwindigkeit / auf den Gefangenen zuwarff / daß man nicht erkennen kunte / wohin er getroffen. Der Gefangene aber fiel todt darnider. Macarie erwachte über den Schrecken / konte sich doch / wegen der starcken Ohnmacht / nicht erheben /bleibet demnach noch länger in der Ruhe. Indessen kommt die berühmte Zauberin Melopharmis / welche der Macarien sonderlich gewogen war / und dannenhero auch dem Polyphilo / als welche / durch ihre viel-vermögende Kunst / ihrer beyder Hertzens-Wunsch schon wuste. Diese gedachte der Macarien eine Freud wieder zu machen / und von der beschmertzten Angst zu erlösen / darum sie folgende Wort mit verständlichen Buchstaben auf den Tisch mahlete / dabey sie schlieff / auf daß / wann sie erwachte / dieselben alsbald ins Gesicht fassen könte. Die Wort aber waren diese: Betrübte Macarie! die Götter haben deine Seufftzer erhöret: dein Polyphilus ist nicht tod: deine Tugend hat ihn nicht gestürtzet; sondern erhalten. Du aber laß ihn geniessen dessen /das er um dich erlitten. Und ob du seiner noch so bald nicht ansichtig wirst / laß dich nichts bekümmern. Ehre seine Kunst in deinem Hertzen: liebe seine Liebe auch abwesend: vergiß nicht seiner letzten Wort: ich habe ihn an fremde Ort geführet / da er sich deiner wird würdig machen: und du wirst selber noch dir zu wider leben. So bald die Wort geschrieben waren /machet sich Melopharmis durch ihre Zauber-Kunst wieder hinweg / aber mit solchem Geräusch / daß Macarie völlig davon erwachet / und dem Gethön nachsiehet / aber nichts ersehen kan. So bald mochte der Schlaf die Augen nicht erlassen haben / daß sie von dieser Schrifft nicht wieder gefüllet wurden. Die Erinnerung ihrer viel-deutenden Träume / der Schrecken über diese unerwartete Schrifft /und der Schmertzen / so sie noch immerdar gefangen hielt / verwirreten sie dermassen / daß sie selber nicht bey ihr gedencken konte / was sie deneken solte. So bald sie aber die erste Wort gelesen / und / wie die Götter ihre Senfftzer erhöret / vernommen / sagte sie alsobald: gewiß ist die Schaar der Unsterblichen hie zugegen gewesen: gewiß ist diß durch ihre eigene Hand geschrieben. Grosse Freude erquickte das Hertz / und die Begierde / was gewisses zu erfahren /verkürtzete die Schrifft dermassen / daß sie in unglaublicher Eil durchgelesen war. Es belustigte sie dieselbe auch so sehr / daß sie wiederum von vorne anfieng: aber die Schrifft verschwand für ihren Augen / welches sie noch mehr stärckete in ihrer Einbildung / daß dieses ein sonder-gnädiges Himmel-Geschicke seyn müsse. Nichts fiel ihr ungelegener / als daß sie nicht mit grösserm Nachsinnen die Wort gelesen / doch blieb ihr dieses in frischem Gedächtnüs /daß sie vernommen / Polyphilus lebe und liebe / dem sie auch allerdings mit einer Gegen Liebe begegnen solle. Welche Erinnerung sie in diese Wort heraus zu brechen bewogen. Wie kan ich dir / günstiger Himmel! in dieser meiner sterblichen Schwachheit nach Verdienst und Gebühr dancksagen / daß du mich durch deine milde Beschützung / in meiner höchsten Bedrangnus / so wunderbarlich erquickest. Darff ich dir Glauben beymessen / in allem dem / was ich mit deinem Finger bezeichnet funden; wie ich dann dir allermassen den Glauben schuldig bin; so verspreche ich dir noch einmal ein ewig Gelubd / daß dieser Tag / vor ein Denck- und Danck-Fest / die Zeit meines Lebens /von mir soll geheiliget bleiben. Ein Denckmal will ich setzen an diese Stätte / da ich von so grossen Schmertzen erlöset / und all mein Kummer sich geendiget. Ein Danck-mal soll jene Stätte tragen / da der lebende Polyphilus meiner zum erstenmal ansichtig worden / und mich / so uns der Himmel begnädiget /noch mehr sehen / und erfreuen wird. Du nur Polyphile! wo du gehest / wo du stehest / da begleite dich die Hut und Wach der Unsterblichen / und führe dich / durch einen sichern Weg / biß du wieder ohne Anstoß zu mir kommest / um Kunst und Tugend zu vermehren: ich will deiner warten. Dieses alles / was wir bißher von Macarien erzehlet und vernommen / war aus keinem andern Grund / als aus Mitleiden / gegen dem Polyphilo / geredt und gethan / als welcher / durch die falsch-gefasste Hoffnung / Tugend und Kunst bey Macarien zu erwerben /sein Leben einbüssen müssen: Wiewol die Gedancken Polyphili weiter giengen / der ihm wol gar einbilden dorffte / (wie er denn einen hohen Sinn führete / der ihm offt mehr durch das blinde Glück / als nach seinen Würden / oder Vermögen / sein Begehren gewährete /) mit Macarien in solche Verträulichkett zu kommen / daß ihrer beyder Hertz ein Wollen und ein Beginnen dichte / ja! daß man gar sagen müsse: Polyphilus und Macarie sind eins: welches doch noch weit im Felde war / und eher zu wünschen / als zu hoffen. 10. Absatz Zehender Absatz Beschreibet die Errettung Polyphili / durch Melopharmis geschehen / die ihn zu dem versenckten Schloß geführt / und was sich allda ferner mit ihm begeben: Lehret / wie dennoch der gnädige Himmel ein wachendes Auge habe auf die Tugend-verliebte /und seine Hülff wol verberge / aber nicht entziehe. Nun müssen wir wieder zum Polyphilo kommen / und besehen / wie es selbigem ergangen. Alle und jede hielten ihn vor todt / und konte die Tieffe des Wassers / und die brausende Wellen nichts anders zeugen / als daß sie Polyphilum verschlungen: welches über das bekräfftiget wurde / weil der ertränckte Polyphilus / oder dessen entseelter Cörper / nicht konte gefunden werden; daher sie alle schliessen wolten / er wäre von einem Meer-Thier verschlungen / oder an einem Anstoß im Wasser hangen bliebe. Aber wie weit ein anders und bessers hatte die Vorsehung des gütigen Himmels beschlossen. Es muste dannoch waar seyn / daß die ergrimmete Boßheit der Menschen / mit aller ihrer List und Gewalt / nicht erdrucken könne / was die Erhaltung der allgewaltigen Götter / durch ihre Begnädigung / erauicken will. Denn /da sich Polyphilus / sein Leben zu verderben / und sich aller Welt Schande zu entbinden / mit völliger Verzweifflung ins Wasser stürtzete / kam er auf den Weg / selbiges / mit desto grösserer Glückseeligkeit und berühmter Ehre / zu erhalten. Melopharmis / davon wir allbereit oben gehöret /und deren Kunst-kündige Zauberey / war dem Polyphilo so geneigt / daß sie ihn unversehrt / und mit unglaublicher Behendigkeit / durch den Strom / bey etzlichen Feld-Weges weit / wegführete / biß er in die Tieffe versencket / an ein herrlich-schönes Schloß anstieß / in welchem die Innwohner / auch unter dem Wasser / ohne Furcht der Ersäuffung / leben / ja! ohne Verhinderung der Fluten / aus- und eingehen konten. Polyphilus / der nicht wuste / wie ihm bißher geschehen / wegen des erschröcklichen Sausens und Brausens der Wellen / wurde von Hertzen froh / daß er einen solchen Ort erlanget / da er ohne Todes-Forcht Athem holen / und frische Lufft schöpffen dorffte. Ausser dem / daß er nicht wuste / wie er / unversehrt seines Leibs und Lebens / daher gerathen war / wunderte er sich noch so sehr / wie ein so herrlich Schloß in ein Wasser gebauet / und die Menschen / ohne Verletzung / daselbst leben könten. Es war aber dieses Schloß vor dem / durch eben der Melopharmis Zauberey / von dem Meer verschlungen / und unter die Tieffe versencket worden / aus Ursach / weil dieser Melopharmis einiger noch unerwachsener Sohn / von diesem Schloß / durch Untreu eines alten Weibs / Cacogretis genannt / in das Meer gestürtzet worden. Diese blutschuldige That nun zu rächen / hatte sie nicht allein das alte Weib mit Gifft ertödtet / sondern auch diß köstlicherbaute Schloß /durch ihre Zauber-Kunst / versincken heissen / so lang / biß ein edler Jüngling / diese Unschuld bezahlte / und sie wieder einen Sohn bekommen hätte. Polyphilus / dem der Ort nicht übel gefiel / beschloß bey sich / vollends hinein zu gehen / und die Burg zu besehen. So bald er aber an das innere Thor gelangete / ward er etzlicher geharnischter Männer gewar / die ihm den Fortgang verwehreten / und ob er wol demühtig und inständig anhielt / mit Bezeugung /daß er kein Gemüt einigen zu beschädigen / oder auch anzufeinden hätte; ja mit dem / daß er gantz Wehrloß / auch keine Mannschafft nach sich führete / seine Wort gnüglich bekräfftigte: war doch alles vergebens / und hätte Polyphilus / glaub ich wol / ehe den Grimm aller erzürnten Götter begütigen / als den groben Unverstand dieser Soldaten zwingen können. Derowegen dann endlich Melopharmis gezwungen wurde / mit Behülff ihrer Zauber-Kunst / dem Polyphilo offene Thür zu machen / und ihn unvermerckt /durch die verblendete Wach / ohne Verhindernus / in das Schloß hinein zu führen. Sieben Thor muste er durchbrechen / biß er in den Vorhof gelangete. Die aufgeworffene Thämme / und hoch-geführte Wälle / mit den fest-verwahrten Mauern / Thürnen / und was sonst dem Feind zum Schrecken aufgeführet war / gab alles gnügliche Ursach /sich theils über die Kunst-reiche Erfindung / theils über die mehr als Menschliche Verrichtung / am meisten aber über die Güte des Himmels zu verwundern /welche den menschlichen Verstand so hoch begabet /daß er nicht mehr menschliches / sondern Göttliches gedencke und erfinde: Wie dann in Warheit diese Burg mit allem Recht eine Himmel-Veste hätte können benahmet werden. So war auch an der Zierde und Schöne kein Fehl / daß sie nicht einem jrrdischen Paradeiß hätte sollen gleich geachtet seyn; so gar war alles auf das herrlichste und köstlichste zugerichtet: sonderlich rauscheten im Vorhof die Blätter-gezierte Bäume / die Lust-springende Brunnen / mit denen lebendigen Wassern / aufs lieblichste. Allerhand Arten der Vögel flatterten durch die Laub-dicke Büsche /und erwecketen mit ihrer erhellenden Stimm eine solche Anmutigkeit / daß ihm Polyphilus gefallen ließ /unter ein erbautes Linden-Zelt seinen Sitz zu nehmen / und dieser Lufft- und Wald-Music ein wenig zuzuhören. Ohren und Augen hatten genug / daß sie sehen und hören konten / so viel artige Lust-Spiel erregte das himmlische Geflügel. Bald nahm eine ihren Flug mit geschwinder Behendigkeit durch das gestemmte Wasser / und fiel als ertruncken wieder hernieder / so bald es aber auf den Boden fiel / ward es alsbald wieder lebendig. Bald wanderten sie alle / so viel ihrer da zugegen waren / durch die ausgespante Lufft / hielten an einem Ort beysammen / und erhebten dermassen ihre verliebte Stimm / daß der widerhallende Echo / aller Orten / seine verschwatzte Zunge / in diesem Vorhof hören ließ. Bald setzte sich ein jede wieder auf die erhöhete Aeste / und sonderlich nahm die muntre Nachtigal ihren Ort auf der Linden ein / darunter Polyphilus ruhete: gerad aber gegen ihm / versteckte sich eine seufftzende Turtel-Taube in eine verdorrete Hecken /aus welcher sie doch bald wieder herfür kam / und sich auf einen andern dürren Zweig setzte / auch mit heiserer Stimm anfieng zu girren / weil sie ihre Buhlschafft verlohren. Dieses verursachte Polyphilum / daß er / aber / ach mit Schmertzen! an seine Macarien gedachte / wünschete nicht mehr / als daß sie wissen möchte / daß er lebe: wiewol er keine Hoffnung hatte / dieselbe wieder zu sehen / bevorab / weil er gewiß glaubete / er werde seine noch übrige Lebens-Zeit / mit grossem Kummer / in dieser Vestung enden. Tausendmal schauete er das girrende und betrübte Täublein an /und so offt er sie anschauete / so offt zog Macarie seine Gedancken zu ihr. Die Nachtigal aber / so voller Freundlichkeit über ihn auf das lieblichste kitterte /hielt gleichsam der klagenden Turtel-Tauben das Widerspiel / dermassen / daß Polyphilus diesen erfreulichen lieb-vollen Streit / zu einem Zeichen deutete /dadurch sein / und seiner Macarien / so betrübter / so erfreuter Zustand vorgebildet würde. Deren Ursachen halber / und weil der Ort und die Zeit nicht wenige Gelegenheit schencketen / nahm Polyphilus seine Tafel / und verfertigte folgendes Gedicht: Wer sich einander hertzlich gibt / Der liebt den / der ihn wieder liebt / Und kan sich sonst an nichts erlaben: Das Turtel-Täublein fleucht und girrt / Wann sie nicht bald sieht ihren Wirth / Und in gewollter Zeit kan haben. Die Nachtigal zwittert und kittert in Lüfften / erfreuet / verneuet / was altet mit Leid / verstecket / bedecket die Wintrende Zeit / gibt fröligen Lentzen in grünenden Klüfften: Doch läst sie bald und bald auch Klage-Lieder klingen / die keusche Nachtigal kan mannigfaltig singen. Wie sitzest du von aller Freud / in der betrübten Einsamkeit / und auf verdorrte Bäum und Hecken? Daß du must unbepaaret seyn / Du frommes Turtel Täubelein / macht dir den Leid-erfüllten Schrecken. Was / klingende Nachtigal! klinget dein Wallen / dein Honig-versüssetes Kehlen-Gethön? Laß / Fröliche! seelige Seelig bestehn / Laß füllen den Willen das liebe Gefallen / Laß deine frohe Stimm nicht Leid und Trauren kittern: Laß den beschönten Klang nicht als erfreulich zwittern. Die Turtel-Taub den klaren Fluß / so offt sie dürstend trincken muß / betrübt zuvor / mit ihren Füssen: nichts soll erhellen ihre Noth / die ihrer Buhlschafft bittrer Tod / doch kan / durch keine Lust / versüssen. Die muntere Nachtigal suchet hingegen die quellende Wellen / die wellende Quell: verlanget die Felsen-abrinnende Fäll / wo keine bepfützete Wasser sich regen: Doch kan sie meisterlich die hellen Augen trüben / wann sie benetzet sind / durch das betrübte Lieben. In diesen Gedancken saß Polyphilus wie lange / und sahe nach dem Unterscheid der Gedicht / bald die Turtel-Taube / bald die Nachtigal an / deren jene den Schmertzen mehrete / diese aber linderte: biß er endlich von Leid und Freud bestritten / folgendes Sonnet / auf die Gleichheit seines betrübten Zustandes /und der Turtel-Tauben klagen / verfertigte / dieses Inhalts: So sag / Frau Nachtigal! was dir von mir gebühre? Sag / Turtel-Täubelein! was schröcket deinen Sinn? der auch mich schröcket jetzt? dieweil ich gleich so bin verlassen und allein; dieweil ich eben führe den Dienst der Einsamkeit / und nichts als Trauren spüre / weil ich sie nicht mehr seh; ja / ja / ich bin / wie du / betrübt und voller Noht; ich habe keine Ruh / weil ich in Unruh bin. Dann was ich jetzt berühre / ist doch die Liebste nicht. Drum wehl ich deine Zeit / drum lieb ich deine Werck / in dieser Einsamkeit. Du aber / Nachtigal! du tröstest das Betrüben / er freuest meine Noht / versprichst mir ihre Gunst / die mich hieß sterben heut; vermöchte deine Kunst mich wiedergeben ihr: wollt ich dich ewig lieben. Nun / sprach er bey sich selbsten / als er das Gedicht verfertiget / wolte ich / daß meine allerliebste Macarie diese Wort lesen solte / damit sie gewiß wissen könte / wo und wie ich lebte. Indessen er aber noch andere geheime Gespräch mehr erkiesete / siehet er ohngefehr einen jungen Knaben / durch den Hof / zum Wasser eilen / allwo er / seiner Gewonheit nach / mit sprützen / rinnen / und dergleichen Kinder-Beliebungen mehr / seine Zeit verderbte. Polyphilus / der daher schliessen konte / daß noch mehr lebende Menschen vorhanden seyn würden /floh das Gesicht des Knabens / aus Forcht / er möchte durch ihn verrathen / von den Inwohnern wieder hinaus gestossen / und endlich ersäuffet werden: Zuvor /weil er wider Wissen und Willen der bestellten Wächter herein gangen. Aber es gieng dem Polyphilo / wie denen / die die Tropffen fliehen wollen / und in den Platz-Regen gerathen / dann da er von dieser Linden hinweg / unter etliche Feigen-Bäume sich verkriechen will / fällt er einer erbarn alten Matron in die Hände /welche eben damals Frucht von diesen Bäumen suchete. Wie sehr Polyphilus erschrocken / kan männiglich leicht ermessen / doch weil er keinen bessern Rath damals erfinden konte / als seine Unschuld zu bezeugen / und / wie er daher gerathen / zu eröffnen / nähert er mit schuldiger Ehrerbietung auf die Matron zu /und weil er sahe / daß sie an Jahren und Verstand mit gutem Recht seine Mutter seyn und heissen könne /auch durch diesen Ehren-Titul viel zu erwerben sey /wol wuste / fieng er mit folgenden Worten an sie zu grüssen: Edle Matron / und meiner noch frühen Jugend / wolwürdige / vielgeehrte Mutter! die unvermuthete Ankunfft eines fremden Gastes erschröcke sie nicht so gar; auch mißfalle ihr die so wollende Versehung der allweisen Göttlichen Regierung nicht so sehr / daß sie mir einige Ungnad erweisen / oder von ihren Augen verstossen wolle: sondern sie begnädige mich vielmehr / meine kurtze Rede anzuhören / wird sie bald vernehmen / wie das feindselige Glück mich /an statt eines Ballen / gebrauche / und wider mein Wissen und Willen / bald hie bald dort hin werffe. Auch wundere sie sich darüber / daß ich Frembder und Unbekandter / an diesen Ort / der unter den Wassern verborgen / mit solchen Mauren beschantzet /und so starcker und scharffer Wacht versehen / ohne Lebens-Noht und unverhindert gelangen können. Ich /meines Theils / wie ich selber nicht weiß / durch wen / oder auf was Art ich daher geführet worden /glaube vor gewiß / es sey durch die allwaltende Vorsehung des gnädigen Himmels / und zwar / entweder mir selbsten / oder doch einem dieses Orts / wo nicht beyden / zum Besten geschehen. Doch ist diß alles ungewiß: solte aber meine geringe Jugend / durch ihren schwachen Arm / diesem Lust-gebährenden Ort / einigen angenehmen Dienst erweisen können /würde ich solchen mit dem Namen eines erwünschten und verlangten Glücks bezeugen. Unterdessen bitte ich / so es müglich / mich unter ihrem Schutz zu behalten / und / ist mir der Himmel gewogen / ihrer Freund schafft theilhafftig zu machen. Mit diesen Worten bückte er sich auf die Erden /erwieß ihr seine schuldige Demut / und nahm daher Ursach ihre Hände zu küssen: welches alles dann /dem Polyphilo guten Willen erwecken / und die Gunst dieser verständigen Matron dergestalt erwerben konnte / daß sie auf folgende Art antwortete: Geehrter Freund! freylich wundert mich nicht wenig / wie ihr an diesen verborgenen und gefährlichen Ort lebendig gelangen können. Haben dann die Wasser ihre sonst gewöhnliche Natur ausgezogen? Sind unsre Mauren und fest-geführte Wälle eingefallen? haben die Wach-haltende geschlaffen / oder sind sie unsehend worden? Jenes ist nicht glaublich; dieses sehen wir anders vor Augen / und das Letzte darff ich nicht hoffen. Wie seyd ihr dann zu uns herein kommen? Eurem Vorgeben nach / wisset ihr selber nicht wie / welches mir doch so grossen Zweifel macht /daß ichs vor unmüglich halte. Soltet ihr von der wollenden Vorsehung des allwaltenden Himmels daher geführet seyn / möchte freylich solches nicht umsonst geschehen: und hätten wir uns sämtliche dessen hertzlich zu erfreuen / wann unsre bedrangte Gefängnus /durch etwa euern Arm solte aufgelöset werden. Ich muß bekennen / daß dieses etwas neues und ungewohntes ist / ja! über die Vermögenheit menschlichen Beginnens. Auch ist / die die Zeit unsrer Verbannung / kein Lebendiger / ausser euch / zu uns kommen. Dörfft ihr derowegen nicht bitten / euch in unsre Freundschafft aufzunehmen / so fern ihr mir alle Umstände erzehlen und bekennen werdet / durch was Geleit ihr zu uns kommen. Versichert euch / daß ihr /von diesem gantzen Hause / allen Willen und Ehre zu erwarten habt. Polyphilus / dem dieses willige Anerbieten nicht wenig Freude verursachete / bekandte allerdings frey heraus / wie er aus seinem Vatterland Brunsile / durch die Widerwertigkeit des Glücks / zu der Insul Soletten gerathen / allda mit einem / Namens Philomathus /Freundschafft aufgerichtet; welche ihm aber das neidische Glück mißgönnet / deßwegen ihn durch der Wellen Macht an einen unbekanten wilden Ort geführet /und nicht ehe wieder hinbracht / biß er / Philomathus / durch ein Schwert eines unbekandten Ritters gestorben. An dessen statt ihm aber die Gunst des gewogenen Himmels einen andern Freund bescheret /welcher ihm dermassen hülffreiche Hand geleistet /daß / wann er nicht durch einen betrübten Fall von ihm getrennet worden / er sein Verlangen / das einig nach Kunst und Tugend stehe / mit leichter Müh erfüllen können. Darauf fragte die Matron: was das vor ein betrübter Fall gewesen? Ach! sprach Polyphilus /es ehret und nehret die Insul Solette eine Göttin der Tugend / die sie Macarien nennen / bey dieser wurde mir gestattet ein- und auszugehen / und meine Tugend-Ubungen zu stärcken: wie aber das mißgönstige Glück durch ihre Blindheit immer wider dieselbe streitet / also hat selbiges auch seine Waffen wider mich gerichtet / und / da ich das erstemal bey gedachter Tugend-beliebten Macarien gewesen / und nun wieder zu vorgedachtem meinem Eyd-vertraute Freunde heimkehrete / mich dermassen vertrieben / daß keine Hoffnung mehr ist / sie zu sehen / viel weniger zu sprechen. Dann / weil ich ein Fremdling / wurde ich von den Innwohnern der Insul / vor den Mörder Philomathi angesehen / deßwegen sie mich fangen /und in Verhafft legen wolten. Die Schmach / so ich beförchtete / vermochte mich dahin / daß ich lieber mein Leben / als meine Ehre zu verlieren suchete. Deßwegen ich / ehe gewaltige Hand angeleget wurde /mich ins Wasser stürtzete / meinen Ruhm der Macarien durch meinen Tod zu erweisen. So bald ich aber im Wasser versencket / von denen hoch-steigenden Wellen überfallen wurde / ward ich gleichsam bey einem Seil durch die Fluth gezogen / welche als gewölbet mich umschlossen / daß das Wasser nicht auf mich zudringen konte / biß ich an diesem Schloß angestossen / mein Leben zu erretten / herein kommen bin / unwissend und wider Willen deren bestellten Wächter. Die Matron vor Freuden gantz entzücket / vermochte kaum die Zeit zu erwarten / daß Polyphilus ausgeredt / so voll ward sie des Verlangens ihrer Entbindung / da sie den Namen Macarien nennen hörte. Sie fiel Polyphilo um den Halß hertzete und küssete ihn / mit diesen Worten: so seyd ihr gewiß Polyphilus / unser Erretter! und indem machte sie ein solch Freuden-Geschrey / daß so viel deren verborgen lagen / alle / aus dem Schloß hervor / in diesen Hof kamen / um zu vernehmen / warum diese Matron so freudig sich behägte. Polyphilus / gantz erstaunend / konte mit all seinen Sinnen nicht erreichen / wie es doch ewig komme /daß diese unbekandte seinen Namen wuste / ehe er selben offenbaret. Und wiewol ihm allerhand Gedancken beyfielen / wolte doch die Gelegenheit der Zeit nicht gestatten / daß er eyferiger und sinnlicher der Sachen nachdencken könte / weil er genug zu schaffen hatte / daß er einem jeden mit gleicher Reverentz und schuldigem Gruß begegnete. Das Knäblein / so noch immerfort bey dem Brunnen gespielet / war der erste /der auf die Matron zulief / und die Ursach ihrer freudigen Geberden forschete. Dieser war der Sohn Melopharmis / so vom Schloß ins Wasser gestürtzet / und dasselbe nach sich gezogen. Es wusten aber die Innwohner nicht / daß sie von der Zauberin in solch Elend gestürtzet: sondern waren in der ungegründeten Meynung / es wäre diß die Rach der Götter: deßwegen sie dann das Kind hochhielten / wie aus der Antwort dieser Matron zu sehen / in dem sie auf sein Begehren / mit folgenden Worten / ihm die Ursach ihres Jubels eröffnete: Lieber Sohn / ich erfreue mich /wegen dieses fremden Gastes / der kommen ist / dich deiner betrübten Mutter / mich aber / mit alle den Meinigen / dem Liecht der Sonnen wieder zu geben. Und nach diesem fieng sie mit erhobner Stimm / doch ein wenig von Polyphilo abgewand / zu den übrigen allen an: Liebe Getreue! der Gehorsam / den ihr mir /ohne Widerrede / auch in diesem meinem Fluch erwiesen / wird heut der gnädige Himmel / an euch allen vergelten. Ihr ehret mich / und habt mich bißher / als eure Königin / geehret / wiewol mein Reich /mit samt der Cron / im Wasser versencket gewesen /und ich billiger euch dienen / als durch welche ihr in diß Elend gerathen / dann beherschen sollen. Nun wisset / daß der barmhertzige Himmel mein Flehen erhöret / und mich mit den Stralen seiner Gnaden hinwieder bescheinen werde. In kurtzen werden wir / aus dem finstern Wasser / wieder an das Liecht der Welt gebracht werden. Da versprech ich euch / daß ihr aller deren Dienste / so ihr mir biß daher / in so gehäuffter Meng / erwiesen / aufs reichste geniessen sollet: wofern ihr mir noch diesen letzten Gehorsam leisten /und meinem Befehl nachkommen werdet / daß ihr allermassen / wie ich euch gebiete und führe / stillschweigend folget / und was ich mit diesem unsern Erretter / dem ihr jetzt alle mit Königlicher Ehre begegnen sollet / rede oder verrichte / wol zu Ohren und zu Hertzen nehmet / der Zungen aber ein Strick anleget / und sie nicht aus unbedacht fahren lasset / wolt ihr anders mich / mit euch / nicht in das ewige Verderben stürtzen. Sehet! da steht unser Polyphilus /von dem die zwo Tafeln in unserm Tempel reden / er hat sich kunt gethan / in dem er Macarien / so auch auf den Tafeln benennet wird / genannt: und die allmächtige Hand des Himmels hat ihn wunderlich und unversehrt durch das Wasser zu uns herbracht; zu uns: ja! unserer Erlösung. Es waren aber diese Tafeln von der Zauberin Melopharmis aus Ertz gemacht / und zugleich mit Versenckung des Schlosses / durch ihre viel-vermögende Kunst / in den Tempel versetzet / mit folgender Schrifft: Wann das Gelübd der Einsamkeit wird durch Polyphilum aufgehoben seyn / wird das Wasser wieder geben was es verschlungen; und wann die Mutter ihren Sohn überkommt / wird Macarie unter einem fremden Joch gefangen liegen. So bald Polyphilus von einer Tafel höret / darauf der Name Macarien mit Polyphilo stunde / eilete er mit grossem Verlangen selbige zu sehen. Dann mehr wuste er noch nicht davon. Es erinnerte ihn aber die Matron / daß seinem Verlangen kein Genugen geschehen könne / er habe sich denn zuvor mit dem Himmel versöhnet / daß er würdig werde in diese Tempel zu gehen. Dann / sagte sie / der Tempel / darinnen diese beyde Tafeln verwahret sind / ist der dritte / und können wir zu dem nicht gelangen / wir gehen denn zuvor durch den ersten und andern / deren jeder von uns heilig gehalten wird. Die Begierde / so Polyphilum nach dem Tempel zog / vermochte dißfals so viel / daß wenig fehlete / er hätte sein selbst vergessen / und sich aus der Zahl der sündlichen Menschen geschlossen; weil er mit kurtzen Worten antwortete: Er wäre ihm nichts böses bewust /also hätte er auch keine Ursach sich mit dem Himmel zu versöhnen. Darauf fieng die Matron an: so seyd ihr gewiß allein unter den Sterblichen / der seinen Wandel ohne Verbrechen führe. Sehet / wie ihr euch selbst bethöret. In dem Augenblick habt ihr die gerechte Götter erzürnet / indem ihr / als ihr Geschöpff / euch eurem Schöpffer gleich achten / und euch allen menschlichen Gebrechen entziehen wollet. Soll ich euch weiter führen? Sagt mir / was hat euch in den Fluß gesturtzet? So viel ich aus eurer Erzehlung schliessen kan / ists in Warheit nicht einig die Rettung der Ehr / nicht auch allein die großmütige Tugend / viel weniger die vorsichtige Kunst: sondern allen Umständen nach / die verführende Liebe / deren grösseste Kunst / und endlicher Lohn ist / daß sie ihre Getreue in die Verzweifflung versencke. Das alles aber / obs schon wol getroffen war / sagte die Matron doch nicht / als wann sies gewiß gewust /sondern / weil sie den Innhalt der Wort / so auf der Tafel bezeichnet stunden / durch die Erzehlung Polyphili erkläret / nunmehr leicht fassen konte; sich auch beförchten muste / wann Polyphilus von nicht-ziemender Liebe eingenommen / und sich / durch diese Tempel zu gehen / unterfienge / alle ihre Hoffnung zu stäuben würde; weiln kein solcher in den Tempel der Tugend gehen dörffte. Auch war das keine unnötige Furcht / weil gleichwol Polyphilus / durch die wunderthätige Hand der Gnad-reichenden Götter / in denen wilden und gefährlichen Fluthen / so mächtig erhalten / und sicher geführet worden: ob er auch deren Güte davor gedancket: darum sprach sie ferner: bedencket auch begieriger Polyphile! die Barmhertzigkeit / die ihr heute durch des Himmels Gunst billich zu rühmen habt. Dencket an die Hülff und gnädige Errettung / dadurch eure Seele aus den Strömen gerissen / und an einen sichern Ort geführet. Dencket auch an die Herrlichkeit / die euch sonderlich vor allen Sterblichen gegönnet / daß ihr unser Erretter /und unser König werden sollet: habt ihr einmal der Güte des HErrn davor gedanckt? warum werdet ihr so bekümmert / und was zeigen die Wasser-rinnende Augen? Was will die geschwinde Traurigkeit? hab ich etwan euer Hertz mit Warheit getroffen? Oder / quälet euer Gewissen die Schärffe meiner getreuen Erinnerung? Freuet euch vielmehr / daß ich / auf diese Art /eure gierige Jugend im Zaum gehalten / und uns /mehr aber euch selbsten / vom Verderben errettet. Bedencket auch dabey / wie ein groß Versöhn-Opfser ihr denen Himmel herrschenden Göttern zu bezahlen schuldig seyd. So es müglich wäre / daß alle Menschen jetzund Polyphilum hätten ansehen können / würden sie ein eigentliches Bild wahrer Reu / und ein Beyspiel eines erschrockenen Hertzens gesehen haben. So gar hatte der Wort-Donner dieser straffenden Matron / die Begierde Polyphili zerschmettert / daß er nur auf die Versöhnung / aber keiner Tafeln mehr gedachte. Dann so bald / als er von dem schuldigen Danck / vor die Wunder-gütige Errettung / hörete / so bald fiel ihm auch sein Versprechen bey / daß er dem Himmel gethan / da er den Schluß gemacht / sich / durch das Wasser / von der bevorstehenden Schand / zu erretten: Wann ihm nemlich dasselbe gnädig sey / wolle er dem Himmel dancken. Diese Erinnerung machte ihm sein Hertz so zerknirscht / daß er sich anfangs scheuete / seine Seele gen Himmel zu erheben / sonderlich /weil es nicht vor sich selbst / sondern aus Antrieb /und gleichsam den Befehl eines andern thate. Doch dennoch / weil er vor Augen sahe / daß die Vorsehung der Unsterblichen etwas sonderliches über ihn beschlossen / auch die Begierde / vorgedachte Tafeln zu sehen / und was sie von ihm und Macarien zeugeten /zu erkennen / allmählich wiederum zu glimmen anfieng / erhub er seine Stimme / und antwortete der Matron folgender Gestalt: Die Scham / so ihr mir durch eure Erinnerung eingejaget; der Schrecken / welcher mich die Ungnade und den ergrimmten Zorn des vorgetreuen Himmels fürchten heifset; und welches das allermeiste ist / ja! das allerschröcklichste / meine übermachte unverantwortliche Boßheit / hat mich so zerschlagen / daß ich nicht weiß / was ich reden / wie ich mich verantworten soll. Mein verdienter Lohn wäre / daß mich der erzürnte Himmel mit einem Feuer-Stral auf dieser Stell verzehren ließ: und an euch / ihr anwesende Freunde und Freundinnen / hätte ich verdienet / durch euer Schwerdt hingerichtet zu werden / indent der jenige /von welchem ihr eure Errettung hoffet / euch in viel grössere Noth gesetzet hätte. Was soll ich thun? Soll ich an der Güte des Himmels verzweiffeln? so geniesset ihr nicht der Dienste / die euch der gnädige Himmel / durch meinen Arm / zu geniessen vergünstiget /ja! versprochen. Soll ich mich eurer Macht ergeben /und nach Verdienst züchtigen lassen; wie könnet ihr mir denn eure Errettung trauen? Soll ich in meinem Befehl fortgehen / und / worzu ich hieher geführet bin / vollenden / so schröcket mich die Furcht / daß ich mich unwürdig darzu gemacht / indem ich mein Werck nicht durch des Himmels Mit-Würckung angefangen / sondern durch eigene Krafft vollbringen wollen. Was hab ich doch gethan / daß ich nun verzweiffelt fragen muß / was soll ich thun? Bist du denn / erzürnter Himmel! nicht mehr zu begnädigen? Seyd ihr denn / ihr meine Freunde! nicht wieder zu begütigen? Die Stralen eurer Freundlichkeit zeugen so / daß ihr mir alles vergeben: Ey / so wird mir auch die Güte des geneigten Himmels mein Verbrechen nicht zurechnen. Rehmet an / ihr Allgewaltige! die Bezahlung des / in meiner Todes-Noht / euch gethanen Gelübds. Ich erkenne / daß ich durch euren Schutz bin vor den Wasser-Strömen sicher; durch euren Arm / vor der Gefahr behütet; durch eure Gnad / bey meinem nunmehr erhaltenen Leben erhalten worden. Ich erkenne es / und erkenne es mit Danck; ja so lange meine Zunge die Hertzens-Gedancken / so hier / so dort / erklären wird / so lang soll sie mit einem ewigen Danck mein Gelübde bezahlen. Darum / so seyd mir gnädig / ihr Barmhertzige! schencket mir die Versöhnung / durch das Geheimnus eures verborgenen Raths / den ihr durch mich wollet erfüllet haben. Machet mich tüchtig / in eurem Willen zu wandeln / und führet meine Werck / wenn ich in euren Diensten stehe. Gedencket auch nicht / wann ich / durch meiner Jugend-Begierde / euch um Macarien; das Wunder-schöne Götter-Kind; den Ausbund aller himmlischen Vollkommenheiten; den unermäßlichen Schatz aller beliebten und belobten Tugend-Verrichtungen; ja / um Macarien erzürnet habe; gedencket nicht daran / sondern verleihet / daß / worauf diese Gefangene so sehnlich warten / sie bald erwarten mögen. Diese Red Polyphili erweckte allen denen / so da zugegen waren / sonderlich aber Atychintidœ / so hieß die Matron / ein solches Nachdencken / daß sie noch einmal zu Polyphilo anfieng: Wir wollen nicht zweiffeln / bestürtzter Polyphile! daß die mild-gütige Götter eure Bekantnus angenommen / und euren Fehler gnädigst vergeben: so habt ihr auch an uns nicht zu zweiflen / weil auch wir Menschen sind / und stündlich / wegen unserer vielfältigen Mißhandlung /straffens würdig: doch gleichwol / weil ich aus dem Beschluß eurer Rede vernommen / wie ihr die Macarien mit so beschönten Worten verehret / daß dergleichen keinem Menschen / sondern allein denen / die in dem Himmel herschen / zukommt / kan ich nicht anders schliessen / als daß ihr solches aus dem Affect der Liebe / die ohne Tugend regieret / geredt. Zwar will ich nicht widersprechen / daß sie etwas sonderliches sey unter den Menschen / auch will ich gern gestehen / daß sie ein köstlicher Schatz voller herrlichen Tugenden / ja! ich will zugeben / daß sie ein Ausbund aller weiblichen Vollkommenheiten sey: und das zwar nach Gebühr / dieweil es das Ansehen hat / als solte auch ihre Hand nicht ferne von unser Errettung stehen; aber doch folget da lange nicht her / daß sie ein Götter-Kind / daß sie ein Ausbund himmlischer Vollkommenheiten / mit Recht und Verstand / könne genennet werden: sondern das folget / meinem Erachten nach / daß Polyphilus vor dißmal ohne Verstand und Tugend geredt / und die begütigte Götter wieder aufs neu erzürnen können. Wisset ihr / Polylus! warum ich euch so scharff erinnere? höret mir ein wenig zu /werdet ihr die Ursach bald vernehmen. So viel ich durch die Erzehlung meiner Vor-Eltern bin verständiget worden / haben einsmals die Sterbliche wider den grossen Götter-Rath Klage geführt: wie sie ihre Gaben / so gar ungleich / ausgetheilet / und diesen zum Herrn / jenen aber zum Knecht gemacht; diesen zu hohen Ehren / jenen aber in tiefste Verachtung gesetzet; diesen mit reichen Gütern / jenen aber mit Hunger-quälender Armuth beschencket: da doch offt der geringe wol mehr verdiene / als der Mächtige; offt der Knecht würdiger / denn der Herr; der Arme verständiger / als der Reiche / oder / da ja zum wenigsten / einer so gut / als der ander. Dieser Klag nun zu begegnen / hat die Weißheit der Götter es also verordnet / daß männiglich seine Beschwernus andeuten /und ein Gewisses benennen solle / was er zu klagen hätte. Da hat sichs funden / daß der gantze Welt-Hauf sich in drey Theil entschieden / deren jeder wider den andern Klage geführet. Der erste war der jenige / welcher die Kunst und Tugend zum Führer hatte: Dieser wurde verklagt von dem andern / welcher dem Glücks-Führer folgete: Und dieses andere wiederum vom dritten / welcher der Liebe gehorsamen muste. Die Klagen waren diese: Die Glücks-Diener beschwehrten sich ihrer Unbeständigkeit / wie alles bey ihnen so eitel wäre: Da hingegen die Tugend-Werber alles beständigen Segens zu geniessen / der nicht vergehe. Die der Liebe dieneten / klagten über die Beständigkeit ihres Kummers und hertzlichen Betrübens: Da hingegen die Glücks Freunde offt und offt erfreuet und getröstet: Sie aber im unvergänglichen Jammer braten müsten: und diese alle beyde wurden endlich von dem Tugend-Orden beschuldiget / wie sie ihr eigen Glück mit Füssen stosseten / und sich freywillig in ihren Jammer setzeten. Die Antwort wurde den dreyen: daß ein jedweder seines Glücks oder Unglücks eigene Ursach sey. Mit welchem Schluß und Bescheid sie zu frieden seyn musten. Damit aber nach dem denen Sterblichen keine Gelegenheit bleibe / einige Klag mehr über die ungleiche Austheilung der Güter / wider die Gerechtigkeit des Himmels zu führen / haben sie einmühtig beschlossen / denen dreyen Sonnen klar zu zeigen / wie sie sich verhalten / und ihren Wandel so anstellen möchten / daß sie allerseits zu frieden / keiner über des andern Vorzug klagen könte. Dieses solte geschehen durch Erbauung dreyer Tempel / deren jeder seinem Theil zeige und lehre /wie er auch des Segens könne geniessen / mit welchem der andere vor ihm beglücket. Die Verrichtung wurde von dem gantzen Götter-Schluß dreyen Göttinnen gegeben / denen sich nemlich diese 3. unterschiedene Partheyen selber zugeeignet hatten / der Pallas /der Fortuna und der Venus. Diese drey nun sind Urheberin dieser Tempel / die ihr / edler Polyphilus! vor euren Augen sehet / und hat ein jede ihren müglichsten Fleiß / so wol an dem Grund-Bau / als der Auszierung gelegt / ja / alles so vollkommen und herrlich darinnen geordnet / daß / wer Kunst- Tugend- Glück-und Lieb-begierig ist / sich darinnen dergestalt ersehen kan / daß / so fern er dem nachkommet / hinfort kein Unfall mehr seinen Wandel trüben kan. Sie haben auch / wie ihr im Eingang sehen werdet / einem jeglichen Tempel seinen besondern Namen gegeben: den ersten genennet den Tempel der Tugend; welchen aber wir Menschen der Pallas widmen; den andern /den Tempel des Glücks / welchen wir auch der Fortun heiligen; den dritten / den Tempel der Liebe / in welchem wir der Venus opfern. Noch über das ist diß Verbot hinzu gesetzet / daß keiner in den Liebes-Tempel gehe / er sey dann zuvor in dem Glücks-Tempel gewesen; keiner auch in diesen gelassen werde / er habe dann den Tugend-Tempel durchsehen: zu allen dreyen aber männiglich der Zutritt verschlossen sey /der sich nicht zuvor mit den Göttern versöhnet / oder sonst ein Leben ohne Tadel führe. In dem ich nun dieses ersinne / und eure Wort ingleichen behertzige /finde ich / daß ihr von der Macarien in solche Strick geführet seyd / welche die Tugend binden / und alle Laster lösen. Ist dem also / werdet ihr diese heilige Stätte nicht betretten / und wird an eure Statt uns Hülffschreyenden ein anderer Erlöser gegeben werden. Lasset ihr aber solche Gedancken fahren / und liebet nur den Verstand und die Tugend Macarien /werdet ihr eures Verlangens / nach allem Wunsch /theilhafftig werden. Aber / das sag ich / teuschet uns nicht / und gehet nicht in euer Verderben / habt ihr nicht gnädige Götter / so folget mir nicht in den Tempel / dann es ist besser den alten Zorn ertragen / als aufs neue vermehren. Polyphilus / der sich über diese Erzehlung höchlich verwunderte / sahe doch bald / daß es ein Gedicht der Heyden / und keine Warheit sey. Dann es gar nicht glaublich / daß die Götter Tempel bauen / oder den Menschen in solchem Fall Gehör geben würden: Weil er aber ohne das wuste / daß hohe Sachen glücklich zu führen / die gnädige Hülff des all-vermögenden gewaltigen Himmels höchst-nöthig sey: auch in heilige Tempel zu gehen / mit allem Recht eine Vorbereitung und Versöhnung erfordere; ja! weil er über das sahe /wann er diesem nicht allerdings Glauben beymesse /und ihren Willen sich gehorsam erzeigte / er bey denen fest-glaubigen Besitzern dieses Orts nichts ausrichten könte / und also die beyde / von ihm und seiner Macarien / zeugende Tafel nicht zu sehen bekäme / fieng er folgender Gestalt an: Edle / verständige Matron! diese beschehene Erzehlung / wegen Erbauung dieses Schlosses / hab ich mit grosser Verwunderung / und nicht wenigerm Belieben angehöret / und glaube gar leicht / daß dem allem so sey / sonderlich /da ich / so weit es meine noch junge Jahre gestattet /zum Theil selber erfahren / daß das Geschlecht der Menschen / mehrentheils von diesen dreyen Regenten ist geführet worden / und noch immerdar geführet wird. Ja / wann ich bekennen muß / bin ich selber mit unter dem Glücks-Fahnen / biß auf diese Stund / und klage nicht mehr / als daß ich die Standhafftigkeit nicht / wie die Tugendbegabte / haben und halten soll. Ja / es ist diß das letzte Ziel meiner so mannigfaltig erlittenen Gefahr / daß ich Tugend erwerben / und nach Kunst mich bearbeiten will. Daß ich aber ihrem Zeugnus nach / alleredleste Matron! auch unter die Liebes-Werber mich soll schreiben lassen / geschicht mir so fern Unrecht / als die Liebe von der Tugend entschieden Wie könte ich doch zugleich Tugend und Laster nehren / würde ich nicht das eine mit dem andern verderben? Zwar / was sie von Macarien / der Schönsten und Edelsten auf dieser Welt / gedacht /ists freylich nicht ohne / daß ich sie von Hertzen liebe / ja so gar / daß ehe diese Seele aus meinem nichtigen Leibe scheiden wird / ehe ich ihrer vergesse: aber diese Liebe bindet nicht die Tugend: sondern die Laster; und löset nicht die Laster / sondern die Tugend. Denn was ich in ihr liebe / das ist Tugend; was ich an ihr rühme / das ist Verstand; und was ich an ihr verwundere / das ist Schönheit. Aber unkeusche Liebe wird nicht ehe bey mir angehen / biß ich meiner selber vergesse / ja! biß Macarie sich aller Tugend eussert. Sehe ich derohalben nicht / was mich hindern solte /daß ich nicht in den Tempel gehen dörffte / bevor da ich mich nunmehr mit dem Himmel / wie ich hoffe und glaube / versöhnet. Diese Rede vermochte so viel bey der Matron und allen Umstehenden / daß sie ihn mit grossen Pomp und Herrlichkeit / wie es bey ihnen gebräuchlich war /zu den ersten Tempel hinein führeten / und was darinnen zu sehen war / eigentlich und deutlich erkläreten Weil man aber nicht ohne Opffer eingehen dorffte /wurde solches alsobald bereitet. Indessen / und weil andere Sachen mehr / den Eingang zu zieren / bestellet wurden / auch Polyphilus / dem fast sehr hungerte / ein wenig Speise zu sich nahm / gerieth ein alter Mann / Namens Parrisiastes / zu ihm / der ihm von allen Sachen / und des Schlosses Beschaffenheit gute Nachricht gab; und weil Polyphilus aus der Rede der Atychintidœ vernommen / daß diß herrliche Gebäu versencket worden / auch etwa / dem Zeugnus der Tafel nach / durch seinen Arm solt wieder errettet werden: forschete er von diesem Alten die Ursach /und wie es zugangen. Dieser gab zur Antwort: Dieses Schloß ist die Welt berühmte Vestung Sophoxenie; darinnen diese Matron / mit welcher ihr Gespräch gehalten / ihren Herrn verlohren / und ein ewig Gelübd der Einsamkeit geschworen: Diese ist eine Königin vieler Länder / welche sie auch alle glücklich und wol regieret / ohne daß / vor wenig Jahren / eine nichts-werthe Frau unter ihren Schutz / ja so gar auch unter ihr Dach kommen / und ihrer Bewahrung sich vertrauet / deren sie biß an ihr End alles Gutes / erwiesen. Wie es aber zu geschehen pflegt / wann uns das Glück so hoch heht / daß wir stoltz worden: Stoltz aber und Hoffart / Mißgunst und Verachtung / ja alle Laster nach sich ziehet: Gleich so ist diese zu der höchsten Gnad / aber zu ihrem Unglück / erhoben worden / daß sie täglich bey der Königin aus- und eingehen / auch alle Heimlichkeiten mit wissen muste. Nun geschahe / daß eine berühmte Zauberin / Namens Melopharmis / die auch nach der Königlichen Gunst trachtete / ihren einigen noch unerwachsenen Sohn /dieser Königin zu eigen verehrete / in Hoffnung / es werde / durch diß Mittel / auch sie in Gnaden erhalten werden. Dieses mercket die Alte / und dencket / deme allen vorzukommen / nimmt das Kind / und wirffts durchs Fenster in diesen Fluß: Und dieser ists / welcher vor der Königin stund / und stets in ihrem Schoß ruhet. So bald das Kind herunter gestossen / übete der gerechte Himmel verdiente Rache / ertödete die Mörderin / (dann sie gedachte das Kind umzubringen) und versenckete diese Vestung / mit allem dem / was drinnen war / entweder dem Kind zum Besten / daß es beym Leben erhalten würde / oder uns allen zur Straffe / die wir solch Unglück nicht verhütet: wiewol wir an dem allen unschuldig. Was uns in dem Augenblick vor Schrecken und Todesfurcht überfallen / kan meine erstaunende Zunge nicht aussprechen: kein Trost war übrig / als daß wir dennoch lebten / auch den Knaben beym Leben erhalten / und daher die Hoffnung schöpfseten / es werde sich der Grimm des ereyferten Himmels legen / und weil der lebe / um dessen Willen wir verderbet / werden auch wir wieder mit ihm leben. Diese Hoffnung stärckete nicht wenig / daß wir lang hernach / da wir den Gottesdienst verrichteten / in dem dritten Tempel / (welches nur alljährlich weymal geschicht) zwo Tafeln funden / darauf die Zeit unserer Erlösung in Ertz gegraben: wie ihr dann von der Königin zuvor selber verstanden. Nun leben wir noch immer in Gedult / und erwarten der Zeit mit Verlangen. Als Polyphilus dieses nach der Länge angehöret /gedachte er / von der Tafel / ein mehrers und gewissers zu vernehmen / deßwegen er fragte / was denn auf den Tafeln geschrieben stünde? Und da ihm Parrisiastes antworten wolte / kam eben die Schaar deren /die ihn in den Tempel begleiten wolten / deßwegen sie beyde daran verhindert / aufstehen und forteilen musten. Anderes Buch 1. Absatz Erster Absatz Beschreibet den Eingang Polyphili / in den Tugend-Tempel / und dessen Zierrath: Lehret den Unterscheid / der warhafften und verderbten Kunst; deßgleichen wie man zu jener gelangen / diese aber meiden solle; giebt Unterricht von der Tugend-Werbung / und wie dieselbe kröne. Prächtig war alles / und aufs köstlichste angeordnet; Atychintida trug ihren Königlichen Schmuck / und wurde von vieren / mit schwartzen Sammet bekleideten / auf ihrem Thron daher getragen. Vor ihr giengen / die die Fackeln trugen / und zu vörderst führete ein ansehliger Mann / den gantzen Hof-Staat. Hinter dem Thron waren zween / mit rothem Sammet beleget / unter einem eben so herrlichen Himmel / welche sich zu dem Polyphilo näherten / und ihn in die Mitte fasseten / auch allein würdig preiseten / in des Königes Stätte zu sitzen; deine folgeten auf den Fuß zween andere mit blauem Sammet gezierte Männer / welche grosse güldene Ketten trugen / und daher giengen / als wenn sie schwere Sachen ersinneten Nach diesen ward der Knabe / das Kind Melopharmis / von 4. jungen Edelleuten / auf einem Sessel getragen / deme eine weh-klagende Weibs-Person nach folgete /schwartz bekleidet / und als die Leid tragen / sich geberdend: Diese gieng an statt seiner Mutter. Nach dem folgte der übrige Comitat von Manns- und Weibs-Personen / so prächtig / als köstlich / bekleidet. Was Polyphilus muß gedacht haben / möcht ich wol wissen: ohne Zweifel hat ihn nichts mehr gekümmert / als daß er dieser Königin / die er vor geringer angesehen / nicht Königliche Ehr erwiesen: Deßwegen er sich dann gegen seinen beyden Führern / aufs höflichste entschuldigte / und sein Versehen / mit der Unwissenheit / beschönte. Das Verlangen aber / was aus diesem noch endlich werden würde / war so groß /daß es sich kaum zäumen ließ. Auch wuste er sich darein nicht zu schicken / warum keiner deren / die ihn führeten / und vorher mit ihm geredt / als sie ihn in die Mitte fasseten / nun auf ein einig Wort nicht antworten wolten / sondern alles mit Wincken der Augen / und geneigtem Haupt bejaheten. Doch ward er dessen bald hernach verständiget. Dann da sie vor die Thür des ersten Tempels kamen / stieg der / so den Proceß führete / auf einen / neben dem Tempel /aufgeworffenen Thamm / und gebot / aus Königlichem Befehl / daß keiner seine Zunge lösen / oder einig Wort herfür bringen solle; ausser Polyphilum /und den / dem es die Königin befehle. Darauf stieg Atychintida von ihrem Thron / nahm Polyphilum bey der Hand / und führet ihn in den Tempel / Polyphilus aber entschuldigte sich / wegen seines begangenen Irrthums / und daß er nicht gewust / mit welcher er sich zu reden unterfangen. Fieng derowegen an / sie nach Königlicher Würde zu benahmen / das sie aber durchaus nicht gestatten wolte / und / bey Verlust ihrer Königlichen Gnade / verbote. Als sie nun in den Tempel kamen / zeigete ihm die Königin allerhand schöne und künstliche Gemähl /die man mit grösserm Recht ein Wunder der Natur hätte nennen können / als eines Menschen Hände-Werck. Was die Augen sahen / das preisete das Hertz herrlich: Das Schöneste / so im Eingang zu sehen war / waren die / auf beyden Seiten völliger Grosse /aufgerichtete zwölff / aus Marmorstein künstlich-gearbeitete Bilder / deren jedes eine Tugend bedeutete /und auf einem Felsen gegründet / mit dem rechten Fuß das Laster zu Boden trat / welches in geringerer Grösse aus Erden gebrannt war. Polyphilus fragte die Königin / was diß bedeute; welche berichtete: Es zeigen diese Bildnus / daß / welcher Mensch / in diesem Tempel / um etwas wichtiges zu erhalten / gehen wolle / der müsse alle Schand-begierige Laster zu Boden geleget / und einig der Tugend sich ergeben haben: sonsten werde er / von dem Drachen / welcher zu nächst an der Thür stund / greulich und erschröcklich anzusehen / verschlungen. Polyphilus erschrack / wegen dieser Wort / über die Massen sehr / weil er / wegen seiner Liebe gegen Macarien / nicht allerdings ein gut Gewissen hatte: Doch gieng er behertzt fort / und gedachte / was wird dir ein lebloses Bild thun / das mit Menschen-Händen gemachet ist. Weiler aber eben diß / wiewol mit besserer Bescheidenheit / auch der Königin trauete / und damit zu vernehmen gab / daß er nicht verstünde / was das alles bedeute / sonderlich / da die Augen mehr zu sehen hatten / als das Hertz betrachten konte / winckete die Königin denen zweyen blau-bekleideten / die ihm in der Procession nachgiengen / und gab Befehl /daß sie dieses alles / aus dem Grund / erklären / und dem Polyphilo die Tugend-Geheimnus eröffnen solten. Deren einer / Namens Coßmarites / nach abgelegter schuldiger Reverentz / den Polyphilum zur Seiten führete / und mit solchen Worten anredete. Kunst- und Tugend-verlangender Polyphile! Was ich von euch gehöret / ist mir alles Ursach zu wundern. Euer Zustand / euer Leben / euer Wandel / eure Gedancken / euer Wünschen und Wollen; mehr aber eure Tugend ist wundern werth. Das Glück aber / das euch / auch mitten in eurem Unglück / beseliget hat /kan nicht gnug gerühmet werden / darum ihrs besser mit Stillschweigen verehret / und dem gütigen Himmel / in eurem Hertzen / davor dancket. So viel mir meine Kunst vertrauet / sehe ich aus euren Augen /was ihr für Noht ausgestanden / und auch / was ihr vor Freud genossen; ja wol gar / was ihr vor Freud verlanget. Die Kunst- und Tugend-Begierde hat euch freylich / aus eurem Vatterland / in die Fremde geführet: Das Unglück hat euch auch lange daran gehindert: doch hat endlich das günstige Glück euer Verlangen vergnüget / daß ihr zu der Vollkommenheit aller Tugenden / der edlen Macarien / kommen: aber wie habt ihr dieses Glücks mißbrauchet? Ich schweige jetzt /damit ich euch nicht beschäme; Euer Hertz aber wird reden / da ich schweige. Doch wisset / daß ihr durch eure Unbeständigkeit / die Götter erzürnet / daß sie euch von ihr gerissen / und / auf wunder bahre Weiß /hieher zu uns bracht; eines theils wol darum / daß ihr den Fluch / der diß unser Hause getroffen / wegnehmen sollet: am allermeisten aber / daß ihr in diesem Tugend-Tempel lernet / wie ihr euch in eurem so grossen Glück verhalten; und in dem Glücks-Tempel sehet / wie ihr recht-beständig lieben; im Tempel der Liebe aber erfahret / wie ihr künfftig bey Macarien /die ausser Tugend nichts würcket / eure Pflicht besser in acht nehmen / und euer Hertz nicht so leicht sollet /von der vergänglichen Schöne / bezwingen lassen. So höret mir nun zu / ich will euch weisen / das ihr hie zu lernen nie gehoffet: Sehet an diese 12. Tugenden /welche als triumphirende / denen anfeindenden Lastern / auf den Halß tretten / und ihre Macht dämpffen: Folget diesen / wolt ihr anders nicht / an statt des Sieges / den Verlust klagen. Dieser Drach aber / und der gegen über stehende erhabne Thron / sind die Belohnung / theils deren / die überwinden / theils deren /die überwunden werden. Dieser Drach deutet die Unglückseligkeit / so auf alle Laster folget: Der Thron aber ist das reiche Himmel-Glück / dadurch die Triumphirende Scepter und Cron erhalten / das ist / aller Freud und Lust geniessen können. Polyphilus sahe dieses alles / mit tieffen Nachsinnen / an / und setzte sich alsobald zum Exempel / wie er so übel gehandelt / indem er sich durch die Schönheit Macarie verführen lassen; sprach auch zum Coßmarite: Verständiger und geliebter Freund! Dieses /und was ihr vor / von meinen Sinnen und Beginnen /gesagt / machet / daß ich in mich schlagen / meinen Fehl bereuen / und mich in dieser Stund bessern muß. Dancke Gott und euch / daß ich auf den rechten Weg wieder kommen / davon ich so lange bin irregangen. Weg mit Macarien! soll Macarie meine Tugend verzehren? soll ich mich durch sie in die Laster stürtzen? Nein / mit nichten. Ich folge der Tugend-Bahn / und lasse mich davon nicht treiben / biß ich das Ziel der höchsten Glückseligkeit erlanget. Diese Red gefiel Coßmarites sehr wol / merckte doch alsobald wiederum die Unbeständigkeit Polyphili / und gedachte heimlich bey sich / wiewol der Macarien groß Unrecht geschehe / wolle er ihm doch nicht / in diesem Fall / Wider-Rede halten / ob er vielleicht / noch ferner und mehr / in seinem guten Vornehmen könte gestärcket / und von der verzehrenden Liebes-Brunst abgehalten werden. Deßwegen führete er ihn weiter mit sich / in die Mitte des Tempels /allwo Polyphilus einer grossen Meng Manns- und Weibs-Personen wahr nahm / die / gleich wann sie lebten / unter sich von geheimen Dingen rathschlagten. Es waren zwey Jüngling / die um einen Crantz lauffen wolten / deren jeder den Preiß begehrete. Beyde hatten sie ein Ziel; beyde auch einen Weg /ohne daß einer auf der Rechten / der ander auf der lincken Seiten seinen Lauf vollendete. Jener trat auf die Bahn / wurde aber alsobald im Eingang von einer höllischen Furien angefallen / welche zwey Feuer-speiende Hund an einer Ketten führete / und selbige auf ihn loß ließ. Dieser / welcher auch den Lauf angefangen / wurde von dreyen grimmigen Thieren / die Polyphilus nicht erkennen konte / was vor Art sie waren / wegen ihrer erschröcklichen Grausamkeit /verhindert. Beyde rissen sich aber endlich loß / und da sie ihren Fuß weiter setzten / wurdë sie von einer freundlichen / freudigen Jungfrauen empfangen / die einen grossen Comitat mit sich führete / dessen halber Theil hertzlich erfreuet / die übrigen aber schmertzlich betrübet waren. Diesen / der die lincke Seiten erwählet / übergab die Jungfrau / als einen angenehmen Gast / dreyen andern Weibs-Personen / welche ihn auf das herrlichste tractirten / und grosse Ehr erwiesen /endlich aber in eine finstere Höle stürtzeten / allwo drey Schröck-Geister ihr Haupt erhebten / deren erster sich sehen ließ mit einer langen Peitschen / der andere neigte das Haupt zur Erden / und der dritte rauffte die Haar aus: Und da Polyphilus seine Augen höher erhebte / wurde er noch anderer zweyer Höll-Geister gewahr / denen dieser armselige Jüngling / als ein Gefangener / übergeben wurde / welche ihn auch / mit Ketten und Fesseln wol verwahret / in ein ewiges Gefängnus führeten. Der andere / welchen die rechte Seite verehrete / wurde etzlichen Dienern bergeben /die / an der Tracht und Kleidung / denen Henckers-Knechten nicht ungleich waren. Diese trieben ihren Muthwillen mit ihm / und führeten ihn bald hie / bald dort hin / nach ihres Hertzens-Dünckel. Und da er sich endlich / mit grosser Müh / diesen entzog / gerieth er unter einen viel grössern Hauffen ansehliger und betagter Männer / die doch / in ihren Sinnen und Beginnen / eine merckliche Kindheit spüren liessen. Diese nahmen den Jüngling / einer nach dem andern /und wolt ein jeder Meister an ihm werden. Einer zehlte ihm die Sylben / so viel er redte / auf den Fingern vor. Der ander riß ihm seinen Mund auf / und wolte grosse Wort holen. Wieder einer wolte ihm sein Gehirn auskehren / und die Weißheit verbergen. Ein anderer zwang ihn / daß er über die Natur schreyen muste. Und diesem folgte einer mit einer steinern Tafel / die er ihm vorhielt: das doch Polyphilus nicht verstehen konte was er wolle. Zu letzt kamen noch 3. andere / deren erster ihn gen Himmel sehen / und die Sterne zehlen hieß; Der andere zeigete ihm die Erd-Kugel / solche abzumessen; und der dritte brachte ein Glaß / das er ihm vor die Augen hielt / die er doch zuschliessen muste. Als diese ihr Spiel biß zum Ende mit ihm verführet / stellet er seinen Fuß / weiter zu lauffen / aber es verhindert den Lauf eine schön-gezierte und lieblich-winckende erbare Matron / die ihn umfieng / und mit welcher er sich / als liebte er sie /besprach / auch nicht wenig ergötzte. Und da er am frölichsten mit ihr schertzen wolte / kam eine andere /gleich einer Höll-Göttin / die ihm diese Lieb sehr verbitterte / deßwegen er sich eilig fortmachte / seinen Crantz zu errennen. Er erlitte aber mitten im Lauf grossen Anstoß / und das zwar zu dreyen malen / so gar /daß er auf die Erden darnieder fiel / und sich nicht wieder erheben konte. Polyphilus sahe dieses alles mit grosser Verwunderung an / und verlangte nichts mehr / als die Deutung dessen zu erkundigen / deßwegen er dem Coßmarite mit sehnlicher Bitte und freundlichen Worten anlag /solche zu ertheilen. Welcher / wegen der Königin Befehl / seiner Bitte gar geschwind Folge leistete / und mit diesen Worten anfieng: Edler Polyphile! Das ihr hie sehet / und von mir begehret / ist ein köstlich Ding: aber auch überaus gefährlich / so gar / daß jenes mich wol reitzet / euch alles / nach der Länge /zu erklären; dieses aber mich abschröcket / weil mir euer Hepl und Glück vor alles gehet. Das nahm Polyphilum so sehr Wunder / daß er gezwungen wurde / die Ursach zu fragen; welche ihm auch Cosmarites mit solchen Worten beylegte: das mich anmahnet und abschröcket / ist dieses / daß /wann ich euch dieses lehren / und ihrs begreiffen werdet / werdet ihr mit grossem Verstand und herrlichem Glück begütert werden: wo aber das nicht / werdet ihr der Unglückseligste und Allerverachteste auf dieser Welt mit Recht genennet werden / der allen Plagen und Straffen / die Zeit seines Lebens / unterworffen. Glaubet mir / Polyphile! die Erklärung dieses Geheimnüsses / ist gleich dem vildeutigem Rätzel des Blut-würgenden Sphingis; welcher selbiges verstunde / der gieng frey aus / und wurde der Klügeste genennet / welcher es aber nicht treffen konte / wurde von dem grimmigen Thier erwürget. Diß Treffen und Verstehen aber gehet / nicht so wol den Verstand an /als die Nachfolge; denn es lehret diß Geheimnüs ingleichen / was in diesem Leben gut oder böse ist; ja auch / was nicht gut / oder nit böse ist. Wollt ihr nun /Polyphile! mit diesem Versprechen / zuhören / will ich euch völlig weisen / das ihr nach dem wissen sollet; wie ihr / mit leichter Müh / zu der höchsten Glücks-Zinnen gelangen / und über alle Sterblichkeit steigen möget. Polyphilus gantz erfreuet / versprach mit Mund und Händen / daß er fleissig aufmercken / und / so viel ihm müglich / folgen wolte / sonderlich / weil ihn die Furcht / eines so grossen Verlusts / zwinge die Hoffnung aber / eines noch viel grössern Nutzens / stärckete. Darauf fieng Coßmarites diß Geheimnus / auf folgende Art / an zu erklären. Diese zwey Jüngling deuten das gantze menschliche Geschlecht / darinnen keiner anzutreffen / der nicht gern hoch steigen / und über andere scheinen wolte. Es haben aber die allweise Götter die Ordnung gemacht / daß nicht anders / als durch Kunst und Tugend / Ehr erworben / und die beständige Glückseligkeit erlanget werde. Diese nun ist der Krantz / um welchen die beyde lauffen; der Weg ist das menschliche Leben. Beyde lauffen sie auf einem Weg / in einem Leben; beyde haben sie auch ein Ziel / die vergnügliche Glückseligkeit; aber nicht haben sie einerley Art zu rennen. Dann dieser / zur Rechten / verlanget die Kunst / dieser aber / zur Lincken / die Tugend. Und damit wird angedeutet / daß kein anderer Weg /ausser diesem / zu der höchsten Glückseligkeit führe. Daß aber der Kunst-verlangende / im ersten Lauff /von der höllischen Furien verhindert wird / bedeutet den Betrug / den wir / auch in unsern frühen Jahren /leider! erfahren müssen / da wir durch viel Um- und Irr-Wege / theils durch der Lehrer Unwissenheit /theils durch ihren Muthwillen und Geld-Geitz / lang genug aufgehalten / und verhindert werden. Dieser Betrug lässet den Irrthum und die Unwissenheit / welche durch die beyde Hunde zu verstehen / auf uns loß / so alle Menschen anfallen / jedoch nicht alle gleich sehr verwunden. Und das kommt daher / weil die milde Natur einem viel / dem andern hingegen weniger Gaben geben / daß er nicht so bald verstehen kan / was ihm fehlet. Gleich so gehets auch dem / der die Tugend errennen will / welchen die grimmige Thier aufhalten / diese sind die ungezähmte Begierde /die nichtige Einbildung / und dann die verderbende Wollust. Diese halten alle Jugend gefangen / und lassen sie / durch ihre falsche Versüssung / nicht zu der Warheit gelangen / biß sie endlich ihren verfälschten Schein / durch ihre Grimmigkeit / erkennen / und sich aus ihrer Gewalt reissen: wiewol solches nicht allen /ja dem wenigsten Theil gelinget / weil die Meisten in diesen Lastern ersauffen / und zu dem Erkäntnus der wahren Seligkeit nicht gelangen. Die aber ihre Sinnen höher schwingen / und ihre Jugend erretten / fallen nach dem dieser leicht-flüchtigen Jungfrauen in die Händ / durch welche das Glück zu verstehen / und werden von solcher in so viel Widerwertigkeit versencket / daß sie gleich denen / die um sie stehen /bald lachen / mehr aber / weinen müssen. Diese beherschet sie wie lange. Dann / weil sie keinen Grund der wahren Freude haben / wird ihre Freudigkeit /nach dem Wechsel des Glücks / bald hin / bald her /geworffen / so gar / daß sie endlich in allen Jammer fallen. Wie wir denn allhie sehen / daß der Tugend-werbende Jüngling / erstens zwar / als ein angenehmer Gast / denen dreyen Weibs-Personen anvertrauet wird / und aufs beste von ihnen bedienet / endlich aber / mit grossem Schrecken / in eine finstere Höle gestürtzet. Durch diese 3. Jungfrauen sind zu verstehen / die Hoffart / Schwelgerey / und Unkeuschheit /welche zwar süß blühen / aber bittere Frucht tragen /und endlich in das Verderben stürtzen; da die drey Schröck-Geister / verstehe / die Straffe / so durch die Peitsche gedeutet; die Betrübnus / so das Haupt hängen lässet; und der Jammer / soldie Haar ausrauffet; das Hertz quälen / und ihn seine vorige Zeiten wieder zu verlangen / Ursach geben. Noch ist dieses nicht gnug / sondern / weil er auch über das den beyden Höll-Geistern / welche sind die erbärmliche Klage /und die Verzweifflung / als gefangen übergeben wird / wird er mit Angst und Kummer gebunden / in das Gefängnus der ewigen Unglückseligkeit geworffen. Polyphile! merckt dieses / und lasst euch nicht verführen / sonst werdet auch ihr mit leyden und dulten müssen. Lasset uns nun auch den Kunst-gierigen besehen /wer / meynet ihr seyn diese Henckers-Knechte / welche die Jugend plagen? Ich verstehe dadurch alle die /so sich / das Lehr-Amt zuführen / unterstehen / und doch selber nicht wissen / was sie andere lehren sollen. Dahero es dann kommet / daß wir Menschen mehr lernen / als daß wir geniessen können / damit wir etwas zu vergessen haben. Ihr werdet selber wissen / Polyphile! wie viel ihr unnötiges Dings lernen müssen. Sind solche Lehrer nicht billich denen Henckers-Buben zu vergleichen / indem sie die liebe Jugend an die Stricke des Verderbens knüpffen / und mit dem Seil der Unwissenheit erwürgen. Wol dern /der mit diesem Jüngling bey Zeiten ihren Banden sich entreisset / und sich Verständigere lehren lässet. Sehet ihr / Polyphilus! den Hauffen dieser betagten Männer? Glaubet ihr / daß sie viel von sich halten / und aller Wissenschafft sich kündig bekennen? So scheints von aussen: aber sehet ihr nicht / was diese mit dem Jüngling verführen? so viel deren zu gegen / so mannigfaltia ist auch ihre Kunst / und will ein jeder Meister an ihm werden. Der eine ist ein Wort-Erzwinger / der will ihm lehren / die Sylben messen / und in Reime schliessen Der andere ist ein Redner / und befiylt /daß er seine Rede mit Pomp und Pracht führen soll. Der dritte will einen Disputirer aus ihm machen. Der vierte einen Sänger. Der fünffte einen Rechenmeister. Und diese letzten fordern gar Unmüglichkeiten; Dann diesem soll er den Himmels-Lauf verstehen / da er doch nie im Himmel gestiegen; jenem soll er den Erd-Cräiß abmessen / da er selbigen doch nie gesehen; und dem dritten soll er gar mit seiner blinden und schwachen Vernunfft himmlische Ding ergreiffen /das keinem Sterblichen vergönstiget. Sagt mir nun /Polyphile! ist das nicht eine Marter und Pestilentz der Jugend? Wann ich hundert Jahr zu lernen hätte / und in einem jedweden Stück einen besondern Lehrer /glaub ich dennoch nicht / daß ich alles diß mit Rutzen vollbringen würde: oder wann ich einen stählern Kopf / und unvergeßliches Gedachtnüs hätt / zweiffele ich gleichwol / ob ich alles behalten könte. Ich sage nicht ohne Ursach / alles: dann viel / viel ist darunter /ja alles / was ich anjetzo benennet / ist theils nützlich / theils lieblich; kein einiges aber nöthig. Darum mercket das / Kunst-begieriger Polyphile! daß nicht einen gelehrten Mann mache / Dichten und Verse schreiben können; nicht einen verständigen Mann mache / eine prächtige Rede führen können; nicht einen klugen Mann mache / von der Eitelkeit der Welt disputiren können: und so fort an: sondern / daß dieses alles / oder auch wol eines / einem gelehrten / verständigen und klugen Mann wol anstehe / und ihn beliebter: nicht aber berühmter oder geschickter mache. So sollen wir auch einen Unterscheid in dem allen machen / und solche Sachen erwählen / die zu unserm Beruf dienen. Das will ich gestehen / daß wir bißweilen / ohne diese Mittel / unser Ampt schwerlicher versehen können. Aber das ist am härtesten zu straffen / daß dergleichen Leute ihnen gewiß einbilden / sie haben die Wissenschafft allein / oder sie besitzen die rechte Weißheit / und belustigen sich mit solchem falschen Wahn aus dermassen sehr. Wie ihr dann sehet / Polyphile! daß dieser Jüngling / nun er meynet / den Himmel zu erstiegen haben / mit dieser lieb-winckenden Matron / dadurch die verfälschte Weißheit angedeutet wird / auf das schönste schertzet / biß die Höll-Göttin / verstehe die Thorheit / durch Entdeckung ihres Fehlers / die Süssigkeit mit ernster Reu verbittert. Wann sie dann zu solchem Erkäntnus gelangen / wollen sie den Tempel der Weißheit mit gantzer Gewalt bestürmen / fehlen aber allenthalben: gerad wie dieser Jüngling unterschiedlichmal angestossen / biß er endlich gar danieder gefallen. Es sind aber die Stein des Anstossens sonderlich Ehr- Geld- und Gunst-Begierde / welche die drey grössesten Verhindernussen / mit gutem Recht / können genennet werden. Denn da sind ihrer viel / die nicht um Wissenschafft / sondern um Geld; nicht um Tugend / sondern um Ehre; nicht um Kunst / sondern um Gunst studieren; und auch also nach ihrem Verdienst keine Kunst / keine Tugend /keine Wissenschafft erwerben / und ewig verderben müssen. Merckt auch diß / Polyphile! daß ihr nicht mit ihnen verderbet. Was hätte den Wunsch Polyphili besser befriedigen können / als dieser Unterricht? Darum er / so freudig /als vergnügt / dem Coßmariti Danck sagte / und / dieses alles in gute Obacht zu nehmen / versprach. Weil aber nicht weit von diesem / noch etwas mehr zu sehen war / bat er Coßmaritem / daß er ihn auch dorthin führen / und dasselbe erklären wolle. Und weil er bißhero bloß von der Untugend und verfälschten Weißheit gehöret / fragte er: ob nicht auch die rechte Weißheit und wahre Tugend in diesem Tempel gelehret werde? Darauf ihn Coßmarites in den Tempel besser hinauf führte / und ein anders Bilder-Werck sehen ließ. Es hielt ihren Stral alsobald ein erhabner felsichter und unbewohnter Bühel auf / zu dessen Eingang eine enge Thür / und ungebahnter / jäh-gefährlicher / rauher Weg führete / welcher mehr eine Verhindernus zu nennen war; daß man entweder gar nicht / oder doch je schwerlich / und mit grosser Müh dahin gelangen konte. Hinter diesem scheinete ein Hügel herfür / welcher / an der Höhe / diesen Bühl weit übertraff / und noch gefährlicher anzusehen war; massen die enge Bahn / so da hinan führete / alle die / so sie betretten würden / herab zu stürtzen bedrohete. Menschlichen Augen scheinete das eine blosse Unmüglichkeit zu seyn / daß ein Fuß ohne Wancken / und ein Hertz ohne Zittern / so wol auf dem abwarts-gehenden Hügel / als eben diesem eng-geschlossenen Pfad stehen oder gehen könne. Auf demselben war noch überdas ein Lufft-erhöhtes / Wolcken-steigendes Felsen-Werck zu sehen / so hoch und erschröcklich / daß Polyphilus nicht wuste / solte ers vor ein Wunder der Natur rechnen / oder ein Meisterstück menschlicher Weißheit heissen / so gar war Sinn und Augen verblendet / daß / wenn er nicht / im zuruck-sehen / sich im Tempel befunden / er in Warheit davor gehalten /als stiegen die Sterbliche allhier gen Himmel. Wie ihn dann auch die Gefährligkeit des Weges / und so scheinende Unmüglichkeit / durch diesen Felsen / die Himmel-Oerter zu besteigen / fast in nicht geringe Betrübnus setzete / daß er zum Coßmarite anfieng: Was doch die Unsterbliche beweget / denen Sterblichen /an ihrer verlangten Glückseligkeit / selbsten verhinderlich zu seyn; dem aber Coßmarites nichts wieder versetzte / ohne daß er noch ferner zusehen / und alles wol beobachten solle: wolle er ihm nach dem alles erklären. Kaum hatte Coßmarites seine wenig Wort vollbracht / als Polyphilus / mitten auf dem rauhen Felsen / zweyer ansehligen und holdseligen Frauen gewahr wurde / von starcken Leibern / erwachsener Grösse / völliger Schöne / und anzusehen / als wären sie sonderlich in allem / von der Gunst des Glücks /bereichert / und mit ewigen Wohl-seyn versehen. Auch zeugete ihre Einigkeit und Gleichheit nicht wenig / daß sie mit dem Schwesterlichen Bund der Blut-Freundschafft einander verpflichtet. Und da Polyphilus auf ihre Geberden schauete / befand er / daß sie mit geschwinder Behendigkeit / und als die etwas sonderliches verlangeten / oder auch einem wincketen / die Hände ausschlugen / und ihre Freudigkeit bezeugeten. In diesem Zusehen setzeten sie ihren Fuß etwas förder / und ersahen hinter dem Felsen / ein kleines / doch / mit allerhand Lieblichkeiten / geziertes Wäldlein. Die Bäume / derer noch zarte Gipffel fort und fort einer den andern übersteigen wolte / und jener vor diesem sich höher düncken ließ / waren so wol mit Augen-erfreulicher Grüne bezogen / als auch von Schatten-reicher Dicke umgeben / daß ein jeder gar leicht einem Lust-bringenden Zelt konte verglichen / ja vor ein Wohn-Hause aller Ergötzung geschätzet werden. Polyphilus kam alsobald auf die Gedancken / als wohneten hie die Göttinnen / und wäre diß die Hütte /darinnen sie sich verbergeten / wann sie das Aug der Sterblichen fliehen wolten. Vor dem Wäldlein war ein ebener Plan / der wegen seiner begrünten Schöne /und Mannigfaltigkeit der Bundgefärbten Blumen /einem gegründeten Wiesen-Thal nicht unähnlich schiene / bevorab / weil die durchschimrende Liechter des Himmels / als ob das Tempel-Dach aufgehoben /ihre Stralen in die durchbrochene Fenster herein warff / daß alles erhellet / und keine Liechts-Verhindernus konte geklaget werden. Da sie aber / dieser Ergötzlichkeit völliger zu geniessen / etwas näher hinzu tratten / wurden sie in der Mitte dieser begrünten Wiesen / eines künstlich-erhobenen Grotten-Wercks ansichtig / auf die Art und Ründe der alten Heydnischen Tempel gebauet; von welchen doch Polyphilus nichts gewisses schliessen konte / wovor es eigentlich zu halten. Sie höreten eine liebliche Music von Lauten und andern Instrumentalischen Saiten-spielen / die sie dermassen belustigte / daß Polyphilus in seinem Sinn nicht anders dencken konte / als daß die Göttinnen dieses Orts ihre Lust-Vollbringungen angestellt. Und da er gleichsam erschrocken / dem allem stillstehend zuhörete / vernahm er bald darauf eine hoch-singende Stimm / die mit folgendem Gedicht / die Ehre und Vergnüglichkeit der bereichten Tugend-Kunst besunge: Wer sich der Kunst vertrauet / und nur die Tugend liebt: Wer bloß auf Weißheit bauet / und keine Laster übt: Der kan beglücket leben / kan bleiben wol vergnügt: Weil / was ihm wird gegeben / Er volle Gnüge kriegt. 2. Kein Leid kan ihn betrüben / nicht schröcken eine Noth: Und was er mag verüben / hilfft ihm der grosse Gott. Es kan in seinen Thaten auch nicht ein Irrthum seyn; Dann alles muß gerathen / und treffen eben ein. 3. Will er nach Ehre streben / die Kunst ist Ehren werth / die Tugend wird erheben / wer eyfrig sie begehrt. Dann / ohne Tugend / Ehre ist nur ein blosser Dunst / und das den Ruhm verkehre / ist Weißheit / ohne Kunst. 4. Will er sich dann bereichen / die Tugend selbst ist Gold: Dem sich nicht darff vergleichen das / dem die Welt ist hold: Es ist / wie nichts / zu achten für dem / was Tugend bringt / wer dieser nach wird trachten / nach wahrem Reichthum ringt. 5. Will man sich sonst beglücken / die Tugend selig macht / dann allen falschen Tücken hält selbsten sie die Wacht: Daß sie nicht können schröcken ein so geziertes Hertz / noch seine Lust verstöcken / in Unglücks-vollen Schmertz. 6. Und was ihm auch beliebet / und was ihm auch gefällt; Das alles Tugend giebet / das alles Kunst bestellt: Er hat / was er verlanget / wer Kunst und Tugend hat / nur diese rühmlich pranget / und hilfft mit Raht und That. 7. Sie will und muß uns lieben / wann unsre Sonne scheint: Und ob wir uns betrüben / ist sie doch immer Freund Sie tröstet / in dem Leiden / verbindet unsere Noht: Und wann wir sollen scheiden / versüsset sie den Tod. 8. Sie pflegt nicht / wie man pfleget / zu trauen Menschen-Gunst: Die ihre Hoffnung leget nur einig auf die Kunst: So lange die bestehet / so lange steht sie mit: Weil diese nicht vergehet / weicht auch sie keinen Schritt. 9. Drum darff sie nichts nicht achten die falsch-verblümte Gunst: Ihr Dichten und ihr Trachten / ist treue Liebes-Brunst: Es kan ihr nichtes schaden Macht / List und aller Neid / Gott hält sie selbst in Gnaden / biß zu der Ewigkeit. 10. Und ob das Glücke wütet / und sich ihr widerstellt: Wird dennoch sie behütet / und alles Leid gefällt: Der Tugend-Ruhm besieget / die Kunst behält das Feld / so offt das Unglück krieget / und seine Pfeile stellt. 11. Drum / wer will Glücke bauen / der baue diesen Grund / der nicht wird umgehauen / biß in die letzte Stund: So kan er sicher leben / so lang er lebt allhier / und dort wird ihm Gott geben den Segen für und für. Nach vollbrachtem Gesang / verlangte Polyphilus nichts mehr / als daß er diß Lust Hauß näher sehen könte. Deßwegen er / mit voller Hertzens Begierde /und freudigem Gang / dem Fuß Coßmaritis folgete /welcher je länger je näher zu der Grotten fortgieng. Da sie nun fast die Thür erreichet / und den Eingang suchen wolten / finden sie aussen vor derselben eine schöne und dabey erbare Matron / mittler Jahre / welche doch mehr zum Alter / als der Jugend geneiget. Das Scheinbarste / so sie zierete / und unter andern lobwürdigen Geberden hervor leuchtete / war die Beständigkeit ihres Gesichts / das sich durch keinen Anblick verändern ließ / und wurde selbige um so viel vermehret / weil sie in einer erbarn ungefärbten Kleidung / ohne bund-gewürckte und wild-verzierte Vergänglichkeiten / zu sehen. Sie setzte ihren Fuß auf einen viereckichten Stein /der unbeweglich war / und wurden ihre beyde Seiten geschlossen / von zweyen andern Jungfrauen / die wegen ihrer jungen Jahre / nicht unbillich ihre Töchter hätten können genennet werden. Als nun Polyphilus über diesem unverhofften Anblick nicht wenig bestürtzet / und voller Wunder war /vermehret seine Gedancken ein Jüngling / der / mit erhitztem Lauff / durch die Wiesen / auf diese Matron zueilet / und sich ihr vertrauet; von welcher er auch in das Grotten-Zelt gelassen / und / so viel Polyphilus von ferne verstehen konte / von denen / die darinnen künstlich spielten / mit grossem Jauchtzen / empfangen wurde. Darob Polyphilus fast erstaunet / gleichwol vermochte die erhitzte Begierde bey ihm so viel /daß er sich nicht scheuete / diesem Jüngling nachzufolgen / obschon der Eingang so eng / daß er ihn vor der Thür stehen / und den Zutritt nicht weiter fördern hieß. Deßwegen er seinen Augen desto grössere Freyheit zuließ / weil die Füß / mit den Stricken der Verhindernus / gebunden waren. So bald er aber durch die Thür schauete / ward er eines grossen Hauffens gezierter und höflicher Weibs-Personen gewahr / die den eingelassenen Jüngling umfangen hielten / und aufs schönste und lieblichste beehreten. Eine jede wolte ihm einen besondern Schmück anlegen. Bald kam eine / die ihn mit Geschencken verehren; bald wieder eine / die ihn mit allerhand Ergötzlichkeit belustigen; bald eine / die ihn mit Ehren krönen; und endlich / wieder andere / die ihn bald mit diesen / bald jenen Freud und Lieblichkeiten beglücken wolten: und da er von allen endlich einen Theil angenommen / huben sie ihn sämtliche auf ihre Schultern / und trugen ihn mit jauchtzender Freudigkeit / zu einer andern erbarn und etwas wohl-betagten Matron / die im letztern Theil dieses Lust-Zelts auf einem erhabenen Thron saß / mit einer kostbaren Cron gezieret / welche von Gold und herrlichen Edelgesteinen dermassen gläntzete / daß sie Polyphilo leichtlich das Gesicht geblendet / wann er nicht mehr auf die erbare Kleidung derselden / und die freudige Geberden / als eben diesen wunder-künstlichen Zierath acht geben. Der Jüngling buckete sich in aller Demut gegen dem Thron / deßgleichen thaten auch die Jungfrauen / und nach dem ein jede dieser Matron die Hände geküsset / übergaben sie ihr den Jüngling /welchen sie mit einem Lorbeer krönte / und auf ihren Thron erhebete. Als diß Polyphilus nach der Länge angesehen /konte er sich nicht länger erhalten: sondern fragte Coßmaritem / mit angehängter Bitt / daß er ihm die Bedeutung dessen allen nicht verhelen wolle / daß ihm sein Hertz etwas neues und nutzliches zu erfahren verspreche. Coßmarites versetzte hingegen / daß eben diß die wahre Kunst und Tugend deute. Setzeten derowegen ihren Fuß etwas wieder zuruck / und fieng Coßmarites folgender Gestalt an: Kunst- und Tugend-begieriger Polyphile! Dieser Bergichte Felsen ist der Ort / da Kunst und Tugend wohnet / welche mit gleich-beschwerter Müh und Gefährlschkeit erlanget /als diese felsichte Höhe bestiegen wird. Daß er aber so unbewohnt / und mehr einer grauen Wildnus sich gleichet / als einer so herrlichen Wohnung / ist die enge Strasse / so da hinan führet / Ursacherin / die nicht viel betretten noch durchwandern können / oder vielmehr wollen. Viel werden verhindert durch die Himmel-reichende Höhe; verstehe / die eingebildete Unmüglichkeit; Viel durch die gefährliche Klippen /da sich nicht wenig an den Stein der Verzweiflung stossen; der grösseste Theil aber bleibet dahinden /wegen des rauhen und ungebahnten Weges / weil ohne Schweiß kein Preiß erlanget werden kan / auch keiner ohne Kriegen sieget. Daß aber unter den dreyen Berg-Felsen je einer höher / und dem Himmel näher ist / zeiget den Unterschied der Wanderer / deren etzliche wol einen guten Eingang machen / aber bald müd werden / und sich mit dem Vorschmack der wahren Tugend und Kunst lieber verwahren / als diese saure Arbeit / sie völlig zu erlangen / ausstehen wollen: Daher bleiben sie auf diesem nidrigen Hügel /und vermögen nicht von der Erden gen Himmel zu gelangen. Die aber / welche auch den andern Berg überkommen / sind die / welche zwar die Lieblichkeit der Weißheit etwas völliger kosten / auch selbige ferner zu erlangen bemühet sind: weiln aber der letzte Felsen so hoch / daß er nicht nur den Willen / sondern auch eine besondere Krafft und Macht / seinen Lauff zu vollbringen / erfordert: werden sie / wie die erste /durch Ungedult und Trägheit; also / an diesem Ort /durch Ohnmacht und versagte eusserliche Hülf und Mittel / auch mitten in dem Lauff / zu ruck gehalten. Welche aber theils der Vorsatz ihres Verlangens / die Begierde der Liebe / der unablässige Fleiß / die viel-vermögende Arbeit / die Großmütigkeit des Hertzens / und unüberwindlicher Zwang ihres gesetzten Ziels; theils auch die gütige Natur / das günstige Glück / und der gnädige Himmel / so weit geführet hat / daß sie / ohne Verhindernus / den dritten Felsen erstiegen / und Tugend und Weißheit erlanget / die können wir freylich denen unsterblichen Göttern nicht ungleich schätzen. Das alles gefiel Polyphtlo über die massen wol /und konte er diese artige Vorbildung nicht gnug verwundern / hätte auch / so es ihm zugelassen worden /selber seine Kräffte versuchet / ob er diese Berge zu besteigen mächtig wäre: aber Coßmarites / der solche seine Gedancken bald verstehen konte / antwortete ihm: begieriger Polyphile! es würde euch gar eine schlechte Mühe seyn / diese durch Menschen-Hände verfertigte Berg Felsen zu gewinnen / auch würde auf eine so schlechte That / eben schlechtes Lob folgen: aber dahin bemühet euch / daß ihr die wahre Kunst-und Tugend-Bahn durchwandern / und die hohe Pindus-Spitzen / welche bloß allhier in einem Bild gezeiget werden / ersteigen und gewinnen möget. Dann daher wird ein Ruhm erfolgen / welcher biß gen Himmel steigen / und mit der Ewigkeit in die Wette leben wird. Ihr sehet / Polyphile! in der Mitte jenes erhöheten Felsen zwo Weibs-Personen / die euch gleichsam wincken / und bitten / zu ihnen zu kommen: aber diese begehren euch die Begierde / Kunst und Tugend zu verlangen / entweder einzupflantzen / oder zu vermehren. Verlanget ihr zu wissen / wie sie benamet sind? Die eine wird begrüsset / die Mässigkeit / die andere nennet man / die Gedult. Und diese wollen euch und allen Kunst-begierigen lehren / daß ohne ihre Hülffe und Vorgang / keiner zu der wahren Weißheit gelangen könne. Ein mässiges Hertz dencket auf etwas Gutes: und Gedult überwindet alles. Darum erkennen wir aus ihren sorgfältigen Geberden / daß sie gleichsam die hinaneilende trösten und stärcken / daß sie ihren Fleiß durch keinen Schweiß sollen verrucken lassen: es werde geschehen / daß sie in kurtzer Zeit auf einen lustigern und ruhigern Weg gelangen / da sie die süssen Früchte ihrer sauren Arbeit schon geniessen werden. In dem Coßmarites dieses redte / hub Polyphilus seine Augen gegen dem Felß / und da er in acht nahm / daß zu dem dritten und höchsten kein solcher Weg führete / als zu dem ersten und andern: fragte er /wie man dann dahin gelange / weil er keine Bahn ersehen könne / so dahin führe? Das ists eben / antwortete Coßmarites / daß ich zuvor gesagt / es könne keiner unter denen Sterblichen ohne Vorgang und Hülff der Mässigkeit und Gedult zu der rechten Weißheit und wahren Tugend gelangen: so bald sich aber eins dieselbe führen lässet / und ihnen Folge leisten will /steigen sie selber dem Hülff-bittenden entgegen / fassen ihn in die Mitte / und heben ihn zu sich auf den Felsen: allwo der Lustbare / gebahnte / ebene und sichere Weg ist / welchen wir insgemein die Tugend- Bahn nennen. Diesen zeigen sie ihm / und dessen Hertz und Sinnen-erfreuende Lieblichkeit: Heissen ihn auch etwas ruhen / verstärcken seine schwache Krafft / und versprechen ihm / daß er nunmehr mit einem frölichen Gruß die Weißheit küssen / und der unerschöpflichen Freude eines friedlichen Lebens geniessen solle. Die Zusage wird auch im Werck erfüllet / dann das will der Lust-Weg / welcher / durch die Wiesen / zu dem Grotten-Werck führet / darinnen die Tugenden und die wahre Glückseligkeit wohnet. Hie ist das Wohn-Hauß aller Freuden. Was zeiget aber / fragte Polyphilus / diese Matron /die ihren Fuß auf den geeckten Stein setzet / und / wie es scheinet / der Thür hütet? Sind nicht diese / so sie begleiten / ihre Töchter? so ists / gab Coßmarites zur Antwort. Die Matron ist die so langverlangte / wahre und unverfälschte Wissenschafft / und diese ihre beyde Töchter / sind Warheit und Verstand. Daß sie aber auf einem vier-geeckten Stein ruhet / Bedeutet /daß der Weg sicher / und der Ort ohne Veränderung /ja auch die Gaben / so sie verehret / keinen wanckelbaren Glücks-Fällen unterworffen seyn. Was für Gaben? fragte Polyphilus: dem Coßmarites antwortete: Friede des Gewissens / Ruhe des Gemüths / und Sattsamkeit des Verlangens. Dann so bald wir / fuhr er weiter fort / durch die Wissenschafft / zur Erkäntnüs der Warheit kommen / wird unser Verstand dermassen erleuchtet / daß wir gewiß wissen / es könne uns die Zeit unsers Lebens kein Unfall treffen / keine Unruh betrüben. Sicherheit / Vergnüglichkeit / Zufriedenheit ist an allen Orten. Und daß sie aussen vor der Thür stehet / hat nicht die Bedeutung / als wann sie den Eingang verwahre: Dann dieser stehet männiglich offen / weil keiner hieher gelanget / als der da hineinzugehen sich würdig gemacht; sondern daß sie die Ankommende / ehe sie völlig hinein gelassen werden / heilige / weyhe / und von allem Irrthum / den sie vorher in sich gesoffen /reinige / und also / gleichsam geschmückt / zum Zelt einlasse: allwo er von den frölichen Jungfrauen empfangen / und verehret wird: wie ihr dann / an diesem Jüngling / das Beyspiel / mit sehenden Augen / erfahren. Wer sind aber diese? fieng Polyphilus an: darauf Coßmarites antwortete: Diese sind eben die völlige Weißheit / mit ihren Schwestern / denen übrigen Tugenden / welche ihn verehren / und zu der Crönung führen. Die Matron aber / welche / im letztern Theil dieses Lust Zelts / den Jüngling krönet / ist die Glückseligkeit / die gibt ihm das köstliche Kleinod /der ewig ruhigen Freude / und preiset seinen Sieg /den er durch so viel Tugend-Ubungen erhalten / vergönnet ihm auch seines so lang gesuchten Ziels / nun endlich / erfreulich zu geniessen / und weiset ihm /aus was Gefahr er errettet / und in welche Sicherheit und beständige Ruh er versetzet worden. Und auf solche Art wird Kunst und Tugend erworben / welchem /wann auch ihr nachkommen werdet / wie ihr / so viel ich hoffe / Willens seyd / wird dieser Jüngling / selbsten den Polyphilum deuten: weil ihr diesem gleich mit Ehre / Freude und Glückseligkeit / nach erhaltenem Sieg / werdet bekrönet werden. Und so viel / beschloß Coßmarites / ist / euch zu erklären / auch zu zeigen / Königlicher Befehl / dem ich nach Vermögen Folge geleistet / und mich gehorsam erwiesen: beobachtet auch ihr eure Pflicht / so werde ich mich freuen / daß ich nicht vergeblich und ohne Furcht gelehret habe: und mit diesem verließ er Polyphilum / und verfügte sich wieder zu der Königin / berichtende / daß ihr Befehl sorglich und aufs fleissigste verrichtet. Diese / welche indessen mit ihrem gantzen Comitat / der Göttin Pallas geopffert / trat zum Polyphilo /und ermahnete ihn / daß er der Göttin / welcher dieser Tempel heilig / wäre Danck schuldig / vor die Eröffnung solcher verborgenen Nutzbarkeiten; diesen nun solte er auf dem nächsten Altar / ehe er weiter geführet werde / bezahlen: deßwegen ihm dann / der Melopharmis kleiner Sohn ein Faß voll Rauchwerck darreichete / durch welches er seinen Danck aufopfferte: wiewol die unersättliche Begierde Polyphili mehr auf die Tafeln / so in dem andern Temrel zu sehen / als an das Opffer dachte. Gleichwol aber / daß die Anwesende ihn nicht mit dem Laster des Undancks beschuldigen möchten / fieng er folgender Gestalt an: Soll sich mein Danck / denen Herrlichkeiten / so dieser Tempel in sich verborgen hält / allerdings gleichen / so will ich die Schwachheit meines Vermögens alsobald der Unmüglichkeit halber beschulden. Denn wie können himmlische Gaben mit menschlichem Danck verglichen werden: Doch nehmet an / ihr gnädige Götter! und sonderlich / du Kunst-herrschende Pallas! den schuldigen Danck / wie ihn eines Sterblichen Zunge in dieser Unvermögenheit aussprechen kan; nimm an zur Vergeltung die Folge / so ich dir mit Hertz und Mund / in allem dem / was du meinen Augen eröffnet / verspreche. Du nur / weil meine schwache Hand / ohne dein Walten / nichts würcken und vollbringen kan / stärcke mich in meinem Fürnehmen /daß ich mein Gelübd halten und bezahlen könne: so soll dir diese Stätte / von meinem Danck und Vergeltung ein ewiges Denckmal seyn und bleiben: auch diese Anwesende werden ein Danckmal aufrichten /und wird Kunst und Tugend selber dich / zu ihrer Beherrscherin / erwählen / und alle Sterbliche deiner Macht gehorchen. Nach verrichtetem Opffer / berieff die Königin Coßmaritem wieder / beneben obgedachtem seinem Geferten / welcher Clyrarcha genennet wurde / und redete mit ihnen heimlich: der Innhalt aber ihrer Rede war dieser: Es gab die Königin Befehl / daß / wie Coßmarites Polyphilum den Tempel der Kunst und Tugend durchgeführt / und was darinnen zu sehen /erklärt: so solte Clyrarcha ihm auch den Tempel des Glücks eröffnen / und nichts verhelen / was zur Verbesserung seines künfftigen Lebens diene: sondern ihm allerdings weisen / wie er die vielfache verderbliche Glücks-Stösse / mit den Waffen der Gedult / bestreiten / und / durch bessern Verstand / gewinnen könne. Nach ertheiltem Befehl / fassete die Königin Polyphilum wieder bey der Hand / und wolte ihn in den andern Tempel führen: Da sie aber ihren Fuß von dem felsichten Gebürg gegen Nidergang lencketen / und Polyphilus seine Augen noch einst ruckwerts warff /ward er etzlicher zierlicher Gemähl und Sinnbilder /an denen Marmor-Seulen / darauf das Tempel-Dach ruhete / und an den Wänden aufgeführet waren / ansichtig / und da er / nach erbetener Erlaubnus / näher hinzu trat / fand er auf der rechten Seiten / gegen dem Mittag das Kunst-verdeckte Bildnus des Delphischen Apollo / welcher in Jünglings-Gestalt / auf einem Dreyfuß / mit einer / von 12. Edelgesteinen / gläntzenden Cron / gantz nackend / mit 4. Ohren / und gleich so viel Händen zusehen / welche eine Leyer gefasset hielten / die mit 4. Säiten bezogen / deren jede von einer Hand besonders gerühret wurde. Sein Haar gläntzete / wie die aufgeworffene Sonnen-Stralen /und sein Antlitz war entbrant vor Zorn / der Mund lief / als schäumete er vor Eyfer. Und da sich Polyphilus fast sehr über diese Figur verwunderte / also / daß er selbige mit tieffem Nachsinnen ansahe / trat die Königin zu ihm / mit diesen Worten: Ich glaube / Polyphile! ihr wollet heute von einem schwachen Werckzeug unterwiesen werden. Verstehet ihr nicht /was dieses Wunder-gebährende Gemähl in sich halte? Es ist der Künste-Gott Apollo / und deutet in dieser Figur die gesunde Vernunfft / den besten und vortrefflichsten Theil des Menschen. Dieselbe gehet das Vermögen der vernünfftigen Seelen durch / als die 5. äusserliche / mit samt den 4. innerlichen Sinnen. Setzet sich zu einem Liecht dem Leibe / zum Raht der That /zur Führerin der Folge: also / daß sie mit Recht / die Verleiterin zum Guten / die Zuruckhalterin vom Bösen / die Verzehrerin der Laster / die Stiffterin der Tugend / die Vertreiberin der Unwissenheit benahmet wird. Und dieses zeigen die Edelgesteine / so an der Cron hervor leuchten. Weiln aber diese Wercke grosse Müh und nicht geringe Arbeit gebrauchen / ist er mit mehr dann einem Ohr und nicht wenigern Händen versehen / alldieweil junge Leut / ehe sie die Weißheit begreiffen / viel hören / viel schreiben / viel thun und verrichten müssen / ja in den 4. Zeiten menschlichen Lebens / Kindheit / Jugend / Mannheit und Alter /sich nicht satt hören / oder auch genug lernen können. Der Dreyfuß aber zeiget / daß nichts so verborgen sey / welches von der scharff-sinnigen Vernunfft nit endlich entdecket werde. Was zeiget aber das zornige Gesicht? fragte Polyphilus; welches die Königin erklärete / daß dadurch der Eyfer zu verstehen / welchen alle die / so / auf der Weißheit-Bahn zu wandeln /verlangten / müsten bey sich spüren lassen. Das /sagte die Königin / lernet von einem unerfahrnen Weib. Polyphilus / dem die Wangen durch diese Wort gleichsam befeuert wurden / verfälschte den Hochmuth dieser Königin mit einer Schertz-Rede: doch mochte er seinen Grimm nicht so starck bergen / vielweniger diese Schmach so gedultig ertragen / daß er nicht / da ihm die Königin auch die übrige Bildnussen erklären wolte / sein widriges Begehren / durch Vorwendung / nutzlichere Sachen zu erkunden / mercklich anzeigte; in welchem ihm auch die Königin nicht widersprach / sondern seinem Willen vor dißmal die begehrte Freyheit zuließ. Gleichwol aber / damit die Ungedult Polyphili /den köstlichen Zierath des Tempels nicht verdeckte /war nechst bey gedachtem Bildnüs / die gantze Seite durch gezieret mit denen dem Apollo zugeeigneten neun Musen / deren jede in einem besondern Habit und auf andere Art gebildet / so gar / daß sich keine der andern gleichen / sondern eine jedwede von der andern wol unterschieden werden konte. Alles hie völlig auszudrucken / erfordert mehr Zeit / als uns vergönstiget: doch können wir das sagen; köstlich und künstlich war alles / dergestalt / daß wir zweiffeln / sollen wir in diesem Zierath ein Wunderwerck der Götter suchen / oder eine Kunst der Sterblichen preisen. Auf der lincken Seiten gegen Mitternacht /waren die sämptliche Tugenden / durch allerhand nachdenckliche Sinnbilder gemahlet / die großmächtige Tapfferkeit / durch den Schild des Laster-siegenden Herculis / darauf er selber auch gebildet. Die beliebte Mässigkeit / durch einen wilden Feigenbaum /welcher auch die unbändige Thier zäumen kan. Die begüterte Freygebigkeit / durch das Frucht-Horn. Die unverruckte Gedult / durch einen Amboß / darauf gehämmert wurde. Die getreue Liebe / durch den Salamander / welcher im Feuer lebet. Die belobte Beständigkeit / durch einen Falcken / welcher einen Demant-Ring umfasset. Die entdeckte Warheit / durch ein unbekleidetes Jungfräulein / welche in der lincken Hand die Sonnen / in der rechten ein eröffnetes Buch / und einen Palm-Zweig führet / und mit dem rechten Fuß die Welt-Kugel betretten. Die Aufrichtigkeit / durch den Pfirsing-Baum / dessen Blätter der Lungen / und die Frucht sich dem Hertzen gleichet. Die Hoffnung /so nach Nutz und Ehren strebet / durch ein Feuer-farbes Kleid der Purpurnen Morgenröthe / in der rechten eine blühende Granaten-Stauden / und in der Lincken den Ancker haltend; ohne Zweifel durch dieses den Nutzen in Gefahr / durch jenen die Frucht der Tugend bedeutend. Und nach vielen andern / die / wegen ihrer Vielheit / zu beschreiben / die Unmüglichkeit verbietet / beschloß endlich das Bildnus der Gerechtigkeit diese Wunder-Gemähl / und war selbige gebildet durch einen dreyfachen Hügel. Auf dem Rechten war ein Schwert zu sehen / samt der Waag-Schalen / auf dem Lincken ein grünender Oel-Zweig / und auf dem Mittlern ein Königliche Jungfrau / mit einer Cron auf dem Haupt / in ein gantz gulden Stück gekleidet / und am Halse eine guldene Ketten tragend / welche an statt des Kleinods ein Aug führete / das verbunden war. Von der rechten Hand gieng eine Flamm / und die lincke beschwerete ein blutiges Hertz; dadurch anzudeuten / daß sie kein Feuer und Stahl / kein Blut und Tod achte: sondern / wie die Flamme / gen Himmel steige / und ihr Hertz / durch die Unsterbliche /von allem anfeindenden Ubel reinigen lasse. Gegen Morgen waren die lebhaffte Bildnussen der sieben Weisen aus Griechenland zu sehen / deren jeder seinen gewohnten Red- und Lebens-Spruch bey sich hielte / und dem Tempel eine nicht geringe Beschönung gab. Gegen Nidergang zeigeten sich die sieben Künste / in ihrer gewöhnlichen Bildung / die von denen beyden Welt berühmten Platone und Socrate in die Mitte gefasset waren: auch war der über alle Weißheit erhabne Kunst-verständige Aristoteles / in Lebens-Grösse / und aufs eigentlichste abgebildet /doch also / als musterte er die sieben / welche sich seinem Gebot stelleten. 2. Absatz Anderer Absatz Beschreibet den Eingang Polyphili / in den Glücks-Tempel / und wie derselbe gebauet / und gezieret gewesen: Lehret die nahe Verwandnus / der Tugend-Kunst / mit dem Glück; bewähret die Ursachen der Ungleichheit unter den Menschen; berichtet von dem Glück / daß es nicht ein blinder Zufall; nicht auch ein Sternen-Blick: sondern Gottes so gefälliger Wille und Ordnung sey. Wir kommen aber wieder zu unserm Polyphilo. Dieser wurde / seinem sehnlichen Verlangen nach / von dannen in den Glücks-Tempel geführet. So bald er die Schwelle betretten / verführete die Mannichfaltigkeit der Dinge / so ihm von ferne ins Gesicht fielen / die Augen dermassen / daß das wundrende Gemüth seinen Füssen den Vortritt verwehrete. Er nahm ihm vor / alles viel eigentlicher / und mit guter Weil zu besehen: darum er stracks im Eingang stille stund /und das Gerüst besahe / so über der Thür inwendig aufgemacht war. Dieses zeigete den sonst bekanten Eunomium / zugenahmet Locrinus / mit seiner Zittern / darauf eine Saite gesprungen / an dessen Stelle sich eine Zitschrende Heuschreck gesetzet / die das Maul aufsperrete. Lachen und Dencken überfiel Polyphilum auf einmal / weil er nicht verstehen kunte /was das in sich hätte. Darum die Königin / welche sein Verlangen bald merckete / Clyrarcham ihm zugesellete / mit dem Befehl / die Geheimnus / so in diesem Tempel verschlossen / Polyphilo zu eröffnen. Dieser fieng nach abgelegtem Gruß / seine Red mit solchen Worten an: Viel beglückter Polyphile! der Reichthum eures Glücks ist so groß / daß er nicht leicht wird ergründet werden: Ihr aber mißbrauchet der Gütigkeit des gewogenen Himmels. Verzeihet mir / Polyphile! daß ich euch so anrede. Meine Pflicht leidets nicht anders. Ihr wisset / wie ein zerbrechliches Ding sey das Glück /und wie bald es erdrucke / den es gehoben. Darum ändert euren Wandel / wollt ihr nicht / daß sich euer Glück ändern soll. Wann ich Zweiffel trüge / ihr verstündet nicht / wohin ich ziele / wollt ich mich bemühen / mit grösserer Höflichkeit meine Rede zu entschuldigen: aber der Scham / welchen das beschuldigte Gewissen zeiget / lehret sattsam / daß ihr verstehet / wohin meine Rede gehe. So nehmet nun meine Lehre an zu eurem Nutzen / und lernet hin für o /nicht durch den falschen Wahn der Liebe das Glück zu verringern: sondern durch die beständige Treu dasselbe zu stärcken / auf daß es euch immer anlachen möge. Das nöthigste aber / so ihr zu behalten habt /ist die Liebe gegen Kunst und Tugend: die ihr in dem ersten Tempel erkannt / und zu gewinnen gelobet. Ohne diese kan kein Glück bestehen / und kein Zufall wol gerathen. So kan auch im Gegentheil ohne Glück die Tugend nicht herrlich scheinen / vielweniger die Kunst sich erheben / dann jenes ist die Nehrerin dieser / diese die Mehrerin jenes. Daher kompts auch /daß die Weißheit der Götter diesen Tempel alsobald an den Tugend-Tempel gebauet / ja / das will dieses Sinnbild / welche die alte Histori zeiget / da dieser Eunomius / weil er sehr lieblich spielen kunte / einsmals / zu Delphis / mit dem Regino in die Wette gespielet. Als ihm aber mitten in dem Gesang die Säite gesprungen / und nicht weiter fortspielen können / hat sich die Heuschrecke auf den Haiß seiner Zittern gesetzet / und dermassen fortgesungen / daß Eunomius das Feld erhalten / und den Preiß gewonnen hat. Dieses ist zum Gleichnus gesetzet / das Verbündnus der Tugend mit dem Glück anzudeuten / daß offtermals wir Sterbliche unsern Fuß zuruck ziehen müssten /und das vorgesetzte Ziel nicht erlangen könten / wann nicht / wo alle Hülff versieget / das Glück den Thon führete / und durch unverhoffte Fälle offt mehr richtete / als wir begehren. Kaum hatte Clyrarcha diese Rede vollendet / daß nicht also bald Polyphilus sich erinnerte / wie er eben diß noch vor kurtzer Zeit / an seinem eigenen Leib erfahren / deßwegen er dann des Clyrarcha Wort / mit einem einstimmenden Ja-Wort bekräfftigte. Als aber Clyrarcha auch daher anfieng zu erweisen / da offtermals durch einen Unglücks-Riß ein grosses Glück erhalten werde / fiel Polyphilus in die höchste Betrübnus. Denn da ward ihm sein gantzes Hertz voll der Gedancken von Macarien / und was er um sie erlitten; so gar / daß nicht viel fehlete / er hätte gewünschet /daß ihm der Himmel diß Glück / Kunst und Tugend zu lernen / mißgönnet / und dagegen vor dem Unglück behütet / daß ihn von seiner allerliebsten Macarien geschieden. Clyrarcha merckete gar bald die Bewegnus Polyphili / und / wie er mitleidiges Hertzens war / bedaurete er seine Schmertzen / gedachte ihm auch wieder einen freudigen Muth zu machen / derohalben er ihn von der Verlängerung des Unglücks / und daher entspringenden Nutzen viel vorsagte / zu behaupten /daß je mehr die Unglücks-Zeiten verlängert / und die wiederkommende Glücks-Stunden verzögert würden /je mehr werde auch die Ankunfft des Verlangens erfreuet und begütert. Unter dieser Rede aber giengen sie allgemach zum Tempel ein / da dann Polyphilus einer grossen Menge künstlich-aufgeführter Gerüst / Altär / Thrön / Sessel und Sitz gewahr wurde / die alle mit Herrlichkeit bekleidet / von gewissen Personen eingenommen und gefüllet waren. Und weil der Tempel / ungleich dem ersten / in zwey Theil unterschieden war / deren jener mit eisernen Schrancken verschlossen: Dieser aber gantz offen stunde / sahe er / auf dem befreyeten Plan / allerhand Arten der Menschen / grosse / kleine / gelehrte / ungelehrte / Gewaltige und Bettler /Alte und Junge / die er doch von fernen nicht anders /als aus dem Unterschied der Kleidung erkennen konte. Da er aber dem Ort näher kam / befand er etzliche unterschiedene Häuflein der Menschen / die theils weineten / theils lacheten. Ein jedweder Hauffen wurde von einem / der sich denen Unsterblichen nicht übel gleichete / bedecket. Und als Polyphilus dieses alles nach der Länge angesehen / fragte er endlich Clyrarcham / wer diese wären? welcher dagegen versetzte / daß hierdurch die Handthierungen und Gewerbe / mit denen mancherley Sorten und Arten der Menschen / vorgebildet würden / deren jede ihren eigenen Glücks-Gott verehrete / der sie schützen und erhalten solle. Daher ist dieser Thron / sprach Clyrarcha / welcher dem Jupiter geheiliget wird / der ein Gott aller Götter ist. Ja / daher ist dieses Faß / welches zu der Seiten aufgerichtet ward / und allerhand reiche Güter in sich hielte / Ehre / Reichthum / Gewalt / Macht /Kunst / Gunst / und dergleichen; aus diesem reichet er dem einen viel / dem andern wenig. Weil er aber allein alles nicht verwalten kan / oder will / hat er ihm mehr Götter zugesellet / und einem jeden seine sonderbare Verrichtungen gegeben: Daher diese / so den andern Thron begleiten / dem Gott Marti dienen / und um Glück zu denen Kriegen anflehen. Jene aber / die den Vulcanum verehren / wollen auch / daß ihre Handthierung glücklich fortgehe. Deßgleichen die Anbeter des Neptuni. Nach diesem führete er ihn zur lincken Seiten / allwo auch etzliche deren mithelffenden Göttinnen zu sehen / unter denen die erste war Juno / die Verwalterin der Eheschafften und Gebährenden; Auch Venus / die die Bitterkeit der Liebe versüsset; mit der Dianen und andern / die allhier sammetlich zu erzehlen / die grosse Meng verwehret. Das ist Meldens werth / daß der Sterblichen so ein mercksamer Unterscheid war / nicht nur in der Kleidung /sondern auch in ihren Geberden / indem der eine Theil lachte / der ander weinete. Diese / sagte Clyrarcha /und deutet auf die Weinenden / sind die / so im Unglück vergraben / über die Unbarmhertzigkeit der Götter klagen: Jene aber / zeigend die Lachende / sind die / welche sich in ihrem Glücks-Stande freuen / und der Gunst des Himmels dancken. Aber woher ist der Unterschied / fragte Polyphilus /was beweget die Götter / daß sie diesen mit Glück /jenen aber mit Unglück belegen / da wir doch alle Menschen sind? Sind wir Menschen / so sind wir ja gleich / woher komts dann / daß etzliche arm / etzliche weiß / etzliche gelehrt; andere alber / andere wie der verständig sind? Was ist die Ursach / daß es nicht einem Menschen gehet / wie dem andern / warum soll jener in Freuden / dieser aber in Trauren leben: warum einer in Sammet / der ander im groben Kittel einher gehen: warum einer mit niedlichen Speisen ernchret / ein anderer mit Wasser und Brod gesättiget werden? Oder / warum wird mancher zu den höchsten Ehren erhoben / mancher hingegen verachtet und vor nichts gehalten? Oder / warum hat mancher an allem einen Uberfluß / mancher aber allenthalben Mangel? Woher komts / daß ihrer viel / was sie wünschen / erhalten / was sie dencken / verrichten / was sie beschliessen / vollenden: da hingegen andern vielen all ihr Rathen und Thaten zu ruck / und nicht für sich gehet? Meines Erachtens kan man nicht anders schliessen / als daß dieses der Götter Schuld / und die Klag der Sterblichen nicht unrecht sey. Deme Clyrarcha unverhindert antwortete / daß dem nicht so sey /wie er rede / und die Götter ausser aller Schuld wären / auch bloß die Menschen / ihr eigen Glück und Unglück / Reichthum und Armut / Ehr und Schand /Ansehen und Verachtung / Kunst und Unwissenheit /Tugend und Laster erwähleten / und sich selbsten verführeten. Welches aber Polyphilo nicht eingehen wolte / dieweil er behauptete / daß mancher / an Reichthum / Ehre / Macht und Gunst / einem vorgezogen würde / der doch / aller Zeugnus nach / viel fürsichtiger gehe in allem was er handele; viel muthiger und behertzter verrichte / was ihm zu verrichten obliege; viel freundlicher sich stelle gegen denen / damit er umgehe; viel gedultiger sey in seinem Leiden; viel mässiger in seinem Glück; viel ansehnlicher von Person; viel geschwinder im Rath; viel verständiger in Anschlägen; und so fort an: habe dennoch das Glück nicht / daß er sein Werck so wol verrichte / als jener; fehle doch viel / daß er so beliebt sey / als der ander; und komme nie darzu / worzu ihn seine Geschicklichkeit billich erheben solte. Wir sehens / fuhr Polyphilus weiter fort / bey mancher Regierung / so lang dieser / zum Exempel / die Herrschafft führet / lebet alles in erwünschter Ruhe / der Fried wächst gleichsam auf der Erden / und die Gerechtigkeit blühet immer: Wann ein anderer kommt / ist aller Orten Krieg und Kriegs-Geschrey / alle Aempter sind voller Unruhe /Aufruhr und Empörung findet man allenthalben: da doch dieser viel weißlicher regieret / als jener / dem /so zu sagen / das Glück selber Stadthalter gewesen. Oder / wollt ihr / Clyrarcha! die Handlungen und Gewerb ansehen / so werdet ihr finden / daß bey manchem alles gesegnet / und reichlich zunehme; bey einem andern hingegen / ob er schon täglich / ja fast stundlich rennet und lauffet / dennoch nichts erspriessen will: es ist kein Glück und Segen bey ihm: die Anschläg werden zu Wasser: die Arheit hat keinen Fortgang: es ist kein Verschluß der Wahren mehr: es geräth nicht / wie zuvor / und / mit einem Wort / scheinet alles vergebens zu seyn / was man vor Müh und Arbeit angewendet. Solte diß dann die Schuld der Menschen seyn? ist nicht zu glauben. Wäre Clyrarcha nicht noch klüger gewesen / als Polyphilus / hätte er in Warheit stillschweigen müssen: gleichwol vermochte die Rede so viel / daß Clyrarcha den rechten Grund entdecken / und mit unverfälschter Warheit völlig heraus gehen muste / da er sprach: Geliebter Polyphile! Wann ich mich nicht vor einen Glücks-Verständigen grüssen ließ / möchte es gar leicht geschehen / daß ich eure Rede unbeantwortet fassen / und euch gewonnen geben müsste. Nun aber erfordert mein Amt ein anders / und mein besser Wissen gibt mir Befehl / euch aus diesem Irrthum zu führen. Mercket demnach / daß ihr sehr weit fehlet /indem ihr / aus der ungleichen Theilung der Güter denen gerechten Göttern einige Unbillichkeit beyzumessen / euch unterstehet. Zwar ists nicht ohne / daß /so fern wir die Austheilung an sich selber besehen /selbige denen Göttern billich zugeschrieben wird: aber daher einige Ungerechtigkeit zu schliessen / ist unrecht. Wisset / Poyphile! daß der Weißheit Rath im Himmel nichts ohne erhebliche Ursachen / ja nicht das geringste / vergeblich thue. Solten ihr die Ursach dieser Theilung der Güter wissen / würdet ihr euch nicht das geringste wundern lassen. Einmal ists gewiß / daß wir ein Geschöpff der Unsterblichen sind. Hat dann nicht der Schöpffer Macht mit uns zu thun /was ihm gefällt? Eben das ist endlich eine Ursach /warum Er diesen auf einen Käiserlichen Stul: jenen in einen Vieh-Stall setze; warum Er den an eine Königliche Tafel: einen andern hinter den Pflug hebe; warum Er manchen in ein reiches Haußhalten / in ein grosses Gewerb / und dergleichen: manchen hingegen in eine arme und nidrige Bauren-Hütte / unter ein Stroh-Dach verstecke / daß Er erweise / Er sey der Schöpffer / und wir sein Geschöpff. Daß ihr aber den Einwurff gethan / warum es deme nach Wunsch / dem andern aber wider Willen gehe; warum der viel glücklicher in seiner Verrichtung / als jener / welcher doch nicht so verständig; warum mancher darzu gelange / wohin er nie gedacht; ein anderer hingegen darnach gerennet und geloffen / und doch nichts erlanget: hat wider seine sonderbare Ursach. Ists nicht so / wann ihr euer Werck allemal nach Wunsch und Begehren vollführetet / und eben durch die Mittel euer Ziel erlangetet / durch welche ihr dasselbe bestritten / würdet ihr nicht den Gewinn euch zuschreiben / und euren Anschlägen / eurer Klugheit /eurer Tapfferkeit den Preiß geben? Durch eure Macht wäre / zum Exempel / der Feind geschlagen; durch eure Spitzfindigkeit der Reichthum erworben; durch eure Kunst die Gunst erlanget; durch euer Ansehen die Ehre erhalten; durch eure Vorsichtigkeit das Gut erworben / und so fort an. Daß aber diß nicht geschehe / weiset eben die Weißheit der Götter durch ein gerades Widerspiel. Denn da machen sie andere mehr eben so künstlich, so starck / so mächtig / so ansehlig / so beredt / lassen sie eben den Weg gehen / eben die Mittel gebrauchen: und doch nichts wenigers / als eben das Ziel erreichen: an statt des Siegs einen Verlust; an statt des Reichthums / Armuth; an statt des Gutes / Schaden; an statt der Gunst / Ungunst; an statt der Ehre / Schande / und dergleichen. Aus welchem allen ihr sattsam schliessen möget / daß der Raht der allweisen Götter / auf keiner Ungerechtigkeit bestehe / noch die That / einiger Unbilligkeit wegen könne beklaget werden. Was anlanget die Ungleichheit der Menschen / daß mancher hoch / mancher nidrig; einer schön / und wieder einer ungestalt; ein anderer reich / der dritte arm; viel aber angesehen / viel wieder verächtlich gehalten werden: Darauf kan ich nicht besser und gründlicher antworten / als daß dieses der Will sey und die Ordnung derer allein Weisen Götter. Diesen aber erkennen wir an unsern eigenen Leibern / daran etzliche Glieder stärcker / etzliche schwächer; wiederum etzliche ehrlicher / die wir nicht verdecken dörffen; etzliche unehrlicher / so uns die Scham verbergen heisset. Auch sind etliche / die uns wol / etliche / die uns übel anstehen. Wiederum finden sich / die nutzlich; andere aber / die nicht gar zu nöthig zu seyn scheinen: Wäre es nun nicht eine thörichte Frag / wann man zu wissen begehrte / warum Gott ein Glied zum Kopff gemacht hätte / eines zum Arm / eines zur Brust / eines zum Fuß / und wieder eins / weiß nicht zu was; wer einen wenigen Verstand hat / würde da antworten / die Nohtdurfft und Gestalt des Menschen erfordere es also. Dann / wo würde die Gestalt bleiben / wann ein Mensch aus lauter Köpffen / lauter Armen / lauter Brüsten / und lauter Füssen zusammen gesetzet wäre? womit würde er gehen und stehen / wann er eine lautere Brust wäre? worinnen würde er sein Eingeweid tragen / wann er lauter Arm wäre? womit würde er fassen und zulangen / wann er lauter Köpff wäre? womit würde er dencken und rathen / wann er lauter Füß wäre? nicht nur die Gestalt zergienge / sondern es würde auch die Nohtdurfft grosse Noht leiden und ausstehen. Wir könnens gar leicht / so wir andere Gleichnüs wollen daher ziehen /an den übrigen Creaturen sehen. Wie schön stehet es /wann ein hoher Berg neben einem tieffen Thal stehet; wie artig übersteiget ein Hauß das ander; wie stattlich schimmern die Thürne vor den nidrigen Gebäuen hervor: die Blumen in den Wiesen zeigen das mit ihrer Ungleichheit; die Bäume in den Wäldern rühmen die Mannigfaltigkeit; auch die Blätter selbst weichen ein ander. Im Feld wächset die Frucht in ungemessener Höhe / es überschreitet je eine Aher die andere. Sehen wir auf die Hände des Kunstlers / immer ist eines herrlicher und schoner gearbeitet / als das ander. Das liebliche Gethon der Orgel / ist von dem Unterscheid der Pfeiffen. Die beste Kunst in einem Gemähl ist /wann der Schatten wol geworffen wird / wann dunckel und hell neben einander stehet schwartz und weiß füglich vermenget ist. Grad so ists auch mit dem menschlichen Geschlecht / und denen Ständen: wann Käiser / König / Fürst / Burger / Bauer und Knecht beysammen seyn / hat ein jedes seinen Schutz und Hülf. Wie würde das Geschlecht erhalten / ernehret und regieret werden / wann eitel Käiser / eitel Könige / eitel Fürsten / eitel Herren wären? müssen nicht andere seyn / die säen und erndten: andere / die hacken und graben: andere / die dreschen und arbeiten: andere / die handeln und wandeln: andere / die herschen und dienen? Ja es würde viel ehe gar kein Käiser / gar kein König / gar kein Fürst / gar kein Herr seyn / ehe sie alle Herren wären. Denn wo wäre der Knecht / der Bauer / der Unterthan? kan auch ein Herr seyn / der keinen Knecht hat; oder mag ein Edelmann seyn / der keinen Bauern hat; ein Fürst / ein König /ein Käiser / ohne Unterthanen? wo kein Unterthan /kein Bauer / kein Knecht ist / da kan auch kein Käiser / kein König / kein Fürst / kein Edelmann / kein Herr / erdacht oder gemacht werden. Sehet ihr demnach / mein Polyphile! wie weißlich die Ordnung der Götter solches alles gerichtet / daß / zur Nohtdurfft des Herrn / der Knecht: zur Nohtdurfft des Knechts /der Herr seinen Beruf halte. Unterthanen / Bürger /Bauren / Knechte / ernehren / verpflegen / arbeiten und frönen ihren Oberherren / Käiser / Königen / Fürsten und Herren / die mit mehrerer Weißheit begabet /und höhere Gewalt haben / führen / regieren / versorgen / beschützen / vertheidigen und verwahren ihre Unterthanen. Und auf solche Art wird das menschliche Geschlecht erhalten. Diese Rede gefiel Polyphilo so wohl / daß er die Freudigkeit seines Hertzens / durch die gleichsam hupffende Geberden seiner Hände und Rede / genugsam zu vernehmen gab / indem er die Weißheit und Verstand Clyrarchæ / mit so gezierten Worten / erbebte / daß nicht viel fehle / würde er ihm auch die andern Sachen so mächtig erklären / wolle er seinen Dienst mit einem ewigen Danck versetzen. Gleichwol aber / fuhr Polyphilus weiter fort / habt ihr mir noch nicht allen Zweiffel benommen. Die Ungleichheit der Menschen habt ihr zwar erwiesen / daß ohne grossen Schaden und Mangel an allem / nicht anders seyn könne / und muß ich in diesem Fall billich die Weißheit der Götter preisen: aber werdet ihr mich auch dessen verständigen / und die Gerechtigkeit des Himmels in dem vertheidigen / daß eben dieser oder jener ein Bauer / dieser oder jener ein Herr seyn soll / will ich euch nach dem nicht mehr bemühen. Keiner klaget darüber / daß ein Herr und Knecht / ein Fürst und Unterthan sey: sondern das ist die gemeinste Frag; warum eben der zu solchen Ehren erhöhet / und dieser hingegen in den Stanb geleget? warum eben die Person ein Käiser / der Mensch ein König / der Mann ein Fürst erwählet worden: und der Bauer hingegen zum Bauern / der Knecht zum Knecht / der Unterthan zum Unterthan? Ich selber meines theils dörfft wol fragen: Warum bin eben ich in diesen Stand gesetzet / da ich eben so leicht hätte einen Käiser / einen König einen Fürsten geben können? Oder / warum bin auch ich nicht so reich / so ansehlich / so herelich / als ein anderer? Oder / warum muß eben ich so viel Unglück und Widerwertigkeit ertragen? könte es nicht ein anderer an meiner Statt seyn? Wann wir alle so schliessen wolten / versetzte Clyrarcha / würden wir entweder alle Käiser / alle Könige / alle Fürsten seyn / und die Ungleichheit mit der Ordnung aufheben / oder würden selber nicht wissen / was wir seyn möchten. Dencket ihr nicht / Polyphile! daß ein anderer auch so gedenckt / wie ihr gedencket. Glaubet ihr nicht / daß ein jedweder gern ein Käiser / ein jedweder gern ein König / ein jedweder gern ein Herr seyn möchte. Würde wol einer seyn / der begehrte einen Bauern zu geben? Nein / die Arbeit ist zu schwer. Solten sich unter hundert wol zween finden / die lieber dienen /als herschen wolten? Nein / die Freyheit ist zu lieb. Solte aus dem gantzen menschlichen Geschecht wol einer seyn / der lieber betteln / und kümmerlich / als in Vollem / leben wolte? Nein / die Schande ist groß /und der Kummer schmertzlich. Darum so haben wir lauter Herren / wer ist aber unser Knecht? Lauter Edelleut; welcher ist aber unser Bauer? Lauter Käiser; wer ist aber der Unterthan? Den ersten Grad verlangt ein jeder / den andern nicht einer. So sehet ihr nun selbsten bald / was die Antwort seyn wird: nemlich /denen Unsterblichen hat es so gefallen / daß du / mit deinem Bauern und Knecht-Stand / mit deiner Armuth und Wenigkeit / die Ordnung / welche sie unter den Menschen gestifftet / zieren solt: gerad wie ein anderer mit seiner Cron / seinem Serpter / seiner Ehr / seiner Macht / seiner Herrlichkeit / und in seinem Stande. So hat es dem Himmel beliebet / daß du / an dem grossen Gemähl dieser Welt / der Schatten; auf dem weiten Erdboden / ein Thal; unter der Menschen-Orgel / die kleinste Pfeiffe seyest. Einen Beweiß dessen können wir nehmen an denen leblosen Creaturen. Sehen wir die Tausendfältigkeit der Sternen / so übertrifft je einer den andern; besehen wir die Planeten in ihrem Lauff / ließ sichs gleichfalls fragen; warum der Mond nicht gleich der Sonnen stehe? warum sein Silber-Blincken sich denen Gold-Stralen nicht gleiche? Es ließ sich eben auch fragen; warum eben die Venus so hell und klar: Saturnus hingegen bleyfarbig und dunckel? Warum eben Mars röhtlicht und flammend: Jupiter aber so hell und scheinbar gläntzete? Oder / so wir die blossen Sternen besehen /warum hat eben der / und kein anderer / bey der Sonnen sollen der nächste seyn? warum eben der / und kein anderer / den Mond begleiten? Oder / warum ist nicht der Abend Stern der Morgen-Stern; warum dieser hinwieder nicht so klar / schön und subtil / als andere; warum / dem Liecht und der Würckung nach /nicht gleich der Sonnen / oder selbst die Sonne? was wollen wir antworten? anders nichts / als daß es die freye Götter geordnet / wie sie gewolt. Kommen wir der Erden näher / und besehen die Vogel-Schaar in den Lüfften / finden wir eben das wiederum. Aus was Verhindernus ist die scheußliche Fledermaus nicht ein Adler die heßliche Nacht-Eule ein Papagey; der ungestallte Widhopff ein bundgefärbter Pfau worden? warum sollen jene den Menschen zum Schaden / diese zum Nutzen dienen? warum hat eben der Vogel müssen eine kleine Lerch / dieser ein wenig grösser / als die Trostel / und ein anderer wieder grösser / als ein Krammets-Vogel seyn? warum ist nicht der Zaun könig eine wilde Taube; der Sperling ein Schwan; die Schwalbe ein Geyer worden? Warum hat eben der Rab müssen ein Rab seyn / die Krahe ein Krahe / der Specht ein Specht? keine andere Ursach ist / als es ihrem Schöpffer also gefallen. Auf der Erden gehets gerad so zu / das Thier ist ein Esel / ein anders ein Ochs / und wieder eins ein Cameel. Kein grösserer Unterscheid ist / als unter einer Maus und einem Elephanten / unter einem Schaf und Wolf / unter einem Hasen und einer Sau: Darum eins freylich wol fragen solte / warum eben der Esel ein Esel; die Sau ein Sau; der Ochs ein Ochs; der Wolff ein Wolff; der Elephant ein Elephant; das Lamm ein Lamm; das Cameel ein Cameel sey? warum dieses nicht in so hohem Werth gehalten / als das andere? der Esel nicht gleich dem Pferd; der Ochs nicht gleich dem Hirsch; eine Kröt nicht gleich einem Reh; eine Schlang nicht gleich einem Elephanten; eine Mucke nicht gleich einem Cameel? Oder / warum eben dieses zum Sack tragen verworffen / und jenes einen edlen Ritter führe? warum dieses für die Raben geworffen / und jenes auf Königliche / Fürstliche Tafeln gesetzet werde? Es heisst endlich wiederum / daß das der Unsterblichen Satz und Willkühr sey / die auch Esel und Ochsen / Mucken und Kröten / unter diesen Geschöpffen haben wollen. Solten wir unsere Gedancken auch in die Wasser führen / würde die erste Frag seyn / warum ist diß ein Leviathen / warum ein grosser Wallsisch / und nicht ein Meer-Spinne / oder ein Krebs? warum haben eben diese / als Hecht / Karpffen / Grundel / und dergleichen / so hoch müssen gewürdiget seyn / daß sie / als lieblich und anmuthig anzuschauen / auf vornehmer Herren Tafel verordnet sind: andere hingegen einen Eckel und Abschen gebähren / so gar / daß man sie nicht berühren / will geschweigen kosten / oder zur Nahrung gebrauchen möge? Was schliessen wir nun? Eben das / was wir schon so offt geschlossen. Alles kommt von ihrem Schöpffer / der eins deßwegen so mächtig / so groß / so starck / so schön / so werth zu achten geordnet / damit die Ordnung hiedurch gezieret: und das andere / so schwach / so klein / so ohnmächtig / so widrig und ungestalt / damit auch diß die Ordnung helffe erfüllen / oder / zum wenigsten / das andere zieren. Nach vollendeter Rede zog Clyrarcha einen Zettel hervor / darauf folgende Verse geschrieben / die er Polyphilo zu lesen gab. Ist nicht die gemeinste Klage / Glück! von deiner Grausamkeit? die du allen doch bereit bist / mit Segen / ohne Plage / stets zu dienen: wann nur sie selbsten dich verjagten nie. Bald kommt dieser naß bethränet / klaget / was du hast gethan / wollest ihn nicht sehen an: bald ein andrer mehr erwehnet / wie du ihm zu wider stehst / nicht auf seinen Nutzen sehst. Kommt der dritte / hör ich sagen: wie dein gantz verboßter Neid / seine Lebens-lange Zeit / nur mit Schmertzen wollen plagen / und ein immerwährend Leid / setzen zu der seltnen Freud. Gar der Vierte kommt / mit pochen / düncket ihm / zu seyn nicht recht / daß er eben worden Knecht / weil er / gleich so gern / gerochen / wo die Herren-Kuch aufgeht / und die Füll an allen steht. Dieser / spricht der fünffte wieder / hat mehr Reichthum / Ehr und Pracht; ich hingegen bin veracht / werde nur gedrücket nieder: keiner / keiner bringet Danck / was sie bringen / ist nur Zanck. Was ist nun davon zu schliessen? wilt du tragen / Glück! die Schuld? oder klagen die Gedult derer / die zwar viel geniessen: aber nicht zu frieden seyn / mit dem / was du schenckest ein. Also scheints / der Menschen Hertze lässet sich vergnügen nicht ob man ihm gleich viel verspricht / das die Glück- und Ehren-Kertze / wenn er friedlich leb allhier / solle funckeln für und für. Dann / wer bist du? sag mir / Glücke! bist du nur / was man dich nennt; bist du / wie man dich erkennt / plump; ein Fall / der bald zu rücke / wiederum bald vor sich fällt / ohngefehr / und unbestellt? Nein / es ist der gut / mit guten / böß / mit bösen / gleichen kan / dieser schaffet alles an: Das Verbrechen / mit der Ruthen / mit der Cron / die fromme That / wechseln / geben Werck und Rath. Aber wer? das Sternen-Blincken / daß die Welt / mit uns / regiert; und in seinem Lauff umführt; fromment schadet dieses Wincken / unsern Worten / Wercken nun / daß wir so und solches thun? Nein / es ist ein höhers Wesen / das auch selbst die Sternen führt / und den Himmels-Lauf regiert: Dadurch alle wir genesen; dadurch wir / so groß und klein / mit und beyeinander seyn. Gott ist / der das heisst geschehen / was uns fället öffters zu / der schafft / daß in einem Nu / wir bald Glück / bald Unglück / sehen: keiner sonst / nur der allein / soll und muß das Glücke seyn. Polyphilus / der wegen erlernter Weißheit sehr erfreuet ward / danckete dem Clyrarcha höflich / daß er ihn aus einem so grossen und sündlichen Fehler errettet / und die rechte Warheit eröffnet; versprach auch ingleichen / daß er hinfuro allen Neid und Mißgunst aus seinem Hertzen tilgen wolte / weil er sehe / daß eine unverantwortliche Sünde sey / wenn wir Menschen diesem ein Glück mißgönnen / welchem es von den Göttern gegönnet und gegeben werde; ja eben so viel sey / als wolten wir die Gerichte des Himmels meistern / den Schluß der Unsterblichen verwerffen /und die Güte der gnädigen. Götter bestraffen. Da aber Clyrarcha merckete / daß seine Lehr wol angewendet würde / und er grössern Danck zu erwarten / führete er Polyphilum bey der Hand / biß zu den verschlossenen Schrancken / allwo er sein Haupt entblössen / die Schuh auflösen und ablegen / auch einen besondern Habit anziehen / und sich bereiten muste / als der / in das Heyligthum / und zu den reinen Göttern / zu gehen / gesinnet. Und da er allerdings bereit / durch eine eröffnete Thür / mit Clyrarcha eingieng / muste er auf den Knien anbeten / und / aus Clyrarchæ Befehl / seinen Zutritt entschuldigen: Diß alles aber deutete / daß dieser Ort heilig sey / und über menschliche Würdigkeit. Nach vollendetem Gebete / richtete Clyrarcha sich und Polyphilum auf: und weil Polyphilo auferleget war / seine Augen nicht empor zu heben /biß ihn Clyrarcha erlauben würde / muste er / mit halb-verdecktem Gesicht / seinem Führer / durch den Chor / folgen / da er dann zu allerletzt / als seine Augen entdeckt wurden / eines nackenden Weibs / in der rechten Hand habend ein Segel / in der lincken das Frucht-Horn; sitzend auf einer geflügelten Kugel /die in der Lufft schwebete; mit verbundenen Augen /und ohne Füsse / ansichtig wurde; und da er sie etwas genauer betrachtete / wurde er gewahr / daß zur rechten / über ihrem Haupt / welches hinter der Stirn gantz kahl und unbehaaret war / eine Flamme ausgieng; zur Lincken aber ein Wasser brausete: das sich beydes für sich warff / auf den gegen über gesetzten viereckigten Stein / welcher auch einen Jüngling / mit Flügeln am Hut und Füssen / trug / der sich offt und offt vor dem Weibe neigete. Clyrarcha winckete dem Polyphilo / daß er wo! acht geben solle: welcher dann so fleissig aufmerckete / daß keiner Erinnerung von nöthen gewesen. Endlich führete er ihn / mit verdecktem Angesicht / wieder zu ruck / und da sie ein wenig / zu der rechten Seiten / abgetretten / und Clyrarcha / dem Polyphilo / das Gesicht wieder aufdeckte / fielen ihm viel hell gläntzende Feuer-funcklende Stern in die Augen / daß er gleichsam verblendet nicht wissen konte / ob er in einem jrrdischen Tempel / oder unter der Gesellschafft der Götter im Himmel wäre. Da er aber durch gemählige Abwendung des Gesichts / seine Augen mit einem duncklern Anblick wiederum gestärcket / fasset er das vorige Bild wieder zu Gesicht / und befindet /daß es eine Adlers-Gestalt fürtrage / welcher in freyer Lufft schwebete / mit ausgespannten Flügeln; wiewol nicht ohne entliehene Hülff. Dann er von einem ziehenden Magnet so wunder-künstlich gehalten wurde /daß er / vielleicht nicht ohne sonderbahre Bedeutung /sich gegen Mitternacht wandte / und durch die suncklende Sterne den offnen Ort bestrahlte / allwo die Götter denen Sterblichen ihre Gaben austheileten. Nichts mehr verlangete Polyphilus / als daß er mit Clyrarcha sich befragen dörffte / wie diese Sternen zu nennen und zu erkennen wären: welches aber vor dißmal mehr zu wünschen / als zu hoffen war. Gleichwol erkannte er aus dem Stand derselben / und deren Lauff / welcher sich dem sonst ordentlichen Himmels-Lauf nicht übel gleichete / daß der Pol-Stern / oder Angel-Punct der Welt / sammt seinen rings um ihn her glimmenden Asterismen / als da sind / der kleine und grosse Beer / der Cepheus / und sein Gemahl Cassiopeja / der Drache / der Hüter / die Cron / der Hercules / der Geyer / der Schwan / die gebundene Andromeda / mit ihrem geehlichten Perseus / der Erichtonius / die Coma Berenices / der Serpentarius /der Adler / Ganymedes / der Delphin / Pegasus / der Drey-Angel / und was wir sonst mehr im Norderbusen zerstreuet / durch die darzu gewidmete bekante Instrument des Himmel-Circkels augenscheinlich zu erkennen haben / den Kopff eingenommen. Nach dieser Betrachtung ließ Polyphilus seine Augen in den Schweiff des Adlers herunter fallen / allwo er vieler anderer Sternlein gewahr wurde / die er doch / wegen ihres thumbaren Glantzes / und weil sie / eusserlichem Ansehen nach / sehr tieff versteckt waren / nicht völlig erkennen konte / wer sie wären. Allem Düncken nach aber / schloß er dahin / es müsten diese seyn / welche / weil sie zu nächst bey dem Gegen-Angel-Punct stehen / uns / die wir solchen mit dem Gesicht nicht erlangen können / verborgen bleiben; indem wir auf diesem Punct der Erd-Kugel uns befinden / allwo /wann wir unsre Augen gegen dem mitternächtischen uns in etwas erhöheten Angel-Punct erheben / der sichtbare Sternen-Lauf sich in die quär richtet / und daher etzliche Asterismen uns verbirget / nahmentlich / den Krannich / den Indianer / den Pfau / den Paradiß-Vogel / den mittagischen Drey-Angel / das Bienlein / den Chameleon / den fliegenden Fisch /sonsten Meer-Schwalbe genannt / den Dorado / sonsten Chrysophrys / die Wasser-Schlange / und Americanische Gans / mit dem Phœnix. Und als Polyphilus auch diese nach der Länge beschauet / warff er seine Augen / auf den rechten Flügel / gen Aufgang und durch die Brust / auf den lincken / gegen den Abend; in beyden fand er samt der Brust / die übrige ihm in etwas bekandtere Himmel-Liechter / Sonn / Mond /und alle Planeten / mit denen himmlischen Zeichen /und andern Fix-Sternen / so viel selbiger / ausser denen oberzehlten / den gewölbten Himmel / als ihre sonst gewohnte Lauf-Bahn / zieren und gläntzend machen. Und da auch diß Gesicht seine Gnüge hatte / führete Clyrarcha den Polyphilum wieder / mit verdecktem Gesicht / auf eine erhöhete Bühn / allwo er nicht irrdische / sondern himmlische; nicht menschliche / sondern göttliche Geheimnus sahe / in solcher Herrlichkeit / daß sie menschlichen Sinnen zu erreichen / auch unser schwachen Zungen auszusprechen / eine blosse Unmüglichkeit seyn. Er war an dem Ort / da die Freude und Lieblichkeit selbsten ihr Zelt aufgeschlagen /und die Herrlichkeit ihren Sitz genommen hatte; seine Augen wurden gleichsam verblendet durch den verguldeten Anblick; sein Gehör ward / so zu reden / betaubet / durch die klingende Lieblichkeit: auch vermochte der lust-trieffende Balsam dieser himmlischen Freudigkeit dem Geruch eine solche Ergötzung zu erwecken / daß Polyphilus / mit voller Zufriedenheit /sich die Zeit seines Lebens an allem niemals so vergnügt befunden. Mit einem Wort: wer die Schöne und Lieblichkeit der über menschliche Vernunfft steigenden tausend-beglückten Himmel-Freude beschreiben wird / der wird auch die Vollkommenheit dieses Orts / welcher billich der ander Himmel zu benamsen war / erklären konnen. Doch dennvch / ob uns die Unmüglichkeit von dem / dessen wir uns jetzt unterfangen / freylich zuruck halten solte / und verwehren /daß wir uns nicht vergeblich bemüheten / indem wir solches zu beschreiben gesinnet / daß denen menschlichen Schwachheiten / von den Unsterblichen selber /wegen ihrer Unwürdigkeit verboten / oder vielmehr versaget: wollen wir gleichwol / nicht wie wir sollen /sondern / als wir können / und nur das melden / was eigentlich Polyphilus mit Augen gesehen / und mit seiner Vernunfft begreiffen können. Es waren etzliche verguldete Bogen / deren je einer kleiner als der ander / künstlich und artlich aneinander gefüget / so / daß Polyphilus das Meisterstuck nicht ablernen konte. Der geraumeste stund vorn an /und folgte je ein Kleinerer dem Grösseren nach / biß sie endlich einen entfernten Ort beschlossen. Um die Bogen war ein Purpur geführet / inwendig aber so voller Sternlein / daß ihr helles Liecht / wann es auf das Gold und den Purpur fiel / einen solchen Glantz von sich gab / der mehr zu verwundern / als zu beschreiben. Näher / als auf sieben Schritt / dorffte Polyphilus diesem Heiligthum nicht kommen / deßwegen er dann von Clyrarcha so gestellet wurde / daß er seine Augen von ferne / und durch den ersten weitgespannten Bogen / gerad auf den hindersten und letzten Theil werffen konte / wiewol das Blincken der Sternen nicht geringe Verhinderung würckete / alles genau und eigentlich zu besehen: Gleichwol wurde ihn sein Gesicht / durch die beharrliche Beschauung je länger / je mehr gestärcket / daß er endlich einer Hand wahr nahm / von welcher die Himmels-Kugel /an deren ein Aug gläntzete / in einer Kette herab hieng / und sich auf einen Balcken lehnete: über welchen ein Scepter / mit einem Schwert und Creutz zusammen geschlossen / schwebete / darauf der Finger deutete. Dieses alles sahe Polyphilus mit tieffen Nachsinnen an / mehr aber verwunderte er sich über den unbeschreiblich-schönen Gold- und Purpur-Glantz / deßgleichen er selbst bey sich gestehen muste / daß ihm die Zeit seines Lebens nicht zu Gesichte kommen: und wiewol er sich gerne länger in diesem Gesicht erlustiget hätte / wolte doch die vollbrachte Zeit der Erlaubnus keinen fernern Verzug gestatten; deßwegen er / durch den winckenden Befehl Clyrarchœ / diese Herrlichkeit verlassen / und ihn mit wiederbelegtem Antlitz den Weg folgen muste / den sie zuvor eingegangen waren. Der Abtrit Polyphili verursachete den klingenden Säiten das Stillschweigen: gleich ob sie deßwegen sich betrübt niderlegten. Clyrarcha über diesem unverhofften Verlust erschrocken / wandte sich mit Polyphilo behende gegen den Bogen / und entdeckte das Gesicht Polyphili; dessen die Säiten gleichsam wieder erfreuet / mit einer erhobenen Stimm folgende Wort erklingen liessen: Wie seelig ist der Mann / der mit seinem Glück zu frieden / nicht achtet / ob er von der Freud geschieden / betrachtet / daß wiederkehren kan / nach Plagen und Klagen / ein ewiges Wohl: nach Regen / der Segen erfreuen uns soll. 2. Drum halte festen Muth / Ob das Unglück dich verletzet; betrübet: wird es doch / mit Glück / versetzet / und giebet / das unverletzte Gut; die Sonne / die Wonne / verbindet den Schmertz: Was drücket / erquicket hinwieder das Hertz. 3. Gott selbsten hält die Wach / setzt dem Kummer Ziel und Masse / dein Bestes suchend in der Mittel-Strasse; Er läst es gerathen / in der Sach; nach Willen / erfüllen / was unser Wunsch will: drum sollen und wollen wir halten Ihm still. 4. Und ob die Unglücks-Macht länger wolte uns bestreiten und schrecken / wird uns Gottes Stab doch leiten und Stecken uns nehmen wol in acht: uns führen / regieren / in sicheren Schutz / und wissen / wir müssen ihm bieten den Trutz. 5. Drum sey zu frieden der / welcher / wann das Glück ihm blühet / sich hütet: der auch / der sein Unglück siehet / nicht wütet; dann Gott / der grosse HErr / wird geben das Leben in glücklicher Ruh / wird scheiden das Leiden / Glück bringen herzu. 6. Das haltet alle vest / wer sich will dem Glück vertrauen / gedencke / daß er muß auf Tugend bauen / und lencke / was sich lencken lässt; Das Sinnen Beginnen auf Tugend und Kunst: Wir werden auf Erden vertilgen den Dunst. 7. Es werden keine Tück bey dem Glück hinfort mehr stehen: der Segen / wird nach deinem Wunsch ausgehen / dein Pflegen: Polyphile! das Glück / wird krönen beschönen / dein seeliges Haar / dich ehren / vermehren: es werde so wahr! Diesem Gesang höreten die beyde / Clyrarcha und Polyphilus / theils erfreuet / wegen der Lieblichkeit /theils / wegen des Innhalts / verwunderend zu / biß die Saiten ohne die singende Stimm / auf vorige Art wieder angestimmet wurden: welche dem Clyrarcha eine Anzeigung waren / daß nunmehr nichts weiter zu erwarten / deßwegen er Polyphilum wieder verdecket heraus führete. Und als sie nächst zu der Thür kamen / an den Ort / da sie sich / vor dem / geheiliget / muste Polyphilus / und mit ihm Clyrarcha /gleich wie vor / auf den Knien anbeten / und vor die Gaben dancken. Nach vollendetem Gebet / führete ihn Clyrarcha / ruckwerts zu den Schrancken hinaus / entdeckte sein Gesicht / fieng wieder an zu reden / nahm den Habit von ihm / und gebot / daß er seine Schuh wieder anlegen / und sein Haupt bedecken solle: In wärendem Werck / hielt noch immerdar / die Herrlichkeit der dreyen Gesichter / und das Verlangen / solche zu verstehen / das Hertz Polyphili gefangen / der sich nicht drein schicken konte / warum er von einem zum andern / mit verdeckten Augen / gehen müssen: warum Clyrarcha / und er selber auch / nicht / wie vor / ein Wort reden dörffen: warum ihm dieses alles zu sehen / aber nicht zu verstehen vergönstiget? Es war Polyphilo gerad zu Sinn / als wann er von einem Traum erwachete. Er sahe bald hinter sich: konte aber nicht mehr sehen / was er gesehen. Bald warff er seine Augen auf Clyrarcham / als wolte er fragen / wie ihm dann geschehen wäre; bald auch auf die Königin / und dessen Anhang / als wolte er ihnen von neuen Dingen sagen. Jetzt sahe er / mit einem tief-geholten Seufftzer / über sich / gen Himmel; jetz / mit dem gebuckten Kopff / unter sich / auf die Erden: so gar / daß Clyrarcha / und alle Anwesende leichtlich muthmassen könten / er stehe in tiefsten Gedancken / und höchster Verwunderung. Aus welchen Ursachen dann Clyrarcha ihn bey der Hand nahm / und also anredete: Ich schliesse aus euren Geberden / mein Polyphile! daß ihr / voller Wunder / denen Geheimnüssen / die euch / von der Gunst der gnädigen Götter / zu besehen / verwilliget worden / mit Fleiß nachdencket: und gefällt mir wol / lobe auch eure Begierde / wiewol sie / unmligliche Dinge zu gewinnen / vergebens arbeiten. Wisset aber / daß / was ihr gesehen und erfahren / nicht ein nichtiger Menschen-Tand; besondern Göttliche Geheimnussen seyn / welche wann ihr verstehen werdet / werdet ihr eben leicht und gewiß wissen / was das Glück / das so viel Namen führet / und /von denen Sterblichen / bald einem umlauffenden Rad / bald denen aufgeloffenen Wellen / bald einem gewaltigen Ungestümm / bald einem saussenden und brausenden Wirbel-Wind / bald einer verkürtzten Flamme / bald einem Gebrechlichen Glaß / und wieder bald einem rückgängigen Krebs; ingleichen einem runden Ballen / einer gedreheten Kugel / einem ab-und zulauffenden Bach / und dergleichen verglichen wird / an und vor sich selbst eigentlich sey / und was dadurch endlich zu verstehen. Da Polyphilus das hörte / wurde sein Verlangen dermassen angeflammet / daß er den Clyrarcham / um der Götter willen / ersuchete / ihm solche Offenbahrung und herrliche Wissenschafft nicht zu verhelen: darauf er dann von Clyrarcha bey der Hand hinter den Schrancken hinauf geführet wurde / biß sie zu einer Tafel gelangeten / darauf alles das / was Polyphilus in den Schrancken gesehen / menschlichen Augen nach /künstlich und prächtig abgemahlet war. Als aber Polyphilus sein Gesicht dieser Tafel gleichen wolte /fehltete nicht viel / er hätte bitterlich weinen mögen /über die Unvermögenheit der Menschen; so überaus groß war der Unterschied / zwischen einem Gemähl /und der Sach selber. Nun / sprach er / sehe ich allererst / was wir Menschen sind, Vor dem hätte ich dieses Gemähl vor ein Meisterstuck und Kunst-Werck der arbeitsamen Natur gehalten / und mich mercklich darüber verwundert: jetzt aber sehe ich die Nichtigkeit der Menschen / welche / wann sie denen unsterblichen Göttern nachahmen wollen / sie eine lautere Thorheit begehen / und nichts als blosse Phantasey würcken. Diß redete Polyphilus bey sich heimlich / weil er beförchtete / er möchte Clyrarcham / mit Eröffnung der Warheit / erzürnen: welches auch zugleich verursachete / daß er solch Gespräch nicht weiter führen / besondern bald abkürtzen muste / weil Clyrarcha anfieng die Tafel zu erklären / indem er sprach: Verstehet nun / Polyphile! was ihr bißher nicht verstehen können / und so brünstig zu verstehen verlanget. Ihr werdet noch wissen was ich euch in dem offenen Plan / bey der Austheilung der Göttlichen Guter /unter das menschliche Geschlecht / vom Jupiter / vom Marte / vom Vulcano und Neptuno: deßgleichen von den Göttinnen gesagt: dieses alles zeiget diese Tafel. Die drey unterschiedene Gesichter aber / so ihr in den Schrancken gesehen / und allhier wieder findet / zeigen die Gewalt des Glücks / das alle Welt regieret /und sich von keinem binden oder überwinden lässet. Wie schreiben dann die Historien / fieng Polyphilus an / daß der dapffere Held von Pella / das Glück in seiner Macht und Gewalt gehabt? Darauf Clyrarcha antwortete / daß eben dessen Unwarheit / durch diß dritte Gesicht / entdecket werde. Dann / fuhr er fort /es haben die alte Heyden / welche aus Mangel der Göttlichen Offenbahrung / unsrer Wissenschafft sich nicht freuen können / das / was einem Menschen in dieser Welt Gutes oder Böses zufällt / das Glück genennet / und selbiges vor eine Göttin verehret / gerad auf solche Art / wie ihr sie in den Schrancken gebildet gefunden. Dieser haben sie die Herrschafft und Ober Herrlichkeit / über den gantzen Erd-Kräiß / beygemessen / auch in allen Ständen und Gewerben ihr allein die Botmässigkeit vertrauet / und fest geglaubet /sie leite das Hertz zu gutem Rath / den Willen zum glücklichen Wercke / und ertheile alle Mittel / das vorgesetzte Ziel zu erreichen. Sie führe die Winde auf dem Meer / denen Schiffarten zum Besten: Sie schärffe die Schwerter / und stärcke den Arm im fechten /den Sieg zu erhalten. Sie ordne die Gesetz / und segne den Frieden in der Stadt / das gemeine Wesen in gute Ruh zu setzen. Sie verknüpffe die Hertzen in der Liebe / und löse die Bande der Betrübnus / die Hertzen der Menschen zu erfreuen. Sie mehre das Gewerb / und erweitere die Handlung / daß keiner umsonst arbeiten dörffe. Sie versüsse die bittere Schmertzen / und tilge Haß und Feindschafft; ja / sie begleite allen Handel und Wandel / alles Sinnen und Beginnen / alles Wollen und Wünschen / alles Rathen und Thaten der Menschen; und das zwar / wem sie geneiget: sonsten spanne sie die Verhindernus aller Orten aus / daß / ohne ihr Anlachen / nichts / unter den Menschen / könne vollbracht werden. Daher glaubten sie einmal / sie wäre nackend / damit sie /ohne Verhindernus / bald hie / bald dort / hinfliehen könne / zu dessen Behülff / sie sich auch der geflügelten Kugel gebrauche; durch welche sie aber zugleich die Unbeständigkeit derselben bedeuten wollen; als welche ihre Gunst / mit einem leicht gewandtem Blat / wende; ihre Gnade / wie ein zerbrechliches Glaß / breche; ihre Gewogenheit Kugelrund umdrehe / und bald Nutzen / bald Schaden bringe; bald Ehre / bald Schande; bald Gewinn / bald Verlust; bald Freude / bald Leid. Wie dann überdas das Segel in der rechten Hand zeiget / daß sie alles / nach dem Winde und ihrem Dünckel / drehen könne / auch das Frucht-Horn / welches Geld / Ehren- Titul / Cron und Scepter auswirfft / und gleichsam in der Lufft schwebend ausstreuet / nicht / nach Verdienst / lohne oder begabe / sondern offt dem aller-unwerthesten und ungeschicksten mehr gebe / als dem allerweisesten / der solches doch aus Gebühr fordern könte. Dannenhero sie auch selbiges / nicht ohne Ursach / mit verbundenen Augen gemahlet / als welche nicht sehe / wem sie ihre Gaben mittheile / sondern plumper / unversehener Weise / wen sie antreffe / darreiche / was sie ertappe. Dahin gehet auch die Flamme / so sich zu ihrer Rechten erhebet / und das Wasser / welches sich zu ihrer Lincken ergeust / die Erhöhung / und den Fall der Ehren / samt den andern Gaben / anzudeuten. Wiewol aus dem / daß sich beydes gegen dem geeckichten Stein lencket / darauf das geflügelte Bild stehet / welches den Mercurium vorstellet / kan geschlossen werden / daß sie dadurch bedeuten wollen /es sey besser / auf Kunst und Tugend sich zu verlassen / die fest und unbeweglich stehe / als auf das wanckende Glück: Gleichwol heimlich dabey lehren /daß eins dem andern die Hand bieten müsse. Dieses haben die Heyden geglaubet. Andere / wie weiland die Chaldeer / und noch heutiges Tags etliche Sternseher / die / ob sie nicht gar die Warheit erreichet / dennoch derselben näher kommen sind / haben des glücklichen und unglücklichen Fort- oder Ruckgangs Ursach / denen Sternen zugeschrieben; wie denn / noch diesen Tag / ihrer nicht wenig sind / die gewiß davor halten / so die Geburt des Menschen / in einem guten Zeichen oder Planeten / geschehe / müsse der Mensch die Länge seines Lebens / gleich mit der Länge seiner Glückseligkeit /abmessen: widriges Falls / so einer / in einem nicht so guten Zeichen / diese Welt zum ersten gesehen /müsse er die Länge seines Lebens / mit der Länge seiner Unglückseligkeit abkürtzen. Ja diß nicht allein /sondern sie glauben auch / indem sie nicht wissen /was sie glauben sollen / daß ein jedweder Mensch /auch in einer jedweden Action / einen sonderlichen Stern zum Führer und Regierer habe; wie aus dem /vielleicht euch / wie mir / bekannten Sprichwort zu schliessen / da sie / wenn ein Werck wol ist vollendet worden / oder auch einem andern sein Werck und Vornehmen von statten gehet / sagen: Der Mensch hat in dem und dem einen sonderlichen Stern; gerad wie wir im widrigen Glück sprechen: ist das nicht ein Unstern? Ich habe kein Glück und Stern mehr. Daher auch das folget / daß ein jeder Mensch einen besondern / und in einer jedweden unglücklichen Verrichtung / einen besondern Unstern mit sich führe. Aber woher nehmen sie den Beweiß? Etwa aus der unzählbaren Meng der Sternen? wäre wunderlich geschlossen: weil / auf solche Art / auch der Sand am Meer /eine Ursach unserer Glück- oder Unglückseligkeit seyn müsste. Oder etwa / weil es eine Creatur Gottes? wäre wieder ungereimt geschlossen / weil / durch solchen Schluß / alle Gräßlein auf dem Feld eine Krafft und Gewalt / in unserm Glück oder Unglück / haben müsten. Oder vielleicht / weil sie es so glauben; als welche die Sternen vor etwas Göttliches und übermenschliches halten: zugleich aber auch mercken /daß die Glücks-Waltung ausser der Menschen Macht erhöhet; und also entweder diese von jener / oder jene von dieser herführen wollen. Das wäre vielleicht /ihrem Sinn nach / richtiger geschlossen: aber nicht aus dem Grund der Warheit. Und das deutet dieser Adler / mit seinem bestirnten Haupt und Flügeln. Gleichwol aber / fieng Polyphilus an / sind wir /aus etlicher nahmhaffter und glaubwürdiger Geschicht-Schreiber Zeugnus / gewiß / daß die Welt-berühmte Sternseher / offtermals aus denen Geburts-Zei chen / viel gewisse / so wol Glücks-als Unglücks-Fälle / zuvor gesehen und verkündet / die auf ernante Zeit / und mit solchen Umständen / wie sie berichtet /erfolget. Zum Exempel könte ich Käiser Augustum anführen / von dem der wohl-beglaubte Svetonius meldet / daß / der damalige berühmte Astrologus Theogenes / seine Geburts-Stund durchgesehen / und alsobald darauf / mit grosser Geschwindigkeit / aufgesprungen / und für ihm niedergefallen / als der / ob er schon / der Zeit / noch eine Privat-Person / dennoch /in kurtzen / zu den Käyserlichen Würden werde erhoben werden: Wie dann Augustus / nach dem der Ausgang seine Wahrsagung bekräfftiget / dieses für so bekannt annahm / daß er / sich auf sein Glück verlassend / seinen Geburts-Bericht männiglich sehen / und eine silberne Müntz / mit dem Zeichen des Steinbocks / darinnen er gebohren / schlagen lassen. Wie ihr / mein Clyrarcha! diese Histori selber wissen werdet. Freylich wol / antwortete Clyrarcha / weiß ichs /und habs gelesen: aber / fuhr er weiter fort / meynet ihr / Polyphile! daß diß etwas gewisses / und an allen Orten / verursache: oder daß daher folge / man solle den Sternen-Blick / oder die himmlische Geburts-Zeichen / zu einer allregierenden Beherrscherin / oder wol gar Göttin / setzen. Meines Erachtens heisset das närrisch / oder / daß ich gelinder rede / kindisch geschlossen. Machet das Zeichen des Steinbocks aus einem jedweden / der darinn gebohren wird / einen Käiser in der Welt? Oder folget das / wann einer im Zeichen des Widers gebohren / entweder reich / oder klug und verständig wird / so werden gewiß alle die /welche / in diesem Zeichen / an des Tages-Liecht kommen / reich / gelehrt und geschickt. So ist / ohne Zweifel / Mopsus im Ochsen gebohren. Saget mir /Polyphile! so es euch nicht mißfället / was für einem Zeichen seyd ihr eure Geburt schuldig? Schertzweiß antwortete Polyphilus / dem Stier: dagegen Clyrarcha versetzte; so werdet ihr gewiß gerne stossen? Nein /sagte Polyphilus / ich bin in der Jungfrau gebohren: darauf Clyrarcha die Antwort gab: deßwegen liebet ihr eure Macarien so sehr? und seyd den Jungfrauen so feind / weil ihr deren überdrüssig worden: welcher nichtige Schertz / in Warheit / den Polyphilum so beschämete / daß die Röte zu den Wangen ausschlug; die er doch entschuldigen konte / als entstehe sie nicht aus Schuld / sondern wegen der geziemenden Zucht und Höfligkeit. Indessen führete Clyrarcha seinen Diseurs weiter fort / sprechende: was schliessen wir denn endlich hieraus? Mit wenig Worten viel zu fassen / nehme ich dem Sternen-Blick nicht alles; gebe ihm auch nicht alles. Ich gestehe / daß solche Kräffte in dem Gestirn bißweilen gefunden werden: wie denn diese letzte Figur / welche das eigentliche Wesen des Glücks erkläret / mit vielen Sternlein gezieret ist; doch nur so fern / als es von den Unsterblichen regieret und geführet wird. Dann eben das / was es ist /und was es vermag / das hat es denen zu dancken /ohne deren Krafft nichts im Himmel und auf Erden ist. Sehet ihr demnach / geliebter Polyphile! was das Glücke sey / und wie es zu tituliren? Nemlich / die Hand der allgewaltigen Götter / welche ihr in diesem Heiligthum / die Himmel-Kugel / mit dem hell-gläntzendem Auge / an der Ketten halten sehet: dadurch ihr verstehen solt / daß allein sie / und kein anderer /durch ihre-Vorsorg und Allwissenheit / Himmel und Erden / ja alles / was darinnen ist / schützen und erhalten; wie der Balcken lehret: auch das Gute belohnen / und alle Boßheit straffen; das ihr bey dem Scepter und Schwert zu behalten: endlich auch alles Glück und Unglück schicken; wie das Creutz lehret / und der deutende Finger erweiset. Lernet und behaltet demnach / geliebter Polyphile! dieses zu letzt / daß / wann man einen Menschen / in irdischen Dingen / und auf dieser Welt / glück- oder unglückselig heisset / es nicht den Verstand habe / als wäre ihm / zum Exempel / die Ehre / der Reichthum die Hülff und Errettung / ohngefehr und ohn einiges höhers oder nidrigers Wesens Ordnung / Wissen und Willen / plumper / allerdings zufälliger Weiß zu handen kommen; oder auch wol vor einem andern / der es doch besser würdig / mehr benötiget / und eben so / ja auch wol nützlicher angewendet: vielweniger ist das die Meynung; daß / zum Exempel / der Käiser ein Käiser / der König ein König / der Fürst ein Fürst / der Edelmann ein Edelmann / der Burger ein Burger / der Bauer ein Bauer / der Knecht ein Knecht sey; oder / daß dieser reich / jener arm; dieser erhöhet / jener erdrücket; dieser ansehnlich / jener verachtet; dieser selig / jener unselig; oder auch einer witzig / der ander alber; einer verständig / der ander thöricht; einer klug / der ander ein Narr; einer gelehrt / der ander ungelehrt; einer geschickt / der ander ungeschickt sey; rühre von der Würckung der Sternen / oder / daß einer in dem und dem Zeichen gebohren; vielminder / daß er einen so wollenden / so führenden / so schickenden Glücks-oder Unglücks-Stern mit sich führe / oder auch in allem seinem Gewerb / Rath und Vornehmen sich führen lasse: sondern / das ist der rechte Verstand: »das freye ungebundene Wesen der Unsterblichen /welches über alles lediglich herschet / und HErr ist /habe / nach seinem allein weisen Rath und Willen /auch so beschloßnen Wohlgefallen / es entweder also geschehen lassen / wie ihm der Mensch / in diesem oder jenem zu handeln und zu wandeln / vorgenommen / worauf er gezielet / wornach er getrachtet / und wohin er seine Gedancken gerichtet: habe ihm auch entweder solche Hertzens-Neigung / solche Gemüths-Begierde / und Leibs-Beschaffenheit von Mutterleib /oder sonst / durch sonderliche Auferziehung / durch allerhand zufällige Ubungen / ja auch wol durch sonst zugelassene Gesellschafft / mitgetheilet / die ihn in seinem Vornehmen gestärcket / und nicht geringen Anlaß / diß oder jenes zu verlangen / und wieder ein anders zu meyden oder zu fliehen / an die Hand / und ins Hertz geben: oder es haben die allgewaltige Götter / Krafft ihres freyen Wesens und Willens / auch bloß darum / weil es ihnen / nach ihrem Rath und Schluß / so gefallen / (wie sie dann in allem / sonderlich / was menschliche Sinnen und Beginnen anlanget / welches von deren Macht regieret / von deren Weißheit geführet / und / durch ihre Gnad / erhalten wird / freye Hand haben / zu schaffen / zurathen und zu thun / was sie wollen) mancher Menschen Hertzen / so / und solche Gedancken eingegeben; Zu der oder jener Zeit / dieses oder das anzufangen; auf so und solche Art fort zu führen; an dem und dem Ort; bey diesen oder jenen Helffern und Zusehern; mit den und den Mitteln zu vollenden; auch anderst nichts beschlossen / als lediglich bey denen Gedancken zu seyn / und das Werck von den Hindernussen zu erleichtern; auch das Vornehmen in der und der Sache /an dem und dem Ort / bey den und den Leuten / durch die und die Mittel / immerfort zu stärcken: hingegen bey keinem andern solch Gedancken würcken / oder obschon das; doch nicht selbige der Verhindernus befreyen / oder sonst befördern und gedeyen zu lassen /biß diß oder jenes jrrdisches Gut / jenem unwissend; dieser oder jener Verlust diesem / wider sein Verhoffen / worden: ja auch so und solche Ehr / Reichthum /Gewalt / Herrlichkeit dem gegeben / der entweder gar nicht darnach gestrebet; und dem nit gegeben / der sichs so sauer darum werden lassen: oder auch wol dem geschencket / ja wohl mehr / als geschencket /dem nur etwa davon geträumet / und ein wenig sich darnach bemühet; diesem aber gantz entzogen / der Tag und Nacht / stündlich und Augenblicklich / darnach gerennet und geloffen / Hitz und Frost / Hunger und Durst / darum ausgestanden / so gar / daß er Blut schwitzen mögen: und das alles würcken die Götter /aus einem blossen Willen und Wolgefallen.« Clyrarcha wolte weiter fort reden / aber die Sonne /welche ihren Schein zu ruck holete / und die einfallende Nacht drohete / hieß ihn schliessen / und von dem Polyphilo den gebührlichen Danck annehmen: welcher sich auch nicht säumete / solchen in aller Demut abzulegen / mit angehengtem Versprechen / daß er seine Lehr in seinem Leben / üben / und / ihm zum Nutz und Frommen / anwenden wolle: nach welchem Versprechen / ihn Clyrarcha verließ / und zur Königin wiederkehrte / mit Vermelden / daß er ihren Befehl /nach Müglichkeit / verrichtet. Polyphilus / da er sich frey und allein befande: und diesen Tempel / gleich wie den ersten / mit künstlichen und nachdencklichen Bildnussen / umzieret ersahe / gedachte er / dem Unheil / das ihm in dem Tugend-Tempel begegnet / in dem Tempel des Glücks /auch mit besserm Glück / vorzukommen / damit er nicht widerum / von der Königin beschämet werde /wann er auch diese Bildnus / als den Zierrath des Tempels / besichtigen oder verwundern würde. Deßwegen riß er sich von ihnen weg / zu dem nächsten Ort / der ihm ein Bild zu Gesichte brachte / und da er nahe hinzu kam / befand er / daß allerhand liebliche und nützliche Historien / mit Muscheln und kleinen Steinlein / und zwar so künstlich / an der Wand / eingeleget waren / daß ers mehr vor einen Beweiß menschlicher Unmügligkeit / als Kunst und Weißheit bekennen muste. Unter andern stund die Geschichte des Triumphirenden Sesostris / welcher sich / wie bekannt / auf einem Wagen / von 4. Königen / so er durch seine Macht und Glück überwunden / ziehen ließ / deren einer / ruckwerts auf das umlauffende Rad gesehen /und sich dabey der Ründe des Glücks getröstet / welches sie so hoch wieder erheben könne / als es sie gestürtzet / und diesen so tief stürtzen / als hoch es ihn erhoben. Die Erklärung wurde mit diesen Worten drunter bezeichnet: Das Glück ist Kugel-rund / und wie das Rad am Wagen / Wer sich dem trauen will / der darff hernach nicht fragen / wordurch er sey gestürtzt: drum / Mensch! besinne dich / und traue nicht dem Glück: es dreht sich wunderlich. Auch ist diese Geschicht nicht zu vergessen / welche die wunder-beglückte Errettung / dem Jupiter / durch seine Mutter Opis oder Rhea / geschehen / vorstellet. Dann / weil sein Vatter Saturnus / als er vom Oraculo vernommen / daß ihn einer seiner Söhne vom Reich verstossen werde / alle Kinder / so ihm gedachte Opis gebohren / bald nach der Geburt fraß; hat die List seines Weibs ihm einen Stein in Windeln gewickelt / an statt des Kindes zu fressen geben: ihren Sohn aber in die Insul Cretam denen Corybantern zu erziehen zugeschickt / der auch hernach Saturnum verstossen. Der Lehr-Punct war in folgenden Versen hinzu gesetzt: Bißweilen lachet wol ein unversehnes Glück; Doch / daß es bald hernach viel härter könne weinen; Das Glük ist nit getreu: drum solt / du Mensch! nit meynen / Daß / wenn es dich anlach / nicht berge lose Tück. Besser hinauf war die Geschicht zu sehen / wie die Nimfen Erato / Pemfredo / und Dino / dem Perseus Flügel und Tasche geliehen / durch derer Hülff / er der Medusen das Haupt abgeschlagen / und endlich die Andromeden / der stoltzen Cassiopeen Tochter /von dem grausamen Meer-Wunder erlöset: und diese Geschicht war mit solchen Worten unterschrieben: Das ist gelungen dir / mein Perseus! wer wills wagen? Wer will dir folgen nach? man müst eh weiter fragen; Ob auch das Glücke mir / wie dir / gewogen wär? Ich zweiffle: weil die Welt anjetz nicht trauet mehr. An der andern Seite war zu sehen / wie die Syrinx / als sie für dem Pan geflohen / der sie so mächtig liebte / in die Pfeiffen / so Mercurius nachmals gebrauchet; andere Fluß-Nimfen aber / von dem erzürnten Achelous in die Chinadischen Inseln verwandelt worden: mit dieser Unterschrifft: So gehts / wann man sich will dem Glücke widersetzen / Das bald erfreuen kan / und wieder bald verletzen: Halt / was dir nutzen kan; fleuch / was dir schädlich ist; Alsdann auf dieser Welt / du voller Glücke bist. Nächst diesem war die allen-bekante Histori des reichen Königs Midœ / welcher / als er vom Bacho erhalten / daß / was er wünsche / erfüllet würde / alles zu Gold werde / begehret / was er anrühre: Da er aber seinen Unverstand erkennet / daß er bald durch Hunger sterben werde / und deßwegen vom Bacho / seines Wunsches wiederum entnommen zu seyn / begehrte; auch den Befehl erhalten / er solle sich in dem Fluß bey Smyrna / Pactolus genannt / abwaschen / und / als er diesem gefolget / gedachten Fluß auch vergüldet; ja noch über das / den Hirten-Gott Pan / dem Göttlichen Apollini vorgesetzet / und also seine Thorheit in vielen erwiesen; habe ihm Apollo / aus ergrimten Zorn /Esel-Ohren an die Stirn gesetzet / dadurch seinen groben Unverstand zu zeichnen: Die Wort beschlossen das Bilder-Werck: Viel Menschen gleichen sich hie diesem Unverstand / Und wollen grösser Glück / im grossen Glück / erschnappen / Bekommen aber auch des Midœ Cron und Kappen / ein Horn: versteh die Straf / das Unglük und die Schand. Als Polyphilus diese / und andere mehr / die wegen der Menge nicht zu erzehlen sind / fast über die Zeit ansahe; Die andere Anwesende aber nicht wusten /daß ihm die Königin solches gerne zuließ / als die lieber wolte / daß man in den Liebes-Tempel / bey der Nacht / und mit Kertzen gehe: vielleicht weil sie meynte / das Werck der Liebe sey am besten im Finstern zu üben; trat der Vorgänger dem Polyphilo entgegen / mit winckenden Augen / er solle sich dem Willen der Königin nicht zu lang entziehen / sondern sich ihr wieder stellen: deme Polyphilus alsobald /wiewol mit Unwillen / Folge leistete. Da er aber der Königin näher kam / ihren Befehl zu erwarten / fieng sie an: habt ihr / Polyphile! alles gesehen? darauf er kaum zu antworten wuste / weil er beförchtete / daß /so er wider die Warheit rede / sie ihn unrecht befinden; so er aber dieselbe bekenne / er den Führer / welchen er zuvor schon / durch diese Wort / erschröcket sahe / in einige Ungnade bey derselben setzen möchte. Dann Polyphilus leicht erkante / daß es diesem Führer gangen / wie sonst andern Dienern mehr / die offt wider der Herren Willen viel befehlen / und durch ihren zu zeitigen Vorwitz das verrichten / so ihnen nicht befohlen: solte es auch ihrem Herrn zu noch so grossem Nachtheil gereichen: darum er / auf beyden Seiten sich nicht zu verreden / die Frage der Königin /mit keinem Ja / auch mit keinem Nein beantwortete; sondern / so viel ihm zu Gesicht kommen wäre / bekannte gesehen zu haben. Darauf die Königin weiter anfieng / und mit der Hand auf eine Tafel deutete / so zur rechten Seiten / an der Seulen hieng / fragende: ob er auch diese gesehen? Und als sie das Widerspiel vernahm / führete sie ihn bey der Hand dahin / ihm dieselbe zu erklären. Es war der reiche Lydier König Croesus / sitzend auf einem Holtzhauffen / als solte er verbrannt werden / weil er / auf allen Seiten / von denen darzu bestellten / angezündet würde. Gegen über stunden etliche Manns-Personen / unter denen einer eine Cron auf seinem Haupt trug; Uber ihn aber waren die Wort geschrieben: O Solon / Solon! Unter dem Gemähl stunden diese Verse: Ich war in meinem Sinn / der Gröste in der Welt / Der Seligste darzu: doch hört ich von dem Weisen / Daß keiner selig sich in dieser Welt soll preisen / Er sehe dann den Tod: der Schluß hat mich gefällt. Atychintida / so bald sie Polyphilo dieses Bild gezeiget / fieng sie zu ihm an / ob ihm diese Geschicht kündig wäre; wo nicht / wolle sie ihm selbe hinterbringen. Polyphilus / der lieber / weiß nicht was / gethan hätte / muste dennoch dem Dünckel dieser Frauen etwas zu sehen / und / wiewol er alle Wissenschafft dessen hatte / sich dennoch unwissend bekennen: wiewol er lang im Zweiffel hieng / wie er antworten solte; doch / weil er wuste / daß man denen schwachen Weibs-Volck offtmals mehr / als sich gebühre / nachgeben müsse / und kein Gewinn oder Ehre sey / wann man an ihnen Ritter würde / verhelete er endlich die Warheit / mit dem Vorgeben / daß er nicht wisse / was das sey. Wann ich die Ursach besinne / warum Polyphilus das gethan / finde ich gerad keine. Ists aus Höflichkeit geschehen / hätte er die Warheit je mit besserer Höflichkeit bekennen können. Hat er sich wollen einfältig dardurch stellen / was darff er dann mit seinem eigenen Wolgefallen zancken? Oder hat ers gethan / ihre Kunst-rühmende Einbildung zu stärcken / so ist wieder geschehen / was ihm selber gefallen. Doch sey dem wie ihm wolle / dißmal muste er sich von einem Weib lehren lassen. Dann so fieng Atychintida an: Weil ihr nicht wisset / Polyphile! was diß vor eine Geschicht / noch weniger / was dessen Innhalt ist / so höret mir fleissig zu / will ich euch beydes völlig weisen. Dieser / so auf dem Holtz sitzet / ist Croesus /ein König der Lydier / welcher so reich und mächtig gewesen / daß ihm nicht nur keiner gleich / sondern auch zum Sprichwort worden / wann man einen reichen Mann nennen / oder sonst einen mächtigen Schatz beschreiben will / daß man sage: reicher / als Croesus. Von diesem melden die Historien / daß er einsmals einen von den sieben Weisen in Griechenland / nemlich den Solon / einen verständigen / gelehrten Mann / zu sich beruffen lassen / und gefraget: ob er wol irgend einen Mann erkannt / der glückseliger wäre / dann er? darauf ihm die Antwort worden: daß man keinen vor dem Tod glückselig nennen könne. Darüber der König damals zwar etwas erzürnet: nicht lang aber hernach / als er von dem Perser König Cyro / mit welchem er viel gekrieget / überwunden / zum Feuer verdammet wurde / mit heller Stimme / in beyseyn des Königs Cyri / und anderer /auf dem Holtzhauffen / wiederholet / und selber bekräfftiget / mit diesen / über ihn bezeichneten Worten. Als aber Cyrus auf solch Geschrey fragen ließ / was er damit wolle / und wer der Solon sey / nach dem er so ängstig seufftze / und dabey vernahm / was ich jetzt erzehlt / auch wie er sich nun allerdings darzu bekenne: hat er auch in sich geschlagen / beförchtend / es möchte ihm ein andermal nicht besser gehen / und Crœsum nicht nur vom Feur-Verdamnus loß gesprochen / sondern auch die Zeit seines Lebens / in Herrlichkeit und grossen Ehren gehalten / auch an seinem Hof ernehret. Daß also der weise Solon mit einer Rede zween Könige unterrichtet / den einen zu seinem Leben / den andern zu seinem Besten. Das ist die Geschicht. Was Polyphilus dißmals gedachte / wird der leicht schliessen können / der mit Polyphilo / diese Geschicht wissend / selbige auch hie wiederholen muß: sein müglichster Fleiß war dahin gerichtet / daß er die Deutung nicht hören dörffte; darum er / nach vollendeter Erzehlung / als fiel es ihm jetzt erst bey / daß er vor dem die Geschicht gelesen / erwähnte. Atychintida merckte fast / was Polyphili Verdruß nicht bergen konte; schloß doch dahin / als verlange ihn so hefftig nach den Tafeln / im letzten Tempel / welche ihm den Namen Macarie zu erkennen geben würden: daher sie dann bewogen / weil / ohne das / das Liecht der Sonnen verdunckelt war / die Kertzen in dem Liebes-Tempel anzuzünden / damit sie / durch die finstere Nacht / an ihrem Werck / nicht verhindert würden. Der Befehl wurde aufs schleunigste verrichtet / indessen führete Atychintida mit Polyphilo andere / und zwar angenehmere Discursen / von seiner Macarien /zu deren er nun bald / mit solcher Geschicklichkeit /wieder gelangen werde / deren weder Apollo / noch der Himmel / etwas versage. Fragte auch / was es doch vor eine Beschaffenheit hätte mit Macarien / und wie sie von denen Sterblichen geehret werde; weil sie nicht anders schliessen könne / es müsse dieselbe etwas sonderliches unter den Menschen / oder wol gar Göttliches seyn / indem / um ihrent willen / der er zürnte Himmel / diesem Schloß wieder geneigt worden: welches alles Polyphilus so beantwortete / daß er nicht zu viel / auch nicht zu wenig geredt vermeynete; biß der durchdringende Glantz deren hell-schimrenden Kertzen / welche die Teppiche / damit der Tempel der Liebe bedecket war / gleichsam feurig machten /völlig berichtete / daß alles nach Befehl verrichtet und bereitet wäre. 3. Absatz Dritter Absatz Beschreibet den Eingang Polyphili / in den Liebes-Tempel / und wie derselbe gestaltet: Lehret die nöthige Verbündnus / der Tugend-Kunst / des Glücks und der Liebe; unterscheidet die Falsche / von der Warhafften / und zeiget beyder Ursprung. Polyphilus / dem sein Hertz in tausend Sprüngen gieng / wäre lieber unbegleitet / als mit einem Gesellen eingegangen / damit er nur geschwind die Tafeln gesehen: dann er ihm leicht einbilden kunte / man würde dieses zu letzt sparen / und ihm vorher von andern Dingen reden: aber er muste sich dißmal befehlen lassen / und im Gehorsam bleiben. Die Königin /welche wol wuste / daß die Liebes-Geheimnüs von niemand besser / als denen Weibs-Personen könten erkläret werden; auch über das / aus der Rede Polyphili von Macarien / schliessen wolte / als wäre er sonderlich denen Jungfräulichen Unterredungen gewogen: winckete einer herrlich bekleideten Damen /welche fast den letzten Ort in diesem Comitat ausfüllete / doch vor andern klug und verständig zu seyn schiene / und gesellete solche dem Polyphilo zu / daß sie ihn durch den Liebes-Tempel führe. Polyphilus / und zugleich mit ihm die Dame / entschuldigten sich beyderseits gar höflich: jener zwar /daß er nie kein Glück zu einiger Jungfer gehabt / auch mit denselben nicht wisse umzugehen / deßwegen er sich einiger Schand-Erwerbung / auch dieses Orts /beförchte: diese hingegen / wie gern sie auch mit Polyphilo fortgangen wäre / bemäntelte doch ihre Schamhafftigkeit / mit der gebührenden Jungfräulichen Zucht / die ihr widerriethe / einen jungen Gesellen mit ihr allein zu führen. Doch / wie es öffters zu geschehen pflegt / ob die Ursachen mächtig und wichtig genug wären / etwas abzulehnen / mögen sie gleichwol / wann der Will fertig / und das Hertz gefangen ist / mit den geringsten / auch wol gar falschen Widerreden umgestossen und übermannet werden: wie dann bey dieser Dame / der schuldige Gehorsam /königlichem Befehl nachzuleben / gar bald alle Jungfräuliche Zucht und Gebühr erdruckete: Polyphilus aber blieb beständig in seinem / wider die Jungfern /gefassten Haß und Widerwillen. Der Schluß war gemacht / keine Ausred wolte helffen / sie musten miteinander daran. Das erste / darum die Jungfer Polyphilum fragte / war von seiner Liebsten / bey der sie sich höchlich zu entschuldigen hätte / damit sie keinen Haß verdiene / dorfft ihm auch wol gar ansinnen / ihr den Namen seiner Liebsten zu eröffnen / und ob er sie hertzlich liebe? Welches aber Polyphilus so artig zu beantworten wuste /daß sie ihn zu frieden ließ / und leicht merckete / daß er einen Verdruß an dergleichen Reden hätte. Dann Polyphilus fieng an von der Beschaffenheit dieses dritten Tempels zu fragen: und als sie ihm einen grossen Umschweiff machte / und in viel Vergeblichkeiten aufhielt / kamen sie endlich / mit langsamen Fuß /zu dem Tempel. Alles das aber / was die Königin / und zugleich die Jungfer auf ihr Befehl / in Verlängerung der sonst unnützlichen Reden vornahmen / geschahe bloß darum /auf daß Polyphilus nicht zu früh in den Tempel gelangete / sondern die finstere Nacht mit hinein brächte; dann zu letzt erinnerte sich allererst die Königin / daß die Entbindung ihres Fluchs bey der Nacht künfftig und zu gewarten sey. Jetzt gehen sie zum Tempel ein / welcher Circkelrund / und in zimlicher Höhe aufgeführet war. Rings umher stunden gefrorne Crystallen-Seulen / welche von der grün-bekleideten Erden / biß an die Decke reicheten / und mit ihren durchsichtigen Glantze /welcher sich denen angezündeten Liechtern gleichsam entgegen setzte / einen nicht geringen / sondern Wunderherrlichen Schein gaben / der das gantze Zimmer erleuchtete. Es war auch gleich denen vorigen Tempeln / über dem Eingang / die Herrschafft der Liebe gebildet / deren zwey andere Weibs-Personen zur Seiten gestellet / von derer ersten sie bedienet / von der andern bekrönet wurde. Diese drey / fieng Polyphilus an / werden gewiß Tugend / Glück und Liebe bedeuten? Ja / anwortete Erothemitis / so war der Jungfer Name / aber ihr vergesset der Kunst / welches doch das vornehmste Stück ist in der Liebe: dagegen Polyphilus versetzte /daß nur ihrer drey wären: Ja / sagte Erothemitis / aber das Tugend-Bild bedeutet zugleich die Kunst / daher ihr sehet / daß sie in der Rechten ein verguldtes Buch / in der Lincken einen Maß-Stab hält. Ists euch /fuhr Erotbemitis weiter fort / nicht verdrüßlich / Polyphile! will ich euch weiter berichten / was wir sonsten davon zu halten pflegen / da ihr dann eure Gedancken mir wieder eröffnen könt / und mich / so ich in einem oder andern unrecht verfahren solte / eines bessern unterweisen. Diß höfliche Anbringen vermochte bey Polyphilo so viel / daß er nicht nur allen vorigen Widersinn fallen ließ / besondern fast gar die Freundlichkeit dieser Damen / und ihre demütige Sittsamkeit lieb gewann /doch nicht anders / als es das Gefängnus / mit welchem ihm seine gehertzte Macarie bestricket / zuließ: darum sprach er: Edle und Tugend-völlige Dame! auf welch Wort sie ihm alsobald Einrede hielt / sagend: nicht heiß ich Dame / sondern Erothemitis: Polyphilus aber fuhr fort: solt ich das Glück von ihrer erkanten Gunst zu hoffen / oder auch zu erwarten haben /würde ich mich schon vor den bekennen dörffen / welcher in dem Glücks-Tempel nicht allein die Glück-Fälle erlernet / sondern auch selbsten sey damit gesegnet worden: bitte derowegen / so ich anderst bitten darff / sie wolle mich / ihrer angebornen Freundlichkeit nach / ihres Berichts würdigen. Auf welche Wort Erothemitis folgendes versetzte: das thue ich / so willig als schuldig. Ihr seyd / edler Polyphile! den Tugend- und Glücks-Tempel durchgangen / wisset auch / was diese beyde Jungfrauen geben und nehmen / was ihre Verrichtungen seyn / und wie weit sich ihr Dienst erstrecke. Die Kunst nehret die Tugend /die Tugend nehret das Glück / das Glück führet die Liebe: jenes habt ihr gelernet: aber das Letzte ist noch übrig / daß ihrs wisset / und ohne diesem / ist jenes /als gestorben. Lernet demnach an dem / daß Kunst und Tugend der Liebe dienet / wie ihr all euer Wissen / Sinnen und Beginnen / dahin richten sollet / daß ihr vernünfftig liebet: und an dem / daß das Glück die Liebe krönet / wie ihr glücklich lieben sollet. Die Zeit leidet es nicht / daß ich alles nach der Länge / aus den beyden ersten Tempeln wieder herfür suchen / und euch zeigen solte / wie ihr aller Orten / das alles / was ihr gesehen / auf die Liebe wenden köntet / damit sie vernünfftig und glücklich zu nennen. Darum behaltet das wenige / vor viel: Wer nicht klug ist und verständig / Der macht keine Liebe bändig. Wer im lieben nicht beglücket Der wird bald bald unterdrücket. Nach diesem giengen sie weiter fort / und ersahen /bald im Eingang / eine nackete und unbekleidete Weibs-Person / die in der einen Hand einen Angel / in der andern einen Strick hielt / und auf dem Haupt mit einer Cron / von Lilien / gezieret war. Gegen dieser stund ein andere / mit röthlichen Wangen / lieblichen Augen / und Gold-gleichem Haar / bekleidet mit Scharlach / und allerhand köstlichen Steinen gezieret /ihren Krantz in der Hand führend / und mit der Lincken auf eine verschlossene Tulipan zeigend. Ungefragt fieng Erothemitis an: Diese beyde / edler Polyphile! bedeuten die Schönheit; diese zwar / zeigend die nackende / die eusserliche: Diese aber / zeigend die bekleidete / die innerliche. Beyde / fieng sie weiter an / sind der Liebe Urheber / und kan ohne sie / kein Liebe entweder entstehen / oder auch dauren. Deßwegen sie von der Weißheit des Himmels / in den Eingang versetzet worden. Doch ist das Behaltens werth / daß / wie unter beyden ein grosser Unter schied / also auch unter der Liebe / so von dieser herrühret / und unter jener / so von der andern ihre Geburt hat. Eine ist beständig: die andere wancket gar leicht; eine ist hertzlich / die andere hat ihre Wohnung im Gesicht; eine ist getreu; die andere ligt unter einem falschen Schein verdeckt / und gleisset schön von aussen. Ihr werdet / mein Polyphile! selber wol verstehen / wohin ich ziele. Sehet an die Unbekleidete /mercket auf ihren Angel und Strick: Diese ist die nichtige Schönheit / so uns eusserlich verführet / und offtermals in die Stricke des Unglücks / ja gar der Verzweifflung gefangen nimmt: Dann welcher die Schönheit in dem Leibe / in denen umschweiffenden Augen / gebleichten Haaren / gemahlten Wangen suchen will / der findet eusserlich eine schnöde Vergänglichkeit / ein zerbrechliches Gut / einen stündlichen Raub / einen Blitz / der zugleich leuchtet und vergehet: innwendig aber Wanckelmuth und Betrug. Ja / ich glaube nicht / daß eine Zunge so beredt / ein Verstand so klug / einige menschliche Gedancken so beleuchtet sind / daß sie solten alles Unheil erzehlen /verstehen und durchdencken können / welches die eitele Schönheit mit sich zu bringen / und nach sich zu ziehen pflegt. Wann man mich fragte / was die äusserliche Schönheit wäre / wolt ich sagen / daß sie sey eine gewaltsame Tyranney / dadurch man sich / mit der Freyheit Verlust / willig und wissentlich der Knechtschafft unterwürffig machet. Oder ich wolt sagen / sie wäre eine selbstschadende Zauber-Kunst /welche durch die Augen-Stralen das Hertz anflamme /den Verstand verrucke / und den Menschen sein selbst Vergessen mache. Wiewol ich sie einem spitzigen Berg nicht übel vergleichen könte / welcher auf allen Seiten mit Dornen verwildet / mit Hecken verwahret /mit Steinen verleget / zu oberst mit Wermuth bewachsen / und mit Weiden (dadurch ich die Reu deuten wolte) gleichsam umsetzet. Oder ich vergliche sie mit einer Wiesen / die zwar mit vielen bunten Blumen gezieret; aber den gifftigen Schlangen und Ungezieffer eine Enthaltung gebe. So hör ich wol / sprach Polyphilus / soll man dieser Schönheit nicht trauen? Nicht nur nicht trauen / antwortete Erothemitis / sondern sich von ihr auch nicht verführen lassen / dann sie nicht nur gantz vergängliche / sondern auch nichtige und boßhaffte Gaben führet / die äusserlich zwar herrlich scheinen / aber inwendig heßlich gestalt seyn. Dann es ist mit selbiger bewand / wie vor Zeiten mit denen Egyptischen Tempeln / die an sich selber kostbar und prächtig erbauet waren / daß das Aug gnug daran zu sehen / und das Hertz zu verwundern hatte; würde man aber einen Gott darinnen gesuchet haben /würde man / an statt seiner / viel eher und mehr einen stinckenden Bock / eine schändliche Katz / oder einen wilden Affen gefunden haben: gerad so ists mit der angeschmückten Schönheit / die herrlich gleisset /heßlich aber gestalt ist. Und daß ich endlich die lautere Warheit nicht verhele / möcht ich wol fragen / was dann die Schönheit wäre? dörfft ich mir selber antworten / sagte ich in Warheit: daß sie lauter nichts sey: besondern in der blossen Einbildung der Menschen bestehe / welche ihnen diß oder jenes für schön einbilden. Beliebt euch / Polyphile! so leset diese Verse / darinnen ihr / was von äusserlicher Schönheit zu halten / völlig vernehmen werdet. Und damit übergab sie ihm einen Zettel / darauf folgendes Gedicht geschrieben stund: Was ist die Schönheit doch / die unser Hertz so binden / und gantz bestricken kan? wie und wo soll ichs finden? Sie ist wohl in der Welt: doch sag mir eins / wo gehts? Sie ist zu treffen an: doch frag ich auch / wo stehts? Nichts überall will mir alsdann zur Antwort werden; Der eine sagt mir leicht: sie muß doch auf der Erden und bey den allen seyn / die von ihr sind bestrickt / der ander preiset sie / und die damit beglückt. Bald findet sich der Dritt / und rühmet ihre Würde: Der Vierdte folget dem / und klaget ihre Bürde: Den allen aber ich entgegen / spreche frey: Daß sie doch lauter nichts / und minder als nichts sey. Ja! wär sie etwas noch / wie wilt du sie dann nennen? Ein angenehmes Gifft? das muß ich zwar bekennen: Sie hat der Titul viel / die zum Verderben geht / und allen insgesammt / zu einem Fall-strick / steht. Sie ist die Sonnen-Kertz / die doch gantz finster leuchtet; Ein bittrer Wermuth-Thau / der unser Hertz befeuchtet; Ein ziehender Magnet; ein Spiegel voller List; Ein scharffer Stral / der / uns zu fällen / ist gerüst; Ein Zunder böser Lüst; ein Fall und Gang zur Höllen / der Hoffart Kummer-Rath / der Uppigkeit Gesellen; ein Zwang der Hurerey / und Ursach aller Noht / der Jugend eine Pein / dem Alter gar der Tod. Ein Auszug aller Scham / der Tugenden Verderber / der Laster Schutz und schirm / ein lauter Schand-Erwerber: und daß ich endlich doch der Warheit pflichte bey / so glaub ich dennoch nicht / daß diß die Schönheit sey. Es ist der Menschen Schuld / die lassen sich bethören / durch solchen falschen Schein: weil eilig / wann sie hören / von einem Damen-Bild; weil eilig / wann sie sehn / was ihnen wolgefällt; sie schon in Fesseln gehn. Dann kan der Buhler nit die Schönheit gnug beschreiben / die seinen Sinn besiegt; muß Tag und Nacht vertreiben mit ihrer Gaben Lob: Er fängt von oben an biß unten wieder zu: Er rühmt / so viel er kan / der schönen Glieder Pracht: Wie alles sey gestaltet / das alles er beschreibt. Und was er denckt und waltet / ist nur auf sie gericht. Sie einig ist sein Ziel / davon er redt und schreibt / so viel er immer will. Das jrrdische Gestirn / die leichten Augenblicke / seyn ihre starcke Kunst / damit sie ihm entzücke der matten Sinnen Rest. der glatten Stirnen Zier / ist Amors sein Magnet / der ihn stets rückt zu ihr. Das Haar / das schöne Haar / sind ihre starcke Binden / damit sie Hertz und Sinn kan meisterlich umwinden. Die Wangen sind Berill / die Lippen ein Rubin / die ihn zu ihrer Gunst / auch wider Willen / ziehn. Das Kin ist Perlen-Art / der Halß / von Alabaster / die Kehle Chrisolith / der Brust erhobnes Pflaster ist gleich dem Marmor-Stein / die Finger Carniol / von Helffenbein die Arm; obgleich ein schwartzer Kol sich denen gleichen könt: so werden sie verführet von ihrem eignen Wahn / alsbald sie sind berühret / durch hören oder sehn / die Liebe Schönheit weist / so bald sie nimmt und gibt der Seelen ihren Geist. Sie sind nicht / wer sie sind / dann wer sie gerne wären / das können sie nicht seyn: sie wechseln mit den Ehren die Schand / verlassen sich / und ziehen jene für vergiß mein nicht / vergist auch seiner selbst für ihr. Noch ist es nicht genug / von aussen seyn gepriesen / und durch der Glieder-Pracht: es muß auch seyn erwiesen / daß / was von Geist und Blut / durch Mund und Nase dringt auch sein verführtes Hertz / zur heissen Liebe zwingt. Da rencht der Athem süß / wie starcke Biesen-Blumen / an ihr ist / was uns schickt Panchea und Idumen / was sag ich? müssen doch / die Blumen selbst gestehn / sie sey noch tausendmal so schön / als tausend schön. Bald muß der Lippen-Thau dem Honigseim sich gleichen / der offt wol Speichel ist: Kein Nectar kan erreichen / die süsse Süssigkeit. Der durchgedrungne Schweiß muß seyn ein Perlen-Thau / und ohne weiß seyn weiß. Der heisse Seufftzer-Rauch muß gar gen Himmel steigen / und ohne grosse Macht / die Macht der Sternen neigen / bethränt sie dann / mit Leid / der Wangen Purpur-Feld / so hat sich deren Glantz Chrystallen zugesellt. Und was thut endlich nicht der Liebe blindes Wesen / die / was nur ihr gefällt / vor Schönheit will erlesen / offt aber übel zahlt: drum hüte sich / wer kan / vor falsch-geführtem Schein: sonst kommt er übel an. So bald Polyphilus diß Gedicht gelesen / welches ihn sehr vergnügte / fieng Erothemitis auch von der wahrhafften und lobwürdigen Schönheit an / mit diesen Worten: Ihr wisset nun / Polyphile! daß dieser abwelckenden vergänglichen Schöne nicht zu trauen; so hoffe ich auch / ihr werdet selbe hinfüro vor keine Hertzen-Zwingerin erkennen: sondern / so ihr euer Hertz durch einige Liebe wollet entzünden lassen /der wahren und beständigen Schöne viel lieber gehorsamen / als dieser Verführerin. Wisset demnach auch das / daß diese Bekleidete sey die Zierde / so auf die Tugend gegründet / und den Verstand zum Erhalter hat. Diese sollet ihr erkennen / ehe dann ihr euch ihr zu folgen verwilliget. Nach dem Erkantnus dörfft ihr trauen. Zwar ist nicht weniger auch das zu behalten /wo diese Tugend-Zierde verborgen ligt / daß daselbst auch die Tugend-Wercke äusserlich zieren / und das Verborgene / theils an den Geberden / theils auch an der schönen Gestalt / zu erkennen. Und ist so fern die Schönheit des Leibs ein Fürfechter der Tugend-Blüth / und eine Herberg einer grössern Schönheit: Dann Höflichkeit / Freundlichkeit / die wir durch die Zucht-lächlende Wangen / geziemte Falten des Mundes / liebliches Blincken der Augen / und andere Kenn-Zeichen mehr / messen / sind Früchte der Tugend: Diese aber machen eine schöne Gestalt: wie wir hie zugegen an dem Bilde sehen. Auch gibts die Tulipan / darauf sie deutet / welche / ob sie gleich verschlossen / dennoch ihr bundgefärbte Zierde aussenher gläntzen läst. Wollt ihr demnach / edler Polyphile! wissen und verstehen / was schön ist / so müst ihr die Augen der Vernunfft zu Raht nehmen / und ihr die unbändige Begierde der Liebe / wie das Pferd dem Zaum / den Bogen dem Schützen / das Schiff dem Steur-Ruder /den Werckzeug endlich dem Meister unterwürffig machen. Dann wie die Vernunfft ohne Lieb unvollkommen ist: also ist die Liebe / ohne der Vernunfft-Be herrschung / nichts / dann ein unbesonnenes verderbtes Beginnen. Wo sich aber die Vernunfft mit der Liebe durch diesen Gehorsam vermählet / da werden sie gleichsam miteinander erhitzet / in einem Streich auf die Schönheit zu zueilen / die ihnen auch in beständiger Vergnüglichkeit / tausend Befriedigung schencket / und mit einem ewigen Wohl-seyn beglücket. Kaum hatte Erothemitis diß Wort geredt / als Polyphilum seine Gedancken schon nach Macarien gezogen. Wie kan doch / dachte er heimlich bey sich selber / etwas besser auf mich und mein Macarien gesagt werden? Freylich / allerschönste Macarie! bist du innen und aussen schön. Dein Verstand würcket freudige Geberden / deine Tugend gebieret die Freundlichkeit / daher deine lieb-winckende Augen / deine scham-beröhtete Wangen / und dein lächlender Mund / in solcher Herrlichkeit / pranget. Was kan auch mich artiger treffen? der ich / so bald ich von deiner Tugend gehöret / freylich nur durch Tugend bin entzündet worden / und hernach durch deine erleuchtende Schöne gestärcket / in dem / daß ich die blinde Begierde meiner straff-würdigen Liebe / unter dem Gehorsam meiner Vernunfft hälte. Ach / daß du doch / allerliebstes Kind! hie zugegen wärest / daß diese Erothemitis an dir die Werck zeigen könte / wie sie mir jetzo die Kunst gewiesen: Aber das daren Polyphili Gedancken: die Reden lauteten viel anderst; dann / weil er wuste / daß / bey dem Jungfern-Volck /viel zu erhalten sey / wann man ihnen / ohne Aufhören / die Posaune des Lobs blase / nahm er diese Gelegenheit auch damals in acht / und rühmete ihren Verstand und Weißheit dermassen / daß er nie geglaubet / in einer Weibs-Person / die von männiglich vor gering-verständig gehalten würden / dergleichen zu finden. Indessen führete sie ihn weiter / da zunächst etliche Weibs-Personen nacheinander stunden / deren erste gestaltet / als eine Jungfrau / in der ersten Blüth ihrer mannbaren Jahre / mit aufgeheiterter Stirn / und röthlichten Wangen / bunt gekleidet / in der Hand habend ein Zettel / mit dieser Inschrifft: die Jugend. Dieser folgte eine andere Weibs-Person mit lebhafftem Angesicht / starcken Gliedmassen / umhüllet mit einem zarten Schleyer / und an der Gütel tragend / den Namen der Gesundheit. Nach dieser war zu sehen ein stoltzes Weib in Königlichen Kleidern / güldenen Ketten / allerhand kostbaren Edelgesteinen / Perlen /Cronen / und d. g. nächst einem vollen Geld-Kasten /die ihren Namen / mit den güldenen Buchstaben / in der Hand fassete: der Reichthum. Nach allem dem erschien ein Jüngling / mit einem Fucker in der Hand /auch mit Würffeln / Karten / Bretspiel / Lauten / Geigen und andern Musicalischen Instrumenten / die vor ihm auf dem Tisch lagen / wol versehen / und dieser war der Müssiggang. Zu letzt zeigete sich das Liebes-Kind / mit einem Bogen / Köcher und Pfeilen / und schertzte mit der Abbildung der Schönheit. Von diesen begehrte Polyphilus auch Bericht: welchen ihm Erothemitis / mit folgenden Worten / ertheilte. Edler Polyphile! die Liebe / dadurch das menschliche Hertz brennet / wird theils durch andere / theils durch uns selbst entzündet. Die jetzt erklärte Bildnussen der Schönheit / können mit allem Recht die Waffen genennet werden / so uns von aussen bestreiten: aber / was wir hie sehen / das würcket unser eigen Schuld. Die Jugend / Gesundheit / Reichthum und der Müssiggang können / nicht unrecht / das Stamm-Register derselben genennet werden / weil sie durch diese bescheret / ernehret und vermehret wird. Je frischer die Jugend / je stärcker die Lieb. Was solt auf einem dürren Baum wohlschmäckende Frucht wachsen; oder mag auch eine dürre Wiese Graß tragen? Liebe erfordert frische Hertzen / und einen freudigen Muht: der ist in einem Alten nicht zu finden. Liebe ist brünstig: wo mag man aber eine Brunst finden in einem kalten Hertzen: Aber die Jugend brennet in einem steten Feuer. Und das will diß erste Bild / daß die Liebe der Jugend / nicht aber dem Alter / wol anstehe. Und trag ich keinen Zweifel zusagen / daß ein Alter gar nicht lieben könne / oder ja gefährlich. Ja ich zeuge selber wider einen Alten / der über die Liebe klagen wolte / daß er falsche Zeugnus wider sich selber führe. Dann ein Alter hasset mehr / als er liebet; ist nicht verbuhlet / sondern vernarret; nicht ein Frauen-Diener / sondern ein Todtengräber / und vielmehr unlustig / als wollustig zu nennen. Einig die Jugend stehet in frischem Flor. Ein Alter soll mehr folgen der Glocken / die zum Hauß ausleutet / als der winckenden Jungfrauen zum eingehen. Was Lusts erreget der Alte / kan er auch die Lauten rühren? die Hände sind zu steiff; kan er auf Violen streichen? die Finger sind zu matt; kan er auch bewegliche Gesänge dichten? das Gedächtnus ist verlohren. Kan er auch die Gassen auf und nieder rennen? die Füsse wancken: Aber die Jugend dichtet / singet / spielet / und stifftet alle Lust. Was hat der Alte / das ihn beliebt mache? wo sind die hochgespitzte Schuh? Er müste darauf den Halß brechen: wo die Gold-gezierte gelbliche Haarlocken / die die Glatzen bedecken? sie sind verlohren. Wo das Hütlein mit den Galantery Bändlein? Es ist vergessen. Wo der köstliche gespitzte Kragen? er ist zerrissen. Wo die performirte Handschuh? sie sind zu theuer. Wo die allamode Kleidung / welche der Liebsten Farben fürtragen? sie ist ihm verdächtig. Wo ein Politischer Rock? er stehet ihm nicht an. Wo ein verguldeter Degen? er ist verrostet; und in Summa / was der Liebsten soll einen Lust erwecken / das ist nicht da. Wie solt denn ein solcher lieben? oder wie solt er von andern können geliebet werden? meines theils muß ich selber bekennen / daß ich lieber vor einem solchen weit lauffen / als nur ein wenig stehen wolte. Zwar ists nicht ohne / daß bißweilen einem Alten der Bart gestutzet / und das Maul gewässert wird / durch etwa einen freundlichen Blick: aber wer da aufbauet / der leeret seinen Beutel / und fällt endlich in den Koht. Und solte ja dem Alten sein Lieben ein wenig von statten gehen / so hats doch keinen rechtschaffenen Ausgang. Dann entweder wird er verspottet / von seiner Liebsten / oder sie wird betrogen. So fern sie in sein Begehren williget / ists in Warheit übel angeleget: wofern sie aber bey ihm thut / was man einem Alten billich thun soll / wird er sich betrogen befinden / und sie wird ihm die Federn rupffen: wo ist aber alsdann eine warme Liebe? Das ist / gedachte Polyphilus / ein artlicher Discurs / von einer Jungfer / und wünschte / dergleichen mehr zu hören; aus welchen Ursachen er dann ihre Rede mit diesen beantwortete: Verständige Jungfrau! so viel ich vernehme / seyd ihr denen Alten gewiß nicht gewogen? Nein / sprach sie / ein Polyphilus ist mir lieber / als tausend solcher. Darauf er mit lachendem Mund antwortete: wie aber / wann Polyphili Haut schon verkaufft wäre? Aber verzeihet mir /sprach er ferner / daß ich einige Frag thun darff: warum verwerffet ihr die Alten / aus solchen Ursachen / die doch in Warheit auch manche Jungfer und Jung-Gesellen / deren Jahr noch blühen / würden verwerfflich machen? Wie mancher tapfferer Liebs-Werber wird von dem Hochmuth einer stoltzen Damen verworffen? Wie viel abgeführte Damen / die nirgend schöner / als in ihrem eigenen Spiegel; nirgend beliebter / als in ihrem falschen Dünckel sind / werden hinwieder mit gleicher Müntz bezahlet? Vieler Kundschafft wird von vielen begehret / nicht Liebe zu suchen / welche bey dergleichen auch übel angeleget würde / sondern sich mit ihrer Verachtung nur zu erlustigen. Und solche / wie klug sie auch sind / mercken doch nicht / daß ihr solche Höflichkeit / mehr der Ergötzung / als Liebe wegen / erzeiget werde: Das bleibet gewiß / wie sie durch ihr tägliches Aufnehmen / und tägliches Verstossen andere schertzen / also werden sie wiederum geschertzet. Geschicht das nun an der grünenden Jugend / was wollen wir dem verdorrten Alter vor Ubel haben. Das laß ich / sprach Erothemitis / eine jedwede vor sich verantworten / mir ists zu widerlegen zu schwer. Wir wollen in unserm Werck weiter gehen / damit uns die Zeit nicht zu wenig werde. Diß ander Bild / welches / wie die Schrifft weiset / die Gesundheit ist; dann auch das dritte / der Reichthum / mit dem Vierdten / dem Müssiggang / stifften die Liebe: nicht zwar /als eigentliche Werckmeister / sondern als die vornehmste Urheber. Dann kein Krancker wird sich leichtlich verlieben / viel weniger der da bettelt / auch der nicht / welcher zu schaffen hat. Wiewol man auch / im krancken Leibe gesunde Liebe findet; aber erhalten / nicht erworben: auch unter den Armen liebet einer den andern / aber nicht brünstig / sondern verruckt. Und die Arbeitsame pflegen ihrer Lust; aber mit offtmaliger Verhindernus. Mit dem schertzet diß Liebes-Kind am allerliebsten und besten / der / durch keine Mattigkeit der Glieder / an der Gegen-Liebe verhindert; durch keinen Mangel an Geld / von der Lust-Vollbringung abgehalten: durch keine wichtige Geschäffts-Verhindernussen / von der offtmaligen Besuchung verrucket wird. Und das ist der Stamm und Ursprung der Liebe: die aber / so die Liebes-Lust üben wollen / sollen sich erinnern / bey der Jugend /ihrer Künheit / daß sie nicht durch einen Abschlag sich schrecken lassen; bey der Gesundheit / ihrer Verharrung / daß sie beständig lieben; bey dem Müssiggang / ihrer schuldigen Pflicht; und bey dem Reichthumb / daß er an Geschencken nichts erspare. Polyphilus nahm alles wohl in acht / und da sie ferner giengen / daß sie gegen dem Liebes-Knaben stunden / sagte Erothemitis / daß / wer so weit gelange /schon bestricket liege / und von dem Knaben / der Hoffnung zugeschicket würde: welche gerad gegen über auf einer Marmor-Seulen zu sehen / in Gestalt einer holdseligen Jungfrauen / welche mit einem Blumen-Crantz gekrönet / grün bekleidet / und den Liebes-Knaben in den Armen haltend / von ihrer Brust säugete: ohne Zweiffel deutet diese / sprach Polyphilus / daß die Hoffnung die Lieb nehre / und / vor ihre Betrübnüsse / den Trost zurichte. Ja / sagte Erothemitis / wann diese nicht manche Begierde stillete / manche Furcht dämpffete / und in mancher Widerwertigkeit tröstete / müsten ihrer viel / unter dem Liebes-Joch / vergehen. So lang aber diese die Mühe mindert / die Gefahr besieget / die Arbeit überwindet / die Schwachheit verstärcket / die Krafft verneuert / im Trauer-Stand ergötzet: so lang kan auch unser Hertz sich beglücket schätzen. Wie aber / sagte Polyphilus /wann diß alles versieget? So sehet ihr / antwortete Erothemitis / dort die Gedult. Diese war / durch ein weinendes Weib / gebildet / sitzend in den Dornen /schlecht bekleidet / und ein Joch auf dem Halse tragend / um welches sie die Arm geschlungen. Dieser /erinnerte Erothemitis weiter / gleichen sich alle die /so ohne Hoffnung leben / welches Leben ist der Tod. Polyphilus / dem ein jedwedes dieser Wort / gleich einem Donnerschlag / das Hertz rührete / indem ihm eben damit seine Hoffnung / die er auf Macarien gesetzt / und zugleich die Gedult / so er in dieser Verleitung tragen muste / erkläret wurde / nahm seine Tafel / stellet sich / als wolt er diß aufzeichnen / setzete aber folgende Beschreibung seiner Hoffnung und Gedult / zu seinem Trost. Alles ist an Gottes Segen Und an seiner Gnad gelegen: Die ist über Geld und Gut: Wer auf Gott die Hoffnung setzet / kan behalten unverletzet einen freyen Helden-Muht. 2. Meinem Gott will ich vertrauen / und allein auf Tugend bauen / die da bleibet und besteht; Ich will treu-beständig lieben / und mich über nichts betrüben / es mag gehen / wie es geht. 3. Gott / der mich bißher ernehret / und so manches Glück bescheret / ist und bleibet ewig mein: Der so wunderlich regieret / der mich liebet / der mich führet / wird hinfort mein Helffer seyn. 4. Viel bemühen sich um Sachen / die nur Sorg und Unruh machen / auch gar unbeständig seyn: Ich begehr nach dem zu ringen / das Vergnügen könne bringen / ohne falsch-verblümten Schein. 5. Hoffnung muß das Hertz erquicken / was ich wünsche / wird sich schicken / wann es anders Gott gefällt: Meine Liebe / Leib und Leben / und mich / hab ich Gott ergeben / Ihm ist alles heimgestellt. 6. Er weiß schon / nach seinem Willen / mein Verlangen zu erfüllen / es hat alles seine Zeit: Ich hab ihm nichts vorzuschreiben / freyen / oder frey zu bleiben / wann Er will / bin ich bereit. 7. Soll ich länger einsam leben / will ich Gott nicht widerstreben / ich verlasse mich auf Ihn: Ihm ich folge / der mich führet / weil ich nie kein Creutz gespüret / wann ich Ihm gefolget bin. Unter währender Verfertigung / oder vielmehr Nachahmung / dieses sonst bekandten Gedichts / giengen sie etzliche Schritt fort / und da sie sich zur rechten Seiten / gegen den Morgen stelleten / ersahen sie ein Kind / das entblöset / geflügelt / an Augen und Ohren verbunden / und mit Bogen und Pfeilen gewapnet /einen Feuer-Köcher in der Hand führete. Hinter selbigem vernahmen sie noch zwey andere Gesichter / zu beyden Seiten / wiewol sie diese / wegen der Weite /nicht erkennen konten. Da sie aber näher hinzu tratten / befanden sie / auf der Rechten / eine weiß-bekleidete Weibs-Person / welche in der Rechten hatte ein Siegel / und mit der Lincken auf einen Hund deutete / der zu ihren Füssen lag: Auf der andern Seiten ersahen sie einen Jüngling / mit entblöster Stirn /daran die Wort zu lesen: und eröffnetem Hertzen / darinnen er / mit dem Finger / diese Wort zeigete: Dann endlich mit einem groben Kittel bekleidet / an dessen eusserstem Brem / diese Wort verworffen: Zu jeder Zeit, Polyphilus mochte wol etwas erachten / wohin diese Figur zielte / aber der völlige Verstand war ihm verschlossen. Deßwegen er der Jungfer winckete / denselben zu ertheilen / welche folgender Gestalt fortfuhr: Diß Kind bedeutet die Liebe / und ist die Erklärung desselben mancherley. Dann wie ein Unterschied ist unter der keuschen und unkeuschen Liebe: also müssen wir solche in diesem Bild beobachten. Was die nicht-ziemende Liebe betrifft / können wir / durch die Kindheit dieses Knabens / den wenigen Verstand der Verliebten erkennen / welcher denen kindischen Entschliessungen am allergleichesten ist. Die Blösse /weiset den Verlust zeitlicher Güter / welche / mit dem Wachsthum der Liebe / immer mehr und mehr verringert werden und verwelcken. Die Flügel zeigen die Unbeständigkeit der Verliebten / die ihren Sinn bald hin bald her / bald aus und ein fliehen lassen / daß allerdings wahr sey / was jener Poet gesungen: Wies einem Tanben-hauß sonst öffters pflegt zu gehen / So lassen diese Sinn das Aus und Ein geschehen. Die verbundene Augen und Ohren zeigen theils die Verstockung der Sinnen; daß es wiederum bey manchem / mit jenem Poeten heisset: Kein Sinn der ist an mir / der unverrücket blieb / Ich sey / ich hör / ich riech / ich schmäck / ich fühle Lieb: Theils / daß die Liebe ein blinder Führer sey / und gar leicht in die Gruben stürtze / so ihr folgen / auch keine Hülff-Bitte erhöre noch errette: sondern sie den Schmertzen quälen lasse / welchen die brennende Kertzen / in ihnen angezündet. Und diß ist das verzehrende Gifft / die Verblendung der Sinne / die Verwirrung des Verstandes / die Zerrüttung des Gemüths / die Schul der Sünden / die Vergessenheit des Guten / die Wurtzel des Bösen. Die Mörderin der Tugend / und Ernehrerin der Laster. Die Befehdung der Ehre / und Erwerberin der Schande. Das Ende der Hoffnung / und Anfang der Verzweifflung. Die Seuche des Alters / und Anstoß der Jugend: die wir sonst / in gemein / die Liebe nennen. Welche völlig zu beschreiben / vor der Menge ihrer Laster-Namen /die Unmüglichkeit nicht gestattet. Jener Poet zwar hat keinen Fleiß gesparet / wann er sie in folgendem Gedichte / auf die Frag: mit dieser Antwort vorstellet: Ein Band vereinter Hertzen. Ein übersüsses Gifft. Ein angenehmer Schmertzen. Ein Pfeil / der leichtlich trifft. Ein Werck / so Menschen mehret. Ein frischer freyer Muht. Ein Spiel / das sich verkehret. Ein angefeurtes Blut. Ein Last / die leicht zu tragen. Ein angenehmes Kind. Ein Trauren nach behagen. Ein Strick / der Freyer bind. Ein blind-verfinstert Wesen. Ein helle Freuden-Nacht. Ein Buch / mit Lust zu lesen. Ein schön und schneller Pracht. Ein Marck / die Reu zu kauffen. Ein kluger Unverstand. Ein Weg / der schnell zu lauffen. Ein spaterloschner Brand. Fast auf gleichem Schlag / versetzte Polyphilus / hab auch ich mir einsten gefallen lassen / ihre Würde zu beschreiben / da ich / die Zeit zu kürtzen / mich fragte / mir antwortete: Was ist die Liebe? Nichts: wie kan sie uns denn quälen? sie muß ja etwas seyn: was denn? ey / ohn verhelen / sag ich: sie alles ist: wer ist vergnügt mit ihr? sie ist es / und doch nicht: das ist unmüglich schier / Ich weiß es / was sie ist: was dann? es ist das Prangen der hochgezierten Zierd. Es ist ein bloß Verlangen / nach dem / das man nicht siht. Bekommt mans zu Gesicht / so ist es eine Furcht / die will / und darff doch nicht. Ein stets unruher Geist / ein hoffen und ein harren / ein Ertz-Betriegerin / der Klugen mehr / als Narren. Ein bitter-süsses Kraut / ein wunder Hertzens-Dieb / das ist das süsse Thun / das sonsten heist die Lieb. Und wo sind Wörter gnug / sie völlig zu beschreiben? wo diese Dichter-Kunst / die dennoch reich / wolt bleiben? da mich die grosse Meng / gantz arm / an Worten macht / indem sie selber mich / mit ihrem Lob / verlacht. Weint sie / so wein ich mit. Wo soll ich Seufftzer nehmen / die dieses Hertzens-Weh / und unerhörte Grämen / zur Gnüge sprechen aus? Es ist ein Seelen-Tod / vergraben in der Grufft / der falschen Hoffnung-Spott. Sie ist ein Schaden-froh; ein Band betrübter Hertzen / die Mutter des Betrugs; ein angenehmer Schmertzen / Zerrüttung des Gemüths; ein Pfeil / der immer trifft / ein Spiel / das sich verkehrt / ein Zucker-süsses Gifft. Die Quell des Unverstands; die Wurtzel alles Bösen. ein bindender Gewalt / der leicht nicht ist zu lösen. ein Herold falscher Lust; ein Dienst in Tyranney; Ein Myrrhen-bittres Froh; ein Kugel-rundes Frey. Ein voller Laster-Wind; ein Trauren nach Behagen / nach Lachen ein Geheul; vor jauchtzen / nach verzagen. Ein bald-gewandtes Blat / ein Gallen-süsser Safft / ein Jubel ohne Lust / ein Rathschluß ohne Krafft. Ein helle Finsternuß / ein dunckel-helles Wesen / ein Schlaff / doch ohne Schlaff; ein Buch / das offt zu lesen / am meisten bey der Nacht / und unsrer Sinnen Liecht / wann die Gedancken-Post die süsse Ruhe bricht. Was mehr? sie ist ein Marck / die bittre Reu zu kauffen. Ein ungebahnter Weg / ohn Ende durch zu lauffen: ein Stachel überall / und eine Dornen-Bahn. ein Stein-besätes Land / da man stöst immer an. Ein stets-erneutes Leid / ein Sorgen-Werck der Schwachen / dem Narren eine Lust / dem Klugen Schmertzen-Sachen / Ein Bläßlein voller Winds / so hinfleucht / wie ein Rauch und wann man es ergreifft / zergeht es / wie ein Hauch. Ein Kummer-voller Trost ist sie / und eine Bürde / bald leicht / bald wid schwer; bald schand / bald eine Würde / ein Lust-gestohlner Traum / und eine Schmertzen-Wach / ja! daß ichs kurtz beschließ / ein lauters Weh und Ach. Erothemitis hörete diesem eine Weile zu / und ließ ihr die Erzehlung nicht übel gefallen: doch merckete sie leicht / daß Polyphili Mund und Hertz nicht zusammen stimme / sondern in der höchsten Brunst der Liebe / dieselbe zu schelten suche / damit er nicht /durch deren Lob / oder Vertheidigung / vor verliebt angesehen werde. Deßwegen sie ihm auch diese Freyheit gerne zuließ / und seine Rede in allem billichte /ja so gar verstärckete / daß sie bejahete / es können die Laster einer verderbten Liebe nicht gnugsam gescholten werden / ob schon alle die Nahmen / damit wir sonsten das Böse zu benennen pflegen / auf einmal zusammen gehäuffet / und dieser geschändeten Lust aufgeleget würden. Darum / sprach sie ferner /ist das alles / obs etwas geredt / noch lang nicht gnug / was ihr auch geredt. Ich meines Theils könte hinzusetzen / daß sie sey eine Eitelkeit / die belustige; eine Belustigung / die entfliehe; eine Flucht / die betrübe; eine Betrübnuß / die erfreue; eine Freude / die verführe; eine Verführung / die verderbe; ein Verderben / das erquicke; eine Erquickung / die ertöde; ein Tod / der da lebe / und ein Leben / das immer sterbe. Andere / die noch weiter sinnen / haben sie schon vor dem eine Bemüssigung der Müssigen / einen Irrthum der Irrenden / einen Traum der Traumenden / und eine Wach der Wachenden genennet / vielleicht die Unendlichkeit ihres Nahmens dadurch an zudeuten. Je länger ich sinne / je mehr mir beyfällt: Ich nennete sie vielmehr eine Wache der Träumenden / und einen Traum der Wachenden. Ja ich setzte hinzu / daß sie vor eine Hoffnung / die Betrüge; vor einen Wahn / der im Zweiffel stehe; vor eine Ruh / die ermüdet; vor einen Verdruß / der uns beliebet; vor eine Bezauberung / die verstellet; vor einen Irrgarten / der verwirret; vor einen Frieden / daraus Krieg entstehen; und vor eine Treu / die wie leicht in Untreu verstellet werden kan / zu halten. Sehen wir die mancherley Sorten der Menschen an / so kan sie einem unsichtbaren Soldaten nicht übel verglichen werden / der die Männer mit dem Pfeil / die Weiber mit dem Brand / die Thier mit dem Bogen bestreitet. Sie kan nicht unrecht einem freygebigen Geitzhalse verglichen werden / als die reichlich giebet / mit Wucher wieder einzunehmen. Einem sehend-blinden / der durch die leiblichen Augen / die Augen des Verstands verlieret Einem betrüglichen Hoffmann / der alle / die sich anmelden /mit falscher Hoffnung zur Gedult weiset: Einem einfältigen Klügling / der sich einer Blödigkeit anmasset / seine Meuchel-List auszuwürcken: Einem verrähterischen Fuchsschwäntzer / der mit guten Worten böse Werck auswürcket: Und endlich / einem gefährlichen Artzt / welcher die Narren klug / die Klugen zu Narren machet. Polyphilus hörete dieser sinnlichen Rede eine gute Weil zu / und verwunderte sich über den Verstand Erothemitis / welche diese Benahmungen dergestalt nach einander hervor brachte / daß tausend geschworen hätten / sie hätte darauf studieret: wie dann auch wol glaublich war. Da sie aber noch weiter reden wolte / fiel ihr Polyphilus in die Wort / mit Vermelden / daß er zur Gnüge verstanden / was diese schandhaffte Liebe vor Gifft bey sich führe: verlange also auch zu erfahren / was dann die lobwürdige Liebe vor Ehren-Titul führe / und wie diß Bild auf jene zu ziehen. Diese betreffend / versetzte Erothemitis / ist sie so hoch zu rühmen / als jene zu schänden: so hoch zu erheben / als jene zu stürtzen: so mächtig zu lieben / als jene zu hassen: ja / so eiferig und brünstig zu verlangen / als jene zu fliehen. Es wird aber auch selbige durch die Kindheit gedeutet / weil sie nicht nur die Jugend erfrischet / sondern so gar auch das Alter verjünget / und gleich denen holdselig-beliebten Kindern /bey männiglich angenehm machet. Die Blösse zeiget die natürliche Schönheit / welche keiner Bedeckung benöthiget / weil sie keinen Mangel zu verbergen: oder auch / daß unter den Verliebten / nichts heimlich soll gehalten werden / sondern einer dem andern /auch die allerinnerste Hertzens-Gedancken eröffnen. Die Flügel bemercken die hohen Gedancken / die sich offt über alle Himmel / ja / wol gar über tausenderley Unmüglichkeiten schwingen: Die Blindheit / einen solchen Sinn / der von allen andern abgewendet / der Geliebten sich allein traue / und durch keine fremde Schönheit / sich blenden lasse: Der Brand oder Feuer-Köcher entzündet die liebliche und löbliche Gedancken / welche auf nichts anderst gerichtet / als Verstand und Tugend. Der Waffen aber gebrauchet sich die Liebe wider ihre Verächter / als die / wegen ihres Hochmuths und Widerwillens billich zu straffen /indem sie sich der gebührlichen und fast nötigen Lust entziehen / bloß darum / daß sie bey männiglich ein lieb-befreytes Leben rühmen können: Oder auch wider ihre Beschuldiger / die sie bald einer Tyranney /bald wider / als unbeständig / auch wol gar eines Betrugs anklagen: welche sie in Warheit nicht so gar ungestraffet ausgehen lässt. Diese ist einig die belobte und ruhmwürdige Lieb / welche von der Vernunfft regieret / ihren Fuß auf den Grund der innerlichen Schönheit gesetzet / die nicht mit den Zähnen wurmstichig / mit den Haaren greiß / mit der Stirn geruntzet / mit den Wangen bleich / mit den Augen trieffend / mit den Kräfften schwach / und mit dem Alter krafftloß wird: sondern je frischer / je länger sie dauret; je gesünder / je matter das Hertz; je schöner / je verruntzelter der Leib. Sie ist lieblich / von Anfang /biß zu End: ohne End herrlich / nützlich und mächtig zu allen Zeiten. Sie achtet nicht den Reichthum: sie fürchtet nicht die Armuth: sie ehret keinen König; verachtet nicht den Geringern / befördert das Gute /hintertreibet das Böse; verdienet keine Straff / und förchtet doch keinen Tod. Sie ist beständig / und lässet sich nicht vertreiben / sie scheuet kein Feuer / und förchtet nicht die Wasser. Sie achtet keinen Degen /und fliehet nicht die wilden Thier. Ihren Vorsatz kan weder die Hoffnung bessers Glücks / noch einiger Verlust der Wolfahrt zerstören. Was andere meyden /das verachtet sie; und was andern schwer düncket /das ist ihr Kinderspiel. Sie schwimmet durch die Tieffe des Meers / segelt im Ungewitter / achtet nicht der Lebens-Gefahr / und bestreitet die Fluthen. Sie gewinnet die Felsen / durchsuchet die Wildnussen / und klettert über alle Berge; und diß alles aus einem Muth der Tugend und Verlangen der Künste. Sie ist eine Dienstbarkeit / aber so frey und angenehm / daß ihr alle Freyheit aufzuopffern / weil allein in ihr ein freyes Leben zu finden. Sie herschet über alle Furcht und Noht; erhält ihre Freyheit unbeleidiget. Daher sie auch nur von edlen Gemüthern / und nicht mit Aufwarten / Flehen / Weinen und Fußfallen will bedienet werden. Dann sie beherrschet nicht Knechtische Hertzen. Sie wird geführet von der Vernunfft / welche denen äusserlichen Sinnen / sonderlich den Augen /als denen unachtsamen und verführten Thürhütern /welche zum öfftern allerhand falsche Meinungen zu dem Gemüthe einlassen / einen Zaum anleget / den Muth bricht / und durch ihren Verstand von der äusserlichen Schöne / auf die innerliche / welche allein der Ursprung ist derselben / leitet. Sie hält die Begierde gefangen / und gestattet der Liebe freyen Paß: weil diese auf die Schönheit / jene aber auf die Wollust gegründet. Sie hat allenthalben Ober-Hand / allen zu gebieten / niemand zu dienen. Was sie bestricken will /kan sie mit der Schärffe einen freyen Entschliessung von sich stossen / und was ihr entgehen will / kan sie mit dem Zaum der Vernunfft anhalten. Sie hält dem Glücke die Waag / und gebietet dem Ungestümm der Zeiten. Sie bereichert den Segen / und verwehret den Schaden. Sie pflantzet den Frieden / und rottet aus die Uneinigkeit. Sie vergnüget die Sinne / und leeret die Begierde. Sie machet verständig / und verbindet die Thorheit. Sie ist nutzlich / und bringet kein Verderben. Sie tröstet im Leiden / und vermehret die Freud. Sie lachet der Sorgen / und widerstehet dem Unglück. Sie bindet die Hertzen / und stürtzet den Widerwillen. Sie machet reich / und vertreibet die Armuth. Ja / was soll ich mehr sagen? Sie ist eine Gebährerin des Guten / eine Zerstörerin des Bösen. Dem Leidenden ein Trost; dem Freudigen eine Liebe: dem Schwachen eine Starcke / und dem Starcken eine Freude. Dem Hungerigen eine Ersättigung / und dem Ersättigten eine Lust. Eine Ergötzung der Betrübten / den frölichen Gewissen eine Ruh. Und mit einem Wort / eine solche Liebe / da zwey Hertzen / durch Vernunfft und Tugend / verbunden sind / ist ein Himmelreich voll Freuden und Vergnügung. Da ist kein Leid / weil kein Schaden vorhanden. Kein Mangel / weil sie gnug haben / wann sie sich haben. Kein Verlangen / weil sie mit ihnen selber vergnüget. Keine Forcht / weil sie sicher lieben. Keine Unruh / weil sie sich nicht verstören lassen. Kein Mißtrauen / weil sie einerley Hertz / in zweyen Leibern / tragen. Kein Wandel /weil sie auf dem unbeweglichen Tugend-Felsen bestehen. Keine Feindschafft / weil ihr Hertz einig / und mit dem Band der Liebe verknüpffet ist. Auch kein Mißtrauen / weil all ihr Sinnen ein Sinnen / ihr Wollen ein Wollen / ihr Wünschen ein Wünschen / ihr Reden ein Reden / ihr Thaten ein Thaten ist. Kürtzer zu fassen / diese Liebe / so aus der Zufriedenheit und Einigkeit gewürcket / ist das Band und Pfand einer glückseligen Ehe. Diese kan nicht anderst bestehen /als wann die Zuneigung / so wol an einem / als anderm Theil / sich aus der Tugend / nach der Tugend sehnet. Ziehet man aber ein Band / mit gleichen Kräfften / an beyden Enden / wie mag es härter gebunden und verknüpffet werden? das ists geredt / Verstand und Tugend ist die innerliche Schönheit / welche einen derselben Liebhaber / mit solcher Vergnüglichkeit / in die Liebe führet / daß er getreu und beständig / nicht nur erfreuter Weise lieben kan / sondern auch in Ewigkeit nicht wancken / solten gleich alle Unglück und Widerwertigkeit auf ihn zustürmen. Nicht durch Mangel an Geld und Gut: dann ihre Liebe ist nicht darauf gebauet. Nicht durch Verlust der Ehren / dann ihre Liebe hat solche nie verlanget /viel weniger gehoffet. Nicht durch die hinfallende Schönheit: dann diese achtet sie nicht. Auch nicht durch Mangel anderer Gegen-Liebe / die auch auf solche äusserliche Eitelkeiten gebauet: dann dadurch wird sie viel mehr gestärcket / weil ihre Werbung bloß eine solche Gegen-Gunst verlanget / die ausser Gold und Ehr / auch vergänglicher Schönheit / einig durch Tugend und Verstand erworben / und erhalten wird. Und das darum / weil sie weiß / daß ein solche Neigung / so das Laster des Geitzes oder der Ehrsucht zu sich ziehet / nachgehender Zeit mercklich pflege zu erkalten; deßgleichen auch die Brunst / welche durch die geschmückte Schönheit entzündet: diese aber /welche sich auf die Schönheit des Verstands / und den Reichthum der Tugend beziehe / werde mit zuwachsenden Jahren / auch vielmehr zu-als abnehmen. Wo aber die Liebe nicht aus dieser Wurtzel entsprossen /da ist der Ehstand mehr eine Viehische Wollust / und ein beharrlicher Verdruß / als ein alltägliches Wohlleben der Verliebten zu nennen. Hingegen / wann selbige auf diesen Grund erbauet ist / da ist / biß in die Grube / Fried und Glück / auch unter denen / die ungleiches Alters / ja ungleicher Stände sind. Es kan das erbleichte Alter die Tugend nicht schänden / viel minder die graue Haar den Verstand zernichten. Und ist die blosse Unmüglichkeit / daß die Person nicht angenehm und lieblich sey / welche mit solchen Gaben gezieret / die dem einig gefallen / der sie lieben soll. Ja /es ist unmüglich / daß die Person nicht auch im höchsten Alter schön sey / und lieb-würdig / welche die Tugend zieret / und der Verstand krönet / oder zum wenigsten so schön / daß man sie nicht heßlich nen nen könne. Und muß auf solche Art auch die aller älteste der Jüngste lieben / wann er anderst Tugend liebt. Dann gleichwie ein Mensch / der einen Verstand hat / nicht das Gemähl / sondern die Kunst; nicht die Pflantze / sondern die Frucht; nicht die Blume / sondern den Geruch; nicht die Nuß / sondern den Kern / und den Spiegel wegen des Gegen-Bildes liebet und hoch hält: also auch der Verstand- und Tugend-liebende / will er anderst diesen herrlichen Namen nicht verlieren / rühmet und liebet / so wol in einer äusserlich schönen / als nicht so schönen; nicht die Gestalt / nicht das Gemähl / nicht den Spiegel: sondern die verborgene Schönheit des Gemüths / und in dem Gemüth die Schönheit dessen / von dem sie hergerühret / nemlich / die Frucht der Tugend / und den Kern des Verstands. Und so beschaffene Liebe /ist die rechte treue und beständige Liebe; die eyfert nicht / suchet nicht eigenen Nutzen / treibet nicht Muthwillen / ist nicht verführisch / dultet alles / ist freundlich / erträglich / wolthätig / sanfftmütig / nicht murrisch / nicht frech / nicht unersättlich / und mit einem Wort / eine beständige Gefälligkeit: wie im Gegen-Satz die Liebe anderer zufälligen und hinfälligen Sachen / eine beständige Mißfälligkeit mit gutem Recht kan genennet werden. Was hätte Polyphilum mehr befriedigen können /als dieser Unterricht? mit Verwunderung sahe er die Erothemitis an / weil er solche Weißheit nicht in ihr gesuchet: hätte auch gern länger zugehöret / wann sie nicht der Zeit vor dißmal gehorsamen müssen / welche wider ihr Verhoffen dahin floß. Deßwegen dann Erothemitis selbst abbrechen / und folgend / aber mit kurtzen Worten / die zwey andere Bildnussen zu erklären folgender Art fortfahren muste: Wann wir nun /edler Polyphile! diß Kind / durch die rechtschaffene tugend-werbende Liebe / deuten / und durch unsre Begierde verlangen / wird solcher unser Gewinn / von der Treu und Beständigkeit aller Orten begleitet: welches diese Bildnussen anzeigen / durch welche zu der Rechten die Treu / zu der Lincken aber die Beständigkeit vorgezeiget wird. Dann die weisse Kleidung /deutet ein aufrichtiges Hertz; das Siegel / ist das Zeichen der Geheimnus und Verschwiegenheit; der Hund / welcher nach dem Zeugnus der Natur-kündiger / das getreueste Thier ist / die unverruckte Beharrlichkeit und treue Aufsicht. Der Jüngling aber zur Lincken bewähret die grünende Tugend / die er mit entblöster Stirn bekennet / und in einem eröffneten Hertzen zeiget / auch endlich durch den groben Kittel / in der That erweiset / wie die Inschrifften selber lehren / und ich nicht völliger anjetzo erklären kan /mit welchem Wort sie Abschied nahm / und nach empfangenem Gegen-Danck / sich wieder zu der Königin verfügte. 4. Absatz Vierter Absatz Beschreibet / was sich ferner / in dem Liebes-Tempel / mit der Königin und Polyphilo /begeben: beantwortet etzliche Liebes-Fragen / die ihre Lehr-Puncten selbsten zeigen. Polyphilus / der nicht wuste / was er dabey gedenken solle / daß sie ihn schon verlasse / da er doch / vor seinen Augen / noch viel zu sehen hätte / vergaß bald alles dessen / und gedachte seinen Vortheil zu ersehen / der Tafeln / die von Macarien etwas neues melden würden / ansichtig zu werden: aber vergebens. Dann da er kaum auf den Weg getretten / der ihn dorthin geführet hätte / wurde er von der Königin zu ruck geruffen / und erinnert / daß er diesen Weg noch nicht gehen dörffe / er habe dann ein mehrers gesehen. Deßwegen sie ihn selber / was noch übrig / kürtzer zu zeigen / mit sich / in den untern Theil des Tempels führete. Im Durchgehen / ward er an den Teppichen / damit dieser Tempel umhänget / etzlicher schöner Historien gewahr / die mit Gold und Perlen so künstlich gebildet waren / daß Polyphilus leicht ermessen konte / es müsten die liebhabende Göttinnen ihr Meisterstück daran verbracht haben. Unter andern vielen waren mercklich zu vernehmen die Liebes-Geschicht des schönen Jünglings Narcissi / welcher von fast allen Nimfen / wegen seiner Schöne; sonderlich aber der Echo geliebet / die / weil sie seiner nicht geniessen können / von grossen Schmertzen / in einen nichtigen Widerhall verwandelt: Er aber / durch seine eigene Liebe / die ihm die Schöne seines Antlitzes / in einem Brunnen / auf der Jagt / erwecket / zur Straff gleichsam versieget / biß sich endlich die andern Nimfen über ihn erbarmet / und ihn in eine Blume verwandelt. Diesem folgte die Liebs-Geschicht Adonis / des Königs in Cypern Sohn / dessen schöne Gestalt von der verliebten Venus so brünstig verlanget worden / daß /nachdem er noch in der Blüte seiner Jahre / auf der Jagt / von einem wilden Schwein zerrissen wurde / sie ihn nicht nur hertzlich und schmertzlich beweinet; sondern auch / ihr beklagtes Mitleiden zu bezeugen /in eine Purpur-Blum verwandelt / und ihm zu Ehren /jährliche Trauer-Fest halten lassen. Uber das war die Histori der schönen Helena zu sehen / allermassen wie sie Homerus beschrieben; dann die Verwandlungen und Liebes-Geschichte / wie sie / nach der Länge / vom Ovidio erzehlet werden: die allhier zu wiederholen mehr verdrüßlich / als annehmlich ist. Endlich kamen sie / hinter einer Deck / in eine Höle / da anfangs nichts / denn ein lauters Wasser zu sehen war / welches sich gegen ihnen / wie ein Berg auflehnete / daß sie trucken hindurch giengen. Von dannen befunden sie sich in einer fast kühlen Grotte /allwo drey Bildnussen aufgehänget waren / die so schön / daß Polyphilus dergleichen nicht bald gesehen. Diese zeigte ihm die Königin / mit Vermelden /daß er von selbigen die Liebes-Kunst lernen werde. Daß / sprach sie / diese drey sind die / in aller Welt berühmteste / Liebhaberinnen gewesen / und haben männiglich / mit ihrer Kunst / verführet: dazu ihre schöne und wolgebildete Gestalt des gantzen Leibes /nicht wenig geholffen / indem sie / wie ihr sehet /nicht nur von schönem Angesicht sind / sondern auch einer herrlichen Statur / breiter Stirn / hoher Brust /kleiner weichen und länglichten Hände / damit sie über das künstlich und lieblich kunten auf Saiten spielen / und anmuhtig singen: waren zierlich gekleidet / verschmitzt in Lieben / und lustig in Geberden. Von diesen dreyen berichten die Historien / daß sie nie keiner gesehen / der sie nicht geliebet / auch nie keiner geliebet / der sie verlassen. Wer sich einmal in sie verliebt / muste aus dem freyen Willen einen Zwang der Nohtwendigkeit machen. Daher rühret /daß ihnen / nach ihrem Tode / viel Seulen sind gesetzet / und herrliche Gedächtnussen aufgerichtet worden. Diese erste (sprach Atychintida / und deutete mit dem Finger auf das fördere Bild) welche Lamia geheissen / hat gelebt zur Zeit des Königs Antigoni / dessen Sohn Demetrius sie hertzlich und brünstig geliebt; ja sich dermassen in ihrer Lieb vertieffet / daß er mehr einem Narren als einem Buhlen gleich war. Diese andere / Namens Layda / war bürtig aus der Insul Bithrita / so an Griechen-Land stöst / eines Hohenpriesters / in der Kirchen Apollinis / zu Delphis / Tochter. Diese lebte zu den Zeiten des berühmten Königs Pyrrhi / der sie auch übernatürlich geliebt / und in allen Feldschlachten mit herum geführet. Von dieser schreiben die Historien / was man sonst niemaln von einigem Weibsbilde gelesen / nemlich / daß sie keinem Mann / der ihr gedienet / habe jemaln Lieb erzeiget: hernach auch / daß sie niemals von einigem Mann /der sie erkennet / und seine eintzele Lust mit ihr vollbracht / sey gehasset worden. Die dritte / Flora genannt / war aus der Stadt Nola / in Campania / bürtig / von des Fabii Metelli Geschlecht / so die erste Burgermeister zu Rom / und gewaltige Herren gewest. Sie hat gelebt zur Zeit des ersten Kriegs in Africa / als der Burgermeister Mamillus / vor der Stadt Carthago lag. Derselbe verzehrte mehr Geld mit Flora / dann gegen seinen Feinden in Africa. Als Atychintida dieses erwähnte / streckte sie ihre Hand aus / nach der ersten Tafel / und zog hinter derselben ein aufgerolltes Papier herhor / darauf folgende Wort verfasset / die sie Polyphilo zu lesen gab: I. Durch was Mittel man am allerleichtesten ein Weib gewinnen könne: II. Aus was Ursachen sich die Liebe / unter zweyen Personen / am ersten zerschlage: III. Was das Hertz eines Verliebten am meisten kümmere: Lamia beantwortet dieselben also: I. Nicht ehe wird ein Weibes-Bild gewonnen / als wann man sie treulich meynt; viel um sie leidet; und bescheiden ist in seinem Reden. II. Die Liebe erkaltet nicht eher / als wann der Liebhaber zu brünstig ist im Lieben; und die Liebhaberin zu unverschämt im Begehren. III. Nichts mehr kümmert das Hertz eines Verliebten / als wann er nicht kan erlangen / was er begehret; und daß er förchtet / er verliere das jenige / was er geneust. Indessen Polyphilus diß durchsah / zog die Königin /unter dem andern Bild / noch einen Zettel hervor /welchen Polyphilus dieses Innhalts befand: I. Wie man eine rechte Lieb erkenne: II. Ob man zwey auf einmal lieben könne: III. Wie man eine Geliebte gewinne / die sich nicht wolle erbitten lassen: Darauf antwortete dieselbe: I. Eine rechte Liebe wird erkennet / durch ein / bey dem Liebhaber / unruhiges Hertz; unvergnügtes Verlangen; immerfürchtende Hoffnung; Verachtung aller Gefahr und Hindernus; Leiden; Gedult; Verschwiegenheit; und endlich das betrübte Scheiden. Da Polyphilus diß lase / fehlte nicht viel / seine Thränen hätten die Schrifft genetzet / weil er eben an Macarien gedachte / und deßwegen mit tieffen Seufftzern anfieng: Ach wol freylich! dann zu der Zeit verstummet / der Mund / und musten die Augen reden / durch der gehäufften Zähren Flut: das Hertz aber leiden / in der Pein der erhitzten Seufftzer. Inzwischen laß Polyphilus ferner: II. Zwey auf einmal zu lieben / ist nichts unmügliches / eine in Augen; die ander im Hertzen. Dessen hätte Polyphilus gerne eine deutlichere Erklärung gehabt: allein die Königin entschuldigte sich / daß es ein gefährlich Werck sey / welches sie nicht gern auf sich nehme. Doch so viel sie ihr zu behaupten getraue / glaube sie / daß man eine / wegen der äusserlichen Schönheit lieben könne; welches hie die Augen-Liebe genennet: eine andere aber / wegen der innerlichen / welche mit der Hertzens- Liebe geliebet werde. III. Die dritte Frag: wie man eine Widersinnige gewinne? Wurde beantwortet: Daß sie mit Gedult zu erwarten; und nicht zu verlassen; viel weniger halßstarrig zu bestreiten: weil dergleichen Gemüther zart im Lieben; grimmig aber im Hassen seyn. Als auch dieses verlesen / reichete die Königin den dritten dar / dieses Innhalts: Flora solte errathen: I. Womit die Bitterkeit der Liebe zu versüssen: Sie rieth: Mit Hoffnung und Gedult. II. Was das beste Mittel sey / wider den Anfall der Lieb: Sie rieth: Die Gelegenheit meyden. III. Wodurch die Liebe am sichersten ernehret / am reichlichsten vermehret / und am erträglichsten geehret werde: Sie rieth: Wann man die gar zu grosse Gemeinschafft fliehet. Dann / je weniger das Auge geniesset / je mehr dem Hertzen verlanget; und doch ohne verzehrende Qual. IV. Welches die stärckeste Liebe sey: Sie rieth: Die auf der Gleichheit bestehet. Darüber fieng Polyphilus an: alles glaub ich / und alles will ich billichen / aber diß letzte zu glauben /wird mich niemals ein Mensch überreden / viel weniger zu billichen. Ich sage vielmehr aus dem Grund /den mir Erothemitis gewiesen / daß die stärckeste Liebe auf der Ungleichheit bestehe. Dann die Jugend ist in ihrer Jugend unbedacht / und gebens die gemeinste Exempel / daß sie nicht so wol durch die innerliche Tugend-als äusserliche Gestalts-Schönheit zur Liebe bewogen werde: welches bey der Ungleich heit nicht zu beförchten. Dann ein Wittwer / zum Exempel / der eine Jungfrau liebet / wird / in Warheit /nicht so wol auf blosse Schönheit / als Tugend und Verstand sehen / daß er ihm eine erwerbe / die seinem Hause wohl fürstehe. Eine Wittwe / welche entweder durch gehabte gute Ehe / in eine Forcht; oder böse / in eine Vorsichtigkeit wird gebracht seyn / dencket hinwieder entweder ihren Freuden-Stand fortzusetzen /oder auch ihren Unglücks-Stand zu verbessern; und daher lässet sie sich keine äusserliche Lust und Schöne verführen / sondern erwählet die Tugend und den Verstand. Ist nun ein Theil wol gegründet / und mit solchen Gaben versehen / wird auch der andere durch diesen verbessert / und zu der rechtschaffenen Tugend-Liebe geführet werden: diese aber ist die beständigste. Polyphilus hätte gern sein und seiner Macarien eigen Exempel angeführet / welches den grössesten Beweiß geben können / aber es wolte sich nicht schicken. Atychintida aber / die Königin / als sie Polyphilum so reden hörte / und merckte / daß er denen Witwen / vor den Jungfern / gewogen wäre / fieng sie an: So wollet ihr / Polyphile! gewiß behaupten / daß die Ehe und Liebe viel sicherer und bequemer mit denen Witwen / als Jungfräulichen Geschlecht / anzufangen und einzugehen / welches doch / wider aller Gelehrten und Weisen Spruch und Aussag / geredt wäre. Und wann es / fieng Polyphilus an / wider der gantzen Welt Schluß lieffe / wäre mir doch leichter demselben zu widersprechen / und umzustossen / als die Warheit zu läugnen. Besehet selber / fuhr er fort /Holdseligste Königin! was Flecken der Liebe / so die Jugend führet / anhangen: und was vor Seulen die Neigung unterstützen / welche in der Ungleichheit der Liebenden / entweder der ältere zu dem Jüngern / oder dieser zu jenem trägt. Wann nichts wäre / als einig der vorgesetzte Beweiß / wolte ich durch den gnug behaupten. Ich setze aber hinzu / daß eine solche Liebe / so auf der Ungleichheit bestehet / viel brünstiger und mehr befestet ist / als welche die Gleichheit trifft. Dann das ist je wahr / eine Liebe ohne Furcht /ist keine Liebe. Wann das Hertz brennet / und darff sich nach seinem Gefallen löschen / wird es bald erkaltet: wo aber immer ein Füncklein hangen bleibet /da glimmet die Liebe von neuem. Gar zu grosse Gemeinschafft gebieret Verachtung: Gleichheit aber ist die Ernehrerin der Gemeinschafft: daher komts eben /daß die in der Gleichheit lieben / offt in grosse Verachtung / und dannenhero auch in feindseligen Haß gerathen: wo aber die Sinne etwas solches lieben / das sie höher achten / als sich selbst / das lieben sie nicht nur allein / sondern ehren auch dasselbe; und indem sie es ehren / müssen sie sich auch vor dem fürchten. Und die Furcht ist gar eine angenehme liebreiche Furcht. Nun schließ ich so: was ich fürchten muß /daß muß ich nothwendig lieben; solls anders eine angenehme Furcht genennet werden: was ich ehren muß / muß ich wieder nothwendig lieben: weil diß müssen nicht gezwungen / sondern freywillig erwählet ist Was ich aber mit Ehr und Furcht liebe / das darff ich mir nicht zu gemein machen / sondern solt gleich die Liebe auf den höchsten Grad tretten wollen / wird sie alsbald von der Furcht zu ruck gehalten. Mache ich mich nicht zu gemein / hab ich keine Verachtung /weder auf dieser / noch auf jener Seite zu förchten: und ohne Verachtung ist kein Haß. Endlich folget /daß / weil die Liebe / in der Furcht / nie gesättiget wird / kan sie auch nie erleschen / sondern blühet und brennet immer fort / und kan doch nicht verblühen. Das aber ist die brünstige / beständige Liebe. Nun müssen wir das auf eine Witwe / zum Exempel / ziehen / werden wir alles mit hellen Augen sehen. Diese / so fern sie von einem / der sich ihr nicht gleichet / das ist / von einem jüngern geliebet wird / hat sie ihren Liebhaber / nicht nur in die Liebe / sondern auch in die Furcht geführet. Denn ihr höhers Alter ist von dem jüngern billich zu ehren: ihre vollkommenere Tugend-Verrichtungen sind von der unvollkommenen Jugend gebührlich zu verwundern: ihr geübter Verstand / und besser erfahrne Hauß-Bestellung / auch / in vielen Glücks- und Unglücks-Ständen / schon probirte Klugheit und Frömmigkeit /ist schuldiger massen / von der noch unerfahrnen Jugend / hochzuhalten: ich rede aber von einer verständigen erbarn Matron / die nicht lebendig tod ist. Wie nun diß alles der Geliebten bey ihrem Liebenden ein Ansehen / theils dem Liebenden gegen der Geliebten eine Forcht gebieret; also wird die Liebe / oberzehlter massen / immer fort und fort gestärcket bey dem Liebenden: Die Geliebte aber / indem sie mercket / daß ihr die gebührende Ehr nicht geraubet / sondern durch ihre Tugend bedienet / durch ihren Verstand hoch und werth gehalten werde / muß / mit einer gleich-gültigen Gegen-Liebe / diese Liebe stärcken: mit Ehre / die sie dem Liebenden / als ihrem Haupt / schuldig ist: mit Furcht / daß die Bescheidenheit nicht in Widerwillen und Verdruß verwandelt werde: mit Liebe / als welchem sie ihr Hertz vertrauet. Und das ist dann eine rechtbrünstige Liebe. Uber das kommet noch hinzu das Vertrauen / welches keine geringe Entzündung würcket. Dann wann beyderseits / die Tugend geehret und der Verstand geliebet wird / können sie sich auch beyderseits auf solche Tugend und Verstand verlassen. Welches Vertrauen dann nichts anders ist / als die Zufriedenheit / so die immerglimmende Liebe würcket. Atychintida hörte diesem Gespräch / nicht ohne sondere Belustigung zu / weil sie aber gantz Widersinnes war / gedachte sie / ihn zu fragen / und sprach: So folget / Polyphile! daß der Liebende der Geliebten Diener seyn müsse: da doch die Götter selbsten / eine widrige Ordnung gemacht. Der Dienst / fieng Polyphilus an / ist gar angenehm / und so beschaffen / daß er mehr einer Herrschafft gleiche. Zwar / fuhr er weiter fort / billige ich nicht / daß manche / durch die nichtige Liebe / sich so weit führen lassen / daß sie dienen / da sie herrschen sollten: gleichwol aber kan ich das auch nicht vor Unrecht erkennen / daß der /welcher mit höherm Verstand und herrlichern Tugenden bereichert ist / herrsche über den / der dessen Mangel trägt. Doch ist dieser Dienst nicht hinderlich der Oberherrlichkeit so ein Mann in seinem Hause haben soll / sondern viel mehr beförderlich. Er ist auch kein Dienst zu nennen: sondern eine Folge; und wird die Geliebte / Krafft ihrer Tugend / den Befehl und die Herrschafft so führen / daß sie mehr eine freundliche Erinnerung / als ein Befehl / zu nennen. Daher ich erst neulichst / nicht ohne freywilliges Gutheissen / folgendes Sonnet gelesen / so ein Tugend-verliebter / an dergleichen Geliebten / abgehen lassen / die ihn einen Herrn genennet: Wie schickt sich aber das? Soll ich noch Herre heissen / da ich nur Knecht will seyn? nicht so / der treue Dienst verbleibet eigen mir: und wie du herrlich schienst / als ich mich dir ergab; so kan auch keiner reissen Die Herrlichkeit von dir: du must nun ewig gleissen / auf deinem Herrschaffts-Thron: ich dir zu Füssen stehn / und leben deiner Gnad: in allen Dingen sehn / auf das / was du befiehlst: doch wilt du dich befleissen zuletzt der treuen Dienst / mit einem Herren-Lohn mir zu erwiedern selbst: wilt du die Ehren-Cron mir willig setzen auf: so / daß ich soll befehlen / und du willt folgen mir: so liebe wieder mich / wie ich dich brünstig lieb; doch nein / ich bitte dich / du wollest / Herrscherin! mich deinen Knecht erwählen. Auf diß fieng die Königin an: das ist wol etwas geredt: aber gleichwol meyne ich / daß / so fern ein Liebhabender Jüngling selbst auch mit Verstand und Tugend begabet ist / es besser sey / eine in allen noch unerfahrne Jungfrau zu lieben / die er gleich einem Wachs / nach seinem Sinn und Willen / richten und ziehen kan: als eine Wittwe / deren gefasste Gewonheit / ihr entweder gar nicht abzubringen / oder ja mit gedoppelter Mühe. Gedoppelter / sage ich: indem sie nemlich einmal die ihm mißfällige Sitten / so sie bey ihrem vorigen Liebsten gewohnet / lassen: hernach aber sich gleichsam verneuen / und diese hingegen annehmen muß. Dann sehr schwerlich ists zu glauben und zu hoffen / daß der Sinn / des Gegenwärtigen /sich gleiche mit dem / was der erste gewolt. Muß also dieser entweder seine Sinnen ändern / und sich in der Liebsten Sinn schicken; welches mehr als ein Knechtisches Joch wäre: oder muß sich mit ihrer Veränderung plagen; welches allerhand Widerwertigkeit würcket: oder muß im steten Wider-Sinn leben / da lauter Unruh / aber kein Fried zu hoffen. Polyphilus stellte sich / als wüste er nicht viel zu antworten / fieng aber bald darauf an; Verständige Königin! was anlanget einen verständigen Jüngling /ist solches eher zu wünschen / als zu hoffen. Wie kan ein Verstand seyn / da keine Erfahrenheit ist? Zwar will ich solchen nicht gar läugnen: aber doch bleibet das geschlossen / daß eine verständige Witwe / die selber alles schon erfahren / vor verständiger zu halten sey / als ein unerfahrner Jüngling. Doch sey es / es werden dergleichen gefunden / solte ein solcher nicht besser thun / daß er seinen Verstand mit der Tugend der Liebsten stärcke und mehre / als denselben an einem Unverstand verderbe. Wie viel sind dessen Exempel / daß auf solche Art / auch ein verständiger Mann verdorben? Und solte ja seine Zucht wohl anschlagen / ists doch sicherer / wo keiner solchen Zucht von nöthen. So bleibet das in alle Ewigkeit wahr / wo Tugend zu Tugend / Verstand zu Verstand kommen; oder wo beydes verdoppelt wird / da wird der Hauffen desto grösser. Man möchte einwerffen /daß man auch verständige und Tugendsame Jungfern finde: das ich nicht läugne / aber eine Wittwe ist / in diesem Fall / vorzuziehen / und nicht so gefährlich zu erwarten. Was sie aber / Holdselige Königin! zu letzt angehänget / daß eine Wittwe ihre Gewonheit nicht leicht ablege / und was sie bey ihrem Liebsten erlernet / nicht bald vergesse; darauf darff ich nicht antworten / wann ich diesen Grund vor-gebauet habe /daß sie verständig und Tugendhafft sey: von keiner andern gilt der Schuß. Dann hat sie einen Tugend-verständigen vor dem geliebet / wird sie auch keinen andern Wandel führen: fehlet es dann / daß sie von einem Unwürdigen ist beherrschet worden / weiß ich dennoch / daß die Tugend eine solche Art hat / die sich von keiner Macht zum Bösen zwingen / oder auch / durch Befehl / verleiten lässet. Mit einem Wort / ist und bleibet das geschlossen / eine Tugend-gezierte und verständige Wittwe ist weit höher und besser zu schätzen / dann ein gantz Jungfräuliches Geschlecht / das nur zur Uppigkeit und vergänglichen Lust geneigt / nicht auf Tugend und Verstand ihren Sinn richtet / sondern das liebet / was sie nach diesem härter betrüben kan. Atychintida hielte dem allen starcke Widerrede /führete die beförchtende schädliche Zufälle an / und versetzte / daß / wann gleich alles / was Polyphilus von der Tugend erwiesen / in güldener Warheit bleibe / dennoch viel Ungemach bey einer Wittwe zu erwarten; dann einmal / so fern dieselbe gutes Vermögens / entweder von sich selbst / oder ihrem vorigen Liebsten / wäre so viel Hochmuth zu fürchten / als Pfenning in dem Kasten: wäre sie dann widriges Falls in das Register der Dürfftigen gezeichnet / dörffte man sich auch geringer Freude versichern. Zu deme noch das allergrösseste käme / die Menge der unerzogenen Kinder / so etwa vorhanden wären / diese verursachten Zanck / wegen der Zucht / Haß wegen der Eintheilung der Güter / Widerwillen wegen der abgeneigten Liebe / und so fort an. Daher endlich folgete /daß / so fern eine solche Widerwertigkeit entstünde /beyder Hertzen abgewendet / und an fremde Ort gelencket werde; theils sie / die ohne Zweiffel von ihrer erstgeführten glücklichen Ehe viel rühmen würde /und jenen diesem vorziehen; welches dann die Wurtzel ist der Uneinigkeit; theils auch er selbsten / wann er mercket / daß ihr Hertz noch mehr an dem Verstorbenen / als ihm hänge / werde er auch gleichsam mit verführet / daß er seine Sinnen anderwerts lencke /und aus den Schrancken der gebührenden Zucht trette. Polyphilus / fast erhitzet / führete kurtze / aber strenge Wort / sprechend: wann ich so schliessen wolte / will ich bald erweisen / daß nicht nur keine Witwe / sondern gar kein Weibsbild / sie sey Jungfrau / oder was sie wolle / zu heyrathen. Dann ist sie reich / so will sie herrschen / ist sie arm / so wächst der Mangel; ist sie schön / wird sie verführet; ist sie heßlich / ist alle Freude todt. Aber das heisset nicht von einem verständigen Tugend-Paar geschlossen. Anlangend auch die Kinder / wird hoffentlich die Frucht nach dem Stamm gerathen / daß sie mehr erfreuen / als betrüben. So achtet auch ein Tugend-liebendes Hertz keinen Vortheil oder Reichthum: sondern ist zu frieden / wann er seine Geliebten / die ihm mit gebührender Ehr begegnen / und vor ihren Schutz annehmen und halten / mit seiner Hand nehre / und mit seinem Arm bewahre. Hat sie demnach / Holdselige Königin! in diesem Fall / gar unrecht geschlossen; dann Reichthum achtet ein Tugend-begieriger so viel /als nichts. Atychintida erkennete den Fehler / fieng gleichwol wieder an / einen andern / und / ihrer Meynung nach /viel kräfftigern Beweiß anzuführen / aus dem / daß solche Personen / welche beyderseits / einer dem andern / die Ehre und Zierde der Jungfräulichen Keuschheit zubringen / auch einander fester und vergnüglicher lieben / als da solches eines theils fehle. Hingegen / versetzte Polyphilus / weiß ich bey der Wittwe /was ich habe / und daß ich nicht betrogen werde. Daher ich vielmehr / auf meiner Seiten / so schliessen wolte. Dann wofern ein zweifelhafter Gedancke dem Liebenden entstehen solte / der ihn / wegen seiner Geliebten / biß dahin verwahreten Keuschheit / in Mißtrauen setzen würde / wo wird die Liebe bleiben? welcher aber eine Wittwe liebet / ist dieser Forcht gäntzlich befreyet. Auch wäre allhie nöthig / die Gemüther der Menschen zu unterscheiden / deren etzliche zu der Jungfräulichen Ehre geneigt / etzliche aber mehr selbiger zuwider erkannt werden. Meinen Theil betreffend / halt ichs mit dem letzten / und widerspreche dem Schluß / daß die Liebe mit der Jungfrauschafft am glückseligsten blühe. Dennoch aber / führete Atychintida weiter an / müstet ihr / geliebter Polyphile! in steter Forcht schweben / sie liebe euch nicht von gantzem Hertzen / weil zu besorgen / daß die Erinnerung und das Gedächtnus ihres vorigen Liebsten / noch immer eine Gluth / in ihrem Hertzen / entzünde / dadurch sie mehr gegen ihm / als euch selber brennete. Diß beantwortete Polyphilus / daß sie gegen einem Verstorbenen möge brennen lassen / was sie wolle /weil ihme der keinen Schaden könne thun: auch / fuhr er weiter fort / wäre sie darum zu loben / als deren Hertz nicht alsobald vergesse / was die Augen verlassen: ja desto eiferiger zu lieben / weil man sich / auf solche Art / einer getreuen Liebe bey ihr versichern könne. Und / fieng er endlich an / wann sie gleich /Holdseligste Königin! tausend widrige Ursachen anführete / wolt ich auf tausend antworten / und tausend wieder entgegen setzen / die / was sie zu verwerffen gedächte / bekräfftigen könten. Dieser Grund bleibet unverruckt: besser und sicherer ist eine Wittwe / als Jungfer zu lieben / von der man / so wol im Leben und Wandel / als in der Liebe / damit sie schon zuvor geliebet / gewissen Beweiß und unverfälschte Zeugnus haben kan. Darauf Atychintida antwortete: Nun /so bleibet in eurem Vorsatz / und so fern ihr diß Gespräch / nicht bloß in den Wind gerichtet / sondern es etwa in dem Werck zu erweisen gedencket / so verleihen die Götter / daß euer Beweiß / dem ich nunmehr selbst beypflichten muß / auch allerdings erfüllet werde / damit ihr nach diesem nicht bereuen dörffet /daß ihr anjetzo / bey einer Wittwe / der Wittwen Lob so hoch erhebet / und euch selbsten so tieff darein verliebet. Dieser Schertz Atychintidœ / weil er / in dem Hertzen Polyphili / einen lautern Ernst traff / vermochte ihm leicht die Röthe auszutreiben / ob er gleich / mit höflichem Gegen-Schertz / sein Gespräch / allein der Königin zu Ehren und Gefallen geführet / gar artlich bekräfftigen konte / als hätte ers vor das grösseste Unrecht bekennen müssen / wann er / in Beyseyn ihrer / der Wittwen Vorzug hätte sollen erdrücken lassen. Wie aber ein Schertz den andern reitzet / als fieng die Königin an: so seh ich wol / haben wir alle beyde ein anders geredt / ein anders gedacht / weil ein jeder wider sich selbst geredt / dem andern zu Gefallen. Welches Polyphilus so muste geschehen lassen und zugeben / damit er nicht schuldig würde / an der Liebe einer Wittwen / die doch heimlich solte gehalten werden. Weil derowegen Polyphilus / nur mit Wincken /nicht mit Worten / ihren Schluß billichte / und also keine Ursach gab weiter zu reden / fieng sie an: Nun habt ihr / Polyphile! so viel gesehen / als menschlichen Augen allhier zu besichtigen / erlaubet / werdet auch mit meiner und der Meinigen bißher erzeigten Gunst vergnüget seyn: weil wir aber euch Polyphilum nennen / das ist / vor den halten / durch welchen die erzürnte Götter sich wieder mit uns vereinigen / und diß Gefängnus wenden werden / so neiget eure Gunst nicht von uns / sondern verdienet den Danck / welchen der geneigte Himmel euch / vor andern / zu verdienen / vergünstiget. Jetzt ist die Stunde vorhanden /da entweder wir wieder erlöset / oder aufs neue und ewig werden verdammt bleiben / und ihr mit uns. Darum so folget mir / Polyphile! unser Trost! wir wollen denen Unsterblichen Opffer bringen / und ihren Dienst verrichten. Mit welchen Worten sie Polyphilum wieder ausführete / da sie eingangen waren / biß mitten in den Glücks-Tempel / allwo zwey grosse Seulen aufgerichtet / in deren Mitte ein Kasten / an zweyen eisernen Ketten / herab hieng / welcher das Schloß des Gefängnüsses behielt. Und als Polyphilus / gerad gegen über / eines Altars gewahr wurde / darauf sie opffern könten / sprach er zur Königin daß diß ein bequemer Ort wäre / zu dem Opffer / allda sie es vollbringen wolten: welchem dann die Königin einstimmete / und ihr Vorhaben mit grosser Andacht vollbrachte. 5. Absatz Fünffter Absatz Beschreibet die endliche Erfüllung / des Verlangens Polyphili / durch den Anblick derer Tafeln geschehen / auf welchen der Name der schönen Macarien geschrieben / und was sich weiter begeben: Lehret / daß endlich das Tugend-Verlangen nicht unvergnügt bleibe / solt es gleich heimlich und etwas scheinbar geschehen. Nach verrichtetem Opffer / führete die Königin Polyphilum zur lincken Seiten hinter ein Gerüst / und zeigete ihm die so langverlangte Tafeln / darauf der tausend schöne Name Macarie in Ertz gegraben war: so bald Polyphilus denselben erblickete / schlug ihn /weiß nicht / soll ich sagen / die unerschöpffte Freude /oder das schmertzliche Verlangen / gleich einem Donner-Keil / ins Hertz / daß er / sein selber vergessend /auf die Erden niderfiel und / als wolt er anbeten / sich geberdete. Er empfieng den Namen Macarie / mit so offt wiederholtem Kuß / daß endlich die Königin verursachet wurde / ihn zu erinnern / daß er die Ehre / so allein denen Unsterblichen gebühre / nicht einem Menschen beylege / und die Götter erzürne: aber es mochte alles nicht helffen / ob der Mund und die Augen gefangen gehalten würden / hatte doch das Hertz seinen freyen Paß / welches in der erhitzten Seufftzer-Glut dermassen brannte / daß der aufgehende Rauch alle Sinnen dämpffete / so gar war nichts empfindliches mehr an Polyphilo. Da ihm aber die ausgesandte Boten seiner Gedancken / von Macarien wieder zu ruck kamen / und sein Hertz mit guter Hoffnung trösteten / ermunterte er sich wieder / und weil er allererst erkennete / was er gethan / überfiel ihm eine so furchtsame Schamhafftigkeit / daß er die Königin nicht ansehen dorffte: welche / da sie solches merckete / ihn selber anredete / und seines Verbrechens halber straffete. Nach dem / befahl sie ihm die Schrifft zu lesen / die wir oben schon gesetzt / und da er vernahm / daß das Gelübd der Einsamkeit / durch Polyphilum / solt aufgehoben werden / und Macarie / unter einem fremden Joch / gefangen liegen / fehlete nicht viel / er wäre vor Furcht und Freuden fast gar gestorben: die Freude gebahr die Zerstörung der Einsamkeit; aber diß Gefängnus Macarie konte er nicht alsobald errathen / das ihm dann keinen geringen Schrecken erweckete / sonderlich / weil es ein fremdes Joch genennet wurde. Doch tröstete ihn die Königin / daß / nicht ohne erhebliche Ursachen / eben die beyde Namen zusammen gesetzet wären. Mehr aber stärckete die Freud Polyphili / daß nunmehr die Zeit der Erlösung vorhanden: also auch er die Einsamkeit zerstören werde. Hätte Polyphilus gewust / daß sie in dem Hertzen Macarie schon zerstöret gewesen / würde er noch fröher worden seyn. Er stund vor den Tafeln / sahe sie bald hinten und bald fornen an / gedachte hin und her / und kunte doch nichts gewisses finden. Kein grösser Glück hätte man ihm wünschen können / als daß er Zeit genug gehabt /deme allen sinnlicher nachzuforschen / darum sprach er bey sich selbst: Ach! du beglückter / und doch dabey auch unglückseliger Polyphile! solt du denn von den Göttern nimmermehr / mit einer unbefleckten Freud / verehret werden? muß dann das Glück mich / mit weinenden Augen / anlachen? wie habt ihr mich / ihr unsterbliche Götter! auf einmal so hoch erhebet / und aber auch so tieff gestürtzet / daß ich nicht wissen kan / soll ich dancken oder klagen? Ach! du allerherrlichster Name Macarie! Macarie meine Lust / und meine Ergötzungen! wärest du nicht tieffer in mein Hertz gegraben /als dich dieses Ertz / O das beglückte Ertz! in sich hält / du wärest schon längsten / durch die innerlich-weinende Sinnen / und denen Thränen-Tropfen weggeflösset und ausgetilget worden. Nun aber bist du in den innersten Grund meiner Seelen / ach meiner Seele! und unglücklich verliebten Hertzens versencket / da dich keine Fluth erfassen / noch ein Feuer verzehren kan. Laß dich doch / allersüssester Name! noch tausendmal hertzen / ehe du unter ein fremdes Joch gefangen werdest. Aber was sag ich? ein fremdes Joch? nicht das Joch Polyphili? Ey / so müsse meine Seele sterben / und mein Hertz ehe zerstücket werden / als daß du mir entnommen werdest. O ihr erzürnte Götter! womit hab ichs verschuldet / daß ihr mich verderben wollet? Gefället es euch / so lasset dennoch diesen meinen letzten Wunsch nicht erfüllet bleiben / daß ich eher sterbe / als Macarien / Ach! meine Macarien! die allerschönste Macarien! unter einem fremden Joch müsse sehen gefangen liegen. Wie? soltet ihr / ihr meine Augen! dem Jammer zu sehen können? Wie soltest du / du meine Zunge! gefangen bleiben / daß du nicht über billich-verdiente Rach schriest? Wie soltet ihr / ihr meine Hände! feyren können / denselben aus ihrem Schoß zu reissen /der ihn unwürdig inn haben würde? Du / mein gekräncktes Hertz! müssetest ja vor Eyfer zerspringen /und vor Schmach verschmachten. Nein / ihr barmhertzige Götter! die ihr mich so offt beglücket / werdet mich in dieser Unglücks-Fluth nicht ersäuffen lassen! Nein / ihr gerechte Götter! die ihr eure Gaben mit Billichkeit austheilet / werdet meinen sauren Schweiß /und gefährliche Bemühungen / nicht so gar unbelohnet lassen; sondern wo nicht mehr gönnen / doch dieses herrlichen Namens mich würdigen / daß ich ein Liebhaber der hundert-beschönten Macarien / ach! Macarien! gewesen sey / und daß ich mich nicht gewaigert / ihrentwegen dem Tod mich zu ergeben. Aber / was klag ich? Habt ihr doch / ihr gnädige Götter! mir schon mehr gegeben / als ich gebeten / als ich gehoffet / als ich verdienet habe. Habt ihr doch durch mich beschlossen / das Gelübd der Einsamkeit aufzuheben: ihr deutet aber ja die Einsamkeit der einsamen Macarien? Habt ihr doch durch meinen Arm / das Gefängnus dieser Verbanneten aufzulösen / beschlossen: so habt ihr auch ja die Schönste unter den Weibern /meine ewig-geliebte Macarien / in mein Joch gefangen gelegt? solt ich das wissen / wolt ich euch / durch die Auflösung dieses Gelübds / ein ewig Gelübd von neuem geloben: doch sey es / ich traue eurer Güte /die wird mich nicht verlassen. Das waren dißmals die Gedancken Polyphili / die er aber / wegen der anwesenden Königin / nicht gar deutlich / sondern mehrentheils halb-gebrochen / hervor bringen muste. Was geschicht? Eben da er die letzten Wort ausgesprochen / und weiter reden will /erklinget hinter ihm eine Stimme / wie ihm deuchte /vieler hochsingenden Göttinnen / die ihn mit solcher Verwunderung erschröcketen / daß er / mit grosser Behendigkeit / sich gegen dem Klang wendete / und aller Reden und Gedancken vergaß / sonderlich / da er den Namen Macarien klingen hörete. Es wurde aber folgendes Lied gesungen: Macarie! du theurer Nam / wie bist du doch so mächtig! Du machest die Begierde zahm / und selbst die Kunst verdächtig: es kan dir niemand widerstehn / es muß nach deinem Willen gehn / und wär es noch so prächtig. 2. Macarie! du Tugend Cron! von jedermann gepriesen: nimm / werthes Kind! nimm deinen Sohn / der jüngsthin Dir erwiesen / was er gelitten hat um Dich / und wie er liebe brünstiglich / Dich will er nur erkiesen. 3. Macarie! trau wieder ihm / wie er sich Dir vertrauet: Sein Muth / sein Hertz / und gantzer Sinn auf Dich alleine schauet: auf Dich und Deine Wunder Kunst hat er sein Hertz / und seine Gunst von Anfang her gebauet. 4. So laß ihm nun den reichen Lohn / die Gegen-Gunst erlangen: daß er die edle Tugend-Cron / Macarien umfangen / und sich mit Ihr ergötzen könn / daß Sie ihm ihre Liebe gönn / und stille sein Verlangen. 5. Polyphile! sey gutes Muths / der Himmel wird dir gönnen: Macarie! dir schencken Guts / daß du wirst bald / bald können / dich / Ihre Freud / sie deine Lust / und was mehr werden wird bewust / mit allen Freuden nennen. 6. Darzu nun wünschen alle wir / was selbsten dir geliebet: Polyphilum und seine Zier / die ihm der Himmel giebet: Macarien / das liebe Kind / dem Götter / Menschen gnädig sind / hinfort nichts mehr betrübet. Mit was Tausendfältigkeit der Freuden / Polyphilus /durch diesen Gesang / sey überschwemmet worden /ist ehe zu gedencken / als auszusprechen. Darum wir uns nichts unmügliches unterfangen wollen. Die Königin aber / und andere Anwesende wurden so hoch bestürtzet / daß sie nicht wusten / was sie glauben solten / bevorab / da sie dergleichen / in diesem Tempel / nie befunden / und also nicht wusten / was es wäre / oder woher es rührete: aller Schluß gieng einmüthig dahin / daß die Unsterbliche den Himmel verlassen / und zu ihrer Erlösung / an diesen Ort / sich versamlet: welcher Wahn sie doch hefftig betrog /dann diß alles / die viel-vermögende Kunst / der Zauberin Melopharmis / zu Wege richtete. Polyphilus indessen verlangte nichts mehr / als die Erlösung des Gefängnusses / die auch ihn wieder an die Sonnen /und vielleicht zu seiner Macarien bringen würde. 6. Absatz Sechster Absatz Beschreibet die Erlösung Sophoxenien / mit welchem zugleich Kunst und Tugend versencket war: Lehret /wie dieselbe / durch Fleiß und Schweiß / erwachsen /hernach desto fröliger blühe / und ewige Freyheit gewinne. Aber wie es gehet / daß uns offt das betrügliche Glück eine Freude erblicken lässt / aber nicht alsobald erlangen / eben so spielete es auch dißmal mit dem unglückseligen Polyphilo. Die Zeit der Erlösung war da / was Atychintida in dem Tempel zu zeigen wuste / war alles erfüllet; ja / die Götter selbsten hatten / ihrer Meynung nach / das Werck befördert: aber die Unwissenheit / durch was Mittel diese Befreyung geschehen solte / wolte sie an ihrem Glück hindern. Polyphilus fragte die Königin: diese fragte wieder Polyphilum. Auch wusten die beyde Weisen / Coßmarites und Clyrarcha / keinen andern Rath zu geben / als daß man opffern solte: andere schlossen dahin / Polyphilus solte dencken / und was ihm beyfallen würde /das solte gelten. Aber die Sach war gefährlich: einer sahe den andern an / und konte keiner helffen. Wer zuvor das freud-hupffende Hertz Polyphili hätte völlig mercken können / der würde jetzt auch die wehklagende Sinnen ausdrucken. Die Augen waren geschlossen / als welche sich schämeten / daß das Hertz nicht einen Rath beschliessen könne. Die Ohren waren gleichsam verstopfft / als die nicht hören möchten / was andere vor unnütze Mittel vorschlugen. Der Mund war verstummet / als der nicht reden konte / weil das Hertz nichts vermochte zu ersinnen: das Haupt war geneigt / und hätte nicht viel gefehlt /Polyphilus wäre gar versuncken / so hart drucketen ihn die bald frölige / bald betrübende Zufälle / welche ihn / durch ihre widerwertige Bewegnussen / gar leicht hätten in Verzweifflung stürtzen sollen. Was geschicht? da aller Rath und Hülff erloschen /kommt Melopharmis / aber unsichtbar / und führet Polyphilum in den Tempel hinauf / eben an den Ort /wo die Jungfrau ihn verlassen / und er von der Königin zu ruck geruffen worden. Polyphilus / fast sehr erschrocken / fühlete / daß er fortgezogen wurde / folgete doch gern / weil er gedachte / vielleicht haben die Götter deine Seufftzer erhöret / daß du innen werden wirst / wie du die Erlösung beförderst. Und da er an den Ort kam / sahe er hinter ihm / an einer Seulen /eine schwartze Tafel / darauf etzliche Wort mehr verworffen / als geschrieben. Die Königin erschrack über dem Ansehen / weil sie niemals dieser Tafeln gewahr worden: daher zu schliessen / daß Melopharmis dieselbe entweder verborgen gehalten / oder allererst an den Ort aufgehänget: doch machte es ihnen allen eine solche Hoffnung / daß die Königin / ihrer Authorität vergessend / mit viel geschwinderem Gang / dahin eilete / als sie sonst gewohnt war / und dem Polyphilo zuvor kam; aber nichts lesen oder verstehen konte: auch waren die beyde Weisen nicht weniger begierig solche zu sehen / konten aber eben so wenig verstehen / als die Königin. Deßwegen sie dem Polyphilo zu wincken verursachet / dem solche allein zu lesen und zu begreiffen / vergönstiget / daher er dieser Wort verständiget wurde: Polyphile: suche das Schloß zur Lincken / und die Schrifft zur Rechten / dann wirst du wissen / was dir verborgen: aber schweig. Darauf sahe er zur Rechten / und wurde einer Ertzinnen Pforten gewahr: und zur Lincken / da war in einer Mauern ein Kästlein zu sehen / welches er / nach dem er denen Anwesenden / durch das Wincken der Augen und Hände / ein Stillschweigen geboten / eröffnete / und einen Schlüssel fand: mit dem gieng er zur Rechten /durch die Pforten / und kam in einen köstlichem Saal /von grosser Läng und Breite / auch hohen und hellen Fenstern / unter denen in der Mitte eins eröffnet / die andern aber verschlossen waren. Der Boden war an sich selbst Crystalline / und mit allerhand Arten / berühmter Steine / dermassen eingefüget / daß er im ersten Anschauen sich fast scheuete / und nicht auftretten wolte. Umher war die Zierde / mit allerhand kunstreichen Gemählen / vermehret / die Polyphilus /nicht ohne sonderbare Ergötzung / ansahe / biß er endlich zu dem eröffneten Fenster gelangete; unter diesem wurde er eines Kästleins / künstlich verfertiget / gewahr / zu dem er diesen Schlüssel / welchen er in der Hand trug / sich nicht übel zu schicken / errieth / und daher denselben zu versuchen / veranlasset wurd. Er befunde / wie ers ersonnen / und da er das Kästlein eröffnete / ersahe er einen Zettel / den er alsobald vor die Schrifft hielt / so ihm auf der Tafel benennet war; in welchem Sinn er sich auch nicht verführet befand. Dann so bald er denselben eröffnet /wurde er folgender Wort verständiget: Gib mir / mein Kind / Polyphile! durch das Opffer / so du mir schuldig bist / und heilige diese Stätte / da die Ubelthat verrichtet ist / die du zu versöhnen bist / von mir /durch die Fluthen geführet worden. Polyphilus voller Schrecken / wuste nicht / was er anfangen solte / weil er beförchtete / daß / so er das Kind erwürgen werde / um dessen Leben zu erhalten /gleichwol diß Schloß versencket worden / wie er vernommen hatte; auch sein Leben das Ende nehmen möchte: doch gedachte er hinwieder / ich will dem Befehl folgen / und sehen / was geschiehet. Gieng darauf zur Thür wieder hinaus / fragte nach dem Kind / und führete es bey der Hand in den Saal: welches / so bald es die Stätte / da es hinaus geworffen worden / ersahe / mit kläglichen Worten anfieng nach seiner Mutter zu seufftzen / weil es dieselbe noch kennete. Ist dann / sprach es / meine Mutter nicht hier /daß sie das Fenster zuschiebe / damit ich nicht wieder hinaus geworffen werde: Darauf fieng Polyphilus an /zu dem Kind: Lieber Sohn! deine Mutter wirst du jetzo sehen und erfreuen / du wirst mit mir leben / und diß gantze Hauß wird mit uns erfreuet werden: Darum so komm / und laß uns den Göttern opffern / an dieser Stätte / daß wir sie heiligen / so werden wir erlöset werden. Und als Polyphilus solches sagte / nahm er den Knaben auf beyde Arm / hielt ihn gegen dem Fenster / und schrie mit heller Stimme: Melopharmis /Melopharmis! ich gebe dir wieder das Kind / das du von meiner Hand gefordert: gib auch uns wieder / was wir verlohren / da du uns verfluchet. Auf welche Wort / ein so strenger Donner-knall / in den Saal /über dem Haupt Polyphili weg schlug / daß er vor Schrecken das Kind aus den Armen fallen ließ / und zu ruck wiche. Durch den Knall aber hörete er die Wort: Opffere auf dem grossen Altar / und eile! Deßwegen er ungesäumet wieder in den Liebes-Tempel /mit dem Kinde / gieng / und nach dem grossen Altar fragte / welcher ihm gezeiget wurde. Er muste durch ein Thor / in eine finstere Höle gehen / die / wegen eines aufsteigenden Schweflichten Dampffs / fast erhitzet / zu beyden Seiten / ein Knallen und Brausen / gleichsam eines aufkochenden Wassers / vortrug / daß ihm kein geringe Furcht verursachete / bevor / weil er nicht wuste / was diß Gethöne wäre; da er aber ein wenig fortgieng / fiel ein Liecht von oben in die Höle / das auf den Altar leuchtete / und da er näher hinzu kam / und vor den Altar trat / befand er / daß alles zum Opffer zugerichtet und bereitet war / deßwegen er den gantzen Hauffen um sich herum stellete / den Knaben aber auf den Altar setzete / und folgender Gestalt anfieng: Seyd mir gnädig / ihr erzürnte Götter! weil ich Unwürdiger diese Stunde mit euch zu reden / mich unterwinden darff; seyd mir barmhertzig / wie ihr mir immer barmhertzig seyd / und lasset euren Grimm fahren / den ihr über diß Hauß ergehen lassen! Diese Stunde sey die Versöhn-Stunde / und diese Zeit / so wir heiligen / heilige auch mit jene Zeit / die eine Boßheit der Menschen sündig gemacht hat! Erhöret mich / ihr hülffwalltende Götter! und übet eure Stärcke / durch meinen schwachen Arm! Ihr aber / ihr Anwesende! begütiget den Himmel mit Andacht und Heiligkeit! Und darauf wandt er sich um / gegen das Kind / fassete das Messer in die eine Hand / mit der andern den Schopff des Knabens / sprechend: und du / liebes Kind! dein Leben zu erhalten / ist diß Gefängnus verhänget; aber dasselbe zu erlösen / solt du dein Leben lassen. Nun so seyd vergnüget / ihr so wollende Götter! durch diesen Schnitt / den ich mit Zittern vollbringe / und begnadet uns mit dem Liecht der Sonnen! Ehe Polyphilus ausredete / und indem er zuschneiden wolte /brach / als aus einer finstern Wolcken / mit einem erschröcklichen Donner und Feuerstralendem Blitz / die Mutter des Knabens herfür / risse ihr Kind aus der Hand Polyphili / zündete den Ort an mit Feuer / welches aus der finstern Höle / mit grosser Gewalt herfür brach / und machete denen Anwesenden / durch ihre Zauber-Kunst / solche Verblendungen / daß sie alle nichts anders / als das End ihres Lebens erwarteten /biß sie / durch Würckung der Zauberin / in eine süsse Ruh fielen / und als Todte sich zur Erden neigten. Indessen brachte Melopharmis ihre Mithelfferin in die Höle / die alle / mit sonderlichen Ceremonien / um und durch das Schloß giengen / und gleichsam mit harten Bedrohungen / den Wassern den Fall ankündeten / welche dann auf einmal / mit grosser Macht und Ungestümm / darnieder fielen / und das Schloß entdecketen. Polyphilus / der / neben seinen Beyschläffern / von dem erschröcklichen Knallen erwecket / und / durch die zugefallene Forcht / nicht wenig erschrecket ward / stund behende auf / suchte den Ausgang von der Höle / durch den Weg / der ihm den Eingang gezeiget. Und als er in dem schwermütigen Schrecken /gleichsam geflügelt / durchgieng / kam er durch den Liebes-Tempel / wiederum in den Saal / allwo er /von den Donner-Worten / unterrichtet / durch das Versöhn-Opffer / die Entbindung des Gefängnüsses erlernet-Alle / die mit ihm waren / folgeten ihm; und wurde ein jedes deren / am ersten aber Polyphilus /von Melopharmis / so da / mit ihrem Sohn / zugegen war / Glückwünschend empfangen: Polyphilus aber /durch die Hand Melopharmis / bekrönet / die ihm /zum Siegs-Preiß / seine verlangte Macarien versprach Die andern grüssete die Entbindung des Gefängnus /durch den Mund Melopharmis / welche / mit Eröffnung des Fensters / an dem Saal / einem jeden / das helle Sonnen-Liecht wieder zuerblicken / unverhinderte Gewalt gab. Alles war da mit höchster Freud entzündet / so gar / daß die innerliche Bewegung / mit vollen Strömen / den Danck zu dem Mund ausgoß / und den Ruhm Melopharmis / wegen der Erledigung / in ihren Schoß niderlegte. Je hertzlicher aber die Freude war der Freyheit / je schmertzlicher war das Verlangen bey Polyphilo nach Macarien / welches verursachete /daß er Melopharmis auf folgende Art anredete: Wüste ich doch / alleredelste Matron! wie ich sie nach Würden preisen / und nach Gebühr verehren solte / wolt ich alle Müglichkeit / dero allergütigste Hülff mit gebührendem Danck zu krönen / versuchen: allein ich erkenne / daß himmlische Gaben / nicht mit menschlicher Vergeltung zu empfahen. Derentwegen /so lasset euch günstig gefallen / die Bereitschafft des geneigten Willens / vor dem zerbrechlichen Werck /anzunehmen. Erkennet auch daher / daß unsere Zunge stumm / und unsere Hand laß wird / euren Ruhm zu preisen / und eure Ehr zu bedienen / weil diese Werck nicht irrdisch / sondern durch der gnädigen Götter allwalltende Wunder so seyn geführet worden: daher wir freywillig bekennen / daß sie würdiger mit dem Hertzen / als welches mehr göttlich ist / verwundert / dann mit einiger eusserlicher Dancks-Bezeugung verringert werden. Gleichwol aber / weil wir Menschen / unter den Menschen / menschlich handeln müssen / und allein dem Himmel himmlische Ehr gebühret: so seyd vergnüget / alleredleste Melopharmis! mit dem / was ihr sehet / und wisset / das wir euch zur Erwiederung /des grossen Guts thun / und thun können. Euch nemlich wollen wir ehren / als unsre Helfferin; Euch wollen wir dienen / als unsrer Beherrscherin / und das versprechen wir sämtliche / mit einem einhelligen Ja. Wer nie gesehen / daß Polyphilus / mehr aus Brunst der Liebe gegen Macarien / und vom Eyfer des quälenden Verlangens gereitzet / geredt / der muß es in Warheit aus diesen schmeichlenden Worten erkennen / die den Verstand Polyphili verwehen / und seinem besser Wissen eine verfälschte Unwissenheit andichten. Solte Polyphilus eine Zauberin denen Göttern vergleichen? Solte er den augenscheinlichen Betrug denen allwalltenden göttlichen Wundern gleich schätzen? Polyphile! das ist wider dich selbsten: aber so viel vermochte die erhitzte Liebe / daß Polyphilus alles gethan / könte er nur seine Macarien / die schönste der Frauen / wieder zu sehen bekommen. Dann die veste Hoffnung verführete seine Gedancken / es werde ihm Melopharmis / durch dero gewaltigen Befehl gleichwol dieses alles so wunder-glücklich verrichtet worden / ihrer Zusag nach / auch zu seinem Verlangen / und eben mit dem Glück / verhelffen: daher er sie wohl gar / wär es müglich gewesen / an das gestirnte Dach erhoben / damit sie vor ihm herleuchten /und den Weg zeigen könte / der ihn zu der verlohrnen Macarien führe. Wie nun Melopharmis / durch ihre vielvermögende Kunst / auch nicht unklug war: also sahe sie bald /wohin die Wort Polyphili zielten / und was das Hertz verlangte / darum sie ohne weitläufftige Beantwortung / sein Begehren zu erfüllen / sich der Ehren zwar bedanckte / dieselbe aber alle zu ruck / und auf Polyphilum lehnete / als der allein würdig gewesen / diese Verbannung zu entbinden / deßwegen sie die Anwesende erinnerte / ihme / Polyphilo / gebührende Reverentz zu erweisen / und nach Verdienst zu bedienen. 7. Absatz Siebender Absatz Beschreibet das Gespräch Melopharmis mit Polyphilo / die ihm den Berg zeiget / hinter welchem die Insul Solette gelegen / die das Hertz Polyphili dermassen zu sich ziehet / daß er sein selber vergisst: Lehret / wie auch die Tugendgeübte / offtmals die Bezahlung so begierig fordern / daß sie mehr darüber verlieren / als erhalten. Als das geschehen / wurde er von dem Saal / bey der Hand Melopharmis / in den obern Theil des Schlosses geführet / von dannen ihm die Gelegenheit des Orts /und ein herrlicher Anblick der Berge / Felder und Wälder / samt etzlichen aufsteigenden Kunst-Wassern / gezeiget wurde. Atychintida indessen bestellete den Schmuck / und andere Geschenck / so Polyphilo solten verehret werden; gab auch Befehl / daß die Tafel bereitet würde /Speise zu nehmen: deßwegen sie alle / und ein jeder zu seiner Verrichtung gieng / Polyphilum aber mit Melopharmis allein liessen. Da sich nun diese beyde allein befunden / fieng Melopharmis an / alles / nach der Länge / dem erfreuten Polyphilo zu erzehlen / wie diß alles durch ihre Kunst verwaltet / und er / durch die sondere Neigung des Himmels / auf diese Art / sey erhalten worden. Nun aber sey es an dem / daß er seinen Wunsch erfüllen / und sein Verlangen erhalten solle / wann er nur selber / durch etwa freywilligem Vorwitz / seinen Weg nicht verfehlen / oder den Gewinn verlieren würde. Dann / sprach sie ferner / hebet eure Augen gegen Morgen / und mercket jenen hoch gespitzten Berg / welcher die Insul bedecket / da eure Freude lebet / daß wir sie nicht sehen können. Habt aber das zur Warnung / daß ihr nicht ehe dahin eilet /biß ihr beruffen werdet / sonst werdet ihr Freude suchen / und Betrübnus finden. Indessen trauet meinem Versprechen / und lebet versichert / daß ich mehr / als mütterlich / vor euch sorge / und ohne euer suchen /einer gelegenen Zeit befehlen werde / die euch ziehen heisse. Wisset auch / daß ich eurer liebsten Macarien Sinn und Gedancken vollkommen verstehe / so gar /daß ihr an ihrer Gunst nicht zweiffeln dörffet. Und darff ich künfftige Ding zuvor melden / versichere ich euch alles dessen / was ihr bißher an Macarien verlanget / und in dem Tempel von ihr verstanden habt. Mit was hertzlichem Froh / Polyphilus diesem Gespräch muß zugehöret haben / kan der leicht ermessen / welcher mit ihm unter gleichem Joch gearbeitet /oder noch arbeiten wird. Tausend Freuden spielten in seinem Hertzen / und himmlische Zufriedenheit küssete das Verlangen. Auch fehlete nicht viel / er wäre über der ungehofften Freud erstummet / weil er kein Wort hervor bringen kunte / besondern / mit unverruckten Augen / die Berg-Spitze / und die darüber schwebende bläulichte Wolcken / bestrahlete / als wolte er dieselbe durchsehen. Und da er eine immerhelle entflammete Schöne / über dem Ort vernahm /allwo / nach Melopharmis Aussag / die Insul Solette der schönen Macarien den Sitz gönnete / dachte er bey sich in seinem Hertzen: Du bist ja freylich / allerschönste Macarie! selbst die Sonne / selbst die Sternen / selbsten der Glantz / der deine Nähe / auch deine Ferne / erleuchte: Warum doch hat dich deine Würde nicht / vor der Zeit / in das Wolcken-Zelt versetzet / daß du / meine Sonne! mir von jener Höhe scheinen / und die Finsternus meines seufftzenden Hertzens erhellen köntest. Ach! du gütiger Himmel! und ach! ihr feurige Zinnen! zeuget von mir; flüchtige Wolcken eilet / ja! eilet / und saget ihr an / daß ich noch übrig sey / ihre Tugend zu verwundern / und ihren Verstand zu ehren. Gehet doch / ihr geflügelte Wellen! und verrichtet den treuen Dienst. Und ihr Melopharmis (fieng er mit heller Simm an /) alleredleste Melopharmis! nehmet mich an / meine Mutter! euren Sohn / und helffet mir / so fern ihr Kunst und Tugend liebet / die ihr liebet / zu Kunst und Tugend. Diß beantwortete die Zauberin mit verneinen / und versetzte / daß er eine blosse Unmüglichkeit suche /darum er dißmal das Stück der Weißheit beobachten /und sich in die Zeit schicken müsse. Das weiß ich wol / sagte Polyphilus / daß sich in die Zeit schicken /sey ein Theil der grösten Weißheit / aber ich will in diesem Fall lieber die Thorheit wählen / mit Liebe und Vergnügung meiner Begierde / als in der Schwermütigkeit des ängstigen Verlangens / mit Weißheit leben. Das ist wol recht / versetzte Melopharmis / ein offenbahrer Beweiß / daß die Gewalt der Liebe auch die Klügesten zu Narren / und die Tugendherrschende zu Laster-Dienern mache. Was redet ihr / Polyphile! wisset ihr auch / was ihr redt? wann ich nicht zuvor wüste / daß eure verdammliche Liebe / mehr auf die Wollust / als Tugend gegründet wäre / könte ich daher leicht schliessen / was eure Sinne vor ein Ziel aufgesteckt. Wolt ihr Weißheit verlassen / und Liebe nehmen? wolt ihr Thorheit erwählen / und die Tugend gesegnen? So bleibet ihr thöricht in der Liebe / und Lasterhafft in eurem Begehren. Thörichte Liebe aber ist ein Verderben / und ein Lasterhafftes Begehren würcket viel Unglück. Drum besinnet euch eines bessern / und leget euren Begierden das Gebiß der Mässigkeit / auf daß ihr / durch gleiches / gleiches Gewinnen / das ist / Tugend / durch Tugend / erwerben könnet. Versichert euch / Polyphile! solte die Tugend-liebende Macarie / eines solchen Wortes / auch nur von ferne / verständiget werden / es würde alle eure Bemuhung in die Lufft gebauet / und euer Verlangen in den Wind vergraben seyn. Polyphilus / dem diese Straff-Rede sehr zu Hertzen gieng / als welche er unverdient dulten muste / fieng mit hochgeführten Reden und betheurten Worten /sein besseres Hertz und Sinnen an zu entschuldigen /mit Vermelden / daß keine Liebe in ihm herrsche / die nicht auf Tugend gegründet; und keine Begierde bey ihm zu finden / die nicht jederzeit dem Verstand sich unterwerffe. Daß ich aber / fieng er ferner an / die Thorheit zu wählen / erkieset / mit Liebe / vor der Weißheit / ohne Liebe: hat keinen solchen Verstand /wie ihr deutet. Ich halte gäntzlich davor / daß selbsten die Weißheit / ohne Liebe / eine Thorheit sey / und die Thorheit / mit Liebe / eine vollkommene Weißheit. Ich verstehe aber eine solche Liebe / damit ich Macarien / die Schönste der Schönen / Liebe. Welche ihr / traun! mit dem grössesten Unrecht / verdammlich / und auf Wollust gegründet / schätzet / weil sie einig und allein / die Tugend / als ihre Urheberin /und den Verstand / der verstandigen Macarien / als ihre Ernehrerin / umfähet. Ist demnach die verdammliche Wollust so ferne von meiner Liebe: als weit der Himmel von der Erden / die Laster von der Tugend /und von der Thorheit die Weißheit entschieden. Die Brunst aber meines Verlangens / welche mich / diese Wort zu führen / verleitet / ist gleicher Gestalt / auf die lob-würdige Tugend-Bahn getretten / da sie mit schmertzlichen Suchen / die Vollkommenheit der Liebe / durch die Beständigkeit der Tugend / zu errennen / sich bemühet. Und wird das alles um so viel mehr gestärcket / durch die gefasste Hoffnung / es werde / durch ihren Anblick / meine Tugend vermehret / und meine geringe Kunst durch ihre Begleitung /mercklich vergrössert werden. Das ist die Entzündung meiner Begierde. Das alles zwar war künstlich genug verdrehet /doch mochte es nicht so viel ausrichten / daß Polyphilus / auf Beantwortung Melopharmis / nicht gestehen muste / er hätte sich dißmal die erhitzte Begierden zu weit verführen lassen: welches er dann / gebührender Bescheidenheit halber / nicht lang wägerte / sonderlich / weil er gedachte / Melopharmis würde ihm von allem weitern Bericht ertheilen / deßwegen er dißmal die Warheit / mit einer schmeichlenden Höflichkeit /überziehen / und / ihm zu grössern Nutzen / einen kleinen Schaden leiden muste. Auch Melopharmis /weil sie besser wuste / wohin sein Hertz ziele / und wie seine Begierden leicht ausser den Tugend-Schrancken schreiten würden / hielt ihm solchen Fehler gern zu gut / mit angehengter Warnung / daß er sich / nach dem / besser vorsehen / und dem Mund nicht gestatten solte zu reden / wann das Hertz nicht gleiche Ersinnungen führe. Indessen fielen die Augen Polyphili / welche biß daher die Furcht der Schamhafftigkeit etwas verschlossen gehalten / wieder auf die Berges-Spitz / die ihn von seiner Macarien scheidete / und seinen Stral aufhielt / daß er die verborgene Insul nicht ersehen konte. Da er aber eben diß / mit einem hertzlichen Seufftzer heimlich beklagte / fieng Melopharmis / die seine Unruh alsobald merckete / an ihn zu trösten /mit Vermelden / wie die schöne Macarie / durch ihre Eröffnung schon wisse / daß Polyphilus noch lebe /und anjetzo / in vester Hoffnung / und täglicher Erwartung / sich seiner bald-künfftigen Gegenwart tröste; auch ihn / Polyphilum / so von Hertzen liebe /daß / wofern sie nicht / durch besondere glaubwürdige Eröffnung / von seinem Leben und Wohl-seyn / wäre verständiget worden / sie schon längsten ihre betrübte Seele dem Leibe entzogen / und ihn zu suchen ausgehen lassen. Als Polyphilus das hörete / fieng er mit heller Stimm an: Ach! warum soll ich denn das Hertz / die liebe Seele / nicht alsobald sehen / daß ich sie völlig erfreue / und durch ihre Freude / auch die Wunden meiner Betrübnus verbinde? das hat seine sonderliche Ursachen / versetzte Melopharmis / die ihr vor dißmal nicht wissen dörffet. Seyd aber zu frieden mit dem gütigen Himmel / der euch über Verdienst begnädiget /und lebet in dem Vertrauen / daß ihr sie wieder sehen werdet. Was solte der gute Polyphilus thun / er muste diese Erinnerung / als einen ernstlichen Befehl / verehren /und sich mit süsser Hoffnung künfftiger Befriedigung vergnügen: gleichwol aber / wie der Liebenden Gemüther von steter Unruh beherrschet / und von allen zufallenden Sinnen / gleich einer ewig-lauffenden Kugel / umgedrehet werden: Also war alles das / was die Augen Polyphili füllete / eine Erinnerung seiner geliebten Macarien / welche sich jederzeit so sehr verstärckete / daß ihm unmüglich war / seinen Mund zu verschliessen / und der Zungen das Stillschweigen zu gebieten. Alles / was er hörte / was er sahe / da preisete der Mund seine Macarien / so gar / daß er auch die anwesende Königin / und andere die Polyphilo zu dienen / wieder herauf kommen waren / nicht scheuete / und Melopharmis gezwungen wurde / ihn zur Seite zu führen / und seines Fehlers halber zu unterrichten. Aber Polyphilus hätte ehe sein selber vergessen können / als ihrer nicht gedencken. Darum gab ihm Melopharmis den Rath / weil ihm ja unmüglich sey von ihr zu schweigen / und aber diese Sach vor allen heimlich müsse gehalten werden: als solle er sie / im fremden Namen / nennen / und sonderlich /wann Atychintida / die Königin / ihn ihrentwegen besprechen würde / damit er / auf solche Art / ihre geschöpffte Muthmassungen derselben benehmen / und die vermeinte Gewißheit / so ihr die Tafeln in dem Liebes-Tempel / auch sein zum öfftern unbedachte Bekäntnüs / gestärcket / zweiffelhafft machen könne. Das gefiel Polyphilo nicht übel / und gedachte er alsobald / welcher Nam würdig seyn möchte / der Würdigsten auf der Erden zuzueignen. Es wolte aber /in dem zweiffelhafften Beginnen / ihm keiner so bald beyfallen / sonderlich weil die Furcht / es möchte ein ausgeziertes Wort den Verstand entdecken / und Macarien bekennen / der Würde widerstrebte / und diß Tugend-Bild geringer zu benahmen anmahnete: die Würden hingegen von der Furcht sich nicht wolten erdrucken lassen. Dann Polyphilus lieber leiden / als seiner nie gnug gepriesenen Macarien Himmel-würdigen Ruhm verkleinern wolte. Voll solcher Gedancken / nähert er sich wieder zu der Königin / welche eben einen Zettel / in der Hand /den Augen vorzeigte / darinnen folgendes Gedicht verfasset / welches ein unglückseliger Liebhaber /einer ihrer hochmüthigen Hof-Dienerin / die sich nicht wolte erbitten lassen / seine Betrübnus zu beklagen /aufgesetzt. Soll ich / wie andre thun / dir einen Namen geben? Du hertz-geliebtes Kind! soll ich mit Mühe streben / nach dem / wie ich dich nenn? weiß unter tausend ich nicht einen / der mit recht / mein Schätzgen! treffe dich. Versagen kan ichs nicht: sonst wär ich kein Poete / wann ich / was andre thun / nicht gleicher Massen thäte / es fordert unsre Schuld / wir wollen / oder nicht / es heischet unser Nam ein schönes Nam-Gedicht. Das sieht man überall: wer Flemmings liebe Sachen / und Opitzs Göttlich Werck ihm nur bekant wird machen / wird finden diesen Dienst. Ich glaub / so manches Bild / als jener angesehn / hat er die Schuld erfüllt. Dann / daher kommt uns das / daß wir so hänffig lesen / in seiner Verse-Spiel / das liebe Jungfern-Wesen / die bald Amene heisst / und bald Ambrosie / bald Anemone auch / und bald Adelfie. Bald Albie / mit samt Arethnien / der Schönen / und bald Anthropine / die Asteris verhöhnen dort in den Sternen will: und Athanasie auch mit der Basilen / selbst die Basilnie / bald liebt er Balthien: vergisst nicht der Chrysillen / die ihm die Liebste war / nach seiner Chrysosillen / nach Chrysoglossen auch: die Desiderie verlangt er mehr und mehr: wie die Dorinnie. Die ihn mit Liebe kränckt / nennt er die Dulkamare / und Dolorosen die / so ihm zuwider ware / und wie er jene liebt / die er Dulzissen nennt hat er Dulziaden durch gleiche Gunst erkennt. Wie nett beschreibt er doch die wilden Eromisen / mit samt Echthrothymen / die er pflag zu erkiesen für allen: eh er liebt die lieb Esthonien / und eh er kennte die beredt Eulalien. Jetzt Eurokrate kommt / der folgt die Eromanthe / nach welcher er nicht lang Erofolen erkannte / die zwar nicht viel gefiel. Drum er Euchastrien an ihre statt erwählt / und die Euphrasien. Nach der gefiel ihm wohl Filene / Flotate / nach der er Fidelien um ihre Treue bate / so offt verwechselt er die liebe Namen-Lust / als offt er einen Schatz von neuem suchen must. Er blieb bey einem nicht: wo seine Lieb auf Rosen und nicht in Dornen stund / die hieß er Gratiosen / und Julianen die / so er vor andern liebt / wiewol Kalopsiche auch nichts vergeblich übt. Die weisse Kandie / die redliche Kandore erwarten ihn sehr offt / vor ihrem Garten-Thore / und Konstantine steht auf einem Felsen-Stein / die keusche Kastulan will nicht mehr Jungfer seyn. Leukardie folgt jetzt / die er guthertzig preisste / und Lithokardie / die unbarmhertzig weiste der Livien die Thür: Miranda wundert sich / wie Metrofebe gläntzt / und wie du / Flemming! dich / verführen lässest so / von deiner Misosillen / läst Maritaten stehn / umfängest die Melillen / weil sie ist Honigsüß; wie zur Neapalen du könnest gehen fort / und lassen traurig stehn die Neanisken hier: folgst deinem Dünckel-wahne / und denckest nicht daran / wie offt dich Osculane mit Hertzens-Lust gehertzt: nimmst die Polypfien die doch so untren ist / an statt Porthenien. Was meinst du / sagt hierzu / die rothe Purpurelle / was denckt Panomfe doch? was dichtet ihr Geselle / die kluge Pasarist? solt noch wohl günstig seyn / Palinerothe dir / nun du bist so gemein? Gedenckst du nicht daran / was dorten die Sperathe / die du nun untreu heisst / dir / werther Flemming! thate / das keine Freundin thut? doch nahmst du Salvien / die helffen konte dir / mit sammt der Svavien. Das sind ja Namen gnug: noch hat er kein Genügen; gen Himmel ist er gar mit seiner Kunst gestiegen / und hat auf Erden bracht das Kind Siderien / und die noch höher ist / auch Theodosien. Sie stiegen wieder auf: Tharmantie / die Schöne / kommt nach an ihre Statt: und daß ihn bald bekröne Volinie blau-braun / lässt er Timokriten / die doch so freundlich war: nimmt an Valerien. Heisst diese wieder gehn / ergiebt sich Valerosen / die mit Velozien muß um die Liebe losen / noch war sies nicht allein / weil seine Zimbrit sie jagte aus dem Feld! und die Zinezie / die einem andern war / der frommen Zelodienen nicht schaden konte mehr: doch dorfft er sich erkühnen / wohl tausend mehr so viel / wie sich es schicken wolt / zu nennen / denen nur sein Sinn und Hertz war hold. Hat Flemming das gethan / die Cron der teutschen Zeiten / der fremden Länder Ehr / dem ich / ach! noch bey weiten nicht zu vergleichen bin: was wird denn meine Pflicht / erfordern dir zu thun / zu der mein Hertze spricht: Daß du seyst mit ihm eins? wie kan ich dich doch nennen / daß ich nicht fehl und irr? wie muß ich dich bekennen / Freund- oder Feindin mein? ich zweifle sehr daran / ob ich / wie dir gebührt / dich so benennen kan. Zwar sind der Namen viel / wann aber / was sie deuten / wir eigentlich besehn / muß ich doch überschreiten der Warheit gleiches Ziel: es gehet je nicht an / bey dir / was Flemming hat den Seinigen gethan. Dann solt ich / Liebste! dich heut heissen Anemonen / du würdest Morgen schon mein wieder nicht verschonen; Amene wär dein Nam / wann du nur liebtest mich / du hiesst Ambrosie / wann ich nur kennte dich. Dein Silber-weisser Glantz könt Albien dich tauffen / mit Asteris köntst du wohl in die Wette lauffen / verkriechen müste sich die schöne Basilen / wann einmal möchtest du in Gnaden mich ansehn. Wie mich nach dir verlangt / so köntst du wohlwohl heissen die Desiderie / und wie du mich thust speisen mit bitter-süssem Kraut: könt ich benahmen dich die Dulkamara mein: und wann du einmal mich erfreuen woltest nur / so wärst du die Dulzisse / von der mich keine Noht / kein Unfall wieder risse / doch / weil dus nimmer thust / so solt und must du seyn die Dolorosa selbst / die mir macht grosse Pein. Sonst / weil du bist beredt / so köntest du wol führen den Namen mit der That; du köntest alsbald spüren / daß die Eulalie dir / Schatz! gewichen sey / und daß Fidelie mir geben deine Treu / Wenn du so heissen wolltst. Du wärest die Filene und Filotate mit: die Liebliche / die Schöne: Wann nur das theure Wort / Kandora / dir gefiel / ich meyne / deine Treu: nun weist du / was ich will. So wolt ich tauffen dich / wann du nur selber woltest; so solt ich tauffen dich / und du mit Recht auch soltest dich wägern keinmal nicht / doch wie du untreu bist / so auch dir nicht gar viel um diese Namen ist. Ach wenn ich denck an dich / O seelge Rosimunde! wie du mir deine Treu / aus deines Hertzens Grunde / von Anfang offenbahrt: heissts freylich weh und ach! gar selten / selten kommt uns etwas bessers nach. Drum weiß ich anderst dich / auch besser nicht zu nennen / wann ich die Warheit soll / mit trucknem Mund / bekennen / als meine Delite / die mich verderben will / und tilgen aus durch sich: mein Tod der ist ihr Ziel. Die lächlenden Geberden der Königin / deren sie sich / unter dem Lesen / vernehmen ließ / verursachete Polyphilum zu forschen / warum sie doch so heimlich lache / es müsse gewiß was besonders darinnen seyn? worauf ihm die Königin das Papier darreichte / mit der Antwort / daß sie die Thorheit der Verliebten verlache. Polyphylus / so bald er den ersten Vers erblickte /gedacht alsobald / es geschehe diß / aus besonderer Fügung / des so wollenden Himmels / bekandte sich dannenher schuldig / dieses Namens sich zu bedienen / als welcher von dem Himmel selber / mit Macarien zu wechseln / verordnet sey. Deßwegen er die Königin über die Thorheit der Verliebten immer lachen ließ / er aber verlachte / im Gegentheil / die Thorheit ihres Gelächters. Die Deutung aber / des Namens Delitee / wolte dem furchtsamen Polyphilo fast ein Schrecken einjagen / daß er ihm die Gedancken machte / es werde / in diesem letzten Versen / der Untergang seiner Liebe /mit seinem höchsten Verderben / angekündet / und sey sie von dem vorsehenden Himmel Delitee genennet worden / daß / wie ihre Liebe allbereit erloschen; also auch seine flammende Brunst / durch die Kälte ihrer Widerwertigkeit / aber zugleich mit seinem Leben / erleschen würde. Wiewol die Erinnerung dessen / was Melopharmis versprochen / viel ein anders zeugete / und dieses ausleschen oder vertilgen auf die Schmertzen und Furcht seines Hertzens / in der brennenden Liebes-Pein deutete. Dessen er noch mehr versichert wurde / weil Atychintida Schertz-weiß anfieng: Diesem gehet es vielleicht nicht besser / als es euch ergangen / edler Polyphile! mit Macarien: dem Melopharmis antwortete: mit nichten / Polyphilus wird nicht vertilget werden / sondern seine Liebe wird feuriger brennen / wann Macarie die Glut der schmertzhafften Bekümmernus ausleschen wird. Darauf Polyphilus / als entrüstet / anfieng / weil ihm diese Wort erwünschte Gelegenheit zur Hand gaben: von was vor einer Macarien saget ihr / die mir meine Schmertzen leschen werde? Kan man auch Schmertzen tilgen / wo keine Schmertzen sind? Ich weiß nicht / was ich sagen soll. Zwar muß ich gestehen /daß ich / in dem Tempel der Liebe / viel von Macarien gehöret / und noch mehr gesehen. Ich muß bekennen / daß / da ich von Macarien gehöret / mir der Name so wol gefallen / daß ich ihn vor andern gepriesen / ich muß auch das sagen / daß / da ich sie gesehen / mein Hertz erschrocken / meine Augen geblendet / und mein Mund erstummet ist: aber daher folget nicht / daß entweder sie meinem Hertzen Leid erreget / oder ich ihre Erlösung hoffe. Was mich dort gefangen hält / ist Tugend; und was ich an ihr rühme /ist Kunst; was ich verwundere / ist Verstand: Sie aber mit einer solchen Lieb zu suchen / die mir Schmertzen verursache / ist so ferne / als meine Unwürdigkeit von ihrer Würde / und ihre Gedancken / von meinem Beginnen. Durch jenes darff ich mich dessen auch nicht einmal unterstehen; durch dieses warnet mich ihr Vorsatz der Einsamkeit vor vergeblicher Arbeit. Aber ohne Liebe / rühm ich sie; ohne Liebe verlang ich sie: weil sie werth ist zu rühmen / und würdig zu verlangen: so fern auch die Tugend Liebe verdienet / kan ich ihr auch diese nicht versagen / aber mit dem Beding /daß meine Liebste Delitee / nicht etwa über Verkehrung der Sinnen / und betrügliche Untreu klagen dörffe. Kaum war das Wort ausgeredt / als Atychintida anfieng: Habt ihr denn auch / edler Polyphile! eine Deliteen: Ja / sprach er / eine Deliten; sie fragte weiter: die ihr hertzlich liebt? die ich hertzlich liebe: antwortete Polyphilus; und Atychintida: die ihr einig liebt? Ja! sprach wider Polyphilus / die ich einig liebe / und die ich biß daher / unter dem Namen der Tugend-gezierten Macarien / geehret. Wie wird dann / fragte die Königin ferner / die Weissagung / auf den Tafeln verfasset / erfüllet werden? die ist / versetzte Polyphilus /nunmehr schon erfüllet / weil ich die Erlösung erworben; was aber das wolle / daß nunmehr das Gelübd der Einsamkeit / durch mich solle aufgehoben werden / kan ich nicht anderst / denn durch das fremde Joch deuten / darunter Macarie wird gefangen liegen /weil / mir solches zuzuschreiben / eine Vermessenheit / und wider den offenen Verstand der Wort gehandelt wäre. Darum erkenne ich mich vor die Ursach dieser Befreyung / mit welcher vielleicht die Gelübds-Bedingung / in gleicher Zeit und Länge bestehen sollen: aber den Zerstörer ihrer Einsamkeit wird man Polyphilum nicht ehe nennen / biß Macarie selbsten Delite heisset / oder in dieselbe verwandelt wird. Dann diese / und sonst keine / beherschet meine Freyheit. 8. Absatz Achter Absatz Beschreibet / wie Polyphilus / mit der Königin / und deren Angehörigen / Tafel gehalten / und was sie von der Verbauung dieses Schlosses / vor Gespräch erkieset: Lehret / daß Kunst und Tugend / nicht durch des Himmels / sondern der boßhafften Menschen Schuld erdrucket liege. Atychintida wolte weiter reden / allein die Tafel war bereit / deßwegen sie abbrechen / und wieder hinab steigen musten. Polyphilus ließ seine Augen nochmal über den Berg gehen / und schickete der schönen Macarien einen hertzlichen Seufftzer. Indem er aber den Berg bey sich betrachtete / und dessen unermäßliche Höhe bewegte / die alle andere bey weitem überstieg /und also befand / daß dieses etwas sonderliches / und denckwürdiges war / fragte er Melopharmis; ob er nicht vor andern einen besondern Namen führete / die ihm im Fortgehen antwortete / daß er in gemein der Mohren-Berg genennet würde / aber selber nicht wisse / aus was Ursachen. Darauf Polyphilus / mit lachendem Schertz / anfieng; vielleicht / weil / hie zu Lande / so viel der weissen Mohren gefunden werden / die sich der Sonnen-Hitze etwas näher hinzu machen müssen / damit ihr zarter Leib / und dessen gläntzende Schöne / die Augen der Sterblichen nicht verdunckele. Aber das war ein nichliger Schertz. Atychintida hörete das alles / aber mit tauben Ohren an / weil ihr Hertz voll Verwunderung war /und sich nicht besinnen kunte / wo hin die Reden Polyphili zu deuten. Polyphilus hergegen freuete sich heimlich / daß er die Königin so artlich betrogen /und war bedacht / wie er ferner klüglich handele /weil er sahe / daß die Heimlichkeit hoch vonnöthen wäre / solte anderst das geschwätzige Gerücht / seine Macarien nicht bekandt machen. Beyde giengen sie in tieffen Gedancken / biß zur Tafel / da alles aufs herlichste bereitet / und reichlich zugerichtet war. Polyphilus solte den obern Sitz nehmen / und den Königlichen Thron bekleiden; aber seine Bescheidenheit beugete vor dißmal das Recht /und muste / nach lang-verübter Höflichkeit / Atychintida ihren Sitz / unter einem Purpur-Himmel; Melopharmis aber nächst zu ihr / auf einem Sessel / mit rothem Scharlach bekleidet / nehmen: auf der andern Seiten dienete Polyphilus der Königin auf einem mit grünen Sammet verdecktem Stul; und schloß seine lincke Seiten Coßmarites; deme sich gegen über setzte Clyrarcha / mit den andern Anwesenden die die Tafel fülleten. So bald aber mochte die Königin nicht Gelegenheit haben / daß sie ferner von Deliten fragte / als Polyphilus / von ihm selber / heimlich zu lachen anfieng /und / auf der Königin Begehren / versetzte: wie er sich nicht ohne Ursach verwundern müsse / daß ihm der Verfasser dieses Gedichts / seiner Liebsten Namen beraubet / das er in Warheit / solt er nur die Person wissen / nicht wol leiden würde / sondern einen Kampff anfangen. Und diß wuste er mit solcher Höflichkeit anzubringen / daß jedermänniglich seinen Schertz wol verstehen konte. Die Königin aber war damit nicht zu frieden / sondern dorffte das völlige Werck zu forschen sich unterwinden / darauf doch Polyphilus nichts anders antwortete / als daß Liebes-Sachen geheime Sachen seyen / die die Zahl von dreyen / so wohl in dem Wissen / als in den Wercken hasse. Und weil Melopharmis sahe / daß gleichwol die Königin nicht ruhen wolte / und zu beförchten / Polyphilus könte sich nicht so leicht auf etwas bedencken / fieng sie ein ander Gespräch an / und gab Gelegenheit / von der Erledigung ihres Gefängnusses zu reden / mit Erinnern / daß rühmlicher wäre / anjetzo davon zu reden /und den Himmel dadurch zu preisen / als andere Unnötigkeiten zu forschen. Dessen Polyphilus nicht wenig erfreuet wurde. Die Rede aber der Zauberin Melopharmis war diese: Welt-seeligste Königin! Es wissen E.M. wohl /in was harter Bedrangnus sie die Zeit gestecket / wel che mir mein Kind / durch die Boßheit der neidischen Cacogretis geraubet. Und zeuget die Freude / so uns allesammt erfüllet / daß sie gleichsam aus der Finsternus an das Liecht / und aus der Todes-Furcht in das sichere Leben versetzet: welches / wie es allein durch der Götter Macht geschehen / also ist dieselbe billich zu preisen / mit Verwunderung zu verehren / und mit müglichstem Danck zu erkennen. Lasset uns demnach gefallen / und gebe E. M. gnädigen Befehl / daß die Hochweisse den Göttlichen Wundern nachdencken /und ihre Begnädigung mit erklären vorlegen. Dessen weiß ich / wird auch Polyphilus / sich mehr freuen /als aller andern Lust / und wird ein jeder / nicht ohne besondere Hertzens-Erquickung / zuhören. Wiewohl nun Polyphilus bald merckte / daß Melopharmis dieses / zu ihrer geheimen Lust / und der Weisen zu spotten begehret; weil er nicht unwissend /daß diß alles durch kein Wunder des Himmels / viel weniger einige Begnädigung der Unsterblichen: sondern durch die trügliche Kunst der Zauberey geschehen; wägerte sich doch nicht / gab alsobald seinen Beyfall / weil er eben auch merckte / daß Melopharmis diß alles / zu seinem Besten geredt. Der Wille Polyphili war bey der Königin ein Befehl / dem zu schuldiger Danckbarkeit männiglich gehorsamen muste. Atychintida fieng selber alsobald an zu erzehlen / wie sie sich so gar nicht besinnen könne / durch was Mittel / und auf welche Art sie sey erlöset worden / so gar hätte der donnernde Blitz ihr Hertz erschrecket in der Höle / daß sie nicht bey ihr selbst geblieben. Polyphilus erinnerte / wie ihm ein Donnerschlag das Kind aus dem Arm gerissen / und wie alles mit erschrecklichem Krachen hergangen. Unter den beyden Weisen aber entstund ein Streit / wie die langwürige Verbannung müsse zugangen seyn; deren jener / Clyrarcha / die Allmacht der allein Vermögenden unsterblichen Götter: Dieser / Coßmarites / auch die List und Boßheit eines Menschen / die durch die Natur viel erlernet / daher setzen wolten. Und als sie eine geraume Zeit / nicht ohne Beliebung der Zuhörenden / gestritten / fieng endlich Melopharmis an /die Sach zu schlichten / mit diesen Worten: Wann ich meine unverständige Meinung darff hören lassen / pflichte ich allermassen dem Clyrarcha bey / dann keines Menschen Hand diese Werck vollführen / und selbsten die Natur dem allen nicht beystimmen kan. Solte wohl / fuhr sie ferner fort / eines Menschen Hand eine solche Burg versetzen / und in die tieffe Wasser versetzen / und unversehrt versetzen / und in einem Augenblick versetzen / als wir wissen / daß dieses Hauß versencket worden? solte wol eines Menschen Hand / den Grund abreissen / die Erde unter dem Wasser ausgraben / und ein so grosses Gebäu in der Lufft halten können? solte wohl eines Menschen Hand / die Wasser stemmen / ohne einen aufgeworffenen Thamm / über ein Hauß führen / ohne fallende Tropffen / und wieder ableiten /daß nichts schade? wer einen wenigen Verstand hat /wird auch das erkennen. Drum lasset uns die Wunder der gewaltigen Götter in diesem preisen / und nicht aufs neue Zorn verdienen / wann wir menschliche Ohnmacht / denen Göttlichen Kräfften vergleichen /und / der Natur mülich zu seyn / bejahen wollen / was gerad wider dieselbe streitet. Coßmarites widersetzte sich diesem mit grossem Eyfer / vielleicht weil er es nicht rühmlich hielt / von einem Weib besieget zu werden. Er führete aus allen Historien Zeugnus an / die sattsam erwiesen / daß mehrmals Menschen-Witz viel erfunden / und wunderbare Ding verführet. Sonderlich erinnerte er / was er beym Philostrato gelesen / welcher vom Apollonio zeuget / daß selbiger / bey den Indianern / zwey Fässer / wunderbarer Art / gefunden / deren eins den Regen / das andere die Wind beschloß. Wann sichs nun zugetragen / daß das Land zu dürre worden /habe das Regen-Faß gantz Indien / mit Thau / benetzen können / wann es eröffnet worden: sey es aber geschehen / daß der Regen sich über nöthig vermehret /haben sie mit dem Faß / auch den Regen gleichsam verschliessen können. Das andere hat / nach dem Willen der Menschen / die Winde ausgelassen / daß die Lufft gesäubert und gereiniget worden / auch / zu beliebiger Zeit / wiederum zu ruck gezogen / und sich verschlossen. Diß Zeugnus bekräfftigte er / noch zum Uberfluß / mit folgendem / daß er beym Olao gelesen / sich erinnerte / wie vor dem die Finländer /denen Schiff-Bedienten / wann sie widrigen Wind erlitten / die Winde zu kauffen geben / in dreyen Knotten / mit der Unterrichtung / daß / wann sie den ersten lösen würden / solten sie gelinde Lufft hoffen; der andere würde etwas hefftiger: aber der dritte stürmend und wütend brausen. Welches auch die jenige / mit nicht geringen Schaden / erfahren / so diese Müglichkeit verlachet / und die Knotten zur Versuchung geöffnet. So erzehlet / fuhr Coßmarites fort / gedachter Zeuge / von einer Hünen-Tochter / Namens Hagberta / daß sie / durch ihre Kunst / sich selbst verändern /und nach ihrem Gefallen / in tausend Arten verwandeln können. Wunderbahre Ding werden von derselben gelesen / namentlich / daß sie an dem gewölckigten Himmel weit und breit sey daher gefahren; bald wieder / als ein ohnmächtiger Mensch / herab gefallen / aber zugleich den Himmel mit ihr niedergerissen; bald habe sie die Erden aufgehänget / und über den Himmel geworffen / bald unter den Wassern ersäufft; bald habe sie die Brunnen verhärtet / die Berge zerschmeltzet / die Schiff in die Lufft erhöhet / und auf dem Winde gesegelt / selbsten die Götter bestürmet /das Gestirn zerstöret / und die verfinsterte Tieffen erleuchtet. Wie deren noch vielmehr gedachter Verfasser in seinem Buch bezeichnet. Ist nun dieses erfahren / oder vielmehr erwiesen worden / was sollen wir auch bey uns zweiffeln? Ich schliesse nicht unbillich dahin / daß noch heut zu Tage solche Künste unter den Menschen gefunden werden. Melopharmis / als welche / auf solche Art / bald sollen verrathen werden / fieng / mit einem lautern Nein / die Rede an zu beantworten / und weil die zeitige Furcht ihr Hertz und böß Gewissen schröckete /winckete sie dem Polyphilo / er solte ihr beystehen /und sie schützen. Dieser / da er sahe / daß der Discurs männiglich wol gefiel / fieng er folgender Gestalt an: Ich habe / mit nicht geringer Belustigung / eurem Gegen-Streit eine Weile zugehöret / und wolte wünschen / daß mein Verstand sich so hoch erhebte / die Sache beyzulegen / aber die noch frühe Jugend entschuldiget ihre Unwissenheit. Daß ich aber / meiner Gewonheit nach / rede / damit ich lerne / und lehre /auf daß ich unterrichtet werde / will ich meine Meynung vor dißmal euch / Melopharmis! nicht weniger auch denen andern Anwesenden zu richten und zu verbessern geben. Ist demnach kein Zweiffel / sie habe in allem recht geredt / alleredelste Melopharmis! weil man gestehen muß / daß solche über- und widernatürliche Werck / nicht durch natürliche Mittel / sondern entweder / durch die himmlische / oder auch höllische Herrscher der Natur / verrichtet werden: wollen wir nicht gestehen / daß die Natur wider sich selbst streite. Ihr aber auch / verständiger Coßmarites! könnet euch / meines Erachtens / auf gleiches Recht verlassen / weil ihr in allem dem / was ihr geredt / nichts unmügliches behauptet: aber in dem Fall ists beyderseits gefehlet / daß keiner das dritte / dadurch solche Werck verrichtet werden / getroffen. Anlangend die Erzehlung der Geschicht / halt ich davor / daß sie freylich wunderns werth sind / wann sie warhafftig sind: das aber stehet noch in grossem Zweifel. Sintemal keine grössere Unwarheit verkauffet wird / als von den Verwandlungen und Wunder-Wercken der Welt. Sehet an den Liebes-Poeten /was Wunder-Dinge erzehlet er in seinem Verwandlungs-Buch / und mit solchen Umständen / daß mancher ein Eyd auf die Warheit schweren solte? Wie weitläufftig beschreibet er den Riesen-Krieg / die die Berge zusammen getragen / den Himmel zu stürmen? wie scheinbar redet er von der Circe und Medea: Auch des Diomedis Gesellen / welche in Vögel verwandelt / lange Zeit hernach / um den Tempel Diomedis / geflogen: deßgleichen von der Gesellschafft Ulyssis / durch die Circe in wilde Thiere verwandelt; auch dem Gottlosen Lycaon / in einen Wolff; der Daphne / in einen Lorbeer-Baum; der Syringa / in ein Rohr; denen Heliaden / in Bäume; der Calisto / in einen Beeren; und nach dem / mit ihrem Sohn Arcas /in Gestirn; der Coronida / in eine Krähe; der Ocyrhoe / in ein Pferd; dem Blatto / in einen Stein / wie auch Aglauros; ja! dem Jupiter selbst / in einen Ochsen verwandelt / und andern mehr? darff ich weiter gehen / wer solte nicht glauben / daß gewißlich Phaeton von seinem Vatter Apollo begehret / die Sonne an dem Himmel-Dach einen Tag herum zuführen / das ihm der Vatter vergönnet / aber mit der Warnung /daß er herunter fallen würde / wie hernach geschehen? Wer solte nicht glauben / daß gewißlich Cadmus seine Diener / Wasser zu dem Heyligthum zu holen /abgefertiget welche von einer Schlangen / bey einem Brunnen / im Walde / allesamt umbracht; deßwegen Cadmus entrüstet / und die Schlange / in deren Gestalt der Drachen-König verborgen war / mit Macht erleget / auch / nachdem / dessen Reich eingenommen: Und als er / Cadmus / die Zäne des Drachen /nach dem Rath der Pallas / ausgesäet / ein hauffen rüstige Männer aus der Erden gewachsen / die sich untereinander erwürget? Wer solte nicht glauben / daß gewiß Acteon die Dianam badend gefunden / welche ihn in einen Hirschen verwandelt / daß er hernach von seinen eigenen Hunden zerrissen worden; Oder was er vom Narcisso erzehlt / der sich selber / wegen seiner Schöne / die ihm der Brunnen entdeckt / lieb gewonnen; oder auch vom Bacho / und seinem Freuden-Spiel / wie er / mit Epheu gezieret / von Mann- und Weibs-Personen / mit Trummeln und Pfeiffen / sey umher geführet worden? Wer solte nicht glauben /daß die unglückselige Flucht der Leid gebährenden Thisbe / vor der blutigen Löwin / gewiß geschehen /da sie ihr Gewand verlassen / welches von der Löwin zerrissen und beschmieret / dem getreuen Pyramo den Tod verursachete / Pyramus aber der gleich-getreuen Thisben; Und was dergleichen Gedicht unzehlig viel mehr sind? Das alles aber verursachet der geschwinde Aberglaube / und die hefftige Begierde / in uns Menschen / etwas neues zu hören / etwas hohes zu verwundern. Denn so ist unser Natur beschaffen / daß wir alle gerne Wunder hören / und neue unerhörte Dinge forschen. Daher es kommt / daß nicht nur die Gemeine und Ungelehrte / sondern auch die Hoch-verständige / ihre grösseste Beliebung an dergleichen Wunder-Gedichten gehabt / und ihnen solche Unmüglichkeiten / als müglich / vorgebildet / damit sie ja was neues hätten. Könnet ihr derowegen aus dem nichts gewisses schliessen / mein Coßmarites! Gleichwol aber / weil annoch die tägliche Erfahrung vieler Wunder-Dinge gleiches bezeuget / können wirs auch nicht gäntzlich verneinen / bevorab da wir das Beyspiel vor unsern Augen haben. Melopharmis schreitet alsobald zu der gewaltigen Macht des Himmels; welches / wenn ich sagen darff / was ich dencke / auch gefehlet ist; und tritt in diesem Stuck Coßmarites näher zur Warheit / indem er der Boßheit der Menschen einen Theil dieser Verrichtungen zuschreibet. Dann daß die Unsterblichen wider sich selbst streiten solten / ist nicht glaublich; auch wird sich der Himmel nicht selber stürmen; vielweniger die Erde über sich erhöhen / und was dergleichen mehr. Folget demnach von sich selbst / daß diß ein Werck der bösen Geister / welche mehrentheils durch ihre Werckzeug / als dero Diener und Dienerinnen arbeiten / und uns theils warhafftige Verstellungen erwecken / theils auch mit nichtiger Blendung betrügen. Welches letztere mit allem Recht von Hagberta / der Hünen Tochter / davon ihr uns erzehlet / kan gesprochen werden / und vielleicht auch von der Verbannung dieses Schlosses. Zwar läugne ich nicht / was ihr vor behauptet / daß solcher Dinge viel / natürlicher Weise / zugehen / bevorab / da ich glaube / es sey eine heimlich-verdeckte Kunst / in der Natur /welche / so wir erkundigen solten / wie dann die Weißheit der Menschen immer weiter geht / freylich viel wunderbare und seltzame Ding würden gesehen und gehöret werden / die / unter tausenden / nicht einer / vor menschlich oder natürlich halten wird. Daher ists / daß Aristoteles / der hochgepreiste Naturkündiger / ein gantzes Buch / von den verborgenen Wundern der Natur geschrieben: wann anderst Theophrastus nicht billiger desselben Verfasser von vielen benennet wird. Was soll ich sagen von Plinio / der in allen seinen Schrifften / sonderlich im andern Buch seiner Natur-Geschicht / viel herrliche Wunder bezeichnet. Was vom Proclo / Augustino / Alberto magno / Fracastorio und Ficino / die alle einhellig dahin schliessen? Ich sehe / daß ihnen meine Wort nicht übel gefallen / so lasst uns nur ein einiges aus dem Plinio vernehmen / der selbsten von der Natur /sie zu erkundigen / geschaffen zu seyn scheinet. Er berichtet aber / im andern Buch / seiner Natur-Geschichte / von einem harten Felsen / welcher in ungeheurer Grösse / bey Harpasa / einem Städtlein in Asia / stehen soll / dieser Art / daß / so man ihn mit einem Finger berühre / er sich bewegen lasse / als ein kleiner Stein: da man aber / mit gantzem Leib und grosser Gewalt / ihn waltzen will / widersetze er sich gleichsam / und werde unbeweglich. Deßgleichen schreibet er von zweyen Bergen / bey dem Indischen Fluß / deren einer die Natur hat / daß er alles Eisen an sich ziehe; der andere / daß er kein Eisen leyde: daher die so ihre Schuh mit Nägeln verwahret / von jenem nicht herunter / zu diesem nicht hinauf kommen können. So lesen wir auch von einem Brunnen / zu Dodona / einer Stadt in Chaonia / welcher dem Jupiter geheiliget / daß er gantz kalt / und die angezündete Fackeln / so man darein tunckt / auslesche: aber / welches ja wunderbahr / die ausgeleschte / so sie hinzu gehalten werden / wieder anzünde. Gleiches ist bekandt /von einem andern auch gantz kalten Brunnen / in Illyrien / so man ein Kleid / auch in der Höhe / über ihn hält / dasselbe zur Stund anzündet. Und wer weiß nicht / was der hochteutsche Held / Herr Opitz / im 4ten Buch seiner Poetischen Wälder / von Wunder-Wassern merckliches erzehlet / da sein geliebter Buchner angefangen / daß sonderlich / die Macht des Höchsten / die gütige Natur / sich an der See / den Flüssen und Quellen ausgelassen / und ihr bestes Meisterstück erwiesen. Da er bald drunter setzt: in Boetien sollen zwey Flüß seyn / deren einer alle Schaaff / so daraus trincken / schwartz / der andere weiß mache. In der Stadt Garamant soll der Brunnen Dubris / des Tages / zehenmal Eißkalt / und des Nachts / zehenmal siedend heiß seyn. In der Larinensischen Gegend / sind zwey Brunnen / nahe beysammen / von denen der eine alles in sich schluckt / der ander alles auswirfft. Welcher aus dem Clitorischen Brunnen trinckt / soll auch den Wein nur nicht riechen können. In Teno ist ein Quell / dessen Wasser sich unter keinen Wein mischen läst. Darauf fieng Atychintida an: Ach! daß alle Wasser dieser Art wären! ich möchts wohl leiden / sagte Polyphilus / und fuhr weiter fort: selbst auch unser belobtes Teutschland hält einen solchen Brunnen in sich /daß / wann jemand eine Henne hinein stecket / die er mit Recht überkommen / sollen ihr die Federn stracks gebrühet werden und abgehen: Hat er sie aber mit Unrecht / bleibt sie / wie sie zuvor gewesen. Von den Reise-Leuten / aus Italien / bin ich öffters berichtet worden / daß allda zwey Brunnen vorhanden / in deren einem ein Hund stracks sterben / in dem andern bald widerumb lebendig werden soll. In Schottland soll sich gar ein Wasser in Stein verwandeln: welches der hochgeschätzte Opitz / an etlichen in Zips / mit eigenen Augen gesehen zu haben / zeuget. Deßgleichen auch von einer Pfütze bey Thorda / in Siebenbürgen /welche / ob sie zwar von unglaublicher Tieffe / dennoch keinen Menschen untersincken lässt / er könne schwimmen oder nicht. Und daß wir von dem Wasser / auf andere Wunder der Natur kommen / ist bekandt / daß zur Schelnitz / etzliche Meilen von Caschau / das Eisen / durch eine Quelle / innerhalb wenig Stunden Inschlit / und dieser hinwieder in Kupffer verwandelt werde. Was soll ich sagen von dem Demant / welchen die Griechen ἀ;ἄ;δ;α;μ;α;ς genennet / weil er sich weder vom Eisen / noch mit Feuer / bewegen lasse: und doch ists erwiesen / daß er durch ein warmes Bocks-Blut erweichet werde. Solten wir diesem den Magnet entgegen halten / würden wir wiederum / in beyden / eine unglaubliche Wunder- Krafft befinden. Denn so der Demant bey einem Eisen ligt / wird er ihm solches nicht nehmen lassen / und da es von dem Magnet ergriffen / wirds hinwiderum der Demant erfassen und wegreissen. Daß wir aber nicht nur von den entseelten Creaturen hören / wollen wir mit wenigen an den Wunder-Fisch gedencken /welchen die Griechen ὲ;χ;ε;ν;η;ὶ;ς, die Lateiner Remora nennen / und von welchem der viel-belobte Aristoteles / in seinem andern Buch der Thier-Geschichte /deßgleichen Plinius / solche Dinge schreiben / die nicht nur von den Alten erzehlet und aufgeschrieben /sondern auch von ihnen selbsten / und andern / zu der Zeit / lebenden Menschen mehr / augenscheinlich wahrgenommen werden. Es soll nemlich dieser Echeneis / ein kleines Fischlein / etwa einen halben Schuh lang / einer grosser Schnecken nicht ungleich seyn. Doch dennoch / so er sich auch an die grösseste Schiff / die / mit gewaltigem Lauf / durch das Meer eilen / und sonsten von keiner Verhindernus könten aufgehalten werden / anhänge / bleibe selbiges in dem Augenblick ruhen / und könne weder durch die zwingende Winde / noch die treibende Wellen / vielweniger die ausgespannte Segel fortgeführet werden. Und ist das das allerwunderwürdigste / daß ein solche ungeheure Last / ein so mächtiger Flug / eine so geflügelte Geschwindigkeit / nicht durch Zuruckhalten /nicht auch durch Widerstreben: sondern einig und allein durch das Anhängen / eines so geringen Fischleins / kan aufgehalten werden. Wann die Exempel unglaublichen Dingen sonst Warheit erwerben / kan ich auch dieses mit dem Schaden Antonii bekräfftigen. Dann als dieser wider Augustum / bey der Stadt Actis / zu Wasser kriegete / und selbsten / auf dem Admiral-Schiff / um sein Heer herum eilete / und sie zum Streit anmahnete / hat dieser Fisch solch sein Schiff gehalten / daß ers nicht von der Stell bringen können / auch gezwungen worden / in ein anders zu tretten. Welche Versäumnus dann verursachet / daß Antonius / in verwirrter Ordnung / von der Käiserlichen Armada / eilfertig überfallen / und biß auf das Haupt geschlagen worden. Aber daß wir uns nicht länger aufhalten / wollen wir auch die vernünfftige Creaturen besehen / und wie viel diese Wunder-würdige Sachen verrichtet / anhören. Jener H. Vatter schreibet / daß er viel gekennet / die gantz anderst /als andere Menschen / geartet gewesen / auch so gar wunderbar / und von ihnen allen vor etwas sonderliches gehalten / alldieweil sie seltzam / und in kleiner Meng angetroffen werden. Sie haben / spricht er / an ihren eigenen Leibern solche Dinge vollbracht / die kein anderer nachthun / auch schwerlich glauben wird / wann mans ihm erzehlt. Dann etliche haben die Ohren am Kopff bewegen können / wie ein Pferd oder Camel: auch so gar bißweilen eins allein / bißweilen beyde zusammen. Andere haben ihr Haar / ohne Bewegung des Haupts / so weit es bewachsen / auf die Stirn hervor bracht / und / nach ihrer Beliebung / wieder zu ruck gezogen. Andere haben / was sie zerkeuet und verschlucket / in unglaublicher Menge / ohne grosse Bemühung / wieder gantz und unzerkeuet hervor bracht / und / welches das grösseste / ein jedes Stuck /in seiner Art / absonderlich. Andere (welches mir zwar die gebührende Schamhafftigkeit zu erzehlen verwehren sollte; aber die Warheit zu bekennen erheischet /) haben nach Lust und Liebe / mit ihren Winden spielen können / in solcher Meng und Ungleichheit / daß sie so gar auch ein Liedlein blasen können. Auch finden sich / die schwitzen können / wann sie wollen; weinen und Zähren vergiessen / wann ihnen beliebet: auch wohl gar ohne Empfindung seyn. Wie dann gedachter Vatter / von einem Priester / mit Nahmen Restitutus , meldet / welcher / womit er nur wollte / sich sinnloß machen konte / und gleich als ertödtet danieder legen / so gar / daß er nicht gefühlet / ob man ihn stosse oder pfropffe / auch einesmals / da man ihn mit Feuer versucht / ohne Empfindung sich weidlich brennen lassen: Auch hat man keinen Athem an ihm gespüret. Was wollen wir von der Himmels-Kugel Archimedis und Possidonii sagen / davon der Römische Redner / im ersten Buch seiner Tusculanischen Fragen / und andern / von der Götter-Natur berichtet / daß sie alle Bewegungen der himmlischen Circul / aufs eigentlichste und deutlichste vorgeleget? Wer solte wol gedencken / daß dieses ein Werck menschlicher Müglichkeit gewesen? wie es doch in Warheit gewesen. So schreibet Albertus von zweyen Knaben in Teutschland / vor deren einem alle verschlossene und verriegelte Thor und Thüren / zur lincken Seiten / freywillig aufgangen / so offt er über die Gassen / vor den Häussern hergeloffen: vor dem andern aber / zur rechten. Unter welches Wunder / eben der Erzehler / mit ausdrücklichen Worten setzet / daß diß nicht anderst / als der verborgenen Krafft und den verdeckten Wunder-Würckungen der Natur / die ihnen beyden / in ihrer Geburt mitgetheilet sey /könne beygemessen werden. Wiewol ich / in dem Fall / selber noch in grossem Zweiffel stehe / und mir nichts Gewisses zu bejahen oder zu verneinen unterfangen darff. Das aber zeuge ich frey / und habe mich deßwegen / in Erzehlung solcher Wunder-Dinge /gern etwas aufgehalten / daß ich erweisen möchte / wieviel in der Natur verborgen / das wir Sterbliche noch nicht ergründet / und wann es ergründet wird /wir alsobald auf ein Göttlich Wander oder teuflische Blendung rathen / da doch offtmals die reiche Natur /und hoch-steigende Menschen-Weißheit / so durch Fleiß / so ohngefehr / solches zu erkennen oder zu richten gestattet. Nun kan ich mit dem Grund der Warheit schliessen: haben jene Menschen / durch natürliche Mittel /das und das verrichten können: warum nicht noch zu unsrer Zeit? haben die und die Thier solche Art und Krafft gehabt: warum nicht auch andere / die wir nicht erkennet? haben diese oder jene Geschöpffe / oder entseelte Cörper / so oder solche Würckungen in sich gehabt / warum nicht noch anjetzo? Ist aber das / wie es denn warhafftig ist / was wollen wir das neue Erkantnus desselben / ein Wunder oder Unmüglichkeit schätzen. Was meynet ihr wol / Melopharmis! wann uns die Krafft des Magnets nicht so bekandt wäre /sondern allererst heut erfunden / und von dem Erfinder zu etwas neues / uns unwissend / gebrauchet würde / was würden wir anderst / als ein unerhörtes Wunder / und verblendete Unmüglichkeit schliessen. Gleicher Gestalt steckt noch manche verborgene Krafft in den Kräutern und andern Gewächsen der Erden / damit die / so sie erkennen / viel wunderbare Ding verführen. Was höret man von der Spring-Wurtzel / die auch die vesteste Schlösser eröffnet? was von der Waffen-Salbe / die an dem gegenwärtigen unempfindlichem Gewehr / den Beschädigten abwesend heilet? Was von andern / die hie nach der Läng zu erzehlen / so verdrüßlich / als unnötig ist. So haltet ihr / Polyphile! fieng Melopharmis an /gantz und gar darvor / daß alles natürlich geschehe /und selbst auch die Versenckung dieses Schlosses /durch menchliche Müglichkeit / sey gewürcket worden? Deme Polyphilus widersetzte: Ich glaube wol /daß der Eyfer / der erzürnten Götter / ihre Rach verübet / wie ich selbsten auch / in meinen hochgeliebten Vatterland / dessen ein Exempel weiß / an einem herrlichen Schloß / das / durch das gerechte Gericht / des unsterblichen Gottes / wegen seiner verruchten und übermachten Boßheit / biß in diese Stunde / versencket ist und bleibet: an dessen statt aber ein unergründlicher Brunnen gesehen wird / der von den Benachbarten / ins gemein / der Dilsgraben benahmet / welchen ich selbsten mit meinen Augen gesehen; so hab ich mir auch von einem Daucher / nicht ohne Glauben / erzehlen lassen / daß an einem andern Ort dergleichen noch zu finden / indem er / selbiges zu besehen / unter das Wasser gefahren / aber an die Thurn-Spitze angestossen / und seinen Leib gefährlich durchbohret: welches Mahl ich auch gesehen. Uber das weiß ich von dem Heinrichs-Berg / und habs selbst erfahren / daß eine Jungfrau / zu gewissen Jahrs-Zeiten / aus einer Hölen / sich hervor thut / und über die Verbannung / dadurch sie / mit ihrem Hauß und Leuten / auch einem unerschöpfflichem Schatz versencket / klaget / auch die Errettung hoffet / biß auf heutigen Tag. Aber daher läst sich nicht schliessen / daß / weil es Gottes Straffe / also könne es nicht natürlich / nicht auch durch andere Mittel / geschehen. Ich gebe euch / edle Melopharmis! und verständiger Coßmarites! in allem Recht: allein ihr müsset auch mich meines Rechts geniessen lassen. Wolt ihr dann nicht / so antwortet mir auf das / was ich euch / wider die Natur / und Gottes Ordnung geschehen zu seyn /erweisen will. Was glaubet ihr von den höllischen Geistern / denen Tausend-Künstlern / und ihrem verdammten Anhang / dadurch sie ihre Macht üben? Melopharmis erschrack über diesen Worten / als schlüge sie ein Donner ins Hertz / darum sie auch verstummete: gleichwol sich so stellen konte / als wäre ihr die Frag zu schwer; Coßmarites aber hielt starcke Wider-Rede / und erwieß / daß auch die böse Geister nicht anderst / als durch natürliche Mittel schaden und helffen könten. Dann / sagte er / gleich wie die Hoch-Verständige und Wunder-Gelehrte ihre natürliche Wunder-Würckungen / nicht anderst / als durch ordentliche besondere Mittel / verrichten können: also die unverständige / so sie dergleichen Werck verrichten / werden sie / von den Kunst-verständigen Geisten / in dem allen / unterwiesen / wie sie durch das Kraut / zum Exempel / die Kranckheit; durch den Stein / die Blendung; durch das Thier / die Verführung; und wieder ein anders / durch ein anders / verrichten können. Archimedes kan mir solches / mit seiner Kunst / erweisen / welcher auch die schwerste Last / mit den geringsten Kräfften / bewegen konte. Als nun geschahe / daß der König Hieron solches nicht glauben wolte / und er seine Wissenschafft zu Werck richtete / hat er ein ungeheures Schiff / voller Last und Schwere / mit ruhiger Hand fort getrieben /aber durch Hülff eines vielseitigen Instruments /gleich als gieng es auf dem stillen Meer: gleich so verständiget / der Kunst-vermögende Geist / seine Werckzeug / aller deren Mittel / dadurch sie Wunder thun / und uns betrügen können. Das / versetzte Polyphilus / will ich nicht läugnen /daß nicht auch diese sich solcher Mittel gebrauchen /und habe es nie geläugnet / so fern ich glaube / daß auch die Zauberer warhaffte Werck vorstellen / und die Augen nicht allemal mit angefärbter Nichtigkeit verblenden: aber das habe ich zeigen wollen / ob nicht auch die Verbannung dieses Schlosses / von der wir nun erlöset / eine blosse Blendung gewesen. Sehen wir die Mannigfaltigkeit der Geschichte an / muß ich von mir selbst bekennen / daß mein Sinn / in zweiffelhaffter Antwort / das Stillschweigen erwählet / und nichts gewisses schliessen mag. Viel ist durch Zauber-Kunst verrichtet worden / an deren Gewißheit man nicht zweiffeln können: Viel aber auch / ja das meiste / hat Augen und Ohren heßlich betrogen. Dorthin können gerechnet werden / die mancherley Bildnussen / aus Holtz / Eisen und anderer Materi verfertiget / die ohne äusserliche Hülff und Bewegung sich zu bewegen / fort zu gehen / ja auch zu reden / und /auf gegebene Frag / zu antworten unterstanden. Nicht weniger auch die Offenbahrungen heimlicher verdeckter Sachen / als da sind / die Erkundigung eines geheimen Diebstals / die Erfindung eines verborgenen Schatzes / und die Wissenschafft dessen / was über so viel Meilen geschehen ist. Hieher gehören auch die Weissagungen von künfftigen Dingen / der gewisse Schluß in zweiffelhafften Sachen / und die Beherschung des Glücks in Gefährlichkeit. Das alles aber /wie es durch keine natürliche Mittel / in Ungewißheit kan vollbracht werden: also auch / in Gewißheit nicht bestehen / durch falsch-geführte Würckungen. Sondern die vielmächtige Geister wissen und können /Krafft ihrer beywohnenden Geschwindigkeit / und erlernten Wissenschafft aller natürlichen Geheimnussen / dann auch aus geübter Erfahrung in allen Dingen / alle / auch die uns unbekanteste und wundervolle Arten / aller Gewächs und Geschöpff / so gar auch /deren Gleich- und Ungleichheit / und wie die aller widrigste vereiniget / die Vereinigte können getrennet werden / daher sie nachmals seltzame und Wunder-bereichte / uns unmüglich-scheinende Werck verüben / so durch sich selbst / so durch andere. Und daß die Unmüglichkeit vor unsern Augen desto scheinbarer sey / geben sie vor / als müsten sie auf gewisse Art bekleidet seyn / ziehen viel Linien / bilden viel Figuren / machen nicht weniger Mercker / erdencken besondere Wort und Red-Sprüch / deren Gewalt sie alles zuschreiben / was sie aus einer fremden Krafft verrichten; da doch alles offenbahr ist / daß in dem Kleid / in der Linien / in dem Bilde / in dem Merckmal / in denen Worten / und so fort an / nicht ein Füncklein einiger Natürlichkeit stecken könne. Und doch sehen wir die warhaffte Werck vor Augen / ohne den geringsten Betrug. Wer hats nicht erfahren / daß denen / der Zauber-Kunst Ergebenen / alles offen stehe / und kein Schloß vor ihnen vest genug verwahret bleibe? Wer hat nicht gelesen / daß sie ihre Gegenwart im Augenblick uns entziehen / und ehe wirs verhoffen / davon schwinden können / als wären sie nie gewest? wie ich das mit dem Exempel Apollonii Tyanei bekräfftigen könte / der gleiches / in Gegenwart des Käisers Domitiani / gethan. Ob aber das alles in seinem Werth beruhet / machen doch / im Gegentheil / andere betrügliche Verblendungen / mich sehr zweiffeln / und solches um desto mehr / weil deren Gewißheit durch den endlichen Betrug zum öfftern erwiesen worden. Ein einiges Exempel anzuführen /lesen wir bey dem Philostrato / daß eine Zauberin /von grosser Schönheit / sich gestellet / als liebe sie Menippum / einen Jüngling von gleicher Schöne / und verlange dessen Ehe. Als nun der Hochzeit-Tag heran nahete / habe die Zauberin ein herrliches Mahl / mit den köstlichsten Tranck und Speisen / in Gold und Silber / bereitet / und auftragen lassen. Nun wurde auch Apollonius auf das Mahl gebeten: weil aber dessen Augen nicht mochten verblendet werden / als welcher selbsten der Kunst erfahren / hat er alsobald die schändliche Betrügerey / denen Anwesenden / entdecket / sagende: ihr sehet des Tantali Garten / welche /nach dem Zeugnus Homeri / etwas zu seyn scheineten / da sie doch in der Warheit nichts waren: dann was ihr sehet / ist nicht hier. Ohne Zweiffel ist diese Zauberin aus der Zahl deren gewesen / die sonsten den Polter-Geistern verglichen werden / und beschrieben / daß sie nicht nur der bösen Lust sehr nachhängen / sondern auch grosse Begierde tragen / Menschen-Fleisch zu fressen / zu dessen Erlangung / sie die Erwehlte / mit versüsseter Lust / reitzen / und hernach verschlingen. Als nun Apollonius seine Wort geendet / ist aller Vorrath auf einmal verschwunden /und der gäntzliche Betrug vor ihren Augen gewesen. Sie aber / die Zauberin / hat bekannt / daß sie Menippum / wann sie ihn vorher mit Wollust gemästet / hernach fressen wollen / weil ihre gewohnte Speise sey die junge Mannschafft / wann sie zu ihrem vollkommenen Blut gelanget. Was soll ich von andern Verblendungen sagen / deren Menge so groß / daß sie noch täglich beobachtet wird? Wie vielmals hab ich mich selber verführen lassen / indem ich gewiß geglaubet / es sey allem dem so / wie und was ich sehe; Habe aber befunden / daß ich eine Maus vor einen Elephanten / ein bekandtes Burger-Hauß / vor ein Schloß / einen meiner besten Freund / vor weiß nicht was angesehen? Selbsten hab ich gesehen / daß /durch solche Verblendung / eine Weibs-Person geglaubet / sie gehe im Wasser / die doch auf den trockenem Pflaster stund. Selbst hab ichs gehöret / daß bey hellem Sonnen-Schein die Silber-klare Wolcken gedonnert / und der geläuterte Himmel geblitzet. Selbst hab ich auch geschauet / daß ihrer etzliche um das Leben zu schencken gebeten / denen der Galgen in die Lufft gebauet war / aber nur vor ihren Augen; und mit einem Wort / es ist nichts so wunderbahr /daß die Geschwindigkeit nicht verzaubern könne /was ists? daß sie auch Todten erwecken / darauf eines schwören solte / sie wären gestorben und erstanden. Wie dessen einen Beweiß Philostratus ertheilet. Dann als Apollonius einer Toden Bahr / darauf eine verstorbene Jungfrau heraus getragen wurde / begegnete / hat er sich gestellet / als sage er ihr etwas leis in die Ohren / darauf der Todte erwachet / und zu voriger Gesundheit gelanget. Gleiches lesen wir von Hercule und Asclepiade / einem berühmten Artzt / zur Zeit des Käyser Pompeii Magni: Deren jener Alcestem; dieser einen andern Menschen vom Tod erwecket / und aus dem Grab hervor gezogen: daß aber diß nicht warhafftig geschehen könne durch Zauberey / erweiset die Beschaffenheit der Seelen. Ist sie sterblich? kan sie /so sie einmal gestorben / nicht in eben der Beschaffenheit wieder leben. Ist sie unsterblich? wie sie ist /so ist sie auch über alles menschliche und natürliche Vermögen / und keiner Creatur unterworffen; denn sie ist geistlich / himmlisch / und erwartet der Götter Befehl / daher folgen muß / daß solche Verrichtungen nicht besser / als Nichtigkeit und ein verführtes Wesen zu benennen. Nun könt ich gleicher Gestalt schliessen / daß auch unsre Augen / die Zeit der Verbauung / gehalten worden / daß sie nicht sehen können / was sie sehen sollen. Als Polyphilus so verständlich geredt / und alle Anwesende mit sonderlichem Eyfer aufmercketen /schlug Melopharmiz die Furchtans Hertz / die sich aber bald in einen Haß verkehrete / daß sie wunschete / sie hätte Polyphilum / vor die Errettung / ersäuffet: Deßwegen sie ihn auch mit schlechter Lieblichkeit anschauete / daß Polyphilus leicht verstehen möchte /es sey Zeit zu schweigen; darum er seine Rede endigte / mit den Worten / daß diß sein Bedencken sey /wiewol er sich gerne eines bessern unterrichten lasse. Darauf Melopharmis anfieng: und mit Recht / weil die Sach selber ein bessers zeuget / und die Rache der erzürneten Götter / wegen meines Sohnes / augen scheinlich erweiset / daß diese Versenckung keine Blendung / sondern ein Straff-Werck des ergrimmten Himmels gewesen. Deme Polyphilus nichts mehr entgegen setzen möchte / weil er gedachte / es mag gewesen seyn was es wolle / ich dancke dem / der mich beym Leben errettet / daß ich wieder zu Macarien kommen kan. Auch Atychintida / die nach der Weiber Art aus allem gar zu bald eine Sünde drehen konte /fieng an zu erweisen / daß die Götter gar leicht könten aufs neue erzürnet werden / wann man ihre Wunder denen verdammten Zaubereyen gleich schätzen / und ihre Gnad / nicht mit besserm Danck / versetzen wolle. Darum ihr beliebiger sey / von andern Dingen Gespräch zu halten. In zwischen Atychintida diese Wort endigte / bestellte Melopharmis nachgesetztes Lied / zur Bewährung ihrer Warheit / mit Hülff der Musicalischen Instrumenten / abzusingen / welche sie ohnlängsten / von Polyphilo selbsten verfertiget /überkommen / und in solche Gesang Weise versetzen lassen: Wie will doch das Menschen-Hertze forschen / was dem Himmel gleicht? Kan dann unsre Sinnen-Kertze funckeln / wann das Liecht erbleicht? Nein / wir können nicht verstehen / was der Himmel heist geschehen. 2. Er ist dort: wir hie auf Erden / zwischen uns das Wolcken-Zelt / das nicht kan entdecket werden / ohne / wann es Gott gefällt: aber Gott kan leicht entdecken / was auf Erden wir verstecken. 3. Wunderbahr sind deine Wercke / wunderbahr Rath / Krafft und Geist: Die die schwache Menschen Stärcke unverwundert bleiben heisst / weil wir wissend das nicht wissen / was die wundre Himmel schliessen. 4. Nur von ferne; nur im Spiegel sehen wir / was dort geschicht: biß das neue Gnaden-Siegel öffnet Gottes Angesicht / das wir dorten werden schauen / hie dem Wort der Zusag trauen. 5. Was will dann der Menschen Rathen rathen jener Ewigkeit? wer? wer will der Götter Thaten wissen in der Sterblichkeit? Alle wir bekennen müssen / daß wir das nicht können wissen. 6. Drum / O Mensch! bleib bey der Erden / daß du nicht stosst oben an; Sonsten wirst du fallend werden / daß dir niemand helffen kan. Wer sich will zu hohe schwingen / pfleget sich zu Fall zu bringen. 7. Götter-Rath ist wie die Flammen / die von ferne wärmen fein: kommen sie zu nah dem Stammen / wird er bald verzehret seyn: Gleich so muß es dem ergehen / der des Himmels Schluß will sehen. 8. Weit von Göttern / weit vom Blitzen / weit vom Donner / weit vom Schlag: Laß die Himmel / Himmel sitzen / dencke nicht den Wundern nach / die du doch nicht wirst erdencken / dich nur tieffer drein versencken. 9. Jener Vatter hats erfahren / (Augustinus) der das grosse Wellen-Meer solt erschöpffen und bewahren in der Gruben; das war schwer: Eben schwer kont er ersinnen Thun der Götter und Göttinnen. 10. Auch hat der bekennen müssen / (Jearus) eben was vor ihm bekannt / der die Sonnen wolte grüssen / dahin er den Flug gewandt: sich gestürtzet in die Tieffen / da die wilden Fluthen lieffen. 11. Fiel nicht auch der Thurn ingleichen / dessen Spitzen aufgeführt / (zu Babylon) daß sie kont das Dach erreichen / da man an den Himmel rührt? Aber wie? Er muste sincken / durch der Donner mächtig wincken. 12. Allen wird es so ergehen / die sich schwingen Himmel an: Die Geheimnus zu verstehen / die man nicht verstehen kan: Alles muß zur Tieffe neigen / was den Himmel will ersteigen. 13. Drum / so lege Zaum und Zügel / Mensche! deinem Sinn und Witz: Drucke das verschloßne Siegel der Vernunfft erhöhtem Sitz: Laß in duncklen Himmel-Dingen / deine Kräffte nicht verringen. 14. Glaube / was du nicht verstehest / hoffe / was du siehest nicht: Wo du stehest / wo du gehest / dencke / was man sonsten spricht: Gott / der uns bißher geführet / diß und alles das regieret. 15. Ich will bleiben in den Schrancken / tretten auf die Einfalt-Bahn / und mein Hertz mit den Gedancken weiter nicht mehr lassen an: Dann das / was es weiß geschehen / nur im Glauben solle sehen. 16. So wird Gott in seinem Wesen; Himmel / Himmel bleiben fort / und der Mensche seyn genesen / wann er kommet an den Ort / da er alles wird verstehen / was der Himmel heisst geschehen. 17. Unser Wissen ist verstücket / unser Leben Unverstand / jenes mit der Kunst beglücket / die den Himmel selbst erkannt: Hie wir suchen / dort wir finden / was wir können nicht ergründen. 9. Absatz Neunter Absatz Beschreibet den Ausspruch der beyden Weisen / Clyrarchä und Coßmarites / von der Macht und Ohn-Macht der Zauberer; welches Gespräch die Lehr-Puncten selber zeiget. Nach vollbrachtem Gesang erinnerte sich die Königin hinwieder an Polyphili Reden / und weil dieselbe von der Vermögenheit der Zauberer einen Zweiffel verursachet / gab sie dem Clyrarcha Befehl / als der biß daher still geschwiegen / sein Bedencken zu eröffnen /wie hoch er meyne / daß sich solche Krafft erstrecke. Clyrarcha erschrack zu erst gar sehr / daß er in so grosser Gefährlichkeit reden solle / weil er um das Thun Melopharmis wuste / und in ihrem Gesicht den Grimm der erzürnten Boßheit wahrgenommen: Doch weil er der Tugend gemäß erfunde / die Warheit durch keine Furcht unterdrucken zu lassen / und Polyphilum zu seinem sichern Schutz setzte / fieng er folgender Gestalt an: Durchleuchtigste Königin! Ihrem Befehl zu gehorsamen zwinget mich mein Beruff / und die Warheit zu schützen / ermahnet mich mein bessers Wissen / darum ich / mit kurtzen Worten / den Ausspruch des verständigen Polyphili gut heissen und bekräfftigen muß. Nicht zwar nehm ich mir das zu behaupten / was er von der Versenckung dieses Schlosses / und dem Fluch / der uns troffen hat / zweiffelhafft gesprochen / denn darinn können wir nichts gewisses schliessen / und ist uns genug / daß wir davon erlöset / ob wir gleich nicht wissen / wie wir erlöset /oder wovon wir erlöset: weil wir gleichwol das wissen / daß wir von einem grossen Fluch und elendem Gefängnus erlöset worden: davor wir mehr dem Erlöser dancken / als eyferig nachgründen sollen: sondern das will ich gehorsamlich / und so viel mir wissend /erweisen / daß die Zauber-Kunst eine mächtige Kunst / und wunderthätig ist. Weiln aber Polyphilus allbereit die Exempel angeführet / daß es verdrüßlich scheinet / dieselbe mit mehrem zu häuffen / will ich bloß die Dinge / so ihre Krafft vermag / anzeigen /neben denen dabey gesetzten Gründen / auf welche ihre Kunst gebauet. Zweyerley aber haben wir sonderlich in acht zu nehmen / eines ist / daß der Geist / von sich selbst / aus einem Ort in den andern / und solches / mit unglaublicher Behendigkeit / sich verfügen kan / so gar / daß er in einer Stund die gantze Welt durchwandelt. Das andere ist / daß er gleicher Gestalt / und mit nicht viel geringer Geschwindigkeit /auch andere Cörper von Stell zu Stell tragen kan: den Beweiß können wir von denen heiligen Geistern und Engeln im Himmel nehmen. Dann wie jene durch natürliche Krafft die Himmels-Kugel drehen können: also können auch diese / durch eben die Krafft / andere Cörper bewegen. Diese Bewegungen aber / welches wieder wol zu behalten / geschehen entweder ohne Mittel / von dem Höll-Geist selber: oder durch Mittel / von andern / and aus fremder Würckung. Jenes betrifft die Bewegung der Cörper; dieses / was auf solche Bewegung letzlich erfolget. Kan derowegen /in dem ersten Grad / der mächtige Höll-Gott viel thun / das wir nicht glauben / das wir nicht begreiffen können / und also nothwendig vor ein Wunder halten müssen. Da vermag er / zum Exempel / Feuer vom Himmel zu werffen / das alles verzehre / was es betrifft. Da vermag er grausame / brausende Winde zu erregen / die alles ausreissen / und zu boden stossen. Da vermag er die allererschröcklichste Wetter / mit Donner / Hagel und Blitz / so auf der Erden / so in dem Meer / anzurichten / daß die Schiff mit Wellen bedecket / und in die Tieffe versencket werden. Da vermag er ein grosses Erdbeben / durch ein saussendes Brausen / in den getiefften Hölen / zu befördern /und die Berge zu zerreissen / auch alles / was auf und unter der Erden ist / zu erschröcken: dessen ihr / edler Polyphile! vor ein Exempel geben / mit den beyden Wind- und Regen-Vässern. Und diß ist dem Menschen zum Schrecken. Zum Betrug kan er mit gleicher Macht / Menschen / Vieh / und alle andere Sachen /gar gesch wind an fremde weit entlegene Oerter führen. Welches bekräfftiget wird mit dem / daß wir zum öfftern feurige Schlangen / Drachen / auch wol Menschen / in der Lufft schweben sehen. Und daß / dem Zeugnus Alberti nach / einsmals Ochsen und Kälber geregnet / welches traun nicht anderst / als durch des Geistes List und Betrug geschehen. Dieses Betrugs machet sich auch theilhafftig / daß er gegenwärtige Dinge mit grosser Behendigkeit / und ehe man sichs versiehet / wegnehmen / und anderswo hinführen kan / daß wir nicht anderst sagen können / als es sey verschwunden. Wie ich von eben dem Apollonio gelesen / davon ihr vor erzehlet / daß er vor dem Käiser Domitiano verschwunden. Und welches fast mit dem eintrifft / kan er auch gegenwärtige Ding unsichtbar machen / wie vom Gyge / Plato und Cicero erzehlet: wanns anderst wahr ist / was sie erzehlen. Uber das ists kund / daß er auch die unbeseelten Bilder und Götzen gehend und redend machen kan / in dem er nemlich selbsten in ihnen redet / selbsten sie fortführet. Dergleichen ich wiederum von Apollonio gelesen / daß / da er beym Jarcha und dem Brachmann gespeiset / haben sich steinerne dreyfüssige Tisch /Bänck / Leuchter und andere Geschirr von sich selbst beweget / und ertzene Mundschencken / die Becher /im Cräiß herumgeführet / auch mit gewisser Maß /das Wasser / unter den Wein gemischt / und einem jedweden zu trincken dargereichet. Von den Bäumen /Pflantzen und Thieren können wir eben das sagen /daß sie auf menschliche Art / reden und Gespräch halten: auch was die unvernünfftige Thier belanget / bewegen sie sich selbsten auf wunderbahre Weiß / und verrichten solche Sachen / die ohne reiffen Verstand und bereichte Vernunfft nicht können vollbracht werden. Sehen wir andere Wunder an / müssen wir bekennen / daß die Macht des Geistes / aus einer Kugel / eine Flamme / und ein groß Feuer hervor bringen kan / das weit und breit gläntze. Wie wir beym Plinio / von Servio Tullio lesen / daß ihm / da er geschlaffen / eine helle Flamme / aus seinem Haupt / schiene; und von L. Martio / in Spannten / da er die Rache / wider die Mörder der Scipionen / dem Volck einrieth / daß er gantz gebrennet. Auch ist dieses nicht genug / weil er auch die Wasser theilen /stemmen / und zu ruck treiben kan / so gar / daß man nicht anderst meynet / als der Fluß fliesse wider sich selbst. Wie auch dieses Plinius / zu seiner Zeit geschehen / verkündiget. So ist ihm nicht verwehrt / allerhand Gestalten an sich zu nehmen / und dieselbe dermassen zu verändern / daß er bald einem Menschen / bald einem Löwen / bald einem Engel / bald einer gantz sinnlosen Creatur sich gleiche. Und dieses kan er nicht nur an sich selbsten / sondern auch an allen andern Sachen / Gold / Edelgestein / Speise /Feld / Wälder / Thier und Menschen / daß er ihnen /auf wunderbare Weiß / allerhand Gestalten andichte /und jenes in diß / dieses wieder in jenes verwandele. Weiln er aber / fast in allen / freye Macht hat / kan er aus der Erden auch vielfältige Dünst und Dämpffe hervor bringen / ja! wohl gar die Feuchtigkeiten / in dem Menschen / entweder mehren / oder verringern; die Gliedmassen trennen / und wieder zusammen fügen / was nicht zusammen gehöret; die natürliche Hitz rauben / und also grosse Kranckheiten verursachen / wie in denen offenbahr zu sehen / die von dem bösen Geist besessen. So kan er auch die innwendige Sinnlichkeiten also bewegen / daß sie ihnen die vergangene Dinge vormahlen / so doch nicht gewesen; die Gegenwärtige einbilden / so doch nicht seyn; die Zukünfftige hoffen / so aber auch nicht seyn werden. Er kan die äusserliche Sinnen bethören / so wol in den Wachenden / als Schlaffenden. Den Wachenden zwar / das sie gedencken / sie hören / das sie doch nicht hören / und sehen / das sie doch nicht sehen /und thun / das sie doch nicht thun / und leiden / das sie doch nicht leiden. Den Schlaffenden / indem er ihnen zukünfftige Ding / als Gegenwärtige vorstellet /sonderlich in denen Begebenheiten / die er / als künfftige muthmasset. Daher kommts / daß wir so offt durch die Träum verführet / denen wir doch so grossen Glauben geben. Und scheue ich nicht zu sagen /daß die Träum-Deutungen / mit andern dergleichen Weissagungen / als dem Vogel-Geschrey / der Erweckung der Todten / dem Entgegen-Lauf der Thier / und dergleichen / ihren Ursprung aus diesen künstlichen Verstellungen und Blendung zu erst genommen. Wie wir davon viel herrliche Exempel beym Valerio maximo; von Cicerone aber / in seinem Buch / von den Weissagungen / völligern Bericht haben. Es stärcket diese meine Gedancken / daß der Höll-Geist auch die äusserlichen Sinne gantz verstellen und verführen kan / indem er entweder von aussenher allerhand sichtbare Wunder und Wunderwürdige Ding vorstellet / deren sich doch nichts in der That befindet: oder auch von innen die Empfindlichkeit dermassen beweget / daß sie die äusserliche Sinne zugleich mit verwirren / damit sie von dem / was sie sehen / hören oder thun / keine richtige Verständnüs haben sollen. Und auf solche Art / können diese böse Geister / auch endlich allerhand Bewegungen zur Liebe / oder Haß; Furcht oder Vertrauen; Trost oder Verzweifflung / in dem Menschen erregen. Wie deren Exempel alle Geschicht-Bücher voll sind. Das kan der Geist ohne Mittel. Durch Mittel kan er eben das / und vielleicht ein mehrers / oder ja zum wenigsten / unsern Augen viel verdecktere und unmüglichere Werck vollbringen. Denn da sind in vielen Steinen / Wassern / Kräutern /Säfften / Holtz / Thieren / auch in der Erd / und dem menschlichen Leib / viel unbekandte / verborgene /aber doch natürliche Kräffte / durch deren Hülf und Gebrauch / solche Sachen geführet werden / die wir eine Unmüglichkeit und über-natürliches Wunder achten / weil es etwas neues und ungewohntes ist /auch die Art / wie es / und wodurch es geschehen /uns gantz unbekandt und verborgen. Zu dere Behuf haben die Zauberer / durch welche der Meister nicht selten würcket / ihre gewisse Kräuter / damit sie das oder das zu Werck richten. Deren etzliche Plinius benennet und schreibet / daß sie glauben / mit dem Kraut Aethiopide / könne man die Flüß und Wasser trocknen; oder / da sie verschlossen / mit einem Uberwurff eröffnen: mit einem andern könne man ein gantz Heer erschröcken und in die Flucht jagen / wann mans unter sie werffe. So findet man beym Democrito eine Artzney / durch dessen Hülff nicht nur schöne; sondern auch fromme und glückselige Leute gebohren werden. Auch ist zu verwundern / was sie in gemein von dem Kraut / welches bey ihnen Verbenaca heisset / vorgeben; daß / wer selbiges recht gebrauche /alles glücklich verrichte / alle Kranckheiten vertreibe /getreue Freund erwerbe / und allem Ubel wehren könne. So ist das über alle Wunder / was beym Aulo Gellio und Plinio zu lesen / wie hoch die Zauberer den Camaleon halten / welchen sie vom Democrito empfangen / dem Obersten der Zauberer. Welches alles hie zu wiederholen unvonnöthen / darum ich schliessen / und mit dem Ende meiner Rede / auch der Macht des bösen Geistes / ein Ende setzen will. Polyphilus merckte auf alle Wort mit scharffem Nachdencken / und befand viel / das er gern widersprochen hätte / allein die Boßheit Melopharmis hieß ihn still seyn. Als aber Atychintida ihn fragte / wie ihm das alles gefalle? muste er / aus Zwang der Höfligkeit / dem Clyrarcha / mit gleicher Einstimmung /begegnen / und seine Rede billigen / wie er zuvor Polyphili Reden gut geheissen: gleichwol führete er mit an / möchte ich nun auch hören / was dann der Zauber-Geist nicht vermöchte? welches Coßmarites am besten bewähren wird / als welcher mehr der Natur /dann der Zauberey geneigt ist. Die Rede erfreuete Coßmaritem / und zugleich auch die Königin / so gar / daß diese geschwinden Befehl gab / jener ohne Verzug gehorsamte / in diese Wort heraus zubrechen: Durchleuchtigste Königin! und auch ihr / edler Polyphile! viel haben wir bißher vernommen / von der verzaubrenden Macht / und ist nicht ohne / daß sich dieselbe weit erstrecke: werden wir aber auch die Ohnmacht hören / wird sich jene mercklich verlieren; weil ich was auch andere sagen / dennoch gewiß bin /daß diese Kunst nichts / ohne entweder natürliche Mittel / oder nichtige Verblendungen / ausrichten kan. Daß ich aber auch die Ordnung Clyrarchæ halte / und erst erweise / was ihm ohne Mittel / hernach durch Mittel unmüglich: setz ich zu förderst / daß er keines Wegs / er sausse und brausse auch / wie er wolle / die Welt zerstören und einbrechen könne; dann er selbsten ist ein Theil dieser Welt; ein Theil aber hat nicht Macht über das alles / wessen Theil es ist. Nach dem kan er oben so wen ig die Ordnung Gottes in dieser Welt ändern; dann selbige ist das Gute selber / das ihm nicht zu Gebot stehet: Eben so wenig die Haupt-Theil der Welt versetzen / daß er aus Morgen /Abend; und aus diesem wieder jenes; aus Mittag /Mitternacht; und hinwider aus Mitternacht / Mittag mache. Eben so wenig kan er den Himmel aufhalten /und seinen gewohnten Lauf verhindern / oder auch still stehen heissen. Eben so wenig kan er ein Element von einem Ort an den andern tragen: ja! viel weniger kan er machen / daß an einem Ort nichts sey / weil damit die Zusammenfügung / dadurch alle Theil des Himmels / mit der Erden aneinander hängen / getrennet / und also auch ihre Führung und Regierung aufgehoben würde. Und weil diese Geister eine abgemessene Bewegungs-Krafft an sich haben / dadurch sie in den Schrancken vieler Unmüglichkeiten bleiben müssen / können sie eben so wenig / einen jedweden Leib / oder ein jedwedes Ding / an einen jedweden Ort tragen / und mit gleicher Behendigkeit / als sie wollen / will geschweigen in dem Augenblick. Dann die Geschwindigkeit der Geister unter sich selbst ist ungleich / und hat dieser mehr / jener weniger Hurtigkeit überkommen. Auch können sie eben so wenig machen / daß zwey Cörper zugleich an einem Ort /oder ein Leib zugleich an zweyen Orten sey / oder daß ein Leib den andern unversehrt durchdringe: Eben so wenig dasselbe bewegen / von dem Ort / wann er nicht zu nächst dabey ist / dann der Beweger und das Bewegte müssen nothwendig beysammen seyn. Endlich auch kan er / eben so wenig / einen Leib von hinnen / an einen andern Ort führen / daß er ihn nicht durch die Mittel-Bahn führe; und mit einem Wort /nichts warhafftig thun / von dem allen / was der allein mächtige. Himmel seiner Krafft vorbehalten. Dannenhero folget / daß er auch durch Mittel / in deren Gebrauch er sonst mächtig ist / dennoch nicht alles thun und verrichten kan. Dann er kan kein selbst-ständiges / oder auch zufälliges Wesen hervor bringen /weil er ein Geist ist / der keine leibliche materi / unmittelbar / verwechseln kan / daraus ein cörperliches Wesen entstehe. Er kan nichts aus nichts erschaffen /dann etwas aus nichts zu erwecken / ist denen unsterblichen und unendlich-mächtigen Himmels-Göttern allein eigen. Zu dem kan die Würckung / durch natürliche Mittel / mit nichts nicht umgehen / auch in nichts sich nicht gründen. Was soll ich von Verwandelung anderer Dinge sagen? Er kan nicht alles aus allem machen / sondern bindet / was sich binden lässet / und scheidet / was sich scheiden lässet: obs uns verborgen / und daher Wunderhafft scheinet. Er kan nicht durch eine jede Ursach / auch eine jede Würckung üben: nicht / durch ihm gefälliges Werckzeug /alle Ding gewinnen. Und ob er die gehörige Mittel brauchet zu dem wollenden Werck / kan er doch nicht / ohne vorgehende gebührende Verwandlung und Verneurung / von neuem / ein selbstständiges Wesen / das dem vorigen ungleich sey / auswürcken: viel minder in kurtzer Zeit / oder einem Augenblick. Er kan nicht / ob schon durch natürliche Mittel / alle natürliche Dinge / in alle andere / nach seinem Gefallen / verwechseln; Ursach / weil ihm die Mittel fehlen. Er kan nicht vollkommene / warhaffte Thier / ohne Saamen / gebären: sondern / da er / aus Steinen oder Holtz / Pferd und Löwen wachsen / oder aus den Wolcken Ochsen und Kälber regnen lassen / sind entweder solche von andern Orten hergeführet / oder ein nichtiger Betrug gewesen. Gleich so kan er auch /durch den Saamen / kein Thier / alsobald in vollkommener Höhe und Dicke: noch weniger über die gebührende natürliche Grösse; oder auch darunter bilden: sondern er muß der Natur ihren Lauf lassen / die er nimmermehr zwingen wird / wider sich selbst zu handeln. Muß er also / in allem / die Ordnung mit halten /wie es die Natur erfordert; darum er nicht das Letztere einführen kan / ohne das Erste / kein Hinter und Vörder machen / ohne das Mittel / kein Nidriges / ohne die Höhe / und diese hinwieder nicht / ohne die Tieffe. Die Todten aber lebendig zu machen / ist ihm so unmüglich / daß nichts unmüglichers seyn könne / und ist alles das / was er in diesem erwiesen / oder noch erweiset / eine blosse Nichtigkeit / und nichtige Verblendung. Darum / daß ich viel mit wenigen fasse / er kan nicht verwehren / daß nicht ein jeder thue / was ihm zu thun / die sonst ordentliche Mittel zulassen /und was ihm zu thun gefället / wann ihm sonst nichts mangelt / das Verhindernus verursache. Er / der Geist / selbsten / und alle / die ihm anhangen / vermögen mit all ihrer Kunst / wie hoch sie selbige auch rühmen und ihnen einbilden / nichts mehr / als was natürliche Müglichkeiten zulassen / oder verzaubrende Verblendungen dichten können: welches alles aber / weil es im höchsten Grad der Vollkommenheit stehet / und sie tausend verborgene Heimlichkeiten wissen / davon wir nie gehöret / als halten wir solches / aus unsrer Unwissenheit / vor Wunder / und wol gar Unmüglichkeiten / darinnen wir dann weit fehlen. Und diß ist meine Meynung. Alle billichten diese Rede / ausser Melopharmis /die heimlich bey ihr gedachte / im Werck zu erweisen / was sie mit Worten nicht widersprechen dorffte: und weil ein jeder aufzustehen verlangte / erhebte sich Atychintida von ihrem Thron / und mit ihr alle / die zur Tafel sassen. Nach vollbrachter Dancksagung wurde Polyphilus in das Königliche Zimmer / durch die Königin und Melopharmis begleitet / gegen welche er sich mit solcher Freundlichkeit geberden konte / daß Atychintidæ Gnade immer mehr und mehr gestärcket / Melopharmis Gunst aber leicht wieder erworben wurde; wiewol nicht ohne starcken Verweiß und harter Bedrohung. Drittes Buch 1. Absatz Erster Absatz Beschreibet die Ehr-Bekrönung Polyphili / von der Königin / und derer gantzen Hof-Staat geschehen / die auf alle Kunst- und Tugend-Werbung /unaußbleiblich folget: welches hier die Lehre selber ist. Da sie in das Zimmer gelangeten / wurde Polyphilus auf einen künstlich-erhabenen Thron gesetzet / von dessen Rechten / etzliche köstlich-bekleidete Sessel /einen Craiß schlossen / biß zur Lincken / darauf sich die andere Anwesende niederliessen. Atychintida aber beschloß die Rechten Polyphili; Melopharmis die Lincken. Und da Polyphilus mit Verlangen erwartete /was geschehen werde; wurde mit etzlichen Violinen folgender Thon erhoben / und die nachgesetzte Strophen / mit einer erhellenden Stimm abgesungen / die dem Polyphilo verkündigten / was künfftig wäre. Stimmet die Säiten mit lieblichen klingen / stimmet / was immer jetzt stimmen sich läst: Daß wir die Freude der Freyheit besingen / stimmet und klinget und singet das Best. Lasset Polyphilo klingen und singen / Säiten und Lieder lasst singen und klingen. 2. Dencket / bedencket das Peinliche Leiden / dencket / bedencket die schröckende Noth / Da wir das liebliche Sonnen-Liecht meiden musten / erwählen den lebenden Tod: Lasset derhalben jetzt klingen und singen / Säiten und Lieder lasst singen und klingen. 3. Alles war allen und aller verdorben / Tugend / Kunst / Weißheit und Liebe mit Glück: Dieses hat alles hinwieder erworben unsers Polyphili Götter-Geschick: Lasset derhalben jetzt klingen und singen / Säiten und Lieder lasst singen und klingen. 4. Dieser / sonst keiner / war darzu erwählet / daß er dem Himmel bezahle die Schuld: Die er / mit seiner Ersäuffung / vermählet / jener erbarmenden Göttlichen Huld: Lasset derhalben erklingen und singen / Säiten und Lieder lasst singen und klingen. 5. Komm her / Polyphile! sitze / besitze diesen bescepterten Königes Thron: Komm her / Polyphile! schütze / beschütze diese / der Weißheit und Tugend-Kunst Cron: Lasset auch ferner uns klingen und singen / Säiten und Lieder lasst singen und klingen. 6. Bringt Geschencke / damit ihr verehret diesen / der Ehrens verehrens ist werth: mehret die Gaben dem / der euch vermehret / gebet / was er ihm zu geben begehrt / Lasset zu Ehren erklingen und singen / Säiten und Lieder last singen und klingen. Nach geendigtem Säitenspiel / fieng Atychintida folgender Gestalt an: Alleredlester Polyphile! der schuldige Danck / damit wir allesamt euch verpflichtet leben / solte mich nicht nur von meinem Thron / sondern / so es müglich wäre / meiner Königlichen Würden zu vergessen / gar vor eure Füsse legen. Dann daß ich eine Königin bin / habt ihr wieder erworben /und daß ich wieder ein Mensch bin / hab ich eurer Würde zu dancken. Womit soll ich aber unvergleichliche Wolthaten vergelten? Was kan ich geben / das ihr nicht / als eurer Hoheit unwürdig / verwerffet? Ruhm gebieret eure Tugend; Liebe erheischet die Kunst / deren der gnädige Himmel alles gegeben. Mit irrdischen Gaben himmlische Verdienst zu verehren /heisset / Koht vor Gold bezahlet. Menschlichen Danck an Göttliche Hülf zu setzen / heisset / die Erde dem Himmel gleichen / und die Ehre mit Schande mehren. Ach daß doch die Unsterbliche / denen wir vor so mannigfaltige Gaben Preiß geben / auch dieses verliehen hätten / daß wir euren Ruhm nach Würden erheben / eure Kunst nach Gebühr rühmen / und euren Verdienst mit würdigem Danck versetzen könten! Aber der Danck wird anjetzo die Unmüglichkeit mehr entschuldigen / als sich selbst erheben müssen. Nun dann so seyd zu frieden / Tugend-bereichter Polyphile! mit dem / was wir können / weil wir doch nicht können / was wir wollen; und schätzet die Werck /aus dem Willen / so werdet ihr / durch den Willen /die Schwachheit der Wercke bekennen. Diese Seele /die durch euren Arm lebet / soll euch / weil ich lebe /ehren; und dieser Leib / der durch eure Errettung übrig ist / soll euch / so lang er ührig ist / dienen: was diese Augen sehen / da soll das Hertz Polyphilum / ja den edlen Polyphilum / preisen: was diese Ohren hören / da soll mein gantzer Sinn Polyphilum / ach! den edlen Polyphilum / erheben. Was diese Zunge redet / da soll mein Mund Polyphili Lob vermehren /oder so es nicht zu vermehren ist / stärcken: und so es nicht zu stärcken / bewähren. Alles das / was ich bin /und was um und bey mir ist / soll sich willig / ja schuldig erkennen / euch / unsern Erlöser / zu preisen / unsern Freund zu lieben / und unsern Herrscher zu bedienen. So nehmet hin / ruhmwürdiger Polyphile! meine Hand / die euch ewige Dienste verspricht; nehmet mit der Hand das Hertz / das mich / in solcher Demut / vor euch niderlegt; und / wie ihr sehet / daß alle diese / mit tieffster Ehrerbietung / nur euch zu dienen begehren: also nehmet auch deren Willfährigkeit an / und befehlet / worinnen sie gehorsamen sollen. Daß ich aber nicht blosse Wort führe: sondern den Schluß meines Hertzens / im Werck erfülle / so nehmet an das Zeichen unsers Gehorsams /und erkennet die Demut / durch diß Geschenck /damit ich euer Haupt umwinde / als den Sieger / und euren Leib ziere / als den Tugend-Beherrscher / den Danck aber preise dieser Kuß; mit welchen Worten /sie ihm einen Hut auf das Haupt setzete / und einen Ring an den Finger / dem Mund aber einen Kuß gab /Ehre / Freude und Danck dadurch zu deuten. Nach dem wurde eine grosse Meng köstlicher Kleinodien und Edelgesteine herzu bracht / auch allerhand Arten der Ringe / güldene Ketten / und was sonsten zum Geschenck tüchtig erkandt wird / welches die Königin / mit diesen Worten / dem Polyphilo darreichte: und diese Wenigkeiten nehmet an zur Bezeugung verdienter Ehr / die wir nicht anderst / als mit dergleichen Gaben krönen können / und erweiset uns /so wir bitten dörffen / die grosse Gunst / bey uns zu bleiben / biß euch das Glück / wohin ihr verlanget /mit vollen Freuden führe. Hat uns aber der Himmel so hoch begnädiget / daß wir unsre Zeiten / durch eure Beywohnung / ewig beglücken können / bitten wir aufs schönste / unsere Freud / durch die Abreisen /nicht zu verstören / dann wollen wir mit immerwährender Bedienung erweisen / wie willig wir seyn zu vergelten / was uns menschliche Unvermögenheit zu erwiedern versaget. Nach diesem wandt sie sich gegen Melopharmis /mit diesen Worten: Ihr aber / Melopharmis! um derent willen wir dieses alles leiden müssen / werdet vergnüget seyn mit dem / was Polyphili Hand wiedergeben / und werdet die erzürnte Götter vor uns bitten helffen / daß sie / durch eure Befriedigung / auch ihren Zorn ablegen / und uns hinführo in Gnaden ansehen mögen: so sollt ihr vergewissert leben / daß ihr nicht allein unter unserm Schutz sicher ruhen / sondern in höchster Gnad / neben mir und meinem Thron sitzen werdet / und mehr geniessen / als die verdammte Cacogretis hoffen dörffen. Zum Zeugnus dessen /nehmet auch ihr diß Geschenck von meiner Hand /und verwahret es zum Zeichen meiner Gnad und eurer Ehr: Bittet auch von mir / so ichs habe / soll es euch werden. Und euer Sohn / den ich / mit eurem Willen /auch meinen Sohn nennen kan / soll durch euch /seine Lebens-Mutter / meine Brust saugen / und meine Vorsorg schmäcken / so will ich eurer beiden pflegen. Ehre genug vor einen Schäfer / und überflüssig vor eine Zauberin. Diese hatte / was sie gesuchet: Polyphilus aber beantwortete die Red der Königin folgender Gestalt: Hochseligste Königin! die Freude / so E.M. also reden heisset / entschuldiget / vor dißmal /den grossen Fehler / den sie durch die ungeziemte Demut begehet. Ich soll dienen / sie herrschen. Daß sie aber mir diese Ehre zuschreibet / halt ich vor eine hohe Gnad / welche / nicht mit Gegen-Gnade / sondern mit Demut zu erkennen. Mein ist / die Gnade zu nehmen / E.M. aber zu geben. So wolle sich / bitte ich / E.M. bedencken / daß sie dero Freudigkeit zu viel nachgeben / indem sie ihr Leben / in meine Errettung / und ihre Seele / in meine Hände setzet: welches Lob ich nicht verdiene / noch annehme: will sie aber meiner Schwachheit auch etwas zuschreiben / so gebe sie ihr den Ruhm / daß mich / vor andern / die Gütigkeit der Unsterblichen / solche Erlösung zu vollbringen / erwählet. Das aber verdienet nicht mir / sondern fordert vielmehr von mir Danck / welchen E.M. mit so vollen Strömen / auf mich ausgegossen. Auch ist die Ehre / so mich zieret / nicht mein / sondern dessen / der mich durch sich geehret: welchem nach ich den Hut mit dem Ring aufnehme. Den Kuß halt ich vor ein angenehmes Zeichen / E.M. hohen Gnad / befinde mich auch dadurch / gegen derselben / in tiefster Unterthänigkeit / zu allem Gehorsam verpflichtet. Und weil mir viel mehr obliegen will / die sondere Ehr / mit einem ewigen Danck zu ersetzen / als geb ich lieber diese Seele / diesen Leib / und was ich vermag / dann daß ich jenes nehmen / oder begehren solte. Anlangend diese hochgeschätzte Gaben / nehm ich zwar nach Schuldigkeit / zum Zeichen unverdienter Gnade an / allein mit dem Beding / daß ich selbige / mit unterthänigsten Danck / hinwider E.M. zu meinem / und nicht so wohl meinem / als der / durch meine Schwachheit / erworbenen Freuden-Gedächtnüs / darreichen / und dem gütigen Himmel zum ewigen Danck-Mal allhier nidersetzen darff. Dann diesem allein gebühret der Lohn / was hie erworben. Ich bin zu frieden mit dem / wann ich mich E.M. Gnade versichern / und das erhalten kan / daß sie mich / mit einem seligen Wunsch / von hinnen lassen. Atychintida antwortete / daß sie nicht gestatten wurde / weder die Abreise so zeitig zu fördern / noch die Geschenck hinter sich zu lassen; allein Polyphilus ließ sich nicht überreden / weil sein Hertz den Leib nach sich zog: biß Melopharmis / nach abgelegtem Danck / gegen der Königin / anfieng: Polyphilus wird schon bleiben müssen / wann wir ihn nicht lassen. Das Geschenck aber hat er billich zu Gottes Ehr geordnet / dahin es auch muß gewendet werden: Doch solt ihr / edler Polyphile! diesen Stein mit euch führen / dessen ihr möchtet benöthiget seyn / wann ihr zu Deliteen kommet / um etwas von eurem Siegs-Preiß mit zubringen. Das sagte sie zwar mit lachendem Munde: aber Polyphilus konte den lautern Ernst bald greiffen. Nach dem nun dieses verrichtet / und die Königin ihren Schatz wieder in Verwahrung nahm / damit Melopharmis Rath / und Polyphili Wille erfüllet würde: wurden dem Polyphilo zu sondern Ehren / nachfolgende Gesetz mit Einstimmung vier hell-klingenden Lauten / und einer hochsingenden Menschen-Stimme /abgespielet / weil er noch auf dem Thron saß: Solten nicht unsere Sinnen sich freuen / solte nicht alles / was freuen sich kan / Heute mit Wonne die Hertzen verneuen / heute / da Freude die Ehre stellt an: Solten nicht unsere Lauten erklingen / und dem Erretter zu Ehren eins singen. 2. Das will die sonsten gebührende Pflichte / das fordert selbsten der schuldige Danck: dem zu gehorchen / die rechte Gerichte wählen / erwählen den willigen Zwang / Daß jetzund unsere Lauten erklingen / und dem Erretter zu Ehren eins singen. 3. Drum so / Polyphile! bleibe beschönet / wie du dich selbsten beschönet heut hast: Und wie die Crone des Sieges dich krönet / weil du erdrücket die drückende Last: Also auch sollen die Lauten jetzt klingen / und wir Polyphili Ehre besingen. 4. Nicht wir alleine: wer Tugend verstehet und wer die Schätze der Weißheit erkannt / der muß dich loben: weil keines vergehet / beydes bewähret die mächtige Hand: Deren zu Ehren wir dieses jetzt singen / deren zum Ruhme die Lauten erklingen. 5. Auch zeugen deine lobwürdige Sitten deiner Bescheidenheit höfliche Werck / daß deine Tugend die Würde beschritten / die deine Ehre mit Lobe verstärck. Drum auch so sollen die Lauten jetzt klingen / und dir zu Ehren die Ehre besingen. 6. Unser Gefängnus / das du hast entbunden / gibt dir ingleichen den würdigen Preiß / weil es hat feinen Erretter gefunden / nun es den Helffer / Polyphilum / weiß: Drum auch so sollen die Lauten erklingen / und dem Erretter zu Ehren diß singen. 7. Selbsten die Freude / so in uns sich hebet / fället hinwieder / zu dienen dir / hin; weil durch Polyphili Leben / was lebet / lebet und stirbet / im gleichen Gewinn; Drum auch so sollen die Lauten erklingen / und dir / Polyphile! dieses jetzt singen. 8. Ja / ja! so wirst du von allen beehret / Liebster der Lieben! von allen gerühmt: ich / wir und alle / die alle vermehret / deinen Ruhm mehren mit Ehre verblühmt: Lassen die klingende Lauten erklingen / weil wir dir dieses zu Ehren jetzt singen. 9. Nun dann so lebe im glücklichen Leben / ehre die Ehre / so heute dich ehrt. Gott wird gedoppelt dir wieder das geben / was du durch deine Erlösung beschert. Unsere Saiten das wünschen und klingen / weil sie Polyphili Ehre besingen. Nach vollendetem Gesang / giengen sie wieder heraus in den Saal / und verderbten die Zeit mit allerhand kurtzweiligen Gespräch: sonderlich muste die verborgene Macarie / unter dem Namen der Deliteen viel leiden. Von der wir nun auch etwas melden müssen / ehe wir mit Polyphilo weiter gehen. 2. Absatz Anderer Absatz Beschreibet die Zeit-Verbringung / der biß daher bekümmerten Macarien / und wie Polyphilus bey derselben ärgerlich verleumdet worden: Lehret den ersten Anstoß / welcher die Tugend-Verliebte zu bestreiten pflegt / nemlich / Verleumdung. Diese schwebete zwischen Furcht und Hoffnung / und kämpffete immer fort mit der bestreitenden Liebe /weil sie das angenehme Joch der Einsamkeit / so sie gar vor ein Kleinod der Freyheit halten dorffte / mit der Liebes-Tyranney nicht verwechseln wolte. Bald gedachte sie an die spielende Augen Polyphili / bald an das seufftzende Hertz / und wieder bald an die zwingende Freundlichkeit / so sie in die Bestrickung geführet. Wann sie seine höfliche Bezeugungen bey sich überlegte / gedachte sie alsobald / er ist würdig /daß er geliebt werde. Erinnerte sich denn das schöne Hertz seiner heimlichen Pein / und wie viel er um sie erlitten / wurde sie in ihr selbst überzeuget / daß er ihre Liebe aus Schuldigkeit fordere: doch hielt mehrmaln das Gelübd der Einsamkeit ihren Willen starck zuruck / und die Forcht / so alle Liebe mit sich ziehet / verursachte ingleichen keine geringe Enthaltung. Jetzt betrachtete sie die Eigenschafft der Liebe / was sie aber darinnen fand / das verstärckete die Einsamkeit. Jetzt die Unbeständigkeit derselben / die auf einem zerbrechlichen Grund bestehe / und falle / wenn man sie am beständigsten achtet. Jetzt die Grausamkeit derselben / die zwar anfänglich süß locke / aber nachmals mit Bitterkeit speise. Und wann sie sahe /daß eitel Betrug / Pein / Widerwertigkeit / Elend /Verachtung / in der Liebe sey / hätten tausend Seufftzer Polyphili nicht so viel vermocht / daß sie die Einsamkeit gesegnet. Bald fielen ihr die Gedancken bey /daß die Liebe / wegen der Wollust / lasterhafft; wegen des Neids / verhässig; wegen der Forcht / schmertzhafft; wegen der Lust / verführisch / und wegen der anklebenden Widerwertigkeit schädlich sey / welches Dencken auch sie widerwärtig machte. Bald hielt sie das freye Leben in der Einsamkeit entgegen der Dienstbarkeit / in der Liebe / und erwählte ihr den köstlichen Schatz der Freyheit. Ach! sprach sie bey sich selbst / in was Vergnüglichkeit leb ich doch: solt ich nun dem Verlangen dienen? mit nichten. In was Zufriedenheit bin ich versetzt: solt ich nun Unruh suchen? mit nichten. Wie wol ist meinem Hertzen / in ungebundener Freyheit: soll ich mich muthwillig unter ein Joch begeben? In Ewigkeit nicht. Weiß ich doch /daß die Liebe sey eine Dienstbarkeit; weiß ich doch /daß die Liebe sey eine Unruh / und nichts als Schmertzen nach sich ziehe: Warum soll ich mich selbsten verderben: Wer liebet / muß Leid vor Freude / Pein vor Erquickung / Hoffnung vor Trost / erwählen. Eine Freud wird dem Liebenden mit tausend Schmertzen versaltzen / eine Erquickung mit noch so viel Schrecken verbittert / ein Trost mit hundertfältiger Verzweifflung vernichtet. Warum solt ich mich dann so versehen? Noch mehr wurden diese Gedancken vermehret / wann sie die Person Polyphili gegen die ihre rechnete. Seine flüchtige Jugend erweckete in ihr Zweiffel an allem. Seine Reden wolten blosse Höflichkeit heissen / seine Geberden dorffte sie eine angeborne Freundlichkeit nennen / seine Seufftzer einen nichtigen Schertz grüssen / und all sein Thun ohne Nachdruck urtheilen. Gleichwol / wann sie hinwieder an die Träume / an die Schrifft / an die wunderbare / und / so zu reden / selbst von Gott versehene Zusammenkunfft sich erinnerte / mochte sie sich der Liebes-Gedancken nicht gar entschlagen. Da mahleten ihr die zarten Sinne das Bild Polyphili vor die Augen; da stelleten ihr die verwirrete Gedancken die Wort Polyphili vor das Gedächtnus; da rieff das gefangene Hertz die lieb-winckende Augen Polyphili wieder zu sich / daß sie bey sich gedachte: ich muß dich doch lieben / allerschönster Polyphile! Ach! warum hab ich dich gesehen? bist du dann / mich durch deine Freundlichkeit zu fangen / daher kommen? Was werdet ihr / ihr unsterbliche Götter! über mich beschliessen / wann ich euch mein Gelübd nicht bezahle? was werden meine Bekandte sagen / wann sie vernehmen /daß Macarie verliebt ist? wie ists müglich / daß ich in einem Augenblick so verkehrt worden? Ach! edler Polyphile! sind eure Strick so starck / daß sie mich auch in Abwesenheit halten / so muß ich freylich erfahren /daß die Liebe an keinen Ort gebunden / und die Hertzen der Verliebten / mit dem Leib / nicht gleiche Wege gehen. In diesen und dergleichen Gedancken verbrachte die mehr bekümmerte / als verliebte Macarie / die Zeit ihrer Einsamkeit / und begleitete mit solcher Liebes-Klage den gleich lieb-verwundeten Polyphilum / entweder ihre Schmertzen zu verbinden /oder durch die verliebte Gedancken-Post dem schmertzgebährenden Hertzen Polyphili einen vermeinten Trost in seiner einsamen Betrübnus / durch solche Erinnerungs-Seufftzer / zu übersenden. Wann sie nun in solchen Gedancken / als in der leid-brennenden Liebes-Flammen / so gar entzündet war / daß das Hertz nicht Wort gnug bilden konte / damit sie ihre widerwillige / und aber auch unvermeidliche Liebes-Neigung beklage oder bewähre /nahm sie die Kunst-klingende Lauten / als eine gewaltige Trösterin verliebter Sinnen / in ihre gelehrte Hände / und spielte darauf / so lieblich / als künstlich. Und wann sie mit solcher unhezüngten Sängerin / in der einsamen Ruhe / gleichsam Gespräch hielt / und der Freude ihres Trostes / nicht ohne Erwählung des Gegensatzes / zuhörte / wiederholte sie zum öfftern /die lieb-zeigende Antwort / mit nachgesetzten Sing-Reimen / die sie mit erhellender Stimm / auf solche Art / abzusingen pflegte: Soll ich dennoch meinen Sinn lencken hin in die bitter-süsse Freud: Können so geschwinde wancken die Gedancken / von der frommen Einsamkeit? 2. Ach! das strenge Liebes-Joch stellet noch stetig meinen Augen für / Was ich vor Gefahr und Plagen / hab ertragen / als ich vor gedienet ihr. 3. Besser ist es einsam seyn / als dem Schein die Vergnügung setzen nach: Und sich unter solche zehlen / die erwählen kleine Lust und grosse Klag. 4. Aber wenn gleich mein Gemüth dieses sieht / sind ich dennoch keine Macht / der Gewalt zu wiederstreben / und zu geben aller Liebe gute Nacht. 5. Ob ich mich schon tausendmal aus der Zahl der Verliebten schliessen will: nimmt doch / Liebster! dein Verlangen / mich gefangen und verrucket solches Ziel. 6. Deine Fessel stärcker sind? liebes Kind! als Verstand und guter Rath: ich muß das bestraffte Lieben dennoch üben / alles Wehren ist zu spat. Wann sie nun mit dergleichen Klag-Worten / in der hefftigsten Brunst sich befand / vermochte doch ein eimger Gedancke / der die Widerwertigkeit der Liebe erzehlte / oder / von der beförchtenden Unbeständigkeit Polyphili / einen Einwurff that / so viel Zweiffel zu erwecken / daß sie von neuem alle Liebs-Bewe gung / als eine Bezauberung der Sinne / aus ihrem Hertzen verbannete. Sie dorffte wohl sagen / daß sie lieber sterben wolle / als eine solche Kranckheit erwählen / welche den gesunden Verstand raube. Sie dorffte wol fragen / wer sie zwingen werde / aus der Sicherheit sich muthwillig in Gefahr zu stürtzen / und ihr Vertrauen auf die blinde Liebes-Neigung zu setzen? Und wann sie an Polyphilum und seine Schmertzen gedachte / fiel ihr dabey ein / daß eben solche Beunruhigung gemeiniglich bey der blinden Jugend sich finde / die aber mit der Zeit / und reiffem Nach dencken leichtlich gestillet / und beherrschet werden könne / wann man sonderlich sich mit andern nutzlichern Sachen beschäfftige / und seinen freyen Willen der richtigen Vernunfft zu gehorsam stelle. Dann /sprach sie in ihrem Hertzen / was ists / das Polyphilus liebet? und durch was befindet er sich so hoch betrübet? Was ists / das auch ich liebe? und woher rühren die durchdringende Schmertzen meiner Seelen? Antworte ich aus Polyphili Mund / so ifts die Tugend /die er in mir zu lieben zeuget: aber solte diese Schmertzen erregen? Ist nicht glaublich. Tugend kan auch geliebet werden ohne mich. Soll ich durch mein eigen Zeugnus reden? Liebe ich an Polyphilo eben das: aber was schmertzet mich dann? O ich thörichte! wie hab ich mich so grob versehen? viel Jahr hab ich nach Tugend gesirebet; aber in einem Augenblick allen Gewinn verlohren. Lange Zeit hab ich Verstand gesuchet: aber in einer Stunde bin ich dessen allen beraubet: und auch du / Polyphile! findest das Böse / in dem du Gutes suchest / erwählest Laster vor Tugend /Thorheit vor Weißheit / und bekennest dich selbst nicht dein mächtig. O Liebe! wer wird dich nach Beschaffenheit beschreiben? Polyphilus liebet Tugend /und erwählet die Laster: Macarie liebet Verstand /und erwählet Thorheit. Was sag ich? Ach! was soll ich sagen? nicht Tugend / nicht Verstand: sondern beyde lieben sie einen reinen Staub / und eine saubere Asche / in ein zartes Häutlein gewickelt / welches doch inwendig / nicht ohne Abschen / zu sehen / wie herrlich es auch aussenher scheine. Schönheit lieben sie / das ist / eine eingebildete Betrüglichkeit / und eine betrügliche Vergänglichkeit / und eine vergängliche Nichtigkeit. Nun erst erkenne ich deine Gewalt /O Liebe! O Liebe! nun erst erkenne ich deine Gewalt. In diesen Gedancken konte sich die schmertzhaffte Macarie wie lange aufhalten / so gar / daß sie offt eine innerliche Süssigkeit bey ihr empfand / dadurch sie gleichsam Polyphilus / als gegenwärtig / umfassete /und aufs lieblichste hertzete: so war auch Polyphilo offt zu Sinne / wann er sonderlich an seine Macarien gedachte. Es ward aber gemeiniglich diese Süssigkeit / nach der Empfindung / zum Wermuth / in dem sie / mit tieffern Nachsinnen / ihr Beginnen bereuete; sonderlich / wann sie an die verfälschte Welt-Art gedachte / und wie es so gefährlich sey / einen Freund mit Liebe zu erwählen / da man offtermals mehr Feindschafft erwerbe / und Anlaß zu vielen Lastern überkomme; welches sie dann offtermals in solche kümmerliche Gedancken setzete / daß sie Zeit und Weil zu kürtzen / auch ihr von der Liebe befreyetes Leben zu bezeugen / vielleicht auch ihr Hertz / aus solche Art / in dem Vorsatz der Einsamkeit zu verwahren / etzliche schöne Gedicht verfertigte / von denen wir eins hieher setzen wollen / folgendes Innhalts: Wiewol ich offt und viel mich pflege zu bedencken / was doch das beste sey? Ob ich mich solle lencken / als wie die meisten thun / zu dieser Erden-Freud? so geht doch allemal der Schluß zur Einsamkeit. Dann was gedencken wir doch in der Welt zu finden / die voller Müh und Angst / die voller Schand und Sünden / und gantz verderbet ist? was suchen wir da Ruh / wo nichts als Unruh ist? wir lauffen diesen zu / Die voller Lust und Freud auf breitem Wege rennen / zur Höllen-Pforten hin / und nimmermehr er kennen die schmale Tugend-Bahn; viel besser ists / allein auf djesem engen Weg in Himmel gehen ein / als in Gesellschafft stehn der Laster-vollen Hertzen / die zum verdienten Lohn habn den verdammten Schmertzen; Bedencke doch mit mir / wer Kunst und Tugend liebt / was diese schnöde Welt vor kalte Freude gibt; und was man doch in ihr soll für Gesellschafft suchen? Die meinsten höret man / an statt des Betens / fluchen / da muß die Heucheley an statt der Tugend seyn / und ist die Gottesfurcht offt nur ein falscher Schein. Da muß man Haß und Neid / an statt der Liebe / schauen / und wie sich niemand Gott will / ohne Geld / vertrauen / so lang das Glücke lacht / hat jederman viel Freund / im Fall es aber wanckt: so sind sie lauter Feind. Und da man einen vor pflegt tief-gebuckt zu grüssen / will man hernach von ihm nichts hören oder wissen. Geht man mit Alten um / so wünschen sie allein / daß sie um etzlich Jahr noch möchten jünger seyn / nicht etwa Guts zu thun: nein / sondern reich zu werden. Garwenig sehnen sich mit Seufftzen nach der Erden / und fragen nach dem Tod: der doch ist nimmer weit. Fährt man den Jungen zu / so find man Eitelkeit. Der suchet seinen Ruhm in prächtigen Bekleiden / und jener wirbt um Ehr durch Streit und anders Leiden / es hoffet dieser / groß zu werden durch die Kunst / ein andrer setzt das Glück auf seiner Liebsten Gunst. Viel macht das spiel en reich / ein Theil ergötzt das Trinkt / und keiner glaubt / daß bald der Tod ihm könne wincken vor Gottes Richter-Stul. Will man bey Hohen seyn / so höret man sie nur von ihrem Adel-Schein; von ihrer Ahnen Zahl / und dem Geschlechte sagen; deßwegen sie nach Gott und Himmel wenig fragen. Geringe klagen auch / sie werden nichts geacht; und dennoch sind sie nicht auf Tugend Kunst bedacht / die alles übertrifft. Gesellt man sich zu Reichen / so meynen sie so bald / ein jeder müsse weichen vor ihrem schnöden Geld: es ist der theure Koht bey ihnen mehr geacht / als aller Dinge Gott. Die Armen höret man stets über Mangel schreyen / doch pflegen wenig sich auf Tugend-Glück zu freuen / wo lauter Uberfluß. Der Krancke sucht allein Gesundbeit seinem Leib / und wieder starck zu seyn. Vom Tod und Grabe will nicht gern ein jeder hören; Gesunde lassen sich von Wollust gantz bethören. Wer solte / frag ich dann erwählen solche Freud / die in Gesellschafft ist? Und nicht der Einsamkeit ergeben Hertz und Sinn? Ich laß ein jeden wählen / was ihm belieben mag; doch hoff ich nicht zu fehlen / wann ich Gefallen trag an Einsamkeit und Ruh: Darum ich sicher bin / und andern sehe zu / die Tag und Nacht bemüht sind in den schnöden Sachen; ich lern / an dessen statt / die Eitelkeit verlachen / und gleich gesinnt zu seyn / in Glück- und Unglücks-stand / zu bleiben in Gedult / wann uns der Götter Hand schickt Leid und Kummer zu; ich lerne stets vernichten / Geld / Ehr und Lust der Welt / und meinen Sinn zu richten hinauf und über uns / wo wohnet unser Gott; ich halte stetig mich bereitet / wann der Tod wird bey mir klopffen an / ihn freudig zu empfangen / und gern zu folgen nach; dann da werd ich gelangen / zur hochbeglückten Schaar / wo tausend Lust und Freud in Ewigkeit wird seyn: Hier bleibt die Eitelkeit. Wie es nun gemeiniglich zu geschehen pflegt / daß wir dessen am wenigsten geniessen / was wir sehr verlangen: Gleich so gieng es der schönen Macarien /daß sie je länger je mehr in die Liebe versencket wurde: biß bald hernach das Unglück / Polyphili Freud zu verstören / wiederum zu wüten anfieng. Denn da das vielzüngige Gerücht / die Ersäuffung Polyphili / in die benachbarte Ort getragen / und unterschiedliche Bedencken von den Ursachen erwecket /haben deren nicht wenig / weiß nicht durch was Verständnus / den Tod Polyphili seiner allerliebsten Macarien zugeschrieben. Dessen dann nicht lang hernach das gantze Land voll worden / und das offenbahre Geschrey aller Orten erschollen / Macarie sey Ursach an dem Tod Polyphili. Das war die erste Abwendung. Diesem folgte ein anders / das noch viel mächtiger war. Dann weil Polyphilus denen Einwohnern der Insul / durch die vermeinte Schuld an dem Tod Philomatbi verhasset war / und sonderlich denen / die des ertödeten Vertrauteste waren / namen sie aller Orten Gelegenheit / die Ehre Polyphili zuschänden / und seine Unschuld zu beschulden. Nun begab sichs / daß einer aus denselben / Namens Pseudologus / in unvermutheter Begebenheit /mit Macarien Gesprach hielt / und unter andern von Polyphilo / dem Mörder Philomathi / solche Wort führete / die dem aufrichtigen Hertzen / der getreuen Macarien / nicht wenig Schrecken verursacheten. Denn die beste Tugend / so an Polyphilo zu rühmen /wäre Falschheit: sagte der falsche Pseudologus; und das köstlichste Werck / so ihn berühmt mache / sey Betrug. Und solches wuste er durch die verzweiffelte Ersäuffung so meisterlich zu erweisen / daß Macarie /auch wider ihren Willen / seinen Worten Glauben geben muste. Was nun Macarie muß gedacht haben / kan ein jeder leicht schliessen. Weg mit Polyphilo; das war der erste Wunsch: Alle Liebe wurde aus ihrem Hertzen vertrieben / und der Haß wider Polyphilum wurtzelte so tieff / daß sie seiner gantz vergaß / und nichts mehr wünschete / als daß sie ihn nimmer sehe. So viel brachte der verlogene Pseudologus zu wegen. Wann sie aber die Manigfaltigkeit des umschweiffenden Geschwätzes betrachtete / hätte sie gar wünschen mögen / daß sie Polyphilum nie gesehen. Weil sie nicht wenig bekümmerte / daß sie ohne Ursach und Verdienst / solche Wort hören / und von ihr solte reden lassen. Alles halff darzu / daß die Liebe in Macarien vertrocknete. Wiewol sie hernach bekennen müssen / daß die Zeit / da sie Polyphili vergessen wollen / an statt der Liebe / eine solche Furcht ihr Hertz beherrschet / die sie selbst nicht erdencken können / wem sie zu gleichen. Da wir aber das Urtheil fällen solten / würde der Schluß / auf eine verborgene Liebe hinaus gehen. Die übrige Zeit verbrachte Macarie / in ihrer erwählten Einsamkeit / mit Seufftzen und Beten. Forschete auch / nach Gelegenheit der Zeit / in den Wundern der Unsterblichen / und wie diese Welt / von dem allwaltenden Himmel / so weißlich regiert werde: überlegte dagegen die Boßheit der Menschen / bey sich / darzu dann Polyphili Beruff nicht wenig Beförderung gab: preisete sich auch seelig / daß sie von der grossen Gefahr / darein sie sich bald gestürtzet / so zeitig erlöset worden / und nahm ihr für / nunmehr sich / durch keine Verführung / von ihrem Vorsatz /abwenden zu lassen / sondern alle Lust nach Müglichkeit zu meiden / weil sie ohne das erkenne / daß alles ein falsches Wesen und vergängliches Werck sey / und die Betrübnus auf dem Fuß nach sich ziehe. Auch verstärckete diesen Vorsatz nicht wenig die Betrachtung der Eitelkeit / beneben welcher / aus folgendem schönen Gedicht / (das sie / gleich dem Vorgehenden / selbsten verfertiget /) wird zu erkennen seyn / wie weit sie ihre Gedancken von aller Liebes-Lust entwehnet / und auf Tugend ihre Begierde gegründet. So aber hat sie geschrieben: Wir Sterbliche lassen uns leichtlich betrügen des schmeichlenden Gückes holdselige Blicke: Und sehen nicht dessen betrügliche Tücke / biß daß wir mit Schmertzen darunter erliegen / und endlich erkennen / daß alle die Freude / auf die wir gehoffet / nur Kummer und Leide / verdrüßliche Reu und Hertzenleid sey. Zwar pfleget sich alles vergänglich zu zeigen: bald zieren die Blumen die grünende Matten / es geben die Bäume beliebigen Schatten: Doch alles der traurige Winter kan neigen / der machet die Berge / die Bäume begrauen / beraubet und blöset die Hügel und Auen. und giebet vor Klee / nur Kälte und Schnee. Bißweilen beginnet der Himmel zu lachen / und frölich die güldene Sonne zu zeigen / doch eilig muß selbige wieder sich neigen / man höret die Wolcken vom Donner erkrachen / die leuchtende Blitze / die rollende Winde / der glatschende Regen verjaget geschwinde / die Hirten im Feld / und schröcken die Welt. Das Meer ist zu Zeiten gantz ruhig und eben; die schuppichte Fische sich spielend erweisen; die fichtenen Häuser gantz sicher bald reissen: bald pflegen sich brausend die Wellen zu heben / es stürmen die Winde noch selbige Stunde / und stürtzen die wanckende Segel zu Grunde; So lohnet mit Weh die grimmige See. Dieweil wir dann nirgend Beständigkeit finden; so wähl ich die Tugend die nimmer erlieget / und lache des Glückes; dann der sich betrüget / der meynet demselben die Flügel zu binden; Es führet gleich einem umlauffenden Rade / bald unten im Schrecken / bald oben in Gnade: hier alles vergeht / die Tugend besteht. 3. Absatz Dritter Absatz Beschreibet die Berathung und Anschläg Polyphili /wie er sicher zu Macarien gelange / dazu ihm ein frembder Ritter / Namens Agapistus / bedienlich: Lehret / wie alles / durch klugen Rath / und Bemühung könne gewonnen werden. Nun müssen wir wieder zum Polyphilo kommen /dem wir eine traurige Post bringen würden / so wir den Befehl hätten / was wir wissen / zu eröffnen. Dieser lebte / wegen der Zusag Melopharmis / in höchst-freudigem Verlangen; und wünschete nicht mehr / als die Zeit seiner Erfreuung zu sehen. Deßwegen waren ihm alle Lust-Spiel mehr verdrüßlich / als angenehm /biß die erwünschte Stund kam / da ihm Melopharmis Erlaubnus gab / seinen Abzug zu nehmen. Hie solten wir melden / was Polyphilus die Weil bey Hof gethan / und womit er die Zeit verbracht: aber seine eilige Fahrt auf Soletten heisset uns mit eilen / und dieses mit Stillschweigen vorbey gehen. Doch wollen wir das anhängen / daß er die meiste Zeit mit Dichten und Beschreibung seiner unglückseligen Liebe verderbet /darinnen er eine Linderung der Schmertzen suchte /aber eine schmertzhaffte Vermehrung fand. Wie aus diesen nachgesetzten Versen zu sehen / die er kurtz vor der Verkündigung Melopharmis / im höchsten Kummer und betrübten Verlangen aufgesetzt / dieses Lauts: Ich lieb und liebe nicht: ich hasse / was ich lieben / und liebe wieder das / was ich solt hassen mehr: ich rühme meine Schand / und schände meine Ehr: betrübe meine Freud: erfreue mein Betrüben: ich übe / was ich kan / und kan doch nichts verüben: mein Hertze geb ich hin / und halt es doch bey mir: ich leb und lebe nicht / so lang ich bleibe hier / da ich doch jetzt nicht bin: es haben mich vertrieben die mich gehalten hier: ich bleibe gleichwol nicht / so lang ich bleibe noch: ich spreche / wenn man spricht / daß ich nicht sprechen soll: und klage / ohne Klagen / da nichts zu klagen ist: mein Hertz in mir ist todt / und doch gestorben nie: ich bin in grosser Noht / doch ohne Noht dabey: dahin ich bin geschlagen / fühlt keiner keinen Schlag / auch keiner keine Plagen / da sie am grösten sind: ich fühl nicht / was ich fühl / und thu nicht / was ich thu: ich hör und sehe viel / und weiß doch niemals nichts: was soll ich noch viel sagen? es ist ein elend Ding / wann man da ist verliebt / wo bald das Leid erfreut / die Freude bald betrübt. Nun ists an dem / daß Polyphilus / seinen Schmertzen zu verbinden / den Anblick der schönen Macarien suchet / und sich allbereit mit tausendfältiger Ergötzung / die ihm seine hoffende Sinnen vormahleten /erfrischet. Alles Dencken war einig dahin gerichtet /wie er sicher auf Soletten komme. Deßwegen er Melopharmis / von allem Bericht einzuholen / ersuchte /diese wiederbrachte ihm / daß er näher bey der Insul sey / dann er vermeyne / so gar / daß ihn ein schnelles Pferd / in wenig Stunden / dahin führen könne / und er noch heuterlangen / was er so lang zu erlangen verlanget. Wer war erfreuter / als Polyphilus: Die Fülle seines Hertzens ergoß sich / auf wunder-viele Weiß / durch den jauchzenden Mund / mit den frohen Gedancken: jetzt wirst du bey Macarien seyn! Es war auch die verneuerte Lust so vollkommen / daß er aller Furcht und Betrübnus auf einmal vergaß / und sein gantzes Hertz in frölicher Empfindung weidete. Aber Melopharmis /welche in diesem Fall vorsichtiger wandelte / hielt ihn von seiner Begierde / durch die Erinnerung dessen /was er bey den Inwohnern der Solettischen Insul zu beförchten / zu ruck / daß Polyphilus sich eines bessern besinnen / und sich nach der Erlösung nicht wiederum in freywillige Gefängnus stürtzen wolle / weiln allerdings zu beförchten / so er sich deren gewaltigen Hand wieder untergeben würde / es möchte auch noch anjetzo / die Rach-Begierde / ein blutiges Schwerdt zu sehen erwählen. Auch / fuhr sie ferner fort / ists vonnöthen / daß ihr vorher wisset / wie Macarie gesinnet? ob ihr nicht / durch eure Gegenwart / mehr Zorn als Gunst / erwerbet / und besser sey / sie nicht wieder sehen / als durch ihren Anblick eure Schmertzen mehren / und etwan / durch ihre Widerwertigkeit /mit Spott zu ruck getrieben werden? Das sagte Melopharmis bloß / Polyphilum zu schröcken / damit er der Freudigkeit seines Gemüths nicht zu viel traue / und einen Fehl begehe / da die Vorsichtigkeit höchstnöthig. Aber Polyphilus / den die höchste Noth gar leicht einen geschwinden Rath ertheilen kunte / war fertig / dem Ubel vorzukommen / und sich seiner Freyheit / durch einen Gruß-Brief an Talypsidamum / zu versichern / als der ihm von allem gewisse Nachricht übersenden / und seine Reise mit einem sichern Geleit schützen würde. Der Anschlag gefiel der Melopharmis nicht übel / die ihn ermahnte / solchen eylfertig ins Werck zu richten /und sich an seinem Glück nicht ferner zu hindern: sonderlich / weil er auf solche Art beydes Talypsidamum / zusamt der leid-förchtenden Macarien höchlich uns hertzlich erfreuen würde. Aber es brauchte bey Polyphilo keiner Ermahnung / so eilig nahm er die Feder zur Hand / und verfertigte folgenden Gruß an Talypsidamum: Treu-verbundener Talypsidame ! Ich bin gewiß / daß euch / durch diese Zeilen / der Name Polyphili / in viel widrige Gedancken setzen wird / so gar / daß Furcht / Zweifel und Hoffnung /mit der zufälligen Freud / in eurem Hertzen / einander kräfftig bestreiten werden. Die Furcht wird erwecken die Einbildung einer mördlichen Rach / so ich / an denen Solettischen Inwohnern zu verüben / durch die Unschuld meiner erlittenen Noht / und ihre unbilliche Gewalt / Fug und Recht hätte; auch über das von dem geneigten Glück in so hoch beseeliget bin / daß ich /an statt des Verderbens / die Erhaltung grosser Ehr und Macht / beneben einem herrlichen Sieg / in Königlicher Hoheit / erworben / dessen ich mich nicht weniger / gegen der Solettischen an mir verübten Boßheit zu gebrauchen / Gelegenheit zur Hand nehmen könte. Doch wird diese Furcht / von dem Zweifel / so ihr an mein Leben setzet / gewaltig erdrücket werden / weil die blosse Unmüglichkeit / beneben denen ersäuffenden Wellen / euren Augen viel ehr die Gewißheit meines Todes / als einige Hoffnung des Lebens vorstellen wird; bevorab / da das Herz viel lieber und sicherern Glauben gibt dem / was die Augen gesehen / als dem jenigen / was es / durch anderer Erzehlung / vernommen. Da ihr aber / Liebster und bester meiner Freunde! den theuren Schatz unserer Gewogenheit / und das geliebte Hertz eures Polyphili besinnen werdet / wie die mächtige Würckung eures Verlangens / eine bevestete Hoffnung; die Hoffnung aber eine selige Freud erwecken dadurch ihr / mit der verlangten Macarien / deren Tugend und Vollkommenheit / ich noch immer fort / ja je länger je mehr in meinem Hertzen ehre / meiner Zaghafftigkeit / durch ein sicheres Geleit / ein Hertz machen / und meinen Füssen / die ihren Lauf / mit brünstiger Begierde / auf euch zu richten / die freye Bahn eröffnen / daß ich ohne Verhinderung hin und wieder ziehen dörffe. Meine Macarie aber / ach! die edle und unschätzbare Macarie! die ich billich die meine nenne / weil ich ihre Tugend zu er wählen / und ihrem Verstand nachzuahmen / keine Gefährlichkeit entschuldige / keine Betrübnus ausschlage / dafern ich nur / um Tugend zu werben / und Kunst zu erlernen /die Herrlichkeit ihrer vollkommenen Würde / hinwider zu sehen / und gegenwärtig zu grüssen / beseeliget werde; Diese meine Macarie wird mir / Krafft ihrer angebohrnen Gütigkeit / den Zutritt und die Bedienung ihrer Hoheit / in der Tieffe meiner Demut nicht versagen / sondern mildiglich gestatten / daß der Tugendverliebte Polyphilus anjetzo geniesse / dessen ihn das feindselige Glück / vor dem / nicht theilhafftig machen wollen. Sie wird an das Versprechen ihrer Gewogenheit gedencken / und durch die damalige Erlaubnus / daß Polyphilus / als ein Tugend-Werber /sie ferner zu besuchen / bemächtiget wäre / meinem Zutritt den Weg nicht verschliessen / sonderlich / da sie versichert leben wird / daß ich ihre Tugend ewig ehren / und ihren Verstand mit einem immergrünenden Lob bekrönen will: in welcher angenehmen Bemühung ich dieselbe auch jetzo mit einem schönen und lieben Gruß / durch euren Mund verehre / und mein Verlangen / sie mit nechsten zu sehen / ankünden lasse. Werde ich nun diese Freyheit erhalten /wird nicht allein alle Rach / so zwar mein Hertz beschlossen hatte / durch die Sicherheit meiner Befreyung erleschen / sondern ihr könnet auch ohne Furcht /die Hoffnung mich zu sehen / und meine wunderthätige Errettung / von mir selber mündlich / zuerfahren /durch die unerschöpffte Freude / in eurem Hertzen verstärcken / daß euer Polyphilus lebe / und euren Bericht mit nechsten erwarte / auch diß mit eigener Hand an euch geschrieben / damit zu erweisen / daß er / biß er sterbe / bleiben werde Euer Eyd-Verbundener und getreuer Polyphilus. Die Schrifft war verfertiget: wo aber ist der Uberträger? Die Heimlichkeit ist nicht jederman zu vertrauen / und wünschete sonderlich Polyphilus / daß weder Talypsidamus / noch Macarie / von dem allen ein mehrers verständiget würde / biß er selber gegenwärtig / den gantzen Handel vollkommen erklären könte. Der Ursachen er mit Melopharmis Rath pflegte / wem diese Schrifft zu überbringen unschädlich vertrauet würde. Es begab sich aber / daß eben damals ein fremder Ritter / Namens Agapistus / dieselbe Strassen reisete /und auf Soletten seinen Fortzug nahm. Dieser hatte vorlängst viel wunderbahre Erzehlung / von dem Schloß / das Polyphilus erlöset / vernommen / deßwegen er verursachet / dasselbe durch gewissere Nachricht zu erforschen / und seine Einkehr in solches zu nehmen; weil ohne dem / das Liecht der Sonnen / welches seine Stralen allgemach / den Himmel / mit einer Purpurnen Abendröthe / bemahlen ließ / ihn erinnerte / daß er die Insul Soletten nicht mehr sehen werde /wofern er sich der gefährlichen Verführung / in nächtlicher Finsternus / nicht getrauen wolte. Er folgte der Warnung / und kam vor das Thor / willens / die Racht allda zu verharren: wie auch allerdings geschahe. Denn / nachdem er bey Atychintida angemeldet / und sich des Ritterlichen Ordens bekennet / wurde er alsobald / in Begleitung etzlicher Soldaten / durch die Thor zum Schloß ein / und für die Königin gebracht: wie solches der Ritter-Gebrauch mit sich bringet. Agapistus nahm alsobald Gelegenheit in gehorsamer Demut / die Hand zu küssen: Atychintida versicherte ihn hingegen ihrer Gnade / legte auch ingleichen den Danck ab / daß er / unter ihrem Schutz / das Nacht-Lager suchen wollen: dagegen Agapistus versetzte /daß er die grosse Künheit / deren er sich dißfalls gebrauchet / allergehorsamst zu entschuldigen hätte /auch um gnädige Vergebung seiner begangenen Grobheit zu bitten: und was dergleichen Höflichkeiten mehr waren. Als nun / nach abgelegtem schuldigen Gruß und Danck / die Königin den fremden Ritter / mit einem Sitz verehrete / und ferner zu fragen anfieng / woher er käme / und wohin er gedächte / auch dagegen vernahm / wie er gen Soletten eilete / ward sie hoch erfreuet wegen Polyphili / der zum wenigsten Gelegenheit überkommen würde / die Macarien mit einem Gruß zu erfreuen / und den Danck zu übersenden / vor die mithelffende Hand / welche / samt Polyphilo / die Erlösung erworben. Deßwegen sie / vergessend ihrer Königlichen Würden / vor grosser Freud / eilig aufstund / Agapistum denen Anwesenden / nach gebührender Ehre zu bedienen / Befehl gab / und mit flüchtigem Lauf zum Polyphilo kam. Dieser rathschlagte noch immer fort mit Melopharmis / konte aber nichts errathen. Und da sie die Königin / mit solcher Geschwindigkeit / auf sie zu eilen vernahmen / wurden sie dermassen erschräcket / daß Melopharmis derselben entgegen und zu Fussen fiel /mit der furchtsamen Stimme: Glück sey mit euch und uns / allerdurchleuchtigste Königin! und treffe kein Unfall unsre Freude! deßgleichen Polyphilus / der durch die ungewohnte Eilfertigkeit nicht weniger böses beförchtete / beugete sich / in aller Demut /gegen der Königin / bittende um die Eröffnung ihres Schreckens. Darauf die Königin anfieng: keines Schreckens / sondern einer grossen Freude / die euch /Polyphile! mit uns betrifft. Es ist ein fremder Ritter bey uns ankommen / der morgen auf Soletten gedencket / durch welchen wir bey Macarien / eurer Mithelfferin / den schuldigen Dank ablegen können. Wie freudiglich Polyphilus erschrocken / kan jederman leicht schliessen; die Begierde mit dem Ritter zu reden / zog ihn der wiederkehrenden Königin / auf dem Fusse nach / deßgleichen auch Melopharmis /und da sie in das Zimmer kamen / bewegte der erste Anblick dieser beyder edlen Jüngling / deren jeder sich selbsten / in des andern Augen sehen konte / die Hertzen dermassen / daß / gleich wie Agapistus / also auch Polyphilus / mit hohem Vertrauen / und hertzbrünstiger Liebe entzündet ward / und ein jeder nichts mehr verlangte / als mit dem andern in genauere Verbindnus zu tretten. Dieses verstärcketen nicht wenig die höfliche Reden / so sie gegeneinander mit so gezierten Worten führeten / daß beyderseits ein kluger Verstand / und eine gelehrte Zung gar leicht zu verstehen war. Sonderlich drehete Polyphilus seine Wort dergestalt / daß sich Agapistus höchlich verwunderte /wie er sein Begehren mit so verdeckter Entbergung ihm wissend machen könne. Und da Polyphilus / nach lang-gepflogener Unterredung allein bey Agapisto zu seyn / wünschete / auch so bald Gelegenheit suchete /mit Vorwenden / daß er ihm die ergötzende Gegend /wie sie ihm von Melopharmis sey gezeiget worden /gleichermassen vorlegen wolle führete er den Ritter /mit sich / auf die Zinne des Schlosses / von dannen Polyphilus seine Augen auf den Mohren Berg konte spielen lassen / und zeigte ihm / neben diesem / alles was das Gesicht erfüllen / und das Hertz erfreuen konte. Als sie aber durch vielfältiges Gespräch fast bekandt wurden / und Polyphilus das gantze Hertz Agapisti zu kennen meynete / fieng er mit diesen Worten an / ihn zu besprechen: Edler Ritter! die Aufrichtigkeit eures Gemüths / so ich aus euren vertrauten Reden / und sittsamer Bescheidenheit ohnschwer schliessen kan / beweget mich dermassen / daß ich nichts mehr / dann eure Freundschafft verlange /nichts hefftiger / als eure Gewogenheit / wünsche. Zwar darff ich mich nicht zehlen unter den Ritterlichen Orden / weil ich ein Schäfer / und meine Begierde nicht so wohl die Waffen / als Tugend liebet: doch dennoch / weil mich mein freyes Gemüth gleich so fertig in einen Sattel / als hinter das Pult hebet / allwo die Kunst durch Tugend / und Tugend durch Kunst erworben wird: hoffe ich / ihr werdet euch meiner Bitte nicht widersetzen / angesehen / die Pindus-Ritter selbsten denen Waffen-trägern zum öfftern nit nur gleich geschätzt / sondern wohl gar so ferne vorgezogen werden / als weit die Kunst der Gewalt / und die Tugend der Grausamkeit vorgehet. Wolt ihr demnach / edler Ritter! auch unter die gerechnet seyn /welche den Ritters-Adel zugleich durch Kunst und Waffen erwerben / oder durch Tugend erhalten: werdet ihr auch mich zu eurem Freund aufnehmen / wann ihr mich erkennet / daß ich meinen Willen in allen zu üben / und mein Glück / da es von nöthen / so wohl auf gewaltige Art / eines Blut-erzwingenden Gewehrs / als gelinde List der Tugend / zu schützen bereit sey: deßgleichen ich auch von euch mir verspreche. Diese Red entzündete das Hertz Agapisti mit einer solchen Freudigkeit daß er mit höchster Ehrerbietung / sich gegen Polyphilo neigte / und sich selig schätzte / daß ihn die Glück-gönnende Versehung der Unsterblichen / zu seinem bessern Nutzen / daher geführet. Dann / sprach er / edler Polyphile! euer Begehren / soll nicht minder von mir durch den willigen Gehorsam beehret werden / als rühmlich es ist. Und muß die Ungleichheit unsers Standes / das Band der Freundschafft / so ihr durch euren ersten Gruß / in meinem Hertzen / gebunden / so wenig lösen / als gewiß ich mit euch in gleichem Glück und Willen stehe. Seyd ihr ein Schäfer? ich auch. Liebet ihr Tugend? ich auch Suchet ihr Kunst und Geschicklichkeit? ich auch. Was eure Begierde erwählet / das verlanget mein Wunsch: und was euer Wunsch verlanget / das trifft die Wahl meines Begehrens. Ihr ehret mich vor einen Ritter / und ich selber lasse mich gern davor ehren / allein diese Ehre ist eine Beförderung meiner sichern Reise / die ich um Kunst und Tugend zu erlangen einig angetretten; darum ich mich / mit euch / unter die Pindus-Ritter schreibe / und meinen Kampff nicht so wohl durch Waffen / als die belobte Tugend-Ubungen zu führen suche. Daß ich aber eben dieses / unter einem fremden Namen / zu suchen mich erkühne / zwinget mich die Feindseligkeit der Kunst-hassenden Menschen / bey welchen die Liebe der Tugend so gar erloschen / daß sie nicht nur selber ihre Gedancken lieber zu der weltlichen Eitelkeit lencken /sondern auch andern / deren Sinn sich ihnen nicht gleichet / an ihren Vorhaben verhinderlich zu seyn /sich eussersten bemühen. Dieses eurer Verschwiegenheit zu vertrauen / veranlasset mich das Begehren meiner Freundschafft / die ich hiemit übberreiche /und euch als den Liebsten meiner Lieben / in mein Hertz aufaufnehme / mich schuldig erkennend / euch zu gehorsamen / und eurem Willen zu folgen. Mit diesen Worten / überreichte er dem Polyphilo die Hand: Dieser hingegen empfieng ihn mit einem Kuß / welcher beyder Hertzen dergestalt meinander fügete / daß ihr eines Wünschen / eines Wollen / eins Begehren /mit dem theuren Eyd der Treu und Beständigkeit / den Freundschaffts-Bund / zusamt der Verpflichtung aller Dienst und Müglichkeiten / aufrichtete / und vest verwahrete. Die Gedancken Polyphili waren sehr bemühet /dem klugen-Beginnen Agapisti nachzuforschen / und was sie erfunden / das stärckete immer mehr und mehr das Vertrauen: bevorab / da er Agapistum gleiches Standes mit ihm erkannte. Alsbald gedachte er / ihm zu eröffnen / was bißher geschehen / und wie er in den Tempeln sey unterwiesen worden / welches auch seinen Wunsch befriedigen könne: allem die finstere Nacht / und bereitete Tafel / endigte das Gespräch /und forderte sie beyde / das Abendmal zu nehmen. Deßwegen sie / in Begleitung etzlicher Hof-Diener /herunter steigen / und wiederum zur Königin eingehen musten. Der gantze anwesende Hof-Comitat empfieng den fremden Ritter / nach Landes-Gebrauch / und da die gebührende Höflichkeiten vollbracht / wurden sie in der Ordnung / wie oben gedacht / zur Tafel gesetzt /ohne daß Agapistus den Sitz Melopharmis einnahm /und also gerad gegen Polyphilo über / der die lincke Seiten der Königin beschloß. Unter währendem Mahl fieng die Königin an / dem fremden Ritter / alles nach der Länge zu erzehlen / was Polyphilus verrichtet /und aus wie grosser Bedranguns er sie erlöset: welches sie mit so beschönten Worten ausdrücken konte /daß Agapistus leicht verstehen mochte / es geschehe diß / den Ruhm Polyphili zu mehren / und ihre schuldige Danckbarkeit zu erweisen. Polyphilus hingegen /dem diese Gelegenheit nicht erwünschter kommen können / fieng / mit höflicher Widerrede / sich vielmehr verpflichtet zu seyn / an zu bekennen / in dem er durch solche Hülff / ihm selbsten den grösten Nutzen erworben / da er durch die Tempel / von denen hoch-verständigen Kunst- und Sitten-Lehrern sey geführet worden: welches er gleichfals mit solchen Worten heraus streichen konte / daß Agapistus leicht verstehen mochte / es sey diß der Sitz und eine Wohnung seines Verlangens / und könne er an keinem Ort besser / denn allhier / vergnüget werden. Daher trieb ihn auch die Begierde / als er vernahm / mitten unter den Weisen zu seyn / und die Hoffnung / er werde gleicher Ehr und Unterricht mit Polyphilo theilhafftig werden /daß er sein Vornehmen völlig eröffnete / wie ers dem Polyphilo in Geheim vertrauet hatte. Fieng auch an /seine Wort zu bekräfftigen mit dem / daß er jetzo Willens gewesen / die Solettische Tugend-Göttin zu grüssen / davon er viel Wunder und herrliche Ding vernommen / die ihm zu glauben / ohne die selbst-bewährte Erfahrung / unmüglich wären. Drey Hertzen wurden auf einmal / und durch diß eine Wort / gleich als von einem Donner erschröcket. Die Königin wegen des fremden Ritters / den sie beförchtete / dem Polyphilo verhässig zu werden; Melopharmis wegen Polyphili / in dem sie das Feuer des Eyfers scheuete: Polyphilus aber / wegen der Königin / deren Verdacht er nicht entgehen würde / als wäre das geheime Gespräch / so er mit dem Ritter gehalten / bloß auf Macarien / und ihre Würden gerichtet gewesen. Deßwegen die Königin / deren Furcht die grösseste war / weil sie gleichwol eine heimliche Wissenschafft um die Liebe Polyphili hatte / folgender Gestalt anfieng: Edler Ritter! Es wundert mich / daß auch ihr / wie andere mehr / euch von dem nichtigen Geschwätz unverständiger Richter so bethören lasset /daß ihr die jenige eine Göttin heisset / an deren ihr doch das nicht finden werdet / was ihr suchet. Wisset ihr / was menschliche Schwachheit vermag / so werdet ihr ingleichen / eurem gesunden Verstand nach /schliessen / was diese / davon ihr redet / in ihrem Wandel verübe / weil auch sie unter die Zahl der Sterblichen gehöret. Meines Erachtens / ists eine blosse Einbildung der Menschen / die ihrer Freyheit / in den Ruhm dessen / was sie lieben / mehr gestatten /als sie wissen / daß die Würde erfordere. Darum ich /in Warheit / unnöthig achte / so ihr / keiner andern Geschäffte halber Soletten zu sehen / verlanget / daß ihr euer Reise ferner fortsetzet. Wolt ihr Kunst und Tugend sehen oder lernen / könnt ihr dieselbe / mit besserm Ruhm und mehrerm Nutzen / bey den Göttern / als Menschen finden. In dem ich für allen diesen Polyphilum rühmen muß / der nicht auf Soletten /sondern sich zu unsern Tempeln genähert / die von den Unsterblichen selber erbauet / menschliche Unwissenheit zu unterweisen: wie er dann die Erfahrung allbereit mit eigenen Worten bezeuget. Verlanget ihr nun / edler Ritter! gleiches Glücks zu geniessen / wird euch nichts abgeschlagen seyn / und stehet euch frey bey uns aufzuhalten / so lang euch beliebet: aber mit dem Beding / daß ihr eure nichtige Hoffnung / nicht mehr auf die Solettische Göttin setzet / und derselben Unvollkommenheit unserer Himmels-Würde vorziehet. Jetzt solte eins das erzürnte Hertz Polyphili abbilden / er müste gewiß eine Gluth voll Eyfers / und einen Feuer-Ofen voll erzürnter Hitze mahlen / so gar mochten die feurige Wangen / die blau-gefärbte Lefftzen / der eyfrende Mund / die brünstige Augen / und das erbitterte Hertz / nicht ruhen / daß es die Ehre seiner tausend-schönen Macarien / in seinem Beyseyn solte schänden lassen. Nein / sprach er / Königin / sie thut unrecht / in dem sie Agapistum von dem Weg seiner Wolfahrt abhalten will. Ich selbsten habe das Glück erlangt / den Preiß der Insul Soletten zu sehen /und die Vollkommenheit dieser Wunder-bereichten Tugend-Göttin zu erkennen / und wundere mich noch jetzo über deren Vortrefflichkeit / die unter den Menschen himmlisch / und in dieser Welt Göttlich zu nennen. Deßwegen ich euch / mein Freund! Krafft unserer Treue dahin zu eilen / ermahne / und spreche / daß ihr / ohne hohe Verwunderung / nicht wiederkehren werdet. Was hätte Atychintida darum geben / daß sie stillgeschwiegen? Nichts schmertzete sie mehr / als daß sie Zorn verdienet / da sie Gunst erwerben wollen /deßwegen sie auch / voller Betrübnus / nach dem ihrem Mund das Stillschweigen gebot. Melopharmis aber / die nicht wenig über den Gegen-Satz Polyphili erschrack / und eben auch wenig wuste / was sie dencken solte / fieng doch ungesäumt an / dem Polyphilo seinen Fehler zu zeigen / und die Königin zu schützen / in dem / daß sie alles das / die Solettische Göttin nit zu verachten / geredt / sondern aus tragender Furcht / es möchte / wie ihrer viel / Agapistus Tugend suchen / und Laster finden / weil sonderlich auch der Ruhm dieselbe ziere / daß ihre unvergleichliche Schönheit / alle die / so sie erblicken / in die Gefängnus der Liebe werffe / und ihrer Freyheit beraube. Ja freylich / fieng Atychintida an / habe ich in dem Verstand geredt / weil ich wol weiß / daß sie der Ausbund und der Kern aller Tugend: aber auch zugleich ein reicher Schatz vollkommener Schöne ist / der so bald gefället / als er die Augen gewinnet: Darum habe ich Agapistum / allda Tugend zu suchen / ermahnen wollen / wo er dieselbe / ohne der beförchtenden Gefahr der Liebe / finden könne. Polyphilus / dem sein gefasster Zorn dennoch nicht weichen wolte / fieng dagegen an: ob sich viel verlieben / hat doch diese Tugend-gezierte Göttin das Hertz / daß sie nicht wieder liebe. Doch dem sey / wie ihm wolle / ihr / Agapiste! habt freyen Willen zu thun / was ihr wollet. Mit welchen Worten Polyphilus aufstund / und mit gezwungener Freundlichkeit Urlaub nahm / in heimlichem Grimm aber auf sein Zimmer zueilete. Melopharmis folgete ihm auf dem Fuß nach / und da sie allein waren / straffete sie den Zorn Polyphili mit solchen Worten / daß die Forcht alle Boßheit leicht verjagte / und er zufrieden seyn muste / daß ihm nur Melopharmis die Gelegenheit / seiner Macarien zu geniessen / nicht wiederwillig verderbte. Es trieb auch der schmertzhaffte Kummer die furchtsame Königin hernach / welche Polyphilo / mit höchster Betheurung ihrer Unschuld / den Zorn zu entnehmen /sich bemühete; wie dann geschahe / so bald sie die rechte Ursach / warum sie das geredt / entdeckete: ohne / daß Polyphilus versetzte / warum er auf Agapistum einen Eyser setzen solle / wegen dieser Göttin /die er doch nicht weiter liebe / als was er ihrer Tugend schuldig sey / daher eben der Zorn entstanden. Ja! fuhr er fort / wann er von meiner Deliteen etwas solches erwähnet / hätte michs zu einem Mißtrauen verführen sollen: allein dieser wegen lasset ihn ziehen /wohin ihm beliebet. Das aber alles sagte Polyphilus / ihren Argwohn wegen Macarien zu verhüten / und sein Begehren / in Begrüssung Talypsidami / zu befördern: welches auch Melopharmis so bald merckete / daß sie von Stund an Gelegenheit suchte / mit der Königin allein zu reden /und dem fremden Ritter / die Erlaubnus der Abreise zu erbitten. Es schickte sich aber eben / daß Agapistus auch herzu kam / um zu vernehmen / was die Ursach wäre /daß Polyphilus so zeitig aufgestanden; dessen Gegenwart / die Königin / samt Melopharmis / den Abtritt zu nehmen verursachete. Agapistus / dem die plötzliche Röte im Gesicht Polyphili einen Argwohn einiges Widerwillens erwecket / fieng mit freundlichen Geberden den Polyphilum an zu fragen / was ihm widriges vorkommen? welcher antwortete / daß er sich eben ereyfern müssen / über die Unbillichkeit der Königin / welche das / was sie nie gesehen oder erkennet / verachten dörffen. Glaubet mir / fieng er weiter an / treu-verbundener Agapiste! werdet ihr die Solettische Göttin sehen / so werdet ihr himmlische Würden / Göttliche Gaben / und die Vollkommenheit der Tugenden selber sehen /darum lasset euch den Weg nicht dauren: Kommet aber wieder zu uns / und bekräfftiget die Warheit meiner Wort / mit eurem Zeugnus / dessen ich gewiß bin / daß es nicht fehlen wird. Eins aber ist euch noth / daß ihr Gelegenheit überkommet / sie zu sehen / welches schwerlich geschehen wird / wo ihr nicht einen vertrauten Freund gewinnet / der euch den Zutritt eröffne. Nun daß ihr sehet / was die erste Frucht unsers Verbündnusses seyn sol / will ich euch an Talypsidamum / meinen Eyd-verdundenen Freund schicken / und für euch bitten / daß er euch / wie mir /die Gelegenheit erwerbe / die Göttin zu sehen. Ihr müsset aber meinen Dienst mit keiner Untren versetzen / sondern allerdings reden / wie ich euch vertraue / und schweigen / was mir schaden kan. Talypsidamus / zusamt der Göttin / leben der gewissen Meynung / ich sey todt / und haben mich die Wellen ersäufft: darum dörfft ihr wol sagen / ich lebe; ihr dörfft gestehen / daß ihr mit mir geredt; ihr dörfft eröffnen /daß ich so nahe sey / daß mich noch der Abend zu ihr führen könne: aber / wo ich sey / wie ich lebe / und auf was Weise ich errettet worden / verschweiget biß zur andrer Zeit / und bejahet nichts von allen dem /was die Konigin von meinen Verrichtungen / und ich von den Tempeln erzehlet. Mit dem Beding will ich euch diesen Brief an Talypsidamum überreichen und bitten / daß ihr unverwaigerte Antwort an diesen Ort bringet; auch Talypsidamo nichts anders antwortet /als daß die Pflicht / damit ihr mir verbunden / euch Verbot gebe / den Ort zu eröffnen / biß ich selber zugegen. Das alles gefiel Agapisto so wohl / daß er allem dem zu gehorsamen / mit Mund und Händen versprach / auch die Widerkehr auf folgenden Tag zusagte: bedanckte sich ingleichen / daß er ihn zu seinen treuen Botschaffter erwählet / und durch diß Mittel /des grossen Glücks theilhafftig mache / die von allen gepriesene Tugend-Göttin gegenwärtig zu grüssen /ihn versichrende / daß er alles nach seinem Begehren beobachten / und mit solcher Sorgfalt verrichten wolle / wie ers selbsten thun würde / wann er im Gegentheil sein / Agapisti / Vertrauen bedienen würde. Klüglich war / in Warheit / alles diß angefangen /und hätte sichs nicht füglicher anstellen lassen / als daß dieser Seiten Verschwiegenheit / die Unwissenheit jenes theils nicht verständigen dorffte: jenes Erforschung aber / dieses Unwissenheit / gleich behütet / nicht erkündigen kunte. Nur das war noch verhinderlich / daß Agapistus wieder der Königin Zulaß nicht abziehen dörffte / wolt er anderst den Namen eines undanckbaren Gastes verwehren. Selbst auch Polyphilus bauete vor / daß / ob Agapistus / Polyphilo zu Gefallen / der Königin zuwider handeln wolte /er doch ihren Beyfall erwartete; deßwegen sie beyde rathschlagten / wie sie ihr Vornehmen zu Werck richten möchten. Dann / gedachte Polyphilus / widerstrebet Agapisius der Königin Befehl / darff er nicht künlich widerkehren / und erhalt ich keine Antwort Auch hätte Polyphilus gerne gesehen / daß Agapistus / nach dem / völlig an dem Hof der Königin bliebe / damit er theils Weißheit erlernen / theils auch um und bey ihm seyn könte / so lang ihn sein Glück oder Unglück allda zu halten gesinnet. Da sie nun beyde in diesen Gedancken bemühet waren / und aber keinen tüchtigen Rath erfinden konten / kam Melopharmis / und verkündigte Polyphilo heimlich / daß sie mit der Königin / wegen der Abreise Agapisti geredt / und sie dahin bewogen / daß sie /um Polyphilum zu befriedigen / Agapistum nicht nur gerne ziehen lassen / sondern gar ziehen heissen werde / und / mit einem ansehligen Geleit / biß auf Soletten führen / damit er desto gewisser widerkehre: wolte nun Polyphilus ihm den Brief trauen / könte die Abreise morgen / mit dem frühesten / geschehen; er soll aber alles wohl bestellen / daß nicht jrgend eine Schalckheit / unter der Treu / verhorgen liege. Polyphilus dessen hoch erfreuet / antwortete / daß der Brief schon vertrauet / und die Abrede allerdings klüglich und vorsichtig geschlossen sey; bedanckte sich auch der gehabten Mühe / und bat ferner / seinem Begehren behülfflich zu seyn / und setzte hinzu / wie ers vor eine grosse Gunst erkenne / daß Atychintida so willfährig sey / hoffe doch / sie werde nicht wissen / was er suche: selbiges auch ferner zu verhüten /bitte er / das Geleit / vor dißmal / innen zu behalten /weil es mehr hinderlich / als förderlich seyn würde. Nach eurem Willen / antwortete Melopharmis / ich wills wieder berichten: und damit nahm sie Urlaub von ihnen / wünschte dem Agapisto eine glückselige Reise / und hieß sie beyde wol ruhen. Indessen quälete noch immer fort die Furcht der Boßheit Polyphili /der Königin Hertze so gar / daß sie auf alle Mittel und Weg bedacht war / wie sie seinen Grimm wenden könne. Es fiel ihr aber bey / daß Polyphilus ein sonderer Liebhaber der Nacht-Musie sey / darum sie folgendes Gedicht verfertigte / und an die ergötzliche Faden der Lauten knüpffen ließ / auch von denen Saiten-Zwingern / vor seinem Zimmer / im folgenden Thon /in die Lufft opffern. Wie wunderlich ist doch des Himmels Schluß? der nicht pflegt / wie der Mensch / zu schliessen: was uns gefällt / ist offtmals ihm Verdruß / gesegnet / das wir möchten grüssen; was hefftig wir begehren / das will er nicht gewähren / wie wunderlich ist doch darum des Himmels-Schluß? der / für verlangtes Wohl / nichts schicket als Verdruß. 2. Wie viele wünschen offt zu haben das / was sie annoch nicht haben können? wie viele wollen wieder / weiß nicht was / das doch der Himmel nicht will gönnen? viel wollen gerne lieben / und keiner sich betrüben / da doch die Lieb in Leid / selbst nach des Himmels-Schluß / der anderst schliesst / als wir / erhalten werden muß. 3. Wie viele rühmen auch der Freyheit Schatz / und wählen doch im Joch zu leben? verschertzen ihre Macht auf einen Satz / die sich der Liebes-Macht ergeben / und ihre Freyheit hassen / vor Liebe / Leid anfassen / weil in dem Liebes-Joch der wundre Himmels-Schluß / gleich Leid und Freud beschliesst / Ergötzung und Verdruß. 4. Drum mercket alle diß / wer hertzlich liebt / wird schmertzlich sich auch stets betrüben: denn diesen Schluß der Himmel selber gibt / daß nicht der Wunsch soll stets verüben / mit gutem Glück / sein Dichten / noch in dem Werck verrichten. Drum ist sehr wunderlich der wunder Himmels-Schluß / der / für verlangtes Wohl / offt schicket nur Verdruß. 4. Absatz Vierter Absatz Beschreibet den Abzug Agapisti auf Soletten / und den Nach-Wunsch Polyphili / auch sein Gespräch mit der Königin von dem Frauen-Lob: Welches hie an statt der Lehre stehen kan. Der Gesang gefiel Polyphilo so wohl / daß er eben darüber entschlieff. Es war fast Mitternacht / da sich Polyphilus mit dem Ritter niederlegte / welcher / von der Reise ermüdet / alsbald einschlieff / Polyphilum aber die Sorge bewachen ließ. Der ihm schon tausend Gedancken machte / was Talypsidamus antworten /und was Macarie sagen werde / wann sie wieder vom Polyphilo höre. So bald kont es nicht tagen / daß Polyphilus den schlaffenden Ritter mit einem gezwungenen hefftigen Nieser nicht aufweckete / und ihn an die Abreise erinnerte: wiewohl er hernach / als Agapistus darüber erwachte / sich höchlich zu entschuldigen anfieng / vorgebend / als wäre ihm / solchen aufzuhalten / wegen der plötzlichen Ubereilung / auch sonderlich im halben Schlaf / nicht müglich gewesen. Das that er aber alles / damit Agapistus wieder Antwort geben / und den Schlaff vollend brechen muste: darum er ihm einen fröligen Morgen wünschete / und gleich als ohngefähr aufsahe / und / des Tages wahrnehmend /ferner fortfuhr: ists doch schon helle / wie hat mich heute die muntere Morgenröthe in der Ruhe erschlichen: welche Wort Agapisto gnugsam verständigten /daß er auf und fort solte. Stunden sie also beyde zugleich auf / und bereitete Agapistus die Reise / Polyphilus aber erinnerte ihn nochmal an die Reden / so er öffnen und bergen solte. Es war noch sehr frühe / da sich Agapistus aufmachte / daß er von der Königin / und andern / die ihm zugesprochen / nicht Urlaub nehmen konte / deßwegen er Polyphilo die Verrichtung auftrug / welcher ihn auch / mit der Zusage / wegreisen ließ / und eine glückliche Hin- und Wiederkunfft nachwünschete. Nun reitet Agapistus auf Soletten zu: Polyphilus eilete auf die Höhe / und sahe ihm sehnlich nach / wiewol er lieber mit ihm geritten wäre. Ach! dachte er /du glückhaffter Agapistus! wiewol wirst du empfangen werden / wegen des Namens Polyphili? wie seelig bist du doch / der du das ohne grosse Müh erhalten kanst / das ich mit so unzehliger Gefahr noch nie erlangen können? Ach! wär ich doch jetzo nicht Polyphilus / so könte das verboßte Glück seine Tyranney an mir nicht verüben. O unglückseliger Polyphile! das deine Augen erfreuen solte / dessen freuen sich die fremde. Wie ist doch meinem Hertzen so weh? Allerschönste Macarie! wie lebt sie? dencket sie auch ihres Polyphili noch? sie liebet mich ja? weil ich sie liebe. Sie hoffet meine Gegenwart / weil sie weiß / daß ich nicht todt bin. So heisset mich zwar Melopharmis glauben: aber / allerliebstes Hertz! warum bin ich so ferne geführet? warum so weit entschieden? daß deine Abwesenheit mehre die Schmertzen meines Verlangens / und die so scheinende Unmüglichkeit / dich wieder zu sehen / mich folgend ins Verderben stürtze. Aber was klage ich / da ich glaube / daß ihr mich gleicher-Weise liebet? So muß ich auch glauben / daß ihr eben die Mühe und Arbeit für mich ausstehet / die ich jetzt eurenthalben gedulte. Ach! Allerliebste! vielleicht will die Liebe / daß ich den Schmertzen erstatte / den ihr jetzt leidet / dieweil ihr so weit von mir entschieden / durch die Bekümmernus / welche von gleicher Entzündung eures Abwesens in mir wütet. Ach! wolte Gott! daß ich könte mein Hertz in meinen Händen haben / wie es in dem Schoß der Liebsten ruhet / so weiß ich / würde meine Krafft sich verstärcken / und mein Verlangen ruhig werden. Ach! wolte Gott! daß ich meine Macarien so wohl mit leiblichen Augen sehen könte / als lebhafftig sie Tag und Nacht für den Augen meiner Gedancken stehet. Ja! wolte Gott! daß ich ihr Bildnus so eigentlich meinen Sinnen vorstellen / und in meine Seele drucken könte / als sie / ach! der seelige Agapistus / mit seinen Augen sehen wird / so wolt ich mich / biß ich ihrer wieder geniessen könte / an dem Nahmen Macarien begnügen lassen. Unter dieser Klag-Rede verlohr Polyphilus Agapistum / welchen der Weg hinter einem Busch auf den Wald zuführete / daß er ihn nicht mehr sehen konte /und deßwegen anfieng: Nun / so begleite dich tausendfaches Glück / daß dich keine Irrwege verführen /und komm mit erwünschter Verrichtung wieder! Der Himmel sey dir gnädig / und unter dem Schutz der begleitenden Geisterlein müssest du sicher reisen! Ihr auch / ihr unsterbliche Götter! deren Gnad mir meinen Wunsch erfüllen wird / und das Verhängnus meiner Unseeligkeit / aus mitleidender Erbarmung / enden /gebet sicher Geleit dem jenigen / der meine Freud zu wählen / und meine Schmertzen zu lindern ausgereiset ist! Lasset ihn mit fröligem Muth mein Antlitz wieder sehen! Indem Polyphilus dergleichen Seufftzer mehr hervor brachte / kam Melopharmis / und hörte sein kläglich Beginnen / gedachte derowegen ihn zu trösten /darum sie / durch ihre tausend-listige Kunst / folgendes Lied / in der Lufft / nahe bey Polyphilo / lieblich und verständlich singen ließ: Wol dem! der sich allezeit kan zu Frieden geben / Und so wohl in Freud als Leid / gleich gesinnet leben; Der vest an der Demut hält / wann das Glück ihm blühet; dem nicht bald der Muht entfällt / wann er Unglück siehet. 2. Der das liebt / was ihn auch liebt / nicht fürcht / was ihn hasset: und wann ihn der Neid betrübt / die Gedult anfasset; Auch denckt / daß sich selbst der Neid eher wird verzehren / als dem Glück der Herrlichkeit / im geringsten wehren. 3. Der da seine Freunde / Freund; Feinde / Feind lässt bleiben; und doch sich an keinem meint feindlichen zu reiben: tröstet sich der rechten Sach / und läst Gott stets walten / welcher allem Ungemach wird die Wage halten. 4. Der den ehrt / der Ehren werth / keinen nicht verachtet: sich an andrer Glück nicht kehrt / und nach dem nicht trachtet / was ihm auch nicht werden soll; sich zu Frieden giebet / ob er wird des Schadens voll / der ihn sehr betrübet. 5. Der an allem / da man kan zweiffeln / Zweiffel träget; und ist Hoffnung noch woran / sie nicht bald ableget: Der sein Thun fein klüglich richt / sich in allem hütet: Und verliert das Hertze nicht / wann das Unglück wütet. 6. Der gesinnt in keiner Noht noch Gefahr zu scheiden / und will rühmlich selbst den Tod lieber / als Spott / leiden: Weil er weiß / daß / wer da will schöne Rosen brechen / muß er drum nicht achten viel / daß die Dornen stechen. 7. Dessen Mund nicht Honig fasst / Gallen trägt im Hertzen; Mündlich liebt / und hertzlich hasst / kan betrüglich schertzen: Sondern Willens / seinen Geist lieber aufzugeben: als bey dem seyn / der ihn heisst ohne Warheit leben. 8. Und ob schon der Neider Mund seinen Namen schmähet; wird es doch bald werden kunt / eh ein Jahr vergehet / wie / man ihm / ohn alle Schuld / viel hat zugeschrieben / wann er ewig in Gedult ist beständig blieben. 9. Der mit Gott die Tugend fasst und ihm zugesellet; alles das hinwider hasst / was der Welt gefället: Machet / daß man allezeit an ihm sieht und spüret / daß er nichts als Redlichkeit in dem Schilde führet. 10. Den wird endlich auch ins Grab dieser Ruhm begleiten / daß er stets gelebet hab ehrlich bey den Leuten / und das ist der schöne Danck / der nach diesem Leben / seines guten Namens klang stets von sich wird geben. 11. Was will man dann trauren viel / wann es nicht so gehet; Wie in unserm Sinn das Ziel aufgerichtet stehet: Wann der Regen geht vorbey / muß die Sonne scheinen: gleich so Freude mancherley folget nach dem Weinen. Polyphilus erschrack über die unverhoffte Begebenheit / merckte doch mit grossem Fleiß auf / was die Wort berichten würden / weil er ihm alsobald den Glauben machte / als würde ihm durch des Himmels Schickung etwas neues bedeutet werden. Sein einiger Wunsch war / daß er die Tafel mit dem Griffel bey Handen gehabt hätte / ob er nur etzlicher Wort können mächtig werden zu bebalten: welchen Wunsch ihm aber Melopharmis erfüllete / und / nach geendigtem Lied / einen Zettel vor ihm mederfallen ließ / darauf es völlig versetzet war. Dessen er höchlich erfreuet / denselben behende aufhebte / und ihn zum öfftern durchlase: wurde auch dermassen damit getröstet / daß er ihm gefallen ließ / den Nach-Wunsch mit dem Gegen-Satz / auf seine Person zu ziehen / und sich / in seiner betrübten Verweilung folgender Art zu trösten: Nach-Wunsch. Das ich könte jederzeit mich zu frieden geben / Und so wohl in Freud / als Leid / gleich gesinnet leben: Hielt ich nur die Demut fest / wann das Glück mir blühet / wie mich gleich das Hertz verläst / wann es Unglück siehet. 2. Könt ich lieben / was mich liebt / was mich hasset / hassen: Könt ich / wann ich bin betrübt / die Gedult anfassen: Weiß ich / würde selbst der Neid / eher sich verzehren / als der frohen Herrlichkeit / meines Glückes wehren. 3. Könt ich meine Freunde / Freund: Feinde / Feind seyn lassen: meynen / wer mich wieder meynt / wer mir feind / nicht hassen: Weiß ich / meine rechte Sach würde GOtt so walten / daß ich allem Ungemach / könt die Wage halten 4. Könt ich gleich zu frieden seyn / was das Glücke schencket / Trost im Leiden / oder Pein / und was sonst mich kräncket: wollt ich mich an andrer Glück nicht so mercklich kehren: sondern dencken / dieser Blick wird auch mich verehren. 5. Könt ich zweifflen / wo man kan sonsten Zweiffel tragen: Wann mich Unglück greiffet an / hoffen / nicht verzagen: Wolt ich meine Wort und Werck alle dahin richten / daß nicht meine Hertzens-Stärck Unglück könn vernichten. 6. Könt es seyn / daß / wer da will schöne Rosen brechen / fühle nicht der Dornen viel / die wie mächtig stechen: Wolt ich auch in keiner Noht keinem Unglück scheiden: Wolte selber selbst den Tod lieber / als Spott / leiden. 7. Könt ich Honig in dem Mund bergen / Gall im Hertzen: Gleich auf einmal seyn gesund wieder kranck zum schertzen: Wolt ich warhafft meinen Geist / lieber nicht aufgeben / als bey der seyn / die mich heist so vergnüget leben. 8. Könt ich / wann der Neider Mund meinen Namen schmähet / aller Orten machen kunt / wie die Warheit stehet: Weiß ich / würd ich ohne Schuld öffters sein beschuldet: Doch so / daß ich mit Gedult / alles auch erduldet. 9. Könt ich hassen alles das / was der Welt gefället / und der Tugend rechte Maß fassen / die sich stellet / wie sie ist / so weiß ich wohl / sollt man an mir spüren Redlichkeit / und was ich soll in dem Schilde führen. Gegen-Satz. 1 Weil ich halt die Demut vest / wenn das Glück mir blühet: Weil mich auch der Muht nicht läst / wann er Unglück siehet; So kan ich zu jeder Zeit / mich zu frieden geben: Und so wohl in Freud / als Leid / gleich vergnüget leben. 2. Ja! weil selbst der blasse Neid sich noch wird verzehren: Und mir meine Herrlichkeit / können nicht verwehren: Will ich lieben / was mich liebt / was mich hasset / hassen: Und bloß / wann ich bin betrübt / die Gedult anfassen. 3. Auch weil meine rechte Sach selber Gott wird walten: Und in allem Ungemach / gleiche Wage halten: Kan ich meine Freunde / Freund / Feinde / Feind seyn lassen / und so lang die Sonne scheint / keinen Nebel hassen. 4. Weil ich mich an andrer Glück nicht gar mercklich kehre: Sondern meinen Sternen-Blick mehr / als ihren / ehre: Kan ich auch zu frieden seyn mit dem / was ich habe: Sey gleich Freude / oder Pein / ists doch Gottes Gabe. 5. Weil ich meine Wort und Werck alle dahin richte / daß kein Unglück meine Stärck / noch mein Hertz vernichte: Darff ich zweiffeln / wo man kan sonsten Zweiffel tragen / kan ich / wann mich greiffet an Unglück / nicht verzagen. 6. Weil ich weiß / daß / wer da will schöne Rosen brechen / müsse das nicht achten viel / wann die Dornen stechen: Will auch ich in keiner Noth keinem Unglück scheiden / lieber leiden selbst den Tod / als die Liebste meyden. 7. Weil ich Willens / meinen Geist / lieber aufzugeben: als von der seyn / die mich heist ohne sie jetzt leben: Wird man Gall in meinem Mund finden / und im Hertzen / gegen dem / der sich gesund macht / durch meinen Schmertzen. 8. Weil ich auch bin ohne Schuld / offtermals beschuldet: Weil ich alles mit Gedult biß daher erdultet: Werd ich / wann der Neider Mund meinen Namen schmähet / selbst die Warheit machen kunt / eh ein Jahr vergehet. 9. Ja auch / weil ich bin gewiß / daß ich nicht betrüge: Und mein Hertz durch keinen Riß reisse / noch sich biege: Kan ich sagen / daß ich haß / was der Welt gefället / und nur einig liebe das / was die Tugend stellet. 10. Ey so wird mich auch ins Grab dieser Ruhm begleiten / daß ich stets gelebet hab ehrlich mit den Leuten: Das wird seyn der schöne Danck / der nach diesem Leben einen guten Namens-Klang stets von sich wird geben. 11. Ists so? was dann traur ich viel / daß es nicht so gehet / wie in meinem Sinn das Ziel aufgerichtet stehet: Wer weiß / wie es nachmals geht / Lachen folgt dem Weinen: Wann der Regen wird verweht / muß die Sonne scheinen. Wol zehenmal sang Polyphilus diesen Nach Wunsch /zehenmal wiederholte er den Gegen-Satz / und ergötzte sich mit der selbst-gemachten Freud wie sehr / biß Melopharmis ihm ansagte / daß Atychintida / in ihrem Zimmer / auf ihn warte / und mit ihm Gespräch zu halten / begehre. Das erste / so er in seinem Eingang / nach abgelegtem Gruß / erwähnte / war der Befehl Agapisti / welchen er / wegen der gebührenden Empfehlung / in den Schutz Gottes / nicht weniger auch schuldiger Dancksagung / vor erwiesene hohe Gnad / vor seiner Abreise / ihm / an seine statt / zu vollbringen / anvertrauet /beneben dem Entschluß der Entschuldigung / daß er /ohne derselben demütiges Besprechen / so früh weg eilen dörffen / es haben seine nothwendige Geschäfft den Verzug nicht gestattet: doch werde er / so ihn keine Widerwertigkeit zu ruck halte / morgendes Tages wieder da seyn / und seinen Gehorsam sorglicher beobachten. Und dann / antwortete Atychintida /mit lachendem Munde / werden wir auch ein Zeugnus von der Tugend-Damen hören / durch deren Bestraffung ich euch so hoch erzürnet. Freylich ein Zeugnus /wiederbrachte Polyphilus / weiln die Vollkommenheit ihrer Würde / ohne Lob / nicht kan beschauet / viel weniger / ohne Preiß / betrachtet werden. Diese Rede verursachete die Königin Polyphilum weiter zu versuchen / und eigentlicher nach Macarien zu fragen /darum sie ihn folgender Gestalt anredete: Tugend-verständiger Polyphile! ich kan euch nicht bergen / daß mir gestriges Gespräch / zusamt dem Lobe / das ihr der Tugend-Göttin beygelegt / einen grossen Zweifel / und nicht geringes Nach dencken verursachet / sintemal ihr durch euer Zeugnus einem Weibs-Bild mehr zugeeignet / als die Weibliche Schwachheiten ertragen / und / eurer Rede nach / die weibliche Vollkommenheit / männliche Würden / weit übersteigen wird. Wann ich nun den Unterschied zwischen beyden Geschlechten behertzige / kan ich nicht finden / daß müglich sey / eine solche Tugend bey dem Geschlecht voller Mängel anzutreffen / die der völligen Mannschafft vorzuziehen sey: daß ihr demnach nicht anderst / als ohne Grund geredt. Verzeihet mir / Polyphile! daß ich euch dessen erinnen darff /und glaubet nicht / als sey es aus Widersinn oder Verachtung der viel-beschönten Macarien geredt / sondern euren Unterricht in diesem Zweiffel einzuholen. Würdiget mich demnach desselben / so will ich hinfüro auch immerdar der Macarien die Posaune des Lobs blasen. Diß Begehren gefiel Polyphilo nicht übel / weil er dadurch Gelegenheit überkam / an seine Macarien zu gedencken / und deren Ruhm zu vermehren. Deßwegen er den Einwurff Atychintidœ mit solchen Worten widerlegte: Holdselige Königin! Ich lasse mich leicht überreden / daß mein gestriges Gespräch ihr einige Gedancken erwecket / und einen zweifelhafften Schluß verursachet / weil ich mich nicht gescheuet /den edlen Ritter Agapistum zu ermahnen / seinen Weg fortzusetzen / und die Tugend-Göttin / um Tugend zu erwerben / selbsten gegenwärtig / auch vielleicht nicht ohne hohe Verwunderung / zu grüssen und zu sehen. Es scheinet freylich / als wolle ich das Geschlecht voller Mangel der mannbaren Vollkommenheit vorsetzen: allein / wann wir Macarien ohne Mangel erkennen / wird sich der Schein verlieren. Zwar ists so / daß sie die Natur / in das Register der weiblichen Beschaffenheiten eingenahmet / aber so wir den Verstand erwegen / welcher über die Natur sich erhebet / werden wir augenscheinlich erkennen /daß weder weibliches noch männliches Vermögen; sondern allein die Himmel-bescherte Weißheit / in dem weiblichen Leibe / herrsche / deren sich keine /in dieser Sterblichkeit / zu gleichen erkühnen wird. So kan ich auch von andern ruhmwürdigen Damen / nicht ohne sondern Nachtheil der Ehre / so allein dem männlichen Blut gehöret / mit Warheit sagen / daß /ob sie sich schon der Macarien nicht in allen gleichen / dennoch in vielen auch nicht nachgeben / oder ja zum wenigsten eben den Ruhm verdienen / welchen mancher dapfferer Held / durch sein Streiten / man cher Hoch-verständiger / durch seine Kunst / mancher Tugend geübter / durch seine lobwürdige Verrichtungen / nicht erlangen können. Ja! ich scheue mich nicht / von dem gantzen weiblichen Geschlecht / so fern es von dem gütigen Himmel mit Tugend begnadet ist / zu bejahen / daß sie entweder mehr Lob verdienen / als wir / oder ja zum wenigsten gleicher Ehre würdig sind. Ein guter Baum wird erkannt an seinen Früchten: Wer wird nicht gestehen / daß wir uns denen faulen Bäumen gleichen / die keine Früchte bringen? die Weiber aber sind der Welt ersprießlich. Ich geschweige / daß viel löbliche Königinnen / und mehr als männliche Heldinnen / vor Zeiten gewesen /und noch jetzo seyn / deren Ruhm mit aller Ewigkeit /in die Wette lebet. So bleibet das ewig wahr / daß der Stamm höher zu schätzen / als die Frucht: Woher sind aber die großmütige Helden und verständige Männer gebohren und erzogen? der Mütterliche Stamm hat solche Knotten gewonnen / die Weibliche Wurtzel sprosset mit solcher Frucht / und ihre Brüste tropffen von der Milch / die ihre Sinnen behertzt; die Hand führet die Zucht / darinnen sie die Sorgfalt der Mutter verstärcket machet. Was rühmet sich nun der Fluß wider die Quelle? Was erheben sich die Blumen wider das Feld / oder die Aehren wider den Acker / in welchem sie erwachsen? Ich lasse mich leicht überreden / daß eben dieser Ursach halber auch die Länder in Weibs-Gestalt abgebildet werden / weil sie / gleich jenen / aller Völcker Ernehrerinnen und Vermehrerinnen sind. Dann wer ist unter allen Männern / der solche weibliche Ankunfft / oder der ersten Mutter Nahrung abredig seyn kan? meines Erachtens kein einiger. Die Königin lachete deß / und versetzte dagegen /daß nicht folge / wann die Frucht schön sey / müsse sich der Stamm selbiger gleichen; weil auch / von einem faulen Baum / bißweilen ein Apffel falle / und ein verdorrter Ast / nicht selten schöne Frucht zeige. Wer wird sagen / sprach sie / daß sich die Dornen den Rosen gleichen / ob sie dieselbe schon tragen? Wer wird das Stroh den Körnern / der Blum den Stengel vorziehen? Gleichwol widerlegte Polyphilus / kan die Blum nicht ohne dem Stengel / noch die Körner ohne das Stroh aufwachsen / und haben die Rosen ihre Schöne und Lieblichkeit den Dornen zu dancken. Auch / fuhr er weiter fort / müssen wir den Ruhm und Vorzug der Weiber / nicht einig in diesem / suchen / wir wollen auf ihre Verwaltungen sehen / daher ich leicht schliessen kan / daß durch der Weiber Hände die gantze Welt regieret werde. Worinnen bestehen die weltliche Regimenter? Meines Wissens ist derselben Grund /die Kunst des Haußhaltens / daß alles im erbaulichem Wesen gehalten werde. Das aber ist der Weiber Verrichtung. Ein gantzes Land behält in sich viel Städte /die Städte beschliessen viel Dörffer / die Dörffer bestehen aus vielen Haußhalten: Diese aber bestehen /nicht in der Männer / sondern der Weiber Händen. Ein wohlbestelltes Hauß gleichet sich nicht übel einer gäntzen Herrschafft / darinnen die Regentin das Scepter / die Kinder die Leibeigenschafft / und Knecht und Mägd gleichsam die Burgerliche Schuld und Rechte führen. Aus deren Beschluß entstehet nochmals ein Regiment: ohne deren Menge wird ehe eine Einöde zu finden / als eine Herrschafft anzutreffen seyn. Wie hoch ist demnach abermal das weibliche Geschlecht zu rühmen? Die Königin wolte sich auch diesem widersetzen /mit Vorwenden / daß im Gegentheil mehr schädliche und unnütze Hauß-Regentinnen / als nützliche und löbliche anzutreffen: aber Polyphilus widerlegte sie gar leicht / in dem er zu verstehen gab / daß unter dem Männer-Weitzen auch viel unnützes / und mit ihrem Gewächs / öffter mehr Unkraut aufgehe / als gute Frucht: Zu dem rede er von solchen / die sich der ruhm-würdigen Macarien zu gleichen bemüheten. Und fieng er ferner an: Was wollen wir endlich von dem Verstand der Weiber sagen / welcher in Warheit nicht minder aller Unterrichtung und Belernung fähig / als bey den Männern? Ja! es scheinet / daß man ihnen das studieren nicht zulassen wolle / damit sie die Männer nicht übertreffen sollen / weil solches den Verstand erhöhet / dessen sie bereit gnugsam haben / wie dann hierdurch stillschweigend gestanden wird. Nein / fieng Atychintida an / sondern weil sie von Natur nicht darzu geschickt und tüchtig sind. Mit nichten / versetzte Polyphilus / denn es gebens die Exempla / daß ihrer viel von der Natur gleichsam zum studieren gewidmet sind: wie dieses Madam des Roches / de Gournai / Juliana Moret / Jacobina d'Avignon / Giustina Freddi / Vittoria Colonna / Lucretia Boccalini / Angela Zacco / Michaele Tœrabotta / und andere / mit ihrem Exempel / bezeugen: sonderlich daß von Jacobina d' Avignon wunderhafftes gesagt wird / daß sie 14. Sprachen erlernet / und zu Lyon /im 14. Jahr ihres Alters / zum öfftern / aus der Welt-Weißheit disputiret. Ebenmässig lesen wir in dem Buch der Offenbahrung / von der Königin Saba / aus Reich Arabien / daß sie / mit hohem Verstand begabet / sey kommen die Weißheit Salomonis zu forschen. Auch melden die Historien / von einer / Namens Aspasia / welche des unvergleichlichen Redners und mächtigen Käisers Periclis / Lehrerin gewesen. Von Aganica schreibet Plutarchus / daß sie in der Stern-Kunst wundermächtig sey erfahren gewesen. Und wie herrliche Wissenschafft erzehlet Athenœus von Callistrata Leßbia: Cicero aber von Cornelia / der Grachen Mutter / daß sie ihre Kinder in der Red- Kunst unterwiesen / und hoch gebracht. Nicht weniger von Cornelia / Käisers Pompeji Gemahl / Plutarchus; und Diodorus Siculus von Daphne / der Tiresiœ Tochter / die solche Verß geschrieben / daß auch Homerus sich nicht gescheuet / in seinen Gedichten / viel von ihr zu entlehnen? Was soll ich melden / von der Beredsamkeit der Tochter Hortensii / deren Appianus und Quintilianus mit grossem Ruhm gedencken? Was von Lœlia / C. Gracchi Tochter / davon Cicero: was von Olympia / davon Gyraldus: was von Hippias / der Wirthin Lycurgi / davon Plutarchus meldet? Ja! was von Diotima / davon Socrates selber gestehet / daß sie ihm / in vielen / eine Lehrerin gewesen: wiewol er der obgedachten Aspasten auch nicht wenig zu dancken habe. Die Zeit würde mir zu kurtz werden / wann ich alle nach der Läng erzehlen wolte / die in zierlichen Reden / klugen Anschlägen / scharffsinnigem disputiren / nützlichen Rathschlägen und anderer wohlgegründeter Weißheit / denen Manns- Personen offt und offt den Ruhm genommen: sonderlich / da ich auf die Dicht- und Verse-Kunst / nicht nur unsrer Teutschen: sondern auch anderer ausländischer Sprachen gehen wolte. Es würde mir Hildegardis de Pingua / ihre commentarios über die Natur-kündigung vorlegen /die ich billich mit hohem Lob krönen müste. Es würde mir eine andere dieses Namens / so zu Zeiten Bernhardi gelebt / ihre geübte Wissenschafft in Göttlichen Dingen entdecken / die ich nicht weniger rühmen / ja wol gar verwundern müste. Es würde mir Martia Proba / die in allen Wissenschafften hoch gestiegene Königin in Britannien / ihre Gesetz vorlegen / die sie selbsten aufs klügeste geordnet / so gar /daß sie auch den Namen von ihr überkommen / und Martianœ Leges sind genennet worden. Es würde mir Theano Metapontina / des Pythagorœ Ehegemahl /ihren Ruhm zu erklären geben / daß sie die erste gewesen / so unter den Weibern der Welt-Weißheit nachgedacht / und dieselbe gelehret. Ja! es würde mir von Arete / der Mutter Aristippi des jüngern / ihr Sohn gezeiget werden / mit dem Befehl / daß ich erklären solle / warum er μ;η;τ;ρ;ο;δ;ί;δ;α;κ sey zugenahmet worden; nemlich / weil ihn seine Mutter in Künsten und Sprachen selbst unterwiesen. Endlich würde auch Eudochia / die Tochter Theodosii / mir ihr Lob verbreiten / das / wegen ihrer hohen Wissenschafft / bey fast allen Scribenten zu lesen. Und daß ich viel mit wenigen fasse / wissen wir / durch die Historische Erklärungen / daß die verständige Alten /allen Fleiß dahin / gerichtet / wie ihre Töchter und Weiber in allerhand Künsten und Sprachen unterrichtet würden: zu dessen Beförderung sie absonderliche Lehrer / zu Hauß bestellten / die ihrer Mannschafft beraubet waren: auch wol gar in öffentliche Schulen geschickt / oder sonst von ihren Vättern und Ehemännern unterwiesen wurden: wie dessen Claudianus /Plinius / Halicarnassœus / deßgleichen Plutarchus /und andere / hin und wieder warhaffte Zeugnus setzen. Diß Beginnen ist auch mit so glücklichem Fortgang beseeliget worden / daß / wie angeführte Autores melden / nicht wenig deren Weiber / öffentliche Reden / vor dem Volck gehalten; öffentlich von den schweresten und wichtigsten Sachen geschwinde Schlüß gemacht; öffentlich allerhand Wissenschafften und Sprachen gelehret; die Sprüche der Weisen erkläret / und die Gründe der Weißheit selbsten andern eröffnet. Atychintida wunderte sich dessen: weil ihr aber das Frauen-Lob nicht übel gefiel / gedachte sie Polyphilo fernere Anlaß zu geben / sprechend: Wie sagen dann die Medici / daß das weibliche Geschlecht / weil es kalter und feuchter Natur ist / welche traun keine grosse Spitzfindigkeit erwirbt / sondern vielmehr stümpffet; selbiges auch nicht zu hohem Verstand oder hurtiger Wissenschafft gelangen könne: dem ich so fern beypflichte / als ich selbst erfahren / daß auch diese /so vor andern etwas sonderliches seyn wollen / zwar wohl ein wenig von gemeinen Dingen / mit solchen Schlüssen geredt / die sie täglich hören: allein / da es zum Treffen kommen / hat sich die Unvermögenheit /in höhern Dingen / selbst willig bekennet / daß sie selbsten gestehen müssen / sie können nicht mehr begreiffen / als was die Kräffte des Gedächtnus erleiden / weil sie der Kräffte des Verstandes sich / in solchen Sachen / nicht zu rühmen hätten. Eben das / erinnerte Polyphilus hinwider / können wir von allen sagen / die in einer Sache nicht recht unterrichtet seyn / oder auch / wegen Mangel des Verstandes / nicht völlig können unterrichtet werden. Es ist ein Unterscheid unter den Gemühtern / deren eins /so wohl bey männlichen als weiblichen Geschlecht /immer fähiger ist / als das andere / und so beschaffen / daß wir nicht mit den Medicis aus Feuchtigkeit und Kälte / sondern der Ordnung Gottes schliessen sollen / der diesem mehr / jenem weniger; diesem hohen / jenem nidrigen Verstand gegeben. Aber doch / versetzte die Königin hinwieder / ists sehr gefährlich mit der Weiber-Kunst / weil sie gemeiniglich mehr schadet / als nutzet / und gewiß ist /daß gelährteste Weiber / auch die klügeste Verderberinnen ihrer Zucht und Keuschheit seyn: Wann anderst in solchen Wercken / die Klugheit sich nicht mehr einer verderbten Thorheit gleichet. Das ist etwas / sagte Polyphilus / und hat das Laster schon vorlängst die Gemüther der jenigen beherrschet / die ihre erlernte Kunst / ohne Kunst gebrauchet / und den erworbenen Verstand unverständig geschändet /indem sie ihren Sinn mehr auf nichtige Schand-als erbare Nutzbarkeiten gerichtet. Daher erzehlet Epictetus / daß / zu seinen Zeiten / die Römischen Frauen /ihre meiste Zeit / mit des Platonis Schrifften / von der Gemeinschafft / zugebracht / weil in selben der gemeine Gebrauch; wie aller andern Sachen / also auch der Weiber / gelehret wird. Allein wann dieser Schluß gelten soll / kan ich gleiches / mit leichter Müh / auch von dem männlichen Geschlecht erweisen / und wird der leicht-verliebte Oyidus / das Heer führen. Ich rühme den berühmten Gebrauch der Wissenschafft /und mein Lob zieret die Tugend; schändet hingegen allen verderblichen Mißbrauch / dessen sich nicht weniger alle Dinge / als die Frauen / so mit Kunst und Tugend begabet / theilhafftig machen. Darauf fieng Atychintida an: Was antwortet ihr aber darauf? daß zu beföchten / wann die weibliche Schwachheit durch Kunst verstärcket wird / werde auch ingleichen ihre List / damit sie das Männer-Volck betrügen / nichtweniger vergrössert / so gar /daß sie nach dem nicht beherrschet / nicht gezwungen / nicht begütiget / werden / und die klägliche Verwandelung angehet / daß Mann und Weib mit Rock und Hosen tauschen. Polyphilus muste eben lachen / so wohl gefiel ihm der Einwurff: aber dennoch hielt er dem entgegen /daß dieses / gleich dem vorigen / nur ein Mißbrauch /und der bösen Weiber Art sey; auch dieser Schluß vielmehr behaubte / daß dieselbe in guten und nützlichen Dingen sollen unterwiesen werden / damit sie ihre ungezähmte Erfindungen nicht eher nach dem Bösen / als Guten lencken / oder auch in ihrer gefassten Thorheit verharren: zumalen aller Orten wahr ist und bleibet / daß die Kunst unsern Verstand läutert /und die Tugend das Hertz reiniget von aller bösen Lust und Begierde / daß / wo Verstand ist / alle weibliche Boßheit weichet / und wo Tugend wohnet / alle Untugenden vertrieben / und die weibliche Schwachheit selber männliche Kräffte gebiehret. Ja! wann ich sagen darff / was ich dencke / und was die Warheit zu bekennen erfordert / glaub ich vor gewiß / daß eben der Unverstand / und die verwehrte Kunst eine Ursacherin sey / an dem verderbten Lob des weiblichen Geschlechts / welches / traun! dafern es / gleich dem männlichen / mit Fleiß unterrichtet / und in der Weißheit / durch Kunst und Tugend / fortgeführet würde /nicht selten dieses so weit übersteigen solte / als es sich jetzund / durch jenes / muß unterdrücken lassen. Dann allein die Kunst gibt Weißheit / und Tugend erwecket belobte Sitren / sie übe sich bey männlichem oder weiblichem Geschlecht. In dem Polyphilus so redete / fiel ihm die Weltberühmte unvergleichliche Schurmännin bey / die er /als ein Wunder der Natur / in seinen Sinnen ehrete /darum er auch diesen seinen Ausspruch / mit selbiger / zu behaubten / in folgende Wort heraus brach: Was zeugen diese unsere Zeiten von der Belgischen Minerven / Jungfrau Anna Maria Schurmännin? die wir billich den gelährtesten und verständigsten Männern / wo nicht vorziehen / doch so gleich schätzen /daß wir zweiffeln müssen / ob solte die Gleichheit nicht mehr den Vorzug verdienen. Selbsten der Name erweiset / daß in ihr die weibliche Unvermögenheit mit männlichen Kräfften sey verwechselt worden /drum nennet sie sich recht Schur-männin: allen denen / die das gebährende Frauen-Lob nicht nach Würden krönen wollen / mit sich selbsten zu erweisen / wie sie ihren männlichen Verstand / in Unterdrückung des weiblichen Ruhms / selbsten / nicht ohne grossen Nachtheil ihrer Ehre / verderben: Klüglich hat sie / in Warheit / das Frauen-Lob behaubtet /in dem sie sich denen / die solches angefeindet / mit dem bekannten Sprichwort widersetzet / und gleichsam schamroth gemacht: υολλοὶ μαθηαί κρείτουες διδασκἀλων: auch jenes alten Poeten / welcher spricht: Vos etenim juvenes animos geniris muliebres: illa virago viri. Welches sie angeführet / daß diese / deren Ursachen halber / entweder eine boßhaffte Mißgunst / oder vielmehr eine schändliche Furcht beschwere / in dem sie hören / und hören müssen / es übersteige die Wissenschafft der Weiber / die Männer-Kunst / und übertreffe der Jünger an Kunst und Geschicklichkeit den Meister. Atychintida muste vor dißmal dem Polyphilo Beyfall geben / dann sie dem nicht widersprechen dorffte /was an der hellen Sonnen war. Da nun Polyphilus merckte / daß er gewonnen hätte / machte ihn die Begierde des Siegs / sein fast selbst vergessen / in dem er noch höher Lob zu verdienen / die Ehre / so ihn billicher allen Weibern vorsetzen solte / mit folgenden Worten / freywillig nachsetzte: Wann nicht selbsten das gantze menschliche Geschlecht / ja! vielmehr die Ordnung der unsterblichen Götter / einmütig bekennte / daß das Weibliche dem Männlichen / an den Gütern des Verstandes / nicht nur gleich geschätzt / sondern auch weit überlegen sey / würden die Gesetze nicht beglauben / daß jenes / in dem Zwölfften; dieses aber allererst in dem vierzehenden Jahre das Vogtbare Alter treffe. Sey demnach das der letzte Schluß / daß die Weiber denen Männern / an allem / bey weiten vorzuziehen / weil sie züchtiger / schamhaffter / mitleidiger / getreuer / liebreicher / gottseliger / demütiger und gedultiger sind; ja auch / was die Güter des Leibes anbetrifft / schöner / zärtlicher / sittlicher und freundlicher / die mit allem Recht jrrdische Göttinnen / und eingefleischte Engel zu nennen: wie wir das selbsten stillschweigend gestehen / in dem wir ihnen mit so sorgfältiger Bemühung aufwarten / tieffer Demut gehorsamen / wachsamer Behendigkeit nachgehen / und brünstigem Verlangen um ihre Huld und Gnade werben / welches alles ein Zeichen ihrer hohen Würde / und ein offenbarer Beweiß unsrer Unwürdigkeit ist / die von jener bereichert / erhalten und vermehret werden muß. Wann dem allen so / sprach Atychintida / warum ehret man dann unsern Ruhm nicht auch in Schrifften? Das ist des Neides Schuld / versetzte Polyphilus / der sie zu der Knechtischen Hauß-Arbeit verstofsen darinnen sie gleichsam mit ihren Sinnen gefangen bleiben müssen / daß sie sich nicht höher schwingen / noch die himmlische Wissenschafften ersteigen können. Auch bauen sie ihnen das Gefängnus selber / wann sie sich so verstossen lassen: welchem sie zu wider / mit allem Recht sagen könten / was dorten der Löw / dem ein Löwen-Mörder vorgezeiget wurde / (so anderst ein Gedicht den Warheits-Glauben verdienet) soll geantwortet haben: Wann wir Löwen mahlen könten / solten mehr Männer von den Löwen getödtet / auf den Tafeln zu sehen seyn. Mit diesem hatte ihr Gespräch ein Ende; damm Polyphilus Urlaub nahm / und sich in sein Zimmer verfügte /allda er nidergesetzt / folgendes Gedicht / den weiblichen Würden zu Ehren verfertigte: Es wundert mich fast sehr / warumb man nicht will achten / der Weiber schönes Thun / gleich ob / was sie auch machten / verdiene keinen Ruhm: da doch die Weiber-List offt einen Mann bethört / der noch so witzig ist. Sind sie nicht / wie wir sind / mit allem gleich bereichet? wer ist dann / der auch sie / in allem / uns nicht gleichet? Sind nit der Sinnen fünff: Verstand und Witz / und Will? der Mann und Weib erhebt / und beyde heisset still / still und zufrieden seyn / mit dem / was Gott bescheret / der einig ihren Witz / Verstand und Sinn ernehret / ernehret und vermehrt? was will man wieder Recht / zum Herren setzen den / der selber besser Knecht / auch offt wohl minder ist? weil man bey diesen findet / was ihn erdrucket nur / und was ihn überwindet / an Kunst- und Tugend-Ruhm / das herrschet in dem Sinn der weiblichen Vernunfft / die träget den Gewinn. Drum ob Papyrius auch tausend der Gesetze setzt wider dieses Volck / und ob Huartus schätze sie noch so ungeschickt: so weiß ich doch gewiß / daß recht geschlossen sey / was ich / mit Warheit / schließ. Ihr seyt es / schönes Volck! daß einig nur zu loben; Ihr seyt es / liebes Volck! das einig steht erhoben / an jenem Himmel-Dach / da einig und allein eur hochgeführter Glantz verdeckt der Sternen-Schein. 5. Absatz Fünffter Absatz Beschreibet / die Reise-Fahrt Agapisti / und in was Unglück er gerathen / als er Talypsidamum / von der Mörder-Banden / zu erledigen suchte: Lehret den andern Anstoß / welcher die Tugend-liebende zu bestreiten pflegt / nemlich / die Verhindernus . Nun müssen wir wieder zu Agapisto kommen / und sehen / wie es dem auf seiner Reiß ergangen. Diesen führete eiliger die Begierde / und das Verlangen Macarien zu sehen / als s ein flüchtiges Pferd fort. Und da er den Wald / mit schnellem Lauf / ruckwarts gelegt / und sich im freyen Felde befand / doch so / daß er zwischen dem Gebüsch / nit ferne vor sich sehen konte: erschröckt ihn ohngefehr ein erbärmlich Geschrey / das kläglich anzuhören / und mehr durch Seufftzen und Heulen / als verständlicher Stimm / zu vernehmen war. Agapistus daher bewogen / gab seinem Pferd die Sporen / und eilete / mit nachgelassenem Zügel / dem Geschrey behende nach / und da er näher herzu kam / traff er hinter der Hecken ein Weib an / die sich jämmerlich behegte / und so bald sie den Ritter ersahe / gleich als erfreuet auffuhr / und mit kläglichen Geberden / für des Pferdes Füsse waltzete /bittend um Hülff. Die Wasser-rinnende Augen / die zerstreuete Haar /so sie nicht allein im höchsten Bedrangnus verwirret /sondern auch so gar ausgerauffet / daß sie einen grossen Zopff in ihren Händen trug; ja auch / die in einander geschlagene Hände selber / mit dem hertzlichen und schmertzlichen ächtzen / vermochte das mitleidige Hertz Agapisti dermassen zu erweichen / daß er /seines Verlangens vergessend / dem Pferd den Zaum anhielt / um zu vernehmen / was ihr gebreche. Diese fieng mit beweinten Worten an: Wer du auch bist /edler Ritter! so leiste die Pflicht deinem Schild und Waffen / und laß deine Lantzen die Erlösung bringen dem / der unschuldig unter den Mördern gefangen /durch jenen Wald geführet wird. Agapistus sich seiner Schuld / die ihm diese Rüstung auflegte / erinnerend / wäre leicht zu erbitten gewest / wann nicht der Befehl Polyphili ihn mehr auf Soletten zu eilen vermahnet hätte. Darum er in zweiffelhaffter Entschliessung nach dem Namen dessen /den er zu erretten / gebeten wurde / fragte: Dagegen ihm die Hülff-bittende versetzte: Ach! daß ich den belobten Na men mit solcher Betrübnus nicht nennen solte! Edler Ritter! so du Tugend liebst / wirst du zu Hülff kommen dem / darunter die Tugend gedrucket wird. Die Noht leidet keinen Verzug / weiter zu bitten; drum eile / ehe der Mörder Hand den Unschuldig-Gefangenen gar entführet. Es sey dir genug / daß dich Gott zu seiner Entbindung / und deiner Bekrönung daher geführet. Eine lautere Furcht besiegete das Hertz Agapasti / nicht weniger der Eyfer / damit er sich selbst / und das Glück beklagte / das ihn in solche Gefährlichkeit / und Verlust entweder seiner Ehre / oder Glücks gesetzet. Denn er gedachte / laß ich mich erbitten / werde ich an Polyphilo untreu: soll ich dann das Leben nicht retten / dessen / der den Tod nicht verschuldet / leidet meine Ehre und Tugend-Liebe noht. Doch mochte das Versprechen / so er Polyphilo gethan / sich so mächtig erzeigen / daß er den Dienst des Bekandten / der Hülff eines Fremden vorsetzte; deßwegen er sich gegen der Hülff-begehrenden höchlich entschuldigte / mit Vorwenden / daß er anjetzo nicht sein eigen / sondern in fremden Verrichtungen bemühet / ihrer Bitte nicht gehorsamen könte. Die Wort des Ritters legten die Leid-klagende / mit Versinckung der Krafft / auf die Erden: aber das wachsame Hertz / und der erzwingende Schrecken /stieß im Niederfall / mit einem bekümmerten Seufftzer / den Namen Talypsidami / durch den Mund heraus / daß sie ihrer vergessend / gleich als mit sich selber redend / diß ihr letztes Wort / und zwar halb gebrochen / ausgoß: Ach Talypsidame! so must du sterben! Ach! so übet ihr gerechten Götter gebührende Rach / um Macarien willen / die durch den Verlust Talypsidami auch sterben muß: und mit diesen Worten endigte die Halb-Todte ihr Leben. Nun dencke eins / in was Schrecken und Forcht Agapistus gewesen / nicht viel fehlete / daß er gleiches erlitten / und die Schuld dieses unschuldigen Tods / durch sein eigen Schwerdt / an seinem Leben gerächet: Die Hertzens-Bekümmernus stürtzete ihn vom Pferd / und warff ihn auf die Verstorbene / die er hin und wider schüttelte; aber die Ohnmacht war so starck / daß er nichts / denn den Tod mercken konte. Gleichwol gab ihm die verharrende Wärm noch eine Hoffnung / darum er sie mit Balsam bestriche / konte aber nichts richten. Nun / gedachte er / bist du Mörder an dieser Seele / und an der Seele Talypsidami ingleichen. Ach Talypsidame! bist du ja Talypsidamus /dem ich den Brief überreichen soll? Wie werden die Ertödtete Brief annehmen? O Unglück! muß ich durch die Treu / so ich dir erweisen wollen / mein Polyphile! nun selbst an dir treuloß werden? Ach! warum habt ihr mir / ihr unsterbliche Götter! diese unglückhaffte Reise / zu meinem Verderben / aufgelegt? Was thu ich nun? Ach! ich Verzweiffelter! was thu ich nun? soll ich Talypsidamo nachsetzen? und diesen Tod /durch die Errettung seines Lebens / vergleichen? Ja /das soll ich thun. Ach! so verhindert den Fortzug der Rauber / ihr gewaltige Götter! daß ich antreffe / den ich suche / und verleihet / daß ich entweder / mit meinem Sieg / den Tod dieser Matron / an jener Mörder Leben / räche / oder durch den Verlust meines todt-schuldigen Lebens / das Leben erhalte / dem ichs zu erhalten schuldig bin. Mit diesen Worten erstieg Agapistus widerum sein Pferd / und erhub sich / mit schnellem Lauf / von der Matron / dem Walde zu / den gefangenen Talypsidamum zu erjagen. Aber das Unglück ward immer grösser / die Mannigfaltigkeit der Irrwege / verführeten das Gemüth Agapisti dermassen / daß er unwissend /wohin er sich wenden solte / aufs neue zu klagen anfieng. Die hochdringende Noth erlitte keinen Verzug /und doch verursachete die zweiffelhaffte Furcht eitel Verhindernus biß er endlich / weiß nicht / soll ich sagen / aus gefasstem Eyfer / oder so wollender Fügung des Himmels / sich zur lincken Hand / in den Wald schlug / und mit erhitztem Sporen-Streich denselben durchjagte. Das Ende des Waldes beschloß der vorbey fliessende Peneus-Fluß / an dessen Ufer er die Mörder mit Talypsidamo antraff! die sich zu Schiff setzeten / und Talypsidamum allbereit in die Ketten gelegt hatten. Wie es aber gemeiniglich zu geschehen pflegt / daß die Wercke der Boßheit eine gewaltige Furcht nach sich ziehen; als traff auch diß die Mörder dermassen /daß die / so allbereit zu Schiff waren / die Grausamkeit des erhitzten und verfolgenden Agapisti beförchtend / vom Land stiessen / und zweyen von der verdamten Rott zu ruck / dem Agapisto zur Rach / überliessen / die er auch mit solchem Grimm verbrachte /daß er einen mit seiner Lantzen / vom Ufer / ins Wasser stürtzete / und ersäuffte / dem andern mit dem Schwerdt / durch das Haupt / biß auf die Brust / einen solchen Streich gab / daß er / halber zerspaltet / tod darmeder fiel. Talypsidamus / dem seine harte Bedrangnus / nicht so sehr schmertzete / als daß er Agapisto die grosse Treu nicht danckbarlich vergelten solte / fieng in den Banden / die Untreu der Mörder / gegen ihre Mitgesellen / an zu schelten / mit Vermahnen / daß sie solche Unbillichkeit nicht unvergolten liessen / sondern wieder anlendeten / und billiche Rach verübeten. Das alles aber / sagte er zu seinem und Agapisti Besten; denn er gedachte / so sie aussteigen würden / wolle er das Schiff entführen / Agapistus aber würde sein Schwert schon zu gebrauchen wissen / wann sie dann erlägt wären / wolle er den schuldigen Danck / gegen dem fremden Ritter / ablegen. Aber wie viel ein anders hatte die Widerwertigkeit des Glücks beschlossen! Untreu verlangte keine Rach / und spotteten sie vielmehr Talypsidami / als der nicht wüste / daß der erste Beding ihrer Gesellschafft wäre / wer sich erretten könne / der möge sein Bestes suchen / wie er wolle. Ja! fieng der andere an /(den ich glaube / daß selbst die Boßheit gebohren /und die Laster gesäuget haben /) wann ich mein Leben / durch seinen Tod / hätte erretten können /wolt ich ihn selber erwürget haben. Da nun Talypsidamus sahe / daß er nichts richte /gab er mit den Händen und dem Haupt das Danck-Zeichen dem getreuen Agapisto: Agapistus hingegen schrie mit lauter Stimm: Polyphilus! Polyphilus! und zeigete den Brief / winckete ihm auch / wie er nach Soletten gewolt habe / und diesen Brief ihm zu bringen. Da solte eins die Tausendfältigkeit der Gedancken Talypsidami gesehen haben / die der Name Polyphili verursachete. Bald gedachte er / gewiß hat dieser Ritter dich an den Tod Polyphili erinnern wollen / um deßwillen du diese Naht / und ohne Zweifel auch den Tod erleiden must: doch tröstete ihn sein gutes Gewissen / daß er unschuldig sey an jenem Tod. Bald gedachte er / wann er sonderlich den Brief erwägte /Polyphilus lebe noch / und habe diß an ihn geschrieben: in welchem Sinn ihn nicht wenig die Erinnerung stärckte / so offtermals Macarie gethan / daß sie nicht glaube / daß Polyphilus todt sey. Bald gedachte er hinwieder / vielleicht ist dieses selbsten Polyphilus /dessen Arm mich zu erretten / verlanget / doch widerlegte ihn / in diesem Fall / die Ungleichheit der Grösse / denn Agapistus kleinerer statur war. Mit einem Wort: was einen Zweifel erwecken konte / das verderbte die Hoffnung / und womit die Hoffnung tröstete / das verbitterte der Zweifel / biß er Agapistum aus den Augen verlohren / nunmehr seine Gedancken zum sterben bereitete / weil er den Schluß selbsten anhörete / daß er die Treue / so er an ihnen / gegen ihren Mitgesellen / begehret / mit seinem Tod erweisen solle. Was macht nun Agapistus? Auf Soletten zu reisen /ist vergeblich: Talypsidamum zu erlösen / unmüglich / wieder zu ruck zu gehen / verdächtig: unverrichteter Sachen zum Polyphilo wieder zu kommen /schändlich / bevor ab da er die einige Ursach ist / daß Talypsidamus nicht errettet worden / weil er der Bitte des Weibes nicht alsobald gehorchet: so bekümmert ihn nicht wenig die Furcht / des unschuldigen Todes /dieser Verstorbenen / mehr aber / daß er nicht wissen konte / wer sie wäre? Vielleicht / dachte er / ist sie gar Talypsidami Vertraute / daß ich Mann und Weib auf einmal erwürget: welche Furcht ihn desto hefftiger schröckete / je mehr sie sich der Warheit gleichete. Darum er endlich bey sich selbsten den Schluß machte / sich ins Wasser zu stürtzen / und das viele unschuldige Blut / durch seine Ersäuffung / zu büssen. Aber nun erkenne ein jeder die Vorsehung des gütigen Himmels. Agapistus voller Verzweiflung / wendet sein Pferd / und führet dasselbe etzliche Schritt vom Ufer / dem Walde zu / befiehlet sich der gnädigen Hand der Götter / und rennet im vollen Streich /aber mit verbundenen Augen / (ohne Zweifel / daß er den Augenblick seines Todes nicht warnehme /) auf den Strom zu / Willens / sich mit dem Pferd zu ersäuffen: als eben die vertraute Talypsidami / so er nimmer / lebendig zu sehen / gehoffet / aus ihrer tödlichen Ohnmacht / wieder zu sich selbst kommen /und mit vollem Eyfer / dem Ritt Agapasti nachgefolget; die / so bald sie sein Vornehmen erkennete / mit erhobener Stimm anfieng zu schreyen / daß Agapistus bewogen wurde / das Pferd / mitten im Lauf / aufzuhalten / und zu sehen / wer sein begehre. Drey Schritt mochte er noch zum Wasser gehabt haben / da er sein Gesicht entdeckete. Die Furcht aber des bösen Gewissens / stessete ihn alsbald ans Hertz / daß er bereuete / was er / in verzweiffelter Gefahr / zu vollbringen /beschlossen hatte. Auch tröstete ihn / in seinem Leiden / der Anblick deren / die er vor ertödtet gehalten; wiewol ihn die Scham so sehr schröckete / daß er sich scheuete / sie kühnlich anzusehen / bloß darum / daß er nicht alsobald Hülff-reiche Hand geleistet / deßwegen er sich geschwind vom Pferd / zu ihren Füssen legte / und um aller-günstigste Verzeihung bat / seines vorigen Fehlers; denn er bekennen müsse / daß er dem unschuldigen Talypsidamo / den unverdienten Tod verursache: wann anderst das eine billiche Ursach zu grüssen / die nicht verwehret / was sie verwehren kan und soll. Psychitrechis / so war des Weibes Name / achtete nicht der Bitte oder Entschuldigung: sondern fragte alsobald nach ihrem Talypsidamo / und da sie vernahm / wie er auf jenem Schiff fortgeführet würde /welches zur rechten Seiten / ein wenig vom Ufer / in die Höhe segelte / erdachte sie den eiligen Rath / Agapistus soll am Ufer hinauf reiten / zu sehen / was es vor ein Ende nehmen würde. Der Anschlag gefiel nicht übel / sonderlich / da sie wider den Strom schiffeten / daß Agapisti flüchtiges Pferd sich immer fort der Schiffart gleich halten konte / auch war der beyliegende Wald sehr bequem /seine Begleitung / wider Wissen der Mörder / gantz heimlich und unvermerckt zu vollbringen. Was geschicht? Es muß doch wahr bleiben / daß die gnädige Götter ein wachendes Auge auf die Sterblichen haben / und denen / so sich ihrer Macht vertrauen /nach erlittenem Unglück / dennoch hinwider mächtige Hülff und starcken Trost bescheren. Dann als Agapistus in höchster Betrübnus an dem Ufer hinan reitet /seine Augen aber immerfort auf den Fluß / neben Talypsidamo / schiffen lässet / geschichts / daß sein Pferd an einem Stock stosset / und strauchelt / so gar /daß es sich / mit einem gefährlichen Fall / zur Erden neiget / und Agapistum ins Gras niederleget: aber zu sein / und Talypsidami / grossem Glück. Dann ungeacht er frisch und ohne Verletzung wiederum aufgestanden / ersiehet er an dem Ufer / eben da er sich wieder zu Pferd setzen will / einen kleinen Nachen angebunden / mit allem dem / wessen die Fahrt benötiget / wol versehen. Agapistus / dem der unverhoffte Fund / gar leicht /ein Zeichen göttlicher Vorsehung seyn möchte / hänget sein Pferd an den Baum / und löset das Schiff /mit sich selbsten / vom Lande / eilet auch / so viel müglich / auf Talypsidamum zu / nichts mehr verlangend / als entweder das Leben Talypsidami zu erhalten / oder sein eigenes zu verderben. Die Mörder / da sie Agapistum / mit Schwert und Waffen zu Schiff sahen / und auf sie zu eilen / wurden so voller Furcht / daß sie die Segel / mit grosser Behendigkeit / wandten / und gleich einem Pfeil / in unglaublicher Geschwindigkeit / widerkehreten / woher sie kommen / und mit dem Fluß / der Tiefe zufuhren. Agapistus setzete / mit gleichfertiger Ubereilung /nach / mochte sie aber nicht erlangen / weil er der Schiffarten ungewohnt / nicht wuste / wo der Vortheil zu treffen. Gleichwol vermochte seine Verfolgung so viel / daß er dem Talypsidamo das Leben rettete. Dann der Augenblick / da sie des Agapisti wahrgenommen / solte Talypsidamum / dem sie nunmehr alles genommen / was er mit sich führete / über Bord werffen: an welchem sie damals verhindert wurden /weil die Errettung ihres gefährlichen Lebens nicht zu ließ / ein unschuldiges Leben zu ertödten. Wie nun Talypsidamus muß erfreuet worden seyn / kan der leicht schliessen / der sein Leben liebet; und wurde die Freude um desto mächtiger / daß er Agapistum immer hefftiger arbeiten / und ihnen nach setzen sahe. Psychitrechis stund am Ufer / und sahe dein traurigen Spiel mit Entsetzen zu / welches desto erschröcklicher zu sehen war / weil es doch endlich Leib und Leben kosten würde. Doch blieb sie an dem Ort in betrüglicher Hoffnung / sie werde die wieder sehen /welche gleich dem Blitz vor sie weg / und endlich gar aus ihren Augen fort fuhren. Da sie aber eine zimliche Weil vergeblich harrete / fiel ihr endlich / unter tausend klagenden Gedancken / das Pferd Agapisti bey /wo doch solches hin kommen. Sie gieng an dem Ufer hinauf / und fand den Zügel an einem Baum gebunden / das Pferd aber sahe sie von ferne in den Wald sprengen / daher sie schliessen konte / daß es sich abgerissen / und vielleicht wieder zu Hauß kehre. Das hatten aber die Wellen verursachet / die mit solchem Saussen und Brausen / in dem sich das grosse Schiff auf dem wanckenden Wasser gewandt / aus Ufer geschlagen / daß daher das Pferd erschröckt / und ohne vorgesetzten Weg / die Flucht genommen. Psychitrechis / wiewol sie in neue Furcht dadurch gesetzt wurde / weil sie ihr leicht einbilden mochte /daß / wann das Pferd seinen Reuter nicht wieder mit sich bringe / die Bekannte dieses Ritters in grossen Schrecken gerathen wurden: ward doch die vorige Betrübnus so gehäufft / daß fast unmüglich war / ihrem Hertzen den Kummer zu vermehren: darum sie mit weinenden Augen / und seufftzenden Hertzen / den Zügel ablösete / und als eine betrübte Beute / mit sich nahm / auch widerkehrte an den Ort / da sie / mit Heulen und Klagen / ihres allerliebsten Talypsidami wartete. Den sie aber lange nicht erwarten konte. Dann da die Mörder / in der Flucht / furchtsam fort eileten; Agapistus aber / in der Verfolgung / erbittert nachsetzte / und sie doch nicht erreichen konte /schütteten die erzürnten Götter / ihren gerechten Eyfer / über den Fluß / mit erschröcklichem Wetter /und wütenden Winden / aus / entweder ihre wunderbare Hülf denen Nohtleidenden zu erweisen / oder dem Agapisto den verdienten Lohn / seiner Saumseligkeit halber / auf diese Art / zu versetzen. Die stürmende Winde erhebten die Wasser-Wogen / mit solcher Grausamkeit / daß die wanckende Segel / augenblickliche Todes-Noth droheten. Die Furcht aber / so aller Hertzen schröckete / erhäuffte sich dermassen /daß ich nicht weiß / ob mehr die Schiffe / von dem brausenden Wüten der Wellen / als ihre bestürmete Sinnen / die zitternde Glieder / in dieser Lebens-Gefahr / versencket. So offt der donnernde Himmel seine blitzende Stralen auf sie zuwarff / so offt schlug ihnen die Erinnerung ihrer verübten Boßheit / gleich einem Knall / ins Hertz; Agapistum aber traff die Härtigkeit seines Mitleidens / und der Verzug seiner Hülff: beyderseits ward die Noht so groß / daß jene nicht mehr einige Flucht / dieser eben so wenige Verfolgung suchete; besondern ein jeder bemühet war / sein Leben zu erretten. Wie aber eine Widerwertigkeit die andere gebiehret; also war es nicht genug / daß Agapistus tödliche Furcht erlitten / sondern er muste dem Glük / auch nach diesem / ein Lust-Spiel werden / welches ihn so nahe zum Talypsidamo brachte / daß er ihm von Polyphilo den Gruß zuschreyete / aber in einem Augenblick / durch den Sturm und Wellen / dermassen wegführete / daß er weder die Mörder / noch den Gefangenen sehen konte. Es erfasste ihn ein widriger Wind / und führete sein Schifflein in einen andern Strom / auch so ferne / daß er nicht die geringste Hoffnung / Talypsidamum wieder zu sehen / schöpffen konte. So bald Agapistus entführet / legten sich die Winde / und ward der Fluß stille. Talypsidamus /der sich seines Erretters nicht mehr trösten konte /und aber sein Leben nunmehr um desto lieber erhalten hätte / weil er von Polyphilo gehört / daß er noch lebe / gedachte die Mörder / mit bittender Demut / zu gewinnen / daß sie ihm sein Leben schencketen. Wiewol ihm solches schwer dünckete / und der Großmütigkeit seines Hertzens fast zuwider: doch vermochte die Liebe Polyphili so viel / daß er vor dißmal die Noth der Tugend vorsetzte / und folgender Gestalt anfieng: Sehet ihr dann nicht die drohende Straf der erzürnten Götter / die keinen unverdienten Tod an mich will verüben lassen. Kan euch meine klagende Stimme nicht erweichen / so errette mein armseliges Leben die donnernde Hand der Unsterblichen. Meynet ihr / dafern euch nach meinem Tod verlanget / und denselben wider Recht / und ohne mein Verbrechen / befördert /daß die gerechte Vergeltung des beleidigten Himmels / mein Leben / nicht / an eurem Tod / wieder suchen wird? Diese Wellen werden euch verschlingen /ehe ihr wieder zu Land kommet: Diese Wasser müssen euch ersäuffen / wie ihr meine Seele in meinem Blut ersäuffen werdet. Die Erfahrung / und der Schrecken / welchen euch das jetzt verstrichene Gewitter / vielleicht meiner Unschuld wegen / erreget /zeuget frey / daß ihr diese Ubelthat / nicht ohne Rach der gewaltigen Götter / vollbringen werdet. Sehet mich auch vor den an / der sich eben nicht zu sterben; sondern durch eure Hand zu sterben scheuet / die ihr vielleicht gerechte Rach / wegen der ermordeten Gesellschaffter / an mir zu üben / vermeynet / und meinem Ruhm / nach diesem Leben / eine Schande beyleget. In dem Talypsidamus so redete / und ferner reden will / auch bey nahe das felsichte Hertz der blutgierigen Mörder erweichet / siehet er mit gleichsam geflügelten Winden / das schönste seiner Schiffe daher fahren / welches er nachzufolgen / bey seiner Abreise /verordnet. Die Mörder wurden dessen nicht so schleunig gewahr / auch nicht ehe innen / biß sie sich gefangen befunden / weil sie das Gesicht auf Talypsidamum gewandt / und sich ruckwerts bemächtigen liessen. Auch halff der Fortgang ihres Schiffs / welches sonderlich / vor andern / die Wasser / mit solcher Schärffe / durchschnitte / daß es kein geringes Brausen verursachete / dem unvermerckten Zutritt des andern / obwohl grössern / nicht wenig. So bald sie nun hinzu kamen / wurden sie des gefangenen Talypsidami / in den Ketten / gewahr / darüber sie in solche Bestürtzung fielen / daß sie nicht wusten / was sie dencken solten; bevorab / da sie der vesten Einbildung lebten / sie würden ihren Herrn bey dem grossen Meer / (dahin gedachte Talypsidamus) antreffen. Es wurde aber diese Bestürtzung bald / in einen hefftigen Grimm / verwandelt / daß sie / mit Ungestümm / auf das Schiff fielen / die Räuber gefangen nahmen / und ihren Herrn entfesselten. Welcher Befehl gab / in die Höhe zu segeln / der gäntzlichen Hoffnung / er werde seine Psychitrechin an dem Ufer antreffen / da er vor dem so schnell vorbey gefahren: wie auch allerdings geschahe. Diese / nach dem sie den Wechsel vernahm / vergaß sie bald ihres Leids / und gedachte auf die Rach /so mit gültigem Recht an denen Strassen-Räubern und Mord-Kindern müsse vollbracht werden: allein das mitleidige Hertz Talypsidami vergaß aller Rach /wegen der Freud der Erlösung. Gleichwol / daß solche böse That nicht unbestraffet bliebe / legte er sie sämtlich in die Ketten / und befahl den Schiff-Bedienten / daß sie wohl verwahret / und dem Agapisto zur Rach aufgehoben würden. Nach dem bedanckte sich Talypsidamus gegen die Seine /wegen des treuen Diensis / versprach denselben mit einem herrlichen Entgelt zu versetzen / und ihre Treue im ewigen Gedächtnus zu behalten. Erinnerte auch dabey / daß sie nichts davon aussagen solten / weil die Mannigfaltigkeit der Reden / so daher entstehen würden / eben so leicht zu seiner Schand / als Ehre gereichen möchte. Die Bediente nahmen das alles in völligem Gehorsam auf / und entschuldigten sich wegen des unverdienten Dancks / massen solches ihre Pflicht gewesen / deme sie / ohne Vergeltung / schuldige Folge leisten müsten. Ob nun Talypsidamus / wegen der ausgestandenen Gefahr / nicht wenig ermüdet worden / setzte er dennoch seine Reise fort / damit sein erlittenes Unglück /durch die Wiederkehr / nicht kündig würde. Weil er sich aber nicht mehr allein zu Land trauete / und Psychitrechis / seine Geliebte / zu Schiff nicht fahren konte; schickete er selbe wieder zu ruck / in Begleitung zweyer gerüsteten Diener / weil sie / ohne dem /nur das grosse Meer zu besehen / die gefährliche Reiß auf sich genommen: er aber setzte sich zu Schiff / mit dem Versprechen / daß er sie mit ehistem wieder sehen werde. Vor dem Abzug / erinnerte er sie an Agapistum / so derselbe kommen werde / daß sie ihn nach Würden bedienen lasse / und biß zu seiner Widerkunfft aufhalte: da er aber nicht erscheinen solte / solle sie forschen / so viel müglich / von wannen er gewesen /und wohin er kommen / und da sie seine Bekandte erkundige denselben alsobalden Bericht thun / daß er hoffentlich noch lebe / damit sie / das leere Pferd /nicht in längerer Furcht betrübe. Allein das war alles vergebens bestellt / dann sie so wenig Agapistum / als seine Bekandte erfahren / auch ehe ihren geliebten Talypsidamum / dann deren einen wieder gesehen. Nun wollen wir Talypsidamum schiffen: Psychitrechin aber wieder zu ruck gehen lassen / deren jedes mit gutem Friede dahin gelanget / wohin sie begehrt / wann nicht die Leidtragende Furcht / beyden Hertzen / den Tod Agapisti / und dann den Schrecken seiner Bekandten / mit gar zu betrübter Einbildung /aufgebürdet / welche sie ohne Unterlaß / gleich einer heimlichen Gefahr / des Tages in Gedancken / des Nachts im Schlaf verstörete / und mit höchst-betrübter Traurigkeit belegte: vielleicht nicht ohne Ursach. Dann der viel-geplagte Agapistus / durch die Widerwertigkeit der gewaltigen Winde dermassen verführet wurde / daß er selbsten nicht wuste / wohin er kommen. Doch beglückte ihn endlich der begütigte Himmel / mit einer wenigen Sicherheit / daß er ans Land stieß / und sein Leben von der Gefahr des ersäuffenden Wassers befreyete. Aber / was sag ich / befreyete? die kümmerliche Nahrung / die ihm die bittere Wurtzeln / und das ungekochte Fleisch der wilden Thier darreichte / war dem Tod viel gleicher / dann dem Leben. Auch der nächtliche Schrecken / die Furcht vor den reissenden Thieren / die ewige Plag der peinlichen Geister / verursacheten ihm mehr den Tod zu wünschen / als das Leben ferner zu erhalten. Ja! es überfiel die Tausendfaltigkeit seiner Bedrangnus / das enthertzte Hertz dieses unseeligen Agapisti / offtermals so sehr / daß er das Meer der Untreu beschuldigte / und alle Wellen vor verdammlich anklagte /nicht / weil sie ihn daher geführet / sondern daß sie ihn / sein elendes Leben zu verlängern / nicht ersäuffet hätten. Aber es halff das alles nicht: Agapistus solte lernen / was Unbarmhertzigkeit / deren er sich gegen die Hülff-schreyende zu viel gebrauchet / vor Lohn verdiene / und wie er hinführo mitleidiger seyn solte. So lassen wir ihn nun in seiner Marter-Schule /und sehen / was indessen Polyphilus gethan. 6. Absatz Sechster Absatz Beschreibet den Schrecken Polyphili / den er über das unberitten-widerkehrende Pferd Agapisti eingenommen / und wie er zum Talypsidamo kommen: Ist eine Lehre / von der blinden Glücks-Neigung / welche auch die Tugend-suchende nicht selten begleitet. Dieser verlangte seinen Agapistum zu sehen / deßwegen er folgendes Tages / da er seine Widerkunfft hoffete / fast alle Stunde / auf die Zinne des Schlosses sich erhebte / doch aber sein Verlangen nicht erwarten kunte / daher er in tausend-fache widrige Gedancken gerieth / und bald an Agapisti Treue / bald an Talypsidami Gunst / bald wieder an Macarien Gnade zweiffelte. Und mit dieser Furcht kümmerte er sein Hertz /biß in den dritten Tag / da er / in seinem Zimmer / die Unglückseligkeit seiner Liebe wehmütig beklagte /auch die Götter um mitleidige Erbarmung anflehete /als einer der Hof-Diener / mit erhitztem Gang / ihm die Ankunfft Agapisti / den er an dem Pferd erkenne /ansagte: deßwegen Polyphilus fast erfreuet / doch heimlich erschröckt / ihm geschwind entgegen eilete /um zu vernehmen / was die Antwort seyn würde. Ach! aber unglückseliger Polyphile! welche Angst wird dein Hertz klemmen / wann du nicht Agapistum / sondern einen fremden das Pferd wirst herzu bringen sehen. Polyphilus hoffete Freude / aber so bald er den Reuter vernahm / ersäuffete die zufallende Furcht sein Gemüth / mit tausend Betrübnus / welche um desto häuffiger vermehret wurden / als er erfuhr /daß dieser Reuter nichts von dem Ritter wisse. Die erhitzte Begierde Polyphili konte nicht warten / biß er völlig zu ihm kam / da er schon gefragt hatte / was Agapistus mache? dann es bethörete ihn die Hoffnung / als hätte Agapistus ihm gefallen lassen / bey Talypsidamo zu bleiben / und deßwegen diesen Botschaffter zu ruck gesendet / daß er ihm die Nachfolge verkündigen solte. Aber die erhitzte Frag / überkam eine kalte Antwort / weil der vermeynte Botschaffter /keinen Agapistum gesehen zu haben / sich bekandte. Wer bist du denn / sprach Polyphilus / und wie kommst du zu dem Pferd? Ich bin / versetzte der Antworter / ein Bauer / aus dem nächsten Dorfs / und habe in dem Wald / da ich Holtz gehauet / diß Pferd /ohne Reuter und Zügel angetroffen / kan nicht wissen / woher es kommen / oder wohin es gehöret / doch hab ich wol gesehen / daß es müsse von nichts schlechtes herkommen / deßwegen ich selbiges daher bringen wollen / zu vernehmen / ob es nicht daher gehöre? Ach! du erschlagenes Hertz Polyphili / und / O ihr Leid-erweckende Wort! die ihr den armseligen Polyphilum / gleich einem Donner / danider schlaget! daß müglich wäre / die bethränte Wort Polyphili alle zu bezeichnen / und die rauchende Senfftzer zu zehlen /damit er den Tod Agapisti beklagte / so würde ein jeder / die Schmertzen / seiner inwendigen Angst /leicht ermessen können. Er konte nichts gewissers /als den Tod Agapisti schliessen. Darum fiel er dem Pferd um den Halß / und druckete dasselbe hertzlich /stellete sich auch / aus Zwang der grossen Schmertzen / als wolt er mit demselben reden / und fragen; wo es seinen Herrn gelassen: aber keiner mochte ihm antworten. Er druckete seinen Mund auf den Sattel / den Sitz zu küssen / welchen der getreue Agapistus innen gehabt. Ach! sprach er / von hinnen hat dich ja das mörderische Schwerdt / oder ein ander verdammt Gewehr / weggerissen. Ach! daß mich doch in meinem höchsten Unglück diß Glück beseeligen solte / daß meiner Hand die Rach zu üben unverwehret bliebe! Ach! daß ich den Blut-Hund sehen und bekommen solte / der dich / du treues Hertz! du liebes Hertz! du verlangtes Hertz! mir / mit solchem Grimm / entnommen / gewißlich solte meine Faust / diß Blut / an deinem Leibe / bezahlen. Diß klägliche Beginnen Polyphili verursachete den anwesenden Diener / daß er der Melopharmis / die er wuste / daß sie ihm lieb war / diß eilig eröffnete / und ihn zu trösten / herunter zu kommen / ersuchete / welche ihn auch / mitten unter der Klag / antraff / und wiewohl sie sich hart hielt / dennoch durch die klägliche Geberden / des gar zu bitterlich weinenden Polyphili / dermassen bewogen worden / daß sie gleiche Klage führete / biß sie endlich Polyphilum / solcher Gestalt / anredete: hoch-betrübter Polyphile! wer die treue Freundschafft und das Hertz-Verbündnus ansiebet / das euch / und eure Seufftzer dem Agapisto nachziehet / der muß freylich bekennen / daß euer Zähren nicht ohne Billichkeit fliessen / und eure Klagen / mit allem Recht / geführet werden. Was hilffts aber / mein Polyphile! daß ihr die tief-geschlagene Wunden eures Hertzens / immer mehr erweitert? könnet ihr ihn / mit eurer Klag-Stimme / wieder zuruck ruffen? Es ist doch alles vergebens. Drum trücknet eure Zähren / und vergesset des Jammers / der vielleicht euch ohne Noth drucket. Wisset ihr dann gewiß / daß er tod ist? kan ihm nicht sonst ein Unfall begegnet seyn / der ihn vom Pferd gesetzet / aber doch dabey nicht alsobald ertödet? Kan ihm nicht das Pferd entrissen seyn / da ers etwa an einen Strauch gebunden / welches mir / wegen des verlohrnen Zügels / gar glaubhafft vorkommet. Wer weiß / ob ihr ihn nicht heut sehet. Und solte ja der grimmige Tod ihn geraffet habn / ist ihm das wiederfahren / was wir insgesamt täglich zu er warten. Darum gebet euch zu frieden /geliebter Polyphile! und hütet euch / daß ihr durch euer all zu vieles Grämen / die bald beleidigte Götter nicht zu hoch erzürnet / und durch Bestraffung ihrer Ungnade / um diesen wenigen Verlust / eurer Macarien / nicht beraubet werdet. Hat auch / auf diese Art /der Zutritt / eurem verlangen / nicht können entschlossen werden / so glaubet mir / daß ich noch tausend Mittel habe / euch vielleicht auch morgen den schönen Händen / der hochverlangten Macarien / zu vertrauen. Polyphilus konte leicht schliessen / daß diß ein Trost / und nichts mehr sey deswegen er auch denselben keines Glaubens / noch einiger gewissen Hoffnung würdigte. Gleichwol aber wurde sein Hertz in etwas erleichtert / wie er den Namen der schönen Macarien nennen hörte / der jederzeit alle verdunckelte Sinnen / mit einem erfreulichen Liecht / erhellen / und die mächtigste Betrübnussen / mit seiner Anmuthigkeit / lindern und versüssen konte. Deßwegen gab er Befehl / daß das Pferd wohl in acht genommen / und fleissig versehen werde: dem Uberbringer aber /wurde / neben einer ansehligen Verehrung / gebührender Danck gesaget; und Polyphilus kehrete mit Melopharmis wieder in sein Zimmer. Alsbald Polyphilus hinein kam / steurete er sich auf das Ruhe-Bett / vor grosser Müdigkeit / und schloß die Augen / daß er den Schlaf sehe: aber die Angst ließ ihn nicht ruhen / deßwegen er Melopharmis anflehete / daß sie bey ihm bleibe / und mit ihm von Agapisto rede; dann in seinem Andencken gedachte er eine heimliche Erquickung zu finden. Selbst auch Polyphilus gab alsobald Gelegenheit an die Hand / wie ihr doch düncke / wohin der Brief an Talypsidamum müsse kommen seyn? Was man gedencken werde /dafern ein fremdes Auge denselben lesen / und ein unwissendes Hertz dessen allen werde verständiget seyn? darauf Melopharmis antwortete; daß sie so gewiß sey / daß Agapistus denselben in keine andere Gewalt kommen lassen / als gewiß ihm die Treue und Aufrichtigkeit desselben bekannt sey. Wann ich nur /sprach Polyphilus / gewiß wissen solte / wo ihn das Pferd abgesetzt / oder wo er das Pferd verlassen /könte man ihn suchen / ob er vielleicht unter die Mörder gerathen / die ihn so hart verwundet / daß er Krafftloß sich nicht wieder erheben können. Diß bekräfftigte Melopharmis / daß mans ohne dem thun könne / weil er / dem Zeugnus des Bauern nach / nicht weit von hinnen seyn müsse; und könne geschehen seyn / daß er auf der Ruck-Reise begriffen / den Brief schon an gehörigen Ort gebracht. Deßwegen sie beyde behend aufstunden / und die Königin / welche über dieser betrübten Post / mit ihrem gantzen Hof-Staat /nicht wenig bekümmert wurde / um Curirer ansprachen / die den Entleibten suchen möchten. Ein jeder erbot sich willig und schuldig / und wolte einer vor dem andern den Ruhm verdienen / daß er mit dem Fund Agapisti dem Polyphilo Freud erwecke. Daher setzten sich alle die junge Edelleut / so zu Hof waren / auf ihre Roß / und ritten je zwey / den Wald durch und durch / so ferne / daß sie biß auf die Gräntze / der Insul Soletten / gelangeten / aber nichts funden. Da die nun etzliche Tage vergeblich gesuchet / traff endlich das Glück zweyen / deren einer Aphetus / der andere Gennadas benamet / daß sie an den Ort geriethen / allwo Agapistus / den einen Mörder ins Wasser gestossen / den andern aber / mit dem Schwerdt / erwürget: dessen Leichnam Talypsidamus / in seinem Blut / liegen lassen / und nicht verscharret / vielleicht / verdienten Lohn nach / denen Raben zur Speise. Aphetus war der erste / der ihn sahe / und so bald er dessen gewahr wurde / gedachte er / es wäre Agapistus / deßwegen er hochbetrübt an#eng: Ach! ich Unseeliger! soll ich mit dem grossen Unglück beglücket werden / Agapisti Tod Polyphilo zu verkünden? soll ich dich / edler Ritter! hie in deinem Blut antreffen? mit diesen Worten ritten sie etwas geschwinder und näher hinzu. Die Kleidung gleichete sich nicht der Rüstung Agapisti / daher sie zum ersten zweiffelten: doch zeugete der ertödete Cörper / und die Blut-besprengte Erde / daß daselbsten ein Würgen geschehen sey: daher Gennadas / welcher behertzter war / vom Pferd herunter stieg / und den todten Cörper auf den Rucken umwandte / weil er auf das Gesicht gelegt war / um etwa aus demselben zu erkennen / wer er wäre. Allein der scharff-geführte Streich / so das gantze Haupt zerspalten / ließ keine Erkantnus zu / ohne daß sie / aus dem erwachsenen Bart / leicht ermessen konten / es müste dieses ein anderer / und nicht Agapistus seyn. Aphetus schloß aus dem Ansehen der Kleidung die rechte Warheit / und muthmassete / daß dieser / welchen er für einen Mörder hielt / vom Agapisto / durch die Nohtwehr / sey erleget worden / nicht wissend /wie es ihm hernach ergangen. Vielleicht / stimmete Gennadas darzu / sind ihrer mehr gewesen / die hernach den edlen Ritter umbracht: dem Aphetus widerlegte / wann das geschehen / würden sie das Pferd nicht aus Handen gelassen haben / welches ihre grösseste Beute würde gewesen seyn. Indem sie aber in solcher Ungewißheit kämpffeten /und ein jeder seine Meynung vor gültiger wolt gehalten haben: siehe! da kommt Talypsidamus / mit seinem Schiff / von der Höhe / wieder zu ruck gefahren /weil ihn das Verlangen / zu wissen / wie es um Agapistum stehe / nicht längern Verzug gestattete. Aphetus und Gennadas sehen der Schiffart zu / und tretten /um solche eigentlicher zu betrachten / näher zum Ufer / so gar / daß Talypsidamus sie von ferne ersahe / und sich alsbald erinnerte des Orts / wo er den fremden Ritter zum ersten / als seinen Erretter gesehen. Machte ihm derowegen die gewisse Einbildung /er werde unter denen seyn / die ihm so sehnlich nachsehen. Darum er Befehl gab / die Segel zu wenden /und auf sie zu fahren. Da er nun näher hinzu kam /und erkannte / daß Agapistus nicht darunter sey / wolt er vorbey fahren: allein Gennadas ruffete mit freundlichem Bucken / und höflicher Reverentz dem Schiff-Patron / um ein einiges zu fragen. Talypsidamus dorffte / Krafft seiner Bescheidenheit / dem Bittenden solches nicht versagen; viewohl er doch nicht recht trauete / weil ihm sonderlich der Ort verdächtig vorkam / daß er beförchtete / es möchten auch diese nichts gutes würcken: darum er nicht gar ans Land stossen / sondern das Schiff so ferne stehen ließ / als die Hin- und Wider-Rede leiden mochte. Gennadas bat zu erst um günstige Verzeihung / daß er den Lauf des eilenden Schiffs / durch sein unhöfliches Begehren / hätte hindern dörffen: erwähnte dabey die Ursach / was ihn darzu verleitet / nemlich / sprach er / dieser ertödtete Cörper / den wir allhier angetroffen / unwissend / wer er ist / oder wie er zu Fall kommen. Zwar / fieng er ferner an / sind wir ausgeschickt von Polyphilo / unserem Erretter / Agapistum / seinen geliebten Freund / zu suchen / den er an Talypsidamum / einen Einwohner der Solettischen Insul / mit einer Schrifft / abgefertiget: an dessen Statt ein blosses Pferd / ohne Zügel / zu ruck kommen; aber Agapistum / den edlen Ritter dahinden gelassen / daß wir nicht wissen / wo er hinkommen / und wiees ihm gehe. Nun sind wir zu erst erschrocken / da wir diesen Cörper / in der Ferne gesehen / vermeynende / es wäre der Leib Agapisti; aber so zeugen die Kleider / und seine Gestalt viel ein widerigers. Und ob wir schliessen könten / weil wir uns Agapistum nicht anderst /als gestorben einbilden / es sey dieser / welcher /allem Ansehen nach / sich einem Mörder gleichet /durch das Schwert Agapisti gefallen / indem er etwa seinen Tod gesuchet / so heisset uns doch die Ungewißheit / in zweiffelhafften Dingen / nichts gewisses schliessen: Daher wir veranlasset worden / euch /Hochgeehrter Herr! in eurer Fahrt zu hindern / ob wir etwa einige Gewißheit / durch euren Bericht / erhalten könten / weil wir nicht zweiffeln / ihr werdet eure Schiff / täglich / durch diese Wasser / segeln lassen. Kaum konte Talypsidamus vor hertzlicher Freude erwarten / daß sich das Schiff anlendete / und wäre er / wann es müglich gewesen / alsobald auf das erste Wort / über das Wasser geflogen / so verlangte ihm mit den Fremden / die er auch vor Ritter ehrete / ferner Gespräch zu halten. Doch antwortete er kein Wort / sondern gab Befehl / das Schiff alsobald ans Ufer zu führen. Da er nun ausgetretten war / buckete er sich / in tieffer Demut / gegen die beyde / mit wiederholter Frag / ob er ihren Worten gewissen Glauben geben dörffe? Und da er das Ja-Wort / mit einer Betheurung / erhielt / fiel er ihnen beyden um den Halß /hertzete und küssete sie / als die Freunde / seines Freundes Polyphili. Diese erschracken über die Freundlichkeit / und die Thränen / so aus den Augen Talypsidami drungen / führeten sie in die höchste Verwunderung / daß sie nichts zu antworten wusten. Talypsidamus aber / der einen nach dem andern umhalsete / widerholte zum öfftern die verlangte Frag: lebet Polyphilus? und empfieng allemal die erfreuliche Antwort: ja / Polyphilus lebet. Er fuhr weiter fort: hat er diesen Ritter / den ihr Agapistum nennet / zum Talypsidamo geschickt? das ihm mit gleicher Einstimmung bekräfftiget wurde. Hat er / der Liebste aller Lieben / fieng er weiter an / hat der Getreue / der lebende; O herrliches Wort! der lebende Polyphilus /an Talypsidamum geschrieben? Und da er auch auf diß das Ja-Wort erhielt / fieng er an: Ach! so flehe ich euch / durch aller Götter Gnad / und durch das Leben Polyphili selber / daß ihr mich hin zu ihm führet / daß er von mir erfahre / was ihr zu forschen ausgesendet worden / nemlich / daß Agapistus / der Freund Polyphili lebe. Eilet und saget ihm an / daß ich komme /und vom Agapisto völligen Bericht ertheilen werde. Wer war fröher / als Aphetus und Gennadas; sie hätten gewünschet / daß sie zur Stund bey Polyphilo hätten seyn können / und die Herrlichkeit der erworbenen Freude eröffnen. Aller Verzug war ihnen zuwider / darum Talypsidamus sein Schiff heimfahren hieß / Aphetus aber sein Pferd / dem Talypsidamo darreichete / und sich hinter Gennadas aufsetzete: welches wiewohl Talypsidamus nicht annehmen wollte / dennoch endlich / um die Verhindernus zu hindern / das Verlangen nach Polyphilo / der sonst-geziemenden Höfflichkeit vorsetzete. Unter Wegens schlug sich sonderlich Gennadas / mit allerhand Gedancken /und kam nicht unbillich auf den Sinn / als wäre diß Talypsidamus; welches er daher schliessen wollte /daß er so fleissig nach demselben gefraget: dorffte sich aber nicht erkühnen / die Warheit von ihm zu erforschen. Er hingegen Talypsidamus fragte / wo dann Polyphilus lebte / wie er lebte / und wie lang er bey ihnen sey: auf welches alles er völligen Bericht erhielt / so gar / daß er die Zeit seiner Ersäuffung / dieser nicht unrecht gleichete / die die Ankunfft / durch ihrer Zeugnus / bewährete. Unter währendem Gespräch / kamen sie biß zum Schloß. Gennadas schrie alsbald der Wacht zu: Agapistus lebet / die darob sehr erfreuet wurde: Talypsidamum aber führete Aphetus / biß vor das Zimmer /darinnen Polyphilus / mit schmertzlichen Worten /seine betrübte Zeit zubrachte: Und da Aphetus sehr eilete / die Freude zu verkünden / daß es das Ansehen hatte / als wolte er dem Gennadas vorkommen / traf diesen der Eyfer / daß er ihn mit erhobener Stimm /den Stillstand gebot / wolte er sein Freund seyn. Ein jeder wolte den Danck verdienen / und die Freude dem Polyphilo verkünden: Darum sie nach gebührender Anmeldung / beyde zugleich anfiengen: Freude dem Polyphilo / und unserm gantzen Hause! Agapistus lebet / und ist nicht todt. Alles Leid Polyphili fiel auf einmal hin / und alle Klagen hatten ein Ende / so gar / daß Polyphilus vor grosser Begierde anfieng / ob dann Agapistus komme? dagegen Gennadas versetzte: Nein / edler Polyphile! er wird aber mit ehistem kommen. Polyphilus fuhr weiter fort: Habt ihr ihn gesehen? Oder woher seyd ihr seines Lebens kündig worden? Darauf Aphetus antwortete: Wir haben ihn zwar nicht gesehen; aber die Gewißheit haben wir von einem Schiffmann / der uns am Ufer begegnet / und nach erkundigtem unserm Werben / die gewisse Verstzrechung dermassen bevestiget / daß er selbsten mündlich mit Polyphilo / den er seinen getreuen Freund genennet /zu sprechen begehrt: deßwegen ich ihn auf mein Pferd gehoben / und daher bracht habe. Gefällt es nun euch / edler Polyphile! ihn eurer Rede zu würdigen /wartet er dessen vor der Thür / bereit von allen / was Agapisto zu Handen gestossen / ausführlichen Bericht zu geben / welchen er uns bißher verhalten. Polyphilum trieb die Begierde / den fremden Gast zu sehen / den er alsbald vor einen des Talypsidami Schiff-Bedienten hielt / zum Zimmer hinaus; und da er die Thür öffnete / fiel ihm die Gegenwart / des so verlangten Hertz-Vertrauten Talypsidami zugleich in die Augen und das Hertz / so gar / daß er sein selbsten vergessend / mit vollem Lauf auf ihn zueilete /und mit hertzlichem Froh empfieng. Die Unaussprechlichkeit der Freude schloß den Mund / und öffnete das Hertz / welches sich / durch die heisse Thränen-Bäche / so häuffig ergoß / daß die benetzte Wangen Polyphili / auch das Antlitz Talypsidami bewässerten / durch beyderseits Freud-erweckendes Hertzen und Umfangen. Sie lagen einander an der Brust / und die Arm umschrancketen die Leiber / welche sie so hart zusammen drucketen / daß es scheinte / als wolten sie aus zweyen eins machen. Beyde waren sie erstummet / und konte keins dem andern ein Wort zureden / so gar hatte sie die hertzliche und unvermuthete Freude entzucket. Der Kuß muste dißmal das Beste thun / und die tief-geholte Seufftzer musten die Gedancken des Hertzens erklären. Bald verliessen sie einander / als wolten sie reden: aber so bald die Augen Polyphili Talypsidamum bestralten / und Talypsidamus hinwieder Polyphilum ansahe / fielen sie einander aufs neue an / biß sie / im höchsten Grad /der tausend-verzuckerten Süssigkeit / gleich als erstarret / gegeneinander stunden / und die Hertzen /durch das seuffzende ächtzen / reden liessen / da der Mund nicht Wort gnug finden konte. Wäre es doch müglich / die Tausendfaltigkeit / der Wunder-gebährenden Freud / dieser beyder vertrauten Freunde / ja mehr dann Freunde / auszusprechen / gewißlich würde diß gantze Buch die Beschreibung nicht fassen können / und meine Feder drüber stumpff werden. Wer sie in seinem Hertzen heimlich bey sich forschen will / der kan / etzlicher Massen / die Unergründlichkeit erkennen / wann er zu ruck gehet / und beyder Verlangen ansiehet / welches das Hertz Polyphili / mit der Begierde / Talypsidamum zu sehen; und wiederum diesen / gegen jenen entzündet. Denn so wird er leicht erkennen / daß diese Freud / sey die Erfüllung des schmertzlichen Begehrens / und zugleich eine Unterdrückung alles Kummers / aller Furcht / so gar / daß Polyphilus / samt Talypsidamo /nun die Freude selbsten ist. Die Anwesende beyde von Adel konten sich über den unverhofften Fall / und allzugrosse Liebe / nicht gnug verwundern / daher sie auch bald diesen / bald jenen; ja sich selbsten untereinander ansahen. Sie wünscheten nicht mehr / als daß sie nur ein Wort hören möchten / wer der Fremde wäre: allein die Zunge lag in den Ketten der Vergnügung gefangen /und der Mund wuste nicht Wort gnug zu bilden / die die Unaussprechlichkeit dieser herrlichen Befriedigung erzehle. Da sie nun eine zimliche Weile einander umfangen hielten / und das Hertz allmählich zu ruhen anfieng: selbst auch die aufgedruckte Lefftzen ermüdet; die angesetzte Wangen beröhtet; die geschlossene Händ ohnkräfftig und laß wurden: ja! alle inwendige Krafft / durch die hefftige Entzündung /ihrer Liebe sich verlieren wolte: fieng endlich der gantz-erfreute Polyphilus / mehr aber / wegen des beygefügten Seufftzers / mit dem Hertzen / als dem Mund / diese gebrochene Wort an zu reden: Ach! Ach Talypsidame! Ach du treues Hertz! Ach du schönes Hertz! Ach! allerliebster Talypsidame! deßgleichen that Talypsidamus auch gegen Polyphilo. Aphetus war der erste / der den Namen Talypsidami nennen hörete / daher er verursachet wurde / weil nun gewiß war / daß diß Talypsidamus seyn müsse /die Melopharmis daher zu führen / damit auch die /der unerschöpfften Freud mit geniesse. Gennadas aber wolte diesen Dienst / mit der Königin Danck / ihm vergelten lassen; deßwegen jener zu Melopharmis; dieser aber zu Atychintida eilete / und die Gegenwart Talypsidami / mit allem dem / was sie gesehen und erfahren / verkündigten. Da nun Polyphilus mit Talypsidamo allein war /fieng dieser an: Ach Polyphile! mein Freund! wie hat uns das Wunder-würckende Glück / durch so viel Unglück / erfreuen wollen? Meine Seele ist genesen /nun sie Polyphilum siehet / und mein Hertz ist voll alles Guten / nun ich dich / du mein ander Hertz! lebend weiß. Sag mir nun / mein Freund! was hat dein Leben erhalten? hast du dich ersäuffet / daß du lebest? O ihr wunderthätige Götter! wie habt ihr mich / durch eine vergebliche Furcht / in solchen Schrecken gesetzt? daß ich Polyphilum / den Liebsten meiner Lieben; Polyphilum / den Getreuesten meiner Getreuen /vor todt gehalten / der da lebet. Leber? ja! so sehe ich. Ey so freue dich / du erschrockenes Hertz Talypsidami! und verjage die Traurigkeit der furchtsamen Einbildung / mit der freuderweckenden Gewißheit / aus deinem betrübten Hertzen: löse auf das Gefängnus /der kümmerlichen Gedancken / und laß deine Sinne /in der Sicherheit / der ergötzenden Freude / wandeln. Dann weil Polyphilus lebt / so ist aller Kummer todt; so lebet alle Freud. Und in diesen Worten umfieng er noch einmal / mit küssendem Munde / die Wangen Polyphili: Polyphilus hingegen beklagte / daß er die unermessene Freud nicht aussprechen könne / die ihm seine Gegenwart erwecket. Ach! sagte er / daß ich doch die Herrlichkeit / meines erlangten Trosts / so völlig durch den Mund ausschütten könte / als mächtig sie in meinem Hertzen ihren Glantz ausbreitet. Talypsidame! mein Freund! mein Trost! Ach Talypsidame! werde ich nicht den verschlossenen Schatz meiner Vollkommenheit / ja die Vollkommenheit meines Trostes nennen / wann ich das theure Hertz Talypsidami nenne? Der Verlust eurer Gegenwart war das Verderben meines Trosts / und der Untergang meines Glücks: nun ich aber euch sehe / aller-verlangtester Talypsidame! nun stehet Trost und Glück in froher Blüht. Ey so sey dir Danck / du günstiges Glück! und ihr gnädige Götter! seyd von Hertzen gepriesen. Jetzt erst muß ich erkennen / daß das viel-grosse Unglück /so ich Zeit her erlitten / durch seine Widerwertigkeit /mir die Bahn / zu grösserm Glück / bereitet. Wie hättet ihr mich einmal so hoch erfreuen können / wann ich nicht zu erst gleich so viel betrübet worden. Aber nun / nun dancke ich eurer Güte / und eure Gnade will ich rühmen / so lang mein Hertz mit dem Hertzen Talypsidami verbunden bleibet / das ist / ewiglich. Unter dieser Rede / trat Melopharmis herzu / deren Gegenwart / die geschlossene Hände Poliphili und Talypsidami trennete / und da sie / mit grosser Höflichkeit / den fremden Gast empfangen / und die Bezeugung ihrer Freude / mit vielen Worten / bekräfftiget / fieng Polyphilus mit erhabner Stimm an: Diß ist Talypsidamus / nach dem ich mich so hefftig gesehnet. Weil aber Melopharmis die ankommende Königin beförchtete / daß sie ihr Gespräch verhindern werde / und sie / nach dem / nicht so gute Gelegenheit / von Macarien zu reden / hoffen dörffte / fieng sie an: Liebste Freunde! verderbet die Zeit nicht / so euch der Himmel zu geheimen Sachen vergönnet / mit unnötigen Worten / die ihr auch / in anderer Beyseyn /wechseln könnet. Es wird unsre Gesellschafft durch die Gegenwart Atychintidœ bald zerstöret / und das Gespräch / darauf alle Freude Polyphili gegründet ist /verhindert werden. Darum lasset das die erste Frag seyn: Was machet die schöne Macarie? wie lebt sie? dencket sie ihres getreuen Polyphili? noch wie helffen wir dem Polyphilo wieder zu ihr? Und durch was Mittel kan seine Reise befördert werden? kan er auch /vor dem Grimm der Solettischen Inwohner / sicher hin und her kommen? dann diß ist Noth zu berathen. Polyphilus stimmete der Rede / durch die gleichwinckende Augen / gar leichtlich bey: daß Talypsidamus auch seines Hertzens Begierde nicht übel vernehmen konte: deßwegen er / beyden zu Willen / folgenden Bericht ertheilte: Die schöne Macarie lebt; und lebt in dem Verlangen nach Polyphilo; welches sie stets Dencken machet an Polyphilum: darum beyden wird geholfsen seyn / wann Polyphilus mit mir auf Soletten zureiset / von deren Innwohner Grimm er sich nicht zu beförchten. Die Ankunfft der Königin machte Talypsidamum so kurtz antworten / weil er die bedrangte Noth Polyphili erkennete / daß ihr nicht ehe abzuhelffen: wie dann auch Polyphilus / durch diese wenige Reden /mehr getröstet wurde / als wann ihm Melopharmis ein gantz Buch voll / von Hoffnung und Zufriedenheit /vorgeschrieben hätte. Sie stelleten sich nunmehr / die Königin zu empfangen / und nahm Talypsidamus Gelegenheit / nach Landes Art / derselben Hände zu küssen. Da er aber / mit vielen Worten / seine Ankunfft entschuldigen / und die Ursach / mit einer höflichen Demut versetzen wolte / so / daß die Königin ihr Verlangen nicht länger bergen konte / fiel sie ihm / mit diesen Worten / in die Rede: Edler Herr! eure Gegenwart / die uns billich an und vor sich selbst hoch erfreuet / ist uns gleichwol wegen des Verlangens Polyphili / nicht minder auch der Erkundigung / wie es dem edlen Ritter Agapisto ergangen / um desto mehr erfreuter / daß wir euch nicht als einen Unbekandten und Fremden; besondern gleich einem werthen und angenehmen Freund aufnehmen / auch wünschen / mit der Vermögenheit begütert zu seyn / daß wir euch / so viel wir schuldig / dienen und ehren können. Habt ihr demnach keine Ursach / weder einige Unhöflichkeit zu beschönen / noch um gnädige Vergebung / eurer Künheit / zu werben. Da ihr aber eurer ruhmwürdigen Höflichkeit / in diesem Fall / etwas zugeben wollet /und die sonst-gewohnte Bedingung eures vermeinten Verbrechens mit einiger Entschuldigung abgleichen /so nehmet / bitte ich / die Ursach deren / von der Erzehlung / wie ihr wisset / das Agapisto geschehen /und vergewissert uns / ob er lebe: so werdet ihr uns allen / mit Erweckung höchster Freud / einen angenehmen Dienst thun / welchen ich mit gnädigem Willen / Polyphilus / mit fertiger Gunst / und diese andere / mit schuldiger Aufwartung / nach Müglichkeit /erwidern werden. Talypsidamus war so fertig / als willig: Polyphilus aber / der leicht sahe / daß sichs nicht schicken werde / wann die Königin so lang im Vorgemach stehen solle / hieß ihn noch eine Weile ruhen / und nötigte die Königin / mit gebührender Demut / sein Zimmer zu würdigen / und allda einen Sitz zu nehmen /um desto füglicher mit Talypsidamo zu sprechen /weil auch / ohne das / Talypsidamus / von der Reise /würde ermüdet seyn. Aber Atychintida antwortete: Mein Polyphile! ihr wisset wohl / daß ich euer Zimmer gern besuche / allein vor dißmal werde ich eurem Begehren nicht willfahren können / daß die Zeit / so uns zur Tafel fordert / allbereit vorhanden: so halt ich für gut / fieng Melopharmis an / daß wirs gar versparen / biß dahin / weil wir uns / die weil / mit dem Wort trösten können / daß wir gewiß sind / er lebe. 7. Absatz Siebender Absatz Beschreibet die Reden Talypsidami mit Polyphilo und der Königin / auch wie er Macarien gerühmet: Lehret / wie hoch die Tugend-Kunst zu erheben. Was hätte dem Polyphilo erwünschter kommen können / dann alsobald die Königin drein willigte / nahm er Gelegenheit / Talypsidamum zur Seite zu führen /mit Vorwenden / als wolle er ihm sein Zimmer sehen lassen / allda seiner Gelegenheit zu pflegen. So bald sie hinein kamen / fragte er wieder von Macarien: was sie auf die letzten Wort / so er ihr durch seinen Mund / nach dem damals vermeinten Tod / verstandigen lassen / geantwortet / und wie sie ihr solche gefallen lassen: ob sie auch annoch in der Meynung verharre / als solte Polyphilus tod seyn. Deme allen Talypsidamus / mehr aus der Liebe der Freundschafft /als der Warheit antwortete / so gar / daß ihm Polyphilus nichts gewissers / als die Gewogenheit der schönen Macarien einbildete / welche er sonderlich daher behaupten wolte / daß sie ihr seinen Tod nicht gewiß machen könte / daher eine Hoffnung zu schliessen /die die Gegenwart Polyphili / in dem Hertzen der Macarien / verlange. Aber es gieng Polyphilo in diesem Schluß / wie es gemeiniglich den Verliebten zu gehen pfleget / die aus einem nichtigen Wort mehr erzwingen / als das Recht und die Warheit zulässet. Es vermochte aber diese Einbildung so viel bey ihm / daß er dem Talypsidamo mit hefftigem Flehen anlag / ihn Gelegenheit zu erwerben / daß er / ohne längere Verhindernuß / sein Verlangen erfüllen und die Liebe deren / die ihm sein Hertz gantz bestricket / durch seine Gegenwart / endlich gewinnen könne. So öffentlich dorffte Polyphilus reden / weil sich nun nichts mehr verbergen ließ. Talypsidamus wurde über die Wort erfreuet / und solches um desto mehr / weil er ihm nie nichts solches eingebildet / sondern das Verlangen Polyphili allemal / mit der Tugend / der vollkommenen Macarien /abgemessen: das er aber jetzt erfuhr / wie es sich weiter / und biß auf das Hertz erstrecke. Da verstund Talypsidamus allererst / was ihn für ein Schmertz quäle / und in was Angst / sein verliebtes Hertz brenne. Darum er / ihn zu trösten / von der Stund an / auf Mittel und Wege bedacht zu seyn / ihm / durch die Treue ihrer Freundschafft / versprach / wie er / ohne längern Verzug / seinen Wunsch erfüllen möchte. In dem kam Melopharmis und nötigte sie zur Tafel: deren sie folgeten / biß in den Saal / da sie von den Anwesenden / abermal höflich und aufs schönste empfangen wurden. Die Königin nahm mit Polyphilo ihren gewohnten Sitz: Talypsidamus aber bekleidete die Stell Agapisti / nach welchen / die übrige / in ihrer richtigen Ordnung / die Tafel beschlossen. Die erste Rede war /dem Begehren Atychintidœ nach / von Agapisto / die Talypsidamus mit solchen Worten anfieng und redete: Durchleuchtigste Königin! mein schuldiger Gehorsam erinnert mich billich / an den gnädigen Befehl / dem sie mir / vor der Tafel / ertheilet / daß ich / so viel mir wissend / vom Agapisto gründlichen Bericht geben solle: Wann demnach solches schuldiger massen zu vollbringen / dero Gnaden nicht unbeliebig / oder zu wider lauffen wird / will ich meinen Gehorsam durch die völlige Eröffnung / zu deren Gebot stellen. Atychintida winckete / noch unter der Rede / und ein jeder hörete / mit aufmerckendem Fleiß / zu /darum er ohne Absatz / mit diesen Worten fortfuhr: Es war eben Zeit / daß / ehe die völlige Kälte die Flüsse verschloß / und den Schiffarten den Stillstand gebot / ich auch meine Segel / noch einst aufwarff /um etwas Vorrath auf den dürfftigen Winter einzuholen. Nun verlangte mein Weib / die viel-beschriene Gräntze / des grossen Meers / zu besehen / deßwegen sie mir öffters anlag / solches zu erlauben / und sie mit zu führen / so lang / daß ichs nicht mehr verwaigern konte. Weil aber ihre Natur / mit dem Wasser ewige Feindschafft hält / indem sie / ohne Verletzung ihrer Gesundheit / auf demselben nicht fahren oder bleiben kan: als habe ich den Weg zu Land befördert / meine Schiffe aber zu Wasser gehen lassen. Nun geschichts / da wir etwa eine halbe Tag-Reise vollbracht / daß wir im Wald unter einen Hauffen mordgieriger Rauber fallen / die uns nicht nur alles mitgeführten Geldes / sondern auch unser selber beraubten / in dem sie mich gefangen mitführeten / mein Weib aber / mit vielen Streichen / halb-tod liegen liessen. Ich zwar / widersetzte mich / so viel mir müglich / aber einem / wider so viel zu streiten / war wenig müglich. Wie nun die Hülff der allsehenden /gnädigen Götter / denen unschuldig bedrangten / niemals aussen bleibet / also muß auch ich dieselbe /noch jetzo / an dem edlen Ritter Agapisto rühmen /und erkennen. Dann eben / als ich fortgeführet wurde / und meine Liebste / in höchster Bekümmernus / an der Hecken liegen bleibet / allda mit Weinen und Klagen / ihr schmertzhafftes Leben vollend zu enden / kommt ein Ritter mit eiligem Flug und erhitztem Lauf auf sie zu / dann der Weg führete ihn an der Hecken vorbey. So bald sie ihn ersiehet / fällt sie / mit Heulen und Schreyen / vor ihm nider / um die Errettung ihres Herrn bittend. Der Ritter aber entschuldiget sich / daß er nicht sein mächtig / sondern dißmal in fremden Diensten sey / deren Beförderung / die keinen Verzug leide / ihn zwinge / die Bitte zu versagen. Darüber das Weib in die Ohnmacht / aber mit diesen Worten / fällt: Ach Talypsidame! so must du sterben! und was sie etwan ferner für ein kläglich Geschrey geführet. Der Ritter / theils wegen der tödlichen Ohnmacht / theils wegen des Namens Talypsidami erschrocken / suchet alsobald / wie er der Nothleidenden wieder aufhelffe / aber vergebens. Deßwegen er sich wieder zu Pferd setzet / und mich zu suchen auf dem Wald zueilet. Es hatten mich die Mörder schon in das Schiff bracht / und waren auch sie / ausser zweyen / darinnen / welche der Ritter noch zu Land antraff. Die andere aber / so zu Schiff waren / stiessen vom Land / und verliessen diese beyde der Hand Agapisti / welcher den einen / mit seiner Lantzen / ins Wasser stürtzete / den andern / auf einem Streich / mit dem Schwerdt / danider legte. Und dieser ists / den meine Begleiter gesehen. In meiner grössesten Noht /erfreuete ich mich gleichwol der Gnade des Himmels /der mir einen solchen treuen Erretter zugeschickt. Und weil ich ihm mündlich nicht dancken konte / bezeugte ich meine Gebühr / mit Wincken der Hände und offt-geneigtem Haupt. Das wunderte mich am meisten /wie ein Fremder und Unbekandter sich meinet wegen / in solche Gefahr geben wollen: Doch gieng mein Schluß auf die gebührende ritterliche Pflicht. Dahero ich gleiches theils nichts mehr bereuete / als daß ich nicht wissen solte / wer er / und von wannen er wäre. Da ich ihm aber / ohne Unterlaß / einen Danck-schuldigen Gruß zuschickete / und er mir sehnlich nachsahe / ziehet er ohngefehr einen Brief hervor / und zeiget mir denselben / wincket auch auf die Gegend Soletten / und schreyet mit lauter Stimm /und gedoppelte Wiederholung / den Namen Polyphili. In was Vielfaltigkeit / der zweiffelhafften Gedancken /ich dadurch gesetzt worden / kan ich nicht aussprechen. Dann sich dieselben mit der augenscheinlichen Todes-Furcht / je länger je mehr mehreten. Wir waren einen zimlichen Weg / gegen den Strom / aufgefahren / als ich sahe / daß Agapistus sein Pferd / zu ruck / dem Wald zu wandte / daraus ich nicht anderst schliessen konte / als daß er wieder ruckwerts reisen werde / deßwegen ich ihm tausend Glück nachbetete. Allein / da ich gedachte / jetzt wirst du ihn zum letzten mal sehen / weil er zum Wald hinein reiten wird /erfuhr ich / ach! aber mit was Schrecken! daß er ein Tuch um die Augen gebunden / und seinem Pferd die Sporen angesetzt / mit vollem Lauf auf den Fluß / und in das Wasser zu sprengen; daß also nicht der Wald /sondern die wilde Fluthen / mir seine Gegenwart geraubet: wann nicht durch sonderliche Vorsehung des günstigen Himmels / eben damals mein Weib / aus der tödlichen Ohnmacht erwachet / ihn gefolget / und in dem Zu-Ritt geschryen hätte. Meinem Beduncken nach / solte eben das Pferd den letzten Satz ins Wasser thun / als er dem Geschrey eines Weibs gehorchen muste. Ohne Zweifel wird ihn damaln / sein eigen Gewissen / der vorgesetzten Boßheit halber / bey sich selbst verklaget; oder auch mein Weib gebührend bestraffet und erinnert haben / daß er auf vernünfftigere Mittel bedacht sey / die mit seinem Leben / auch das meine erhalten / und nicht so schändlich verderben. Es geschach aber / daß wir gegen den Strom / nicht ferne vom Ufer schiffeten / welches Agapistum veranlassete / daß er am Ufer hinauf ritte / mich zu begleiten / und zu vernehmen / wie es endlich mir gehen werde. Er hielt sich im Walde / daß unser keins seiner gewahr nahm: biß er ohngefehr / an dem Ufer ein leeres Schifflein angebunden ersiehet / das ihm / seiner Einbildung nach / das Glück selbsten / zu meiner Errettung bereitet. Alsbald löset er solches vom Ufer /setzet sich drein / und eilet / mit müglicher Geschwindigkeit / auf uns zu. Die Mörder wurden / durch die unverhoffte Ankunfft / sehr erschröcket / ich aber mächtig erfreuet. Die schröckende Furcht schlug sie alsobald in die Flucht / daß sie sich wandten / und mit dem Fluß / in unglaublicher Geschwindigkeit / abwerts fuhren. Ich muste mitfahren / ihr Leben zu erretten / und meines zu verderben: der Ritter folgete gleich-erhitzt nach /konte sie doch nicht errennen: wiewol er mir so nahe kam / daß er mir den Gruß von Polyphilo zuschreyen konte. Aber / O Unglück! es entstund ein grausames Gewitter / welches einen Wind schickete / der das Schiff Agapisti anfassete / und mit erschröcklichem Wüten / auf den wanckenden Wellen fort führete / daß weder ich / noch die Mörder / ihn mehr sehen konten. Da nun die Winde sich legten / und ich mir nichts anders / als den gewissen Tod einbildete: siehe! da kommt mein Schiff / daß ich mir hatte folgen heissen /dessen Ankunfft mich errettet; meine Feinde aber gefangen gelegt: die ich auch noch dem Agapisto aufhebe / daß er seine gerechte Rach an ihnen verübe. Die Freude meiner Sicherheit verlangte / mein Weib / aus ihrer kümmerlichen Noth zu erretten / deßwegen ich /so viel müglich / dem Ort zueilete / wo ich sie mit Agapisto vernommen / auch wieder weinend und heulend antraff / die sich aber / durch meine befreyete Gegenwart / bald tröstete; Alsbald fragte sie um Agapistum / und zeigte mir den Zügel von seines Pferdes Zaum / mit Vermelden / daß sie selbigen an einem Baum gefunden / von dem sich das Pferd gerissen /und mit vollem Wüten / den Wald eingelauffen. Unsre grösseste Sorg war / wo Agapistus seyn möchte /darum wir endlich Rath wurden / mein Weib widerum zu ruck zu senden / mit dem Befehl / daß sie Agapistum mit etzlichen Schiffen suchen lasse; ich aber meine Reise fort zusetzen / von deren ich eben jetzo wieder zu ruck komme. Nun weiß ich zwar nicht gewiß / lebe doch der gäntzlichen Hoffnung / ich werde ihn / so ich zu Hauß komme / antreffen. Dann ich vergewissert bin / daß er lebet / weil sich der Wind alsobald geleget / nachdem er von uns gerissen worden. Und so viel ist mir bewust. Die Verwunderung / zusammt der anklebenden Furcht / erhebte sich damals dergestalt / in aller anwesenden Hertzen / daß die Freude nicht anderst / als unter dem Wachsthum der Dornen aufgehen / und auf dem Acker der Sorgen-vollen Besaamung wachsen konte. Aller Seiten verursachete der Trost Talypsidami Freude; die Erzehlung / Schrecken; die Ungewißheit / Forcht. Polyphilus aber / der seine Gedancken /mit der Versprechung / Macarien zu grüssen / nehrete / mochte leicht überredt seyn / daß er glaubete /was er gern glauben wolte / darum er alle Sorgen niederlegte / und sein Glück der Zeit vertraute / die ihn /durch den Anblick seiner hertzlichverlangten Macarien / erfreuen werde. Atychintida / wie sie gewohnt war / männiglich die Wolthat zu erklären / welche die Danckbarkeit / so ihre Erlösung dem Polyphilo schuldig / gebührend rühmen muste / fieng hinwider zum Talypsidamo an: Edler Herr! eure Erzehlung / die uns nicht weniger Mitleiden in der Noth / als Erfreuung nach derselben erwecket / zwinget mich / daß ich gleiches an unserm hochgelobten Polyphilo bekennen muß / welchen /wie ihr selber gesehen / die Fluthen ersäuffet haben /und die Wellen bedecket / aber meines Erachtens darum / daß die leblosen Creaturen dessen Ehre retten / und Leben verlängerten / welchen die beseelte Menschen / ohne Schuld / in Schande setzen / und den Tod / unbillicher Weise auflegen wolten. Denn / so sind die gerechte Gericht der gerechten Götter. Wunderns ist das alles werth / und um desto mehr / weil /durch solche seine Errettung / auch unsere sich genahet / die wir / was wir sind / diesem Polyphilo / unserm Eretter / alles zu dancken haben / und auch ewig dancken wollen. Deßwegen will ich auch noch jetzo eben das / und allen / die zu uns kommen werden /solches erzehlen und rühmen / dafern ich weiß / daß es euch nicht mißfället anzuhören: und nach dem fieng sie an / alles / was wir bißher gehöret / und in solcher Ordnung / wie sichs mit Polyphilo begeben /zu erzehlen / und zwar mit so belobten Worten / daß die Schamhafftigkeit offtmals dem Polyphilo die Röthe austrieb. Zu letzt aber hieng sie an / was doch Talypsidamus / der nun beyderseits die Begebenheit /so wohl Polyphili / als Agapisti verstanden / daß alles / was sie erlitten / um Macarien zu sehen / erlitten sey; was er doch schliesse / ob Macarie würdig sey / daß solche edle Jüngling / ihrentwegen den Tod nicht scheueten / und alles Unglück nicht verachteten. Was hätte Polyphilo angenehmer können gefraget werden / als welcher wuste / daß Talypsidamus / ein verständiger und beredter Mann / die Ehre der noch nie gnug gepriesenen Macarien / dergestalt ausbreiten werde / daß er sich heimlich darüber freuen würde: deßwegen auch eben das Begehren / durch Polyphili Beystimmung / an Talypsidamo wiederholet wurde. Dieser / wiewol er nichts liebers und angenehmers ihm zu verrichten / wünschen können / scheuete sich dennoch / aus beytragender Forcht / es möchten seine / ob schon sonst wol-geübte / Reden / an dem Himmel-würdigen Ruhm / der mehr Göttlichen / als Menschlichen Macarien / und deren hoch-geschätzten Zierde / versiegen / und ihre Krafft verlieren / weil er wol wuste / daß / dafern er sie menschlich gelobt /kaum der Anfang ihrer Würde werde berühret seyn: himmlische Gaben aber / mit menschlichen Worten gleichen / eben so unmüglich / als göttliche Herrlichkeit / mit jrrdischer Nichtigkeit abmessen. Gleichwol muste er dem Gebot Atychintidœ folgen / welches er auch dißfalls seine gefasste Forcht gar gerne beherrschen ließ / und folgender Gestalt anfieng: Durchleuchtigste Königin! dafern ich nicht versichert wäre / daß E. M. Gnade sich würde befriedigen lassen mit dem / was meine Müglichkeit vermag / und mehr die Himmel-steigende Würde der unschätzbaren / ja! unvergleichlichen Macarien / aus dem vernehmen / daß ich meine Schwachheit / in der Unmüglichkeit / ihr Lob auszusprechen / oder / wie sie ist /völlig zu beschreiben / freywillig bekenne: würde mich / in Warheit! die Gefährlichkeit meines Beginnens / von dem zu ruck halten / das mir mein Gehorsam / gegen E. M. durch den gnädigen Befehl / ohne Abschlag / zu vollbringen / aufleget. Zwar solte mich auch das nicht wenig abhalten / daßlich / in Erhebung dieser unaussprechlichen Hoheit / mich keiner gründlicher und besserer Wort gebrauchen kan / als daß ich sie / unter allen / in der Welt lebenden Damen / die schönste / die höflichste / die verständigste nenne; damit ich / ohne Zweifel / bey vielen mehr Haß / als Gunst / verdienen werde: doch stärcket mich die Warheit in dem allen / die mir den Grund / mit dem Lob-und Lieb-würdigen Namen / der allerschönsten / alleredlesten Macarien / zeiget / darauf ich meine Wort setzen / und meine Entschuldigung gründen könne. Wo soll ich aber Wort genug finden / ihre Tugend zu beschreiben / ihre Schönheit vorzustellen / ihren Verstand zu bilden? Werde ich nicht die güldene Sonne /mit schwartzen Kohlen / und den silber-hellen Mond /mit bleicher Dinten mahlen / wann meine unwürdige Reden / ihre vollkommene Würde nach befindlicher Beschaffenheit preisen / und nach Würde erheben wollen / die viel sicherer mit Verwunderung und Stillschweigen zu verehren ist. Werde ich auch den geringesten Schatten derselben erweisen können? Ach nein! ich bekenne / daß meine Vernunfft / vor Verwunderung / stumpff / und meine Zung / ohne derselben Regierung / zu schwach wird. Ich möchte mir wol wünschen / daß ich könte / was ich wolte; und darff ich die Warheit bekennen / möcht ich Polyphilum /als welcher den Augenschein / mit der Erfahrenheit /eingenommen / zum helffenden Zeugen haben; ich weiß / er würde bekennen / daß / wer die Glückseligkeit erlanget / die Schönheit der allerschönsten Macarien gegenwärtig zu verwundern / ihre verständige Reden anzuhören / und ihre holdselige Tugenden zu erkundigen / nichts mehr verlange / ja so gar / aus dem Zwang der mächtigen Versüfsung / verlangen müsse / als mit den gütigen Strahlen ihrer Gewogenheit beleuchtet; mit dem Glantz ihrer Schönheit beehret / und mit dem Ruhm ihrer Tugend beseeliget zu werden / so mächtig erhebet der Pracht ihrer Trefflichkeit die verwunderende Hertzen / daß sie sich gleich gefangen bekennen müssen. Daher ich die Frag E. M. mit diesem Gegen-Satz beantworten muß: Macarie ist würdig / daß sie alle Welt ehre / alle Welt liebe / alle Welt lobe; und hat Polyphilus / samt Agapisto /wegen der / ihrentwegen / überstandenen Todes-Gefahr / sich mehr seelig / als unseelig zu schätzen / die gewürdiget sind / durch diese Tugend-Beherrscherin /unter die gezehlet zu werden / welche / ihr Leben um Tugend zu verlieren / rühmlicher erachtet / als ohne Tugend tödlich zu erhalten. Die Königin / wegen des gar zu grossen Lobs fast unwillig / versetzte; ist sie denn kein Mensch / daß sie auch Gebrechen habe? Darauf Talypsidamus antwortete: Dem Leibe nach / ist sie freylich unter die Sterbliche zu zehlen / aber die Beschaffenheit desselben ist etwas sonderliches vor andern / und die Seele ist gantz himmlisch / weil sie nichts als himmlische Tugend wählet / und Göttlichen Verstand gewinnet. Ja! es zeigen sich eben diese etzlicher massen durch die Schönheit des ausgezierten Leibes / welcher an Macarien / dem sonst-gewohnten Sprichwort nach / aber ohne Sprichwort / und mit Warheit / ein Für-Fechter der Blühte der Tugend / und eine Herberg einer viel-grössern Schönheit / kan genennet werden. Dann diese ist nicht / wie bey andern / eine Bezauberung der Gemüther / Verführung der Jugend / und Beraubung der Freyheit. Nein / sondern was die Hertzen bindet / durch den äusserlichen Schein / das würcket die innerliche Tugend; und was die Gemüther verführet / durch heimliche Macht / das gebiehret die offenbahre Kunst; die Freyheit aber verlieret sich in den angenehmen Banden ihrer Verständigkeit / davon wir billich rühmen können / daß ihr Gott und der Himmel nichts versaget. Je mehr ich ihr nachsinne / je mehr finde ich / daß ich verwundere / so gar hat die bereichte Natur / oder viel mehr der wunderthätige Himmel / selbst auch die äusserliche Glieder / an ihrem zarten Leib / der innerlichen Schönheit gantz gleich gebildet. Die hoch-erhabne Stirn / zeuget die Aufrichtigkeit des Gemüths. Die bräunlichte Farbe / behauptet die Beständigkeit ihrer Sinne. Die lieb-winckende Augen / zeugen von der Demut ihres Hertzens. Die eingezogene Lefftzen / erweisen den Schatz ihrer Treue. Die röthlichte Wangen / bewähren den Ruhm der Schamhafftigkeit. Und die sondere Gestalt des gantzen lieb-würdigen Gesichts / mahlet die Keuschheit / mit lebendigen Farben / auf die zarte Haut / so das durchseelte Fleisch bedecket. Solt ich meine Betrachtung ferner auf die andere lob-fähige Leibes-Glieder richten / würde der schlancke Halß / eine behertzte Geschwindigkeit / nicht weniger auch die Großmütigkeit ihrer Tugend-werbenden Gedancken fürtragen; ihre gewölbete Brüste / die mit eingezogener Zucht / nach Gelegenheit der vorfallenden Reden /bald steigen / bald fallen / in dem sie durch Höflichkeit erfreuet / durch Laster-Reden aber betrübet werden / deuten die Liebe der innerlichen Begierde / so sich allen Lastern widersetzet. Und endlich können die gar zu schöne Hände / die sich keinem trauen werden / der ihrer nicht würdig / keinem hingegen versaget / der ihrer bedürfftig ist / die fleissige Verwaltung der Gerechtigkeit / zusamt dem gütigen Willen / erweisen; und mit einem Wort / wer sie seldsten siehet /die verständige Reden ihres Mundes anhöret / die Zucht-strahlende Augen ihrer Freundlichkeit beschauet / das Kleid ihres Hertzens / und die Decke der Seelen / verstehe die zarte Haut / betrachtet / auch die Wollen-weiche Hände zu küssen / und zu drucken beglücket wird / der wird allererst gestehen / daß die drey Zierde / Tugend / Verstand / und Schönheit / die hoch-gezierte Macarien / so innen / so aussen / gleich als mit einer dreyfachen Cron gezieret / mit dreyfachen Farben gemahlet / und mit dreyerley Gaben verehret haben / daß sie nun und immer fort / in dreysacher Vollkommenheit / bey Göttern und Menschen die Kunst- und Tugend-beschönte Macarie soll und muß genennet werden: die würdig ist / daß ihrentwegen nicht nur Polyphilus den Tod nicht fliehe; nicht nur Agapistus alles Unglück ausstehe: sondern die gantze Welt sich seelig / und von den Göttern für sonderlich beglückt zu schätzen hat / wann sie / um ihrent Willen zu leiden / gewürdiget wird. Talypsidamus wolte weiter fort fahren / allein die gute Königin plagte der Mißgunst ein wenig / die viel lieber sich selber hätte loben hören / als / in ihrer Gegenwart / fremdes Lob so hoch erheben lassen: doch wuste sie die Reden Talypsidami / mit solcher List /abzukürtzen / daß das Laster ihres Eyfers wohl verborgen bliebe / in dem sie mit lachendem Mund anfieng: Ihr / edler Herr! soltet bald machen / daß ich selber diese Tugend-Docke zu sehen / verlangete. Und damit erhuben sie sich von der Tafel: wiewohl Atychintida noch anhängte / wann er wieder abreisen würde / und zu der belobten Macarien gelange / soll er den gebührenden Danck / vor ihre Mit-Hülfe /deren sie / in der Erlösung / genossen / neben einem schönen Gruß / in ihrem und der gantzen Hof-Gesellschafft Namen ablegen: Mit diesem Versprechen nahm Talypsidamus Abschied / und versetzte / daß er künfftigen Morgen / mit frühem Tage / ziehen müsse /wegen etzlicher nothwendiger Geschäffte / die ihm zu verrichten obliegen. Bedanckte sich auch der hohen Gnad / und versprach dieselbe / mit fleissiger Nachforschung / wo Agapistus seyn möge / zu erwiedern /auch mit ehistem zu berichten / so bald er einige gewisse Nachricht erhalten. Polyphilus / dem sein Hertz vor Freuden im Leibe hupffete / wegen des herrlichen Lobs / das Talypsidamus seiner allerwürdigsten Macarien gegeben: weil er zuvor merckte / daß die Königin eine kleine Eyfersucht getroffen: führete denselben mit sich in sein Zimmer / daß er die nächtliche Ruhe bey ihm nehme /wiewol er ihn mehr der Unterredung halber / als des Schlafs wegen begehrte. Deßgleichen giengen auch die übrige ein jeder zu seiner Ruhe / ohne daß Melopharmis Polyphilum / und seinen Geferten begleitete. 8. Absatz Achter Absatz Beschreibet / wie Talypsidamus sich mit Polyphilo berathen / zur Macarien zu kommen / und was jener /nach seiner Heimkunfft / mit derselben geredt / auch wie ihr Wider-Sinn sich in Liebe verwandelt: Lehret / ob die Tugend anfänglich schwer zu gewinnen / sey doch die endliche Ergebung freywillig / daher wir / mit Polyphilo / nicht ablassen sollen / dieselbe zu erringen. Da sie nun alle drey allein versamlet / und unverhinderte Freyheit zu reden hatten / war die erste Frag Polyphili / ob Talypsidamus noch kein Mittel erdacht /wie er zu Macarien komme? legte auch zugleich einen schönen Danck ab / an statt Macarie / wegen des ertheilten Lobs / ihn versicherend / daß zu seiner Zeit /von ihm / sein Ruhm wieder soll gepriesen / diß aber /was er gethan / bey Macarien / zu seiner grossen Beförderung / rühmlich erzehlet werden. Talypsidamus erwähnte / wie ihm das Gespräch über der Tafel nicht zugelassen / daß er darauf bedacht gewesen / wie gern er auch gewolt: allein / es werde nicht viel rathens bedörffen / Polyphilus solle morgen mit ihm / alsdann er sie sehen / und seine Schmertzen verbinden könne. Polyphilus war fertig / und glaube ich wohl / daß er noch den Abend lieber / als den andern Morgen fortgezogen wäre: allein die vorsichtige Melopharmis verwehrete ihm beydes. Dann / sprach sie / so ihr nicht mit gewaltiger Hand / oder sonst heimlicher List / oder ja zum wenigsten / mit einem sichern Geleit kommet / ist zu beförchten / daß der letzte Haß greulicher und gefährlicher werde / denn der erste. Darum folget meinem Rath / und lasset euch in diesem Fall mehr die sichere Vorsichtigkeit / als gefährliche Ubereilung führen / lasset Talypsidamum ziehen / und den Weg bereiten / ihr könnet des andern Tages nachfolgen / und mit solcher Gelegenheit / daß ihr kein Ubel förchten / und keine Gefahr scheuen dörffet / trauet meinem Rath / und versichert euch meiner Hülff / ihr sollet Macarien sehen / ehe die Sonne zweymal ihr Liecht / hinter den Bergen / erhebet. Talypsidamo gefiel der Rath nicht übel / zumaln weil er wuste / daß das Hertz der einsamen Macarien gantz anderst war / als er Polyphilo vorgesagt / deßwegen er selbsten auch der Rede Melopharmis beystimmete / und es vor rathsamer erkante / daß seine Ankunfft der Macarien vorher entdecket würde. Der Inwohner Grimm aber belangend / fuhr Talypsidamus weiter fort / ist derselbe nicht füglicher zu zäumen /als wann Polyphilus sich stellte / gleich wäre er in der Königin Befehl ausgesandt / da er nicht vor Polyphilum / sondern als ein Königlicher Gesandter wird bedienet werden. Ja / sagte Melopharmis / das wird sich noch besser schicken / wann er mit blinder Botschafft an euch selbsten / als den Herrn der Insul / abgefertiget wird / da er aller Seiten sicher / und ohne Anstoß wird aus- und eingehen können. Der Schluß ward gemacht / und beyderseits mit dem Wunsch / einer glücklichen Ruhe bestättiget / auch sonst fröligem Wohl-seyn bekräfftiget / biß die seelige Zeit heran nahe / daß sie sich wieder sprechen und sehen werden. Mit welcher Empfehlung Melopharmis ihre Ruhestatt suchete: Polyphilus aber dem Talypsidamo allerhand Bewerbung auftrug / die er bey Macarien ablegen solle: sonderlich die Erzehlung / welche er selbsten von der Königin vernommen / was er um Macarien erlitten. Das ihm Talypsidamus versprach / mit erwähnen / wie er den folgenden Tag nach seiner Abreise ihn gewiß erwarten wolle. Darüber entschlieffen sie beyde. Polyphilus war die gantze Nacht bey seiner Macarien / und wäre zu wünschen gewesen / daß er mit wachendem Auge die Freude genossen / so ihm das betrügliche Nacht-Bild vorgemahlet. So bald sich nun die Morgenröthe zeigete / war Talypsidamus früh auf / und eilete mit grossem Verlangen auf Soletten zu / nach dem er vom Polyphilo / neben dem gebührenden Abschied / nochmalige Unterrichtung erhalten / wie er bey Macarien reden solle. Es war aber der gantze Inhalt dessen / bloß auf dem Verlangen der Kunst und Tugend gegründet / dann von Liebe dorffte Polyphilus so viel sagen / als wenig er wuste / daß sie verlange. Talypsidamus reitet indessen auf Soletten zu / dann ihm die Königin eins von den besten Pferden gegeben / das ihn unverzüglich fort trage. Polyphilus erstieg / nach seiner Gewonheit / die Zinne des Schlosses / und sahe ihm sehnlich nach / begleitete auch seinen Ritt mit dem hertzlichen Wunsch / daß ihm der gnädige Himmel geneigter seyn wolle / als dem unglückhafften Agapisto / damit er endlich / nach so lang-erdulteter Unglücks-Bestürmung / seinen Wunsch erfüllet / und sein Verlangen gesättiget wisse. Vor dißmal hatte auch Polyphilus gnädige Götter / die ihm seiner Bitt gewähreten. So bald Talypsidamus zu Hauß kam / war sein erstes Begehren / der Macarien zu verkünden / was diß daher wunderbahres sich begeben: deßwegen er /durch einen seiner Diener / um den Zuspruch / bey ihr anhalten ließ / welchen er auch mit leichter Müh erhielt. Als er nun dieselbe mündlich grüssete / und seinen unhöflichen Zutritt höflich entschuldigte / fieng er nach der Länge an alles / was biß daher mit Polyphilo geschehen / und auf solche Art an zu erzehlen / daß sie leicht mercken konte / Polyphili Hertz und Augen zielen einig und allein auf ihre Gewogenheit / sonderlich / wann sie der Erzehlung Talypsidami / so er aus der Königin Mund / den beyden Tafeln in dem Liebes-Tempel wiederholete / die Schrifft entgegen hielt /welche / ihrer Meynung nach / die Wunder-würckende Hand / der allmächtigen Götter / ihre damalige Betrübnus zu lindern / auf den Tisch gemahlet. Die erlittene Noht Polyphili / die ohne fremden Beweiß / sein getreues Hertz entdeckete; dann die bewegliche Erzehlung der traurigen Begebenheiten / so um ihrentwillen auch der gantz fremde Agapistus ausgestanden / vermochte das Hertz der vor widersinnigen Macarien dermassen zu ändern / daß sie nicht nur leicht gestattete / sondern auch schmertzlich verlangte / den treuen Liebhaber hinwieder zu sehen. Es war die Begierde so groß / daß sie sich nicht bergen ließ /besondern ehe Talypsidamus von der Ankunfft Polyphili etwas meldete / mit diesen Worten ausbrach: So ist Polyphilus noch vorhanden? wird er nicht zu uns kommen? Er wird kommen / sagte Talypsidamus /und so uns der Himmel gnädig ist, wird er morgen bey uns seyn. Auf welche Wort Macarie mit fast fröligern Geberden spielte / als vorhin / so gar / daß Talypsidamus nicht wenig mit erfreuet wurde / da er ihr Verlangen und geneigtes Hertz / gegen dem Polyphilo / erkennete. Nun aber sehe ein jeder / was lieb-wanckende Gemüther sich auch in denen vermeinten weiblichen Vollkommenheiten / befinden. In Warheit! wer die Gedancken der einsamen Macarien / mit denen jetzt-verliebten Begierden überlegen wird / muß willig gestehen / daß sie / in diesem Fall / sich von der Zahl der weiblichen Unbeständigkeit nicht ausschliessen könne / welche mit dem beweglichen Schilff / das sich bald vor dem Ost- bald vor dem West- bald vor dem Sud- bald hinwieder vor dem Nord-Wind beuget und neiget / getreue Gesellschafft hält. Jetzt könte man recht und mit Warheit sagen / es sey / durch eine mächtige Zauberey / das Hertz / der sonst-beständigen Macarien / so weit verführet / daß die Erblickung des Gegenwärtigen / ja auch nur die Hoffnung des Zukünfftigen / eine flüchtige Vergessenheit alles dessen / was sie vor dem / in ihrem Sinn / hart und fest beschlossen / derselben wider Verhoffen geschencket. Wolte doch Macarie einsam bleiben: wolte sie doch nicht mehr an Polyphilum gedencken: wolte sie doch keinen mehr lieben: wie ist sie dann so leicht verkehrt? Oder / hat sie ihrer selber vergessen? Jetzt solte Atychintida zugegen seyn / würde sie gewißlich dem hochgeführten Lob dieser Tugend-Damen / das Laster der wanckenden Unbeständigkeit / vielleicht mit kräfftigern Beweiß / entgegensetzen / als damals Talypsidamus die Warheit behaupten konte. Dann ich lasse den Himmel selbst bekennen / so gleich alle Tugenden in einer Damen blühen / und die Beständigkeit entwurtzelt / ob nicht alle Tugend-Blumen ihres edlen Geruchs entsetzet sind: Aber / weg mit der Beschuldigung! die immerblühende Tugend / der beständigen Macarien / hat ihren Safft noch nicht verlohren / viel weniger ist sie ihres Geruchs entsetzet / so lang sie unentwurtzelt bleibt. Wird nicht auch ein tief-gewurtzelter Baum von dem Gewalt der Winde beweget; fällt nicht ingleichen auch offt eine safftige Blum / auf der Wiesen? Warum solte dann die mächtige Liebe Polyphili das Tugend-beständige Hertz der Macarien nicht bewegen; warum solte das seufftzende Verlangen / und die bittende Bemühung / nicht auch diese Tugend-Blum fallend /oder ja sinckend machen? Doch / was sag ich? Macarie / die Tugend-Herrschende / ist so ferne von der Unbeständigkeit / als diese von der Tugend. Solte das den Namen eines unbeständigen Gemüths verschulden / wann ich durch mächtigere / nützlichere / und mehr erhebliche Ursachen gezwungen / ein anders /oder wol gar ein wideriges / ausser dem erwähle / daß ich vor dem / ob wol auch mit reiffem Verstand / und gebührender Ersinnung / dennoch aber mit nicht so gnüglichem / vollkommenem und begeistertem Nachdencken / mir vorgenommen? Nein: es sind ja die letzte und folgende Gedancken vernünfftiger / dann die ersten: Wie offt gereuet uns morgen / was wir heut beschlossen? So muß man dem folgenden Tage seinen gebührenden Kuhm geben / daß er den Verstand erweitere: weil wir morgen klüger sind / und wann alle Verwechßlungen / mit dem Laster der Unbeständigkeit / solten beschuldet werden / wolt ich leicht schliessen / daß die Götter selbsten offt wider ihren Schluß handelten / und dem Himmel offtmals gereue /was er beschlossen. Wie viel mehr sind wir Menschen zu beschönen / die nicht wissen / was künfftig ist /und uns daher / offt in dem Gegenwärtigen / verführen lassen / das uns gereue. Sehen wir nun den Zwang der Liebe an / darinnen Macarie gefangen lieget / werden wir finden / daß Kunst und Tugend / deren Würckung an sich selbst rühmlich / den ersten Grund derselben geleget / daher alles das / in gleicher Beständigkeit /mit der Tugend stehet / was Macarie / in ihrem Sinn /verbannet oder erwählet. Ja selbsten die Beständigkeit heisset sie nach Polyphilo verlangen / weil sie weiß /daß durch seine Liebe fest stehen werde das Verbündnus / welches die Gegenwart Polyphili aufrichten wird. 9. Absatz Neunter Absatz Beschreibet die Ankunfft Phormenä gen Sophoxenien / und die Schlitten-fuhr Polyphili /welche so unglückselig / als verhinderlich war: Lehret / den Dritten und gemeinsten Anstoß der Tugend-Verliebten / die Unglückseligkeit. So lassen wir nun die schöne Macarie mit Talypsidamo in gleichem Verlangen ruhen / und vernehmen /was sich indessen mit Polyphilo begeben / und wie dieser seine Reise befördert. Der Raht Melopharmis /war dazumal noch der beste / deßwegen auch die Königin / um sicher Geleit / begrüsset wurde. Es schickte sich aber eben / daß Phormena / eine Befreundte der Königin / von der Freude ihrer Erlösung Bericht erhalten / und selbiger mit zu geniessen /eben damals / als Talypsidamus abgereiset war /dahin kam / und die Königin grüssete. Die Freude / so aus beyder Gegenwart entstund / war sehr groß. Für allen aber danckete Phormena dem Polyphilo wegen der Königin / und gewan ihn fast lieb / theils seiner Schönheit halber / theils auch / wegen der grossen Ehr / die ihm seine glückliche Verrichtungen erworben. Polyphilus stellte sich hinwieder nicht unfreundlich / doch so viel die Treue / mit welcher ihn seine Liebe gegen Macarien verbunden / zuließ. Allerhand Lust-Spiel und anmuthige Zeit Kürtzungen erdachte Melopharmis / samt der Königin / damit sie ihre geliebte Phormenam bedienen möchten. Nun begab sichs / daß dieselbe bey Atychintida / in ihrem Zimmer / allein war / daher die Königin Ursach bekam / mit Phormena / von Macarien zu reden / und zu erzehlen / was sich ihrentwegen / die Zeit / begeben und zugetragen. Am allerfleissigsten aber wiederholte sie das Lob / so ihr Talypsidamus beygelegt /und mit solchen Worten / daß Phormena / vor grosser Begierde / dieselbe zu sehen / allen Scham zuruck warff / und die Königin um Hülff und Beförderung ansprach / daß sie zu der Inful gelange Darauf Atychintidœ alsobald die Bitte Polyphili beyfiel / deren durch diß Mittel konte gedienet werden. Deßwegen sie Phormenam zur Ruh wieß / biß sie mit Polyphilo geredt / und erfahren / ob er noch gesinnet sey / seine Reise auf Soletten fort zu setzen / mit deren auch ihre könne befördert werden. Eben aber kam Polyphilus / seine Bitt zu wiederholen / da ihn die Königin / mit diesen Worten / empfieng: Edler Polyphile! dafern ihr eure Reise auf Soletten / um Talypsidamum zu besuchen / anstellen wollet / will ich euch Phormenam / meine Befreundte /zur Begleiterin vertrauen / welche Verlangen trägt /die Tugend-gezierte Macarien zu sehen. Dessen sich Polyphilus / als einer begehrten Auftrag / schuldig bedanckte / mit Versprechen / daß er sie unbeleidiget hin und wieder bringen wolle. Nunmehr war keines Raths mehr Noht / wie er seine Reise sicher anstellen möchte / weil er Phormenam / an statt der Königin selber / führe. Der Schluß stund noch zu erwarten /durch was Gelegenheit sie Belieben trage / ihre Reise zu vollziehen. Es war aber eben die Erde mit tieffem Schnee bedecket / (so lang war Polyphilus von seiner Macarien entfernet /) daß die Schlitten-Fuhr am füglichsten und lustigsten zu seyn scheinete / zuvor / da die Insul nicht ferne von dem Schloß entlegen / so /daß es sich nicht übel einer erwählten Spatzier-Fuhr gleichen konte. Der Schluß ward gemacht / der Schlitten / auf Befehl Polyphili / mit seinem Zugehörigen bereitet / und Phormena zur Reise gerüstet. Polyphilus eilete auch auf sein Zimmer zu / daß er / wessen er möchte benöthiget seyn / allerdings zusammen ordnete; und wiewohl er keine Zeit-Versaumnus zuließ /mochte doch die mächtige Freud / die in ihm der hoffende Anblick seiner Macarien erweckete / das Hertz Polyphili dergestalt bezwingen / daß er / alle Geschäffte verhinderend / der beglückten Zeit / die ihm die Gegenwart der Macarien schencken werde / mit folgendem Gedicht / seinen gebührenden Danck ablegte: O tausend-liebe Zeit / und tausend noch darüber / und widerum so viel! was könte mir doch lieber und angenehmer seyn: als du / du schöne Zeit / die einig mich ergötzt / die häuffig mich erfreut. O lieb-beliebte Zeit! wie soll ich dirs vergelten / was du mir jetzo bringst: wann jene gleich bestellten Schiff in Arabien / mit Centner-schwerem Gold / und Perlen angefüllt / dem alle Welt ist hold: Wär dieses lieber doch: was lieber? auch wohl besser / weil jenes bald vergeht; diß aber immer grösser durch veste Treue wird; drum Zeit ich dancke dir / und preise deine Gunst / die du erweisest mir. Eben setzte er das Gedicht zu Papier / als ihm Melopharmis die Post brachte / daß der Schlitten bereit /und Phormena / in dem untern Saal / auf ihren Führer warte. Deßwegen sie ihn eilen hieß / Abschied nahm /und mit folgenden Worten / Glück zu seiner Reise wünschete: Freud-hoffender Polyphile! Euer Hertz /weiß ich / ist mehr bey Macarien / als euch selbsten. Nun so verleihe der gnädige Himmel / daß ihr sie /nach eurem Wunsch / antreffen und grüssen möget. Besinnet euch aber in allem / und mercket auf eure Wort / daß ihr die Gunst des leicht-erzürneten Hertzens nicht verderbet / in dem ihr dieselbe zu hefftig suchen wollet. Versichert euch / daß ihr angenehm / ja erwünscht kommen / und mit eurer Gegenwart / die Betrübnus / so die schöne Macarie / durch euer Abseyn erlitten / erfreulich verwechseln werdet. Mit diesem Schluß eilete Polyphilus zum Schlitten. Die gebührende Hoflichkeit aber befahl ihm / nicht weniger / auch von der Königin Urlaub zu nehmen /ja! den gantzen Hoff-Staat indessen der Gunst des Himmels zu befehlen / mit dem Versprechen / daß er sie bald wieder sehen wolle. Ein jedweder / sonderlich Atychintida / wünscheten ihm allen Segen / und begleiteten ihrer etzliche Polyphilum / biß zum Schlitten: die übrige blieben in dem Dienst der Königin /welche sich / mit Clyrarcha und Cosmarite / auch andern deren vornehmsten Hofbedienten ins Fenster legten / und der Fahrt Polyphili betrübt nachsahen: Vielleicht weil ihnen das Hertz ein Unglück vordeutete. Melopharmis / die getteue Beförderin des Verlangens Polyphili / gab ihm auch das Geleit / und halff ihm so gar auf den Schlitten / bittend noch zu letzt / um einen schöner Gruß / an Macarien. Alle und jede / die ihm zusahen / scheineten / seinen Wunsch / mit der selbst-willigen Zuruffung alles Glücks / zu befördern. Er selber Polyphilus / gantz erfreuet / bildete ihm nichts anderst / als die gewisse Erlangung seiner / ach! so schmertzlich verlangten Macarien ein / deßwegen er voller Erfreuung / gleich im Aufsitzen; wie er dann fertig war in seinen Gedichten / folgende Wort / zu denen umstehenden / und mit lachendem Munde /auch schertzhafften Geberden anstimmete: Der Schlitten ist bereit / das Pferd ist angespannt: ich soll / ich soll / wohin? zu meinem Liebe rennen; ach! sollt ich / wie ich wollt / der Vogel Künste können / ich hätte längsten schon den schnellen Flug gewandt nach dem verlangten Ort; an jenem Penus-Strand / da ich zum erstenmal sie habe lernen kennen / da sie hinwieder auch mir einen Blick wird gönnen / so bald ich sie erseh / das theure Liebes-Pfand / dadurch sie mich zu erst möcht ihren Diener nennen / dadurch ich anfieng auch in heisser Lieb zu brennen / der Augen heisse Strahl wird wieder mir bekannt / mit noch so süsser Lust / in dem beliebten Land / da sein geschärfftes Stahl / durch die gespannte Sennen der Wind-geschwinde Knab / dort von der Himmels Tennen / auf seiner Mutter Rath / zu mir hat hergesandt / ich hoffe auch zu ihr; was soll ich nicht bekennen? frisch auf; ich fahre fort / die Liebste zu errennen. Ach aber / unglückseliger Polyphile! wie übel fährest du fort. Freylich war in deinem Hertzen die unverruckte Hoffnung / Macarien zu errennen: aber in dem Hertzen Melopharmis war der Eyfer noch nicht gar erloschen / der sich ihr verschworen hatte / ihren Schrecken / an dir / diese Stunde / zu rächen / den deine unbedachtsame Zunge / wegen der Erledigung /dieses Schlosses / bey der Tafel / ihr verursachet. Melopharmis zwar liebte Polyphilum hertzlich / und war in allen seinen Begehren behülfflich / aber Polyphilus hatte eine wenige Straffe verdienet / nicht so wohl zur Rache / als daß er hinführo / seiner freygelassenen Zunge / besser den Zaum legen / und seinen nichts-fürchtenden Geist fleissiger in der Zucht halten lerne. Kurtz davon zu reden: als Polyphilus sich auf den Schlitten hebte / und die Seile zur Hand fassete auch /der Gewonheit nach / mit denselben das Pferd anmahnete / ihn fort zu führen: Siehe! da erschrickt dasselbe von dem Schall des Geleuts / damit es umhänget war /dermassen / daß es / mit vollem Lauff und erhitztem Eyfer / durch das Thor / einen zimlichen Weg / von dem Schloß / ohne Aufhalten / wegstreichet: und wiewohl Polyphilus / mit aller Macht / anhielt / so gar /daß auch die Seile zerrissen / trieb dennoch die gewaltige Bezauberung Melopharmis / den Grimm des flüchligen Pferds so ergrimmet fort / daß Polyphilus vom Schlitten gestürtzet / einen zimlichen Weg geschleiffet wurde: der Schlitten aber / durch offtmaliges Anschlagen / zu Trümmern zerstückt / und das Pferd /gleich dem Wind / durch den Schrecken / in die Flucht gejaget wurde / biß es an einem Pfal hangend /nicht weiter reissen konte. Ob nun dieser Fall gefährlich gnug war / verhütete doch Melopharmis / Krafft der Liebe / die sie gegen Polyphilo trug / daß ihm kein grosser Schade / an seinem Leib / geschehe: wiewohl er in dem herabstürtzen / seinen Arm beschädigte / doch ohne Gefahr des Verderbens. Die gantze Hofhaltung / und zum Schein auch Melopharmis / wurden sehr erschröckt / über das unverhoffte Unglück. Ein jeder lieff Polyphilo zu / ihn zu trösten. Und als die Königin das Blut vernahm / fieng sie wehmütig an zu klagen / beförchtende / es möchte der Schaden gefährlich / und seiner Vollkommenheit schädlich seyn. Daher sie alsobald den Wund-Artzt holen / und befehlen ließ / müglichsten Fleiß anzuwenden / daß Polyphilus wieder zu voriger Gesundheit gelange. Was soll ich aber von Polyphilo selber sagen? dieser hätte vor Eyfer bersten mögen / nicht so wohl wegen seiner Beschädigung / als der Schand / die er ihm noch so groß einbildete / dann des Verlusts halber / daß er seine Macarien nicht sehe. Was solt er aber machen? die Gedult war der beste Trost / und die Hoffnung bessers Glücks / beseeligte den Schrecken des Unglücks. Melopharmis / die sich gantz unschuldig stellen kunte / war die nächste bey ihm / und als sie sahe / wie Polyphilus so hoch betrübet war / gereuete ihr die That so fern / daß sie ihm diese Widerwertigkeit / morgendes Tags / zu ändern und zu verbessern versprach. Am allermeisten beleidiget das erzürnte Hertz Polyphili die Klag der Königin und deren Diener / die bald seinen schädlichen Fall / bald seine schöne Kleidung / bald den grossen Verlust an allem / was er bey sich führete / bedaureten: dessen er doch weniger denn nichts achtete / möcht er nur seiner allerschönsten Macarien geniessen. Dieses Glück beseeligte sein Unglück annoch / daß er Phormenam / die er zu führen gesinnet war / nicht zu sich genommen / welche gar gewiß ihr Leben einbüssen müssen. Voller Eyfer und Bekümmernus /theils auch aus Scham / für denen Anwesenden / eilete Polyphilus in sein Zimmer / beklagende das allzugrosse Unglück / so seine gehoffte Freud / gleich einer Blumen / gefället / und den Vorsatz seiner Ergötzlichkeit / mit den Stricken der Verhindernus / allzuviel gebunden. Er gieng in demselben auf und nieder / und zeigete bald zornige / bald klägliche Geberden / das grösseste / so ihn druckte / war die Erianerung / der so viel erlittenen Noth / und wie ihm nie das Glück günstig gewesen / so offt er seine Macarien zu sehen begehret. Daher er schliessen wolte / daß vielleicht die widerstrebende Götter / durch eben diese vielfaltige Verhindernussen / ihm zeigen wollen / wie er entweder bey Macarien unangenehm / oder ja / zu seinem grössern Schaden / willkommen seyn würde. Gleichwol vermochte die erhitzte Gluth der Liebe so viel /daß nichts fehlete / er hätte / wieder aller Götter Willen / Macarien zu sehen erwählet: deßwegen er mit brünstiger Begierde diese Schmertzen Wort offt und offt hören ließ: Ach! so kan es dann nicht seyn / daß ich dich noch heute sehe und vor deinen Augen stehe? Ey so nimm die Seufftzer an / küsse die geschwinde Boten die dir kommen von dem Todten / der in dir gestorben ist / in dir auch wird wieder leben / wann du dich hinwieder gibst / wie er sich dir hat ergeben. Atychintida / samt Melopharmis / war stätig bey ihm /und hatte gnug zu trösten: Polyphilus hingegen konte sich nicht gnug entschuldigen / wegen seines Verbrechens gegen der Phormena / die er gen Soletten führen wollen / nun aber / wider ihren Wunsch und Willen /ja / das noch viel mehr / erschrocken und bekümmert /zu Hauß lassen müsse; Doch beschönte er solchen seinen Fehler / theils mit der Unschuld / theils mit der Zusage / daß er / morgendes Tages / reichlich ersetzen wolle / was ihm anheut die Widerwertigkeit des verboßten Glücks / wider Verdienst und Billichkeit / entzogen. Wo bleibet aber das Pferd mit dem Schlitten / wer holet selbiges wider nach Hauß? da solten wir billich erkennen / daß offtermals wir Menschen ein Unglück leiden / und ein Leid ertragen müssen / damit wir desto grösser erfreuet und beglücket werden. Dann /als das reissige Roß / wie gemeldt / am Pfal behangen blieben / kommet eben Agapistus (O der seeligen Ankunfft!) aus seiner Wildnus / nächst zu dem Schloß /nicht wissend / daß er so nahe sey / bey denen / die er so lang und schmertzlich gesuchet. Die Vielfaltigkeit seiner erlittenen Gefahr heisset uns hier etwas still stehen / und seinen Jammer erzehlen / welchen er die Zeit erlitten. 10. Absatz Zehender Absatz Beschreibet das elende Leben Agapisti / in der Wildnuß / und wie wunderbahr er gen Sophoxenien /zum Polyphilo / wieder kommen: ist eine Lehr / von der Treu und Beständigkeit / auch deren reichen Belohnung. Er war / wie wir oben gehört / in der erschröckenden Wildnuß / von allen verlassen / und wuste keinen Rath noch Trost. Seine ermüdete Seele speisete er mit Angst und Betrübnus; und die matte Glieder erhielt das ungekochte Fleisch der wilden Thiere / kümmerlich / dann er auch dessen keinen Uberfluß hatte. Weil er aber diese so schwere Last nicht länger ertragen konte / fasset er einsmals den Sinn / die Bedrangnus seines bekümmerten Lebens / mit dem Tod / zu enden / und dem Polyphilo / weil er ja seinen Leib nicht mehr stellen könne / doch den Geist zuzuschicken / der berichten werde / wie treulich er sich in seiner Botschafft verhalten. Als er nun / in diesen Gedancken / sehr bemühet / und den selbst-erwählten Tod nicht so bald / ohne verschulden / zu Werck richten kan / ersiehet er von ferne einen alten Greisen /übernatürlicher Länge / und schröcklich anzusehen /aus dem dick-finstern Wald / gemählich auf ihn zu gehen. Agapistus / über den unverhofften Anblick /nicht wenig erschrocken / stehet behend auf / als wolte er die Flucht nehmen / die ihm aber / von dem Alten verwehret wird / daß er keinen Fuß von der Stell setzen kan. Was geschicht? Agapistus erwartet /was geschehen werde / der Alte erweiset / was geschehen solle. Dann da er zu nächst beym Agapisto war /bietet er ihm die Hand / mit freundlichen Anlachen /und folgenden liebreichen Worten: Mein Sohn! es schröcke dich keine Forcht / wegen meiner Ankunfft /wiewol dieselbe dieses Orts nicht zu hoffen / viel weniger zu erwarten gewesen. Es haben sich die begütigte Götter über dich erbarmet / und deine wehklagende Seufftzer gnädig erhöret. Dusolt nicht sterben: aber Polyphilum must du verlassen / soll dich anderst nicht alles Glück verlassen. Du weist selbsten / und hasts schmertzlich gnug erfahren / wie bitter der Anfang eurer Freundschafft gewesen / so gar / daß sie /biß zum Ende / nicht wird versüsset werden: darum solt du dein besser gedencken / und dich mehr / denn einen Fremden lieben. Wirst du nun diß versprechen /und halten / so folge mir auf dem Wege / den ich dich führen will / daß du lebest. Agapistius hätte sich selbsten lieber als bald erwürget / ehe er auch nur gesagt hätte / daß er Polyphilum verlassen wolle: will geschweigen / daß er einen sochen Schluß in seinem Hertzen machen / oder zu Werck richten solle. Er gedachte alsobald / sehe ich dich / verlangter Polyphile! durch des Glückes Neid /nicht wieder / und muß dich verlassen / wird doch dieser Ruhm der Nach-Welt kündig werden / daß ich mein Leben nicht verschonet / um einen getreuen Freund aufzugeben / und für rühmlicher gehalten /durch die Trennung der Seele von dem Leib / das Band der Liebe zu knüpffen / als durch dieses Eröffnung / jene Fessel zu bewahren. Darum beantwortete er die Rede des Alten also: So der Name eines Sohns vätterliche Gunst verdienet / und kindlichem Gehorsam fordert / darff ich mich / durch eure Anrede / euch meinen Vatter zu nennen / wohl erkühnen / wie ihr mich euren Sohn. Wolte auch wünschen / daß euer Vortrag so gestaltet wäre / daß die kindlich-gebührende Pflicht / ihre Folge / im schuldigen Gehorsam /darbieten könte: aber Polyphilum / das theure Hertz zu verlassen / ist ein solcher Befehl / der mir / mich selber verlassen / heisst / weil / wann ich Polyphilum nenne / nenn ich den andern Agapistum / mein ander Hertz / meine andere Seele / ja den andern Ich. Wird also dieses Begehren / es sey eine Bitte / oder ein Befehl / eben so wenig zu hören und zu bedienen müglich seyn / als unmüglich ist / daß Agapistus sein selber vergesse / sich selber verlasse. Wolt ihr aber /mein Vatter! eurem Sohn einige freudige Hülffe erweisen / so befördert / bitte ich / nicht so wohl die Länge meines Lebens / als den sehnlichen Wunsch /Polyphilum zu sehen / ohne dem mein Leben todt ist /und führet mich dahin / wo das angenehme Liecht seiner Augen / die Finsternus meines betrübten Hertzens / gegenwärtig erleuchten kan. Die Rede Agapisti / verursachete dem Alten / theils Wunder / theils Zorn. Wunder zwar / weil er eine solche Beständigkeit bey keinem Menschen gehoffet: Zorn aber / weil er eben die Tugend selber / in einem solchen Fall / des Lasters beschuldigte / welches dem Hertzen Agapisti / eine endliche Verzweifflung zu bringen / und ihn / ohne Verdienst / ins Verderben stürtzen würde. Daher er bewogen / etwas schärffer an ihn zu setzen / und mit viel unfreundlichern Worten die Verlassung Polyphili zu befehlen / wolle er anderst nicht den verbitterten Grimm / aller himmlischen und höllischen Götter / noch diese Stunde / kosten. Aber vergebens; wann gleich / die verfinsterte Höll selber / ihren Rachen gegen ihn aufgesperret /und der blitzende Himmel / durch seinen Donner / ihn hinunter zu stossen gedrohet / hätte er dennoch die Treue seiner Beständigkeit / nicht mit versencken lassen: solche Liebe schloß das Hertz Agapisti an das Hertz Polyphili. Was geschicht? Da der Alte alles vergeblich erkannte / und weder mit guten noch bösen Worten etwas erhalten konte / ward er sehr erzürnt /und berief in einer unbekannten Sprach etliche höllische Furien / und andere Plage-Geister / die den armseligen Agapistum dermassen anfeindeten / daß der Schrecken und die Schmertzen nicht auszusprechen sind. Wie aber die gnädige Götter / noch immerdar ein wachendes Aug haben / auf die Gerechtigkeit: gleich so muste dieses / auch dem unschuldigen Agapisto /zum Trost / ja zur Hülf kommen. Denn da er in der höchsten Bedrangnus / dem gerechten Himmel / durch einen hertzlichen und ängstigen Seufftzer / seine Noth klagte / siehe! da kommet mit einem feurigen Strahl /eine Stimm aus der Wolcken / sprechend: Philomathe! ruhe! Darauf der Alte mit allen andern Geistern als bald verschwunden / und Agapistus allein gelassen worden. Wer der Alte gewesen / ist unschwer zu schliessen /nemlich der Geist Philomathi / der die Rache an Polyphilo / wegen der Hut Melopharmis / nicht vollbringen können / darum er den Freund desselben angefasset. Das wuste aber Agapistus nicht / weil ihm Polyphilus nie erzehlet / was sich mit Philomatho zugetragen. Daher ihm allerhand Gedancken über diesem Namen entstunden / die ihm doch nichts gewisses bedeuten kunten. Die Freude des Friedens forderte den Danck / vor die Erlösung / welchen gebührend abzulegen / Agapistus auf seine Knie nieder fiel / und die Augen / gegen den Ort des Himmels wendete / daher die Erlösungs-Wort erklungen / denen er folgende Danck-Rede entgegen setzte: O ihr gnädige / ihr gütige / ihr barmhertzige Götter! O ihr allwissende / allsehende / allmächtige Götter! Und du / du Wunder-bereichter Himmel! daß ich doch / wie ich schuldig bin / euch gnug dancken könte / für die gnädige Errettung / so ihr diese Stund / meiner harten Bedrangnus /wunderthätig erwiesen! daß ich gnug rühmen könte die Allmacht / so mit einem Wort / alle grausame Geister / aufleinmal vertrieben: Ich wolte mein Hertz dichten / und meine Zunge rühmen lassen ewiglich. Aber die Unmüglichkeit dessen / gibt mir Verbot /daß ich mich keiner gefährlichen Vergeblichkeit unterwinde / oder das verlange / was menschlicher Schwachheit zu erlangen / die Vollkommenheit des Himmels selber versaget. Darum nehmet an / so viel ich vermag / und lasset euch gefallen / daß ich gerne wolte / wann ich könte; mässet den unendlichen Danck / aus dem Will / welcher auch die übermenschliche Vermögenheit zu erfassen sich bemühet. Sehet da / ihr allsehende Götter! sehet mein Hertze / daß ich euch traue; sehet meinen Leib / den ich zum Danck-Opffer bringe; sehet mich selbsten / der ich mich gantz und gar / eurer Macht und eurem Willen / zu eigen gebe. Was sag ich? Bin ich doch vor euer / und nicht mein: wie kan ich dann etwas geben / das nicht mein ist? doch ist das Leben mein / und stehet in mei ner Gewalt / mich euch / durch ein gefälliges Opffer /selber zu opffern: Nun so seyd vergnüget mit meinem Willen / und nehmet die Seele zu euch / diesen Leib aber lasset nach meinem Tod zum angenehmen Geruch werden / biß er verrauchet / sich selbst der Lufft vertrane / die ihn hinauf zu euch führe. Polyphilum aber tröstet / und lasset ihn das Glück / so mich verlassen / empfangen / wie ich sein Unglück auf mich lade / und mit diesem Ende meines Lebens / und meines Glücks durch eure Begnädigung / endige. Ihr aber / ihr betrübte Seufftzer! bleibet hie / und kommet nicht zu Polyphilo / damit ihr sein Hertz nicht erschröcket: Wolt ihr aber wider meinen Willen gehen /so sagt ihm / daß er wol lebe / und sich darauf verlasse / daß meine Seele / auch in dem Sternen-Saal vor ihn wachen / und die Güte des Himmels bitten wird / daß sie ihn / in allem / beglücke. Ach ja! gütiger Himmel! erhöre meine Bitt / und beglücke Polyphilum / mit einem seeligen Leben / mich aber / mit einem endlichen Tod. Nach vollendeter Rede / saß Agapistus fast schwerlich auf den Knien / als welche ihm / vor Müdigkeit /den Fall droheten. Gleichwol wolt er sich nicht erheben / sondern sahe den Himmel als erstummet an /ließ das Hertz inwendig reden / welches in voller Verzweifflung arbeitete. Da er aber kein Zeichen vom Himmel erwarten konte / welches sein Hertz verlangte / gibt ihm / ach! der verdammliche Mord-Geist / die verzweiffelte Gedancken in den Sinn / er solle den Göttern das Opffer / an seinem Leibe bezahlen / wie er versprochen / dessen sie in der Still erwarteten. Darum er behende aufstund / sein Schwerdt / dadurch er den Mörder gefället / in die Erden setzet / daß die Spitze seine Brust traff / und noch einmal: aber ach! wie kläglich? gen Himmel schauet / daß die Thränen die Wangen netzten / und endlich mit diesen Worten: O ihr Götter! seyd mir gnädig! sich mächtig auf das Schwert druckete / daß dasselbe in zwey Stuck zerbrach. Da sehe eins die Begnädigung des Gunst-gewogenen Himmels! auch die Schärffe des Schwerts muß sich stumpffen / und die Klinge zerspringen / daß sie nicht schneiden könne / ehe der Gerechte erliege. Agapistus fiel danieder / als erstorben / und merckete nicht / daß das Schwert zerstücket war / sondern bildete ihm fest ein / er wäre durchstochen / daß er sterbe: so wenig wusten seine ertödete Sinne / von seinem Leben. Als er nun / eine geraume Zeit / in der Ohnmacht gelegen / kommt er endlich weder zu Sinnen / fühlet nach der Wunden / befindet sich aber unversehrt. Und weil er aus allem / die gnädige Vorsehung der allwaltenden Götter / gar leicht erkennen konte / schlug er in sich / mit Schrecken / bereuete sein Vornehmen /fiel wieder auf seine Knie / und flehete die Götter an /daß sie ihm sein Verbrechen nicht sträfflich zu rechnen wolten. Unter dem Gebet / fielen ihm die verzuckerte Gedancken bey: vielleicht wollen die Götter dein Leben fristen / und habens dißmal erhalten / daß du wieder zu Polyphilo kommest; daher er sich freudiger geberdete / als vorhin (wie ihm dann allemal der Name Polyphili / eine kräfftige Verstärckung war / in allem Leid) und gleichsam einen innwendigen Trost und Zufriedenheit fühlete / die ihm diese Wort gen Himmel schicken hieß: habt ihr mich erhalten / O ihr gnädige Götter! daß ihr mich wieder zu Polyphilo führet: Ach! so führet mich / ihr barmhertzige! durch euren Arm / daß ich meine Seele erfreue / durch seinen Anblick. Ihr wisset ja / ihr Allwissende! wo Polyphilus ist: Ach! so führet mich dahin / daß ich auch wisse / wo meine Freude lebet. Ihr sehet ja / ihr Allsehende! wie sich mein Hertz sehnet nach dem / das sich gleich nach meinem neiget: Ach! so führet doch die beyde Hertzen zusammen / daß sie sich selber sehen mögen. Ihr könnet / ihr Allmächtige! mich diese Stunde führen / das ich finde / was ich so hefftig suche: Ach! wollet doch auch / ihr Gnädige / ihr Gütige / ihr Barmhertzige! was ihr könnet / damit ich nicht zweifeln müsse / an der Macht / der ich mich auf euren Willen gäntzlich verlasse / und hoffe / ich werde noch diese Stunde mit meinem Freund / Ach! dem gehertzen Polyphilo / euch den Danck bringen /vor die gnädige Hülffe. Hat einmal das Gebet viel vermocht / so hats / in Warheit! diß vermocht. Kaum waren die-Wort ausgesprochen / als Agapistus merckte / daß er aufgehoben wurde / und mit unglaublicher Geschwindigkeit / über den Wald weggeführet: wiewol nicht ohne Anstoß /sonderlich schnitten die rauhen Winde / und der erkältete Frost ihn zimlich ins Gesicht. Von was er geführet worden / weiß ich nicht /konts auch Agapistus selber nicht mercken: doch ist vermuthlich / daß ihn die gewaltige Hand der Götter geführet / die er angeruffen. Er wurde nahe bey dem Schloß / auf einen ebenen Weg / im Walde / niedergesetzt / mit dem Befehl: gehe ferner! so bald er zur Erden kam / fiel er nieder anzubeten / und danckete dem / der ihn geführet / biß er durch das Geleut der Schellen erschrocken / sich eilig erhebte / zu sehen /was daher komme. Es wurde aber / wieder Verhoffen /gantz still / doch ließ Agapistus nicht ab / sondern folgete dem vorigen Hall / sonderlich / weil ihn der Weg dahin führete. Und da er etwas für sich kam /fand er das Pferd Polyphili mit dem Schlitten / der zerbrochen war. Agapistus erkannte alsobald dasselbe / und sahe / daß diß Pferd war / darauf er gen Soletten reisen wollen. Was er muß gedacht haben / ist leicht zu gedencken. Nicht viel fehlete / er hätte das Pferd umhalset und geküsset / so erfreuete ihn dessen Aublick. Doch schlug die Forcht zugleich in sein Hertz / weil er leicht errathen möchte / das Pferd komme vom Hof Atychintidœ / es möchte Polyphilus zu Schaden kommen seyn / welcher ohne Zweifel eine Spatzier-Fuhr angestellet; wie er ihm dann sonderlich das Schlitten fahren gefallen ließ. Das alles veranlassete Agapistum / desto mehr auf das Schloß zuzueilen / weil er nunmehr erkennete / daß diß der Weg sey / welcher auf Soletten führe: das ihn noch mehr in seiner Furcht stärckete / in dem er gedachte / vielleicht hat Polyphilus wollen zur Macarien fahren /und ist durch des Pferdes Unbändigkeit / wie es dann von Natur wild war / abgesetzet worden. Wiederum fiel ihm bey: Polyphilus sey allbereit bey Macarien: welcher Wahn daher entstund / daß das Pferd auf das Schloß zugewandt / als wanns von Soletten herkomme: doch / dacht er / kans am Pfahl / daran es behängt blieben / sich umgekehret haben / wie dann der Pferde gemeiner Gebrauch ist / daß sie sich nach der Krippen sehnen. In diesen zweiffelhafften Gedancken entschliesst er sich endlich / nicht auf Soletten / sondern Sophoxenien zuzugehen / und das Pferd mit sich zu führen / in Hoffnung / dafern er nicht Polyphilum selbst antreffe / werde er doch gewissen Bericht erhalten / wie es um ihn stehe? So kommt nun Agapistus zu dem Schloß: tausend Segen begrüsseten den ersten Anblick / und mit vollen Freuden / eilete er auf das Thor zu. Eben wolten die Gesandten ausgehen / das Pferd zu holen / da sie Agapistum mit dem Pferd kommen sahen. Wer war der erste / welcher dem Polyphilo die Zukunfft Agapisti verkündigte? Alle lieffen sie zugleich / und mit mehr als zehen Zungen wurden die Wort gesprochen: Polyphilc! Agapistus ist kommen / und hat das Pferd bracht. Freude und Verlangen / Agapistum zu sehen / erhebte Polyphilum von seinem Sitz / daß er / aller Betrübnus vergessend / ihm / mit erhitztem Gang / entgegen lief / und freudiglich empfieng. Da solte eins die Hertzlichkeit / der tausend versüßten Umhalsung /dieser beyder edlen Jünglinge / und mehr als getreuesten Freunde / beschauet haben. Agapistus bethränete die Wangen Polyphili / Polyphilus die Wangen Agapisti. Möchte doch nur Polyphilus alsbald wissen /wie es Agapisto ergangen / daß er die Tausendfältigkeit seiner Freude / mit der Bedaurung / des treuen Freundes Agapisti / in etwas verringern könte. Was soll ich viel sagen? Wenn ich gleich Hertzen und Küssen / Drücken und Umfangen daher setze / kan ich doch dennoch nicht innerliche Hertzens Bewegungen ausdrucken / die mit solcher Brunst in ihnen beyden feuerte / daß die äusserliche Bezeugungen der innerlichen Gluth mehr ein Vorspiel / als Abdruck zu nennen war. Ach Polyphile! fieng Agapistus an / verlangter Polyphile! wie hat mich das Unglück von dir ziehen heissen? Ach Agapiste! wie / versetzte Polyphilus / allerliebster Agapiste / wie lang hat dich das Unglück von mir gerissen? Sag doch / Agapiste! wie ist dirs gangen? die jämmerliche Gestalt zeiget nichts Gutes. Wie so / sprach Agapistus / seh ich so elend? Es fehlet mir nichts / nun ich Polyphilum habe: und ich habe alles / antwortete Polyphilus / nun ich Agapistum wieder habe. Solche / und dergleichen Wort viel mehr / führeten sie gegeneinander / biß sie in Polyphili Zimmer kamen / da Agapistus alles erzehlete /wie es ihm gangen / und hinwieder vernahm / was sich mit Talypsidamo und Polyphilo / die Zeit / zugetragen. Melopharmis / samt der Königin / kamen alsobald Agapistum zu grüssen: und war alles in höchsten Freuden. Das Hertz Polyphili aber bedaurete das Unglück Agapisti / welches er um seinet Willen erlitten /verwunderte aber auch dabey / die Treue desselben /der sich / durch keine Noth / von ihm abwenden lassen: daher Polyphilus ihn noch so sehr liebete. Wir wollen uns jetzt nicht aufhalten mit dem / was Agapistus mit Polyphilo / dann auch mit der Königin / und sonsten über Tafel / geredt / weil das meiste die Erzehlung war / seiner ausgestandenen Gefahr /die er so scheinbar vorlegen konte / daß sie alle zum Weinen und Mitleiden beweget wurden. Nach dem /und sonderlich über der Tafel / fieng die Königin mit Polyphilo an zu schertzen / wegen der Schlitten-Fuhr /deren Verhindernus / die Ankunfft Agapisti verursachet. Aber Polyphili Sinn war nicht zum Schertz gerichtet / als welcher bloß darauf bedacht war / wie er morgen glückhaffter fahre. Deßwegen er noch den Abend / ein ander Pferd wählete / und alles bestellete / daß er mit frühem Tage fortfahren könne. Viertes Buch 1. Absatz Erster Absatz Beschreibet die andere Fuhr Polyphili auf Soletten /welche ihn zu der langverlangten Macarien bringet /deren Gunst-Gewogenheit er gewinnet: Lehret die endliche Vergnügung und Zufriedenheit der Tugend-Verlangenden. Es hatte Polyphilus eine mühselige Nacht / nicht wegen seiner Betrübnus / sondern der Schmertzen /die ihm der beschädigte Arm erregete. Und wurde der Schaden so gefährlich / daß er den Arm nicht beugen konte / daher er abermal beförchtete / er möchte an der Reise verhindert werden. Aber es hieß beym Polyphilo / der Liebsten wegen ein Glied gewaget. Der innerliche Schmertzen war hefftiger und mächtiger /dann der äusserliche: darum er jenen / vor diesen / zu verbinden / sich früh aufsetzte / Phormenam zu sich nahm / und / mit gutem Glück / auf Soletten gelangete. So bald er des Peneus-Flusses ansichtig wurde /und in das Schiff trat / welches Talypsidamus / schon den vorigen Tag / ihn einzuholen / am Ufer warten lassen / fragte der / von heisser Liebe / fast fein Vergessener / die Sprachlose Creaturen / um Macarien /was sie mache? wie sie lebe? mit folgendem Reim-Schluß: Du Perlen-gleicher Fluß! ihr silber-weisse Wellen! und du verlangtes Schif; auch ihr / ihr offne Schwellen! ich komm / ach lasst mich ein! was macht sie / Meine! doch? Ach! sagt es / treue mir: was macht sie? Lebt sie noch? Sie / die mein Leben ist; was frag ich? solt sie sterben? Sie / meines Todes Tod / O weh! ich müst verderben / und nicht seyn / der ich bin: weil ich nicht selbsten mein / besondern gäntzlich ihr / wie sie wird meine seyn. Talypsidamus wartete allbereit bey der Bruck / da Polyphilus aussteigen muste / und empfieng sie beyde /mit grosser Höflichkeit / führete sie auch in den Saal /allda ihrer Gelegenheit zu pflegen. Im ersten Eintritt /sahe Polyphilus das Bild Macarien; mit was Erfreuung / kan männiglich gedencken. Hätte er die anwesende Phormenam nit gescheuet / weiß ich gewiß /daß er das entseelte Bild / mehr dann tausendmal gehertzet / weil es Macarien Bild war. Er gieng offt und offt zum Fenster / und sahe das Hauß Macarien an /weil er nicht ruhen konte / biß er sie sehe. Doch muste er seine Begierde / durch die Erwartung / zäumen /deßwegen er sich mit allerhand Gedichten tröstete /und seine Zeit kürtzete. Es ward aber Macarien angesagt / daß eine Gesandtin der Königin von Sophoxenien / sie zu begrüssen / ankommen: darum sie dieselbe / mit demütiger Bedienung / zu sich bat. Nun wird Polyphili Wunsch erfüllet / nun gehet die Freude an / darauf er so lang vergebens gehoffet. Phormena geht vor / damit es einen Schein Königlicher Würde hatte; Polyphilus folget mit Talypsidamo hernach. Jetzt möcht ich wünschen / daß ich Wort gnug hätte / die Unaussprechlichkeit der Freude zu beschreiben / die sich in dem Hertzen Polyphili / nicht weniger auch bey Macarien / erhebte. Es mehrete sich dieselbe um desto mehr / so viel sich die Liebe mehrete / die durch die Schönheit / der tausend-beschönten Macarien / verstärcket wurde. Gleichwol trug Polyphilus eine wenige Furcht bey sich / wegen deß / daß Macarie wuste / er komme nicht mehr Tugend / sondern Liebe zu werben. Und Macarie / wann sie Polyphilum erblickte / beröthete gemeiniglich ihre Wangen und schämete sich / daß sie ihre Freyheit verlohren. Phormena aber / nach dem sie aufs höflichste /von Macarien / empfangen / und / durch ihre verständige Reden / begrüsset worden / verwunderte sich über himmlischen Verstand / in einem Weibe / und englische Schönheit / in einem Menschen; so gar /daß sie allen Scham beyseits legte / und zum Polyphilo anfieng: Edler Polyphile! nun wundere ich mich nicht mehr / daß ihr Macarien so hertzlich liebt / weil ihr die Schönheit selber liebt. Polyphilus erschrack über diese Wort / daß er kein Wort antworten konte: Macarie aber wurde beschämet / daß sie ihre Augen nicht aufhebte. Welches / als Talypsidamus vernahm / fieng er an: Eure Geberden /Tugend-völlige Macarie! und euer Schrecken / edler Polyphile! zeuget gnug / wie ihr gleiche Sinne führet /darum ich für gut ansehe / daß Macarie alleine sey /damit sie ihre Schamhafftigkeit wieder oblegen: Polyphilus aber bey ihr bleibe / damit er durch ihren Zuspruch / in seinem Schrecken getröstet werde. Ich will Phormenam mit mir führen / und ihr / was sonsten hie denckwürdiges zu sehen / zeigen. Artig kam der Schertz / auf den Wunsch Polyphili /der allbereit / durch die lieb-winckende Augen der lächlenden Macarien / verstanden / daß / so er allein bey ihr seyn würde / werde sein Vorhaben glücklich von statten gehen. Macarie aber / die diesen Schertz mit einem Gegen-Schertz versetzen muste / fieng an: so wolt ihr gewiß / geehrter Herr Vetter! mit einer schönen Frauen / allein wandern / und vermeynet / es sey Polyphilus / wie ihr / gesinnet? diß gefiel der Phormena so wohl / daß sie gleich schertzhafft anfieng: Edler Talypsidame! ist die Mißgunst auch bey denen Tugend-begüterten so groß? Aus dem allen aber / obs ein lauterer Schertz war / machte doch Talypsidamus einen Ernst / und dem Polyphilo eine Freud. Denn als Phormena kaum das Wort ausgeredt /sprang Talypsidamus / mit lachendem Mund / auf von seinem Stul / fassete Phormenam bey der Hand / und eilete der Thür zu / sprechende: Was die Mißgunst verwehren will / muß man desto eher befördern. Polyphilus und Macarie wolten / gebührender Höflichkeit nach / mit folgen / allein Talypsidamus verwahrete die Thür / und hieß sie drinnen bleiben / versprach auch / Phormenam bald wieder zu bringen /die er zu seiner Liebsten Psychitrechin führete / welche allerhand lustige Gespräch ersinnete / damit sie die Zeit kürtzeten. Das alles that Talypsidamus dem Polyphilo zu Gefallen / daß er Gelegenheit überkomme / mit Macarien allein zu reden. Da nun Polyphilus dieselbe überkam / dachte er / jetzt ists Zeit / allen Scham abzulegen / und deine Hertzens-Gedancken zu öffnen. So sehe nun ein jedweder Polyphilum an / wird er sehen und erkennen / was treue Liebe ist / und wie mächtig dieselbe / auch die allerdapfferste Hertzen /zwingen und gewinnen könne. Ohne Verzug / fiel Polyphilus seiner verlangten Macarien zu Füssen / küssete den Rock / und lag wie lang an der Stelle / da er ihre Schuh / mit seinem Mund / drucken konte. Macarie / durch die allzugrosse Demut bewogen / hebte Polyphilum selbst auf / welcher die Gelegenheit in acht nahm / im aufheben / ihre / ach! wie zarte und schöne Hände zu küssen: darüber Macarie sich fast etwas widerwillig stellete / und ihn zu straffen anfieng / daß er wider die Tugend handele / und sie nicht sehen könne / daß sein Begehren ein löbliches Ziel aufgestellt / massen solche Geberden / sich vielmehr einer verliebten Thorheit / als klugen Ersinnung / gleicheten. Darauf Polyphilus folgender Gestalt anfieng: Ach! allerschönste / allerliebste / und aller-verlangteste Macarie! ich muß freylich gestehen / daß diese Geberden weiter / den auf Tugend-Liebe sehen / weil sie mehr / der übermächtigen Schönheit Macarien zu Gehorsam / mich auf den Boden gelegt haben. Was soll ich nicht bekennen? Schönste der Schönen / und der Lieben Liebste! Ihre Tugend hat mich dieselbe verlangend / aber ihre Schönheit / gar liebend gemacht; Dann in dem sich jene Wunder-würdig erwiesen /habe ich sie billich in meinem Hertzen geehret. Nach dem sich aber diese mächtig erzeiget / hab ich sie /von der Stund an / da ich sie erblicket / vor die Beherrscherin / meiner armen Verliebten / und biß daher betrübten Seelen / angenommen und bekennet / nichts mehr wünschende / alß daß bey einer so unbeschreiblichen Schönheit / ein lieb-fähiges Hertz möchte gefunden werden / daß sich denen angenehmen Banden der Gunst-Gewogenheit nicht entziehe. Verzeihet mir / Tugend-begabte Macarie! daß ich offenhertzig reden / und noch weiter reden darff. Ihr wisset / liebstes Hertz! wie ich / durch den Ruhm eurer Tugend gezwungen / zu euch kommen bin / bloß denselben /neben andern / zu rühmen und zu verwundern. Nach dem ich aber erfahren / daß ihre Hertz-zwingende Schönheit / mit der belobten Tugend / im gleichen Grad bestehe / habe ich mich / wider Verhoffen /vor den bekennen müssen / der sich seelig schätze /dafern er mit der Hoffnung / auch der geringsten Gegen-Gunst / beglücket würde. Wie mir nun solche in etwas erkläret wurde / durch die Erlaubnus / ihre Kunst- und Tugend-Schulsferner zu besuchen: als habe ich / schon damals / mich vor hoch-beglückt gehalten / daß ich von dem Himmel gewürdiget sey / in der angenehmen Brunst / gegen Macarien / mich zu bemühen. Es verbitterte aber die erwachsene Freud /mein damaliges Unglück / das mich durch die Fluthen von Macarien scheidete: weil mir der hochgepriesene Ruhm / dieser Göttin / ernsten Befehl gab / mein Leben / entweder mit Ehren / zu erhalten / oder zu verderben. Was mich nun biß daher für ein Schmertzen gedrucket / wird niemand glauben / er verstehe dann / die Brunst des Verlangens / nach dem / das unser Hertz gefangen hält. Doch bin ich zum öfftern getröstet / theils durch ihr Andencken / theils durch die Erinnerung / ihres so wunder-süssen Namens /von dem ich durch die Tafeln / in dem Tempel der Liebe (wie sie allbereit von Talypsidamo wird vernommen haben) bin verständiget worden / daß ich das Gelübd ihrer Einsamkeit / Ach! wolle der Himmel! durch mich / aufheben solle. Wie ich nun alles das /vor ein Zeichen künfftiges Glücks / und der Versehung des gütigen Himmels halte / als zweifle ich nicht / allerschönste / allerholdseligste Macarie! sie werde sich über mich erbarmen / und mich / wo nicht mehr / doch ihren Diener / sterben lassen / der ohne sie nicht leben wird / noch leben kan / so lang er lebet. Und mit diesen Worten / nahm er noch einmal die Freyheit / ihre beschönte Hand zu küssen. Macarie / halb-gewonnen / hätte lieber gleichstimmige / als wider-sinnige Wort geführet / doch muste sie ihrer weiblich-gebührenden Zucht und Höflichkeit / vor dißmal / Folge leisten / und anders reden /als sie gedachte. Daher sie die Rede Polyphili auf solche Art beantwortete: Mein Polyphile! wann ich euer Hertz / diesen Worten und Geberden gleichen darff /hab ich mehr Ursach / über euch zu klagen / dann zu lieben. Gedencket doch der Künheit / die ihr begehet /da ihr das Gelübd / der ewigen Einsamkeit / bey mir geredt wisset / und gleichwol mich mit solcher Rede besprechen dörffet. Meynet ihr / daß ich meiner vergessen habe / daß ich nicht wisse / wer Macarie sey? Ist das das Ziel eures Verlangens / so habt ihr euch /in Warheit! sehr bethöret / wann ihr die geringste Gefahr / mich zu erlangen / ausgestanden. Zwar bin ich Danck schuldig / so fern ich vernehme / daß ihr meine wenige Tugend zu suchen / so viel erlitten / da aber die End-Ursach auf die Liebe fallen solte / würde sich der Danck / in eine Straff / und die Bemühung / in Haß verkehren: weil Liebe zu erwählen / von mir so ferne ist / als der Himmel von der Erden. Anlangend meine Schönheit / dadurch ihr euch gefangen bekennet; ist mir unwissend / wo dieselbe muß Stricke überkommen haben / damit sie euch gebunden: massen ich ihr kein Geld / um eins einzukauffen / traue. Isis also / meines Erachtens / eine blosse Einbildung. Und was die Tafeln / in dem Tempel der Liebe / von meinem Namen / und Auflösung des Gelübds / sollen gezeuget haben / das erkenne ich vor einen nichtigen Betrug / der falsche Furcht und Hoffnung / bey euch /und mir würcken will. Werdet ihr euch demnach eines bessern besinnen / edler Polyphile! und meiner mit solchen Worten schonen / die nicht nur meinem Vorsatz der Einsamkeit / sondern auch eurem Tugend-Ruhm höchst-nachtheilig seyn würden. Wie hoch Polyphilus / über diese Antwort betrübet worden / kan männiglich daher leicht schliessen / daß Polyphilus das Hertz der Macarien / den Worten gleich hielt / darum weiß ich nicht / ob die mächtige Kümmernus oder die noch unerdämpffte Hoffnung /nachgesetzte Antwort / durch seinen Mund heraus gegossen / so bald Macarie das Wort erwähnte / er solle ihrer schonen. So sprach aber Polyphilus: Wie spricht sie? schone mein! ach! harte Schmertzen-Wort! So soll ich / Liebste! nicht hinwider Liebster heissen? So will sie / Schönste! gar das Hertze von mir reissen / das vor nicht in mir ist? Soll der beliebte Ort / da meine Seele liebt / nun werden mir zum Mord? Ach! daß ich nie gelebt! so könt ich jetzt nicht sterben: Ach! wär ich nie gewest! so könt ich nicht verderben: Nun aber ists umsonst / ich muß / ach! ich muß fort / warum? weil ich / ach schmertz! derselden soll verschonen die mein doch schonet nit; die mich heisst selber wohnen an einem andern Ort / und von ihr ferne seyn. O mit was Hertzen-Weh! das hemmet meine Freuden / das bindet meine Lust / und löset auf mein Leiden. Das mehret meinen Schmertz / das häuffet meine Pein: doch aber / schönster Schatz! sie schone / bitt ich / mein / und weise mich nicht ab / wann meine treue Sinne sich trauen ihrer Gunst: damit ich wieder könne ihr selber schonen auch; und nicht der falsche Schein bey andern gelte mehr / als will die Warheit leiden / so will ich frölich jetzt / hinwider von ihr scheiden. Muste doch Macarie sich erbitten lassen / wolte sie anderst das Laster der Unbarmhestzigkeit nicht üben. Darum sie die Wort Polyphili mit einem freundlichen Blick beantwortete / und nichts mehr widersetzte / als daß Polyphilus / mit der Zeit / sich schon besser bedencken werde. Da hatte Polyphilus einen Trost / deßwegen er / so schön und höflich er kunte / sich zu ihr nahete / und seine lincke Hand in ihre Rechte / den rechten Arm aber / um ihren zarten Leib schlug / und die Vergnügung seines Verlangens / mit einem beseufftzeten Andruck bezeugete. Macarie / wie sie aller Freundlichkeit voll war / lächelte darüber heimlich / doch so /daß die Beröthung der Wangen / die inwendige Scham / alsbald entdeckte: welche dem Polyphilo Anlaß gab / zu fernerm liebreitzendem Schertz / so gar / daß er / aber mit grosser Höflichkeit / den Purpur ihrer Wangen berührte / und als die Liebhabende pflegen / aufs freundlichste spielete. Nun solte eins die Freud-gebährende Ersinnungen des hundert-beglückten Polyphili erzehlen / er müste ein Himmelreich voller Herrlichkeit / und ein ewiges Wohl bewähren Ach! du seeliges Hertz! wie ruhest du sicher in den Gunst-winckenden Augen / deiner allerschönsten Macarien: Ach! ihr vergnügte Sinne / wie werdet ihr so truncken von der Lust / die die Freundlichkeit / der allersüssesten Macarien einschencket? Und ach! du nunmehr gantz himmlische Seele / wie leuchtest du in der Klarheit des schönen Hertzens /deiner geliebten Macarien: daß es doch müglich wäre / die Mannigfaltigkeit deiner seeligen Vergnügung auszusprechen / und das Lust-herrschende Hertz / das nunmehr in dem Schoß Macarien ruhet /mit gleich-lieblichen Farben abzumahlen / daß alle Welt in dir ein Schau-Spiel sehe / ja ein Muster völliger Zufriedenheit: glaube mir / Polyphile! ich wolte deinen Ruhm nicht ersterben lassen. Nun aber ist das menschlicher Schwachheit versaget / darum ichs sicherer / mit meinem Hertzen besinnen / als mit der ungelehrten Zung verringern will. Was thut aber Polyphilus ferner mit Macarien? So solte der fragen / der nicht weiß / was verliebte Hertzen zu thun pflegen. Besser wäre gefraget: was hätte Polyphilus gerne gethan? darauf wir antworten könten: er hätte gern recht geliebet / und / die trockne Warheit zu bekennen / die Befriedigung seines Wunsches / mit einem Kuß versiegelt. Allein die Schamhafftigkeit / der gar zu züchtigen Macarien / verleitete das Hertz Polyphili zu einer Furcht / daß er nicht wagen dorffte / was er so hertzlich verlangte. Es gieng dem guten Polyphilo / wie es allen Verliebten ins gemein zu gehen pflegt / die auch in der höchsten Vergnügung dennoch unvergnügt bleiben. Der erste Schluß seiner Begierde verlangte bloß Macarien zu sehen / und als er das erlanget / folgte der Wunsch ihrer Gewogenheit / diesen empfieng die Freude ihrer Gunst: nun will er gar auch die Früchte lesen / da er doch nie gepflantzet oder gesäet / und wer weiß /wann er auch diß überkommen / ob er nicht noch mehr verlange. Aber / war Polyphilus hitzig im Begehren / war Macarie desto kälter im gewähren / die / so bald sie merckete / daß die Brunst bey Polyphilo überhand nehmen wolte / fieng sie mit grossem Verstand an /seinen Fehler zu straffen / und ihn zu erinnern / daß er ihre Freundlichkeit / durch keine Liebe deuten solle /die ihr Hertz besiege / und den Vorsatz der Einsamkeit zerstöre: besondern / weil er Tugend liebe / und Kunst suche / ja vielmehr mit beyden allbereit so bereichert sey / daß er deßwegen zu lieben und zu ehren / wolle sie bekennen / daß sie seine Liebe wieder lieben / und sein Gedächtnus ehren müsse / wie er bezeuge / daß auch ihr Andencken / in seinem Hertzen / verwahret bleibe. Aber / sprach sie ferner / so ihr euch einige Einbildung einer solchen Gewogenheit machet / die euch vor meinen Liebsten erkenne / betrüget ihr euch gar sehr: weil ich ausser dem / der meine Seele / mit sich / gen Himmel genommen / und an deren statt sein Gedächtnus / meiner Einsamkeit zum Trost / mir hinterlassen / keinen mehr erwählen kan / noch will; sondern die Treue halten / dem ich sie zu halten / durch mein Versprechen / schuldig bin. Das war ein Anstoß / welcher die Ruhe Polyphili verstörete / der keine solche Wort mehr von Macarien gehoffet hätte: als der ihm / der Liebenden Art nach /allbereit die eheliche Gunst und Treue / von Macarien / versprochen hatte. Darum er sich müglichsten Fleisses dahin bemühete / daß er die betrübte Einsamkeit derselben verhasset; die Freude aber / in Gesellschafft / beliebig mache. Fieng demnach die Rede der Macarien auf solche Art an zu beantworten: Allerschönstes Hertz! derselben Schluß / die Zeit ihres Lebens / in dem Gefängnus der betrübten Einsamkeit zu verschliessen / wird hoffentlich so steiff nicht verfasset seyn / daß er nicht zu reiffern Bedacht ausgestellet / und mit besser Besinnen / könne geendet werden. Sagt mir / Tugend-verständige Macarie! was veranlasset sie zu solchem Vorsatz? Ist es ein Mißfallen ob dem Welt-Wesen / so kan solches / in anderer Begebenheit / mit Wohlgefallen / erstattet werden. Ist es / die Sünde zu vermeiden / so wird sie in der Einsamkeit mehr versuchet werden / als sie in der Gesellschafft zu fürchten. Dann das glaube sie vor gewiß / daß sie nie weniger allein ist / als wenn sie allein ist. Oder / ist ihr Vorsatz / denen Unsterblichen zu dienen / so kan sie solches / unter dem Hauffen andächtiger Anbeter / mit viel hefftigern Geist / verrichten. Massen auch solches den Göttern angenehmer ist / als welche die Gesellschafft der Menschen / zu ihrer Ehr-Beförderung gestifftet. Ich will glauben / ihr Vorsatz sey wolgemeint / und sie sey entschlossen /sich denen Göttern aufzuopffern / und die Zeit ihres Lebens / mit deren Lob und Dienst / zuzubringen: welcheslich selber loben muß / als daß keiner mißsprechen kan: solte sie nicht aber gleiches auch in der Welt / und unter der Gesellschafft der Menschen leisten können / ja so gar auch mit grösserm Nutzen /und dem Himmel selbst wohlgefälligern Dienst / in dem sie auch andere zu gleichen Tugenden / mit Worten und guten Exempeln / ermahnen wird. Betreffend die Pflicht / damit sie sich denen Verstorbenen annoch verbunden meynet / ist solche mehr eine selbst- erwählte Bedunckung / und grosser Schaden / als ein gebührender Zwang / den ich hoffe derselbe / so nunmehr in der erfüllten Lust der Himmel vergnügten Freuden lebet / nicht begehren wird / daß man seiner erwarte / weil das eine Unvollkommenheit / seiner himmlischen Zufriedenheit / erdichtet wäre / die einig ruhet in der vollkommenen Freude / und sich nicht sehnet nach dem / was er verlassen / sondern vielmehr sich freuet / wegen deß / was er gefunden. Und wann er gleich (das doch nicht glaublich) ein sehnlich Verlangen trüge / das ihrem Hertzen den Zwang der Einsamkeit aufbürden könte / weiß ich doch / daß er sich hoch betrüben würde / dafern sie verlassen / ihre Zuflucht nicht zu ihm gen Himmel nehmen könte / in dieser Welt aber keinen Trost finden. Dann den Himmel zu ersteigen / stehet nicht in unsrer Macht. Das ist doch der sicherste Schluß / daß / die der himmlischen Freude geniessen / nicht wollen / daß ihnen auf Erden / sey durch was es wolle / irrdische Freude gebauet werde / sonderlich durch ein Gelübd der Einsamkeit / weil sie dorten nicht mehr freyen / noch sich freyen lassen. Endlich ist auch das zu bedencken /schönstes und liebstes Hertz! daß das Gelübd der Keuschheit / welches die Einsamkeit erfordert / ein solches Joch sey / das vielen zu schwer / ja den wenigsten zu ertragen vergünstiget ist. Denn ob wir Tugend lieben / müssen wir doch bekennen / daß wir Menschen sind: ist nun Macarie auch unter die Menschen-Zahl zu rechnen / wird sie auch deren Gebrechlichkeit mit unterworffen seyn. Verzeihet mir / Tugend-reiche Macarie! daß ich euch so bespreche / die ich billiger eine Göttin / wegen der Tugend / und einen himmlischen Schatz aller Keuschheit nenne /und nennen solte / wann mir nicht wissend wäre / wie so offt menschliche Schwachheit / denen anfeindenden Lastern / nicht widerstehen kan / ob gleich Hertz und Sinn mit der beliebigen Tugend wol verwahret. Darum sollen wir unsere Schwachheit und wandelbahres Thun / benebens den Leibs-Kräfften / wohl prüfen / bevor man sich einer solchen Dienstbarkeit ergiebet / in welcher alle Reu zu spat eingewendet wird. Und daß ich viel mit wenigen fasse / es ist keine Tugend / die nicht mächtiger / nützlicher und herrlicher / ausser dem Zwang der Einsamkeit / freywillig /als in demselbigen gezwungen kan beliebet und geübet werden. Ja! ich kan erweisen / daß auch viel / der allernutzlichsten / in derselben vergessen werden / als der Gehorsam gegen die Eltern / dem man sich in der Einsamkeit entziehet / oder wo das nicht / doch zum wenigsten der Dienst / den wir unserm Nechsten zu leisten schuldig / weil wir nicht allein uns / sondern auch andern behülfflich zu seyn / gebohren. Darum wir uns nicht aus der Welt winden / und eine gezwungene Widerwertigkeit mit der Gottseligkeit bemänteln / oder den Ehrgeitz in der Demut suchen sollen. Aus diesem Gespräch konte Macarie leicht schliessen / dafeen sie sich dem entgegen setzen werde /werde der Eyfer Polyphili noch hefftiger / und also ein Anfang werden eines neuen Streits / aber kein Ende seines Verlangens; deßwegen sie / voller List / mit diesem Schertz / seine Rede beantwortete: Edler Polyphile! ihr saget mir / was ihr wollet / werde ich doch meine Einsamkeit nicht ändern / es sey dann / daß ich von grosser Schönheit verführet werde. Das war ein Schertz / aber in den Sinnen Polyphili / erweckete er so ein ernstlich Nachdencken / daß er nicht wuste /was er glauben / was er dencken / was er antworten solte. Wie verwirret er damals in seinem Gemüth gewesen / zeugen gnugsam nach gesetzte Verse / die er eben damals / weil die schöne Macarie / um etwas ihrer Dienerin zu befehlen / alsbald nach diesen Worten / aus dem Zimmer gieng / und ihn / mit dem Versprechen der nächsten Wiederkunfft / allein ließ /wehmütig verfertigte: Ist das der letzte Schluß? Ach! aber / ach! mich Armen! sie will / und will doch nicht / sich über mich erbarmen / so sehr ich flehe auch; halb ja / halb wieder nein / soll / seh ich / ihre Gunst / und ihr Versprechen seyn. Das ist die Frauen-List / das sind die klugen Sinne das rechte Meisterstuck / dadurch sie mich gewinne / und führe zu dem Netz; sich dem ergeben bald / der leichtlich ist verliebt / macht manche Liebe kalt. Doch aber nicht bey mir: ich will dir / Schatz! versprechen / daß mein getreues Hertz soll keine Liebe brechen / die nicht beständig ist: ich bleibe / wie ich bin / und gebe meine Pflicht / mit samt dem Hertzen hin in deine Gegen-Gunst: laß aber auch mein Lieben nicht gar vergeblich seyn: erfreue mein Betrüben mit einem frohen ja / laß fahren alles nein / so will hinwieder ich dein Knecht und Diener seyn / wie du bist mein Befehl; dir will ich mich ergeben / dir meiner Herrscherin / und dir zu Willen leben / in allem / was du wilt / dein Sinn / Gebot und Rath / dein Wünschen / Wort und Will / sol bleiben meine That. Drum sag mir / liebes Kind! willt du noch mehr alleine / und einsam bleiben fort / willt du / wie ich der deine / hinwieder meine seyn? Gib / Liebste! kurtz Bericht / ob ich hinwieder sey dein Liebster / oder nicht? Sie spricht: ich ändre nicht / was ich mir vorgenommen / die Einsamkeit soll nicht aus meinem Sinne kommen / es müste denn geschehn / daß eine schöne Pracht / die eitle Einsamkeit mir hätte schwartz gemacht. Ach wessen! wessen ach! Es ist ja nicht die meine / die sonsten gar nichts ist: weil ich gantz heßlich scheine von Sorgen blaß und bleich: wie kan ich schöne seyn / da meine Krafft verzehrt die heisse Liebes-Pein? Drum ist mir doppelt weh! entweder ich muß darben / wo nicht ein andrer gar die eingebundne Garben / von meinem Acker trägt: und was ich heut aussä / muß ich beförchten gleich / daß es der Wind verweh: Dann schöne bin ich nicht: und soll sie das verführen / so wird man einen kaum wohl unter tausend spüren / der ihrer Schönheit gleich / durch Schönheit das gewinn / daß sie ihm ihre Treu zum Pfande gebe hin. Es wäre / Schönste: dann / daß sie ihn wallte zieren / mit ihrer hohen Pracht / und hin zum Spiegel führen / darinnen sie nur sich / und keinen andern seh / und das viel schöne Bild / an dessen Stätte steh / den sie hat wollen sehn; es müsse den bestrahlen ihr helles Angesicht / und seine Lippen mahlen / ihr Rosen-rother Mund / der hie will schön bestehn / und von dir Schönheit selbst mit seiner Schöne gehn / Ists nun so / wie gesagt? dann kan auch ich schön heissen / und durch entliehnen Pracht / die Strick und Bande reissen der eitlen Einsamkeit: nun weiß ich / wer er ist / der dich verführen wird / weil du so schöne bist. So vergeblich konte sich Polyphilus trösten / und mit einer nichtigen Hoffnung. Indeß kam Macarie wieder herein / die er mit sonderbahrer Freundlichkeit empfieng / wie auch Macarie / ingleichen nicht unfreundlich / den Danck versetzte. Als nun Polyphilus wieder anfangen wollte / seine Schmertzen zu erklären / und um die Eröffnung dieser verdeckten Rede zu bitten /daß er wisse / wessen Schönheit sie verführen werde /ihre Einsamkeit zu ändern / kamen eben Talypsidamus und Phormena herwieder / deren Gegenwart ihn der Antwort beraubte: Zugleich Macarie und Polyphilus giengen ihnen entgegen / sie zu empfangen / Macarie Phormenam /und Talypsidamum Polyphilus / welcher / mit höflichem Schertz / dem Polyphilo / wegen erlangter Beute / Glück wünschete / aber die Antwort überkam / daß er / Polyphilus / wohl gekrieget / aber unglücklich gesieget / so gar / daß er mehr verlohren /als gewonnen. Er deutete aber den Schatz seiner Freyheit / den nunmehr Macarie / aber ohne Gegen-Geschenck / ihm gantz geraubet. Dagegen Talypsidamus mit lachendem Mund versetzte: seyd zu frieden / Polyphile! Ein gut Ding will Weile haben. Ihr wisset ja /daß die weibliche Hoheit will gebeten seyn: und was versäuret wird im Anfang / schmecket im End desto süsser. So spieleten Talypsidamus und Polyphilus. Phormena aber redete mit Macarien bald von diesem /bald von jenem / welches alles hier zu erzehlen / eine Unnöthigkeit / ja Unmüglichkeit ist. Darum wir nur das melden wollen / daß sich Macarie in allem verständig und beredt erwiesen / dermassen / daß Phormena sich über dieselbe wundern / Talypsidamus erfreuen: aber Polyphilus betrüben muste: Dann so offt sie eine Rede vollendete / oder einen Schertz führete /so offt wurde das Hertz Polyphili mit getroffen / und der schmertzhaffte Kummer seiner unvergnügten Liebe vermehret. Das wolt ich wünschen / daß ich die Augen Polyphili und die verliebte Blicke / so er seiner Macarien zuschickete / eigentlich abbilden könte: ingleichen auch das Wincken der beschämten Macarien / die durch Polyphili Schmertzen bewogen / öffters freundlich spielte / und ihren lieb-winckenden Strahl / gegen Polyphili beseuffzte Blicke sendete: so würden wir gewißlich bey Macarien ein Wunder der versüßten Lust / und ein Bild schmertzhaffter Verwirrung bey Polyphilo sehen. Weil aber das zu wünschen / nicht zu erwarten steht / wollen wirs Polyphilo und seiner geliebten Macarien allein wissen lassen /und ferner sehen / was über der Tafel sich begeben. 2. Absatz Anderer Absatz Beschreibet / was sich mit Polyphilo und Macarien /über der Mahlzeit / begeben / und wie betrübt / er den Abschied genommen / doch aber der Liebes-Früchte /in etwas / genossen: Lehret den Tugend-Genieß / als die lieblichste Frucht / versauerter Arbeit. Es hatte Macarie Phormenam / Talypsidamum und Polyphilum zu sich gebeten / daß sie Abend-Mahlzeit mit ihr halten möchten / welche nunmehr bereitet war. Sie setzten sich zu Tisch / und wurde Phormena / als die Gesandte der Königin / der obern Stell gewürdiget / nächst deren Polyphilus den Sitz nehmen solte: allein er wolte lieber / um seine Ehr / Liebe kauffen /deßwegen er sich / mit sonderlicher Höflichkeit / in den Sitz Talypsidami / diesen aber in seinen erhebte /weil jener nächst bey Macarien war. Talypsidamus ließ auch gerne geschehen / was er wuste / daß Polyphilus / nicht ohne Ursach suche. Macarie war bemühet einen jedweden mit Speiß und Tranek zu bedienen: dem aber Polyphilus widerstrebte / als welcher schuldiger sey / dem Frauen-Zimmer aufzuwarten /dafern er nur wisse / daß seine Bemühungen angenehm seyn würden. Die Höflichkeit der Macarien bestritte die Schuldigkeit Polyphili: Diese widersetzte sich jener / daher ein angenehmer Streit entstund / der den Polyphilum veranlasste / die schöne Hände der bemüheten Macarien / von den Tisch-Bedienungen zu ruck zu halten / und in den seinen / mit gleichsam nöthigem Gefängnus / zu verwahren. Weil sich Macarie vor dißmal nicht anderst wolte zäumen lassen. Aber wie? die geschlossene Hände derer beyden versagten /nicht weniger dem Polyphilo / wie der Macarien / den Dienst der Aufwartung. Da hieß es / wie viel hilffts /wenn wir einen guten Freund haben: Talypsidamus verrichtete / was Polyphilus nunmehr nicht weiter verlangte / und gab also gute Gelegenheit / nicht allein der Ruhe / sondern auch / daß Polyphilus die zarte Hände / seiner allerschönsten Macarien / so lang das Mahl währete / in den seinen beschlossen hielt /ohne / wann sie selbsten Speise nehmen wolten / das selten geschahe. Deßgleichen war Polyphilus gnug gesättiget / da er die Hände seiner Liebsten hatte / und derer Schönheit geniessen konte. Ach! wie hertzlich druckete er dieselbe / und so offt ers druckete / spielte die keusche Macarie / mit ihren verliebten Blicken /zur Seiten / auf Polyphilum / als wolte sie ihn freundlich straffen: aber Polyphilus bestrahlte sie hinwieder / mit solcher Demut / daß sie leicht verstehen mochte / er bitte um günstige Vergebung. Jetzt lerne ein jedweder Verliebter / an Polyphilo /wie er der Geliebten Gunst erlangen könne. Seine Bitte vermochte nicht so viel / als die stumme Hände /welche / weil sie nicht abliessen / besondern öffters den Fehl zu begehen sich / wider ihre Bestraffung /unterwunden / muste sich endlich / die so lang verborgene Gegen-Liebe der gefangenen Macarien / durch das Gegen-Zeichen / den Händen entdecken / in dem sie dem vorgehenden liebreichen Drücken Polyphili gleichfertig / aber wie züchtig und höflich? antwortete. Da solte eins die Freude Polyphili geschätzt haben. Aller Reichthum / der gantzen Welt / wäre wie nichts / gegen diesen Gewinn gewesen / so gar wurden alle seine Geberden freudiger / daß sich Phormena / wie sie hernach bekannt / nicht gnug wundern können / über die unverhoffte Veränderung / als die nicht wuste / auf welchen Grund dieselbe gebauet. Es blieb nicht allein bey dem / sondern es folgten der Zeichen so viel hernach / daß Polyphilus / seiner Gewonheit nach / wieder mehr begehrte / sonderlich / da er versichert war / daß sie ihn liebe. Was begehrt er dann? Folgendes Gedicht wirds bekennen / daß er in seinem Sinn der Macarien zur Antwort versetzte / da sie ihn zum Essen nöthigte / und öffters zutrincken wolte: Sie nöthiget / mein Schatz! mich höflich / das zu essen / wornach mich hungert nit; sie schencket mir voll ein deß ich hab keinen Durst: und den versüßten Wein / mit dem beliebten Brod / will sie so gar vergessen / den ich / auf ihrem Mund / zu kosten kommen bin: Sie nehme / Liebste! nur diß alles wieder hinr und gebe jenes mir: dann will ich freudig pressen den angenehmen Safft / durch ihre Lefftzen-Röhr biß auf das Hertz hinein; dann will ich mehr und mehr das süsse Zucker-Brod / mit ihrem Honig nässen / und beydes / liebster Schatz! von Hertzen kosten gern / wann sie mir einen Kuß / vor alles / wird gewährn. So dorffte Polyphilus dencken: aber nicht reden / das dorfft er wünschen / aber nicht begehren: sondern zu frieden seyn mit dem / was er hatte. Talypsidamus fieng auch allerhand schöne Diseursen an / deme Phormena antwortete / und weil er wuste / daß er Polyphilum nicht höher erfreuen könte / als wann er /von der Lieb rede / fieng er an / obwohl die Menschen / nach diesem Leben einander auch lieben würden / wie anjetzo: Und als Phormena das Ja-Wort gab / auch dabey erinnerte / daß sie / in der himmlischen Lieb / viel mächtiger lieben würden / fragte Talypsidamus Macarien: ob sie dieses auch glaube? welche versetzte: warum solt ich das nicht glauben / da ichs schon jetzo bey mir befinde. Dann in der Gewißheit / da ich glaube / daß mich die Seele liebet / welche mein Hertz annoch gefangen hält / lieb ich dieselbe gleich so beständig hinwieder / daß auch die Abw senheit mich nicht trennen kan / von s inem Andencken. So bin ich versichert / dafern auch meine Seele /jener folgen wird / wird diese Liebe / nicht nur gleich-kräfftig / sondern viel mächtiger werden / und sich so thätig erweisen / daß ich in diesem / meinem Erwählten / selbsten die Götter / und alle Auserwehlte lieben werde. Wohin diese Wort zielten / konte Polyphilus bald mercken / darum er sich / mit folgender Antwort / bemühete / ihr diesen Irrthum zu benehmen / der sie / in der Liebe / ihres vorigen Liebsten / zu weit verführet. Darum sprach er: So meynet sie / Kunstverständige Macarie! sie werde / in jenem Leben / mehr lieben /den / daran ihr Hertz / in dieser Welt / gebunden war /als andere / die sie in dieser Sterblichkeit nicht geliebet? Nein / Macarie! sie irret weit / und glaubet das Widerspiel. Dann da sie die Beschaffenheit / der Verklärten / in jenem Leben / besinnen wird / wird sie erfahren / daß die Auserwählte sämtlich / in dem höchsten Grad der Liebe / bestehen / deren nichts zugethan / nichts abgebrochen wird: wollen wir anderst / denen himmlischen Vollkommenheiten / nicht eine Unvollkommenheit andichten. Gleichwol / fieng Macarie an / hat die Seele solche Wirckungen / daß sie sich mehr neige gegen dem / welchem sie sich vertrauet / und von dem sie erkannt ist / als daß sie sich dem Fremden ergeben solle. Zu dem sind so vereinigte Seelen / nicht zwey / sondern eins / welchem Grad der Lieb nichts zu vergleichen ist / und ruhet das Hertz mehr allda / wo es liebet / als da es wohnet. Darum die Liebe / welche das Hertz mit sich nimmt /und die Treue versiegelt / unzweiffelbar kräfftiger und gültiger seyn muß / als die / so bloß eine Liebe / und nichts mehr ist. Alle verwunderten sich / der Sinnlichkeit / dieser hoch-verständigen Macarien; Polyphilus aber entsatzte sich darob / weil er sich fast überwunden bekennen müssen / wann er nicht noch die Ausrede gefunden /daß wir / in himmlischen Dingen / unsrer Vernunfft ein Gebiß legen müssen / daher er ihren Einwurff /auf solche Art / widerlegte: Hochverständige Macarie! menschlicher Beschaffenheit nach zu reden / ists freylich so / wie sie zeuget: allein / das würcket die jrdische / nicht himmlische Liebe. In dieser Liebe / damit wir Menschen lieben / ist immer fort noch eine anklebende Unvollkommenheit / so entweder die Furcht /oder das Mißtrauen gebiehret / daher wir uns nicht so wol allen / als einem ergeben / und mit dem unser Hertz verbinden / daß wir eine Seele sind / die die Sterbliche Mann und Weib nennen: aber weil im Himmel / die Herrlichkeit der Liebe / so vollkommen / daß kein Haß / kein Neid / keine Furcht / noch einiger andrer Flecken dieselbe besudeln kan / werden wir untereinander auch ein Hertz seyn / und uns allen trauen / wie einem / weil wir von keinem nichts böses zu fürchten / und von allen gleiche Liebe zu hoffen /ja zu geniessen haben. Und diese Vollkommenheit der Liebe / bestehet eben auf dem Grund / der völligen Erkäntnus / welche uns alle gleiche Vertraute gebähren wird. Daher werden wir den Fremden lieben / wie den Vatter / weil uns jener mit vätterlicher Liebe liebet / wie der Vatter. Den Unbefreundeten / wie den Sohn / weil die söhnliche Liebe / die Liebe dessen /nicht wird übersteigen. Und die Befreundin / wird sich gleichen der Mutter / diese hinwieder dem / dem wir mit nichts verbunden sind: weil ein Band der Liebe die Hertzen insgesamt binden wird / und so vereinigen / daß sie in dem höchsten Grad der Freundschafft nicht haben / das sie mehr oder weniger lieben solten. Wird demnach / die so treu-liebende Macarie /mich als denn eben so hertzlieb umfahen / als sie in ihrem Sinn die Seele des Verstorbenen heget: es wird ihr die Liebe Polyphili eben so angenehm seyn / als die Liebe dessen / darauf sie hoffet / ob sie gleich jetzo das nicht verstehen will. Männiglich merckete gar bald / wohin dieser Schluß gerichtet war / sonderlich Talypsidamus / der mit gleichem Schertz anfieng: So muß Macarie Polyphilum auch jetzo lieben / damit sie nach dem erfahren könne / ob der Schluß Polyphili richtig? Darüber sie sämtlich anfiengen zu lachen: Polyphilus aber wünschete / daß der Schertz wahr würde. Und weil Macarie in solchen Sachen / die den weiblichen Verstand übersteigen / sich gern überwinden ließ / und dem Polyphilo freywillig den Sieg gönnete / mochte sie nichts antworten / wiewol sie das alles mit guten Gründen hätte widerlegen können / darum sie / nach geendigter Mahlzeit / aufstunden / und sonsten andere Ergötzlichkeiten suchten. Talypsidamus war ein Liebhaber der Musie / deßwegen er zu dem Instrument eilete / welches / auf einem andern Tisch / gegen der Tafel über / stund /und allerhand anmuthige Gesänger spielte. Und weil Polyphilus leicht schliessen konte / es werde die Kunst-erfahrne Macarie / sich dessen erfreulicher Ergötzung / in ihrer betrübten Einsamkeit / gebrauchen /verlangte er / deren zarte Finger / wie künstlich sie die klingende Saiten erzwingen würden / zu sehen / allein er vermochte nichts erlangen. Da sie nun alle um den spielenden Talypsidamum herum stunden / und Polyphilus neben dem Instrument / auf den Tisch sahe /wird er eines Buchs gewahr / das er zur Hand nahm /und eröffnete. Er befand die Poetische Wälder / des teutschen Helden Opitii / mit denen Macarie ihre Zeit zu kürtzen pflegte. Und weil er / eben im Aufthun /das 24ste Gedicht im 4ten Buch erblickte / darinnen die Poetin / Veronica Gambara / ihres Liebsten Augen anredet / als sie ihn küsset / ward er dermassen betrübet / daß er / mit seufftzenden Worten / die Glückseligkeit desselben / durch sein verbittertes Unglück /beklagte. Ach! fieng er an / du glückseliger Adonis! (dann so hieß der Poetin Liebster) wie bist du / durch deine Liebste / biß an die Sternen erhoben / ich aber in die unterste Hölle verstossen worden. Sind das nicht herrliche Wort / damit dich deine Freundin gepriesen / und gleichsam um diesen Kuß gebeten? wie gern wolte ich die Meine selber bitten / selber preisen / und nie keinen Danck von ihr begehren. Ach! ihr wunderbare Götter! wie theilet ihr das Glück so ungleich / womit hat Adonis mehr Beseeligung verdienet / dann ich? habe ich nit so treu geliebet / als er? oder hab ich zu brünstig geliebet? Ey so kühlet die Brunst meines Verlangens / mit der Erfüllung / will ich gern gleiche Strafe leyden. Ach! soltest du /schönste Macarie! einmal soiche Wort / ja nur ein solches mir gönnen / glaube mir / ich wolte an der Vermehrung deines Ruhms ewig arbeiten / und dich nicht nur dem Firmament / nicht nur einem hellen Glantz /und güldenen Strahlen gleichen; wie diese Liebhaberin ihren Adonem: sondern gar der Sonnen / die alle Welt erleuchtet / und dem Glantz / der durch die Himmel dringet / dann ein solcher ist deine Tugend. Als Polyphilus / wegen dieses Wunsches / sich etwas lang aufhielt / und in dem Buch / ferner suchete / auch Macarie / an seinen Augen / die inwendige Veränderung erkennete / trat sie hinzu / fragende /was Polyphilum so bestürtzt mache / und nach dem sie sein Anliegen vernommen / zwang sie die Liebe /zu einer Erbarmung / daß sie sich dem Willen Polyphill nicht entzogen hätte / möchte er nur selber das Hertz fassen / und seinen Wunsch zu Werck richten. Dann so verständig war Macarie wohl / daß sie wuste / ein Kuß könne viel erhalten / viel versöhnen und stillen / aber nichts schaden / darum sie auch deren Bäurischen Grobheit / mancher Weibs-Bilder /sich nicht theilhafftig machen wolte / denen man mehr / mit Zanck und Widerwillen / einen Hauch anwehen / und an statt des Mundes / offt die Nasen /oder Ohren / ja! wie jener / das Genick abstehlen muß / als mit züchtiger Höflichkeit und höflicher Zucht / einen holdseligen Mund-Druck verehren. Macarie wuste wohl / daß der Kuß gleichsam das aufgedruckte Siegel eines lieb- und treu-beflissenen Willens / und ein Pfand künfftiger Vereinigung sey / dadurch sich die Seelen in sich selber verwirren / und im Geist zusammen fliessen. Sie wuste / daß diß der beste Liebes-Zeuge und Bürge / ein Stiffter und Auffenthalt der Lust / und endlich der überbleibende Trost sey / der sich in die Seelen wickle / und das Hertz mit freudiger Hoffnung versüsse. Sie wuste /daß diß zwar die stumme / aber allervernehmlichste Sprache sey / des verliebten Hertzens / und die allerschnelleste Frag und Antwort / deren / die durch solchen süssen Lippen-Biß / gleichsam von einem Odem leben. Ja! sie wuste / daß dieses Zucker-Brod die endliche Verbindung aller Schmertzen Polyphili / ihr aber selbsten ein Zeichen seiner brünstigen Zuneigung und der getreuen Liebe seyn würde. Gleichwol dorffte sich Polyphilus nicht erkühnen / diese Blumen zu brechen / oder das Zucker-Brod zu kosten. Er suchte allerhand Gelegenheit / wie er mit Macarien allein reden möchte / darum er sich / mit derselben / etwas ferne vom Talypsidamo / der mit Phormena ins Gespräch gerathen / auf die Banck niederließ / und voriges Gespräch wieder anfieng. Da er nun die Gelegenheit gewonnen / sein Vorhaben gäntzlich zu entdecken / wie er nicht ruhen noch leben könne / wofern er nicht wisse / daß er mit Macarien leben / und bey Macarien ruhen solle / auch so gar das Versprechen ihrer Treu und Beständigkeit forderte / fieng Macarie etwas offenhertzig an: Geliebter Polyphile! glaubet / daß ich euch liebe / und von Anfang / da ich euch gesehen / gleichfertig geliebet; versichert euch auch / daß ich euch hinfort lieben will: allein eine solche Liebe zu erwählen / die das Band der Ehe verknüpffe / ist mir nicht nutz / und euch schädlich. Denn ich bleibe doch in den Schrancken meiner erwählten Einsamkeit / und ihr müstet mich dauren / wann ihr euch so verstecken soltet. Wollet ihr Dienstbarkeit erwählen / da ihr den edlen Schatz der Freyheit halten könnet? wie werdet ihr euch selbsten betrügen. Saget mir doch / was beweget euch zu solchem schädlichen Vornehmen? welche Erwählung erwählet / bey euch / den Dienst / vor Freyheit? Ihre Tugend / fieng Polyphilus an / Tugend-bereichte Macarie! ihre Kunst und Verstand / Kunst-verständige Macarie! ihre Schönheit und höfliche Sitten / allerschönste Macarie! von denen männiglich zeugen und bekennen muß / daß ihr keine / in dieser Welt / zu gleichen. Das ist Einbildung / versetzte Macarie / und ein nichtiger Schertz. Nein / sagte Polyphilus / was andere zeugen / kan bey mir keine Einbildung seyn / und was ich selber erfahren / kan bey andern kein nichtiger Schertz heissen. Darauf Macarie hinwider antwortete: Das ist seine Höflichkeit / ich muß sehen / daß er nur zum Schertzen ist hieher kommen. Aber Polyphilus widerlegte: Wie könte mich meine Höflichkeit in solche Schmertzen versencken? wie könte der Schertz so ernstliche Wort / durch das ächtzende Verlangen meines Hertzens / führen? wie könte ich / ohne noth zwingende Ursach / in einem so hefftigen Begehren /arbeiten? Was begehret ihr dann? fragte Macarie. Darauf Polyphilus: Ach! daß sie mich liebe / und mein Hertz mit dem ihren vermähle! Macarie antwortete: Darff ich wieder etwas von euch begehren / so bitte ich / wann ich sterbe / daß ihr meine Seele mit einer Leich-Oden begleitet / dadurch ihr euer Hertz vermählen könnet. Dann das solt ihr wissen / daß meine Gedancken sich mehr nach dem Grab / als dem Braut-Bett sehnen / und meine Ohren lieber ein Todten-Gedicht / als Hochzeit-Lieder hören wollen. Darum ihr ein anders Begehren thun wollet / dann dieses ist nicht in meinem Vermögen / euch zu gewähren. Ach! sagte Polyphilus / ists dann nicht müglich / daß ich ihre Gunst ehlich gewinne / so liebe sie mich / bitte ich / dennoch in ihrem Hertzen / und vergönne mir den freyen Zutritt / ihrer Würde zu dienen /vielleicht möchte der gnädige Himmel ihren Sinn ändern / und den Vorsatz der Einsamkeit verwechseln. Das will ich thun / antwortete Macarie / doch so fern es, ohne Beleidigung eurer Liebsten / geschehen kan. Meiner Liebsten / fragte Polyphilus? Ach! wie solt ich eine Liebste / ausser Macarien / erwählen! wie könt ich meine Seele einer höhern Würde vermählen? Das ist unmüglich / und wird man ehe Polyphilum nicht mehr nennen / ehe man eine Liebste Polyphili / ohne der allerwürdigsten Macarien / nennen wird. Darauf Macarie / mit lachendem Munde / anfieng / weiß ich doch / daß ihr Atychintidam / die Königin / liebet. Dessen Polyphilus eben auch lachen muste. Da er aber merckete / daß mit dem Schertz Macarien / auch ein Ernst unterlauffe / fieng er an sich hoch zu verfluchen / daß er keine Liebe / noch einige Bezeugung der Gewogenheit / sich / gegen derselben / vernehmen lassen / sondern was er thun müssen / fordere den Danck / den er ihr / vor ihr Gutthaten / mit Billigkeit bezahle. Dann / sprach er / was solte mich verleiten /ein altes Weib zu lieben? Die Schönheit? sie ist in Warheit verruntzelt. Die Tugend? sie hat sich mächtig verblühet. Den Verstand? Er ist mercklich gewichen. Die Lieblichkeit? Sie ist offtermals sehr versauert /und so gestaltet / daß sie mehr Haß / als Liebe gebiehret. Nein / liebste Macarie! sie einig / und sonst keine / soll das Hertz Polyphili besiegen / so gar / daß ob ich gleich / das Glück / von dem widerwilligen Himmel / nicht erbitten könte / ihrer völlig zu geniessen / ich mich dennoch verpflichten will / so lang sie lebet / ein gleich-einsames Leben zu wählen / und ihrer zu gedencken / auch meine Ehr-Bedienung offtmals gegenwärtig zu bezeugen. Da sie aber sterben solte / mich gleicher weise nicht wägern / ihre Seele zu begleiten / und ihren Leib / ertödtet / meinem beyzulegen / weil er / in seinem Leben / dessen nicht geniessen können. Macarie bedanckte sich seiner Gunst / wiewohl sie noch immer bemühet war / auf allerhand Art und Weise seinen Vorsatz zu wenden / biß Talypsidamus und Phormena mit dem Ende ihres Geschwätzes /auch das Gespräch Polypbili mit Macarien endeten /und zu Hause gehen wolten: wie sie auch Abschied nahmen / und morgendes Tages / vor der Abreise /wieder zuzusprechen verhiessen. Phormena war die erste / deren folgte Talypsidamus / Polyphilus beschloß den Reihen / und nachdem er / mit gar sehnlichen / ja bethränten Worten / von Macarien abscheidete / konte sich das erbarmende Hertz der mitleidigen Macarien nicht halten / sondern entdeckte abermal die Treue ihrer Gewogenheit / durch einen harten Druck der Hand Polyphiii; und weil das Liecht / so vor ihnen hergetragen wurde / mit Phormena / etwas ferne kommen / so / daß es Polyphilum / durch den Anblick Macarien nicht mehr beschämen konte / erkühnete er sich / aber mit zittrendem Hertzen / auf den Klee ihrer Lippen zu eilen / und den Verliebten Honig zu samlen. Bald hätt ers auch gewonnen / weil sich Macarie deß nicht versehen: allein seine Langsamkeit verstärckete die Schamhafftigkeit der Macarien / daß sie sich dißmal seinem Begehren noch entzog. Doch war das zu loben / daß er sich nicht alsobald schröcken ließ / sondern seiner Künheit / zum andernmal / Raum gab / mit diesen vorgesetzten Worten: Ach! unbeweglicher Grund meines Lebens! will sie mich also in dem Feuer der Liebe / ohne einige Labung brennen lassen / und Abschied geben? Ein einiges bitte ich / damit mein Hertz ihrer Gegen-Liebe in etwas vergewissert lebe / mir zu gewähren / nemlich den verzuckerten Lippen-Thau / von ihrem durchsüssetem Munde / zu nehmen / und in dem erfüllet er die Wort mit Werck / wiewohl nicht ohne schamhaffte Beröthung der allerzüchtigsten Macarien. Wie Polyphilo muß zu Sinn gewesen seyn / kan ein jeder leicht gedencken. Nun bist du ja mein / allerschönste Macarie! das war der erste Schluß. Nun liebst du mich ja von Hertzen / allerliebste Macarie! das war der Nachsatz. Und nun bin ich versichert /daß du mir nichts mehr versagen wirst / allerwehrteste Macarie! das war der endliche Trost. Wir wollen Polyphilum selber fragen / wie mächtig die Freude seines Hertzens gewesen / weil ers am allerbesten bewähren kan. Die Antwort gibt er uns im nachgesetzten Sonnet / welches er eben damals / in den freudigen Gedancken / die ihn / von Macarien / ins Hauß Talypsidami / führeten / verfertigte: O tausend-liebe Lust! du süsse Seelen-Speiß! erfreuest Marck und Bein / jetzt bin ich gantz genesen / weil ich den Zucker-Safft / von ihrem Mund / gelesen / ich bin nun selbst die Freud! Ach! auf die wundre weiß ist meiner Seelen wohl / die den verlangten Preiß vor ihre Treue nimmt. Es ist noch nie gewesen / der sich mir gleichen könt / der das versüßte Wesen so süß genossen hätt auf diesem Erden-Cräiß. Und wird auch keiner seyn / der dessen wird geniessen / und seine Bitterkeit mit solchem Safft versüssen / als du mir / liebes Kind! auf deinem Rosen-Mund mit angenehmer Lust / zu stillen mein Verlangen / zu holen meinen Raub in denen zarten Wangen / und was ich sonst begehrt / anheute hast vergunt. Nun gehen die beyde / Macarie und Polyphilus / zur Ruhe / dieser zwar / in der Behausung Talypsidami /Macarie aber / in ihrem gewohnlichen Gemach. Was will Polyphilus? schlaffen. Was Macarie: ruhen. Wann sie könten. Freylich wohl! Solte Polyphilum Macarie ruhen: Macarie Polyphilum schlaffen lassen? das wäre wider die Eigenschafft und anklebende Seuch der Liebe. Nein Polyphilus muste erfahren /daß denen Liebenden die Nacht zum Tag / und der Tag zur Nacht werde / so gar kam kein Schlaf in seine Augen. Er sandte die Boten seiner Gedancken zu Macarien / und weil dieselbe / den Befehl Polyphili / für der Thür Macarie / durch offtmaliges Anklopffen und Erinnerung / sorglich verrichteten / konte auch diese /der nächtlichen Ruhe / nicht mächtig werden / indem sie gnug zu beantworten hatte / wann sie sich des Begehrens Polyphili erinnerte. Beyde vertrieben sie die Nacht / mit Sorgen und Dencken / und wurden nicht wenig erfreuet / daß sie das Tag-Liecht wieder erblickten / welches sie beyde / aus dem Bett / erhebte /und wieder zusammen brachte. Es war noch sehr früh / als Polyphilus wieder zu Macarien kam / die ihn / nach abgelegtem Gruß / als balden fragte / wie er die Nacht geschlaffen? Darauf er antwortete: in der Gesellschafft meiner geliebten Macarien. Deme Macarie widersetzte: wie das seyn könne / da doch sie so weit entschieden gewesen? Das Polyphilus beantwortete: Wann sie gleich / verlangtes Hertz! nun noch so weit von mir gerissen / bin ich doch bey ihr / weil ich mich / nach dem edlesten Theil meiner Vollkommenheit / sehne / der bey ihr wohnet /und in ihrem Hertzen ruhet. So wohl! sprach Macarie / so hab ich / die Warheit zu bekennen / diese Nacht in eurer Gesellschafft gewachet: welche Wort /wie sie einen Kuß verdienet hatten / also wurden sie auch damit bezahlet. Nicht unbillich solte sich eins wundern / wo Polyphilus so bald ein Hertz genommen / und wie bey Macarien so geschwinde die Liebe erwachsen? Nicht nur der Kuß wurde Polyphilo vergönnt / sondern er dorffte seine Macarien auch wol in seinen Schoß setzen. So viel vermochte der einige Kuß / den er gestern gewaget / daß er ihn billig vor den Stiffter ihrer Freundschafft zu achten. Viel liebliche und schöne Gespräch verführeten sie untereinander / allein so künstlich und freundlich Polyphilus seine Reden drehen mochte / kont er doch das Hertz der beständigen Macarien nicht erweichen / daß sie ihm die Versprechung künfftiger Ehe gethan hätte. Da sie nun lang und viel geredt / auch Polyphilus seine Schmertzen so verbunden / daß ich meyne / er könne zu frieden seyn / kommt Phormena mit Talypsidamo / Abschied zu nehmen von Macarien / deßgleich auch Polyphilus thun solte. Aber / wie wird er können? Ists müglich /daß er die Hände verlasse / die er so freudiglich umschlossen hält? Ists müglich / daß er die Augen verschliesse / die in der Klarheit seiner Macarien so hell gläntzen? Ists müglich / daß er den Zucker-Mund seiner tausend-versüßten Macarien gesegne? Wie wird die unerschöpffte Freud / in eine verzehrende / ja wohl gar ertödtende Traurigkeit / verwechselt werden? Haben dich dann / unglückseliger Polyphile! die zarten Hände erfreuet / daß sie dich betrüben wolten? haben dich / ach! betrübter Polyphile! die helle Augen begläntzet / daß sie den Glückes-Schein in deinem Hertzen verfinstern wolten? Hat dich / O elender Polyphile! der versüßte Mund so hoch erhebet / daß er dich wieder stürtzen könne? Ach! wie weh wird deiner Seelen werden in diesem peinlichen Leiden. Ich höre dich schon klagen / wie du geklaget hast: Ade / du hartes Wort! so soll ich / Liebste! scheiden! so muß ich / Schatz! von dir? Ade / du hartes Wort! kans denn nicht anderst seyn? so soll ich / Schönste! fort / so muß ich / Werthe! dich / und deine Gegend meyden? So kan ich länger nicht / Ach! meine Augen weyden in deiner schönen Pracht? soll dann die Lieblichkeit / Ach! zartes / süsses Kind! nicht nur / Ach! nur noch heut vergösiet seyn? Ach Schmertz! was werd ich müssen leiden wann ich dich nicht mehr seh? Furcht / Sorge / Angst und Noth / Betrübnus / Kummer / Schmertz / wird seyn mein täglich Brod. Dein Safft wird mir zur Gall; die Hände Fessel werden / zu hämmen meine Lust / zu binden meine Freud / dein süsser Lippen-Thau gibt lauter Bitterkeit / es wird mir jetzt zu eng der Craiß der gantzen Erden. Doch was hilffts / und solte ihn auch der Himmel gedrücket haben / muste doch der Wille Phormenä geschehen / die wieder zur Königin eilete. Die Thränen /die Seufftzer / die Klag-Wort / und das Hertzerzwingende ächtzen Polyphili / solte eins gezehlet haben /und das theure Versprechen / seiner Treu und Beständigkeit aufgeschrieben / wir würden Gelegenheit gnug zu wundern überkommen / doch mochte das alles nichts helffen / es muste geschieden seyn. Macarie begleitete ihn / mit ihren Augen / so fern sie konte / aber ihre Seufftzer und Gedancken führeten ihn gar nach Hause / blieben auch / als die treue Geferten / stets um und bey ihm: Deßgleichen thaten auch die Gedancken Polyphili. Wie Polyphilus muß gefahren seyn /kan man leicht gedencken. Je weiter der Schlitten seinen Leib wegführete / je hefftiger sein Hertz wieder zuruck eilete / so gar / daß er nichts redete / nichts gedachte / als von seiner Macarien / die ihm Hertz und Sinne eingenommen. 3. Absatz Dritter Absatz Beschreibet / wie Agapistus / dem ruckwendenden Polyphilo / entgegen gefahren / ihn zu empfangen /und wie Atychintida / durch die Liebs-Erzehlung der Phormenä / erzürnet / dem Agapisto Befehl ertheilet / Polyphilum von Macarien abzuwenden / auch wie sich Agapistus / in diesem / verhalten? Lehret den vierdten Anstoß der Tugend-liebenden / nemlich Mißgunst. So lassen wir nun Polyphilum in seinen bekümmerten Gedancken fahren / und eilen / vor ihm hin / zum Agapisto / zu sehen / was der machet. Er verbrachte seine Zeit / in der Gesellschafft der Königin / und Erwartung Polyphili. Alle Stund wurden ihm zu lang /weil er Polyphilum nicht sahe / doch vergönnete er ihm gern die Zeit seiner Verweilung / weil er wohl errathen konte / es würde Polyphilo wohl gehen. Er hatte auch von Atychintida / wiewol ungewiß / vernommen / daß Polyphilus Macarien liebe / und stärckete ihn nicht wenig / in dieser Einbildung / seine belobte und beliebte Reden / die er / nie ohne sondern Eyfer / von Macarien geführet. Diese Gedancken beredeten Agapistum / daß er ihm fürnahm / Polyphilo entgegen / und auf Soletten zuzueilen / damit er aus der Gegenwart Polyphili und Macarien erkenne / ob ihm Polyphilus seine Lieb verhälet. Setzete sich derohalben auch zu Schlitten / und nahm den Sohn Melopharmis mit sich / vorgebend / er wolle ein wenig spatzieren fahren. Die Königin war leicht überredt /weil sie ihr nicht einbildete / daß Agapistus auf Soletten zuzufahren entschlossen: Erinnerte doch / daß sich Agapistus wohl in acht nehme / damit er keinen Schaden leide / sonderlich / weil er das verfluchte Pferd (so waren der Königin Wort) wieder angeschirrt /welches so wohl Polyphilum / als eben Agapistum selbsten zu Fall gebracht. Aber Agapistus war etwas verwegen / und wolte heut erweisen / daß er wohl ein Pferd bendigen könne / dielleicht Polyphilum zu sch mpffen: Allein er muste gleiche Widerwertigkeit erfahren / dann ob er morgens früh sich aufmachte / und Polyphilum gar wohl hätte bey Macarien antreffen können / verhinderte ihn doch / das ungezähmte Roß /so sehr / daß er den gantzen Tag / mit seiner Fuhr /vertragen muste / die er in zwo Stunden hätte verrichten können. Denn er auch nicht den halben Weg auf Soletten hinter sich gelegt / als ihm Polyphilus mit Phormena entgegen kam. Den Kuß / damit sie einander zu empfangen gewohnet / verwehrete die Furcht / es möchten / wenn sie abstiegen / und sich hertzten / die Pferde durchgehen / bevor da das Roß Agapisti erschröcklich schnaubete / und mächtig wütete. Darum Agapistus /den Gruß / mit folgenden Worten erklingen ließ: Glück zu Polyphilo / und Freude seinen Gedancken! deme Polyphilus / die Antwort / mit einem Gegen-Gruß / versetzte. Und Agapistus: was macht Macarie: wie lebt Talypsidamus? Ist Psychitrechis noch gesund? Polyphilus: sie leben alle wol / und lassen Agapistum grüssen / tragen Verlangen / ihn mit nächsten zu sehen. Auch Talypsidamus und Psychitrechis /überschicken Agapisto den schuldigen Danck / vor seine beschehene Hülff und Errettung: wünschen / mit nächsten Gelegenheit zu haben / selbigen gegenwärtig abzulegen / und mit angenehmer Bedienung / zu erwidern. Sind auch sehr bekümmert / daß er / durch ihre Befreyung / in so schwere Bedrangnus gerathen /dafür sie sich ewig verpflichtet bekennen. Denn (das wir jetzt erinnern müssen) es hatte Polyphilus / so bald er zu Talypsidamo / und seiner vertrauten Psychitrechis kommen / den gantzen Handel / was sich mit Agapisto begeben / erzehlet / deßwegen sie theils erschrocken / theils erfreuet / Agapistum zu sehen wünscheten / auch Polyphilum ersuchten / einer gelegenen Zeit zu befehlen / die ihn auf Soletten bringe; Das er mit einem Ja-Wort versprochen. Agapistus / nachdem er alles das von Polyphilo vernommen / bedanckte sich des guten Willens / und bekräfftigte den Wunsch / mit seinem Verlangen; das er aber dißmal nicht erfüllen konte / darum er wieder zu ruck / und mit Polyphilo / gen Sophoxenien / fahren muste. So bald sie dahin kommen / und abgestiegen waren / führete Polyphilus Phormenam / die Gesandtin / zur Atychintida / mit schuldigem Gehorsam /die sondere Gnad zu erwidern versprechende / die ihn zu den Führer Phormenœ erwählet. Die Königin konte der Zeit kaum erwarten / daß Polyphilus ausgeredt / alsbald sie anfieng / Polyphilum und Phormenam um Macarien zu fragen / deren Polyphilus antwortete / den Bericht wolle er der Phormena überlassen / die in allem / die Warheit bekennen werde: und damit nahm er Urlaub / und eilete zum Agapisto / der allbereit / in seinem Zimmer / Polyphilum erwartete. Wir wollen aber erst melden / was Phormena mit der Königin geredt. Der Anfang ihrer Rede / war das Lob Macarie / und das Ende war Wunder. Sie erzehlete alles das / was sich begeben / und wie sie sich /über die Herrlichkeit Macarien / nicht gnug wundern könne. Sie berichtete die verständige Reden / die sie so wohl in weltlichen / als himmlischen Dingen geführet. Sie preisete ihre Höflichkeit und Zucht; auch die Wunder-schöne Sitten / die sie / aus der Menschen Zahl / in den Himmel versetze / und der Welt zum Wunder-Bild vorstelle. Mit einem Wort / die hochgezierte Macarie / sey die einige / deren vor allen Kunst-und Tugend-liebenden Damen / so viel deren unter der Sonnen leben / mit Recht / der Name einer Göttin und Beherscherin der Kunst und Tugend / gegeben werde. Polyphilus aber / fieng Phormena ferner an /ist allein bey Macarien gewesen / und so viel ich mercken kan / muß er sie hertzlich lieben / weil er seine Pein / auch in meiner Gegenwart / nicht verbergen können: so hat sich / im Gegentheil / Macarie nicht unfreundlich geberdet / so gar / daß sie ihm vergönnet / die gantze Tisch-Zeit / ihrer beliebenden Hände zu geniessen / und ist das liebwinckende Augenspiel /ein offener Zeuge / eines Gunst-brennenden Hertzens /gewesen. Diese Rede machte die Königin voller Eyfer / voller Mißgunst; dieses zwar wegen des Ruhms Macarien / jenes aber wegen Polyphili / den sie vielleicht selber gern geliebet hätte. Doch ließ sie sich gegen Phormenam nichtsmercken / beschloß aber / die Verhindernus dieser Liebe / dergestalt zu befördern / daß Polyphilus Macarien nicht mehr sehen solle. Ach! elender Polyphile! soll deine Freud so bald zerstöret /und deine Ruh so zeitig vernichtet werden? Soll Polyphilus Macarien nicht mehr sehen / so muß er sterben: was will Atychintida dann lieben? Solte sie nicht zu frieden seyn / daß er bey ihr wohne / und sich täglich mit ihm erlustigen könne? Aber das war der Neid /welcher solche Wurtzeln / in ihrem verboßtem Sinn /gewonnen / daß er nicht konte ausgerottet werden: wofern er sich nicht selber noch verzehren wird. So lassen wir sie nun in ihrer heimlichen Boßheit /und sehen / was Polyphilus und Agapistus gethan. Dieses Frag und jenes Antwort / war von Macarien. Polyphilus erzehlte alles / wie es ergangen / und was er genossen / auch / wie er nicht zweiffele / es werde /nach dieser Zeit / sein Wunsch also erfüllet werden /daß er sich / in dem Schoß seiner hertzgeliebten Macarien / wisse / wie er sie allbereit in dem Seinen ruhen lassen. Nun wuste Agapistus / was Polyphilum nach Soletten gezogen / deßwegen er sich mit ihm freuete / und nichts mehr wünschete / als daß seinen Wunsch die Götter beseeligen / und durch keine Verhindernus / zu ruck halten wollen. Erbot sich auch willig in allem zu dienen / und dem Polyphilo in seinem Vornehmen /behülfflich zu seyn. Dessen sich Polyphilus bedanckte / und nichts mehr begehrte / als daß er stets mit ihm von Macarien reden wolle / dann er darinnen eine Linderung seiner Pein / und eine Versüssung seiner verbitterten Schmertzen suchete: allein er verstärckete vielmehr seine Noth / und erregte / durch solche betrügliche Freud / dem Hertzen / desto brünstiger Verlangen / das hernach nicht anderst / als in eine hefftige Passion konte verwandelt werden. Gleichwol erwählte er ihm die Erinnerung seiner Macarien / solte auch sein Hertz / vor Verlangen / bersten. Darum Agapistus allerhand Fragen ersinnete / allerhand Liebs-Geschicht erzehlte / und auf Macarien deutete / bloß Polyphilum / den der Schmertzen des grossen Verlusts /in die höchste Bekümmernus / versenckete / zu trösten. Sie blieben auch in dieser angenehmen Unterredung / biß die Königin Agapistum zu sich fordern ließ / da er Polyphilum allein lassen muste / und hören / was deren Befehl seyn würde. Diese / nachdem sie den Gruß Agapisti / mit gnädigem Danck / angenommen / fieng sie folgender Gestalt an: Edler Agapiste! die Aufrichtigkeit eures Gemüths / so ihr uns / in vielen / erwiesen / zwinget mich eurer Verschwiegenheit etwas zu vertrauen / daß ich keinem andern trauen darff. Ich weiß / daß ihr Polyphilum hertzlich liebt / und er ist werth / daß er geliebet werde / darum werdet ihr auch für se ne Wolthat sorgen. Ich vernehme / daß Polyphilus Macarien liebe / und um ihre Gunst zu bitten / diese Reise verrichtet / die er auch unschwer erhalten. Nun sehe ich /und erkenne / daß / wann Polyphilus in diesem Beginnen fort fähret / wird er sich / in diesen noch jungen Jahren / alles Glücks und künfftigen Ehr entziehen. Deßwegen bitte ich euch / durch die Liebe Polyphili /ihr wollet / Krafft dessen / daß ihr viel bey ihm vermöget / sein Glück befördern / und ihn warnen / vor dem künfftigen Unglück: widriges Falls ich gezwungen werde / weil ich schuldig bin / sein Bestes zu befördern / dasselbe mit Gewalt zu verwehren / was mein geneigtes Hertz / mit heimlichen Verbot / widerrathen wollen. Bemuhet euch / Agapiste! so viel ihr könnet / saget aber nicht / daß ich solches gebeten /oder vielmehr befohlen / sondern versuchet eure Kräffte / mit freundlicher Erinnerung / dafern solche auch etwas richten werden / sollet ihr an der reichen Vergeltung nicht zweiflen: besondern euch versichert halten / daß ich diesen Dienst / mit Königlicher Gnade / versetzen werde. Agapistus konte kaum ein Wort antworten / so erschröckte ihn die Rede der Königin / denn er gedachte / folge ich diesem Befehl / so verdiene ich bey Polyphilo Feindschaft / erhalt ich aber jenen Freund /werde ich bey der Königin / mit Polyphilo / in gleichem Haß bestehen. Doch gieng ihm die Freundschafft Polyphili für alles. Daher er die Rede der Konigin / mit diesen Worten / beantwortete: Durchleuchtigste Königin! die Mannigfaltigkeit der Guts-Erzeigung / so mich zu deren Gehorsam verbinden / solte mich billich zwingen / in allem / dero Befehl unwidersprechlich zu folgen: allein in einer solchen Sach / die den besten meiner Freunde einen unersätzlichen Schaden / und E. M. keinen Nutzen bringet / wird mich das Verbindnus der Treue / so ich mit Polyphilo aufgerichtet / allerdings entschuldigen / wann ich nicht Folge leiste. Dann so viel ich von Macarien gehöret /hat sich Polyphilus / den Seeligsten / unter dem Sonnen-Liecht / zu schätzen / dafern er ihrer Gewogenheit geniessen kan / dann er eine solche Dame liebet / die männiglich / wegen ihrer Tugend und Verstand / lieben muß. Darum ich E. M. vor Polyphilum bitte / dafern sie ihm einen Gnaden-Blick des Glückes gönnen will / sie wolle seinen Vorsatz / mit ihrem Widerwillen / nicht hindern / sondern / so viel möglich / befördern / weil wir allesamt durch Polyphilum beglücket und erfreuet leben werden. Mit was ergrimmten Eyfer Atychintida diese Vertheidigung Polyphili anhörete / geben folgende Wort gnug zu erkennen / da sie anfieng: So habt ihr euch auch dem Polyphilo verschworen / sein Verderben zu befördern? Wie dörffet ihr euch unterstehen / die Treu / damit ihr euch ihm verbunden bekennet / so hoch gegen mir zu rühmen / die ich doch erfahre / daß sie mehr ein blosser Schein ist / und eine falsche angestrichene Heucheley / in dem ihr mehr zu seinem Verderben / als Bestem / zu helffen geneigt seyd. Fordert das die Pflicht eures Versprechens / daß / dafern ihr Polyphilum / von einem Unglück / befreyen könnet / ihr euch dessen entziehet? Aber / ihr haltet das vor kein Unglück? Sehet an / den Stand Polyphili /bedencket seine Jugend / behertziget sein Gemüth /und was künfftig aus ihm werden könne / das stellet euch vor die Augen. Um wieviel kan er seine Kunst verstärcken / wann er bey uns bleibt / und unsre Tempel fleissig durchsuchet? Um wieviel kan er seine Tugend vermehren / wann er noch andere Länder und fremder Völcker Sitten und Gebräuche durchsiehet? Um wie viel kan er seine Ehr / seinen Ruhm / seinen Namen erheben / und aller Orten kündig machen /wann er seine Kunst / die sich kaum angefangen / verstärcket / und seine Tugend / die in der ersten Blüt ist / zu völligem Wachsthum kommen lässet? Bleibt er aber in der Liebe Macarien / so bleibt er in einer unvollkommenen Weißheit / unvollkommenen Tugend / unvollkommenen Ehre. Welchen unwiederbringlichen Schaden / er nachmals / mit Thränen / beklagen wird. Zwar ist er ausser aller Schuld / dann seine Jugend lässt ihm das nicht bedencken / aber die mitteln Jahre / werden dem Alter / die spate Reu kläglich zu beweinen geben. Ihr wisset wohl / Agapiste! daß Polyphilus einen hohen Sinn / und Ehr-begieriges Gemüth hat / das nicht leiden kan / noch sich drucken lassen. Ihr wisset / daß er aller Orten gerne geehret /und andern vorgezogen ist: welches er auch wol erhalten könte: allein / wann er in der Solettischen Finsternus verborgen ligt / wer wird ihn erheben / und wer wird ihn ehren / wann er die zuwachsende Jahre /nicht gleich auch / mit dem Wachsthum der Weißheit und Tugend / beehret. Darum seyd nochmaln gebetten / edler Agapiste! um der Ehr / und des Glücks Polyphili willen / ihn von diesem Vorsatz abzulencken /und seinen Wolstand besser zu beobachten: Ich verspreche euch / daß nicht nur Atychintida / sondern Polyphilus selbst / euren Dienst / mit grossem Danck /erkennen werden. Was solte Agapistus thun? Er sahe / daß er nichts richten würde / und wurde ihm die Versuchung zu schwer / darum er alsobald bey sich gedachte / er wolle es dem Polyphilo offenbahren / wie es ihm die Königin vertrauet; seyn die Gründe warhafftig / werde Polyphilus sich schon besser besinnen / sey es aber /aus falschem Hertzen / geredt / behalte er doch freyen Willen / zu folgen / oder zu widerstreben: deßwegen versprach er der Königin / weil die Sache so gestaltet wäre / wolle er freylich alles versuchen / was zu Verbesserung seines Vornehmens taugen würde. Bat auch um gnädige Verzeihung / daß er sich vorher so widerwillig erzeiget / weil solches die schuldige Pflicht / so ihn Polyphilo verbunden / erheischet. Nach dem redeten sie ferner von andern Begebenheiten / die wir hie nicht erzehlen wollen / sondern sehen / was indessen Polyphilus in seinem Zimmer gethan. 4. Absatz Vierter Absatz Beschreibet die Erinnerung Polyphili an die Reden seiner Macarien / und deren Bereimung / die ihre Lehr-Puncten selbsten erklären. Der fuhlete die Versuchungen der Einsamkeit. Dann so bald er allein war / trugen ihm seine Sinnen das Bild der hertzlich-geliebten Macarien für / in deren Beschauung er sich heimlich freuete. Er rief allen denen Gedancken / die er auf Soletten geschickt / wieder zu rück die ihm die meiste Reden der verständigen Macarien wieder zu Sinn brachten. Der traurige Kummer / welcher sein Hertz schröckete / setzte ihn nieder / folgendes Gedicht / weiß nicht / soll ich sagen /zu seinem Trost / oder Vermehrung seiner Betrübnus / zu verfertigen / dieses Innhalts: Sonst sagt man Sprichworts-Weiß: je mehr wir des geniessen / was unser Hertz begehrt / je mehr will es verdriessen / wenn mans entbehren soll: nicht haben / kräncket sehr / das aber / was man hat / verlassen / noch viel mehr. Mir trifft es eben ein; ich muß / ach Schmertz! verlassen / das / was ich vor gehabt; ich kan nicht mehr umfassen / die meine Liebe ist / drum bin ich so betrübt / daß ich nicht üben kan / was ich zuvor geübt. Es ist mir eben jetzt / als wie / wann einem träumet von lieber guter Zeit / und alles doch versäumet / was er wohl haben könt: so offt ich nur erwach / ist mein beliebter Traum / ein eitles Weh und Ach. Ich schlaff offt ohne Schlaff / dann mitten in dem Wachen ist mir / als wenn ich schlieff; von allen denen Sachen / die wir geredt / gethan / ist übrig nur ein Schein / der mir bald Freud erweckt / bald wieder schwere Pein. Jetzt denck ich an die Wort / und höfliche Geberden / jetzt an den zarten Mund / der von mir sollte werden mit Hertzens-Luft gehertzt; jetzt an die schöne Hand / die ich so offt gedruckt / wie / Liebste! dir bekannt. Jetzt fällt mir wieder bey das süsse Augen-spielen / O meiner Augen Weid! und wie wir / Liebste! fielen einander in das Hertz: daher das Senfftzen kam / O offt ich deinen Strahl bey mir zu Hertzen nahm. Jetzt denck ich an die Stund / da wir / ach! mit was Freuden und tausend-froher Luft / bevor wir konten scheiden / einander fassten an / und druckten Mund auf Mund / da ich / gleichwie du mir / dir einen Kuß macht kund. Nur einen? Noch wohl zwey / und wieder zwey darüber / wie du / Hertzliebste! weisst; was konte mir doch lieber / und mehr erwünschter seyn? nun aber hats ein End / weil das verführte Glück / mich hat von dir getrennt. Und daher leid ich Noth / daher sind meine Schmertzen / daß ich abwesend bin / und dich nicht mehr kan hertzen / wie vor dem ist geschehn! doch tröstet mich dabey / daß / Liebste! deine Thür mir nicht verschlossen sey. Kaum war dieses geendet / als sich sein Hertz / der Antwort erinnerte / da sie sprach: das ist seine Höfflichkeit / ich sehe / daß er / nur zum schertzen / ist hieher kommen: darüber er folgende Wort führete: Das ist seine Höflichkeit / spricht sie:weil er nur zu schertzen / wie ich sehe / kommen ist. Dann wir wissen / daß nicht sey / was er saget und bekennt / ob ers gleich ohn allen Scheu an mir preiset und erhebt. Ich seh / daß es nicht von Hertzen / nicht mit Warheit sey geredt Ob die falschen Ehren-Kertzen öffters glimmen fort und fort / muß doch mancher grosse Schand / leiden durch sein eigen Lob / wann er nicht zuvor erkannt / was der leichte Glaube bring / und mit was begabten Schmertzen / mancher glaubet / dem er doch leinen Glauben geben sollt / wann er ihm auch tausend Erd / auf die Warheit schweren wollt So spricht sie: was ich gedencke / will ich wieder nicht verhelen / wann ich anderst reden darf: welcher unter uns hat Recht richtestu nach deinem Sist? bin ich ein getreuer Knecht / der nichts wünschet / der nichts will: als sich deiner Gunst befehlen / der mit dem vergnüget ist / wann er dich nur darff erwählen / dich zu seiner Herrscherin / und in deinen Diensten stehn / wann er nur / und wo er kan: und auf deine Warte sehn / in dem allen / was er thut: der dich unter die will zehlen / da noch nichts gezehlet ist: die durch ihrer Schönheit Pracht / seine Freyheit / seine Lust / haben in das Netz gebracht. Richtest du nach deinem Sinn? nennest du das Höflichkeiten? was mir ist ein gantzer Ernst / und die Warheit selber weist / die nit anderst kan und will / als daß sie dich schöne heist? hast du warlich weit gefehlt: soltest du mich nit verleiten / wüst ich nit / wohin ich solt: wem ich meine Traurigkeiten klagen dörffte; wen ich könt / mir zu helffen / ruffen an / wann ich / Liebste! dich nicht hätt? Ach! es wär um mich gethan. Ach! es wär / Ach! aus mit mir! wer doch könte mir bereiten das / was du mir geben kanst? drum / mein Liebgen! glaube nicht / daß es nur sey Höflichkeit / wann die Warheit: Schönste! spricht. Der Schluß dieses vorigen machte dem folgenden den Anfang / weil ihm auch die Wort beyfielen / daß sie gesagt: Er müste mich dauren / wann er sich so verstecken solt: welches er mit solchen Worten widerlegte: Sie ist unrecht daran / in dem sie mich bedauret / da ich mich mehr erfreu / wann sie nur selber nicht / durch ihren Wider-Sinn in mir die Freude bricht. So ist es je umsonst / daß sie mich jetzt betrauret. Dann was ich haben will / das kan sie / Reiche! geben / und gibt sies? fehlt mir nichts: ich habe alles dann / wann ich sie selber nur / Hertzliebste! haben kan / weil sie mir alles ist; was mich kan bald erheben / und wieder fällen bald: bald freudiglich ergötzen / bald wieder machen bang: bald reich / bald wieder arm: bald frölig / bald betrübt: drum sie sich nur erbarm / Hertzliebste! über mich / so bin ich reich zu schätzen. Und will sie dann was mehr / und will sie was bedauren? So bitt ich / sie bedaur nur meine heisse Pein / und daß sie nicht / wie ich / will gleich-gesinnet seyn; Dann das ist daurens werth: das helffe sie betrauren. Sie spricht: es sey mein Schad: ich aber möchte wissen / warum? Sie schweiget still: die Ursach ist bekannt / weil sie nicht lieben mag; weil sie das theure Pfand / mit gleich-verliebter Treu / zu halten nicht beflissen. Kaum war auch dieses verfertiget / als er sich erinnerte / daß sie ihn um ein Leich-Oden ersuchet / wenn sie sterben werde: welche Bitte er folgender Gestalt verehrete: Die Liebste sprach mich an / ein traurig Sterb-Gedichte / durch meine schlechte Reim / ihr dann zu setzen auf / wann sie der bittre Tod / aus diesem Lebens-Lauf / versetzet in das Grab. Warum? die treue Pflichte / so ich ihr schuldig bin / und was ich sonst verrichte / soll ich vielleicht auch dann / mit gleich getreuer Hand erweisen ihr zu letzt? wie ich sie offt genannt die Allerliebste mein: also auch nicht vernichte des Todes grimme Macht / was ich zur Antwort gab: ihr Leben meine Lust / ihr Sterben sey mein Grab. Nicht unrecht ist es zwar: doch aber / Schatz! gedencke / wie seltzam das geredt? solt ich dann übrig seyn / mein Tod! nach deinem Tod? Ich sprach ein ewig Nein. So dencke nun bey dir / wie sich mein Hertze kräncke / wann du / mein einger Trost! dergleichen glatte Räncke / zu meinem Tod / erdenckst? du zweiffelst ja an mir / ob ich / biß in den Tod / getreu verbleibe dir? Ob ich nicht umgewandt / mein Hertze wieder lencke zu einer andern hin; und dein vergesse dann / wann ich an deine Statt was bessers haben kan? O ungerechte Klag! wie kanst du / Seele! leben / wann deine Seele stirbt? wann sie ist weggerafft / wie magst du bleiben hier? vertrocknet deine Krafft / wann du betrübet bist? wie werd ich dann erheben mein mattes Hertz und Haupt? wie werd ich können streben auch einer bessern nach? da keine besser ist / weil du / mein schönster Schatz! die allerbeste bist / und bleibest noch darzu? Sag nur / wie könt ich geben / das / was mir selber fehlt / dann einer andern hin / wann ich / durch deinen Tod / mit dir gestorben bin? Ich schwere dir ein Eyd (was ist vergeblich schweren für Gott und auch für dir!) merck auf / ich rede frey / biß hin in deinen Tod verbleib ich dir getreu / wie du hinwieder mir: dein Weinen meine Zähren; dein Lachen / meine Lust: dein Wünschen / mein Begehren; dein Trauren / meine Pein: dein Krancken / meine Noth / dein Leben / meine Seel: dein Sterben ist mein Tod. Und glaube mir / mein Kind! ich will dir auch gewähren / nach deines Lebens Tod / die unverruckte Treu / dabey du mercken solt / daß ich der Deine sey. Doch gleichwol daß ich dir erfülle deinen Willen; und daß du lebend noch die letzte Treue sehst; soll einig dieser Verß / wann du zu Grabe gehst / begleiten dich und mich: er soll die Schmertzen stillen / und mich in deinen Tod / in meinen dich verhüllen / daß unser keiner leb / es dencke denn daran / was er dem Todten hier vor ein Gelübd gethan; zum Zeugnus soll diß Wort des Grabes-Stein erfüllen: Mein Tod ertödtet den / der sonst mein Leben war: drum er lebendig todt / weil ich gestorben gar. Es verführete aber endlich sein Gemüth / von den Todes-Gedancken / der Vorsatz ihrer Einsamkeit /welchen sie so offtmals wiederholet / daß Polyphilus auch die Wort behalten / damit sie denselben bewähret / welche er ihm in folgende Reim-Schlüsse zu versetzen gefallen ließ / beneben dem / dabey folgenden /Gegen-Satz. Und weil sich die Reim Art / zu einem Gesang / nicht übel gleichete / ließ er / nachmals /vorgesetzte Sing-Weise / darzu verfertigen. So lautet aber beydes: Einsam sprach sie / ist mein Leben / einsam soll es bleiben auch / weil ich keinen Mann nicht brauch / der mir müsse Kurtzweil geben / dann die fromme Einsamkeit / bringet frohe Seeligkeit. 2. Einsam bleiben meine Sinne / einsam meine Wort und Werck / einsam / was ich denck und merck / einsam / was ich sonst beginne: dann der Frommen Einsamkeit bringet frohe Seeligkeit. 3. Einsamkeit der Wittwen Freude; einsam will ich immer seyn: einsam biß ans Ende mein; Biß ich gar von hinnen scheide: dann der Frommen Einsamkeit / bringet frohe Seeligkeit. 4. So sprach sie: ich aber dachte / leicht geredt / gehalten schwer; wer weiß / ob nicht ohngefehr / sie sich wende / und verachte die betrübte Einsamkeit / weil sie bauet Hertzenleid? 5. Einsam seyn / ist wildes Leben / das dem Menschen nicht gebührt / der den Schatz der Rede führt. Drum kan ich mich nicht ergeben der betrübten Einsamkeit / weil sie bauet Hertzenleid. 6. Einsam seyn / ist täglich sterben: einsam leben / ist der Tod / einsam bleiben / grosse Noth / und ein stündliches Verderben: der betrübten Einsamkeit bauet lauter Hertzenleid. 7. Einsamkeit ist Ungelücke / und der Weg zu mancher Sünd / der den Menschen wie geschwind führet in die Laster-Stricke: der betrübten Einsamkeit bauet lauter Hertzenleid. 8. Ey so wird sie sich bedencken / meine Schöne! weiß ich noch / und aus diesem Trauer-Joch wieder sich zur Freude lencken: weil in trüber Einsamkeit sie nur bauet Hertzenleid. 5. Absatz Fünffter Absatz Beschreibet den ereyferten Grimm Polyphili /welchen die Erzehlung Agapisti / von dem / was er mit der Königin geredt / verursachet / und wie er darum von Melopharmis gestrafft / denselben / vor der Königin / verborgen hält: Lehret den fünfften Anstoß der Tugend-Verliebten / die Widerwertigkeit: gibt auch andere Zorn-Straffen. Nun kommet Agapistus zum Polyphilo / von der Königin. Was wird Polyphilus sagen / wann er die angenehme Botschafft vernimmt. Was will die Königin /fragte er alsobald / daß sie Agapistum allein kommen heissen? Agapistus beförchtete sich der Antwort / und glaube ich noch einmal / er wäre lieber in seine Wildnus wieder geschiffet / als daß er den Grimm Polyphili sehen solle. Doch weil er sahe / daß er nicht ohne Nachtheil Polyphili könte verhälet werden / war er auf Art und Weise bedacht / wie er seine Reden so herum führen möchte / daß Polyphilus begütiget bleibe. Der Ursachen / er weitläufftig von denen Sachen anfieng zu erzehlen / die die Königin mit ihm zu letzt gesprochen. Und da er eben den Grund anfassen will / eröffnet Melopharmis die Thür / an dem Gemach Polyphili / weil sie sich / wegen einer nöthigen Verrichtung /so ihr von der Königin aufgetragen worden / nicht ehe einstellen können / um zu vernehmen / wie es Polyphilo ergangen. Dieser so bald er seine Helfferin ersiehet / stehet behend auf / küsset ihr die Hände / und leget den gebührenden Danck / mit so beschönten Worten / gegen ihr ab / daß Melopharmis / in ihrem Hertzen / beschloß / nicht zu ruhen / biß Polyphilus völlig vergnüget würde. Agapistus wurde froh /wegen der Ankunfft Melopharmis / die ihn an seiner Erzehlung verhinderte: Aber Polyphilus erzehlte der Melopharmis alle sein Glück und Vergnügung / und so offt er ein Zeichen der Gegen-Gunst von Macarien empfangen rühmete / setzte er hinzu: das hatte ich Melopharmis zu dancken. Daher er dann ihr gantzes Hertz leicht gewinnen konte / daß sie ihm fernere Beförderung / seines gäntzlichen Verlangens / versprach. Aber (fieng Melopharmis an zum Agapisto) was hat die Königin mit euch geredt? worüber Agapistus gedoppelt erschrack / weil er gedachte / Melopharmis wüste / was die Königin mit ihm geredt. In welcher Meinung er auch nicht betrogen wurde. Es arbeitete das Hertz Agapisti in so zweiffelhaffter Entschliessung / daß er nicht wusie / was er zu erst antworten solle. Dann / gedachte er / verhäl ichs / und Melopharmis verräth mich / werde ich bey Polyphilo der Untreu schuldig: bekenne ichs / wird wieder Polyphilus ein Mißtrauen / auf meine Treue setzen / der ich diß wichtige Werck nicht / vor allen andern / erzehlet. Aber was hilfft die Furcht / es muste doch bekannt seyn / Polyphilus dencke / was er wolle / darum Agapistus folgender Gestalt anfieng: Was die Königin mit mir geredt / habe ich Polyphilo so fern erzehlet / als ich weiß / daß es seine Freud nicht ertödten / und seinen Frieden nicht zerstören wird. Was aber das jenige betrifft / so ich erkannte /seinem Wunsch verhinderlich zu seyn / habe ich / seiner zu schonen / nicht erzehlen wollen. Wolte auch Gott! Edler Polyphile; wolte Gott! daß ich die Ruhe eures Verlangens damit nicht zerstören solte / ich wolte es in der Verschwiegenheit / meines Wissens /so verwahren / daß es mit der Vergessenheit versiegelt bliebe. Ich bin gewiß / daß / so ich das Wort werde ergehen lassen / daß die Königin euch den Zutritt zu Macarien verwehren will / ihr mit vollem Grimm auffahren / und eurer vergessen werdet. Kaum war das Wort gesprochen / als es schon erfüllet war. Wer? fieng Polyphilus an / die Königin? was wil sie verwehren? den Zutritt zu Macarien? Und mir will sies verwehren? Ey daß die Königin sehe /wie ich ihrer Gnad nicht bedörffe / will ich noch heute wiederkehren / woher ich kommen bin. Ach! allerliebste Macarie! solte ich nicht zu dir gehen? wolt ich doch lieber König und Königin verfluchen. Gehet hin / Agapiste! sagt der Alten / daß ich nichts nach ihrer Gunst frage / morgen soll sie mich bey Macarien wissen. Hab ich nicht so viel um sie verdienet / daß sie mir ein Pferd gebe / kan ich zu Fuß gehen / und brauch ich nicht ihrer Hülffe. Ist das mein Danck / du undanckbares Weib! ist das die Versprechung deiner Hülff in allem? Du falsches Weib! Und wer ist schuldiger zu folgen / ich ihr / oder sie mir? daß sie lebt /ist sie mir schuldig; daß sie eine Königin ist / hat sie mir zu dancken / und alles / was sie um und bey sich hat / ist durch meine Hand erworben. O daß ichs alsobald wieder versencken könte / was ich erhaben / wieder verfluchen / was ich erbeten / wieder verbannen /was ich erlöset! Melopharmis / was dünckt euch um diesen Betrug? werdet ihr auch einsten einen solchen Lohn empfahen? Und Agapiste! du treues Hertz! wird dir dein erlittenes Unglück auch so bezahlet werden? Ey so lasset uns die Rache üben / durch die Vereinigung unsrer Krafft / daß diese Undanckbare erfahre /wie sie der Gesellschafft unsrer Tugend-begabten Hertzen nicht werth gewesen. Melopharmis ließ gerne Polyphilum etwas ereyfert werden / damit die gar zu grosse Brunst der Liebe /gegen Macarien / dadurch geleschet würde / und da er / vor Zorn / nicht mehr reden konte / fieng sie an: Erzürnter Polyphile! wie kan sich die Gluth eurer Liebe so bald in ein Feuer des Zorns verkehren / dadurch ihr offenbahr beweiset / daß die Liebende geneigter zum Streit als Frieden sind. Indem ich aber die Ursachen besinne / so die Königin bewogen / euren Begierden ein rühmliches Ziel zu setzen / kan ich euch / wegen des verdienten Zorns / nicht gar Ungestrafft ausgehen lassen. Erkennet selber / wie ihr euch eure erhitzte Liebe verführen lasset / indem ihr die höchste Gutthat dem Undanck gleichen / und einer Falschheit beschuldigen wollet / welches so sträfflich / als ungerecht wird erkannt werden. Atychintidoe Schluß gehet auf die Vermehrung eurer Ehre und Kunst / dadurch ihr noch künfftig zum grossen Herrn werden könnet: Darum ihr den wohlgemeinten Sinn /nicht so bald vor ein Zeichen des Verderbens halten sollet. Uber das gedencket / in welchen Spott euch euer verblendeter Trutz setzen würde / wann ihr unsre Gesellschafft / mit Widerwillen / verlassen soltet. Meynet ihr / daß Macarie sich nicht wenden werde /wann sie etwas solches von euch erfähret? Und wie rühmlich würdet ihr eure Reuterey zu Fuß anstellen? Würde sich nicht Macarie erfreuen / wann sie euch in solcher Armuth wüste? Dencket demnach / was ihr geredt / und bereuet euer thörichtes Vornehmen / ja /besinnet euch vielmehr / wie ihr mit heimlichen Räncken / die Königin betrügen / und euer Verlangen / ihr unwissend / erfüllen möget. Müsset ihr dann gestehen / daß ihr auf Soletten wollet? Konnet ihr nicht einen andern Ort nennen / einen andern wählen? Und wer ist schuldig an allem dem / als Polyphilus selber? der seinem Mund keinen Zügel anhalten kan / sondern zu frey ist im Reden / und zu offenhertzig im Bekennen. Was hat Atychintida von der Liebe Macarien wissen dörffen? hättet ihr sie nicht sicherer ohne ihren Verdacht lieben können? Was wolt ihr nun machen? womit wolt ihr euch helffen? Ich weiß wohl / daß der Schluß auf mich kommen wird: allein machet mir die Sache auch nicht zu gefährlich / sonsten versichere ich euch / dafern Atychintida einige Muthmassung von mir schöpffet / als wäre ich eurem Vorhaben beförderlich / meine Hand / in eurer Hülff / versiegen wird. So folget meinem Rath / und lasset der Königin durch Agapistum wissen / wie ihr dero wohlgemeinten Erinnerung gehorsamlich annehmet / auch schuldig folget / benebens auch bedancket / daß sie so mütterlich vor euch sorge / welches ihr jederzeit mit mehr / dann schuldigem Gehorsam / erkennen wollet. Könnet euch auch entschuldigen lassen / daß ihr nicht / wie sie meynet / oder berichtet worden / in einer solchen Liebe gegen Macarien brennet / sondern daß ihr sie liebet / wie wir Kunst und Tugend zu lieben pflegen. Da sie auch selbsten mit euch reden solte / erweiset lauter Demut und Freundlichkeit / so werdet ihr glückseliger in eurem Lieben / ohne ihr Wissen / fortfahren / als mit demselben / wiederwillig erhalten werden. Da euch aber sonsten Hülff gebrechen würde / habt ihr mich und Agapistum / die ihr brauchen könnet / zu was ihr wollet. Doch behaltet das zu letzt / daß ihr die offtmalige Besuchung / so ihr bey euch beschlossen / zu ruck haltet / nicht allein den Argwohn der Königin zu verhüten / sondern auch eurer Liebe selber zum bessern Nutzen / dann die gar zu viele Besuchung / machet die Liebende / entweder zu träg und widersinnig / oder zu Narren. Ihr könnet /an dessen Statt / eure Macarien mit einem zierlichen Gruß-Brieflein besuchen / das ihr viel angenehmer seyn wird / weil es nicht so grossen Verdacht nach sich ziehet / auch geheimer kan gehalten werden /dann euer Zusprechen. Wie viel hat Polyphilus zu beantworten / wieviel zu verschmertzen? Was soll er thun? Die Gunst Melopharmis / war ihm gleichwohl ein grosser Trost / in seinem Leiden. Aber das zornige Hertz war noch nicht gar / gegen Atychintida / gestillet / darum er Melopharmis bat / sie möge ihn bey derselben entschuldigen / daß er nicht zur Tafel komme / dann ihm unmüglich sey / sie alsobald freundlich anzusehen. Agapistus könne indessen / die Antwort Melopharmis / der Königin / im Namen Polyphili / hinterbringen: Er wolle sich auf das Bett steuren / als wäre er etwas müd von der Reise / und wegen der grossen Kält nicht gar wol auf. Das versprach Melopharmis / doch mit der Erinnerung / daß er seinen Grimm legen / und sich trösten soll / mit den Gedancken / als hätte es der vorsehende Himmel / zu seiner bessern Befriedigung / also gefüget / mit dessen Schluß er vergnügt seyn solle. Nach diesem / gehet Agapistus mit Melopharmis /zur Tafel / und als die Königin Polyphilum nicht stehet / fürchtet sie alsobald desselben Zorn / der ihr aber vom Agapisto / durch die Antwort Polyphili widerlegt / und von Melopharmis / mit der Ausrede /seiner üblen Befindung / benommen wurde. So bald Atychintida vernahm / daß er sich / wegen der Reise /nicht wohl befinde / fieng sie an / das ist die erste Frucht / die er von der Liebe Macarien brechen kan /es werden deren etwa mehr erwachsen. Welche bönische Wort Agapistum dermassen erzürnten / daß er ohne Ansehen ihrer Königlichen Würden / sie vor männiglich straffte / in dem sie dem guten Polyphilo Unrecht thue / weil er besser wisse / wie er mit Macarien stehe. Deßgleichen thut auch Melopharmis. Und Phormena / nach dem sie merckete / daß die Königin sich auf ihre Wort gründe / fieng sie an / dieselbe so zu verdrehen / daß Atychintida bald schweigen muste. Deßwegen sie andere Gespräch erwähleten / die angenehmer dann diese zu hören und zu beantworten. Wir kommen aber wieder zum Polyphilo / der sich mit tausend Gedancken schlägt / in dem er bald nach Macarien seufftzet / bald auf die Königin fluchet. Das hefftigste / so ihn schmertzete / war das Verbot Melopharmis / daß er nicht zu Macarien reisen solle / die er doch mit nächsten wieder zu besuchen / entschlossen war. Und da er seine Gedancken bald hin bald her reisen ließ / brachte ihn / ohngefehr / das Gedächtnus Macarien / auf die Wort / damit sie ihn der Liebe dieser Königin beschuldet / darum er so eyferig / als ungedultig / seinen Griffel zur Hand nahm / und nachgesetzte Strophen / in eine schwartze Tafel übersetzte /weil er sich der Dinten und Feder / im Bett / nicht bedienen konte. So entschuldigte er aber die Lieb einer Alten: Soltest du / Hertzliebste! wissen / wie ich dich so treulich meyn / wie ich liebe dich allein / würdest du bekennen müssen: daß ich meinen jungen Leib hänget an kein altes Weib. Ich weiß je nicht / was ich sagen / was ich widersprechen soll: weil mein Hertz ist Wunder-voll / daß sie / Liebste! so will klagen / als wann dieser junge Leib häng an einem alten Weib. Sehend müst ich ja verblinden / hörend müst ich werden taub / wenn ich keinen bessern Raub solt für meine Liebe finden: als daß meinen jungen Leib sauget aus ein altes Weib. Alte Weiber / Ungelücke: alte Weiber / grosse Noth: alte Weiber / selbst der Tod: alte Weiber / Laster-Stricke: Drum ich meinen jungen Leib hänge an kein altes Weib. Alte Weiber / grosse Plage: alte Weiber / böse Zeit: alte Weiber / Hertzen-leid: alte Weiber / alte Tage: Drum ich meinen jungen Leib gebe keinem alten Weib. Alte Weiber brüllen brummen; murren / kurren Nacht und Tag / ohne Ur- und ohne Sach / alte Weiber nie verstummen: Drum ich meinen jungen Leib / gebe keinem alten Weib. Alte Weiber / allzeit Grämen / alte Weiber / Angst und Pein / wer wolt bey der Alten seyn? die man kan so gar nicht zähmen: Drum ich meinen jungen Leib gebe keinem alten Weib. Alte Weiber / ewig Krancken / ächtzen / lächtzen allezen: O des grossen Hertzen leid! Alte Weiber immer ancken: Drum ich meinen jungen Leib gebe keinem alten Weib. Alte Weiber gar nichts taugen / sie sind lauter Ungemach: lauter Weh und lauter Ach / die nur unsre Lust aussaugen: Drum ich meinen jungen Leib gebe keinem alten Weib. Pfui dich / du Rumpel-Tasche! pfui dich / hinaus mit dir / dann du hast kein Recht allhier / packe dich / du alte Wasche: Dann ich meinen jungen Leib gebe keinem alten Weib. Nun dann kanst du leicht gedencken / Liebste! mit was schlechtem Recht Du mich / deinen Ehren-Knecht / hast in diesem wollen kräncken / daß ich meinen jungen Leib hänget an ein altes Weib. Glaube nur / hier diese Seele soll viel ehe nicht Seele seyn / und ich selber nicht mehr mein / wann ich / Liebste! diß erwähle: daß an meinem jungen Leib nehre sich ein altes Weib. Aber dir / dir / meine Wonne! geb ich mich zu eigen hin / dir ich bleibe / der ich bin / du hinwieder meine Sonne: Dir geb ich den jungen Leib / daß er ewig Dein verbleib. In der höchsten Betrübnus / muste Polyphilus heimlich lachen / dann ihn nicht wenig erfreuete / daß er die Königin so eigentlich beschrieben: wiewohl er / in vielem / seinem Eyfer zu viel nachgegeben. Mehr als zehenmal / lase er das Gedicht durch / und tröstete sich mit demselben / als der Rache wider die Königin / wie sehr: biß Agapistus / von der Tafel wiederkehrend / ihn eben / mit lachendem Munde / ersiehet /und als der das Gedicht vernimmt / gleich sehr erfreuet / ein hefftig Gelächter anhebet / daß Melopharmis / die vor der Thür wartete / dadurch bewogen wurde / hinein zu tretten / um zu vernehmen / was die Ursach sey ihrer Freude. Zu allem Gluck / hatte Polyphilus die Tafeln wieder hinter das Bett gehängt / ehe Melopharmis herein trat: darum er sie dißmal mit Unwarheit abweisete. Dann er befürchtete / es möchte Melopharmis eben auch verdriessen / daß er die alten Mütter nicht besser ehre / weil sie auch mit aus der Zunfft war. Sie ließ sich auch gerne betrügen / ob sie den Betrug gleich mit Händen greiffen konte / nur daß Polyphilus frölich bliebe. Darum sie / nach dem / allerhand kurtzweilige Ergötzungen besinneten / die das Gemüth Polyphili von Haß und Liebe wenden könten / wiewohl Polyphilus das Gedächtnus seiner Macarien / mir stets-bemüheten Gedancken / fort und fort in seinem Hertzen ehrete. Gegen der Königin aber behielt er einen freundlichen Mund und feindlichen Sinn / so gar / daß er ihre Gegenwart / so viel die Bescheidenheit leiden wolte / mehr flohe / denn suchte. 6. Absatz Sechster Absatz Beschreibet den Gruß Polyphili / an Macarien /durch ein Brieflein geschehen / und die verwaigerte Antwort / die Agapistum / mit einem andern Gruß-Brief / an Macarien / begleitet / auf Soletten ziehet / dessen vergebliche Wiederkunfft Polyphilum erzürnet / der aber wieder begütiget / den dritten Brief / an Macarien abgehen heisset: Lehret / daß hohe Sachen / mit grosser Müh / zu gewinnen / und die Tugend / einen unermüdeten Fleiß / ja auch ein unerschrockenes Hertz / fordere. Da nun etzliche Tage vorbey gestrichen / und sich das Verlangen Polyphili / nach Macarien / nicht länger halten ließ / fragt er Melopharmis um Raht / ob sie ihn nicht zu ihr helffen könne: welche berichtet / daß er sein Verderben fordere / weil es noch zur Zeit unmuglich / ohne seinen Nachtheil / zu geschehen. Doch wolle sie ihm den Rath geben / sein Verlangen zu beruhigen / und seine Schmertzen zu verbinden / daß er ein Brieflein an sie abfertige / darauf / so er Antwort erhalten werde / wie sie dann nicht zweifsele / könne er dieselbe / zum mächtigen Trost / in all seiner Widerwertigkeit behalten / als die er ihm / an statt der schönen Augen / und lebendigen Wort / einbilden könne. Der Anschlag gefiel Polyphilo nicht übel /deßwegen er sich niedersetzte / und folgenden Gruß an Macarien abgehen ließ: Schönste und Liebste! Wann ich / im gegenwärtigen Beginnen / mein Vertrauen / nicht mehr auf dero Höflichkeit / und meine /ihr allbereit entdeckte / Treu / als auf eigene Würde /setzen wolte; hätte ich länger Bedencken getragen /mit diesen / wie wenigen / also unwürdigen Worten /dero beliebten Einsamkeit zu verhindern / und von andern angenehmern Verrichtungen abzuhalten. Ich will nicht sagen / daß ich / wie es freylich / wegen meiner Unvermögenheit / leicht geschehen könte / ihren Augen verdrießlich und unangenehm seyn werde; dann solches wäre wider die so grosse Freundlichkeit / die ich allein / und vielmehr mit Stillschweigen und Verwunderung / als vielem unnützen Wort-Gepräng verehren muß. Zwar möcht ich wünschen / daß meine Kräffte zuliessen / dero herrlichen Schönheit /mit gleich-beschönten Worten / zu beschreiben; oder die verständige Reden nachdencklich zu erwägen; und die vollkommene Tugenden / mit denen holdseligen Geberden / nach Würden und befindlicher Beschaffenheit / zu preisen: so weiß ich / sie würde / viel eher und besser / mein treu-gemeintes Vorhaben verstehen / dann ich dasselbige / durch diese schwache Feder / ausdrucken kan; allein die Unvermögenheit /so ich billich / bey der Unmüglichkeit / anklage / will mir solches verwehren. Darum ich dieses / nur mit wenigem / erinnere / was ich neulichst / in zugelassener Verträulichkeit gegenwärtig / mit mehrerm / berichtet / daß ich bleibe in der getreuen Liebe / so von der Stunde an / da ich ihre Fürtrefflichkeit / zum erstenmal / erkannt / dermassen meinem Hertzen eingepflantzet worden / daß sie nicht nur nimmermehr aufhören wird: sondern vielmehr / je länger je hefftiger /zunehmen / und endlich / wo sie nicht mit einer ziemenden gütigen Gegen-Gewogenheit solte erfreuer werden / meine arme verliebte Seele / entweder in die höchste Betrübnus / oder wohl gar in solche Verwirrung stürtzen möchte / die ihre unerträgliche Schmertzen / mit dem Tod / zu enden begehren. Wann meine Liebe auf den zerbrechlichen Grund der Schönheit allein gebauet / möchte sie etwa einige zweiffelhaffte Gedancken / als wäre mein Versprechen höflicher Schertz / überkommen; und würde ich auch gezwungen / mich um dero verlangten Gegen-Liebe / etwa durch Betheurung meiner Treu und Aufrichtigkeit / zu bewerben: weil aber die Tugend an sich selber liebens werth / halt ich alles das ohne Noth seyn. Dann sie /Allerschönste! in Betrachtung dero holdseligen vollkommenen Tugenden / auch andern / theils von der Natur / theils von dem gnädigen Himmel / sonderlich ertheilten Gaben / in diesem Schluß nicht fehlen kan /daß meine Liebe warhafftig sey / und bestehe / so lang ihre Tugend / das ist / ewig und ohne Aufhören /bestehen wird. Ist demnach nichts übrig / als daß diese Tugend gegründete Liebe / mit gleicher Gewogenheit belohnet werde / da anderst / dem Sprichwort nach / Liebe Gegen-Liebe werth ist. Darum bitte ich nicht mehr / als meine schmertzhaffte Kümmernuß /mit einem Zeichen der Gegen-Liebe / schrifftlich zu stillen / weil die Widerwertigkeit des Glücks unsere Gegenwart gewaltig verhindert. Alsdann werde ich gewiß seyn können / daß nicht alles / was mein verliebtes Hertz leidet / vergeblich gelitten: sondern wo nicht mehr / doch zum wenigsten die Belohnung erfolge / daß ich entweder den erfreulichen / oder den betrübten Namen führen dörffe: Eines / durch ihre Gnad / Lebenden; durch ihre Ungnad aber / sterbenden Liebhabers. Wie offt und lang künstelte der verwirrete Polyphilus an dieser Verfertigung / ehe er sie verfertigte? Alle Wort waren ihm zu schlecht / und alle Bewegung zu ungültig. Es gieng ihm eben / wie es erhitzten Gemüthern zu gehen pflegt / daß / da sie am spitzfindigsten reden oder schreiben wollen / müssen sie / über ein gestumpfft Gedächtnus / und verruckten Verstand / klagen: Da sie anderwerts / wann ihre Sinnen freyen Lauf behalten / noch so schön und herrlich schreiben können / obwohl nichts daran gelegen. Ach! wünschete Polyphilus / daß ich all meinen Verstand /so wenig oder viel dessen ist / jetzt könte zusammen fassen / und in diese Schrifft versetzen / damit ich sie bewegen tönte! Aber das war ein Begehren der Unmüglichkeit. Er muste zu frieden seyn / daß sich seine Sinne so viel erheben können: weil sichs zu erst anließ / als wüsten sie gar keinen Anfang zu finden. In allem gieng es Polyphilo nach der Verliebten Art. Nicht nur die Verfassung solte beweglich seyn; sondern auch die Verschliessung und Versiglung des Briefs etwas sonderliches: Darum er ihn in die 4. Eck / gedoppelt zusammen faltete / und mit verliebten Bändlein / die seine gewohnte Farben fürtrugen / umwunden / in der Mitte gedoppelt versiegelt: wie gemeiniglich die bethörte Liebe / solcher nichtigen Phantasey / eine geheime Krafft zueignet / die aber mehrentheils mit Betrug bezahlet: wie es allerdings auch Polyphilo eingetroffen. Denn da er den verschlossenen Brief / durch Hülfse Melopharmis / der Macarien zugesand / und selbige /aus dem äusserlichen Glantz / den Innhalt dessen leicht ermessen konte / scheuete sie sich denselben zu eröffnen / vielmehr zu beantworten: Deßwegen sie ihn verschlossen niederleget / willens / so Polyphilus ihrer Gegenwart wieder geniessen werde / wieder zu geben / was ihr zu entbrechen nicht gebühre. Hat einmal Macarie / ihren trefflichen Verstand im Werck erwiesen / so ists / in Warheit! hierinn geschehen: und wäre zu wünschen / daß alle Weibsbilder so vorsichtig wandelten: allein es gibt deren nicht viel /die sich Macarien gleichen. Das waren die Gedancken der verständigen Macarien ohne Zweifel wird diese Schrifft voller Liebes-Begierde stecken, die dich entzünden könte. Oder es wird eine Erzehlung seiner tragenden Pein / und Eröffnung seines Verlangens; deßgleichen eine mächtige Bitte seyn: daß ich dieselbe lindern solle. Auch weiß ich gewiß / daß er eine Antwort von mir begehren wird: die mir abzuschlagen /meine gebührende Höflichkeit / nicht gestatten würde. Solt ich dann mit seinem Schmertzen kein Mitleiden tragen / würde ich vor unfreundlich gehalten werden: solt ich die Eröffnung seines Verlangens / nicht / mit der Erfüllung / verschliessen / würde ich / an dem Laster der Unbarmhertzigkeit / schuldig werden. Zu dem kommen über das die beförchtende böse Reden / so unzweiffelbahr folgen / wann man höret / Macarie wechsele mit Polyphilo Liebes-Briefe: darum ich sicherer allem dem Ubel vorbaue / wann ich die Unwissenheit entschuldige / daß dieser Brief meine Eröffnung fordere. Dann dieselbe wird mich bey Polyphilo vertheidigen / bey andern aber / alles Verdachts und böser Rachrede befreyen. Die Entschliessung war aller gut: aber das solte eins noch fragen: wo die Liebe Macarien bleibe? Es solte eins dencken / weil sie / vor dem / Polyphilo / so offtmalige Zeichen einer erhitzten Brunst erwiesen /es hätten sie dieselbe gezwungen / das Brieflein begierig zu erbrechen. Oder ists ein falscher Schein gewesen / was sie in Gegenwart Polyphili gethan? Oder hat sie sich nach dem geändert. Diß letzte wird die Warheit treffen. Denn die ungleiche Reden / so die letzte Besuchung Polyphili und Phormenœ verursachet / auch der kümmerenden Macarien alsobald hinterbracht worden / bestritten ihr Hertz dermassen /daß sie wünschete / Polyphilus hätte Soletten nicht wieder gesehen. Und weil ihr der Ruhm ihrer Tugenden und unbefleckten Lebens vor alles gieng / so gar /daß sie denselben / auch dem Leben selber vorsetzte /und aber dessen Preiß / durch erkannte böse Verleumdungen / mercklich fallen würde / wolte sie / viel lieber / alle Liebe / aus ihrem Hertzen / verbannen / als einige / ihrer Tugenden verderbliche / Nachrede sich beschimpffen lassen: in dem allen auch Macarie so ruhmlich / als verständig handelte. Gleichwol liebte sie Polyphilum heimlich / in ihrem Hertzen / und hielt ihn für den Werthesten ihrer Freunde: aber die eusserliche Zeichen / so auch andern kündig werden könten / mochte sie nicht annehmen / bloß den schädlichen Verdacht zu verhüten. Was thut aber Polyphilus: Der erwartet / mit sehnlichem Verlangen / das jenige / was er doch nicht erwarten konte. So offt Melopharmis die Thür an seinem Gemach eröffnete / gedachte er / jetzt kommt eine Antwort von Macarien: aber vergebens. Auch tröstete ihn Agapistus immerfort / mit guter Hoffnung / die doch vergeblich war. Drey gantzer Wochen strichen dahin / und hatte Polyphilus gleichwol keine Antwort / darum er nicht anderst dencken konte / als Macarie müsse sich gewendet haben. Wiewohl ihm die Ersinnung der Ursachen offtermals den Hochmuth Macarien vorlegte / und den Verzug dieser Antwort /oder vielmehr die Verwaigerung / zur Verachtung seiner Unwürdigkeit deuten wolte. Wiederum fiel ihm bey der Vorsatz ihrer Einsamkeit / dem sie zu viel gehorsame. Doch war das alles / und ein jedes / daran ihn seine betrübte Sinnen erinnerten / Ursach genug /daß er glauben muste / Macarie hätte seiner vergessen / und wolle ihn gar verlassen. Deßwegen er / mit so beweglich en Worten / über die Verkehrung ihrer Sinnen / klagte / daß offtermals Agapistus von ihm hinaus gehen muste / weil er die Noth Polyphili / ohne Thränen / nicht anschauen konte. Melopharmis / im Gegentheil / blieb stets bey ihm / und war eine mächtige Trösterin seines Elends. Ja sie konte ihn offt und offt so befriedigen / daß er / ohne grosse Ungedult /sich dem Willen der Unsterblichen ergab / und alles der Vorsehung des Himmels heimstellete / die ihn /nach diesem Leid / desto seeliger erfreuen werde. In welcher Hoffnung er dermassen gestärcket ward / daß er / zum öfftern / sich nicht scheuete / Macarien dadurch zu erinnern / ja zu bedrohen / daß sie den selbsterwählten Schaden ihres Widerwillens / nach dem / schon bereuen würde. Wie genugsam / aus folgendem Sonnet / welches aus so vielen / die er damals verfertiget / allein überblieben / und aufgezeichnet ist / zu erkennen: Ach! soltest du das thun? Ich hätt es nie geglaubet / und nie gehoffet auch / daß du mich so gering soltst halten / wie du thust: was ich dir / Liebste! bring / wirffst du verächtlich weg: das / wär es nur erlaubet / die / so gleich-edel sind / schon längsten dir geraubet / schon längsten hätten gern / wann nicht mein treuer Sinn an dir gehalten hätt: nun gibst du selber hin den / der dein bleiben wolt. Du hast dich zwar verschraubet hin in die Einsamkeit: doch hüte dich dabey / daß nicht ein härters Joch dir diese Freyheit sey. Jetzt ist mirs eine Pein: dir aber ein Belteben / doch weil dein stoltzer Sinn allein die Ursach ist / daß du mir jetzt / wie vor / nicht gleich mehr günstig bist / wird / weiß ich / deine Freud dich künfftig noch betrüben. Was wird dann endlich draus / soll Polyphilus alle Hoffnung / so er auf die Antwort Macarien gegründet / umwerffen / und alles Vertrauen ablegen? Das ist ja unmüglich. Ist dann keine Hülff / kein Rath mehr übrig? Polyphilus kan vor Hertzenleid nichts ersinnen: Melopharmis vor Furcht; wann sie gleich Polyphilum zu dem andern Brief rathen wolle / es möchte selbiger eben so wenig würcken. Darum stund Agapistus nach langer Besinnung auf / und erbot sich selber gen Soletten zu reisen / um mündlich bey Macarien zu vernehmen / was die Ursach sey ihres Stillschweigens. Dessen wurde Polyphilus so erfreuet /daß er behend aufstund / und / aus Liebe gegen Agapistum / seine Hände erfassete / mit diesen Worten: so bist du dennoch der einige / du treu-liebendes Hertz! der meine Schmertzen verbinden will? Ach ja! fahr hin / es begleite dich die schützende Hand der gnädigen Götter / und bringe dich wieder mit Freuden. Melopharmis billichte ingleichen den Anschlag Agapisti / allein zweyerley war Noth zu erinnern: Erstlich / die Furcht / daß die Königin / wann sie Agapistum auf Soletten gereiset wüste / würde alsbald der Argwohn ihr Hertz verführen / Polyphilus habe ihn abgesandt / an Macarien. Hernach war auch das zu bedencken / daß Macarie Agapistum nicht kenne von Angesicht / deßwegen es geschehen könne / daß sie ihn nicht vor Agapistum halte / auch nicht in allem traue / ob sie gleich wisse / daß Agapistus des Polyphili / mehr / als Brüderlicher Freund sey. Die Erinnerungen waren zwar nützlich und nöthig; bevor / weil Agapistus seine Gesandschafft heimlich und eilig verrichten wolte / deßwegen er vor dißmal das Auge Talypsidami / welcher sonst von dieser Person hätte zeugen können / zu fliehen gedachte / als der ihn nicht nur aufhalten / besondern auch offenbahren möchte; allein sie waren leicht verhütet / und mit gutem Rath versichert. Dann auf das erste versetzte Agapistus / daß er seinen Weg auf Agmenpo / auch einer Insul an dem Peneus-Fluß / nehmen wolle / und von dannen auf Soletten / welches er gleichwol der Königin nicht bedeuten dörffe; Auf dieses versprach Polyphilus / den Agapistum / mit einer nochmaligen Schrifft / an Macarien /abzufertigen. Das alles gefiel Melopharmis sehr wol /sonderlich wegen Agapisti / der keinen bequemern Fund erdencken können / weiln Agmenpo / gerad gegen Soletten über / gleicher weite von dem Schloß lag; auch er / über das / daselbsten Befreunde hatte /die zu besuchen / den Abzug Agapisti / bey der Königin / leicht entschuldigen würden. Es blieb bey dem Schluß; Melopharmis muste bey der Königin Erlaubnus einholen; Agapistus rüstete sich zur Reise / und Polyphilus verfertigte folgendes Brieflein / mehr aus Betrübnus / als Bedacht: Verlangte Macarie! Wiewohl ich Zeithero / mit schmertzlichem Verlangen / einige Antwort / auf mein jüngst überschicktes Brieflein / erwartet: hab ich doch / biß daher / solcher hochbegehrten Glückseligkeit nicht geniessen können. Wann ich mir demnach leicht einbilden kan / es werde sie / ihre gebührende Scham / von diesem abgehalten haben / was das getreue Hertz / ehe zu vollbringen beschlossen: als bitte ich nochmaln / mein betrübtes Verlangen / mit einem freudigen Gegen-Gruß zu stillen: weiln sie doch die einige ist / und hinfüro / wie ich bittlich hoffe / bleiben wird / so meinen Wunsch erfüllen / und meinem Begehren ein Genügen thun kan und will. Daß ich aber gegenwärtigen / meinen allergetreuesten Freund / Agapistum / dessen Aufrichtigkeit / ich nicht durch Wort / sondern diese Gesandtschafft / bewähren will / mit diesem Brieflein /in solcher Eile / an sie abgefertiget / zwinget mich die nöthige Vorsorg / so ich billich trage / wegen der Furcht / die mir / biß daher / die Ursach ihres Stillschweigens / mit dem Mangel des Uberträgers / vorgelegt: deren zu wehren / ich selbsten Agapistum senden wollen / welchem alle Heimlichkeit so wol zu eröffnen und zu trauen / als wann ich selbsten zugegen wäre. Wird sie ihm demnach / verlangtes Hertz! nichts verhalten / sondern mit einem einigen Wort /da ich ja nicht mehr verdienen solte / ihrer Liebe und Gewogenheit mich / durch ihn / versichern / und in derselben so beständig verharren / als ich mich freywillig verschreibe / Deroselben Einig und ewig-getreuen Polyphilum. So bald der Brief verfertiget / setzte sich Agapistus zu Pferd / und eilete / so viel er mochte / durch Agmenpo / auf Soletten zu. Als er nun dahin gelanget / und sein Pferd angehänget / gehet er / unangemeld / vor das Gemach / darinnen die schöne Macarie ihrer Einsamkeit pflegte. Diese erschrack nicht wenig / wegen der unverhofften Ankunfft / eines fremden und unbekanten Ritters: deßgleichen that auch Agapistus / weil er vernahm / daß Macarie etwas übel auf war / dann sie eben an den Zähnen Schraertzen erlitte / die ihr das gantze Gesicht aufschwelleten: welches doch die zärtliche Macarie / mit einem schwartzen Pflaster /künstlich verdeckte. Uberdas hielt Agapistum die Verwunderung / der nie-gehofften Schönheit / so gefangen / daß er schier der Red vergaß / die ihm Polyphilus / mit Macarien zu wechseln / gebeten. Endlich aber fieng er an / seinen Zutritt zu entschuldigen / und ihre Freundlichkeit / um gütige Vernehmung / seines Gewerbes / zu bitten. Welches / nach dem es von Macarien versprochen / Agapistus folgender Wort sich vernehmen ließ: Es hat mich / Tugend-gezierte Dame! mein Freund Polyphilus / mit einem schönen Gruß /an dieselbe abgefertiget / und diesen Brief / deren beschönten Händen zu überlieffern / vertrauet / nichts mehr wünschende / als daß er / mit dem seeligen Trost / ihrer verlangten Antwort / möchte beglücket werden: und mit diesem überreichte er ihr den Brief Polyphili. Ach aber! wie wurde das Hertz der schönen Macarien erschröckt / die Bescheidenheit gab ihr zwar Befehl / den Brief zu erbrechen / aber mit was Widerwillen sie denselben gelesen / gibt folgende Antwort gnugsam zu erkennen. Ich vernehme / sprach sie /Edler Agapiste! daß ihr Agapistus seyd / der getreue Freund Polyphili / dem er mir befiehlt alles zu vertrauen / was ich / in meinem Hertzen / von ihm beschlossen. Zwar hätte ich mich eines so vornehmen Gastes anheut nicht versehen / zu dem ich mich sehr unseelig preise / daß er mich zum erstenmal / aber in zugefallener Ungesundheit / sprechen soll / die ich verlangen dörffte / ausführlicher mit ihm zu reden /als die Schmertzen meines Haupts zulassen / welche /durch die Schrifft Polyphili / um desto mehr vermehret werden / je widriger und verdrüßlicher mir dieselbe ist. Dann / Edler Agapiste! wie darff sich Polyphilus erkühnen / gegen mir solche Wort zu führen / ja! mir schrifftlich vorzulegen? Weiß er nicht / daß man wol ein Wort hören könne / das in den Wind gehet; aber die Schrifft / so nicht verstänbet / schwerlicher ertragen werde. Wie hat Polyphilus feines Verstands /ja! auch seiner Höflichkeit vergessen? Oder / da mir solches seine unverruckte Weißheit und vollkommene Tugend zu bejahen Verbot gibt / kan ich nicht glauben / daß diese Briefe / die seiner Liebsten Hände fordern / mir zugehören / auch mir sollen überbracht werden. Gewißlich hat Polyphilus / aus Blendung der Liebe / den Namen verfehlet / der seine Liebsten benennen wird / dann ich mich vor dieselbe nicht bekennen kan. Daher ich billige Ursach nehmen werde / so wohl diesen / als den ersten Brief / den ich noch nicht eröffnen wollen / aus Furcht / er möchte an einen andern Ort gehören / entweder euch wieder mit zu ruck zu geben / oder wo dieses meine Künheit nicht wagen dörffte / durch sonst andere Gelegenheit / wieder zu übersenden / dann mir solche anzunehmen / durchaus nicht anstehen wird. Auch kan ich mir keines wegs die Gedancken machen / was Polyphilum / mich zu lieben / veranlassen solte: meine Freundschafft hab ich ihm versprochen / aber so fern es / die mir erwählte Einsamkeit / zulässet / solte er etwas darüber begehren / würde er mich zwingen / wider meinen Willen / eine Unhöflichkeit zu erwählen / die seinem Begehren einen Abschlag widersetze. Wiewohl ich sicherer glaube / diese Brief fordern nicht mich / sondern eine andere Ehebrecherin / die ehe anderer Orten / als zu Soletten wird zu suchen seyn. Was Agapistus gedacht / wie er erschrocken / ja! wohl gar ergrimmet / kan ich nicht sagen. Man wirds erkennen / wann man seine zweiffelhaffte Entschliessung ansiehet / und die wanckende Furcht / darinnen sein Hertz geängstet wurde. Er wuste nicht / wem er glauben solte: trauete er den Erzehlungen Polyphili /so konte er nicht anderst schliessen / als Macarie spotte seiner: solte er denn dem ernsthafften Gespräch der Macarien Glauben geben / müste er zugleich glauben / Polyphilus hätte ihn mit Unwarheit berichtet. Gleichwol gedachte er hinwieder / Polyphilus würde verständiger seyn / als daß er solche Brief schreiben solte / wann er nicht zuvor gewiß wäre / daß sie angenehm seyn würden: allein / er gedachte nicht dabey /daß Polyphilus aus Verführung der Liebes-Schmertzen geschrieben. Er wuste nicht / wie er antworten solte / ohne daß er die Schmertzen Polyphili bewährete / und wie diese Briefe keine andere Hände / als der schönen Macarien forderten / in deren Liebe Polyphilus beharren werde / biß ans Ende. Darauf Macarie: Polyphilus? in meiner Liebe? Das verhüte der mächtige Himmel! Wolte Polyphilus sein Glück nicht besser beobachten / wolte er seine Jugend mit Liebe verderben die gebohren ist / grosses Glück und Ehre zu erwerben. Müste ich doch selbsten über mich klagen / wann ich / durch die Bande meiner und seiner Liebe / das Tugend begierige Gemüth / ja das Kunst-verlangende Hertz Polyphili / mitten im Lauf zu ruck halten / und in der Unvollkommenheit wolte ruhen heissen. Nein / Polyphilus kan grösser Glück und Ehr erlangen / wann er Kunst und Tugend suchet / als die Liebe der mangelhafften Macarien. Gedencket selbsten / edler Agapiste! wie hoch die Kunst Polyphili noch steigen kan / da sie sich / in ihren jungen Jahren / nichts hindern lässet? wie mächtig der Ruhm seiner Tugenden sich mehren wird / wann er /durch die Ubung derselben / seinen Namen herrlicher machet? Darzu kommen die nöthige Reisen / die gleichsam das Leben sind der Wissenschafft / dann selber sehen und erfahren / halt ich zuträglicher seyn /als alles hören und lesen. Agapistus erwähnte / daß Polyphilus reisen könne / ob er schon Macarien liebe; deme Macarie versetzte: Zwey widerwertige Dinge lieben und reisen. Ich halte gäntzlich davor / daß / so sich einer / in dem strengen Dienst der Liebe befinde /er nicht weit von der Geliebten kommen werde / denn unser Hertz ist je so beschaffen / daß es sich stündlich sehne nach dem / das es liebet / der Leib aber / wie er billich dem Befehl der Seelen folget / als läst er sich auch nicht weit von derselben entziehen. Ist etwas: erinnerte Agapistus; allein / wann ich das Tugend-liebende Hertz Polyphili besinne / verhoffe ich / wird er eine solche Mässigkeit in der Liebe zu treffen wissen /die ihn an seinem Fürhaben / Glück und Ehre zu erlangen / dennoch nicht verhindern wird. Dergleichen /gab Macarie zur Antwort / lässet sich viel geschwinder reden / als zu Werck richten. Wer seinem Laster eine Maß suchet / ist eben / als wolle er glauben /einer / der sich von einem jähen Felsen stürtzete /könne sich / wann es ihm beliebte / im herab fallen besinnen und wieder halten. Dann wie diß zu thun unmüglich: also kan ein verwirrtes und erhitztes Gemüth sich weder zu ruck ziehen und innhalten / noch an dem Ort / wo es nicht will / verbleiben. Es weiß auch der jenige / welcher allbereit liebet / so wenig / mit was Maß er lieben soll / als wenig einer / dem man die Augen ausgestochen hat / weiß / wohin er gehen soll. Agapistus wunderte sich über die verständige Antwort Macarien / und in Warheit! wäre er nicht Polyphili so gehertzter Freund gewesen / daß er sich der Untreu schämen müssen / hätte er selbsten Macarien /das allzuschöne Bild / lieben müssen: wie er auch hernach selber / dem Polyphilo / frey willig bekannte. Sie spielte mit ihren Augen so züchtig / daß er ihre Keuschheit / in seinem Hertzen / preisen muste; sie beröthete ihre Wangen / so offt sie das Wort der Liebe nennete / mit gleichsam solcher heimlichen Entsetzung / daß er / aus der furchtsamen Red / die innerliche Bewegung der Schamhafftigkeit / gantz offenbahr zu vernehmen hatte. Die gantze Gestalt und Beschaffenheit ihres zarten Gesichts / dann die höfliche Bewegung ihrer Glieder / zusamt den freundlichen Geberden / konte Agapistum / auf keine andere Gedancken führen / dann diese / du bist ja freylich wohl /allerschönste Macarie! der vollkommene Schatz aller Tugend und Geschicklichkeit. Nun wundert mich nicht mehr / warum dich Polyphilus so hertzlich liebe / weil du gebohren bist /durch deine Schönheit / und den Glantz deiner Tugenden / aller Hertzen zu gewinnen. Es betrübet mich nur / daß eine so unerweichende Härtigkeit deine Tugend begleitet / die sich mehr der widersetzlichen Halßstarrigkeit / als der Beständigkeit / meines Erachtens / gleichet. Ach! was soll ich dann Polyphilo für einen Trost mitbringen / soll ich eben die unglückhaffte Botschafft verrichten / die feine Seele tödten wird. Will sie dann / liebreiche Macarie! ihrer Barmhertzigkeit so gar vergessen / und Polyphilum den besten / ihrer und meiner Freunde / so gantz hülffloß lassen? Das war der Gegen-Satz Agapisti auf die Rede Macarien: deme sie aber wieder versetzte: Dafern Polyphilus eine solche Bitte / oder vielmehr Begehrn / an mich ergehen lässet / daß meinem Vorsatz der Einsamkeit nicht zuwider / auch mir müglich zu thun ist / soll er an meiner Folge und Gewehrung nicht zweiffeln. Da ich auch wüste / daß es nicht blosse Höflichkeit wäre / damit er in seinem Brieflein /nur ein einig Wort begehret / ihn meiner Gewogenheit / durch euch / zu versichern / wolt ich euch bitten / die Mühe anzunehmen / ihm einen schönen Gruß / von Macarien / zu verkünden / auch dabey meiner Gewogenheit / so weit selbige eine Ehrenvergönnte Freundschafft zulässet / versichern: aber eine Liebe von mir zu begehren / wird er / Krafft seines bessern Verstands / sich nicht erkühnen / wird auch mir / dieselbe zu versprechen / eine grosse Vermessenheit seyn / als die ich in einer solchen Bedingung lebe / welche nicht zulässet / dergleichen Werbungen nur anzuhören / will geschweigen / zu bewilligen. Darum ich auch / wie ihr sehet / und ich vor schon gemeldet / den ersten Polyphili noch nicht erbrochen /oder auch künfftig erbrechen werde / sondern dem Verfasser unversehrt wieder zuschicken / weil ich euch damit zu beschwehren mich nicht erkühnen darff. Wann der Briefe tausend wären / antwortete Agapistus / würde ich mirs vor eine grosse Ehre bekennen /wann ich in dem Dienst Macarien mich bemühen dörffte; allein dieses grossen Unglücks überhebe mich dißmal die Höflichkeit deren / der ich / in andern Fällen / schuldig zu gehorsamen bin / dann ich mit diesem Brief Polyphilum ertödten würde. Auch bitte ich /bey der Gnade Macarien / sie wolle des Lebens Polyphili zu schonen / diese unselige Schrifft / wo nicht entbrechen / und beantworten / doch verschlossen bey ihr ruhen lassen / und dem / darüber sterbenden Polyphilo / nicht zuruck schicken: will sie anderst nicht die allzufrühe Zeitung / seines schmertzhafften Todes / mit Leid / erfahren. Ich will sehen / dafern ja Polyphilus keine Gnad mehr erlangen kan / daß ich ihn / von der Lieb Macarien abwende / oder sonsten befriedige. Das könt ihr thun / versetzte Macarie /eurer Bitte will ich noch dißmal folgen; und damit schied er von ihr. Was wird nun Polyphilus sagen / wann er vom Agapisto / die widerwillige Antwort Macarien / vernimmt? Sein Hertz wird vor Trauren / in seinem ermüdetem Leibe / verschmachten / und seine Seele /aller Freude / in Ewigkeit absterben. Ja! so wäre es allerdings ergangen / wann nicht Agapistus ein so kluger Bote gewesen / der seine Reden / mehr nach dem Sinn Polyphili / als der Antwort Macarien / gerichtet. Der Gruß war sein erstes Wort / und die Verkündigung der beharrlichen Gewogenheit Macarien /in einer ehr-gebührenden Freundschafft. Nichts mehr? fragte Polyphilus. Das Agapistus beantwortete: Nichts sonderliches. Warum antwortet sie dann nicht auf meine Briefe? Fragte Polyphilus ferner. Deme Agapistus versetzte: weil sie mir die Antwort mündlich vertrauet / auch sich entschuldiget / wie ihr so gar nicht anstehe / Liebes-Briefe zu wechseln. Polyphilus merckte aus den erschrockenen Reden Agapisti / daß die Sache nicht zum besten stehen müsse / weil er nicht / seiner sonst-gewohnten Art nach / frey heraus redete / darum er ihm anlag / und / durch die Treue ihrer Freundschafft / ersuchete / ihm nichts / von allem dem / was Macarie mit ihm geredt / sey guts oder böses / zu verhälen / mit Versprechen / daß ers mit gedultigem Hertzen aufnehmen / und sich nichts wolte betrüben lassen. Agapistus trauete dem Wort Polyphili / und fieng an / ihm alles zu erzehlen / doch so / daß er sich erst bemühete / das Hertz Polyphili von Macarien abzuwenden / deßwegen er ihn erinnerte / er solle die Großmütigkeit seines Hertzens anheut / in Verachtung deren / die ihn mit gefärbter Gunst / mehr zu schimpffen als zu beehren suche / zu seinem bessern Ruhm / erweisen / und seine Freyheit / die er billich von der ersten Erkantnus an / biß daher / in seinem Sinn / vor den herrlichsten Schatz seiner Glückseligkeit verehret / nicht um solche nichtige Bezahlung verkauffen: sondern gedencken / daß rühmlicher /auch der Tugend / die sich nicht unterdrucken lässet /ähnlicher sey / über die / so uns mit verfälschten Schein betrügen will / in einem freyen Leben / zu herrschen / als in einer Lasterhafften Diensibarkeit /mit dem Verlust unsrer Ehr und Ansehen / gefangen liegen. Macarie! das hochmüthige Weib! verachtet Polyphilum / so gar / daß sie seine Brief nicht erbrechen mögen / ja! welches mehr ist / mit unverantwortlichem Schimpff wieder zu ruck zu senden gesinnet. So viel darff ihr Macarie / die Stoltze / einbilden / daß sie Polyphilum nicht vor ihren Liebsten: als welcher dessen gantz unwürdig; sondern vor ihren Knecht /und das nicht allemal / erwählen will. Gehet demnach in euch / viel-würdiger Polyphile! und bedencket / ob ihr mehr Ursach habt / dieser unbarmhertzigen Herrscherin zu dienen; oder mehr vermögen / sie selbst dienstbar zu machen. Gehet es meinem Schluß nach /wird dieses jenen weit bevor gehen. Was wolt ihr dienen / da ihr könnet Herr seyn? Ist dann keine sonst in der Welt / die Polyphili werth sey? wird Macarie allein leben? Zwar begehr ich euch Macarien / die lieb-würdige Dame / nicht verhasst zu machen: sondern ich will euch / Krafft der Freundschafft / die mich /für euch zu sterben / verpflichtet / erinnern / daß ihr euern Sinn / auf einen würdigern Ort setzet / dann sich / in Warheit! Macarie eurer beständigen Liebe unwerth gemacht / durch ihren Stoltz. Besinnet euch doch / verständiger Polyphile! wie die widerspenstige Macarie euer Gemüth allbereit zum Sclaven gemacht /daß ihr nicht sinnen dörffet / was ihr wollet / sondern was sie befihlet. Erkennet / wie sie euern Leib / durch Entziehung aller freudigen Krafft / ermüdet / daß er nicht mehr Polyphili schöner Leib / sondern viel warhaffter / dessen Schatten zu nennen. Was ist nun die Belohnung? Liebe? Nein / Haß! Ehre? Nein / Schande / Spott und Beschimpffung! Ja! welches das erschröcklichste / von eben der stoltzen und hönischen Macarien / um deren willen / ihr alles erlitten. Wie habt ihr euch doch so heßlich verführen lassen / daß ihr auch wider die Tugend selber / die ihr doch immer so hoch geliebt / zu handeln nicht Bedencken getragen? Gedencket / wie schimpfflich wird von euch geredt werden: Polyphilus / der alle Tugenden beherrschen wolte / muß jetzo der Liebe dienen. Ey so fasset einen andern Muth / lasset das tapffere Hertz nicht so schändlich besieget werden / und richtet euren rühmlichen Sinn von Macarien weg / damit ihr eure Ehr und Glück nicht auf einmal verderbet / und glaubet mir /daß diß die letzte Wort waren / die sie mir / Polyphilo zu hinterbringen / Befehl gab: Polyphilus wird meiner Liebe so wenig geniessen / als ich ihm solche zu gewehren schuldig bin. Das alles aber / obs theils Agapistus / wider besser Wissen / theils wider die Warheit / und den bessern Laut der Wort Macarie / redete / that ers dennoch /bloß Polyphilum von Macarien abzuwenden / weil er derselben Reden / alle vor Warheit und Ernst angesehen / darinnen er aber weit fehlete. Was antwortete nun Polyphilus? Ich weiß nicht / soll ich sagen / die vollkommene Kunst und gelehrte Zunge / oder der Schrecken / oder der erzürnte Grimm seines eyfrenden Hertzens / stieß nachgesetzte Wort / in gebundener Rede / aber mit solcher Grausamkeit / zu seinem Munde heraus / daß sich Agapistus darüber entsetzte /und auf gelindere Wort gedachte / ihn wieder zu befriedigen. Ich gebe dißmal dem Zorn den Preiß / welcher erweiset / wie weit er die Kunst bezwingen könne / wann er das Hertz gewinne / in dem Polyphilus / in seinem Gemach auf und nieder / ohne Vorbedacht / diese Reimen schloß: Ey so bin ich auch frey mein! will sie nicht / so mag sies lassen / Was macht sie dann aus ihr selbst? Sie mag lieben / sie mag hassen / Gunst und Ungunst ist mir eins: weiß ich doch / daß ich wohl werth ihrer bin / wie meiner sie / und was ich an ihr begehrt. Muß sies denn alleine seyn? soll ich mich zu tode kümmern? Ist sonst keine in der Welt / daß ich so ein ängstig Wimmern ihrentwegen treiben solt? Nein / sie ist es nicht allein / andrer Orten wird fürwar auch noch ihres gleichen seyn. Ist die Welt nicht groß genug; ist die Zahl der schönen Frauen nur allein auf sie gebaut? sind nit deren mehr zu schauen / wo nicht hier / doch anderwerts; die so schön / so Tugendreich / höflich / sittlich / züchtig seyn / und in allem ihr gantz gleich? Dencke nur / du Stoltze du! die du dich so hoch erhebest / und mich so verächtlich hältst / daß du nicht alleine lebest / daß die gantze Wett sey voll / und ich bald an deine statt wählen eine andre könn / die mich etwa lieber hat. Sage du / was fehlet mir / daß du mich nit wilt erwählen? bin ich etwa dein nicht werth? O ich will dir andre zehlen / die mich vor dir werth erkannt: denen du in vielen nit bist zu gleichen; glaube nur / daß dir auch noch viel gebricht. Bin ich gleich nicht / was du wilt: kan ichs etwa noch wol werden / und viel eh als du vermeinst. Dann was andre auf der Erden dencken / denck ich eben auch: und was andren offen steht / wird mir nicht verschlossen seyn / wann das Recht sonst richtig geht. Bin ich gleich nicht mächtig reich: bin ich doch auch nie verarmet / meiner hat der Himmel sich immer gnädig noch erbarmet / wer ist reicher nun als ich? meinen Schatz trag ich bey mir / der mich nebret / mehret / ehrt / und versorget für und für. Bin ich dir vielleicht zu grob? wisse / die gezierte Sitten finden sich bey allen nicht: und wo hab ich überschritten / sag mir? die Bescheidenheit. Was ich noch bey dir verübt ist aus Grobheit nicht geschehn; sondern weil ich war verliebt. Ob ich gleich auch bin nicht schön / laß ich mich doch nicht verachten / weil ich auch nicht heßlich bin: solt ich deinen Glantz betrachten / dörfft ich gleichen mich / mit dir: doch wilt du noch schöner seyn / sey es! sey du schön vor dich / bleib ich schön vor mich allein. Oder fehlt mir gravität? bin ich darum nicht zu schelten / auch nicht zu verwerffen schlecht: wann in allen Brunnen quellten gute Wasser; wann / wer wolt / könte nach Corinthus gehn; bliebe / warhafft! keiner nicht auf dem teutschen Boden stehn. Und begehrst du das von mir? Ey! so solt du bald erfahren / daß ich gleich so stoltz kan seyn; daß ich meine Pfeffer-Wahren gebe / wie dein Saffran-Gut: wilt du? seys: wo nicht? schon recht: werd ich etwa noch wol Herr / da ich vor gewesen Knecht. Jetzt sehe eins das erzürnte Hertz Polyphili an / und frage / wo ist die Liebe blieben? Haben wir kein Exempel / daß der Zorn / der nächste Geferte sey / bey der Liebe / so haben wirs am Polyphilo. Aber wie ists müglich / daß die erhitzte Gluth / der feurigen Liene /in eine solche Zorn-Brunst ausschlage; die liebreiche Freundschafft / in eine so verhässige Feindschafft? Ist dann die Gluth der Liebe und des Zorns eins? So scheints fast wahr zu seyn. Und müssen wir hie lernen / daß kein hefftiger Grimm zu erdencken sey / als wann die beste Freunde / uneins werden / denn da schlögt / immer fort / die glimmende Erinnerung /aller deren Gutthaten / und erzeigten Freundlichkeit /in eine helle Lohe aus / die so starck und erhitzt drennet / daß sie nimmer zu leschen. Wie es aber bald-erzürnten Hertzen gemeiniglich zu ergehen pflegt / daß sie eben bald hinwieder begütiget werden / so traffs auch dißmal das Hertz Polyphili: sonderlich / da ihn Agapistus erinnerte / daß Macarie ihre Wort nicht eben so scharff gesetzet /oder so schimpfflich geführet / sondern bloß / wie er muthmasse / ihrer Höflichkeit und gebührenden Zucht / in diesem Fall / etwas zugeben. Welche Erinnerung Agapisti / Polyphilum dahin verführete / daß er gedachte / vielleicht hat Macarie sich vor Agapisto gescheuet / und dem dritten nicht wollen kündig ma chen / was bloß unter zweyen wissend seyn soll. Und weil diese Gedancken / die / ihm bewährte / Vorsichtigkeit / seiner Macarien / nicht wenig stärcketen / fiel der armselige Polyphilus in eine solche Angst / wegen des Verbrechens / so er an Macarien begangen / daß er nicht wuste / wo er bleiben solte. Ach! Ach! fieng er an / was hab ich gethan / edle Macarie! daß ich dich so unschuldig beschuldiget / und so verächtlich gestraffet? wie bin ich doch so blind / so taub / so unverständig worden? Ach! daß ich stumm gewesen wäre / daß diese Läster-Wort nicht durch meinen Mund hätten dringen können. O du lasterhafter Polyphile! scheuest du dich nicht / das unbefleckte Hertz /der Himmel-würdigen Macarien / zu straffen / und /ach! die Göttliche Vollkommenheit zu schimpffen? Ach! allein unsterbliche Göttin unter den Sterblichen! soll Polyphilus / der unwürdigste / daß er zu deinen Füssen liegen solte / begehren / über dich zu herrschen? O du verdammtes Begehren! wer sind sie /sag / verlogener Geist Polyphili! wer sind sie / die meiner allein-schönen / allein-tugendreichen / allein-höflichen / allein-sittlichen / allein-züchtigen / allein-himmlisch-begabten Macarien / Ach! der unvergleichlichen Macarien / zu gleichen? wie dein lasterhafftes Beginnen / auch die verdammte Boßheit / aller höllischen Greuel überschreitet: So wird meine Himmel-beschönte Macarie / aller weltlichen Schönheit und Zierde / den Preiß wegnehmen. Solche und dergleichen Wort viel mehr / führete Polyphilus wider sich selbst / den begangenem Fehl / gegen Macarien / zu entschuldigen: ja es befriedigte auch das die Furcht nicht / weil er ihm / (wie dann der betrübten Gemüther immer fehlen /) fest einbildete / es hätten die /der Macarien gewogene Götter / seine Läster-Wort allbereit derselben heimbracht / darum er / folgende Zeilen / zu Papier setzte / gleich als solten sie dieselbe auch überbringen: aber das war ein Beweiß / der Verliebten Thorheit. Seine Entschuldigung war diese: Was hab ich jetzt gethan? Ach Schmertz! ich bin verführet: ich irre / O der Angst! ich habe grob gefehlt: O weh der grossen Noth! das eben / was mich quält / bau ich mir selber jetzt. Das mich vor dem curiret / wird mir verzehrend Gifft; und ehe michs berühret / will ich vergehen schon: dann nunmehr hats ein End / weil ich sie so besprech / wird sie die zarte Händ mir trauen nimmer nicht: kein Zeichen wird gespüret hinfort mehr werden auch: Nun ist es lauter Dunst was meine Liebe hieß / und ihre Gegen-Gunst. Was hab ich doch gethan? Ach! wäre reuen / bessern / und wäre läugnen nichts: ich spreche lauter nein / ich hab es nicht gethan. Ach! solt / ach! könt es seyn / daß ich blieb ohne Schuld! die Augen wolt ich wässern mit heisser Thränen-Laug: den Lust- und Lebens-Fressern / Angst / Kummer geb ich Raum: und was man senffzen nennt / solt gehen bey mir an: biß / Liebste! sie erkennt / daß meinen Fehler ich nicht nur nicht wolt vergrössern. Ach! solt ich? Nein / ach Nein! besondern diese Stund / ja diese / schlagen mich auf den verlognen Mund. Doch weil das wünschen heisst / nicht aber vollenbringen; und weil die Reu zu spät; auch läugnen hie nicht gilt; was mach ich Armer dann / was rath ich / das mir stillt die heisse Seelen-Qual? soll ich ein Traur-Lied singen? Sie hört es nicht / mein Schatz! auch möcht es nit gelingen / daß / wann sies hörte schon / ihr hoch-erzürntes Hertz begütet werden könt / durch den verdienten Schmertz / weil ich sie hart betrübt: drum will ich lassen klingen die Reue mit der Bitt / sie wolle meinen Mund / nicht mässen diesesmal aus meines Hertzen Grund. So laß dich nun / mein Schatz! Schatz! laß dich doch erbiten / geh nicht mit deinem Knecht / geh ja nicht ins Gericht / sonst bin ich schon verderbt / ich kan bestehen nicht / Wann du mich klagest an. Wo bleiben meine Sitten? Wo meine Höflichkeit? Wie hab ich überschritten die Schrancken aller Zucht? Wo denck ich ewig hin / daß ich so blind / so taub / so unverständig bin? Heisst das nicht grob gefehlt / und unverschämt geritten den Esel / vor das Pferd: was hab ich doch gethan / daß ich mich so versehn / und nimmer helffen kan? Was hab ich doch gedacht / daß ich so trotzig pochte? Aus was vor tollem Sinn hielt ich ihr andre gleich? Da keine / keine nicht / so über prächtig reich an allem ist / als sie? Die einig nur vermöchte / zu fangen mich / durch sich / als sie die Hertzen flochte / durch ihre kluge Wort und trefflichen Verstand / durch ihrer Augen Spiel / durch ihre weisse Hand / die mich entzündte so / daß gleichsam in mir kochte mein gantz-erhitztes Hertz / in Flammen-gleicher Brunst / die mich erlöschen kunt / durch Hoffnung ihrer Gunst. Drum hab ich weit gefehlt / du bist es gantz alleine / und keine mit dir mehr: gleich wie diß Erden-Rund nur eine Sonne hegt / und aller Welt ist kund daß ihr sich gleiche nichts: also bist du die Meine / und sonsten keine nicht / die mir so helle scheine / an Schönheit / Tugend / Zucht / und was sonst mehr gefällt / du bist die Liebste mir in dieser gantzen Welt / die Schönste noch darzu: daher ist / daß ich weine / und was mich schmertzet so: aus lauter Unbedacht und leicht-gesasstem Zorn / hab ich dich so veracht. Nun weil dus besser weist / und weil ein anders zeuget die Sache von ihr selbst; ja! weil die bittre Reu so zeitig wiederkommt / wirst du von meiner Treu / Und was ich jetzt gethan / das sie zu brechen beuget / auch sonsten mich und dich zu trennen ist geneiger / ein Urtheil fällen so / daß nicht ein Zorn-Gericht; besondern Gnad und Gunst / die alle Rechte bricht / auch dein Recht bieg und brech: je höher selbge steiget / je tieffer fällt es nach. Dein Recht sey deine Gnad / und Gunst sey meine Straff / vor meine böse That. Melopharmis sahe den gantzen Handel stillschweigend an / weil sie aber der schmertzhafften Bewegung Polyphili nicht länger zusehen konte: suchte sie Polyphilum zu trösten / mit dem Rath / (weil sie in gleichen Gedancken stund / wegen der Vorsichtigkeit Macarien /) Polyphilus solle Gelegenheit suchen / selber zu ihr zu kommen / alsdann er seiner Sachen könne gewiß werden. Diese Wort trösteten Polyphilum mehr / als tausend andere / die auf Hoffnung und Gedult möchten gestellet seyn / so gar / daß er alles Leids vergessend / nur darauf bedacht war / wie er /wider Wissen der Königin / auf Soletten gelange. Er dachte hin und her / konte aber nichts erdencken; biß etliche Wochen hernach / weil sich sonst keine Gelegenheit ereignete / Agapistus das beste that / der einen Brieff / von seinen Befreunden / zu Agmenpo überkommen / daß er eilig daselbst erscheinen sollte. Es war nunmehr wieder um die Zeit / daß sich Felder und Wälder aufs neue begrünten / welches die lustigste Zeit des Jahrs ist / daher Polyphilus Ursach nahm /dem Agapisto auf Agmenpo das Geleit zu geben / um ein wenig die erstorbene Glieder / so gleichsam durch den Winter vergraben waren / mit einer angenehmen Lentzen-Lufft / wieder zu erwecken: welches dann die Königin nicht wiedersprechen dorffte. Polyphili Schluß aber gieng auf Soletten / dahin ihn vielmehr Agapistus begleiten solte / als Polyphilus diesen auf Agmenpo. Es begleite / wer wolle / sie ritten miteinander / und da sie hinkamen / zu den Befremden Agapisti / wurden sie beyde / sonderlich Polyphilus / weil er fremd war / aufs schönste empfangen / und Gast-frey bedienet / so gar / daß ereinen wenigen Verzug annehmen muste / wie sehr ihn auch nach Macarien verlangte. Doch verrichtete Agapistus seine Geschäffte / so schleunig er mochte / und eilete / nach abgelegter Dancksagung / mit Polyphilo / von seinen Freunden /auf Macarien zu. So bald Polyphilus sein Pferd erstiegen / freuete sich schon das Hertz / wegen der nun künfftigen Beschauung / seiner so langverlangten Macarien / deßwegen auch / selbsten das Pferd / hurtiger und kühner springen muste / daß er damals ritte. Es war eben das hinwieder / welches ihn / vor dem / von dem Schlitten geworffen / und solte eins wohl gedencken / Polyphilus hätte bey demselben kein Glück haben sollen. Denn da er auf Soletten kam / war Macarie nicht da / der erste Ritt war zum Talypsidamo /durch dessen Schiff er eingeholet wurde / und nachdem er vernahm / wie vor einer kleinen Weile Macarie ans Ufer gefahren / sich mit einen frölichen Spat zier-Gang zu ergötzen / ließ er sich auch gleich übersetzen / und nachdem er dem Schiffmann Gebot geben / allda zu verharren / ritte er / mit vollem Sporen-Streich / den Weg hinan / welchen Macarie solt gesuchet haben. Agapistus etzte ihm / mit gleicher Hitze / nach: beyde aber funten sie nichts / deßwegen sie wieder zuruck / und ins Schiff eileten / Macarien in der Insul zu erwarten. Polyphilus erinnerte / daß sie nicht an dem Ort aussteigen dörfften / wo sie eingesetzen / weil sonsten das Gerücht von ihm / in der gantzen Insul / erschallen würde; deßwegen sie besser / mit dem Fluß / abwerts schiffeten / und unter der Insul ausstiegen: aber zu Polyphili Schaden. Dann Macarie ihre Wiederkehr / durch den öbern Port nahm / als die gar nicht ausgestiegen / oder aufs Feld kommen / sondern ihr lediglich gefallen lassen / um die Insul herumzufahren. Alsbald ließ Polyphilus Talypsidamum holen / und eröffnete ihm den Widerwillen Macarien. So bald aber Talypsidamus Agapistum erkannte / da solt eins ein Umfahen / ein Dancken /ein Freuen gesehen haben: welches jetzo zu erzehlen die Noth Polyphili nicht zuläst / die bloß von Macarien reden heisset. Talypsidamus hinterbrachte Polyphilo / daß der Widerwille / von dem bösen Nachklang / herrühre / welchen seine neuliche Besuchung verursachet: tröstete ihn doch dabey / daß / so er zu ihr kommen werde / sie dessen allen vergessen / und seine Liebe vor alles werde gehen lassen. Aber dißmal hatte ihm das Sonnen-Liecht / die Gegenwart Macarien / nicht gegönnet / weil diese zu lang ausblieb / jene aber ihre Strahlen zuruck zog /und die nächtliche Finsternus drohete. Daher Polyphilus gezwungen / dem Talypsidamo einen Gruß an Macarien zu befehlen / welchen er auch gehorsamlich abzulegen versprach. Und weil Polyphilus unverrichteter Sache wieder fortreiten musie / kan eins leicht gedencken / mit was Betrübnus er geritten. Ich sage: unverrichteter Sache; dann Macarien sabe er nicht: aber Macarie sahe ihn / als die wider Wissen Polyphili /aus einem ihrer Freunde Haus / zum Fenster absahe /da Polyphilus fürüber ritte. Die Forcht / so sie /wegen der Gegenwart Polyphili / schröckete / ließ nicht zu / daß sie ihm / wie gern sie auch gewolt /weiter nachgesehen. Ihre Gedancken aber begleiteten ihn / biß auf Sophoxenien. Was thut nun Polyphilus /da er Macarien nicht gesehen? Er beklaget sein Unglück / und die harte Bedrangnus seiner Liebes Pein /welche um desto mehr verwehret wurde / daß er ihm die Antwort Agapisti wieder zu beeyfern vornahm: deßwegen er sich setzte / und mit folgendem Gedicht seine Zeit kürtzete: Von der Stunde / da ich dich / hertzter Schatz! mit Schmertzen lassen und verlassen muste gar; da ich dich nicht konte fassen und umfassen mehr nach Wunsch / bin ich / weiß nicht / wie so bald / aller meiner Sinn beraubt / und vor Jahren worden alt. Meine Augen schliessen sich / weil sie können nit mehr sehen / was sie sahen jenesmal; mein Geruch will mir vergehen / weil die schöne Rose fällt; und weil sie mir keine Wort gönnet / will auch das Gehör von mir weichen / gehen fort. Mein Geschmack ist gantz dahin / weil mir ist der Mund entzogen / dessen Honig ich gekost / dessen Nectar hat gesogen einmal mein beglückter Mund; und was sag ich von der Hand / die nichts fühlet / weil sie jetzt hat die ihre weggewandt? Alles ist nun ewig todt! alle die Empfindlichkeiten sind geraubet überall / zu den hoch-betrübten Zeiten / die mich rauben / Schatz! von dir; ja! das Leben selbst ist todt / und mein Hertz lebt ohne Hertz; fühlet bittre Todes-noth. Meine Kräffte trocknen aus / meine Lust ist mir vergangen / we der Wind geschwinde weht: ewig Grämen / immer bangen schickest du mir immer zu: keinen Trost hat meine Seel / weil du mir entnommen bist / daher ich mich ewig quäl: Weist du nicht? O meine Pein! (wie kan ich dich anderst nennen und was bist du besser auch?) must du selber nit bekennen / daß ein einger solcher Tag / da ich dich nicht konte sehn / dauchte mir viel hundert Jahr? Ach was wird dann jetzt geschehn / Ja! ach ja! was wird geschehn? Nun ich dich soll gar verlassen / wie du ewig mich verläst: soll ich dich nit mehr umfassen? Ey so bin ich lebend tod! Ja es ist nun aus mit mir / weil ich / wie ich deine bin / also auch nur lebe dir. Leb ich dir? so bin ich ja dir zugleich auch abgestorben / weil du mir gestorben bist: sterb ich dir? bin ich verdorben / wie du dich verderbet mir: Aber ach! der schlechten Treu / die ich klage Gott und dir / daß sie so verfälschet sey. Jetzo muß ich erst gestehn / was ich offt nit wollen glauben noch mir konte bilden ein: daß ich pflege zu berauben seiner Freyheit / seiner Lust / jederman / so ist verliebt / und in Sorgen / und in Leid / sitzen / liegen / seyn betrübt. Doch wer weiß / was Gott gedenckt / ob nicht das geschwinde Reuen bey dir / Liebste! wiederkehr? Ob er mich nit woll erfreuen wiederum durch deine Noth / wie er mich durch deine Freud / hat gesetzet / hat gebracht / in so schweres Hertzenleid. Du wirst / weiß ich gar gewiß / selber noch bey dir gedenken. daß er immer wieder käm! möcht er nur sein Hertze lencken einmal wieder her zu mir! warum hab ich das gethan? warum hab ich ihn veracht / den ich nun nit haben kan? Was halff aber Tichten und Sinnen / da das Werck nicht tröstete? Der Verlust seiner Macarien / so ihm der Verzug drohete / führete ihn zum andernmahl auf Soletten: aber mit gleichem Unglück / denn damals war Macarie / gar an einen andern Ort / verreiset: da er aber zum drittenmal vergeblich ritte / (welche Reisen weitläufftiger zu beschreiben / mehr einen Verdruß / als Nutzen schaffen würde) fehlete nicht viel /daß die Betrubnus sein Hertz ersticket. Dann er gedachte / entweder sind mir die Götter selber zuwider /oder Macarie lässet sich verlaugnen: welches letztere ihm sehr scheinbar vorkam / weiln er keinen gewissen Grund / ihrer Abwesenheit / vernehmen konte. Talypsidamus war immerfort ein getreuer Besucher Polyphili / so offt er gen Soletten gelangete / der ihn aber allezeit / mit vergeblichem Trost / abspeisete. Da sie nun wieder zu Pferde waren / (dann Agapistus war dißmal wieder bey ihm) fieng Talypsidamus an / wie er einen Klöpper habe / der dem Polyphilo nicht übel anstehen würde / dafern es ihm beliebe solchen zu sehen / stehe er zu seinen Diensten. Polyphilus bedanckte sich dessen vor dißmal / versprach aber /daher Ursach zu nehmen / wann ihm die Zeit bessern Raum gestatte / nochmaln zuzusprechen / und damit machten sie sich wieder auf Sophoxenien zu. So bald Polyphilus in sein Zimmer kam / setzte er sich / seine dreyfache vergebliche Reiß mit Reimen zu beklagen /und mit einem Trauer-Liedlein zu besingen / folgendes Thons: Ach! wie lange! ach! wie lange! wirst du / Schatz! entrissen mir: Das mir machet Angst und bange / das mich schmertzet für und für: Weil ich bin von dir geschieden / und muß dennoch seyn zu frieden. 2. Ja zu frieden! weil ich sehe / daß es nicht kan anderst seyn / dann ob ich dir offt nachgehe / wird mir niemals doch dein Schein ach! gegönnet / gantz entzogen / als wärst du davon geflogen. 3. Das ist / das mich so betrübet / das mich quälet also sehr: Weil mich nicht die Liebste liebet / sondern hasset mehr und mehr: Diß ist meine Klag / mein Weinen / daß sie mir nicht will erscheinen. 4. Dencke selbst / wann du magst dencken / wie mir doch zu Sinne sey? Wann du nicht wilt wieder lencken. dich zu mir / und bleiben frey / ohne Liebes Banden leben / dich der Einsamkeit ergeben. 5. Alle Stunde sind mir Jahre / alle Zeiten / Ewigkeit: Seither ich von dir erfahre / daß du dämpffest meine Freud / weil du dich wilt nimmer lassen von mir sehen und umfassen. 6. Ein- und zweymal hab ich können wohl um dich vergebens gehn: ja! das dritte mal dir gönnen / ob ich dich gleich nicht gesehn: Aber laß mich mehr nicht fehlen / wilt du mich nicht ewig quälen. 7. Ob du schon / wie du wohl meynest / deiner mich unwürdig hältst; und deßwegen feindlich scheinest / auch so widerwillig stellst: wirst du / weiß ich / doch bald sagen / möcht er wieder nach mir fragen. 8. Ich zwar kan dich nicht verlassen / wann nur du mich nicht verlässt. Doch wann du wilt immer hassen mich / den jetzt das Unglück presst: werd ich / wann ich komm zu Ehren / dich hinwieder nicht erhören. Eben war das Gedicht verfertiget / als die Königin Polyphilum holen ließ / um zu vernehmen / wo er mit Agapisto hingeritten wäre: weil sie wider ihr Urlaub abgeschieden. Deren Polyphilus antwortete / daß sie durch den Wald spatzieret / auf das nächste Dorff /allda sie vernommen / daß ein schönes Roß zu verkauffen sey / welches sie besehen wollen / hätten aber den Verkauffer verfehlet. Die Königin glaubte das alsbalden / und vermeldet / wie sie gesinnet / eins zu erkauffen / dafern sie was gutes antreffen könte. Dessen Polyphilus erfreuet / alsbald verspricht / seinen Diener / morgendes Tages / abzuschicken / und das Pferd der Königin vorzureiten: welches sie bewilliget. Indessen Polyphilus noch andere Gespräch mit der Königin wählet / kommt Agapistus uber vorgesetztes Lied / welches Polyphilus auf dem Tisch liegen lassen / und setzte ihm / zu einem vergeblichen Trost /und nichtiger Freude / diesen Gegen-Satz: Ach! nicht lange / ach! nicht lange / werd ich seyn entrissen dir / laß darum dir seyn nicht bange / daß du bist so weit von mir / daß du bist so weit entschieden sey / mein Kind! sey nur zu frieden. 2. Ja zu frieden! du wirst sehen daß es bald wird anderst seyn / wirst du einmal nur noch gehen zu mir / wird der Liebes Schein dich bestrahlen und beglücken / dein zerschlagnes Hertz erquicken. 3. Drum wollst du dich nicht betrüben / auch nicht quälen also sehr: Ich / die Liebe will dich lieben / hassen nun und nimmermehr: Laß die Klag: hör auf zu weinen / bald bald will ich dir erscheinen. 4. Dencke nicht / wie soll ich dencken: weist du wie mein Hertze sey? Ob ich / oder nicht will lencken mich zu dir? Ich lebe frey: aber doch nicht ohne Lieben / wie kan dieses dich betrüben? 5. Stunde sind noch keine Jahre; keine Zeit / ist Ewigkeit / weist du / wie auch ich erfahre / daß du schröckest mein Freud? Doch will ich mich wieder lassen von dir sehen und umfassen. 6. Hast du ein- und zweymal können wohl um mich vergebens gehn / auch das dritte mal mir gönnen / ob du mich gleich nicht gesehn: Solt du forthin nicht mehr fehlen / daß du dich nicht mögest quälen. 7. Wirst du meynen / was ich meyne / wissen / was ich denck und dicht / und warum ich feindlich scheine / wirst du mich verdencken nicht: Dörfft ich / was ich dencke / sagen / wolt ich öffters nach dir fragen. 8. Kanst du / Liebster! mich nicht lassen: Ich verlaß dich wieder nicht: Und ob du mich woltest hassen / und vergessen deiner Pflicht: wolt ich dich doch ohne Ehren williglich hinwieder hören. Der Schertz gefiel Polyphilo sehr wohl / so gar / daß ers zu einem guten Zeichen deutete: mehr aber erfreuete ihn / daß er die Königin / zu seinem Nutzen /mit Warheit betrogen hatte / dann er gedachte: jetzt kan ich meinem Diener / der mir in allem getreu ist /einen Brief auf Soletten / an Macarien mitgeben / den ich so stellen will / daß sie mir entweder antworten muß / oder / durch verwaigerte Antwort / ihren Widerwillen öffentlich bekennen. Wie der Rath beschlossen / so gieng das Werck von statten / Polyphilus verfertigte nachgesetzten Brief / und schickete Servetum (so hieß der Diener) unwissend der Königin / zusamt Melopharmis und Agapisto / damit auf Soletten zu / gab ihm auch von allem Bericht / daß er nicht fehlen konte. Der Brief lautete also: Kunst- und Tugendreiche Macarie! Mit was Betrübnus ich gestern / ohne ihr Besprechen / durchgeritten; und mit was Schmertzen / ich jüngsthin / von Agapisto / dem Getreuesten meiner Getreuen / die schimpffliche Verachtung / meiner wohlgemeinten Schrifft vernommen: kan sie selber leicht erachten / wofern sie einmal so unglück selig gewesen / als ich mich jetzt bekennen muß. Zwar bin ich selber dessen Schuld / und hätte mich billich / wie sonst allezeit / besser versehen sollen: Wann ich aber dero guten Willen / und mir erzeigten Gunst / mich erinnert / habe ich nicht gehoffet / daß sie meine /wiewol unbegehrte / doch nicht gar verwerffliche Treue / also sehr verunehren würde. Gleichwohl aber /weil vielleicht ihre gebührende Zucht und Sorgfältigkeit / Argwohn zu verhüten gedencket; und ich daher /wiewol sehr ungewiß / schliesse / daß mein Brieflein um derentwegen nicht erbrochen worden: als habe ich zwar eines theils einen betrüglichen Trost und verführende Hoffnung: doch weil keines ohne Grund bestehen kan / bitte ich / durch eben die Treu / so ich ihr ungefordert verspreche / sie wolle mich entweder den Seeligsten / durch die geringste Gunst ihrer Freundlichkeit / auf dieser Welt / leben lassen / und meine wenige Zeil einiger Eröffnung würdigen: oder den Unglückseligsten / durch höchste Betrübnus / sterben heissen; welches dann künfftig ist / wofern ich nicht bald berichtet werde / daß meine Briefe / von ihrer begnädigten Hand eröffnet / den erleuchtenden Augen durchlesen / und mit dem verständigen Hertzen / nach Recht und Billigkei / erkläret werden. Kans dann nicht / nach meinem Wunsch / ergehen / so ist dieses noch meine Bitt / daß sie mich so viel würdigen wolle / und an das getreue Hertz gedencken / welches die Zeit seiner Verstossung / mit nichts / denn traurig-betrübten Gedichten / in sorgen-voller Einsamkeit /zubringet / entweder sich mit denselben betrüglich zu trösten / oder wahrhafftig zu betrüben. Doch sey es /ihrentwegen erleide ich alles / und durch ihre Liebe /nenne ich mich / so lang ich lebe / und sie begehret /den Unglückseligen. 7. Absatz Siebender Absatz Beschreibet die Beantwortung der Macarien / auf die Briefe Polyphili / und dessen Verwirrung / über die versteckte Wort / auch wie listig er dieselbe wieder beantwortet: Lehret / daß Tugend-Erwerbung / auch bißweilen / eine verführende List zulassen / wann die offne Warheit schädlich oder gefährlich scheinet. Drey Briefe auf einmal zu beantworten / ist fast schwer: schwerer aber die Entschliessung / ob sie zu beantworten seyn. Den Gegen-Rath bewähret die Einsamkeit / zusamt der tragenden Furcht / es möchte sie ihre Hand binden: Die Ja-Wahl erzwinget gleichsam /im Gegentheil / Servetus / der inständig / vielleicht aus seines Herrn Befehl / um eine Antwort anhielt / in dem er vorgab / es werde / ausser derselben / Polyphilus nicht glauben / daß er den Brief ihren Händen überreicht: selbst auch dieser forderte ein Gegen-Schreiben mit Gewalt / das sie nicht abschlagen dorffte / wolte sie nicht den Namen führen / als hätte sie sich dem Verderben Polyphili verschworen / oder der Verachtung schuldig gemacht. Darum sie nach langem Bedencken / so schön / als verständig / folgende Erinnerung an Polyphilum abgehen ließ: Edler Polyphile! Ob ich wohl wenig Ursachen gehabt / eure überschickte Brieflein zu erbrechen / in Betrachtung / daß derselben Uberschrifft / allein die Hände seiner Liebsten gefordert / mir aber selbige beyzulegen / die grösseste Vermessenheit wäre: so hab ich mich doch /durch diesen letzten bewogen / endlich solche zu öffnen unterwunden / und mit diesen wenigen Zeilen / zu beantworten erkühnet. Aus derselben Inhalt nun /habe ich euer / ohne Noth / verunruhigtes Gemüth /mit gleichmässiger Verwirrung / verstanden / oder vielmehr gelesen / weil ich eure Bewegung / und derselben Ursachen / mit meiner schwachen Vernunfft / nicht erreichen kan. Dann / edler Polyphile ! mit welchem Recht / nennet ihr mich eure Allerliebste / euren Schatz / eure Auserwählte / und dergleichen? welche Namen ich weder verdiene / noch annehme. Was vor Treu und Beständigkeit könnet ihr von mir fordern / da ich euch doch in keinerley Wege verpflichtet zu seyn vermeyne? Und durch welche Schönheit und Verstand werdet ihr mich zu lieben gezwungen / weil ich dergleichen Gaben niemaln gehabt? Trettet auf / und erweiset / nach eurem trefflichen Verstand / die Vollkommenheit / so ihr mir beyzulegen scheinet / so will ich glauben / daß ihr mit Billigkeit liebet. Sehet! wie ihr euch eure selbst-gemachte Liebe verleiten / und eure helle Vernunfft also blenden lasset / daß ihr schreiben dörffet / ich würde die jenige seyn / die euren Wunsch erfüllen / und eurem Verlangen ein Vergnügen thun könte. Mit welchen Gründen gedencket ihr dieses zu behaubten? Empfindet ihr so hoch die geringe Freundschafft / in welche wir / bloß durch das blinde Glück / gerathen /und wollet mein unwürdiges Gespräch / darinnen bäurische Einfalt die grösseste Zierd gewesen / euch zu solcher hefftigen Passion verleiten lassen / so wundert mich / wie ihr euer selber vergessen / als welcher gebohren ist / viel grössere Glückseligkeit zu erlangen. Gedencket doch / edler Polyphile ! würdet ihr nicht das grösseste Unrecht an euch selbst begehen / wann ihr euer Glück / mitten im Lauf / zu ruck ziehen / und an einen solchen Pfahl binden woltet / welchen ihr allbereit in tausenderley Widerwertigkeiten umgeben sehet. Zwar Verachtung habt ihr / Edler Polyphile ! bey mir nicht zu fürchten / welche mir alleine gebühret / sondern ich ehre euren Verstand und Verdienst /wie sie es würdig sind: aber einen Liebsten zu erwählen / ausser dem jenigen / dessen Asche allbereit sanft ruhet / sein Gedächtnus aber / so beständig / in meinem Hertzen / lebet / als die Seele der himmlischen Freude geniesset / würde nicht allein allen meinen Gedancken / welche jederzeit dem Grab näher / alsdem Braut-Bett gewesen / sondern auch meinem Vorsatz /der steten Einsamkeit / allerdings entgegen lauffen /und einem Laster am allergleichesten seyn. Derowegen bitte ich euch sehr hoch und freundlich / ihr wollet eure Gedancken auf einen vollkommenern und glückseligern Ort richten / mir aber diese einsame Ruhe / neben eurer Freundschafft / erlauben / auch meiner künfftig / mit solchen Brieflein / die seiner Liebsten höchstnachtheilig / und zu allerhand müssigen und gefährlichen Reden Ursach geben / verschonen: dann widriges Falls / wo ihr in eurem Vornehmen verharren / und meinen Vorsatz halßstarrig bestreiten würdet / müst ich euch / nothwendig / vor meinen Feind erklären: da ich doch vielmehr eure Freundschafft verlange / und nicht zweifle / ihr werdet eure Freyheit / als das edleste Stück / menschlicher Glückseligkeit / besser beobachten / und allerdings erkennen / daß ich mich erwiesen / als eurer Wohlfahrt beständige Freundin: Macarie. Was wird Polyphilus in diesem Brief zu erst verwundern / was wird er rühmen / die Zierlichkeit der Rede /oder die künstliche Verfassung? Wer / biß daher /nicht glauben wollen / daß in Macarien mehr als weibliche Kunst und Klugheit / ja! männlicher und übermännlicher Verstand sey / der nehme die Prob von dieser Schrifft. Wir wollen aber sehen / was Polyphilus thut. Eben war er mit der Königin im Vorhof /als Servetus das Pferd brachte / welches Polyphilus vorreiten ließ: weil es ihr aber nicht gefallen wolte /ertheilte sie Befehl / dasselbe zu füttern / und wiederum fort zu schicken. Indessen hatte Servetus dem Polyphilo ein Zeichen gegeben / als hätte er heimlich mit ihm zu reden / deßwegen er die Königin in ihr Zimmer begleitete / und eilig widerkehrte / um zu vernehmen / was Macarie gesagt habe. Servetus richtete den anbefohlenen Gruß aus / und überreichte den Brief. Nun solte eines die Freud-jauchzende Geberden /und das springende Hertz Polyphili ansehen / würde er gnug zu verwundern haben. Mit wieviel Kussen empfieng er die schöne Schrifft? Wie druckte er dieselbe an seine Brust? Er sprach bey sich selber: Das ist ja die Hand Macarie / diese Buchstaben sind durch ihre Feder gezogen: ihre zarte Finger haben diß Siegel gedrucket / das ich jetzt lesen soll! Ey so Sey willkommen tausendmal / Hertz-verlangte Freuden-Schrifft! Sey willkommen theures Pfand! laß dich tausendmal auch küssen / laß mich drucken dich an mich / laß mich einsten des geniessen / wornach mich verlanget so: tilge das verzehrend Gifft meiner kümmerlichen Pein / da die Furcht die Hoffnung trifft / und hinwieder diese sie: daher rühret mein Verlangen / das mit Angst und Leid erfüllt: das mich machet stetig bangen / stets unruhig / nie vergnügt: komm / du Werthe! komm und stifft neue Freundschafft / neue Freud: du weist die verdeckte Sinnen / du / du kennst des Hertzens-Grund / den ich nicht erkennen können. drum so komm / du liebe Schrifft! öffne den verschlossnen Schrein / meiner Liebsten! was sie denckt: will sie traurn oder klagen sag mirs bald / was sie dir traut / daß du mir jetzt sollest sagen / ich erbrech dich: ist sie lieb / will ich wieder Liebster seyn. Nun lieset Polyphilus den Brief durch. Wunder /Schrecken / Freude / Betrübnus / Hoffnung / Verlangen / Trost und Bestürtzung / überfällt Polyphilum /in solcher Menge / daß er bald zur Erden sincket. Wunder verursachete die verständige Schrifft; Schrecken / der Abschlag; Freude / die begehrte Freundschafft; Hoffnung / die zweiffelhaffte Erklärung; Verlangen / die Ungewißheit der Liebe; Trost / die Versprechung beständiger Gewogenheit; Bestürtzung /der Beweiß seines Irrthumbs. Er laß hin und her / und konte doch nicht finden / was er suchte: biß Agapistus und Melopharmis / die da zugegen waren / ihm halffen erklären. Nun solte eins die widerwertige Deutungen anhören / die diese Dolmetscher herbey brachten. Agapistus / als welcher wuste / was Macarie mit ihm geredt / erwieß ihren Widerwillen / aus dem / daß sie ihn vor ihren Feind erklären wolle: welches gar ein hartes Wort war in den Ohren Polyphili. Den widerlegte Melopharmis / mit den ausdrücklichen Worten /daß sie mehr seine Freund schafft verlange. Ja / sagte Agapistus / was für eine Freundschafft? Viel ein anders begehrt Polyphilus / als Macarie verspricht. Polyphilus aber selber quälete sich mit den Worten / die ihm ihre Liebe so mächtig widerrathen dorfften /daher er den Widerwillen Macarien / mit Händen greiffen muste. So verwirret wurde endlich Polyphilus / daß er / mit webklagender Stimme / anfieng: O Unglücks-volle Stund! die mich anheut beglücket; O hochbetrübte Zeit! die mich mit Freuden füllt; und das verzehrend Gifft dennoch nicht in mir stillt: O voller Schmertzen Tag! der mich mit Ubel drücket; Wie ist mir / ach! zu Sinn? Ich lebe gantz entzücket / weil / was ich weiß / nicht weiß; und was ich jetzt gesehn doch nicht verstehen kan: wie ist mir dann geschehn? Ich bin nicht / der ich bin: mein Sinn ist mir verrücket; mein Hertz ist ohne Hertz: es weichet mein Verstand / und kan begreiffen nicht / was meiner Liebsten Hand mir zu begreissen gibt. So viel ist sie gelehrter / und klüger noch dabey: daß sie mit ja und nein / auf einmal dancket ab: ich muß zu frieden seyn / und bin es hertzlich gern: werd sie nur nicht verkehrter. Freylich muste er zu frieden seyn / und wäre zu wünschen gewest / daß nicht noch verkehrtere Betrübung / so wohl bey Macarien / als Polyphilo nachgefolger; davon wir hernach melden wollen. Da sie nun nichts miteinander richten konten / und nicht einig werden in ihrem Schluß / gedachte Polyphilus / die beste Erklärung sey die / so er glaube / und hoffe / die ihm keiner besser vorlegen könte / dann er selber / deßwegen er Agapistum und Melopharmis ersuchte / sie möchten ihm / durch ihren Abtritt / eine wenige Einsamkeit gönnen. Als das geschehen / rieff Polyphilus all seine Sinne zusammen / und fieng an / den Brief / mit solcher Behertzigung durchzulesen / daß ich dächte / da etwas zu verstehen wäre / must ers verstehen: aber es war vergebens. Er wiederholete ihn zum andern- zum drittenmal / wuste doch so viel / als vor / ja und nein /Freund- und Feindschafft wolte sich nicht zusammen schicken. Da er nun auch das viertemal sich vergeblich bemühete / legte er den Brief vor sich auf den Tisch / sahe ihn sehnlich an / und stellete sich / als wollt er mit ihm reden / fieng auch folgende Wort an: Diß ist das vierte mal / daß ich dich durchgelesen / du Kunst-versteckter Brief / und kan doch nicht verstehn / was du mir deutest an / und wo die Wort hingehn / die du behältst in dir? wie kan ich so genesen / wann ich im Zweifel steh? das List verführte Wesen macht / daß ich ächtze mehr. Bald zeigest du mir Gunst / bald wieder grossen Zorn. Das ist die rechte Kunst / die zum Verderben führt. Wär ich vor dem gewesen beym weisen Salomon; könnt ich / was jener konnt / des Sphingis Wort verstehn; und wäre mir vergonnt / wie den Philistern dort / mit Simsons Kalb zu pflügen: möcht ich wol treffen ein. Doch will ich / wie ich kan / ein jedes deiner Wort / mit Ernst-Fleiß sehen an / biß daß ichs recht versteh: es wird mich ja nicht trügen. Damit fassete er den Brieff wieder an / und laß ihn zum fünfftenmal. Aber wie? Alle Wort erwägte er sonderlich / so gar / daß / da man von einem Brief sagen will / er sey / wie wir Schertz weiß zu sagen pflegen / zerleget / so sage mans von dem Brieff / der schönen Macarien. Wir wollen uns aber in demselben nicht länger mit Polyphilo aufhalten / damit wir die Geschichts-Beschreibung nicht mehr verlängern / als kürtzen: sondern widerum zu Melopharmis kommen /und deren Anschläge vernehmen. Das können wir noch melden / daß er / mit allen seinen dencken / dennoch endlich nichts richtete / sondern sich je länger je tieffer in die Unwissenheit versenckete / sonderlich wann die zufallende Betrübnus seinen bekümmerten Verstand blendete / daß er sich nicht besinnen konte. Daher er gezwungen wurde / fremden Rath zu suchen. Den er bey Melopharmis fand / welche ihn dergestalt anredete: Betrübter Polyphile! da ihr meinem Rath folgen woltet / sollet ihr wieder an Macarien schreiben / weil ihr jetzo Gelegenheit habt / und die Antwort so stellen / daß ihr euch bedancket / vor die Erfüllung eures Verlangens / und Befriedigung eurer Unruh; damit sie nicht anders glaube / als ihr habet den Brieff voller Liebe angesehen. Die Erinnerung aber / so darinn geschehen / und den Widerspruch könnet ihr annehmen / und euch bedancken / doch so /daß ihr die Erkantnuß / ihrer heimlichen Liebe / so unter denen Worten verborgen / mercklich eröffnet /dann so wird sie gleichsam aus eigenen Worten überzeuget werden: und könnet ihr / desto rühmlicher / sie entwederlieben oder verlassen. Der Anschlag war gut / und gefiel Polyphilo / zusammt Agapisto sehr wohl: wie er auch hinzu setzte: wann Polyphilus klagen wolte / daß sie ihn verlassen /würde er sich selber verwerffen / dafern er aber sich bedancken / und ihre angebotene Freundschafft zur Liebe deuten würde / würde er sich zum wenigsten dem Hertzen der Macarien / näher und mächtiger verbinden. Polyphilus muste eben lachen / über die spitzfündige Verführung Melopharmis / weil sie ihre Rede beschloß; ist Macarie klug / wollen wir wieder klug seyn: daran aber viel fehlete; doch versuchte Polyphilus sein Heil / und verfertigte folgende Antwort an Macarien. Beständige Freundin! Derselben höchst-verständige Erinnerung / hab ich /schuldiger Gebühr nach / und zwar nicht ohne besondere Vergnügung alles meines Verlangens / angenommen: weiln ich allerdings zufrieden / und frohes Hertzens seyn kan / indem ich dessen vergewissert lebe /daß mich dennoch die Tugend-bereichte Macarie /vor einen verlangten Freund halten will! weiln ja die vorgesetzte stete Einsamkeit / ihre Gedancken noch immer will zu Grabe schicken: daher ich billich ihre grosse Treu und Beständigkeit / auch gegen die verstorbene / zu rühmen und zu verwundern habe / die werth ist / daß sie von vielen / zu einer endlichen Belohnung gleicher Treue / begehret werde. Ich / meines theils / muß bekennen / daß ich gefehlet / indem ich mich nicht gescheuet / ihre beliebte Einsamkeit / mit meiner Begrüssung / zu verstören: doch weil der Fehler nicht so wohl mir / als ihrer Schöne / Tugend und Verstand / (welche gar leicht / mit starcken Gründen /könten behaubtet werden /) zuzuschreiben ist / als die mich dahin verleitet: hoffe ich von eben derselben gleichfertige Vergebung / und entschuldige mich / mit dem Versprechen / daß ich hinfüro ihrer so verschonen will / damit sie keine Ursach habe / mich vor ihren Feind zu erklären. Unterdessen aber / weil sie meine Freundschafft verlanget / bitte ich / Krafft solcher / und so viel ich in deren Versprechung / bitten kan / dasern sie mich / ja nicht / vor den Liebsten / erkennen will / wolle sie mich dennoch / vor etwas lieber halten / als sonst die gemeine Liebe befiehlet / nur darum / weil ich sie höher und vortrefflicher schätze /als daß sie / im untern Grad / solt geliebet werden. Sie bleibe die beständige Freundin meiner Wohlfart / wie sie versprochen / so wird sie hinwieder erkennen / daß ich / mit gleicher Bedingung / bleiben werde / auch ihrer Wohlfart beständiger Freund: Polyphilus. Klug war das alles angefangen: aber Macarie war noch klüger. Denn so bald sie den Brief vom Serveto erhalten / und durchlesen / merckte sie gar leicht /wohin die Verführung zielete: deßwegen sie dem Serveto nichts mehr antwortete / als daß es schon gut sey. Damit er wieder zu seinen Herrn kam / der vergeblich auf Gegen-Antwort wartete. 8. Absatz Achter Absatz Beschreibet die Verleitung Polyphili / zu der Liebe einer andern / Apatilevcheris genannt / und wie schändlich er sich von derselben bethören lassen: Lehret / wie die Tugend-gezierte am erschröcklichsten irren / wann sie Laster / unter dem Tugend-Schein / nehren / und sich unvorsichtig betrügen. Nun wollen wir Macarien eine Weile ruhen lassen /und sehen / was sich sonsten ferner mit Polyphilo begeben. Es schickte sich / daß Atychintida / nöthiger Geschäffte halber / an einen fremden Ort / Naömens Monteno verreisen muste / deßwegen sie Polyphilum zum Geferten ansprach / welches er auch nicht abschlagen dorffte. Zu dem kam es nicht ungelegen /sonderlich jetzo / da es wegen Macarien unruhige Gedancken erlitte / die er mit der Reise-Lust vertreiben könte: wie dann allerdings / aber anderst / als Polyphilus gedachte / geschahe. Dann anlangend die Beschaffenheit des Orts /mochte ihm selbige wenig Ergötzung bringen / weil es ein bergicht und felsicht Land / mehr einer Wildnuß gleich war / als einer Wohnung so lob und liebwürdiger Besitzer / wie er nach dem antraff. Dann da sie noch ferne von dem Ort waren / wurden sie / durch die Gesandte / so der Herr desselben Orts / ihnen entgegen geschicket / höflich empfangen / und eingeholet. Und da sie auf die Burg kamen / empfieng Heroarcha / (so hieß der Herr des Orts /) zu erst die Königin / nach deren Polyphilum / und den Sohn Melopharmis / auch die übrige / so sie mit sich geführet: desgleichen that Apatileocheris / seine Ehr-Geliebte /die so freundlich / als schön war. Der erste Anblick derselben gefiel Polyphilo so wohl / daß er sie fast lieb gewann: da ihn nicht die Tugend selber Verbot geben hätte / sich seiner Macarien zu entziehen / und jene ihrem Geliebten zustelen. Allein was thut das Gifft der blinden Liebs-Verführung nicht? Was bey Polyphilo zu förchten war / das hatte bey Apatilevcheris allbereit das Hertz eingenommen / welches sich so bald sehnete / mit Polyphilo Gespräch zu halten. Und wie die Laster ehe Gelegenheit überkommen / als die Tugend / schickte sichs gar artig / daß alle Reden /Polyphilo zu beantworten / von der Königin aufgetragen wurden. Polyphilus hielt in allem / so viel ihm müglich / Höflichkeit und Zucht: allein das Hertz Apatilevcheris / brandte in einer Gluth / unverberglicher Liebe / darum sie Polyphilum offt und offt / mit so beschönten Strahlen anwarff / daß er leicht vernehmen konte / was sie wolle. Wie nun das menschliche Hertz / sonderlich in den Liebes-Blicken verführisch /und ein Laster das ander reitzet / als empfand auch das Hertz Polyphili eine glimmende Liebes-Bewegung / gegen der allzufreundlichen Apatilevcheris / zu dem nicht wenig helffen wollte die Erinnerung des Widerwillens / so er bey Macarien / zeither gespüret /auch die Ungewißheit / ob ihm Macarie seine getreue Liebe belohnen werde: welches alles die Liebe gegen Apatilevcheris gar leicht verstärcken konte. Sonderlich verführeten die Augen Polyphili / die allzuschöne Hände der gleich-schönen Apatilevcheris / denen Polyphilus sehr gewogen wur. diese verleiteten hinwider das Hertz / durch die verliebte Blicke / der schwartz-braunen Augen / der nun gar geliebten Apatilevcheris / die Polyphilus nicht unverliebt ansehen konte. Und weil er aus allen merckte / daß diese gleiche Tugenden / gleichen Verstand / (darinnen er aber heßlich betrogen wurde /) gleiche Sitten / mit Macarien führete / liebete er Apatilevcheris über die Macarien / etwa weil ers dienlicher befand / allda zu lieben / wo eine Belohnung gleicher Gegen-Gunst zu erwarten. Selbst Atychintida / die diese heimliche Passionen alsbald merckte / halff / wider ihren sonst-gewohnten Sinn /selber dieselbe zu versüssen / indem sie Polyphilum erinnerte / daß er seine Schuldigkeit / in Bedienung dieser Lieb-verdienenden Damen / beobachte: das sie aber zweiffelsfrey mehr aus Höflichkeit und guten Willen zu erhalten / thun müssen / weil sie sahe / daß Apatilevcheris etwas solches verlange: als aus dem Ernst der Warheit: welcher Befehl / er mochte herkommen wo er wolle / dem Polyphilo sehr angenehm war. Die Liebe bey Apatilevcheris war verstärcket /durch das Lob / so die Königin Polyphilo beylegte /und die besondere Ehre / damit sie seine Würde noch grösser machte: bey Polyphilo aber entzündeten die funcklende Augen der wunder-freundlichen Apatilevcheris / das Hertz dergestalt / daß er seine Liebe auch nicht mehr bergen konte / sondern hinwieder / mit Lieb-winckenden Blicken / den Strahl seiner Freundlichkeit / ihrem holdseligen Augen-Spiel entgegen sandte: Ach! dachte er / ihr schwartzgefärbte Augen /und du Coralliner Mund / daß ich euch alsbald dörffte empfangen! das war der Wunsch Polyphili: das Werck verhinderte die Gegenwart Hetoatchœ / ihres Liebsten / so er noch so zu nennen ist. Mitler Zeit / wurde die Tafel gedecket / und nachdem sie gesetzt wurden / traff Polyphilum das Glück oder vielmehr Unglück / daß er neben Apatilevcheris zu sitzen kam. Alsbald gedachte er an seine Macarien / so sie auch noch seyn zu nennen / und wie er so viel Mühe / diese Glückseligkeit bey ihr zu erhalten /anwenden müssen / da ihm diese ungesucht zu handen kam. Er kont nicht anderst schliessen / als daß die sonderbahre Fügung des so wollenden Himmels / das alles wolte: aber der Schluß war unrichtig / dann so hatte es Apatilevcheris geordnet. Da sie nun zur Tafel sassen / bediente Polyphilus /die neue Liebste / aufs höflichste und freundlichste: diese hinwieder Polyphilum. Aber du treuloser Polyphile! wo bleibet das Gedächtnuß deiner Macarien /die dich zwar heimlich / aber hertzlich liebet? Apatilevcheris hats in sich gesoffen / und an dessen statt /ihren Nahmen / in dein Hertz gemahlet. Freylich so: dann die listige Apatilevcheris / auch so gar ihr Bildnus / in der Kammer / da Polyphilus nach geendigtem Liebes-Schertz / seine Ruhe nahm / gegen dem Bett aufgehänget / daß er solches stets vor Augen hatte /auch um deß willen / (wie Polyphilus leicht ermässen konte /) die gantze Nacht / ein brennendes Liecht /nächst zu dem Bild stellete / Polyphili Hertz an ihre Liebe zu erinnern. Es vermochte das leblose Bild nicht wenig / sonderlich / weil es die / dem Polyphilo gefällige Tracht und Kleidung / vorzeigete / darinnen Apatilevcheris noch so schön war. Gleichwol leschte er endlich das Liecht aus / weil er ohne Finsternus / nicht schlaffen konte / und suchte zu ruhen. So viel aber mochte Polyphilus nicht ruhen / als mächtig der Streil seyn würde / zwischen Apatilevcheris und Macarien /wann sie beyde wüsten / was Polyphilus weiß. Es fieng allmählig / das treulose Hertz Polyphili an / zu zittern / und die erschröckende Gedancken / nahmen sein Hertz / in solcher Furcht / gefangen / daß nicht viel fehlete / er hätte Apatilevcheris / mit ihrer Liebe /verflucht. Gleichwol kunte er ihrer nicht vergessen /so gern er auch wolte / und so gewaltig ihn das Gedächtnus seiner Macarien druckte. Er lag in der Ruhe / und weil er des nächtlichen Zuckers nicht geniessen konte / dichtete er / folgender Gestalt / ein Gespräch / an seine Macarien: Kan es dann wol anders seyn / daß ich zwey auf einmal lieben / ohne eins Betrüben / könn? Kan es / Liebste! kan es seyn / daß du werdest nit vertrieben / wann ich meine Gunst vergönn einer andern? kan es seyn / daß ich zwey / mit Treuen / meyn? Du beherrschest meine Sinn / dich kan ich nit mehr verlassen / dir ich meine Liebe gönn: doch bekenn ich offenbahr / daß ich diese gleich nicht hassen / oder gar nicht lieben könn: doch mit so verruckter Pein / daß du kanst zu frieden seyn. Zwar wann ich den stoltzen Pracht / ihrer Hoheit recht bedencke / solt sie mich verführen bald / daß mein dir entzognes Hertz / Hertz! dein Hertze wieder kräncke / wann ich / wie du / worden kalt / dann des stoltzen Adels Schein will hier vorgezogen seyn. Und was sonsten mehr gefällt / ihre Tugend / ihre Sitten / gleichen sich / in allem / dir. Ja! was sonsten sie um mich / mehr als du / schon hat erlitten / weiset / daß sie billig mir sey die Liebste / sey allein / der ich eigen solle seyn. Ihre Gaben / ihre Gunst / ihre Zucht und Höflichkeiten / wollen dich verdunckeln schier; Ihre Reden / Schimpf und Schertz / ihre liebe Freundlichkeiten sind / ich weiß es / Liebste! dir gleich in allem; wie du bist / glaube nur / so sie auch ist. Ach! was Worte führt sie doch / und mit was beliebten Blicken / bittet sie um meine Gunst? Solt ich / spricht sie / dieses Glück / meine Seele zu erquicken / und zu leschen meine Brunst / von dir / Schönster! nehmen ein / könt ich allerseelig seyn. Solt ich dann nicht sagen ja? solt ich nicht / mit Mund und Händen / mich verpflichten ihren Knecht? Solt ich nicht / so bald ich könt / mich zu ihrem Willen wenden / der verschlagen / mich mit schlägt / der betrübet / mich betrübt / weil auch ich bin mit verliebt. Und das mich am meisten zwingt / denck / bedencke nur die Ehre / daß mich so ein Damen-Bild / ihrer Lieb und ihrer Gunst / würdig achte / ja! gewähre / der ich mich / vor diesem / hielt; oder halten dorfft allein / ein geringer Knecht zu seyn. Doch / wann ich dein treues Hertz / Schatz! und deine theure Worte / wieder bey mir überleg; wann ich dencke / wie du mich / dort an dem bewusten Orte / da ich dich zu suchen pfleg / hast empfangen / hast geküsst / du mir doch die Liebste bist. Denn was hilfft der Adels Pracht? Liebste! deine volle Schöne / ist geadelt / deine Zucht / ist die edle Tugend-Blum / und daß diese nicht verhöne / was man hie vergeblich sucht / kan bey dir das Freundlich-sehn / an des Adels Stätte / stehn. Du indessen dencke doch / wie ich dir so treu verbleibe; wie ich dich von Hertzen meyn? Meyne mich hinwieder so / siehe daß dich nicht vertreibe ein verhasster Wider-Schein / der mir könte Leid und Reu geben / vor die grosse Treu. Du weist selber / wie sie ist / wann ich sie dir wolte nennen / die mir bietet ihre Gunst / ihre Schön und ihren Pracht / ihren Preiß / wirst du bekennen / daß / was wir sind / nur ein Dunst sey zu rechnen / gegen dem: dennoch ich das deine nehm. Und wann bloß die volle Zierd / ihrer schwartz-gefärbten Augen / und der rothe Rosen-Mund / sonsten nichts / zu sehen wär: würde doch / wie nichts nicht taugen / was der Himmel uns vergunt / alles / alles trocknet ein / was wir halten schöne seyn. Aber wie? veracht ich dich / die ich über sie erheben / die ich einig rühmen solt? Nein / ach nein! mein liebes Kind! weil ich werde zeitlich leben / bin ich dir / für allen / hold: und ob andre schöner sind / bist du doch das liebste Kind. Artig kan sich Polyphilus entschuldigen / wanns nur Macarie glauben wolte: allein / hat Polyphilus eine beredte Zunge / so hat Macarie ein verständiger Hertz / das sich nicht so leicht bereden lassen. Wir werden aber davon hernach hören / wann wir beschreiben / wie diß Macarie erfahren. Jetzt gehen wir mit Polyphilo wieder zu Apatilevcheris / die allbereit / in dem Zimmer / da er sich anlegen solte / wartete / und nach Entbietung / eines frölichern Morgens /als sie eine Nacht gehabt / ihn mit einem Kuß empfieng: Polyphilus that dergleichen: Die übrige Zeit verbrachten sie mit schertzhafften kurtzweiligen Reden /auch andern Lustbarkeiten. Apatilevcheris erzehlte ihre unruhige Träume / und wie ihr Polyphilus / auch in seinem Abwesen / die Gegenwart geschencket. Sie erzehlte / wie höflich er mit ihr geschertzet / wie verliebt gespielet / wie fleissig bedienet / und was mehr ein verbuhltes Gemüth / durch das wachende Andencken / den Träumen abzubilden gibt. Das alles wuste sie mit solcher Schamhafftigkeit vorzubringen / daß man dennoch ihre Tugend rühmen muß / und diesen Fehl vergessen / welchen sie aus dem Zwang der gar zu grossen Liebe begangen. Sonderlich war die Freundlichkeit / in dieser Erzehlung / mit solcher Höflichkeit verwechselt / daß sie Polyphilus nicht ohne Verwunderung ansehen konte. Ach! dachte Polyphilus / in seinem Sinn / du bist ja wol schön / und ein Beschluß aller Freundlichkeit: so liebkosende Reden /führete der Purpur-beröthete Mund. Und die zärtliche Wangen / welche sich / auf eine sondere Art / bewegten / so offt sie / der geschwätzigen Zung / ihren Dienst verrichten ließ / zeigeten / die rößlichte Schönheit / in solchem Pracht / daß Polyphilus derselben Herrlichkeit nicht gnug verwundern konte. Und wann ich die bräunlichte Schwärtze ihrer spielenden Augen / und die stral-werffende Flammen / so / von dannen / das Hertz Polyphili entzündeten / beschreiben solte / könte ich nicht sicherer deroselben Ruhm und Zierde / als durch das brennende Hertz Polyphili selber / abmahlen / dann in diesem / zeiget die mächtige Würckung / gleichmächtige Schönheit / wie die Frucht den Stammen / und der Stamm die Wurtzel. Daß wir aber wieder zur Macarien kommen / wollen wir / was sich mehr mit Polyphilo und Apatilevcheris begeben / stillschweigend vorbey lassen / und nur das anhängen / daß Polyphilus ein verliebt Hertz mit nacher Hauß bracht / welches ihm der Macarien Vergessenheit schenckete: wie wir allerdings aus der Abschieds-Rede zu vernehmen haben / die Polyphilus / mit folgenden Worten / anstimmete: Allerschönste und allerliebste Apatilevcheris! die Widerwertigkeit / so sich auch bey der glückseligsten Liebe zeiget / scheinet / als wolle sie / nicht minder / die Süssigkeit und Vergnügung unsrer Hertzen / durch das betrübte Scheiden / verbittern / und die angenehme Werck unsers Verlangens verhindern. Weil ich dann dißmal / dem so führenden Wandel meiner Schulden /in Begleitung der Königin / gehorsamlich folgen muß / und sie / die ich doch so hertzlich und übermächtig liebe / betrübt verlassen: als bitte ich / durch die Gewogenheit / so sie gegen mich bekennet / sie wolle dieser Abwesenheit / die mich von ihr entfernet wohnen heisset / nicht zulassen / daß sie die Vollkommenheit meiner Freude / und das / bey ihrer holdseligen Freundlichkeit / erlangte Glück / durch etwa eine Vergessenheit / oder weniges Andencken / zerstöre: sondern mein Verlangen / mit der Hoffnung /sie bald wieder zu sehen / beruhige / welches mir / die Zeit meines Abwesens / den Trost ihrer Erinnerung /nach Wunsch und Begehren / überlassen wird / und nächste Gelegenheit erwerben / mein Hertz / mit dem Gruß deren / hinwieder zu verbinden / die mich /durch diesen Abschied / schmertzlich verwundet: und damit eilete er nochmaln / auf das Lust-hegende Wangen-Feld / die zärtliche Blumen der erquickenden Süssigkeit zu brechen / und das Hertz Apatilevcheris /mit dem Hertzen Polyphili / durch das Band der Erinnerung / zu wechseln / daß sie auch / in Abwesenheit /einen Trost übrig hätten. Apatilevcheris that deßgl ichen / und belegte die Rede Polyphili mit folgender Antwort: Ach Polyphile! sollt ich nicht an euch gedencken / müst ich ehe meiner selbst vergessen / alldieweil ich euch mehr liebe / dann mich selber. Haltet aber euer Versprechen / und kommet bald wieder zu uns / ihr werdet nicht allein meine Schmertzen verbinden / sondern auch dem Begehren / meines geliebten Heroarchœ / eine gefällige Vergnügung thun: der euch nicht weniger Ehre / dann ich Liebe erweisen wird. Nach welchen Worten sie nochmaln einander hertzlich umfiengen / und darauf weg scheideten. 9. Absatz Neunter Absatz Beschreibet die unversehene Zusammenkunfft Polyphili mit Macarien / die Bereuung seines begangenen Fehlers / und dessen Verbesserung /zusambt der Unterredung dieser beyden / und wie er /ihr seine Gedicht zu übersenden / versprochen: Lehret / wie die Tugend-gezierte / ob sie gleich von einem Fehlübereilet werden / doch nicht in der Laster-Versenckung bleiben / sondern dieselbe zu einer grössern Krafft / Tugend zu gewinnen /gebrauchen / daher solche Verführungen / die jenige auch nicht so bald des Tugend-Ruhms beraubet / ob sie ein oder mehrmal dawider handeln. Dann ein Fehl ist kein Fehl. Nun kommen wir wieder zur Macarien / diese / je öffter sie das letzte Brieflein Polyphili durchsahe / je mehr wurde sie / in ihrer Freundschafft / gegen Polyphilo gestärcket / dergestalt / daß sie ihn stets / in ihren Sinnen und Gedancken / behielt / auch nichts mehr verlangte / als ihn wieder zu sehen. Es begab sich aber / daß sie um etzlicher nöthiger Geschäffte halber / auf eines ihrer Land-Güter verreisete / so auch an dem Peneus-Strande gelegen / und schön erbauet / auch mit erfreuender Lieblichkeit / und grünender Garten-Lust wohl umzieret war: daher sie verursachet wurde / ein geraume Zeit allda zu verweilen /und in diesen beliebten Feldern / der Lust-blühenden Sommer-Frucht zu geniessen. Was geschicht? Polyphilus / der nunmehr seiner Macarien fast vergessen /und mehrentheils seine Bemühungen auf Apatilevcheris gerichtet / kommt in Erfahrung / durch seinen Freund Agapistum / (der ihm / ingleichen / mehr zu der Liebe Apatilevcheris / als Macarien / rathen dorffte) daß jene / an dem Ort seye / wo Macarie sich aufhielt. Es kam aber der Irthum von einem Weibe her /die / von dannen / gen Sophoxenien kommen war /und einen Gruß an Phormenam brachte / von Macarien / deren Agapistus begegnet / und sie gefraget /aber entweder / aus bößlichem Betrug / oder sonst einem Fehl / unrechten Bericht erhalten. So bald nun Polyphilus / von der Gegenwart seiner hertzlich-geliebten Apatilevcheris / höret / wie sie so nahe sey / setzet er sich zu Pferd / und eilet behende dem Ort zu / trifft aber an statt deren / die er suchet /Macarien an. Noch zur Zeit war sie ihm / auch er ihr /nicht zu Gesicht kommen / dann den Bericht hatte er /von einer ihrer Dienerinnen erhalten / ehe er vollend in den Hof gelanget. Männiglich kan leicht schliessen / was die Gedancken Polyphili müssen gewesen seyn. Es wird ihm der Nam Macarie / ein Donnerknall / in seinem Hertzen / der die eisenveste Riegel /seiner Laster-hafften Begierde / zerschmetterte / und auflösete das Schloß / seiner verdammten Untreu. Er konte bald ermessen / daß ihn die wunderbahre Fügung des gerechten Himmels so ziehen heissen / seine Verblendung zu erkennen / und die verübte Boßheit zu berenen. Wie bald war die Liebe Apatilevcheris erloschen? Er wolte wieder zu ruck / aber die Tugend-Liebe / so mit dem Namen der Macarien / allgemählig wieder zu glimmen anfieng / ließ ihn / ohne ihre Begrüssung / nicht von dannen. Wie aber? Treuloser und Pflicht-vergessener Polyphile! Darffst du dich wohl unterstehen / deren Aufrichtigkeit zu beschauen / die du / mit dem Gifft deiner Falschheit / biß daher ertödtet? Meynest du wohl /daß du werth seyest / unter die Augen Macarien zu tretten / welche du / nicht ohne Zittern / ansehen /noch / mit freyem Hertzen / wirst verehren können? Würdiger wärest du / und deiner Ubelthat verdienter Lohn / daß sie dich / mit Füssen / von ihr hinaus stossen / und ohne Gnad / gantz verstossen seyn lasse. Wie wirst du / du falsches Hertz! sie anreden / die Warheit darffst du nicht bekennen / vor Furcht: nicht verbergen / vor dem / sich selbst verklagenden / bösen Gewissen: wie wirst du denn deine Wort bilden? Zwar fehlet dir nichts an Betrug und betrüglichen Worten / damit du deine Laster beschönen / und deine unverantwortliche Boßheit entschuldigen könnest: aber der Himmel wird dir / den verdienten Lohn /durch die Hand Macarie / geben. Doch was wollen wir Polyphilum noch mehr beschwehren? Die Angst seines Hertzens war so groß /und die Verdamnus des Gewissens / so erschröcklich / daß wir billiger / ein gebührend Mitleiden / mit seinem Jammer / haben. Eben kam er / mit seinem Pferd / unter einen begrünten Eichbaum / als ihn die Angst dermassen ans Hertz stieß / daß er vom Pferd herab sincken / und die Erde zum Lager annehmen muste. Er fiel aus einer Ohnmacht / in die ander / und konte sich nicht trösten. Offt hub er an kläglich mit Macarien zu reden / aber die Thränen verschlossen den Mund: offt hub er an zorniglich / und mit einem Eyfer / auf Apatilevcheris zu schelten / aber die Angst druckete das Hertz / daß er sie nicht mehr nennen mochte. Sein Pferd weidete / mit aufgelösetem Zügel /im Graß: Er aber waltzete sich darinnen hin und wieder. Niemals hat Polyphilus grössere Schmertzen empfunden / als anjetzo. Wo er sich hinwandte / hatte er keinen Freund. Die Götter waren erzürnt / daß er wieder Tugend geliebt: denen Menschen war er verhasset / wegen der schändlichen Untreu: alle Creaturen entsetzten sich gleichsam / über seiner Boßheit /und die Erde klagte / daß sie eine so Sünden-schwere Last und unnützes Pfund tragen solle. Was machet nun der / von allen verlassene / Polyphilus? Was bedrangte Hertzen zu machen pflegen. Seine Hoffnung stunde dennoch zu der Barmhertzigkeit der gnädigen Götter und Macarien / derowegen er / nach wiederholter Krafft / dieselbe zu flehen anfieng / auch so beklagte Wort führete / daß kein Zweifel / wann Macarie zugegen gewesen / daß sie ihn nicht zu Gnaden angenommen / und all seines Verbrechens gäntzlich vergessen hätte. Wir wollen uns aber / mit der Abbitt und Bereuung seiner Missethat /nicht aufhalten / weil sie sonderlich mehr im Hertzen gesprochen / und mit Seuffzen vollbracht wurde: sondern wollen sehen / wie sich Macarie befriedigen lasse. Eben da Polyphilus so schmertzlich sich behegte /kam die Dienerin der Macarien eilends zu ruck / den Polyphilum einzuholen. Denn / nach dem sie Macarien seine Gegenwart angesagt / aber dabey vermeldet / wie er alsobald wieder zuruck geritten / da er vernommen / daß sie zugegen sey / fürchtete Macarie seinen Haß / und gab geschwinden Befehl / ihm nachzusetzen und zu ersuchen / daß er sie nicht unbesprochen verliesse. Polyphilus / als er der Dienerin wahrnahm / stund behende auf / und gieng ihr entgegen /empfieng auch den Gruß Macarien / zusammt der Einladung / welche er gehorsamlich annahm / und der Dienerin folgte. Die ersten Gedancken waren / was er Macarien vorbringen wolle / wie er daher komme / und was er verlange? hernach / ob er die Untreu bekennen und abbitten / oder verhälen müsse? welchem aber beyderseits / mit gutem Rath / abgeholffen wurde. Dieses verhälete er / und jenes bekannte er nicht. Er grüssete Macarien / nicht wie er sonst pflegte / sondern wie die Höflichkeit / einer gemeinen Freundschafft / erfordert / so / daß dieselbe daher bewogen wurde / weiß nicht / soll ich sagen / aus Liebe oder Furcht / ihr neulichstes Brieflein / aller gefärbten Mißfälligkeiten halber / zu entschuldigen: Polyphilus hingegen entschuldigte sein unhöfliches Begehren. Und weil der Anblick Macarien / das Hertz Polyphili / nach seinem Begehren / richten konte / nahm sie selbiges alsobald wieder gefangen / und reinigte es gleichsam von aller unsaubern Liebe / so gar / daß es auch aller Furcht und Schrecken entnommen / gleichsam ein neues Himmel-Leben in Polyphilo erweckte / daß er / alles andern vergessend / seine tausendschöne Macarien /den Kern und Ausbund aller Tugenden / das Himmelreich aller Kunst und Klugheit / den unermäßlichen Schatz höflicher Sitten und Bescheidenheit / einig und ewig zu lieben hinwieder erwählte / auch alle verdammliche Lust-Liebe aus seinem Hertzen verbannete / und heimlich bey sich gedachte: O für allen Lob-und Lieb-würdige Macarie! wie ein grosser Unterscheid ist zwischen dir / und der leichtverliebten Apatilevcheris? wie gläntzen deine Tugenden / in der Finsternuß ihrer Laster? Wie schimmert deine Zucht / in der verdunckelten Verführung ihrer Begierde? O weg mit Apatilevcheris: Macarie behält den Preiß für allen. Ach! was hab ich doch gethan / daß ich Laster /vor Tugend / erwählet habe? Wie hab ich mich selber / so heßlich / betrogen? Doch hoffe ich / die Tugend der allerschönsten Macarien wird das Verbrechen nicht mir; sondern der Verführung jener lieb-bietenden Betrügerin / zurechnen / und mir Gnade widerfahren lassen. In diesen Gedancken / sahe er die allerkeuscheste Macarien zum öfftern an / welche ihn hinwieder / so züchtig / als höflich / bestrahlete. Und weil er / durch solche Freundlichkeit / in die vorige Tugend-Liebe /gegen Macarien / gäntzlich wieder versencket wurde /daß ihm sein Hertz / in einer hefftigen Gluth / brannte / fieng er abermal / mit tief-geholten Senfftzern /seine Liebs-Beschwerde an zu eröffnen; dem / als Macarie / eine gute Weile / mit gleichmächtiger Verwirrung / zuhörete / sich aber dennoch nicht erklären wolte / fieng er / mit gar zu kläglicher Stimm an: Will sie dann / allerschönste Macarie! sich meiner noch nicht erbarmen / so muß ich den Himmel flehen / daß er ihr Hertz erweichen / und zu mir wenden wolle /weil es / durch keines Menschen Stimm / zu erweichen ist. Ach! allerliebste Macarie! daß sie wissen solte / in was Unglück / mich ihre Widerwertigkeit gestürtzet / ich weiß / sie würde bereuen / daß sie mein Verlangen / nicht eher erfüllet hätte. Darauf fragte Macarie: Was verlangt ihr dann? Polyphile! meine Freundschafft? die hab ich euch gegeben. Meine Liebe? die hab ich euch / mit vielen Zeichen / bewähret. Meine Gesellschafft? die hab ich euch nie versagt. Und solt ich wissen / daß euer Hertz mehr begehrte / es solte nicht gewäigert seyn / dafern es euch und mir / nicht mehr schädlich / dann zuträglich. Das war ein Wort / das Polyphilus / schon lang /gern gehöret hätte / darum sprach er: Ach! schönste Macarie! Was ich mehr begehre / ist die besondere Liebe / so keinen / ausser den einiggeliebten / bey sich leidet: ehe mein Hertz nicht dessen versichert ist /kan ich in keiner Zufriedenheit ruhen. Was solte Macarie machen / sie sahe / daß sie nichts richte; sondern Polyphilus nur immer hefftiger anhielt / deßwegen sie ihm auch endlich diß versprach / weil eine solche Liebe / mehr ihren Vorsatz der Einsamkeit stärcken /als verhindern werde: aber gefehlet. Dann da Polyphilus das Versprechen hatte / sprach er: Nun so liebt sie keinen / ausser mich / und will sich keinem / dann mir / vertrauen / so bleibt sie ja die Liebste Polyphili /die ausser dem Tod / keiner / von mir / nehmen wird. Und / mit diesem Wort / bebte er sie / in seinen Schoß / und küssete sie hertzlich / beschloß auch die zarte und schöne Hände / mit den Seinen / in solcher Versüssung / daß sie sich / als die angenehmste Freundinnen / untereinander hertzeten. Macarie aber /die gleichwol ihrer Zucht und Schamhafftigkeit nicht vergaß / widerstrebte noch immer fort dem Schluß Polyphili / und behaubtete / daß nicht folge / wann sie ihn gleich vor allen / und ausser ihn keinen liebe / alsobald ihm verbunden sey / und ihre Liebe schuldig. Auch sprach sie: Geliebter Polyphile! dafern ich nicht wüste / was vor grosse Widerwertigkeit meine erste Liebe / die sich nun in der Vollkommenheit / der himmlischen Versüssung verschlossen hält / bestritten / und daher fürchten müste / daß unsre Freundschafft gleiches Ubel treffen möchte / hätte ich /Krafft der Gewogenheit / die ich gegen euch trage /schon längsten Polyphilum zu meinen Liebsten erwählet; aber nun gibt mir diese Furcht dessen Verbot / und ermahnet mich / meine ruhige Einsamkeit nicht muthwillig zu verschertzen: auch eure Würde /die gebohren ist / viel grösser Glück zu erwerben / erinnert mich / daß ich dieselbe / durch meine Unseeligkeit / nicht zu verderben suche / sondern andern / die weit glückseliger dann ich / zu befördern und zu erheben gönne. Was solte Polyphilus antworten? Das theure Versprechen seiner Bereitwilligkeit / in Glück und Unglück / Freud und Leid / Noth und Tod / ein getreuer Gefert / und beständiger Helffer / oder / da ihm das seine Kräffte versagten / dennoch ein starcker Tröster zu seyn / muste da die Antwort führen / welches er auch / mit so beglaubten Worten / bewähren konte /daß Macarie / durch seine Treu und Beständigkeit bewogen / die Arm ausschlug / und ach! mit wie verliebter Umfahung / um ihn schranckete / sprechend: So bleibet / mein Kind! mir günstig / und liebet mich / in eurem Hertzen / mit solcher Beständigkeit /wie ihr versprochen / was der Himmel wird geschehen heissen / werde ich geschehen lassen. Da solte eins eine heilige Brunst / der beyden Tugend-Verliebten / gesehen haben / und derselben / die geschändete Liebe der Apatilevcheris / die auf blosse Thorheit gegründet war / entgegen setzen / würde er jenen Schatten / vor dieser Sonne / jene Finsternuß /vor diesem Liecht / kaum haben sehen können. Die Tugend verbandt sich / mit der Tugend / Weißheit mit Weißheit / und Kunst mit Kunst / daß das Hertz Polyphili gantz himmlisch wurde / welches / vor dem /nicht unrecht / höllisch hätte können benahmet werden. Viel liebkosende Gespräch verführeten sie untereinander / welche zu bezeichnen / die Meng derselben Verbot gibt. Das wollen wir noch erinnern / was Macarie erinnerte. Es fielen ihr / unter andern / die Wort Polyphili bey / so er / in dem dritten Brief / an sie geschrieben /und berichtet / wie er die Zeit seiner Verstossung / mit nichts / dann traurig-betrübten Gedichten / zubringe /die sie leicht ermessen konte / daß sie von ihr reden werden. Weil nun Macarie / nicht allein eine Liebhaberin der teutschen Poesi: besondern / so gar / eine gelehrte Poetin selber war / die ihren herrlichen Verstand / in dieser Kunst / mercklich vermehrete / und ihre Sinnen rühmlich erlustigte / begehrte sie von Polyphilo dieselbe / mit dem Versprechen / daß sie unversehrt wieder zuruck kommen solten. Es hatte Polyphilus dieselbe zusammen / in ein Buch getragen / neben vielen andern / die wir / wegen der Meng / hie nicht her setzen können: und weil das Zorn-Gedicht / so wir am 542. Blat aufgezeichnet /gleich mit in dem Buch verfasset: selbsten auch das jenige / welches er der Apatilevcheris zu Ehren verfertiget: trug er anfangs Scheu / ihr Begehren einzuwillen / weil er diese Gedichte / ohne Verletzung der andern / nicht heraus reissen konte / und aber besorgte /sie möchten Macarien zum Wider willen bewegen: deßwegen er nicht ohne Schrecken / ja sagte. Gleichwol / weil der Bitte der hertzgeliebten Macarien /auch das Leben nicht zu versagen war / versprach er /allerdings ihrem Willen zu gehorsamen / doch mit der Erinnerung / daß sie sich / durch ein Gedicht / welches die Unbedachtsamkeit seiner Ungedult / sträflich heraus geworffen / da ihm Agapistus die Verachtung seiner Liebe und Treue / angesagt / nicht erzürne /auch viel weniger gedencke / daß solches der Warheit gleich stimme / weil er sich selbsten schon / der Unwarheit beschuldet / und mit besserm Verstand / widersprochen / was er / in erzürnter Thorheit / fälschlich bejahet. Das versprach ihm Macarie alles / mit billiger Zufriedenheit / anzunehmen / ihn versicherende / daß nichts so kräfftig seyn würde / welches ihr Hertz von seiner Liebe abwenden / oder ihre Freundschafft trennen könne. Mit diesem Versprechen / stund Polyphilus auf /und wolte wieder zu seiner Behausung. Weil sie aber / wegen besserer Freundschafft / auch vertrauter reden dorfften / fassete Macarie Polyphilum bey der Hand / und fragte / wenn er sie wieder besuchen werde? darauf er antwortete: Ach! daß ich morgen wiederkommen dörffte / oder gar da bleiben. Das wird sich nicht schicken / sagte Macarie; aber weil ich noch / eine wenige Zeit hie verweilen werde / da ihr /wieder ander Wissen und Aufsehen / aus- und eingehen könnet / auch so nahe bey eurer Wohnung / daß ihr euren Zutritt / mit einem Spatzier-Gang / entschuldigen dörffet; so nehmet / vor dißmal / die Gelegenheit / die uns der Himmel gibt / und besuchet mich öffters / weil wir doch zweiffeln müssen / ob wir /nach dem / so unverhinderte Gelegenheit / unsrer Zusammenkunfft / haben werden. Was hätte Polyphilus lieber versprochen / als das / er befand sich / durch feine eigene Liebe / gezwungen / jederzeit / seiner Macarien zu dienen / willig und schuldig. Darum war das die letzte Abrede: morgen wolle er seine Gedichte übersenden / übermorgen aber sich selbsten wiederbringen: mit welchen Worten / sie voneinander scheideten. Es begleitete Macarie ihren Polyphilum / biß durch den Garten / und weil sie / im durchgehen / die bund-gefärbte Blumen erblickte / die sie erinnerten / die schöne Hände Polyphili zu verehren / brach sie deren etzliche / und gab sie Polyphilo / als ein angenehmes Garten-Geschenck / welcher dieselbe / als mächtige Trösterinnen / in seiner Einsamkeit / mit schuldigem Danck / annahm / und ihrer dabey zu gedencken / versprach. Endlich kamen sie für die Garten-Thür / unter einen belaubten und Fruchttragenden Maulbeer-Baum / darunter sie sich nochmaln / aufs schönste und liebste hertzten / die nächste Wiederkunfft versprachen / und also / aber mit was Schmertzen! scheideten. Es war diß nicht die Thür / da er eingangen war /besondern nächst dabey / ein verborgener Gang / da ihn kein sterbliches Aug beschauen konte / sondern gantz frey und sicher aus- und eingehen ließ / deßwegen ihm Macarie / die Wiederkunfft hiedurch zu befördern / Befehl that / die er auch fleissig beobachtete. Er muste durch etliche Thüren gehen / die ihn in einen langen Gang führeten / der ihn / wie ferne von dem Haus der Macarien / verleitete / und da er auf freye Weg kam / suchte er den Eichbaum wieder / darunter er sein Pferd verlassen; welches er aber nicht fand /weil es indessen heimgeloffen / und den Polyphilum zu Fuß folgen heissen / das er gerne that. Wie ist aber Polyphilus gangen? In freudigen Springen / und solte eins freylich / die wunderbahre Schickung / des gnädigen Himmels / verwundern. Polyphilus gehet aus / Apatilevcheris zu suchen / und findet Macarien: die er ihm in Ewigkeit nicht eingebildet hätte. Ja / er findet die Liebe Macarien / und das noch wunderbahrer ist / mit seinem Widerwillen /die er / vor dem / mit so viel bitten und flehen / nicht erhalten kunte. Er suchet die Gunst / die er verfluchet / und findet die Freundschaft / an der er verzweiffelt. So kan eins leicht dencken / wie er muß erfreuet worden seyn. Das erste / so er verrichtete / war die Vermehrung der Gedichte / die sein Buch würdiger machen möchten / denen schönen Händen der allerschönsten Macarien überreichet zu werden / deßwegen er denen obgesetzten Gedichten / auch andere /die wir nicht alle daher setzen können / noch mehr beyfügte / darinnen er die Glückseligkeit und Verbesserung / seiner so lang erdulteten unseligen Liebe /auch sonsten andere Begebenheiten beschrieben / wie der Inhalt derselben lehren wird. Wir wollen dem Gunst-geneigtem Leser / dafern er die Dicht-Kunst liebet / zum bessern Gefallen / die vornehmste daher setzen / die er nach Belieben durchsehen / oder vorbey gehen kan. Das erste hält in sich / die Beschreibung seiner nunmehr glücklichen Liebe / nachdem er von seiner Geliebten wieder aufgenommen worden / welche er mit diesen Worten ausdrucket: Jetzt bist du meine Freud: vor warst du mein Betrüben; Da schröckte mich dein Zorn: jetzt tröstet mich dein Lieben / du tausend-liebes Kind! nun fällt der Zweifel hin / die Hoffnung stehet fest: jetzt weiß ich / wer ich bin. Ach! könt ich / Liebste! nun / dir einen Dienst erweisen / der dir gefällig wär; ach! könt ich sattsam preisen / dein Freundlich-sehn und Thun: ich fasste freudig an die Feder / hebte dich / biß an den Stern-Altan. Doch weil das nicht kan seyn: will ich viel lieber schweigen / als preisen irrdisch dich: dein Ruhm wird selber steigen / hin an das Himmel-Dach. Dann / was nicht irdisch ist / bleibt doch nicht auf der Erd: wie du / Hertzliebste! bist. Ihren Garten redete er im folgenden zweyen Sonnetten an: Ist diß der liebe Ort / der offt-verlangte Platz / der mir / nach meinem Wunsch / will stillen mein Verlangen / will geben wiederum / mit Freuden / zu umfangen das hochgeliebte Kind / den hertz-gehertzten Schatz? will gönnen / daß ich auch verträulich mit ihr schwatz / und was ich sonst begehr? Du Won-hauß meiner Freuden du meins Lusts Pallast! Ach solt ich nimmer scheiden von dir hinwieder weg! ich wolte meinen Satz in dich versetzen gantz: und wolte lassen bringen / was dir beliebte nur: die Säiten müssten klingen / zu Ehren / Traute! Dir: selbst Flora warten auf / die Freude gehn vor an: ich folgte mit der Schönen / die meine Liebe bleibt: wirst du ein Wort erwähnen / bin ich fürwar so keck / daß ich nicht ferne Lauf. Du bist es / und dann sie / die du in deinem Schoß offtmals verschlossen hältst; du bist es schönster Garten! du wohlgelegner Plan / da sie will meiner warten / und führen mich / in dich: du wirst mich machen loß der Schmertzen / Freuden-voll. Ist dieser Dienst so groß / als meine Hoffnung bleibt / so will ich dir versprechen / daß keiner sonst / zu dir / soll / durch die Pforten / brechen / nicht ich / nicht wieder sie: auch keiner dieses Schloß eröffnen / daß er nicht alsbald daran gedencke / was du ihm hast gegönnt: und forderst du Geschencke / so nimm die theure Wort / die ich ihr geben will / und halt sie fest in dir: daß / wann wir müssen ziehen / sie ja nicht in der Lufft / bald hie / bald dorthin fliehen / und öffnen / was wir da geredet in der Still. An Amorn hieß er solche Wort ergehen / als er neben ihr saß. Jetzt hab ich meine Lust / heut muß ich erst verstehen / daß Amor redlich zahlt / wer ihm nur nach kan sehen / und borgen eine Zeit. Er zahlet mit Gewinn / verzinset noch wol gar / was man geliehen hin. Ich muß es nur gestehn: da ich fieng an zu lieben / ward alsbald böse Schuld / die unbezahlt ist blieben / biß heut / da kommt er selbst / und führet mich dahin / da ich / nach meinem Wunsch / bezahlet worden bin. Ich muß es rühmen noch: er giebt mir die Geliebten / die mich vor dem so offt / und wieder offt betrübten / Er gibt mirs / an dem Ort / der mir so viel gegönnt / daß ich ein mehrers nicht / noch bessers wünschen könnt. In seiner Floren Schoß / setzt er mich höflich nieder / aufs nächste neben mich / setzt er die Liebste wieder / spricht: sey zu frieden so / du haft es alles Macht / darffst reden wie du wilt / weil heut dein Glücke lacht. Wer ist nun mehr erfreut / als die vor-krancke Seele / die neben dir / mein Kind! in dieser kühlen Höle / alleine sitzen darff / und dir sich trauen nun: sie ist zu frieden schon / wann sie nur das darff thun. *** Daß er nur die eine liebe / beweiset er aus des Ovidii Lateinischen: Cui placeo, protinus illa placet ; im folgenden Sonnet: Ich lieb den / der mich liebt / und dem ich thu gefallen / der wieder mir gefällt; sey Er gleich oder Sie / verachtt mich keiner nicht / veracht ich keinen nie / gefall ich sonders dir? Gefällst du mir vor allen; so fühl ich offt und offt mein Hertz / im Leibe / wallen / vom Lieben hart gerührt; das macht die Freundlichkeit bey manchem Damen-Bild / die mir zu jederzeit / sie komme / wann sie woll / gleich einem runden Ballen fällt immer recht und gut / dann ich bin so gesinnt / daß ich mich allen geb: ich liebe gar geschwind! So schreibt der Liebs Poet: ich sprach ihm gantz zuwider: liebt mich die Bauren-Dirn / sie liebe immer hin / nur eine / keine mehr / ligt mir in meinem Sinn / die ich von Hertzen lieb: drum sind wir keine Brüder. *** Als er aus dem Garten scheiden solte / bat er selbigen / die Macarien öffters an Polyphilum zu erinnern /auch mit diesem Sonnet: Du schönes Lust-Hauß / du! ihr Blätterreiche Bäume / an keinerley Frucht arm; du buntes Blumen-Feld! das meiner Liebsten sich / zu ihren Diensten / stellt; ihr Nelcken mancher Art / helfft / daß sies nicht versäume / was sie versprschen mir: schafft / daß ihr stätig träume / so offt sie bey euch schläfft / von dem / der ohne sie nicht seyn / nicht leben kan: daß sie vergesse nie / deß / der ihr nicht vergisst: noch aus dem Hertzen räume / der standhafft liebet sie; sagt / wann sie euch sieht an: Vergiß nit / schönes Kind! was jüngsthin der gethan; was er versprochen dir / der sich gab deinem Willen / wolt heissen nur dein Knecht / versprach dir seine Treu: gab dir sein Hertze hin: daß diß das Zeichen sey / daß er / was er geredt / im Wercke / woll erfüllen. *** Den Maulbeer-Baum / darunter er von ihr scheidete /redet wieder ein anders Sonnet / auf solche Art / an: So schickt sichs eben recht! wo konntst du besser stehen? Du dicker Maulbeer-Baum / als hie vor dieser Thür / da ich von meinem Schatz: und wieder sie von mir muß Urlaub nehmen jetzt; muß / ach! muß von ihr gehen / und weiß nicht / wann ich sie / die Schöne / wieder sehen / auch wieder sprechen kan: so schickt sichs eben recht / wann deine Frucht zu letzt / uns beyden Maulbeer brächt Auch wann du decktest uns / daß keiner könte sehen / wann sie zu guter letzt mir gönnet einen Kuß / ey ja! es soll so seyn / dieweil ich scheiden muß. Du aber habe Danck vor deinen kühlen Schatten / und halte reinen Mund / so will ich wünschen dir / daß nie dein Safft vergeh: ich will dir auch gestatten / daß du dergleichen Frucht noch mehr verehrest ihr/mir. Ihre Hände / als sie ihm die Blumen prœsentirte / bekrönte er / mit folgendem Danck-Sonnet: Kluges Paar der Künstlerinnen / am Verstand und Schöne reich / über alles niemand gleich / Meisterstuck der klugen Sinnen / schöner Künste Meisterrinnen / habet / Schöne! schönen Danck / daß ihr willig / ohnen Zwang / diese Blumen mir wolt gönnen! ich behalte sie zum Pfand / |ihr meine Treu | daß ;155; ;139;erkannt / |ich eure Gunst | die auch soll so lange bleiben / als ich selber bleibe noch / und das angenehme Joch / soll kein Wider-Sinn vertreiben. Uber seine Vergnüglichkeit / hatte er solche Gedancken. Jetzt hab ich wohl getroffen / mein Hoffen / in allen: Gott hat geschickt / daß mich beglückt mein Wallen. Nun kanst du seyn zu frieden / entschieden vom Leiden / betrübtes Hertz! auch allen Schmertz jetzt meyden. Drum will ich / Gott! Dir dancken; nicht wancken: Dich ehren. So wirst du mehr / als ich begehr / mich mehren. Nach diesen / und vielen andern mehr / setzte er / zu letzt einen solchen Befehl und Erinnerung / an das Buch selber: So wilt du / schlechtes Buch! dich dennoch unterstehen / zu meiner Liebsten hin / weil sies begehrt / zu gehen? bist du denn so viel werth / daß sie die schöne Hand soll strecken aus nach dir? du wirst für Ehre / Schand; für Gunst verdienen Zorn: doch weil du / was ich dencke / fast besser weisst / als ich / und was mein Hertze kräncke / ihr einig sagen kanst: so geh nur immer fort / eröffne alles ihr / behalt in dir kein Wort. Und wann du mit ihr redst / merck / ob sie dir wird trauen / und sag mirs wieder an: solt aber sie nicht bauen auf das / was du versprichst: so schwere nur ein Eyd / bey Gott und auch bey ihr / auf meine Redlichkeit. Auch dieses leg ihr vor / daß / was ich dir getrauet / nicht darum sey geschehn / daß sie dasselbe schauet / und also nur ein Dunst / nicht wahre Warheit sey / was du ihr sagest an: Nein / nein bekenne frey / daß du allein vor mich / und in geheim zu klagen / von mir bereitet seyst: Nun daß dus ihr solt sagen / hat sie gefordert selbst: so wird sie ja verstehn / daß sie / mein gantzes Hertz / in dir / jetzt könne sehn. 10. Absatz Zehender Absatz Beschreibet den Widerwillen der erzurnten Macarien / welchen sie / nach erkundigter fremder Lieb / bey Polyphilo / so mächtig / in ihr / herschen ließ / daß sie alle Liebe aus ihrem Hertzen verbannete: wiewohl sie / durch Zwang und Flehen /wieder versöhnet ward: Lehret die Straffen / so dem Verbrechen folgen / damit ein unbestrafftes Ubel nicht Gelegenheit zu fernerer Mißhandlung gebe. So bald die Gedichte verfertiget / und dem Buch einverleibet waren / sandte es Polyphilus / den schönen Händen Macarien zu. Die selbiges / mit grosser Begierde / eröffneten / und nicht ohne besondern Wolgefallen durchblätterten: aber auch nicht gar ohne Mißfallen / dann / so bald die scharffsichtige Augen / die nichts vorbey liessen / auf das Gedicht / welches ihr die Liebe Polyphili gegen Apatilevcheris entdeckte fielen / ward die freudige Liebe mit solcher Traurigkeit ertödtet / daß die / bald darauf folgende / Zorn-und Verachtungs-Wort / das Hertz der Macarien / mit gleichmässigem Eyser / gantz von der Liebe Polyphili abwendeten; ja! weil sie die Beschimpffung der alten Weiber gelesen / und sich dabey erinnert / daß die Jahre ihrer Zeit / die Jugend Polyphili / nicht wenig überstiegen / erweckete die Furcht / es möchte das leichtgewandte Hertz Polyphili / ihr / nach dem / auch so zahlen / einen solchen Widersinn bey ihr / der mehr einer Feindschafft / als Liebe / gleich war. Daher sie ihr gäntzlich vornahm / alle Liebe / gegen Polyphilo / zu dämpffen / und seiner allerdings zu vergessen / auch ihre Freundschafft hinfüro abzuschlagen / und seine Werbungen / so viel müglich / zu verhindern: wie sie dann alsbald / ehe Polyphilus wieder zu ihr kam / folgende Wort / in so gebundener Rede / an ihn abfertigte: Ich hab / in dem schönen Buch / die Gedichte durchgelesen / dir ihr werther Freund! gesetzt / weil ihr seyd von mir gewesen / gebe dem Poeten auch / wegen seiner Müh und Fleiß / die er hat an mich gewandt / sonderbahren Danck und Preiß / Wann ich aber schreiben solt / alles hätte mir gefallen / würd ich schreiben ohne Grund: Warheit geht mir doch vor allen: Zwar was ihr gefürchtet habt / das mich sehr verdrüssen wird / auch darum viel schöner Wort / euch zu schützen / habt geführt; acht ich unerheblich seyn / daß es mir solt Haß erregen / was solt ich / so unbedacht / zornig seyn / der Warheit wegen? Glaubet mir / geehrter Freund! daß ich solche Verse setz / an die allerhöchste Stell / und weit mehr / als andre / schätz weil sie ohne Falschheit sind. Daß ich aber müssen lesen / wie ihr / noch vor kurtzer Zeit / anderswo verliebt gewesen / und auch wol jetzunder seyd: das sind Felsen-harte Wort / wancket ihr so zeitlich schon / und erwählet solchen Ort / den die Tugend fliehen heisst; weil er diesen nur steht offen / der durch Pflicht darzu erwählt: was wird künfftig seyn zu hoffen? Niemals hat kein Donnerschlag einen Baum so klein zerstückt / als mein Hertz zersplittert ist / wie ich solche Wort erblikt. Werdet ihr nicht überall solche schöne Frauen finden / die / durch ihrer Augen-Liecht / euch vermögen zu entzünden? und das ists / das ich gefürcht / diese Sorge hat gemacht / daß ich lieber einsam leb / als im Ehstand bin veracht. Wie ihr alte Weiber ehrt / hab ich satsam auch vernommen / und wer weiß / ob ich auch jung werde noch zu Grabe kommen / freylich ist die Zusag leicht / und die That hingegen schwer / voller Lieb ist offt der Mund / und das Hertze dennoch leer. Oder / da von Anfang gleich pflegt die Liebe heiß zu brennen / ist doch offt das Mittel lau / und das Ende kalt zu nennen / dieses Dencken machet mich so voll Kummer und Verdruß / daß ich / ach verzeihet mir! diß gezwungen bitten muß: Liebt Apatilevcher in / ihre schwartz-gefärbte Augen / und den Purpur-rothen Mund / meine Schwachheit kan nicht taugen / neben solchem Adel-Stand / es beglücke eure Zeit / tausend-fache Himmel-Gunst / gönnt mir nur die Einsamkeit / welche Furcht und Hoffnung trutzt / und mich aller Sorg entbindet / daß mein Liebster / ausser mir / sey von fremder Lieb entzündet / die nur Haß und Schmach gebiehrt / besser sterben ohne Mann / als so leben / mit Gefahr / daß die Liebe fehlen kan. Polyphilus hatte indessen / dem Agapisto / sonderlich aber der Melopharmis alles erzehlet / was sich mit ihm / und Macarien begeben: die alle sehr erfreuet waren. Da sie aber diese Zuschrifft gelesen / wolte alle Freude so gar verschwinden / daß sie keinen Trost noch Rath übrig behielten. Solte Polyphilus alsbald zur Macarien selber gehen / war zu beförchten /daß sie ihn gar nicht zu ihr gelassen / oder ja / mit erzürntem Hertzen empfangen. Alles war nun aus /selbst die Freundschafft war rund abgeschlagen. Melopharmis sagte wohl / ey so lasst sie gehen: aber das Hertz Polyphili konte seiner Macarien nicht mehr vergessen. Deßwegen er Melopharmis zur Seiten führete / und durch aller Götter Vergeltung bat / dafern sie / mit ihrer viel-vermögenden Kunst / noch etmas ausrichten könne / so solle sie dieselben anjetzo gebrauchen / und das Hertz der Macarien wieder zu ihm wenden: Er wolle / was ihm gebühre / die Schrifft beantworten / und nach Müglichkeit ihre Gunst hinwieder erwerben. Melopharmis / weil sie sein kläglich Behägen zu Hertzen nahm / kont ihm diese Bitte nicht versagen / darum sie eins wurden / Polyphilus solle sie hinführen biß zu dem Ort / da sie die Wohnung der Macarien sehen könne / aber die Antwort voran schicken / alsdann sie ihm / nach Vermögen / behülfflich seyn wolle. Alles wurde alsobald zu Werck gerichtet / die Antwort verfertiget / und Macarien zugeschicket / Polyphilus mit Melopharmis folgeten nach: So lautete aber die Antwort Polyphili. Nun erfahr ichs freylich schon / was sie jüngsthin hat gesprochen / daß der Liebe Glückes-stand öffters werde durchgebrochen von der Widerwertigkeit / dem ich damals widersprach / aber nun / ach! aber nun! selbst erfahre / selbst beklag. Doch wann sie / Erwählte mein! wird die Sache recht bedencken / wird sie / weiß ich / sich und mich nicht mit solchen Unrecht kräncken / nit beschulden mich mit dem / das mir gantz zuwider ist / nun ich / Liebste! dich erwählt / nun du mir die Liebste bist. Du beklagest dich um mich / da ich mehr um dich solt klagen / hab ich dir / so viel du mir täglich machest Angst und Plagen; hab ich dir / bekenn es nur / einmal das zu Leid gethan / was ich klagen kan von dir / wann ich nichts erbitten kan. Wie du sagst / so hab ich dich / Hertzgeliebtes Kind! verlasse! Ach! wie kan ich? da ich dich noch nicht einmal können fassen und gewinnen / liebes Kind! ist die Klage richtig recht / so bekenne sie zuvor / daß ich der verbundne Knecht ihres Willen-Wunsches sey; daß ich der Erwählte heisse / und daß unser beyder Hertz keine fremde Liebe reisse mit gelassner Treu-Gebühr: dann will ich auch froh und frey selbst bekennen / daß mein Dienst an ihr untreu worden sey. Gleichwol / sprichst du / solt ich dir schuldig meine Lieb erhalten / in dem Wissen / ohn Genüß; treuer meine Pflicht verwalten / ob ich deine nicht erkannt: aber glaube / daß ich dich gleich-soviel und mehr geliebt / als du heimlich liebest mich. Und bedencke das annoch / daß ein Unterscheid der Liebe; Ja! daß viel ein anders sey / was ich / Liebste! dort verübe / da ich liebend liebe nicht; liebend aus erheischter Pflicht / die mich so noch nie verpflicht / dz ich dein gedencke nicht. Und besiehe die Person / du wirst / wie du klug bist / sehen / daß aus blosser Höflichkeit / was ich dort gethan / geschehen / keine / die gebunden ist / meine Freyheit binden kan / eine / die entfesselt steht / leget mir die Fessel an. Ach du meine Kränckerin! ist es nicht so / wie ich zeuge / so vergeß der Himmel mein; keine Gnade zu mir neige das erzürnte Gott-geschick! sieh! ich schwere dir ein Eyd / daß ich dir getreu will seyn / bey des Himmels Gütigkeit. Ist denn dieses nicht genug? Was doch kanst du mehr begehren? Sag / befihl nur / was du wilt / alles will ich dir gewähren / wie ich alles schuldig bin. Ja! ich sage noch einmal / sind nicht meine Wort / mein Hertz / stürtze mich ein grosser Fall! Dencke / Schatz! denck ewig doch / wie mich deine Strafe drücke / und wie mein zersplittert Hertz dein Wort-Donnerschlag zerstücke / wann du jene mir benennst / die ich selbst verrathen dir / daß / ob sie auch schöner sey / seyst du doch die Liebste mir. Wie vil stellest du mir Strik? müst ich doch gefangen liegen. wann nicht meine Liebes-Treu könte deine Netz besiegen / bald verführt mich fremde Gunst: bald ist nur mein Mund verliebt / allerdings das Hertze leer / das sich doch so hoch betrübt. Bald ist meiner Liebe Brunst ohne Feur-Hitz angezündet / oder ob der Anfang heiß / und auf Hertzens-Glut gegründet / sey doch dessen Mittel lau / und das End-Ziel aller kalt / da ich diß vor jenem doch warhafft weit erhitzter halt. Wie die alte Frauen-Ehr sey durch meine Wort geschändet / ist zu deuten durch den Sinn / der mich von mir selbst gewen det / da sie meiner Jugend-Blüh durch den Zweiffel brechen wolt / als wär diese jung verführt auch den alten Runzeln hold. Aber daß sie schliessen will / wann auch ihre schöne Jugend solt veraltet heßlich seyn / möcht ich Widersinns die Tugend / Schönheit suchend / achten nicht: ist ein unbewährter Schluß / der mich / eh ich solches denk / mein Vergessen heissen muß. Lieb ich Tugend / Kunst / Verstand? kan dieselbe nicht veralten / lieb ich Schönheit / Pracht und Geld? Wer wird alles das erhalten? Pracht und Geld ist Eitelkeit / Schönheit ist ein blosser Tand / rechte Liebe / wahre Freud / gründet sich auf Kunst-Verstand. Und was streit ich ohne Noth? Ist sie / Schönste! nicht die Schöne / der sich keine gleichen kan? Ob sie schon das Jahr bekröne / so das Frühlings-Alter ziert / ihre Herbst-halb schöne Zeit nimmt vor aller Jugend Flor lieb- und lob-beschönte Bent. Drum / mein auserwähltes Hertz! laß / verlaß die Leid-Gedancken / zweifle nicht an meiner Treu / die in den geschlossnen Schrancken deines Willens bleiben soll; öffne meines Hertzens-Thür / und besiehe dessen Schluß / wirst du mehr vertrauen mir. Nach dem Gedicht setzte er / in ungebundener Rede /wie er nicht ruhen / noch leben könne / biß er ihrer Gegenwart geniesse / und mündlich / die Versicherung ihrer unverruckten Liebe / vernehme; bitte also /ihre Gewogenheit solle ihm / wegen des nichtigen Verdrusses / den Zutritt / durch den verborgenen Gang / nicht verschliessen / sondern / mit ihrem erwünschtem Anblick / wiederum erfreuen / wie sie ihn / durch den Widerwillen / betrübet. Nun gehet Polyphilus / mit Melopharmis / auf Macarien zu / und da sie zu den Eichbaum gelangeten /und Melopharmis vernahm / daß er unter diesem /seine schmertzliche Klage geführet / sprach sie: So sollet ihr auch / unter diesem / eure hertzliche Freud annemen und überkommen. Ferner / fuhr sie fort /weichet ein wenig von diesem Ort / und sehet von ferne / was da geschehen wird. Polyphilus folgete dem Befehl / und legte sich unter die Sträuche nieder / zu sehen / wie ihm Melopharmis helffen würde / die unter dem Eichbaum verharrete. Da er sich nun kaum geleget hatte / buckte sich Melopharmis zur Erden /als wann sie denen Geistern / aus der Höle / ruffen wolte: bald erhub sie ihr Gesicht wieder gen Himmel /aber mit einem grimmigen Anblick: Nach dem stund sie still / als in tieffen Ersinnungen / und bald darauf wandt sie sich gegen dem Ort / da Macarie wohnte /und fieng / mit klingender Stimm / also an zu ruffen: Ist dann kein Mittel nicht zu zwingen deinen Willen / du Felsen hartes Hertz! wilt du noch nicht erfüllen / was mein Befehl erheischt? Du solt erfahren bald / wie ich den / der dich liebt / in Lieb und Gnaden halt. Was zwingt dich / das ihn zwingt: du wilt vielleicht mich zwingen? O Nein! ein scharffer Pfeil soll durch dein Hertze dringen / besiegen deinen Trutz: du widerstehest mir / nicht dem / den du nicht liebst / ob er sich trauet dir. Drum her! sieh was ich kan / die gantze Macht der Höllen muß deinen Wider-Sinn / und deinen Hochmuth fällen / und führen in das Joch: du weist nicht / wer ich bin / solsts aber wissen bald: wann ich dein Hertz gewinn. Ich bin / was mir gefällt: es muß mir alles dienen / sey Fürst / Herr / Knecht und Baur: auf mein Wort ist erschienen / wein ich geruffen noch: der schwartzen Geister Zahl / was Höll und Welt beschleusst / das folgt mir überall. So groß ist meine Macht: der Himmel muß mir schwitzen im Mittag kalten Thau: die Sonne dunckel sitzen / wann ich die Wolcken führ: der Monde stille stehn / die Sternen gehen fort / wann ich sie heisse gehn. Die Lufft bewegt mein Wort: die Winde müssen brausen / Blitz / Donner / Hagel-schlag / durch Welt und Wasser sausen; und wann ich wieder will ihn heissen stille seyn / muß er auf mein Befehl sein Sausen stellen ein. Ich kan vor Hitze Frost / vor Kälte Wärme geben: verwechseln selbst die Zeit / daß / die im Sommer leben / gleichwol den Winter sehn: der Hundstag schneyet mir / der Hornung ist verblumt / gleicht sich der Frülings Zier. Ich kan die Element / Feur / Wasser / Lufft und Erden verwandeln / wie ich will: aus dem / muß jenes werden / die starcken Eichen gehn / auf mein Geheisse / fort / die Wasser bleiben stehn: so viel vermag mein Wort. Ich schmettre Felsen-Stein: so will ich auch was finden / das dich erweichen könn; ich will dein Hertz entzünden / mit brennender Begierd / daß du nicht ruhen könnst / biß du dem / der dich liebt / hinwieder Liebe gönnst. Kommt her / ihr Furien! komm / Pluto! hilff mir binden / komm / Drey-Kopff! Hecate! hilff ineinander winden diß ungewundne Haar: kommt / Geister! kommt heran / weil keine Bitte hilfft / so helffe / was da kan. Die funcklende Himmels-Kertze / die vorher gantz hell leuchtete / schiene für Schrecken zu erbleichen: Die verfinsterte Wolcken lieffen / als fielen sie vom Himmel. Finsternuß erfüllete die gantze Gegend. Der Vögel Gesang / so kurtz zuvor aufs lieblichste zwitzerte / wurde gantz still. Man hörete nichts / als das Flattern des Eichen-Laubs / und Polyphilus selber zweiffelte / welches sicherer wäre / zu lauffen oder zu bleiben. Er sahe ferner zu / da zog Melopharmis den lincken Schuh aus / nahm ein Tuch über den Kopff /kehrete sich zweymal gegen Morgen / und zweymal gegen Niedergang / grub mit einer Sichel / ein Loch in die Erde / und machte darauf einen Circkel um sich her / murmelte auch eine gute Weile / eins und anders / das Polyphilus nicht verstehen kunte. Hiernach brachte sie / aus ihrem Korb / allerhand Kräuter / vermengte dieselbe mit etzlichen Steinlein und Gebeinen von den Todten: hernach goß sie Kinder-Blut / welches ihr in der Lufft gereichet wurde / in eine Schalen / die sie auf Wacholder-Holtz und Eisen-Kraut satzte / und mit ungebrauchtem Schwefel und Weyhrauch anzündete. Da aber die aufsteigende Lohe / in die Höhe schlug / hielt sie auf der Sichel ein kleines Kinder-Hertz in das Feuer / und sprach solche Wort: So müsse gleichfalls auch dein kaltes Hertze brennen: weil du die heisse Brunst des Liebsten nicht wilt kennen. Ferner knüpffte sie 3. Haarlocken / so sie von dem Haupt der Macarien / durch ihre Kunst / listiglich geraubet / um 3. bund aber ungleich-gefärbte Vogel-Federn / mit diesen Worten: Die Federn flohen frey: das Haar war unbewunden: nun aber hat / die Lieb / sie / an das Hertz / gebunden. Auf diß sprützete sie dreymal in ihren Schoß / nahm ein Bild / von Jungfrauen-Wachs / in die Hand / beräucherte dasselbe / band ihm 3. wüllene Faden / von dreyerley Farben / um den Halß / und sagte: Mächtig ist die dritte Zahl: dreymal sey sie drum gebunden / dreyer Farben Baude sind / um das harte Hertz / gewunden. Unter solcher Rede / stach sie mit einer gespitzten Nadel / dreymal in das Bild / und sprach: So muß es gleicher Weiß auch ihrem Hertzen gehen / das unverwundet wolt der Liebe widerstehen. Warff es darüber in das Feuer / mit diesen Worten: Wie dieses weiche Wachs / im Feuer / muß verräuchen / so auch dein Felsen-Hertz / in Liebe / muß erweichen. Nach dem nun dieses alles nidergebrennet war / griff sie auf die Erde / hebte die Aschen auf / warff sie dreymal über den Kopff hinter sich / und hub / wie vorher / an mit verbrochenen Worten zu murmeln: sie aber sahe nicht zu ruck. Alsbald erhub sich ein erschröcklich Gewitter / das aber bald aufhörete / und die helle Sonne / wie vor / leuchten ließ. Polyphilus kam / voller Schrecken / zu Melopharmis / und kunte kein Wort herfür bringen / weil er dermassen zitterte / daß er den Blättern der Aespen /so nicht weit von dannen stunden / nichts bevor gab. Darum Melopharmis anhebte: Jetzt gehet hin zu Macarien / und versichert euch / daß sie liebet. Aber Thorheit! Hätte Polyphilus seine Antwort nicht so scharff gesetzet / und mit betheurten Worten geführet / hätte sich das Tugend-liebende Hertz / der allerzüchtigsten Macarien / lang zu keiner Liebe verzaubern lassen. Doch glaubte Polyphilus den Worten Melopharmis / und gieng hin. Eben aber / da er auf halben Weg war / begegnete ihm die Dienerin Macarie / die sie / mit dem Befehl / Polyphilum zu holen /ausgesandt hatte. Er fragte alsobald / weil er von ihr verständiget wurde / daß sie um die Freundschafft ihrer Liebe Wissenschafft trüge / wie sich doch Macarie so bald erzürnen können? welche antwortete: Die Ursach ihres Eyfers ist mehr eure Verwegenheit / als die Liebe / damit ihr Apatilevcheris liebet. Was habt ihrs dörffen ihren Augen vorlegen / welches sie deutet / als liege eine heimliche Beschimpffung drunter verborgen. Viel mehr / sagte Polyphilus / solte sie die Aufrichtigkeit meines Hertzens daraus erkennen / daß ich ihr nichts verhäle. Darauf die Dienerin erinnerte: Nein / Polyphile! viel eher eine Einfalt / als Aufrichtigkeit. Mit diesem Gespräch / giengen sie fort / biß zu dem Hof. Polyphilus suchte den verborgenen Gang / welcher allbereit eröffnet stund / und seiner Zukunfft wartete. Er gieng durch die Thüren hinein / die er aber alle hinter sich verschloß / biß er zu der letzten kam / die ihm seine allerliebste Macarien zu sehen gab. Alsbald fieng er an / sich hoch zu entschuldigen / und das leicht-erbitterte Hertz / bey ihrer Güte und Gedult / zu verklagen. Aber Macarie fieng an zu lachen / und deutete das alles / was sie gethan / zum Schertz / wiewol es scheinbarer ist / sie habe die Beständigkeit Polyphili damit versuchen wollen. Das freundliche Hertz /der gar zu schönen Macarien / ließ nicht zu / daß Polyphilus mehr klagte / weil sie immer fort mit ihm schertzete / und sagte: Ihr liebet doch Apatilevcherin ein wenig! wem solten die schwartzgefärbten Augen nicht gefallen? Wer solte nicht gern den Purpur-rothen Mund küssen? Der stoltze Adels-Schein will auch etwas vorgezogen werden: Und dergleichen mehr. Aber Polyphilus widerlegte das / mehr im Werck / als mit Worten / indem er ihm der Macarien bräunlichte Augen gefallen ließ / und ihren Purpur-Mund küssete. Viel angenehme und erfreuliche Gespräch verführeten sie miteinander / sonderlich fieng Macarie an /warum er den Frauen / und nicht vielmehr den lieb-verdienenden Jungfrauen / gewogen / da diese nicht so gefährlich / auch nicht so sündlich zu lieben / als jene? Dagegen Polyphilus einwandte / daß er / die Zeit seines Lebens / keine Jungfer geliebet / auch nicht lieben könne / weil er gleichsam von Natur / ein feindliches Hertz / gegen denselben führe / nicht wissend / aus was Ursachen. Er schliesse aber dahin / es müsse ein sonderbarer Sinn / in ihm / herrschen / der sich mehr gegen dem Weiblichen / als Jungfräulichen Stand / neige / und jene / vor diesen / lieben heisse. In dem er auch nicht fehlte. Unter währenden Gespräch /klagte Polyphilus / die all zu grosse Hitze / welche ich nicht weiß / ob sie die erhitzte Sonnen-Strahlen / oder die feurige Gluth seines verliebten Hertzens verursachete: Da hingegen Macarie die Kälte besprach /so offt der Wind / durch das Zimmer wehete: dessen sich Polyphilus sehr wunderte. Macarie aber / die ihn / in so grosser Hitze / am besten kühlen konte /reichete einen Zettel dar / darauf die Beschreibung der Liebe / in folgenden Reim-Schlüssen / verfasset: Du Honig-süsses Gifft; du selbst-erwähltes Leiden: Du Mutter später Reu / und Pest der besten Zeiten: Du Demant-vestes Joch: du Felsen-schwere Last: Du ungezäumtes Thier / und Undanck-voller Gast. O Liebe! du Tyrann / du wütendes Beginnen: der Freyheit Widerstand; Zerstörer kluger Sinnen: Du Untergang des Glücks: Gebährerin des Neids: Du Tod der Frölichkeit / und Quellbrunn alles Leids. Die Macht ist ohne Macht / die Waffen fallen nieder / wann du geschminckte Lust beherrschest die Gemüther; die Thorheit folget dir / der Eyfer ist dein Kind / Verzweiflung / Furcht und Mord / man letzlich in dir find. Du ungerechtes Recht: die Laster müssen siegen / wann dein Vermessenheit die Tugend will bekriegen; es gilt dir alles gleich / Welt / Cron und Hirtenstab / du sagest jetzt der Höll / und jetzt dem Himmel ab. Du lachest der Gefahr / und achtest kein Verderben; das bittre wird dir süß / wann Wollust zu erwerben: die doch ein blosser Traum / ein übersüßte Gall / ein Schatten / der verschwind / und gleich dem Gegenschall; so augenblicklich stirbt / als er recht wird gebohren / und ist in einem nu gefunden und verlohren: Diß ist der grosse Sieg / diß ist der reiche Lohn / den man von deinem Dienst / O Liebe! trägt davon. Du Acker voll Gefahr / Ernehrerin der Sorgen / von gestern Angst biß heut; von heut biß wieder morgen: du unergründlichs Meer / voll Klag und Ungedult / an aller Müh und Noth allein du trägest Schuld: Du Hoffnung voll Betrug / die deine List erkennen / und fliehen nicht vor dir / sind blind und taub zu nennen: sie hören / hören nicht: und sehn nicht / was sie sehn: dann sonsten könten sie auch deinen Grimm verstehn. Polyphilus solte die Gluth / seiner Liebe / damit kühlen: aber sie wurde mehr erhitzet / deßwegen er / in ihrer Umfahung / die Zeit vollends zubrachte / und der Zucht-gebührenden Tugend-Liebe freyen Paß ließ. Diese leschete die Gluth Polyphili / mit dem Zucker-Safft der dersüsseten Lippen Macarien / und kühlete das befeurete Verlangen / an den erkalteten Wangen /mit solcher Freudigkeit / daß ihn die Zufriedenheit selber / in den Schoß / seiner Allerschönsten und Liebsten / niederlegte / und so vergnügt seyn hieß. Diß war das letzte mal / daß er / an diesem Ort / zu ihr kam / darum wir billich die treffliche Reden / so sie / mit viel grösserer Liebe / unter sich vollführeten / dann vorhin geschehen / aufzeichnen / und weitläufftiger beschreiben solten: allein die geliebte Kürtze heisset uns abreissen und / mit dem Abschied Polyphili / auch das Gespräch abbrechen. Sehr betrübt scheideten sie voneinander / weil sie nicht gewiß seyn könten / wann sie sich wieder sehen würden. Darum sprach Polyphilus: Ach liebstes Kind! wann wird mich nun das Glück / mit ihrer Gegenwart / wiederum beseligen? Kan ich sie dann nicht so bald wieder sehen / wird sie mir ja vergönnen / daß ich / mit meinen ungezierten Briefen / sie bißweilen besuchen /und an die Liebe Polyphili erinnern darff. Ja / sprach Macarie / aber daß es verborgen gehalten werde / und ich nicht in bösen Beruf komme. Darüber sie sich noch einmal hertzeten / und scheideten / Polyphilus auf Sophoxenien: Macarie auf Soletten. Nun müssen wir sehen / was die beyde / in ihrer betrübten Einsamkeit / gethan. Anlangend Polyphilum / kürtzete er die Zeit / mit dem Gedächtnus seiner Macarien / welches er nehrete / mit allerhand lustigen Gedichten / deren wir etzliche / dem beliebenden Leser zu Gefallen / hieher setzen wollen. Vor allen andern beschrieb er / so bald er heim kam / die Reden Macarien / und was sich unter ihnen beyden begeben. Auch ihre Beschreibung / der Liebe / versetzte er / mit einem solchen Gegen-Satz: Du Honig-süsse Kost / und Preiß der Lieblichkeiten / du Mutter früher Luft / und Schatz der besten Zeiten. Du angenehmes Joch / du leicht geführte Last / du ungezäumtes Wohl / und Hertz-verlangter Gast. O Liebe! Königin! vernünfftiges Beginnen / der Freyheit Schutz und Trutz / Geburt der klugen Sinnen. Du Herrscherin des Glücks / Zerstörerin des Neids / Ernehrerin der Freud / Ertödtung alles Leids. Du siegest überall / die Waffen fallen nieder / wann du / mit deiner Macht / dich setzen magst zuwider der falsch geschminckten Lust: du bist die wahre Freud / vollkommen noch darzu. Kein Creutz / kein Hertzenleid / kein Eyfer / kein Betrug / ist in dir leicht zu finden / Verzweiflung / Furcht im Mord kanst du bald überwinden / die Thorheit muß vergehn / wo deine Weißheit steht: die Falschheit kan nicht stehn / wo deine Treue geht. Du selbsten bist das Recht: drum muß die Tugend siegen / wann dein gerechter Grimm die Laster will bekriegen; Du achtest keinen nicht / sey Cron / sey Hirtenstab / sey endlich wer er will; du sagest allen ab: und lachest der Gefahr / verachtest das Verderben / wann dein getreuer Dienst kan Tugend-Lust erwerben / die einig nur vergnügt / und alle Laster-Gall durch Redlichkeit versüsst: und gleich dem Gegen-schall läst sterben / wann er kaum / und eh er wird gebohren: so wird bey dir das Recht gefunden: und verlohren / was Unrecht heissen will: du giebest reichen Lohn / die Tugend ist der Sieg / den träget man davon. Zwar achtest du Gefahr: ernehrst doch nicht die Sorgen / was heute feindlich scheint / muß freundlich sehen morgen / drum sparst du keine Müh / und kommst bey zeiten vor / wann die Gefährlichkeit eröffnet hat ihr Thor / entgegen deiner Macht / mit Unglücks-Macht / zufallen: Dann höret man bald hier / bald dort mit Schrecken knallen die seufftzende Geschoß; der Thränen-volles Heer kommt mit gestürmter Hand / und ächtzendem Gewehr entgegen seinem Feind. Das Hertz / der kluge Führer / sicht vornen an der Spitz / und schicket die Curirer an tausend Orten aus: der Anschlag wird gemacht / Sinn / Weißheit und Verstand / der kluge-Naht-Bedacht / befrenet seine Lust / und schlägt die Waffen nieder / ertödtet seinen Feind: die Liebe freut sich wieder / brsieget alle Klag / beherrschet alle Noth / lebt nicht in Ungedult / ist sicher vor dem Tod. Drum Liebe / theures Pfand! die deine Lust erkennen / und folgen dir nicht bald / sind blind und taub zu nennen / sie hören / hören nicht / und sehn nicht / was sie sehn / dann sonsten könten sie auch deinen Schatz verstehn. Nach diesem gedachte er an die Frage / so sie ihm zu beantworten geben / warum er keine Jungfern lieben könne / die er mit folgenden Worten belegte: Es wundert dich / mein Schatz! warum ich nicht könn lieben das liebe Jungfern-Volck? Verlange mehr zu üben des Amors süsse Lust / mit der / die du im Schertz die Alte hast genennt? Dich meyn ich / schönstes Hertz! Was aber wunderst du? weil du mir hast gefallen / und immer mehr gefällst: so hab ich dich vor allen zu lieben auch erwählt; und weil du schöner bist / als alle Jungfern sind: diß diß / die Ursach ist. Da / sprichst du / brauchts Beweiß! wie kan ich dirs beweisen / wann du nicht glauben wilt / wann meine Zunge preisen will / was das Hertze denckt? Glaubs zu Gefallen mir: so will ichs mit der That noch wohl erweisen dir. Diesem folgte die Erinnerung seiner Wärme und ihrer Kälte / die er / mit diesen Worten / erklärte: Wie kommt es / liebes Kind! daß in den heissen Tagen / du dennoch klagest Frost / wann sich die Winde jagen ein wenig durch dein Zelt? Ists nicht so / liebes Kind! weil man ein kaltes Hertz vor allen in dir find? Kalt / sag ich: freylich ja! Ach! würd es bald erhitzet / durch eine solche Gluth / dadurch mein Hertze schwitzet; in heisser Liebes-Brunst! ich weiß / du sagtest dann: nur Hitze / keine Kält ich jetzo klagen kan. So folge meinem Rath! laß dich von mir entzünden mit brennender Begierd; laß in und bey dir finden ein lieb-erhitztes Hertz / denck offt an meine Wort: so wird / eh du vermeynst / die Kälte gehen fort. Den Garten redete er solcher Gestalt an / da er scheiden muste: Es müssen stetig dich die treue Favorinnen / du schönes Blumen-Feld! in ihrem sichern Schutz / aufnehmen / hüten dein! es mehre sich dein Nutz durch jenen Phaeton! Neptunus lasse rinnen aus seinem fenchten Schoß! Auch meine Castallinnen / die sollen krönen dich / und dein gebüschtes Haupt / so lang kein wilder West dein blumicht Antlitz raubt. Selbst Jupiter dich schütz! und meine Pierinnen / mit zweyen von Parnaß; nächst dieser Princessinnen / die dich und mich beherrscht; die sollen sämtlich gehn um dein Geheg herum / und durch ein Lied erhöhn heut deine Trefflichkeit. Die leisen Etesinnen durchwehen lüfftig dich. Kein Satyr / kein Sylvan: nur du / hertzliebes Kind! darffst kommen auf den Plan. Das war Polyphili Arbeit: Macarie war bemühet / in seinem Buch / das sie noch immer fort bey sich behalten / die Gedichte aufs fleissigste durchzugehen / auch etzliche darinnen zu widersprechen / etzlichen nachzusingen / auch sonst vor sich weiter zu dichten / die wir aber noch nicht hören wollen: sondern was sich diesem vorzukommen bemühet / auch zu erst daher setzen. 11. Absatz Eilfter Absatz Beschreibet die zeitliche Begrüssung / so zwischen Polyphilo und Macarien schrifftlich geschehen: Lehret die Tugend-Art / welche / in zweyen Gemütern / einerley Würckung übet; und anders mehr / das in den Briefen und deren Erklärung selbsten erörtert wird. Es ist aber billich zu verwundern / daß Macarie und Polyphilus / zugleich auf eine Zeit / einander zuschreiben entschlossen wurden / entweder daß keinem das Lob des Verzugs / oder die Schuld der Vergessenheit / beyzumessen wäre. Es kam eben / daß Polyphilus verreisen wolte / wiewol die Reise gar kurtz / und mehr ein Spatzier-Ritt zu nennen: doch aber so nöthig war / daß sie ihn bald / an dem Gruß-Brieflein / an Macarien / verhindert. Doch befand er einen solchen Zwang bey sich / der ihm gleichsam / mit einem grossen Verlust / drohete / die Feder zur Hand zu nehmen / und noch vor dem eilfertigen Abzug / ein Brieflein an Macarien abzufertigen: so gut es auch die unbedachtsame Geschwindigkeit zuließ. Eben aber / da sich Polyphilus setzt / dorfft ich leicht sagen wird Macarie / durch gleichen Zwang / niedergesetzt / folgenden Gruß an Polyphilum abzufertigen: Edler Polyphile! Das Gedächtnus meiner Zusage / welche ich / bey unserm Abschied / hinterlassen / hat mich angetrieben /denselben / durch dieses kleine Briefflein zu besuchen / und mich seines Wohlergehens zu versichern /nicht zweiflende / er werde solches / nach seiner gewöhnlichen Freundlichkeit / günstig aufnehmen / und ihme / wo nicht angenehm / doch erträglich seyn lassen. Insonderheit / weil mich hierzu veranlasset / sein künstlich-poetisches Buch / dessen Ergötzlichkeit /ich / nun eine geraume Zeit hero / erfreulich genossen: selbiges aber / bey dieser Gelegenheit / neben schuldiger Dancksagung / vor so willige Uberlassung / wieder unverletzt übersende / freundlich bittende / er wolle solches / nicht mit zornigem Gesicht empfangen / oder / wegen des langen Aussenbleibens /scharff bestraffen: sondern gewiß glauben / daß es seinem Befehl sorgfältig beobachtet / und allein /durch mein Saumseligkeit / zu diesem Ungehorsam sey verleitet worden. Weßwegenich mir dann billig die gantze Schuld beymesse / und nur um gelinde Straff bitte; selbige auch von seiner Gütigkeit zu erhalten / keines Weges zweifle. Nun solt ich / seinem Begehren zu Folge / etliche meiner einfältigen Verse /seinen Gedichten beygefüget haben / fürchte aber /durch meine ungelehrte Feder / die Würde dieses Buchs zu vergeringern / und desselben Glantz zu verdunckeln / oder wohl gar / mit meinen unschuldigen Reimen / mehr Schimpff / als Gunst / zu erwerben. Massen ich nimmermehr glauben kan / daß seine Gewogenheit / weil sie auf so grosser Ungleichheit beruhet / lange Zeit dauren könne. Zwar weiß ich wol /was die Gelehrte schreiben / daß die allerstärckeste Liebe sich in der Ungleichheit befinde; weil die Venus / nimmermehr den Gott Martem , so hoch / als den Schäfer Adonen geliebt: Diese Begebnus aber /ist mehr in Ungleichheit des Standes / als des Alters /und auch mehr bey Göttern / als Menschen zu finden. Es sey dann auch bey denen / welche sich / mit ihren Tugenden / den Heydnischen Göttern gleich machen. Unter welche Zahl / so ich euch / Tugend-berühmter Polyphile ! auch setzen würde / thät ich nicht mehr /als was seine Verdienste / und mein / in diesem Gerichte / unpartheyisches Urtheil erforderte. Dannenhero ich desto weniger die jenige neide / welche geschickter / als ich / ist / solches Kleinod zu gewinnen. Es sind auch meine Gedichte gantz nicht der Meinung / seine Liebste zu beleidigen / oder ihme seine Freyheit zu rauben / sondern sie stellen allein die Gedancken vor / welche mir / in meiner Einsamkeit Gesellschafft leisten / und dafern ich versichert würde /daß sie / zu Sophoxenien keine verdrüßliche Gäste seyn möchten / müsten sie sich / mit nächsten / dahin abzureisen / fertig halten. Diesesmal bitte ich / Edler Polyphile ! Ihr wollet die Künheit dieses Briefleins vergeben / in eurer vorigen Freundschaft verharren /und durch eure annehmliche Gedicht / öffters erfreuen / eure beständige Freundin: Macarien. Könten wir den Gruß Polyphili auch zugleich mit dem vorgesetzten Gruß der Macarien / an einen Ort setzen / wie sie zu einer Zeit verfasset worden / hätten wir selbigen nicht nachsetzen dörffen: nun aber lässet die schuldige Folge Polyphili / seiner Macarien / den Vorzug gar willig über / und gibt uns / nach jenem /auch sein Brieflein / mit solchen Worten / zu lesen: Mein Kind! Ob mich wohl keine Nothwendigkeit der Geschäffte /so wichtig und mächtig die auch sind / abhalten oder verhindern solte / so offt ich Gelegenheit überkomme / meinen Fleiß und Dienst / in ihrem Befehl zu erweisen: hab ich doch / biß daher / und anjetzo / wieder meinen Willen / der Zeit ihren Lauf lassen / und sie / ohne schrifftliche Besuchung / in meinem Hertzen / stillschweigend ehren müssen. Daß aber mein Stillschweigen mich nicht etwa / der Vergessenheit halber / oder sonst eines erkalteten Hertzens / bey ihr anklage: habe ich mit diesen / so wahren / als wenigen Worten / verpflichtet befunden / ihr zu bezeugen /wie ich sie / die meine einige Freude / ja mein Verlangen ist / auch abwesend / in meinem Andencken behalte / und durch keine fremde Bewegung verliere / ja! daß alles / was ich ersinne / einig ihre Gunst / mit ewiger Beständigkeit / verlange / und meine Treu /gleich-gebührender Massen verspreche. Wüste also nicht / was mir beliebters widerfahren könte / als wann auch ich / mit solchem Versprechen / der Gewißheit mich zu trösten hätte: welche mir jedoch / wie ich bitt und hoffe / durch ihre liebwürdige Feder / mit nächsten / wird kündig werden / so bald sie diese meine unwürdige Zeilen einiger Beantwortung würdigen wird. Indessen verbleibe sie / mein Kind! wie sie mir / zu bleiben / versprochen / und versichere sich /daß ehe meine Seele sterben wird / als sie / meines theils / über falsches Versprechen klagen soll. Dafern uns auch das Glück gleich so zu wider wäre / daß wir noch länger uns nicht sehen könten / oder die Gedancken des Hertzens gegenwärtig erklären: lasse sie sich dennoch / mein Kind! nichts betrüben / sondern befriedige sich / mit dem Trost / daß sie mein Hertz wisse und kenne. Eben das will auch ich thun / es rathen andere / was sie wollen. Und weil zwar die entschiedene Oerter / unsere Zusammenkunfft / nicht aber unsre Unterredungen verhindern können / als lasse sie / mein Kind! ihre Feder nicht ruhen / mir zu eröffnen / was ihr Hertz sinne / und ob sie meiner gedencke. Daran wie ich nicht zweiffle; als will ich anjetzo schliessen / und neben jenem / nicht mehr bitten / dann daß sie der Unzierde dieses Briefleins vergessen / und der Kürtze vergeben wolle; welche /theils die wenige Zeit / theils die Vielfältigkeit der Geschäffte / verursachet. Ich verpflichte mich / biß an mein End Dero treu-beständigen Polyphilum. Was werden doch die beyde Verliebte dencken / wann sie / durch so wunder-würckende Schickung / zugleich erfreuet werden? So nemlich ist eine gttreue Liebe beschaffen / daß kein Theil / dem andern / an Treu und Aufrichtigkeit / weichen will. Wir wollen Polyphilum zu erst besehen / und vernehmen / mit was Freude er den Gruß gelesen. Diese ist unerdencklich. Er hertzte das gehertzte Brieflein mehrmals /dann Buchstaben darinnen zu lesen waren. Er rühmete die Beständigkeit ihrer Treu / und verwunderte den Schatz ihrer Weißheit / zusamt dem herrlichen Reichthum ihres gelehrten Mundes / der / je mehr er die Gaben der zierlichen Reden / und verstandigen Schlüsse heraus gab / je weniger er irgend einen Mangel spürte. Das Ende der ersten Uberlesung / forderte den Anfang der Wiederholung / und weil er / in seiner bekümmerten Hoffnung / keinen bessern Trost erfinden mochte / erhub er sich von Sophexenien / in ein kleines begrüntes Lust-Wäldlein / nahm den Brief mit sich / setzte sich unter eine Eichen / da er sonst den Göttlichen und Natur-Wundern nachzuforschen pflegte / und wiederholte diß ausgezierte und gelehrte Brieflein so offt / daß ers / nach dem / in seinem Gedächtnus / ohne der Augen Gebrauch durchgehen konte. Endlich fieng er von sich selber an / solcher Gestalt dasselbe anzureden: Du bist ja freylich wohl ein liebes und schönes Brieflein! lieb / wegen der Lieben; schön / wegen der gezierten und verständigen Wort. Dein Anfang zeiget alsbald Liebe / indem er rühmet / das Gedächtnus der Zusage / so meine allerliebste Macarie / bey ihrem Abschiede / mir hinterlassen. Solt ich daher nicht die Gewißheit ihrer Liebe schliessen? Falsche Liebe pflegt viel zu versprechen / und wenig zu halten: aber die Liebe / meiner Geliebten und wieder-liebenden Macarien / erweiset ihre Wort im Werck. Ach Macarie! du vollkommener Schatz aller Tugenden / wie kan sich deine Würde / durch thätige Krafft / so mächtig erweisen? Liebe ist die Königin aller Tugenden / dann wo diese erleschet / da finden wir eitel widerstrebende Laster / und verhässige Widerwertigkeiten: so must du / Tugend-Königin! deine Treue / am ersten / durch diese bewähren. Ja! so must du / Tugend-herrschende Macarie! deine Gewalt / in der Herrlichkeit der Liebe / erweisen / die alle andere Tugenden nach sich ziehet. Ach! unschätzbare Macarie! wer wird sich dir gleichen / in einem solchen Wandel / darinnen kein Sterblicher / ohne Anstoß / durchgehen kan? Du zehlest mich zwar unter die Heydnische Götter / vielleicht weil ich sonsten deiner Liebe unwerth würde geachtet seyn: aber du verwirffst mich wieder unter die Sterbliche / in dem du zweiffelst / ob ich dein Besprechen günstig aufnehmen werde. Was sag ich? Nein / ich irr. So ferne ists / daß Macarie zweiffeln solte / als gewiß sie meiner Liebe versichert ist. Aber die Bitte / daß ich mir ihren Gruß soll erträglich seyn lassen / zeiget / dennoch die Furcht / daß er nicht angenehm seyn werde. Angenehm? ach! verlangte Macarie! dafern das jenige / was wir mit sehnlichem Erwarten verlangen / nicht unangenehm heisset / da wirs mit Freuden erlanget / wird / in Warheit! auch das geringste / so von der ewig-verlangten Macarien / meinem sehnlichen Erwarten wird übersendet werden /gleich so angenehm seyn / als mir das Gedächtnus Macarien ergötzlich ist. Was soll ich ferner sagen? Die gewöhnliche Höflichkeit Macarien / so meiner gebührenden Freundlichkeit zu viel mißbrauchet /heisset sie so reden. Dahin ich eben auch / das unverdiente Lob / meines geringen Poetischen Buchs / deuten muß / in welchem aufrichtige Einfalt / die beste Kunst gewesen / und Bäurische Grobheit / die vornehmste Auszierung / die nicht würdig / daß sie von den Kunst-nehrenden Sinnen / der allerverständigsten Macarien betrachtet / viel weniger / zu einer erfreulichen Ergötzung / erwählet worden Aber das zwinget mich / ihre Höflichkeit / zu glauben / und ihre Beredsamkeit anzunehmen. Jedoch muß ich der Billigkeit /in diesem Fall / auch nicht zuwider handeln / daß ich mehr / dann mir gebühret / nehmen solte. Diß ist der Danck / den mir meine Macarie gibt / beneben der Bitte / daß ich mein Buch / wegen des langen Aussenbleibens / nicht zu hart bestraffen solle. Ach Macarie! jenes verdiene ich nicht: dieses gebühret mir nicht. Kan man auch dancken / wo keine Gutthat genossen? Was hab ich dann / allerliebste Macarie! euch gegeben / daß ihr Danckschuldig erkennet? Wird nicht mir vielmehr / die empfangene Ehr diese Gebühr auflegen / daß sie meine übelgesetzte Reimen / ohne Verdruß lesen mögen / und wider Verdienst / mit ihrem herrlichen Lob / krönen: Ja Macarie! soll ich Danck geben / sie annehmen: ich muß bitten / und mich freuen / daß sie mein allzukühnes Buch / ohne grosse Bestraffung / wieder zuruck geschickt / und nicht viel eher / als einen unangenehmen Gast / mit zornigem Gesicht / verjaget. Wie hast du dich doch / schlechtes Buch! unterstehen dörffen / bey den schonen Händen Macarien so lange zu wohnen: Du hast mir gefolget /der ich auch den Abschied nicht finden können / so offt ich zu ihr kommen. Sag mir aber / so du mir getreu gewesen / hast du meinen Befehl sorgfältig beobachtet? So gibt dir Macarie selbsten das Zeugnus /dem ich glauben muß / und um desto lieber glaube /weil ichs gern glaube. Ich will nicht hoffen / daß du anderst wirst / mit Macarien / geredt haben / als aus Liebe / sonst wolt ich dir deine Untreu bezahlen /auch wirst du / was ihr nicht gefallen / verhelet haben / und sie gebeten / daß sies nicht glaube / oder mehr daran gedencke; weil du nicht allemal gleich meinem Hertzen redest / das seinen freyen Lauf / ohne deine Schrancken / behalten / und dir / wegen deiner verschwatzten Zungen / öffters etwas vertrauet / das es anderst bey sich beschlossen / auf daß die Liebe Macarien / durch dich zwar bezeuget / aber nicht /ohne Zweifel / beschrien werde: Wessen wann du mich versichern wirst / werde ich allen andern Ungehorsam / darzu dich die Saümseligkeit / der sonst fertigen Macarien / dißmal verleitet / als angenehm und begehrt erkennen / der wieder dich / noch die unsträffliche Macarien / einiges Verbrechens beschulden /oder einer Straf / sie sey auch / so gelinde sie wolle /werth erkennen wird. Aber / schönste Macarie! warum bittet sie um eine gelinde Strafe? Womit hat sie wider mich gesündiget? vielleicht / daß sie meiner vergessen / und mich nicht mehr / wie vorhin / liebet? So sehe sie meine Gütigkeit / die / auf ihren Befehl /diese Bitte / an statt der Straf setzet / daß sie meiner gedencken / und mich getreuer lieben wolle. Oder ist sie straffwürdig / daß sie mein einfältiges Buch / mit ihren gezierten Versen / nicht verehret / will ich ihr auch diß vergeben / weil sie meine Einfalt / mit ihren Kunst-Gedichten / nicht beschimpffen mögen. Dann ich doch nicht glauben kan / daß ihr gelehrte Feder anderst schreiben solte / als was Ruhm und Gunst verdienet. Was aber glaubet sie / unglaubige Macarie: Es könne meine Gewogenheit / wegen der Ungleichheit unsrer Jahre / nicht dauren? Wie versteht sie das /verständige Macarie: will sie dann schon sterben /oder ist sie der Gruben so nahe? Ich meyne je / die Zeit ihrer Jahre wird meine nicht um 3. Schritt überschreiten: solte sie dann / liebstes Kind! die 3. Schritt vor mir sterben / wolte ich desto geschwinder eilen /daß ich dieselbe / gleich in ihrem Fall / vollbrächte /und alsdenn / mit ihr / in eine Gruben fiele: so müste dennoch die Ungleichheit unsrer Jahre / auch wider ihren Willen / uns beysammen lassen. Oder ist ein ander Ubel daher zu beförchten? So scheint sie zwar zu schliessen / von der Venus / als wann meine Liebe sich deren nicht gleichen werde: aber was gibt sie vor Ursach? In Warheit! ihre Entschuldigung ist nicht aller Orten gültig / in dem ich mehrmaln das Widerspiel erweisen will. Mein Sinn ist je beschaffen / daß ich lieber eine höhere am Alter / dann eine niedere am Stand lieben will. Dann Liebe / ohne Ehre / ist keine Liebe. Die Bauren-Dirne bleibet wol vor mir: aber ein Damen-Bild / das schön / freundlich / holdselig und Tugendhafft ist / liebe ich / sie sey alt oder jung. Ist nun die Liebe einmal auf Tugend gegründet / bestehet sie / so lang der Grund stehet: diesen aber zu erhalten / ruhet allein in ihrer Gewalt. Es liebe die Venus ihren Schäfer / der jung ist: Ich lasse mir gefallen die mannbare Tugend / und den bejahrten Verstand. Was bewegte die Göttin zu solcher Liebe? nicht der Schäfer / nicht die Jugend: besondern die Schönheit. Meine Macarie ist schöner / als tausend Adonen. Adonis Schönheit verwelckte: meiner allerschönsten Macarien Zierde blühet mit der Tugend / die nicht vergehen kan. Was schadet uns nun die Ungleichheit des Standes / oder der Jahre. Ist die Liebe starck / so auf jener bestehet / so hat mich Macarie / mit Unrecht / in die Zahl der Götter gesetzet / weil ich nicht begehre / daß durch meine Gleichheit / die Liebe Macarien unkräfftig werde. Ich geruhe in ihrem Schluß /und bleibe / bey den Sterblichen / der Adonis / wann ich ja nicht mehr Polyphilus heissen darff / damit ich nicht geringere Jahr führe: bleibe auch sie / allerwürdigste Macarie! unter den Göttinnen / die Venus / und liebe ihren Adonem / so will ich gern bekennen / daß sie mehr durch ihre Verdienste / als mein geringes /doch gerechtes Urtheil / unter die Zahl der Unsterblichen gesetzet sey. Welche wird aber alsdann geschickter seyn / das Kleinod zu gewinnen? Ihr wird alles gebühren / dafern sie nur meine Freyheit / als unwürdig / rauben mag. Ich bin selber gantz ihre /darum sie freylich meine Liebste nicht beleidigen wird / es sey dann / daß sie mich von ihr stosse / und mir den Namen nicht gönnen wolle / daß ich / in dieser Sterblichkeit / von einer Göttin geliebet würde. Doch tröstet mich die Hoffnung / daß sie auch in ihrer vorigen Freundschafft verharren wird / wie sie mich darinnen verharren heisset. Welches alles mir sichern Glauben erwecket / sie werde die Gedichte / als die angenehmste Gäste / mir mit nächstem zuschicken /und die Gedancken / so ihr / in ihrer Einsamkeit / Gesellschafft leisten / erklären: welche ich / in meiner bekümmerten Hoffnung zum Trost / und der Betrübnus zur Ergötzung / wählen werde: auch sie hinwiederum / nicht zwar / wie ich billig solte / mit annehmlichen Gedichten erfreuen: sondern / wie ich müglich kan / mit einfältigen Reimen bemühen / daraus sie erkenne / daß ich der beständigste Freund / meiner beständigen Macarien / leben und sterben werde. Das waren die Gedancken Polyphili / damit er ihm selber den Brief erklärt. Die Ergötzlichkeit des Lustbringenden Lust-Wädleins / halff nicht wenig zu der Vermehrung seiner Freude / die endlich in eine Begierde ausschlug / Macarien zu sehen / daß er gedachte: ach! möcht ich doch / allerliebstes Kind! dich nur schen / wolt ich mich gerne zu frieden geben: Ich begehrte nichts mehr / als / durch deine Gegenwart / die Herrlichkeit deines Glantzes zu verwundern / wie ich den Pracht deiner Tugend und Weißheit / in diesem Beief / ausgedrücket sehe. Diese Begierde verursachte ihn / daß er / in dem er den Wald durchgieng / und wieder nach Hauß gedachte / folgendes Sonnet verfertigte: Ich glaub es endlich wohl / daß unter allen Sinnen / so viel auch deren seyn; wann sie sind all verliebt / doch keiner nicht so sehr und schmertzlich sey betrübt / als eben das Gesicht: das niemals je gewinnen / und wieder niemand nicht hat je vergnügen können / wann er nicht / wie er wolt / konnt dessen mächtig seyn / wornach ihn so verlangt / und durch den Gegen-schein gewechselt Aug um Aug: wie von der Himmels-Zinnen die Sonne steigt herab: und wie die Wasser rinnen gleich gegen ihrem Strahl: auch so der Augen Liecht durchleuchtet / bleibet hell / und wird verdunckelt nicht / wann gleich die Finsternüs im Mitten stecket drinnen: mir ist jetzt eben so / wann ich dich sehen könnt / wär ich zu frieden schon / ob mir sonst nichts vergönnt. Eben gieng er mit dem Ende des Sonnets zum Wald aus / da er Sophoxenien ersahe / und weil die Begierde / seine Geliebte zu sehen / immer hefftiger wurde /eilete er / mit geschwindern Tritt / nach Hause / gleich als wolte er sein Begehren vollbringen: unter währendem Gang aber / redete er seine Begierde / mit solchen Worten an: Es solt ja Wunder seyn / daß eben das Gesichte die andern Sinne gantz mit ihrem Werck vernichte / ist das Gesicht vergnügt / hat alles keine Noth / wanns jenem aber fehlt / ist alle Freude todt. Drum wünsch ich anders nichts / als / Liebste! dich zusehen / so offt es nur kan seyn: Ach! könnt es doch geschehen / daß keine Stunde nicht für über lauffen wolt / die mir nicht meine Luft zu sehen gönnen solt! Ich weiß nicht / wie es kommt? Ich habe volle Gnüge / wann ich mich gegen ihr nur bloß in Demuth biege / so bald ich sie erseh / hat alles alles gnug / mein Schmecken / hören / Sehn / mein Fühlen und Geruch. 12. Absatz Zwölffter Absatz Beschreibet die selbste Besuchung der Macarien /von Polyphilo geschehen / und was sich darinnen begeben / auch wie sie / nach dem / einander zuschreiben: Ist ein Beweiß / der unvergnüglichen Begierde / menschlichen Verlangens / welches von Tugend-Liebe entzündet ist. Diese Gedancken führeten ihn biß zum Thor / da er Servetum / seinen Diener / ihm entgegen lauffen sahe / zu verkündigen / daß Agapistus und die andere junge von Adel / Urlaub überkommen / gen Soletten zu reiten / weil die Sonne einen so schönen Tag zeigete / deßwegen sie ihn zum Führer begehrten / wann er verlange mitzureiten. Aber das hätte man nicht fragen dörffen; laß mir mein Pferd satteln; das war die erste Antwort / und nahm er ihm kaum die Weile / daß er sich ritterlich anlegte. Sie setzten sich zu Pferde / und kamen / in unglaublicher Geschwindigkeit / wohin sie wolten / und weil sichs nicht schickete / daß sie / in so grosser Meng / Talypsidamo zusprachen / auch die Gesellschafft nicht gern theileten / kehreten sie bey einem fremden Wirth ein / welcher gerad / gegen der Behausung Macarien über / wohnete / in solcher Nähe / daß Polyphilus Macarien / durchs Fenster /sehen und erkennen konte. Die Begierde / so Polyphilum mehr auf Soletten trug / als sein Pferd / lässet nicht zu / daß wir sagen /was er / bey dieser unvermutheten Gelegenheit / Macarien zu sehen / muß gedacht haben: sein Hertz war voller Freuden / die aber / nach dem / bald verbittert wurden. Dann ob gleich Polyphilus vorher dachte / er hätte genug / wann er nur seine Augen / in ihrer Gegenwart / weiden könte / erfuhr er doch / daß die übrige Sinne nicht weniger begierig waren / zumaln / da sie unvergnügt bleiben solten / und den Augen allein ihre Befriedigung überlassen. Er empfand die verliebte Thorheit / in seinem Hertzen / dergestalt / daß er gewünschet hätte / Macarien lieber gar nicht / als unbesprochen / zu sehen. Aber es halff alles nichts / er muste / vor dißmal / leiden. Ach betrübtes / ach schweres Leiden! kaum war Polyphilus mit seiner Gesellschafft abgestiegen / da er sich mit Agapisto in das Fenster legte / welches gegen das Hauß der schönen Macarien / gerichtet war: aber Macarie ließ sich nicht sehen. Und weil Agapistus erinnerte / vielleicht scheue Macarie seine Gesellschafft / deßwegen er vor das ander Fenster trat / siehe! da ersiehet er Macarien / an der andern Seiten / herauf wandeln / deßwegen er Polyphilum behend zu sich rufft. Was fehlet /daß Polyphilus / durch den ersten Anblick seiner Macarien nicht vor Freuden entzucket wird? Warlich nicht viel. Die Verwunderung ihrer Trefflichkeit erfüllete seine Sinnen / mit solcher Verwirrung / daß er nicht gnug sehen / nicht gnug hören / nicht gnug dencken konte. Die Zucht und Höflichkeit scheinete selber auf der Gassen zu gehen: so bescheiden war der Gang / in ihren Schuhen / so höflich die Bewegung des gantzen Leibs / so züchtig die untergeschlagene Augen / daß sie sich auch nicht erkühneten / dahin zu schauen / wo sie doch ihre Lust und Herberg wusten. Dennoch beobachtete Polyphilus samt Agapisto / ihre gebührende Schuld / und verehreten den Fürgang /mit entblößtem Haupt / ob die schöne Macarie solches gleich nicht gewahr nahm: Vielleicht / weil sie wusten / daß / wann das Auge die Würde derselben ersehe / müsse der gantze Leib schon bereit stehen /seine Bedienung abzulegen. So bald Macarie in ihr Zimmer kam / eröffnete sie ein Fenster desselben / durch welches sie Polyphilum / Polyphilus sie hinwieder grüssete. Die verliebte Blicke / so sie hin und wieder schickten / solte eins gezehlet haben / hätte er eben gnug zu thun gehabt: mehr aber der / welcher die Seufftzer Polyphili aufzeichnen sollen. Er lag an dem Fenster / und verruckte seine Augen nicht / von der Bestrahlung Macarien /ließ sich auch nichts hindern / wiewohl ihm die Gesellschafft allerhand Kurtzweil anbot: biß Agapistus /der das Gefängnus seiner Sinnen sahe / einen / ausser den andern / heimlich erinnerte / daß er Polyphilo ein Glaß / in Gesundheit seiner Liebsten / zubringen solte. Und wie Agapistus sehr schertzhafft war / ließ er ein hohes und schönes Glaß bringen / und brachte alsobald / auf das erste / die Gesundheit Macarien /Polyphilo zu / doch den andern unvermerckt. Auf andere Art war Polyphilus nicht zu gewinnen / und glaube ich / er wäre / ohne einigen Trunck / wieder weg geritten / wann er nicht die Gesundheit seiner Macarien / allem ihrem Zwang und Bedienung vorgezogen: Deßwegen er die beyden Gläser annahm / und nachgesetzte Wort / nicht ohne wohlgefälligem Schertz /denen Anwesenden zu vernehmen gab: Man zwingt mich / da ichs doch so hertzlich gerne thu / zu Ehren meinem Sch atz ein Gläßgen auszutrincken: Ach! könnt ich / wie ich wolt / dir unvermercket wincken / ich brächt es / glaube mir / dir selber jetzo zu: Du thätest mir Bescheid: ich trincks in einem nu / biß auf den Grund heraus / und ließ es wieder füllen / und geb es / Schätzgen! dir. Da könnt / da wolt ich stillen / was mich bißher beschwert; du gebest mir die Ruh hinwieder / daß ich könnt an deinen Wangen büssen die lang-verlangte Lust / und ohne End geniessen / weß ich jetzt leer muß gehn: die Hände trückten mich / und der Corallne Mund mit lächlenden Geberden könnt mir / nach meinen Wunsch / zum süssen Nectar werden / den ich mit Freuden kost / nun aber änderts sich / weil du nicht bey mir bist; ich trincke nun alleine Gesundheit deiner / doch gedenck ich an die meine. Alle fiengen sie an darüber zu lachen. Ein anderer aber nahm daher Gelegenheit / Gesundheit der Seinen zu trincken / deme so viel folgten / daß sie sämtliche wohl berauschet wurden / ohne Polyphilum / der seine Zeit mehr / in dem Gedächtnus der Macarien / als mit Trincken zubrachte: biß die ankommende Abend-röthe / sie wieder scheiden hieß. Sie sassen alle zu Pferd / da Polyphilus noch am Fenster lag / welcher /damit er von Macarien desto unvermerckter und bequemer Abschied nehmen kunte / hieß er sein Pferd für die Thür führen / allda aufzusitzen: Deßgleichen that auch Agapistus. Die andern waren / im Hinter-Hof / zu Pferd gestiegen. Polyphilus machte seine Sach gar zu verdeckt / daß auch Macarie den letzten Blick nicht merckte: wiewol sein Roß / der Schönsten und Liebsten zu Ehren / sich mit dreyen Lufft-Sprüngen / gegen ihr Fenster erhebte / damit den letzten Gruß Polyphili zu bewähren: Das ich aber nicht weiß / hats Macarie gemerckt oder nicht. So lang Polyphilus wuste / daß ihn Macarie sehen könne / so lang erhebte er sich / vor andern /mit seinem Pferd / so begierig / daß ihn offtermals Agapistus warnete / und seiner zu schonen bat: aber die Liebe gegen Macarien war mächtiger; ja sie verdienre das / in dem sie Polyphilum mit ihren Augen begleitete / so weit sie konte. Warum ist aber Polyphilus nicht zu Macarien kommen / die ihn doch so gern gesprochen / weil sie etwas sonderliches und hochwichtiges / mit ihm zu reden gehabt? Das werden wir / aus dem jetztfolgenden Brief / von Polyphilo selber vernehmen / den er / alsbald er auf Sophoxenien kommen / an Macarien abgehen lassen / auch die betrübte Heimreise / die er vollbracht / selbsten darinnen beschrieben / deßwegen wir selbige / mit mehrern / nicht berühren mögen. So lautet aber der Brief Polyphili an Macarien: Treu-geliebtes Hertz! Das Verbrechen / so mich bey ihrem Argwohn anklagen wird / zwinget mich / mit gegenwärtigen Zeilen /meine Schuld zu entschuldigen / und meinen Fehl zu beschönen. Zwar muß ich gestehen / daß ich nicht ein geringes begangen / in dem ich mich / durch gute Gesellschafft / an den Ort führen lassen / allwo sich meine Augen / durch den Anblick deren / welche sie so sehr verlangen / wohl gesättiget: aber dem Hertzen / durch den verhinderten Zutritt / noch tieffere Wunden eingeschlagen / bevorab / da ich / vielleicht nicht in unnöthiger Furcht lebe / es möchte / mein Kind! mich in solchen Verdacht fassen / als hätte ich den Zuspruch aufgehalten / entweder ein widriges Hertz / oder ja zum wenigsten / dessen entfesselte Freyheit zu erweisen / in dem es gestatten können /daß auch das allersehnlichste Verlangen / in solcher Nähe / da Mund und Augen reden können / nicht erfüllet worden. Wird sie aber / allerliebstes Hertz! den Anhang meiner damaligen Gesellschaffter / dann die gefürchtete unmüssige Reden und Gedancken / so meine nähere Besuchung hätte verursachen können /behertzigen / wird sie gleichfalls auch sehen / daß /wie beydes sehr gefährlich / also auch gültig gewesen / mich von meiner Begierde abzuhalten; und hoffe ich sonderlich / es werden nunmehr die schwätzige Zungen einen Zaum bekommen haben. Aber / allerschönstes Hertz! wie meynet sie / sey mir zu Muth gewesen / daß ich ohne ihr Besprechen / betrübt müssen zuruck ziehen? Wann ich tausend Schmertzen benennen würde / die meine Freud / ohne Aufhören / bestritten / wäre es doch nicht genug / die ängstige Betrübnus auszusprechen. So gar war alle Freud todt /daß / wann ich nicht letzlich / durch ihren erfreulichen Anblick / in etwas wäre von fernen gestärcket worden / und meine Gedancken nicht / an statt der Unterredung / gewesen / ich leicht glaube / daß mich ehe Furcht und Noth / als mein Pferd / heimgetragen. Unterdessen wird sie aber / liebstes Kind! meine Seufftzer gemercket / und mein Augenspiel verstanden haben / das nehme sie auf / an statt der Rede und des Grusses / und glaube für gewiß / daß ich ihre zarte Hände / und den beliebten Mund / in meinen Gedancken / auch abwesend / mehr denn tausend mal gedrücket und geküsset: wie ich dann stündlich thue /und mich / mit dieser Zufriedenheit / so lang tröste /biß ich des völligen Glücks wiederum zu geniessen /künfftig / von dem gütigen Himmel / beseeliget werde. Biß dahin / und noch ferner / bleibe sie / mein Kind! getreu und beständig / wie sie mich hinwieder finden soll. Nun solt ich / meiner Schuldigkeit nach /ihr höfliches (darff auch sagen) gelährtes und künstlich verfassetes / angenehmes Brieflein beantworten: alle n / wann sie von mir gleich-gezierte Reden begehret / will ich alsobald meine Unwissenheit / bey der Unmüglichkeit / bekennen / und die Netze ihrer Versuchung / mit einem treu-beständigen Hertzen /zerreissen / weil die Wort allhier nichts richten. Gleichwol aber / damit ich ihrem Befehl Folge leiste /welcher verlanget / meiner übel-gesetzten Gedichte mehr zu sehen / will ich mit nächsten / mein / unter Handen habendes Wercklein / benahmet / die entdeckte Liebes-Kunst; oder zum wenigsten / einen Theil davon / gehorsamlich überschicken / bloß zu dem Ende / daß es / durch ihren Anblick / eine Zierde überkommen / oder wol gar von ihrem Lob beschönet werde: Dieses wird auch die Antwort / auf ihre verständige Brieffe / mit sich führen / weil solche nicht sicherer / als ausser der verschlossenen Liebes-Kunst / beantworten werden. Aber / ausserwähltes Hertz! warum hat sie mein schlechtes Buch / mit ihrer beschönten Hand und klugen Gedichten zu verehren /nicht würdigen mögen? Weiß sie dann nicht / daß diese / so fern ich meiner Bitte gewähret worden / in aller meiner Noth / würden gewaltige Tröster gewesen seyn? Doch / was sag ich? Meine Hand ist unwürdig /neben der ihren zu stehen / und sie durch ihre sinnreiche Schrifften und Gedichte / meine nicht beschämen wollen. Ist etwas: aber dencket sie nicht / liebstes Hertz! daß durch ihre Beehrung / die Einfalt meines geringen Buchs / dermassen würde erhöhet worden seyn / daß es den höchsten Grad der Ehren zu besteigen / würdig erkannt wäre / daß es jetzo in tieffster Verachtung danieder liegen muß. Zwar hat es anfangs / durch ihren ertheilten Ruhm / sich höher schätzen wollen: nach dem ich ihm aber bedeutet /wie in diesem Fall / ihre Höflichkeit / mehr der vertrauten Freundschafft / als der Warheit beygelegt / hat es bald erkennet / daß es solchen Ruhm nicht zu verdienen wisse. Meine Wenigkeit aber betreffend / leide ich anjetzo Noht / in dem es mich / ohne Ablaß / um die Vermehrung / anspricht / ist vielleicht gesonnen /alsdenn w eder ruckwerts zu gehen / und seine / dißmals versäumte Beute / fleissiger einzuholen: wiewol ichs / ohne Bestraffung der übermässigen Künheit /nicht werde abztehen lassen. Weil sich aber meine Unwürdigkeit / in diesem Fall / so viel erkühnet / die sie doch / wie ich bitte und hoffe / vor einen Antrieb getreu-beständiger Liebe / aufnehmen wird: warum wägert sie sich dann so lang / mich mit der angenehmen Post / ihrer Lob- und Lieb-würdigen Gedichte /dem Versprechen nach / zu erfreuen? In Warheit! werden mich die angenehme Gäste nicht bald zu Sophoxenien begrüssen / werde ich mich vor den Unglückseligsten / in der Liebe / bekennen müssen. Die Hoffnung laß ich mich trösten / daß sie nicht trügen werde / und verbleibe der ewig-beständige Polyphilus. 13. Absatz Dreyzehender Absatz Beschreibet / wie ein anderer / Nahmens Evsephilistus / um Macarien Gunst sich bemühet /und dieselbe / Polyphilo zu entziehen / gesuchet /auch mit was Bedienungen: Lehret den sechsten Anstoß der Tugend-Verliebten / die Verfolgung. Das war Polyphili Brief und Verrichtung. Was thut aber indessen Macarie: Diese / nach dem sie den ersten Brief Polyphili erhalten / verwunderte sie dessen Beständigkeit und getreue Liebe / ja! sie verehrete dieselbe / mit etzlichen Gedichten / und preisete die Vollkommenheit Polyphili / mit so gezierten Worten /daß sie selber eine heimliche Freude und Ergötzung darob empfieng. Aber ach! der nichtigen Freud! die /ehe sie gebohren / wieder verderben muß / und mitten in ihrem Wachsthum / verdorren. Kaum hatte Polyphilus das Hertz der schönen Macarien gewonnen /und ihre Einsamkeit besieget / als ein anderer die Beute davon tragen wolte. Kaum hatte auch Macarie ihre Betrübnus / mit der Liebe Polyphili / befreyet /da sie von einem Fremden / durch unbegehrte Fessel /hinwieder solt gebunden werden. Was wird nun Polyphilus sagen? Er wird bekennen müssen / daß er solches an Macarien verschuldet / mit der Liebe / da er Apatilevcherin mit geliebet. Wie wird sich Macarie trösten? Sie wird ihr Verbrechen anklagen / welches sie freywillig / aus der befreyten Ruhe / in die unruhige Dienstbarkeit versetzet. Beyde fühlen sie den ersten Anstoß / der Widerwertigkeit / welchen Macarie ihrer Liebe selbsten verkündet. Dann es war ein Einwohner der Insul Soletten / welcher sich düncken ließ / etwas vor andern zu seyn. Dieser kam in Erfahrung / daß Polyphilus (von dem er so viel gehöret) die Einsamkeit ihrer Göttin zerstöret / und sie mit einer solchen Liebe gegeneinander brenneten / die das Band der Ehe schliessen werde. Nun war er schon / vor dem / in der Schönheit / der wunder-schönen Macarien / so ersoffen / daß er / wiewol heimlich / doch öffters über seine Liebe klagen dorffte: Wie er aber eine fromme Einfalt war / und ein feiges Hertz hatte /daß sich nicht erkühnen dorffte / den Vorsatz Macarien / der auf die Einsamkeit zielte / zu bestreiten /quälete er sich immerfort / mit heimlicher Brunst /und lag gefangen in der Furcht / er möchte an statt der Liebe Haß / und vor Gunst Ungunst verdienen. Endlich aber / weil sich das Feuer nicht länger bergen ließ / suchet er / unter dem Schein zugelassener Freundschafft / Gelegenheit / sie heimzusuchen / und um fernere Bekantschafft zu werben: die ihm dann /theils die Gebühr der Höflichkeit / so Macarie gegen männiglich zu gebrauchen wuste / theils das besondere Verbündnus / so sie ihm / ihn hinwieder ihr / durch eine ungemeine Freund- und Verwandschafft / etwas mehr / als andere Freunde / verpflichtet / unschwer erwerben konte. Noch zur Zeit gedachte Macarie an keine Liebe /die Evsephilistus / (so hieß der neue Werber) gegen sie tragen werde. Dann ihm die leidtragende Furcht /solche zu eröffnen auch dißmal noch nicht gestattet. Aber was geschicht? Wie das Unglück allemahl mehr Beförderung hat / als das Glück: so wurde Macarie von ihren Befreunden gebeten / mit ihnen eine Spatzier-Fuhr zu thun / weil gar ein lieblicher Tag war: ohne Zweifel aus Anstifften Evsephilisti. Dann dieser war ein Begleiter ihrer Fahrt. Da sie nun an begehrten Ort ausstiegen / und sich eine Zeitlang frölich erweisen / nahm Evsephilistus Gelegenheit / so gut er konte / seine Liebe der Macarien zu öffnen / und mit entdeckten Worten / ihre Ehe zu begehren. Aber wo nimmt er das Hertz der Künheit? Der Wein gabs ihm / welcher die menschliche Sinnen gemeiniglich höher zu heben / und kühner zu machen pfleget / als die Natur leidet. Was Macarie geantwortet / können wir nicht besser vernehmen / als wann wir sein Anbringen / mit seinen geführten Reden / hören / da wir sehen werden / wie artig der Verstand mit dem Unverstand / und die Höflichkeit / mit ihrem Gegentheil spielen können. So fragt aber / in der ersten Werbung / Evsephilistus: Macarie! hat sie mich lieb: Die antwortete: freylich hab ich euch lieb. Und Evsephilistus wieder: ich meyne / ob sie mich recht lieb habe? Freylich hab ich euch recht lieb: antwortete Macarie. Aber Evsephilistus war noch nicht vergnüget / sondern fuhr ferner fort: ich meyns nicht so / sondern möchte wissen / ob sie mich von Hertzen lieb hätte? So meyne ichs auch / sagte Macarie / ich hab euch von Hertzen lieb. Das Evsephilistus wiederholte: Ich meyne / ob sie mich allein / und sonderlich lieb habe /daß ich sie wieder lieb haben müsse? O Unverstand! O Einfalt! was solte Macarie thun / sie muste ihn /mit einer vergeblichen Hoffnung / betrügen / und seine Einfalt / mit Gedult / ertragen. Gleichwol daß sie ihn in keine unnöthige Versuchungen führe / widerlegte sie die letzte Frag / mit solcher Antwort: Ich liebe euch so fern / als es eurer Liebsten nit schädlich ist. Auf welche Wort gantze Brocken seiner innerlichen Entschliessung heraus fielen / die da behaupteten / daß er keine andere Liebsten erwählet habe / oder noch wählen werde / als Macarien / die müsse /und solle seine seyn / und sonst keine. Deme allen konte aber Macarie / mit grossem Verstand / begegnen / so gar / daß sie nichts zu beförchten hätte /wegen dieses Ungestümms / welchen sie leicht ablehnen konte. Allein es gieng der gar zu sichern Macarien / wie es in Fällen / da man sich zu viel auf eigene Kräffte verlässt / zu gehen pflegt. Dann nach dem sie Evsephilistum befriediget / kamen solcher Werbungen /von seinen Befreunden / noch mehr / daß sie sahe /wie diese Fuhr eben deßwegen angestellet / mit Ernst an sie zu setzen / darüber dann die verliebte Macarie /in solche Bestürtzung gerieth / daß sie sich kaum trösten konte / bevor / wann sie an ihren Polyphilum gedachte. Dann das sahe Macarie schon vor Augen / daß sie / dafern sie nicht freywillig lieben wolle / zu der Liebe Evsephilisti werde gezwungen werden: einmal durch den Befehl deren / die sie zu befehlen hatten: hernach deren beförchtenden Haß / so gewiß erfolgen werde / auf der andern Seiten / dafern sie sich halßstarrig widersetzte: doch tröstete sie ihre Tugend und Verstand / welche mit der List Polyphili vereiniget /diesen Begierden schon widerstehen würden / deßwegen sie alles mit Höflichkeit und dem Gelübd der Einsamkeit abwandte. 14. Absatz Vierzehender Absatz Beschreibet fast einen verliebten Streit / in der Dicht-Kunst / zwischen Polyphilo und der gelehrten Macarien / auch wie sie ihm die Werbung Evsephilisti heimlich zu vernehmen gibt / und wie er dieselbe beantwortet: Lehret / daß je herrlicher die Tugend in uns blühet / je mächtiger erzeige sich die Widerwertigkeit / die / mit einer gefassten Gedult / zu überwinden. Klüglich handelte Macarie in allem: noch klüglicher aber in dem / daß sie solche Bewerbungen / Polyphilo nicht alsobald hinterbrachte / dessen erhitzter Grimm sich nicht begütigen lassen / er hätte dann den Unverstand mit seiner Schärffe erleget. Doch / weil sie auch nicht alles verhälen könte / anhängte sie dieselbe /aber in grosser Ungewißheit / der Antwort seiner beyden Brieflein / die sie / so bald sie heimkehrete / mit solchen Worten / ihm zuschickte: Edler Polyphile! Daß derselbe nicht allein jüngsten / bey so vielfältigen Geschäfften / sondern auch diesesmal / an meine Wenigkeit gedencken / und mich mit einem Brieflein ehren wollen / hab ich vielmehr seiner Höflichkeit /als meinem Verdienst / beyzumessen / und erkenne mich deßwegen hoch verpflichtet. Viel höher aber darum / daß er in seiner Liebe / gegen mich / so unverruckt verharret / und keine fremde Bewegung / in seinen Gedancken / herrschen lässet / wünschende /daß es dem Himmel gefallen wolle / mir zu erlauben /solche Beständigkeit / mit schuldiger Gegen-Gewogenheit / danckbarlich zu erwiedern. Daß er aber diese Liebe wieder aller anderer Einrathen fort zu setzen gedencket / wie sein erstes Brieflein bezeuget /düncket mich eine sehr bedenckliche Sache zu seyn /in welcher billig vorsichtig zu verfahren / dann er weiß / mein Herr! daß ein Mensch / wie klug er auch ist / dennoch allezeit lernet / und daß die Verliebten /gemeiniglich eine verwirrte Vernunfft übrig behalten. Denn Klugheit und Liebe vertragen sich selten. So ist die Härtigkeit nicht allezeit eine Freundin der Weißheit / und pflegen sich die jenige / welche sich einem verständigen Rathschlag halßstarrig widersetzen /selbsten sehr zu gefähren. Derowegen bitte ich freundlich / er wolle sich gefallen lassen / mir das jenige / was ihm andere rathen / zu eröffnen; ich verspreche solches / ohne einige Passion zu betrachten /und bloß auf der Wage der Tugend und Billigkeit abzugleichen: prüfe auch hierin seine Verträulichkeit /und versehe mich gantzkeiner Entschuldigung / sondern erwarte die freye Eröffnung / mit seinem nächsten Brieflein. Unterdessen habe ich beyliegenden allzukühnen Gedichten / welche sich auf sein sicher Geleits-Brieflein nicht länger wolten aufhalten lassen /erlaubet / den berühmten Sitz der Musen zu besuchen / und vor anderer Wissenschafft / ihre Unvermögenheit kennen zu lernen. Bitte demnach / selbige auf seiner Stuben eine Zeitlang zu dulten / und wo sie geirret / freundlich zu erinnern / ich werde / wann ich künfftig die Ehre seiner Gegenwart erhalte / die Belohnung / vor so mühsame Unterweisung / neben dem Stuben-Zinse / nach seiner eigenen Anforderung /richtig machen. Zwar solten deren mehr / und also keine leere Blätter ankommen seyn: aber der zweiffelhaffte Zustand / in welchen ich / wider alles Vermuthen / gerathen / hat die übrigen / mit Gewalt / zu ruck gehalten; und wofern sich solche Verwirrung /mich ferner zu bestreiten / untersangen solte / würde ich gezwungen / ihn mit etlichen Zeilen / auf ein kurtzes Gespräch zu mir zu bitten / und durch seinen verständigen und wohlgemeinten Rath / in solcher gefährlichen Bestürtzung / Hülffe zu suchen. So lang sie aber / wie ich wünsch und hoffe / in ihren Schrancken bleibet / will ich die Erklärung / biß zu unsrer nächsten Zusammenkunfft / außsetzen / und indessen glauben / daß ich Höflichkeit und Schertz / vor Liebe / angesehen / auch meiner furchtsamen Einbildung / diesen Irrthum / gern zu gut halten. Aber nun urtheile mein Herr / ob ich Ursach habe / das Verhängnus zu beklagen / welches mein Lieben / ohne Aufhören /verfolget / und eine Widerwertigkeit / mit der andern /häuffet / so gar / daß immer die letzte die erste übertrifft / und die Uberwindung schwerer und unmüglicher machet. Aber ich lasse diese Klage anstehen /und betrachte sein zierliches Brieflein / in welchem ich die Ursach / mit deren er seine fremde Bezeugung / in jüngster Besuchung entschuldiget / gantz vor gültig erkenne. Dieses einige nur wundert mich /daß er schreiben darff / er sey / durch mein Nachsehen / in seiner Zuruck-Reise / mächtig gestärcket worden; da ich doch erfahren müssen / wie wenig er dasselbe beobachtet / so gar / daß er mir nicht einen einigen Blick / zur Letze / gegönnet / wie fleissig ihn auch / meine dunckele Augen begleitet / und sich nach den seinen / als angenemen / gesehnet haben. Wie mir nun seine Höflichkeit dis zu gläuben aufdringet: also bemühet sich hingegen die Beredsamkeit / meine einfältige Feder zu überwinden / und durch derer unverdienten Ruhm / ihren Sieg grösser zu machen. Weil aber diese niemaln so vermessen gewesen / sich dieses gefährlichen Kampffes zu unterfangen; als überreichet sie willig die Waffen / zusamt der Ehre des Siegs / in ihres Gegners Hand / und bittet demüthig /diese Befechtung / in Ansehung ihrer Schwachheit /zuruck zu ziehen / und sie vielmehr / wie eine unwissende Freundin / in solcher Ubung / zu unterrichten /als eine hochmüthige Feindin / zu verfolgen. Aber ich werde seiner Gedult / mit diesem untauglichen Brief /mißbrauchen / darum ich / wider meinen Willen / abbrechen / und bitten muß / dieses geschwätzige Brieflein günstig aufzunehmen / von seiner beständigen Freundin Macarien. Das war eine Antwort: aber zugleich eine Aufforderung zu neuer Schuld; die wir noch eine Weile unbezahlet lassen wollen / und die Gedichte anhören / die sie / mit dem Brief / Polyphilo überschickte. Diese werden zeugen / was Macarie / in ihrer Einsamkeit /vor Zeit-Verbringung gehabt / indem sie nemlich / mit fleissigem Aufmercken; die Gedichte / in dem Buch Polyphili / durchgelesen / und befunden / daß er in einem Liedlein ihre Einsamkeit zu hart bestraffet: welches wir schon oben gehöret / und auf das 508. Blat versetzet: hat sie selbigem / mit solcher Nachahmung / widersprochen: Einsam war bißher mein Leben / einsam soll es bleiben auch / nach der Frommen Leute Brauch / die sich nicht auf Kurtzweil geben: sondern in der Einsamkeit bleiben ihre gantze Zeit. 2. Einsam bleiben meine Sinne; einsam meine Wort und Werck; einsam / was ich denck und merck: Einsam / was ich sonst beginne: denn der frommen Einsamkeit schenck ich meine gantze Zeit. 3. Einsamkeit / der Wittwen Freude / soll stets meine Freude seyn / dieser helle Tugend-Schein / macht / daß ich die Wollust meide; und der frommen Einsamkeit schencke meine gantze Zeit. 4. Zwar / wenn ich die Welt betrachte / wird es vielen düncken schwer / daß ich dieses thun begehr; Daß ich alle Freud verachte / und der trüben Einsamkeit will ergeben meine Zeit. 5. Doch ist es ein edles Leben / das vor allen mir gebührt; den die Eitelkeit verführt; Und die sich der Lust ergeben aus der frommen Einsamkeit / bauen lauter Hertzenleid. 6. Einsamkeit lehrt täglich sterben / macht Verlangen nach dem Tod / überwindet alle Noth: Durch Gesellschafft viel verderben: Drum will ich der Einsamkeit schencken meine gantze Zeit. 7. Einsamkeit verlacht das Glücke / lehrt / vergnüget / ohne Sünd / leben / als ein Gottes-Kind; Wollust / Ehr und Geitzes Stricke / hasst die fromme Einsamkeit / drum schenck ich ihr meine Zeit. 8. Dieses werdet ihr bedencken / werther Freund! und künfftig noch diesem angenehmen Joch eure Jahr und Tage schencken: daß ihr / gleich mir / lauter Freud findet in der Einsamkeit. Die Ubersendung dieses Nachsatzes / bewegte sein Hertz / mit einer solchen Empfindung / die ihn von der Bestürtzung / welche der Brief erwecket / gantz abführete / und mit lachendem Munde / folgende Wort zu führen verursachete: Wer gibt dir denn Gewalt / mein Schatz! daß du verkehrest und änderst meine Wort? vielleicht weil ich dein Knecht: Du mein Beherrscher bist: so nimmst du dir das Recht aus eignem Willkühr hin: daß du den Schmertzen mehrest / durch dein verkehrtes Thun: dieweil du dennoch ehrest die trübe Einsamkeit: die / was du sagest auch / nur Hertzenleid gebiehrt: und durch der Seufftzer Rauch / den Freuden-Schein verdeckt. Wie? daß du nit verwehrest auch meiner Hand die Schrifft: die nit / wie deine thut / das / was zum bösen führt / will heissen recht und gut; die nicht die Laster lobt? Ich weiß: soll ich bekennen? Es ist doch nicht dein Ernst / du spielest so mit mir / und widerstrebest dem / das ich vertrauet dir: weiß gleichwol / daß du mich wirst deinen Liebsten nennen. Ob er nun in dieser Hoffnung / nicht vergeblichen Trost suchete / weil er ein anders Hertz bey Macarien / aus dem Brief / auch denen übrigen Gedichten /leicht ermessen konte: dachte er dennoch / es gebühre entweder / seiner Ehr / oder Liebe / diesem Nach-Satz / einen Gegen-Satz zu widerstellen / der die Einsamkeit zerstöre / und die Warheit bevestige. Deßwegen er in der Melodeye / wie sie am 508. Blat bezeichnet ist / dergestalt zu singen anfieng: Einsam war bißher mein Leben / einsam solt es bleiben auch: aber weil der Frommen Brauch sich nicht in Gefahr soll geben: will ich mich und meine Zeit reissen weg der Einsamkeit. 2. Selbsten die betrübten Sinne / die verstummte Wort und Werck / was ich trost-loß denck und merck; Was ich furchtsam sonst beginne: heischen / daß ich meine Zeit / schencke nicht der Einsamkeit. 3. Was soll mir die Wittwen-Freude? solt sie meine Freude seyn? könt ich mich nicht schicken drein: Weil ich alles Trauren meyde; und nicht die geringste Zeit schencke trüber Einsamkeit. 4. Dann wann ich die Welt betrachte / die auf lauter Rosen geht / und in vollen Freuden steht; würde / wann ich sie verachte / mit der trüben Einsamkeit / traurig werden meine Zeit. 5. Dieses ist ein edles Leben / da man bleibet unverführt / keine Noth und Mangel spührt / diesem wer sich hat ergeben: endet mit der Einsamkeit sein verzehrend Hertzenleid. 6. Solt / ich vor der Zeit / hie sterben? ich verlange nicht den Tod; weg / hinweg mit aller Noth! die nur stürtzet ins Verderben: dann ich meine Lebens-Zeit schencke keiner Einsamkeit. 7. Ich verlache nicht das Glücke / wann es mich anlachen will; sey gleich wenig oder viel: gönn es nur die Gnaden-Blicke / so da hasst die Einsamkeit / der ich schencke keine Zeit. 8. Wer diß wird mit mir bedencken; und erfahren künfftig noch: wird / in Warheit! diesem Joch auch nicht eine Stunde schencken: weil man nichts als lauter Leid / findet in der Einsamkeit. Nach dem blätterte er weiter in den Gedichten / und fand ein Sonnet / welches sie dem Maulbeer-Baum /darunter sie geliebet / und darüber schon Polyphilus seine Gedancken gehabt / zu Ehren / und zum willigen Danck / aufgesetzt / dieses Innhalts: Du edler Maulbeer-Baum / der dunit pflegst zu grünen / biß alle Kält vorbey: durch dessen Blätter Sasst / lebt der bemühte Wurm / der Fürsten-Zierde schafft: weil dein belaubtes Haupt mir will zum Schatten dienen: so habe schönen Danck; doch darff ich mich erkühnen / zu lieben unter dir / da deine bunte Frucht mir stets vor Augen stellt die unglückhaffte Flucht / die Tispe hat gethan: weil / bey dir / nicht erschienen ihr treuer Piramus / von welcher beyden Tod / und dem verliebten Blut / nun deine Frucht ist roth / die vormals weiß erschien: du machst die Liebe scheuen: doch weil die Frücht so süß / daß jeder sie begehrt; weil Seiden kommt vom Laub: so wirst du doch geehrt; und ob du langsam blühst / machst du doch endlich freuen. Fast beschämte Polyphilum diese künstliche Verfassung / deren seine Arbeit / bey weitem nicht zu gleichen war: Doch frenete er sich hinwieder / daß ihm die gütige Vorsehung / der gnädigen Götter / eine solche Liebe erwählet und gegeben / die ihm / in allem /eine mächtige Helfferin seyn könne. Den Verstand aber / der aller-verständigsten Macarien / die er nunmehr jener Belgischen Minerven / davon er / mit der Königin / Gespräch gehalten / nach Verdienst / gleichen konte / verwunderte er / in seinem Hertzen. Beydes aber / die Freude samt der Verwunderung / mehrete die Gewißheit ihrer Liebe / die dem Polyphilo /durch folgendes Garten-Gedicht / welches sie eben damals / mit verfertiget und überschicket / mit seiner höchsten Befriedigung / entdecket wurde: Du wenig-gezierter / doch lieblicher Garten / indem ich dich solte / mein Liebster! erwarten / so offt ich bedencke den schattichten Ort / das süsse Gespräche / die freundliche Wort / mit welchen wir damals die Stunden vertrieben / so muß ich dich rühmen / und höher noch lieben / als Fürstliche Gärten / die kostbar erbaut / woselbst man mehr Laster / als Tugenden schaut. Den grünen / damit du natürlich gezieret / den ästigen Bäumen / mein Dancken gebühret / ich wünsche dir / für die genossene Freud / bequemes Gewitter und fruchtbare Zeit. Dich müssen der Sonnen Gold gläntzende Stralen erwärmen / und jährlich von neuem bemahlen / doch schaffe / daß niemals verdrüßliche Reu / mir möge gebähren die Liebe und Treu. Du hast mich zwar öffterß mit lieben ergötzet / und nachmals in Kummer und Schmertzen gesetzet. Drum / fruchtbarer Garten! erhalte die Ehr / und hüte / daß keiner diß Lieben verstöhr. Laß alle die Worte / von beyden vernommen / begrünend / im Lentzen / wie Blumen / bekommen / und tragen sie Früchte / die heissen getreu / so schwer ich / ich will dich besingen aufs neu. Es waren auch diesen Gedichten die jenige beygefüget / welche wir allbereit am 335. und 339sten Blat angeführet: Deren letztes Polyphilus / nicht ohne Ruhm der gezierten Worte / und darein versteckten Weißheit: Das erste aber / weil es die Einsamkeit zu hoch rühmen wolte / fast mit einem Widerwillen laß: wie dieses der Gegen-Satz / in folgenden Reim-Zeilen verfasset / sattsam anzeiget: Ist das dein rechter Sinn / was du hast jetzt geschrieben? so hör mir wieder zu / was mich dazu getrieben / mein Schatz! daß ich nicht auch / wie du / die Einsamkeit erhebe: preise mehr die Erden-schöne Freud. Was / Schatz! gedenckst du doch für Liebe Luft zu finden auch in der Einsamkeit? Ob schon die Welt voll Sünden / voll Schand und Laster ist: sind wir doch / wie wir sind / weil auch in dieser Welt noch lebt ein Himmel-Kind. Laß andre / voller Müh / in steter Unruh leben / wir wollen in der Ruh / mit gutem Frieden / schweben; Laß andre rennen fort / in voller Lust und Freud / auf ihrem breiten Weg / und durch die Eitelkeit / zur Höllen Pforten gehn: wir wollen anderst dencken / und zu der schmalen Bahn der Tugenden uns lencken: doch dennoch darum nicht / in trüber Einsamkeit / ohn allen Lust und Schertz / verbringen unsre Zeit. Ob die Gesellschafft dir der Laster-vollen Hertzen / wie auch mir / nicht gefällt: so können wir doch schertzen / die wir auf Tugend sehn / und zum verdienten Lohn / erhalten werden bald die ehr-bereichte Cron: nit den verdammten Schmertz: Kunst-Tugend / die du liebest / erfreut sich über dich / wann du dich mir ergibest / dann das ist sein Befehl / dem widerstrebe nicht / daß er nicht wieder dich auch seinen Willen richt. Drum ob die schnöde Welt gleich kalte Freude giebet; und ob sie noch einmal / vor Beten / Fluchen liebet: ob auch die Heucheley an statt der Tugend steht / und selbst die Gottesfurcht im falschen Schein hergeht: so thut diß nur die Welt; lasst sie / wie sie will / handlen / wir wollen Widersinns im engen Wege wandlen / nicht folgen / wie sie führt: besondern widerstehn / und solt sie noch einmal auf breitem Wege gehn. Wir gehen nicht mit ihr: wir wollen Liebe schauen / nicht Haß / nicht wieder Neid: und ohne Geld vertrauen einander unsre Gunst; und bleiben immer Freund / so lang das Glücke klar / so lang es dunckel scheint. Auch wollen hertzlich wir; ich dich / und du mich grüssen / ich will / ach! wie so gern / von dir viel hören / wissen; auch reden noch dazu / nur Gott verleihe mir / daß / was ich weiß / und hör / und rede / sey von dir; Wer will dann / sag mir nun / die Einsamkeit erwählen? Ich? nein / ich will mit dir / Schatz! lieber mich vermählen / dann das gefällt mir wohl / das wünsch ich / und das ists: was einig ich begehr: ja! du Hertzliebste bists: So geht es andern auch / wie du must selbst bekennen: daß sich um etzlich Jahr die Alte jünger nennen / und frischer möchten gern: nicht einer wählt den Tod / weil das heisst Sünde thun / und widerstreben Gott. Die Jugend handelt recht / wann sie Gesellschafft liebet / weil ihnen die Natur noch solche Kräffte giebet / die nichts vergebens gibt: Gott selbst befihlets so: daß mit den Frölichen auch wir seyn sollen froh! so viel die Ehre heischt. Drum kan ich nicht verstehen / wie du / mein schönster Schatz! das wilt zur Unehr drehen / wann sie nach Ehre strebt / durch Kunst und Tapfferkeit / auch wann sie ihren Ruhm sucht durch ein schönes Kleid. So gehts jetzt in der Welt: und ist fürwar zu loben / wann man nach Ehren strebt: und wann wir sind erhoben durch unser eigne Kunst / so sind wir rühmens werth / weil der / der Ehr verlangt / ein köstlich Ding begehrt. Ich selbst bin so gesinnt: was soll ichs nicht bekennen: Viel lieber laß ich mich im grossen Namen nennen; viel lieber trag ich auch ein schön-geziertes Kleid; viel lieber biet ich selbst beleidigt an den Streit; als daß ich solte mich viel lassen unterdrucken; als daß ich Leinenwand solt tragen auf dem Rucken: als daß ich wär veracht: dann das ist unser Sinn / was in der Welt geschicht / das zielet bloß dahin / und zwar mit Billigkeit: ich sehe keinen Schaden / der daher rühren könt / wann gleich ein klarer Faden bedecket meinen Leib: und wann ich mein Gewehr führ wider meinen Feind; und wann ich meine Ehr vermehre durch die Kunst. Ja! was sie / Liebste! saget auch von der Liebsten Gunst / darnach die Jugend fraget / und ihr Glück baut darauf; da thut sie recht daran / weil keine grössre Lust sie mehr ergötzen kan. Ich selbst bekenn es frey / wann du mich / Schatz! beglückest / und deinen Rosen-Mund auf meine Lefftzen drückest / so hab ich Glücks genug / ich bin dann selbst die Freud / und wär es noch einmal auch lauter Eitelkeit. Was sagst du von dem Spiel / und von der Lust zu trincken? das ist uns ja vergönnt / biß daß der Tod wird wincken; Und kan uns schaden nicht: wo nicht das gar zu viel vor Gottes Richterstul erweckt ein Trauer-Spiel. Wir lassen billich auch von ihrem Adel sagen / die von dem Adel sind: wie wir hinwieder fragen von unsrer Ahnen Zahl: hält sie der Adels-Schein / so hebt die Tugend uns wol gar zum Himmel ein. Wir / ob wir sind gering / sind dennoch unverachtet / veracht uns / wer nur woll. Der nach der Weißheit trachtet und suchet Tugend-Ruhm / den halt ich edel seyn / weil Adel ohne Kunst nur ist ein falscher Schein. Es folget auch nicht das / daß Arme für den Reichen und ihrem schnöden Geld so balde müssen weichen; Nein / das ist unser Schuld; das Geld erdrukt uns nicht / besondern unser Sinn / der dorthin ist gericht / wo gläntzt das klare Gold; das wir vor höher halten / als andern theuern Koht: und ohne dem nichts walten / nichts richten können auch: wir fehlen aber weit / dann der allein ist reich / der in Zufriedenheit mit seinem Reichthum steht: wer über Mangel schreyct / der nehme / was ihm fehlt: und wem sein Wunsch gedeyet / der halte vest an sich: Gesellschafft liebe der / der nicht viel darben will: und was er auch begebr / begehr er das nur nicht / daß er woll einsam leben / wer wird ihm in der Noth Hülff und Errettung geben / da keiner helffen kan. Dieweil er ist allein / und keiner nicht bey ihm / er muß verlassen seyn. Wie kan der Krancke sich in seiner Last erheben / wer wird ihm Safft und Krafft / wann er wird Krafftloß / geben? Und wann / wer ist gesund / alleine leben will / wo bleibet Lieb und Lust? Das aufgesteckte Ziel / all unsre Wort und Werck: die Wollust ist zu fliehen / doch so / daß wir nicht gar uns in das Traur-Joch ziehen; die Wollust ist verdammt / die Tugend-Lust vergünnt / nichts / als die Einsamkeit / ist ohne Lust erkennt. Wer solte / frag ich / dann diß trübe Wesen wählen / wer nehmen Leid vor Freud? Ich sag es / ohn verhälen; und aus des Hertzens-Grund: ich wähle solche Freud / die in Gesellschafft ist: verwerff die Einsamkeit. Dann diese liebt mir nicht / es sey dann / daß geschehe / daß ich dich / schönster Schatz! bey mir alleine sehe / und du mich wieder so / dann will ich einsam seyn / und in Gesellschafft mich mit dir nur lassen ein; Du wieder auch mit mir: wilt aber du erwählen auch ohne mich zu seyn / so wirst du warlich fehlen und streiten wider dich: ich geb es doch nicht zu / daß du / zuwider mir / erwählest solche Ruh / die mehr ein Unruh ist / und eine Müh zu nennen / du wirst es selbsten leicht / und ohne mich erkennen / wann du dein Glück besiehst / und in dem Unglücks-stand wilt fassen die Gedult: die keinen noch erkannt / der ohne Tröster ist. Auch kanst du nicht verlachen der Menschen Eitelkeit / und ihre schnöde Sachen / weil du nur weinen must in trüber Einsamkeit / die nichtes nicht gebiehrt / als lauter Traurigkeit. Viel minder wirst du Geld / und Ehr und Lust vernichten: eh wirst du deinen Sinn benzeiten dahin richten / wo / wann du bist allein / die Hülffe blicke dir / die du verlangt ergreiffst / das / sag ich / traue mir. Drum ändre deinen Sinn / erwähle lieber Freuden / und nehre dich damit: du wirst dennoch wohl scheiden / wann deine Stunde kommt. Es ist doch lauter Leid / was einsam Leben ist. Drum flieh die Einsamkeit. Polyphilus merckte wohl / daß er etwas zu hefftig geredt / darum er seine Künheit mit folgendem Sonnet entschuldigte: Verzeih mir / liebes Kind! daß ich dir widersrreche; und deine schöne Wort verändre / deinen Sinn mir nicht gefallen laß; daß ich so kühne bin / und dir halt Wider-Red. Schatz! dich an mir nicht räche / und laß durchaus nicht zu / daß meine Künheit breche das theure Liebes-Band / das uns beschlossen hält / und halten ewig wird: wann dir es nicht gefällt / daß ich mit Widerwill den Schluß des Hertzens schwäche / der dich heisst einsam seyn: so beuge selbsten ihn / alsdann bekommen wir ein Hertz und einen Sinn. wie kan es müglich seyn: wann alles dir gefällct / was mir beliedet nicht; wann ich erwähle das / daran du Eckel haft: daß ohne Gegen-Haß mit dir / in Einigkeit / mein Hertze werd gesellet. Nun wollen wir wieder zum Brief kommen / und sehen / wie dieser Polyphilo gefallen. Alles anderen aber zu geschweigen / werden wir genug / mit der Erklärung / zu thun haben / die Polyphilum / in einen so zweiffelhafften Zustand / führete / als einmal Macarie hätte klagen mögen. Woher rühret doch / dachte er /der Zweiffel? Hat sie etwa meine Liebe vor Schertz und Freundschafft angesehen? Was für eine Verleumdung hat dann abermal meine Treue verfälscht / und meine Beständigkeit unrichtig beschuldet? Dann Polyphili wenigste Gedancken waren / daß sich einer unterstehen werde / Macarien um Liebe zu bitten / weil er wuste / daß sich keiner deren Tugenden und Vollkommenheit würdig schätze. Es solt eins freylich sich wundern / wann er den verfinsterten Verstand / und die verblendete Augen Polyphili / ansiehet und erkennet / daß er die deutliche Wort nicht verstehen können / die ihm / den zweiffelhafften Zustand der Macarien / als die Verwehrerin dessen / daß die Liebes-Gedichte / gleich denen erfolgten / nicht mit überschicket worden / vor Augen legten. Er solte ja / aus dem Beschluß ihres Brieffleins / der vor lauter Liebe lieblich / genug ermessen haben / daß sie an ihn keinen Zweifel setze: ja auch und vielmehr aus dem Anfang /der seine Beständigkeit / nicht allein mit einem Lob /verehret / sondern auch / mit schuldiger Gegen-Gewogenheit / danckbarlich zu erwiedern / von dem Himmel / wünschet beglücket zu seyn. Allein Polyphilus war mehr verstockt / als verblendt. Deßgleichen Agapistus / welcher in gleicher Verwirrung versencket /so klug er auch sonst war / dennoch hier eine zimliche Prob seiner Einfalt sehen ließ. Was solte nun Polyphilus anderst thun / als seine Unwissenheit bekennen /und bey Macarien / um deutlichern Bericht ansuchen /wolte er anderst in der zweiffelhassten Furcht / es möchte seine Liebe bey Macarien erleschen / nicht länger bekümmert leben. Aber das Glück wolte auch dieses nicht gönnen / denn er eiligen Befehl von der Königin bekam / in einer nothwendigen Verrichtung /keine Zeit-Versäumnus anzunehmen / biß er ein glücklich End sehe. Was Polyphilus für ein bedrangt Hertz muß gehalten haben / ist aus dem leicht abzunehmen / daß er die Befreyung des Diensts / nicht so lang erwählen dorffte / biß er nur zwey Zeil an seine allerliebste Macarien ausfertigen könte / darum er in allem desto geschwinder arbeitete. Endlich aber zeigete sich eine wenige Ruhe / die Polyphilus begierig ergriffe / und folgende wenig Wort / (dann mehr ließ die Kürtze der Zeit nicht zu) an Macarien absandte: Allerliebste! Die Kürtze der Zeit / und Vielfältigkeit der Geschäffte / die mir sonderlich der Königin Befehl / welcher keinen Verzug oder Aufschub leidet / anjetzo verursachet / zwinget mich / wider mich selbsten zu leben /und das zu erwählen / was ich mehr verlassen / oder verwerffen solte / indem ich ihr beliebtes Brieflein nicht eher beantwortet / oder noch / mit mehren Worten / beantworten kan. Sie wird aber / Allerliebste! die Schuld nicht mir beymessen / sondern die Entschuldigung vor gültig erkennen: wofern sie mir nicht Gelegenheit zur Hand geben will / mit entdeckter Warheit zu klagen / daß ich nicht wisse / wie ich antworten solle / und deßwegen auch nicht antworten können. Dann wie soll ich den zweiffelhafften Zustand erklären / in dem sie sich so verwirret schreibet / daß er die übrigen Verse / welche doch / in Warheit! gleich-angenehm und verlanget gewesen / mit Gewalt zu ruck gehalten? Wie soll ichs deuten / daß sie Höflichkeit und Schertz vor Liebe angesehen? Was soll ich vor Ursachen urtheilen / um deren Willen sie über ein Verhängnus zu klagen? Meines theils bekenne ich so lang meine Unwissenheit / biß sie mir den erfreulichen Befehl ertheilet / auf ein angenehmes Gespräch sie zu besuchen / und Erklärung einzuholen. Welches dann mein einiges und höchstes Bitten ist: weil ich gern gestehe / daß ich / biß dahin / mit tausenderley Widerwertigkeit mich umgeben befinde / und nicht ruhen kan / ich habe dann zuvor / mit meinem wiewohl geringen / doch getreuen Rath; oder / wie ich mehr argwohne / durch die Versicherung meiner Beständigkeit / die gefährliche Bestürtzung deren / die mich mit ihr stürtzen würde / überwunden und zu Boden gelegt. Erwarte also nochmaln den verlangten Befehl / dem ich zu gehorsamen / mich ihrer Bedeutung nach / einstellen will. Biß dahin ich / wegen jetzt-verkürtzter Zeit / alles übrige verschiebe / so ich auf ihr beliebtes Schreiben schrifftlich solte / aber alsdann mündlich antworten will. Inzwischen empfehle ich sie dem Schutz des gnädigen Himmels: mich aber ihrer beständigen Gunst-gewogenheit: wie sie mich hinwieder / biß in meinen Tod / erkennen wird / Ihren beständigen und getreuen Polyphilum. 15. Absatz Funffzehender Absatz Beschreibet die fernere Bestreitung / des Lieb-werbenden Evsephilisti / wie die getreue Macarie solches Polyphilo offenbaret / oder / zu offenbahren / zu sich bittet / auch was sie sich berathen: Ist eine Probe wahrer Tugend / die mit glücket / mit unglücket. An Polyphilo aber finden wir den siebenden Anstoß der Tugend-Verliebten / die Versuchung. Mit was Bestürtzung / die betrübte Macarie / diß Brieflein durchlesen / ist daher unschwer zu ermessen / daß diese Verwirrung / wider ihren Wunsch und Hoffen / je mehr und mehr ihre Schrancken überschritten / daß es das Ansehen hatte / als wolle Evsephilistus / mit Gewalt rauben / was er / mit Willen /nicht erlangen konte. Da war Noth zu rathen / und Zeit zu helffen. Wie sich Evsephilistus in seiner fernern Werbung verhalten / auch wie offt er zugesprochen / und was er in solcher Besuchung mit Macarien geredt / oder wie er geschertzet / wollen wir daher nicht setzen / weil es eine lautere Einfalt und frommer Unverstand war /den er sattsam erwiese / in dem er ihre Unterredungen / gemeiniglich / mit dem Grund / verwahrete: Wir wollen einander nichts vor Ubel haben / sondern fein verträulich miteinander umgehen. Ja Bauer! so solt du mit den Dirnen / die deines gleichen sind: nicht aber mit einer solchen Tugend / Damen / und Bild der Höflichkeit schertzen / wie Macarie ist. Ach! freundlichste Macarie! wie war ihr doch zu Sinn: wann sie sich /von einem solchen / gewonnen zu seyn / beförchten muste? Allerhöflichste Macarie! wie soll der schöne Schmuck ihrer bescheidenen Zucht / an solche Bäurische Verträulichkeit gehänget werden. In Warheit! hat euch Evsephilistus nichts vor übel / so hab ich euch /in diesem Fall / desto mehr vor Ubel; daß ihr einem solchen möget Gehör geben. O unerschöpfflicher Schatz aller Vollkommenheiten! wie will sie sich selber / mit der Unvollkommenheit / aller Kunst und Tugenden / beflecken? Oder / wie wird sie / einiger Zwang / wider sie selbsten rüsten können? Nein /schönste Macarie! sie erhalte den Ruhm ihrer Tugenden / in solchem herrlichen Pracht / wie sie ihn / bey Göttern und Menschen / erworben / und beherrsche das / was schuldiger zu dienen ist. Man legt doch keinen Esel in ein Bett / keinen Mist in güldene Schalen / keinen Staub ins Auge: Was soll dann Evsephilistus / in dem Schoß der Macarien / ruhen? Das müste der Himmel selber bedauren / und die gantze Welt beklagen: aber Polyphilus bitterlich beweinen. Allein wir wollen den Unflath wegwerffen / aus unsrem Munde / und dafür den verzuckerten Namen Macarien wieder anfassen / zu sehen / was diese / in der höchsten Noht / da alle Versäumnus hochschädlich / angefangen. Ach! was solt sie / die liebe Macarie? Wie kont sie anderst / das schöne Hertz / ja! das getreue Hertz / als dem jenigen ihre Verwirrung klagen / den sie wuste / daß er dieselbe am mächtigsten auflösen könne / und am willigsten auflösen werde. Der Schluß gieng auf ihren ersten Brief / und die Antwort Polyphili / der ihre Gegenwart begehrte / welche sie ihm /mit dieser Gegen-Antwort / vergönstigte: Mein Herr! Sein erwünschtes Brieflein / auf welches ich / mit so sehnlichen Verlangen / gewartet / hab ich gestern wohl erhalten / und aus demselben verstanden / in was unruhige Gedancken / ihn mein letztes Schreiben gesetzet: welches ich um so viel leichter glaube / je mehr ich solche Verdrüßlichkeit selbsten empfinde; hätte ihn auch solches Kummers gern überheben wollen / wann nicht die unumgängliche Noht / (welche alle Fehler zu entschuldigen pfleget) mich / dieses zu eröffnen / gezwungen hätte. Bitte demnach nochmaln / er wolle sich diese kurtze Reise nicht dauren lassen / und mich morgendes Tages besuchen: durch was vor Gelegenheit / stell ich ihm frey; halte doch /daß es am sichersten und geheimsten allein / und als im vorbey reiten / geschehe. Ich könt ihn zwar dieser Mühwaltung / durch schrifftliche Erklärung / befreyen: weiln ich aber kaum meinen Mund / viel weniger der Feder traue / und gleichwol die Sache / keinen fernern Verzug / leiden will: als erwarte ich eurer Gegenwart / mit so grosser Ungedult / daß ich die Sonne der Faulheit / und alle Uhren der Unrichtigkeit beschuldige. Der gütige Himmel / auf dessen blossen Willen / ich jederzeit alle meine Freude gegründet /ersehe doch unsrer Freundschafft ein günstiges Ende /und lasse euch voller Glückseligkeit leben: Ihr aber /mein Herr! lasset euch allezeit lieb und angenehm seyn das Gedächtnus / Eurer beständigen Freundin: Macarien. Was wird nun Polyphilus sagen / wann er diesen Brief überkommt? O der unglückseligen Stunde / die ihm / von Macarien / eine solche Botschafft / bringen soll. Wie? wünschet Macarie / ihrer Freundschafft /schon ein fröliges Ende / die kaum einen Anfang gewonnen? Ach! Polyphile! wie wirst du dich so elendiglich gehegen? Wie unsäglichen Schmertzen wird deine geängstigte Seele außstehen müssen? Ach! daß du an den Winden fahren / und in der Lufft fliehen köntest / daß du / den Augenblick / bey deiner Macarien wärest / um zu vernehmen / was dich von ihr scheiden werde. Ist dann dein Unglück / zugleich mit deiner Liebe / gepflantzet / daß es gleich mit ihr aufgehet? Oder wollen dir die Unsterbliche nie einen glück-reinen Blick gönnen? Wie bist du denn allein unter den Sterblichen / der keine Freud ohne Leid /und mitten in seiner höchsten Glückseligkeit / die allerunglückseligste Verbitterung / schmecken müsse? Wie lang wird sich deine erschrockene Seele / in den ertödteten Gliedern / noch regen? Wie lang wirst du /dich selbsten zu quälen / noch übrig bleiben? Ach ihr Himmel! nehmet doch auf / zu euch / den jenigen /welcher in dieser Welt / keine Ruhe zu hoffen. Erbarmet euch / ihr Barmhertzige! über den / der wegen der Tugend leidet! Sehet an seine zerschlagene Glieder /seine krafftlose Sinne / sein ermüdetes Hertz: ihr habt ja Polyphilum geschaffen / zu eurem Wohlgefallen /wie soll er dann Himmel und Erden zu einem Trauer-Spiel werden? Ihr habt ja Polyphilum geschaffen / daß er auf Erden wohne / wie soll er dann / durch die erdruckende Last seiner Bekümmerung / in die Gruben verfincken / und unter der Erden wohnen? Ihr habt ja Polyphilum erschaffen / daß er ein Mensch sey; wie soll er dann unmenschliche Lasten ertragen / und höllbeschwerte Bürden erleiden können? Drum ach! ihr Barmhertzige! seyd barmhertzig eurem Polyphilo. Welchem Polyphilo: der anjetzt den Brief erbricht /und mit Versinckung seiner Kräffte / durchlieset. Es war schon finstere Nacht / und die Thor verschlossen / da er die schmertzhaffte Post überkam: Gleichwol fieng er an / ohne Zweifel / aus hochbetrübtem Hertzen / das gemeiniglich / seinen Irrthum /denen Unerschrockenen / zu belachen gibt: Servete! sattle das Pferd / ich muß reiten. Servetus / auch Agapistus und der Sohn Melopharmis / sahen ihn / fast mit einem Gelächter / an / und erinnerten ihn der Nacht / auch der verschlossenen Thore. Doch / wie Servetus willig war / auch aus der Veränderung seines Herrn vernahm / daß es was wichtiges seyn müsse /folgte dem Befehl. Inzwischen entzog die zufallende Ohnmacht die Kräßte Polyphili / daß er zur Seiten wiche / und auf die nechste Banck sich lehnete / zugleich aber das Brieflein der Macarien / aus den Händen / fallen ließ / so / daß ers nicht merckte. Agapistus / der dessen am ersten gewahr wurde / hebt dasselbe auf / lässet den Sohn Melopharmis bey Polyphilo stehen / und verfüget sich in das Neben-Gemach /den Brief durchzugehen: und nachdem er den Schrecken verstanden / welcher Polyphilum in diese Ohnmacht gestürtzet / gieng er heraus / griff Polyphilum an / und sprach: Mein Freund Polyphile! gebet eurer Forcht nicht so weit Raum / daß ihr euer selber dabey vergessen sollet. Die Sach ist nicht so gefährlich / als ihr meynet. So viel ich allen Umständen nach schliessen kan / will euch Macarie gern zugegen sehen / und hat keine andere Ursach ersinnen können: oder sie will eure Beständigkeit prüfen / und erfahren / ob ihr auch ihrer Bitte gehorsamet? Glaubet mir dißmal /und gebet euch zu frieden / ihr werdet frölicher wieder kommen / als ihr von hinnen reiset. Etwas wurde wohl Polyphilus / durch diese Wort /getröstet: aber so nichtig sie waren / so wenig konte auch sein Hertz einige gewisse Freude darauf bauen. Doch was solt er machen / er muste dißmal die Gedult annehmen / ob sie gleich noch so bitter in ungewisser Hoffnung und zweiffelhaffter Forcht zu ertragen war. Die Mannigfaltigkeit der Gedancken / die sein Hertz und Glieder fast sehr ermüdet hatten / zwungen ihn endlich zur Ruhe. Aber wie solte der ruhen / der in der höchsten Unruh gefangen ligt? Die Augen nahmen zwar den Schlaf an / aber das Hertz erschreckte ein solch Bild / das den Augen nicht verdrüßlicher hätte vorkommen können. Dann er befand sich zu Pferd in einem Walde / allwo seine Liebste Macarie neben ihm stund / auf einem Weg / voller Sträuch und Dornen /daraus sie nicht steigen konte / deßwegen Polyphilus dieselbe auf sein Roß heben / und heraus führen wolte: In dem kommt ein Greiff / mit aufgerissenem Schnabel / dieser fasset Macarien an / und begehrt sie fort zu führen. Polyphilus ergreifft sie / mit der lincken Hand / dann zu dieser Seite wolte sie zu Pferd sitzen: mit der Rechten greiffet er zu seinem Schwert /das er aber nicht blössen konte. Und weil er / in so grossem Schrecken / sein vergessend / die lincke Hand / von Macarien / an die Scheiden leget / damit es des Gewehrs mächtig werde / führet der Vogel Macarien davon. Polyphilus / mit entblöstem Degen / folget nach / fällt aber / durch die Gesträuch / in solche Verhindernus / daß er offtermals / mit dem Pferd /über sich stürtzte. Weil sich nun der Greiff / mit seinem Raub / zu mächtig von Polyphilo wegriß; verliert er / in dem geschwinden Flug / seine Krafft / und setzet sich / mit Macarien / nieder. Er erwählte einen solchen Sitz / da er meynte / vor dem Verfolger / sicher zu seyn / nemlich auf einen Felsen / da hinan der Fuß Polyphili nicht steigen kunte. Aber was solte wohl Polyphilum verhindern und aufhalten? Er ritte so lang um den Felsen herum / biß er endlich / von hinten zu /mehr einen Fall / da er sich herunter stürtzen / und sterben / als einen Weg / den Felsen zu ersteigen /und Macarien hinwieder zu gewinnen / ersahe. Ungeacht aber dessen / steiget er von seinem Pferd herab /den Felsen hinan / und erlanget seine verlangte Macarien mit grossem Glück / in dem er den Greiffen mit seinem Schwerdt erleget. Hierüber erwachte er. Jetzt einen Traum-Deuter her / der uns das Gesicht erkläre. Der Greiff bedeutet / in Warheit! nichts gutes / sonderlich weil / der gewohnten Art nach /seine Verrichtung im Raub bestunde. Polyphilus konte nicht ruhen / sondern ließ ihm alsobald sein Traum-Buch / ins Bett bringen / zu sehen / was ihm das Gesicht vortrüge? Dieses berichtete: Der Greiff bedeutet den Raub und gewaltthätige Abnahm / nach seiner Eigenschafft. So nun einem träumet von diesem Vogel / bedeutet es Verlust an dem / was man liebet. Aber mir nicht / sagte Polyphilus darauf / dann ehe wolt ich mich selber dem Greiffen vorwerffen / und fressen lassen / ehe dann er meine Liebste verzehren solte. Es gedachte Polyphilus dem allen immer schärffer nach / hielt es doch vor Phantasey / weil er sich nichts solches zu beförchten glaubte; biß die Morgen-Röthe anbrach / da er fort reisen wolte / und zuvor den Brief seiner Macarien / nachmaln durchsahe. Da stosste ihn / die Erinnerung des Nacht-Bildes / ans Hertz / daß er in den Schrecken gerieth / es werbe ein anderer um Macarien: welche Angst / weil sie mit der Warheit je mehr und mehr verstärcket wurde / das Hertz Polyphili in solche Bestürtzung führete / daß er der Zeit kaum erwarten konte / die ihm seine Macarie zu sehen / und zu sprechen geben würde. Viel Verhinderungen kamen / so hier / so dort /darzu / die sein Verlangen aufhielten / deren wir aber / damit wir nicht / gleiche Strafe / mit Polyphilo /leiden / jetzo verschweigen wollen / und bloß melden / was die erste Wort gewesen / damit Polyphilus sein Verlangen begrüsset. Die lauteten also: Was für ein zweiffelhaffter Zustand hat euch troffen / mein Kind! und welche Verwirrung bestricket die Zufriedenheit unserer Liebe? Saget mir / mein Kind! welcher Schmertzen drucket euch / und was für ein Ubel hält eure Freuden / mit Verdrüßlichkeit / gefangen? Was das auch ist / so versichert euch / da ich eure Freuden / mit meinem Tod / lösen kan / will ich denselben nicht scheuen: Ich bin bereit alles zu ertragen /dafern ich nur das nicht ertragen muß / daß ein anderer meine Liebste vertrage. Wolt ihr dann / fieng die bekümmerte Macarie an / mir auch diß nicht zu Willen thun? so wollet ihr nicht alles thun? Ja / versetzte Polyphilus / alles: nur das nicht. Wie aber / sagte Macarie / wann ich gezwungen werde / euch zu verlassen / und mich einem andern zu trauen: So wird / antwortete Polyphilus / meine Seele gezwungen / diesen Leib zu verlassen / und denselben binwiederum der Erden zu geben: darauf Macarie so fort fuhr: Das ists / mein liebster Polyphile! daß mich in einen zweiffelhafften Zustand gesetzt / und mit solcher Verwirrung gefangen hält. Erschrecket nit / Polyphile! über die traurige Post: sondern lasset euch euren bessern Verstand und Tugend hierinn führen / und den Weg weisen / da ihr Gedult / nicht Verzweifflung /finden möget. Ihr sollet euch versichern / daß ich euch die Zeit meines Lebens lieben werde / ja! mehr lieben / dann diesen / dem ich mich trauen soll / welchen ich zu lieben / in Warheit! vor unmüglich halte. Darum ihr euch eher zu frieden geben / und meine Liebe in eurer Wolfahrt / lieben werdet. Das hoffe ich aber / ihr werdet keinen Haß gegen mir fassen / wann ich / euch zu verlassen / gezwungen bin; auch nicht gegen dem / der mich euch entnommen / dann sonsten wolt ich lieber alle Liebe meiden. Polyphile! mein Kind! was seufftzet ihr / betrüben euch meine Wort so hoch? Ach! das hab ich wol gedacht / daß es geschehen werde! Diese Furcht hat mein Hertz mehr / als alle andere / geschrecket. Warum hab ich die unseelige Zeit erlebet / die mich so mit euch reden heisset. Ach! wär ich doch nie an den Ort kommen / da ich euch wieder aufgenommen / und zu meinen Liebsten erwählet! Polyphile! vergesset doch meiner / und gedencket / daß ihr an einem bereichtern und vollkommenern Ort eure Tugend könnet belohnet haben. Vergesset mein / Polyphile! ich bitte euch / vergesset mein. Und mit diesen Worten / fiel sie ihm / um den Halß / und hertzte ihn. Darauf Polyphilus erwähnte: Ach! was soll mir das? will sie meine Angst / durch ihre Hertz-zwingende Lieblichkeit / noch mehr verstärcken? Ach! Ich Elender! Warum bin ich gebohren / daß ich verderbe! soll ich Macarien vergessen? vergessen? gantz vergessen? Wie ists müglich? Will mich Macarie dennoch lieben / ob sie sich einen an dern vertrauet? wie ists müglich? soll ich mich trösten / und nicht kümmern? Ach! Ach! wie ists müglich? O Elend! Ach ich Elender? was soll ich antworten / da ich nicht antworten kan? Macarie / mein Kind! verlässt sie mich / so bin ich ewig verlassen. Soll ich den Zucker-Mund / und die Honig-süsse Lefftzen einem andern überlassen? Ey so laß dich erst so lang küssen / biß mein Hertz / in voller Vergnügung / truncken wird. Soll ich die weisse Hände /eines andern Beschluß / übergeben? Ey so kommet zuvor / und bestreichet meine Wangen / daß sie sich nicht mehr nach euch sehnen. Soll ich den zarten Leib / die schöne Brüste / die gläntzende Augen / den schlancken Halß / die erhabne Stirn / ja die gantze /so schöne / als liebe Macarien / in einen fremden Schoß / geben? Ey so besitze zuvor deine eigene Wohnung / und werde nicht so untren an dir selbst. Komm / mein Kind! ach komm! laß dich doch erbitten: Liebste / und Schönste! laß dich doch erbitten? Was hab ich gethan / daß du mich verstossen wilt? Ach! ihr Wellen / warum habt ihr mich wieder entdecket? Melopharmis / Melopharmis! warum hast du mir mein Leben / zur Verlängerung meiner Pein / erhalten? Ach Kind! Ach liebstes Kind! Ach schönstes Kind! sie wird sich ja mein erbarmen / und mich nicht so unschuldig sterben heissen. Ich weiß doch wohl /wann ihre Treue / die Beständigkeit / mit solcher Liebe / versiegelt / als meine Treue / die Liebe / mit Beständigkeit / so wird uns nichts trennen. Die gantze Zahl der Unsterblichen wird uns schützen. Diese Wort / wie sie verworffen sind / also wurden sie auch von Polyphilo herfür gebracht / und mit unaufhörlichen Küssen und Drücken begleitet / die dann das Hertz der Macarien so bewegten / daß sie bey sich beschloß / Polyphilum zu lieben / und wann die gantze Welt ihr widerstrebte. Durch welche Wort / weil der Mund / den Schluß des Hertzens / öffnete / Polyphilus fast verneuert wurde / und eine andere Besinnung / in sich / herrschen ließ / die bedacht war / wie sie diesem Unheil listiglich vorkommen könte. Er konte aber nichts berathen / bevor er nicht wuste / wer der Greif wäre / so ihm seine Macarien geraubet: Vielleicht / sprach er / soll ich ihn / wie diesen erwürgen. Darzu er so fertig / als willig war. Das erste / das er fragte / war der Name / die Person / und der Stand dessen / davon wir / biß daher /vernommen: und da er / auf alles / guten Bericht erhalten / merckte er leicht / daß die Sache nicht rühmlicher noch mächtiger besieget werde / ohn allein /durch List und Gewalt. Evsephilistum / sprach er /will ich leicht überkommen / und so begegnen / daß er muß zu frieden seyn. Die verständige Macarie gab auch ihr Bedencken / und schlug etzliche Arten vor /wie er das Werck gewinnen könne. Allein dem Polyphilo wolten deren keine gefallen / weil sie / mit seinem Vorhaben / nicht einstimmeten. Endlich war das der geschlossne Rath / weil in dieser Bestürtzung /ihrer keins / seiner Vernunfft recht gebrauchen könte /sie wollen ihre Anschläge schrifftlich einander erklären / hoffende / es werde sich ein solch Mittel antreffen lassen / daß ihrer Freundschafft dienlich / des Evsephilisti Liebe aber verderblich sey. Deßwegen Polyphilus allen Fleiß versprach: ingleichen auch Macarie; und damit scheideten sie von einander. Polyphilus / mit tausend Gedancken begleitet / reitet wieder auf Sophoxenien zu: Macarie / mit noch so viel Kümmernus / erfüllet / bleibet in ihrer betrübten Einsamkeit / und erwartet allda / ohne Erwarten / der allzufrühen Ankunfft / des verhassten Evsephilisti: welcher / so bald er vernommen / daß Polyphilus bey Macarien gewesen / sich wohl von einem Eyfer dörffte erzürnen lassen / der Macarien fragte / was er da gethan / und mit ihr geredt? Ja wohl gar; ob sie mit ihm in Verbündnus der ehelichen Lieb stehe? Ach! hätte Macarie diese Grobheit / mit einem lautern Ja /beantwortet / was wolte der Unverstand entgegen gesetzet haben? Aber die Vorsichtigkeit / der viel-klügern Macarien / rieth ihr das Widerspiel. Gleichwol war Evsephilistus noch in dem zu loben / daß er bekandte / wann Macarie mit Polyphilo in genauer Freundschafft stünde / wolle er ihn nicht austretten. Freylich ja! wie der Fuchs die Birn / so er nicht haben kan / vor bitter schätzt / und nicht verlanget zu verschlingen. Der gute Evsephilistus wuste wohl / daß ers nicht konte / darum muste er sich stellen / als wolt er nicht. Das ist / in Warheit! Wunders werth / und eine Prob noch so grosser Einfalt / daß er den Widerwillen Macarien nicht merckte. Etwa hat er ihm eine Lieb von Macarien eingebildet / wie sich jener Frosch dem Elephanten gleichete. Oder es hat ihn der Wahn verführet / Macarie müsse sich seelig preisen / daß sie so einen vornehmen Liebhaber überkommen / da sie / so lang es währet / oder wolt ich sagen: Die Zeit ihres Lebens (denn so muß man reden / wann man freyen will) im hohen Glücks- und Ehren-Stand leben / und an allem volle Gnüge / ja! noch 14. Metzen drüber /haben könne. Dann so zeugen die Reden / die ihm auch nicht einmal einen Zweifel machten / an ihrer Gewogenheit. Dannenhero redete er schon / mit gar zu bunter Höflichkeit / von dem Braut-Bett / von der Hochzeit / und von weiß nicht was: daß Macarie ihre Augen niederschlug / und sich schämete / daß sie sonst in allen Zierlichkeiten / aber in der bunten Höflichkeit nicht erfahren wäre: Dann sonst ist kein Zweifel / sie würde die Vorschläge beantwortet haben. 16. Absatz Sechzehender Absatz Beschreibet den Blut-Rath Polyphili / so er über Evsephilistum beschlossen / und wie er selbigen der Macarien entdecket / auch wie bestürtzt diese antwortet; dann endlich / wie sich Polyphilus betrogen: Lehret die anfeindende Laster / in hohen Trübsalen / die mehrentheils / mit der vergifften Süsse / der Verzweiflung / zu locken pflegen. Wir wollen aber / unser Zeit / nicht mit ihm / verderben / sondern wieder zum Polyphilo kommen / und sehen / was der vor Rath erfunden. Alsbald er zum Agapisto kam / eröffnete er ihm / aber unter dem Pfand der Verschwiegenheit / was ihm Macarie vertrauet: welcher / wegen der Rede / so Macarie mit ihm vom Polyphilo gehalten / noch immerdar einen Zweiffel / an ihre Beständigkeit / setzte / und sonderlich in dieser Begebenheit / da er vermeyne / Macarie wolle ihn / mit Höflichkeit / und als gezwungen / abweisen /weil aus allen Reden zu schliessen / daß sie Evsephilistum mehr liebe / dann ihn / und was sie ihm mehr erweise / sey eine verfälschte Befriedigung seines Begehrens. Diese Rede setzte Polyphilum in solche Bestürtzung / daß er nicht wuste / was er dencken solte. Wurde gezwungen / Melopharmis / die seine endliche Zuflucht war / in aller Noth / um Rath zu fragen /welche / nach erkundigter Sache / keine bessere Erlösung ausdencken konte / als daß Polyphilus Schwert und Tod drohen solle: die er auch nicht achten würde / wann sie gleich / wider Verhoffen / sich gegen ihm wenden solte. Dann auf solche Art / sprach Melopharmis / werdet ihr Macarien von jenes Liebe abschrecken / jenen aber von dieser. Das alles billigte Polyphilus um desto lieber / als sehr er verlangte /entweder mit Macarien friedlich zu leben / oder ohne sie / rühmlich zu sterben: Doch war das noch ein Anstoß / wie ers dem Evsephilisto / ohne Schaden und Nachtheil der bekümmerten Macarien / hinterbringen könne. Dann / gedachte er / wird die That kündig /was wird man von Macarien sagen? Was wird selbsten Evsephilistus für Spott-Reden ausstossen / welcher zu beförchten / daß er den Kampff abschlage /und mich mit einer scharffgespitzten Zungen / mehr verwunde / als er mit Schwert und Lantzen hätte thun können. Und / welches alles übertrifft / wie wird Macarie / Ach! das zarte Kind! erschrecken / wann sie deren einen ertödet hören wird / der um ihrentwegen gestorben: Dieser Vorbedacht hielt ihn wie lange auf: So bald ihm aber die Erinnerung / der beförchtenden Untreu / seiner Vertrauten / dann der gewisse Verlust Macarien / zusamt der gewaltsamen Werbung Evsephilisti / aus Hertz stieß: fieng er an / ja! es kan nicht anderst seyn / der Rath Melopharmis muß zu Werck gerichtet werden. Was thut aber der Leid-tragende Agapistus? Er sinnet hin und wieder / kan aber nichts fügliches ersinnen / biß er endlich den Rath Melopharmis / vor gut erkannt / dafern er nur klüglich vollbracht werde. Drum sprach er: Mein weniges Bedencken ist das /wie wir Macarien ausser Schrecken und Schande: Polyphilum aber ausser Forcht setzen können. Beyden ist geholffen / wann Polyphilus diß sein Vorhaben der Macarien schrifftlich entdeckt / dem Evsephilisto aber / durch einen seiner Bekandte / heimlich / und als Polyphilo unwissend / hinterbringet. Dieses kan hernacher mit der Entschuldigung / als wäre der Hinterbringer / durch das nichtige Geschwätz / betrogen worden / beschönet bleiben: jenes kan Macarien / von der Liebe Evsephilisti abschrecken / daß sie selber Gelegenheit suchen wird / seiner müssig zu gehen /und Polyphilum zu lieben / will sie nicht eine Ursach grosses Unglücks und Blutvergiessens heissen. Wohl war das gerathen: Melopharmis nahm die Verwaltung auf sich / Evsephilisto den Schluß Polyphili kund zu thun: Polyphilus verständigte dessen seine Macarien /mit folgender Zuschrifft: Allerliebstes Kind! In was Schmertzen / mein geängstetes Hertz / sich befinde / zeugen genugsam diese gebrochene Wort / die mit tausend Seuftzern / aus dem / von heisser Pein brennenden / Grund heraus quillen. Und weil ich keine Stunde / ohne ihr Andencken / vollbringen kan /auch keinen Schlaf / viel minder einige Freude und Wohl-seyn / bey mir / empfinde; es sey dann / daß ich entweder ihre Gegenwart mir betrüglich vorstelle /oder sonst meinen Gedancken die willige Freyheit gönne / auf die Erlösung unsers / ach! wie grossen Unglücks / zu sinnen: wird sie mir hoffentlich auch diß nicht verüblen / daß ich so zeitig sie wieder besprechen darff. Was ich vor ein betrübtes Heimreiten verbracht / laß ich sie selber / als verständiger / richten: und in wie grosser Betrübnus ich mich täglich ängstige / zeugen allein meine Seuffzer / von denen ich nicht zweifle / daß sie / meinem Befehl nach /auch bey ihrem Hertzen anklopffen werden / dann sie sonst die Lufft / in so gehäuffter Meng / trüben würden. Aber was thu ich? Ich solt trösten / und nun klage ich: wie kan ich anderst? wolte der erzürnte Himmel / daß ich ihn / mit meinem Tod / befriedigen solte / wäre ich bereit / Allerliebste! ihrentwegen zu sterben / und hätte ich volle Genüge / wann nur sie /wieder in die vorige Freud / versetzet würde. So könt auch mir nichts erwünschters widerfahren; Dann ohne die leben / so meines Lebens Erhalterin ist / ist selbst der Tod: sie aber / erwähltes Hertz! in eines andern /und zwar unwürdigen Gewalt sehen / (O des unmüglich-erleidenden Worts!) ist der erste Grund meiner Verzweifflung / und muß mein Hertz ehe alles Hertz verlohren / auch meine Faust kein Gewehr mehr führen können / ehe ich solche unverdiente Schmach und Schmertzen / ungerochen ertragen würde. Solte Polyphilus ein Schwerdt tragen / das sich nicht freuete /wann ihm der angenehme Befehl ertheilet würde /seine Liebste zu retten? Mord und Tod soll entweder mich in Evsephilisti; oder ihn / in meine Stelle setzen: Dann das Leben ist uns nur schädlich. Ich weiß /Hertz-vertraute! daß sie sich hierüber betrüben wird /und erschrecken: Doch nein / liebet sie getreu / wird sie das ehe fördern / als hindern. Da sie aber ihrem rühmlichen Namen / den sie allezeit vor alles geschätzt / dieses zu wider zu seyn glaubet / so bleibe sie beständig / und lasse sich / weder durch Macht /noch List / verleiten / dann ich ihr verspreche / daß /wann sie will / und mir lieb-gebührend beystehet /mein geringer Verstand allbereit einen solchen Rath erdacht / der uns aufs nächste erlösen wird: der gütige Himmel gebe ein solches Werck / als die Hoffnung verspricht. Solte derowegen der Unwürdige / sich ferner / die jenige zu bestreiten / unterwinden / deren er schuldiger zu dienen wäre / und glückselig genug /wann er von ihr / mit Höflichkeit / unterwiesen würde / wie er sein unverschämtes Beginnen hindern solle; solte der / sag ich / seine grobe Künheit weiter zu üben / nicht unterlassen / habe ich auch dem ein Gebiß einzulegen beschlossen / doch so / daß es beyderseits / ohn unsern Schaden / geschehen kan. Nur das bitte ich / sie wolle mein Vorhaben / durch keinen Verzug des Berichts / wie sie in dieser Sach zu handeln gesinnet / zu ruck halten. Die Kürtze der Zeit heisset mich schliessen / und sie / mein Kind! in guter Hoffnung / ohne Sorge / zu ruhen anmahnen / auch zu bitten / daß sie mich liebe / dann so wird der Himmel selbsten / seinen Zorn / an uns / nicht verüben können / sondern mir vergünstigen / daß ich hinwieder sey und bleibe / der sie / mein Kind! nicht kan / noch will verlassen / weil er sich nennet / den getreuen Polyphilum. In was Verwirrung Macarie / durch diß Brieflein / geführet / können wir nicht besser / als aus ihrer eigenen Antwort vernehmen / die wir daher setzen wollen. Das müssen wir aber zuvor bemercken / daß Polyphilus / der getreuen Macarien / nicht wenig Unrecht gethan / in dem er ihr Hertz / in dem Argwohn einiger Falschheit / oder Liebe gegen Evsephilistum / behielt: das vielmehr Tag und Nacht darauf bedacht war / ein Mittel zu ersinnen / wie sie sich von jenem befreyen könne. Die Antwort aber war diese: Mein Herr! Ihr könnet leicht schliessen / daß ich euer verlangtes Brieflein be gierig erbrochen / und in der betrüglichen Hoffnung / ob würde ich / durch dasselbe / Trost und Linderung / in meiner Betrübnus / erhalten / eilfertig durchlesen / welches aber so weit gefehlet / daß dadurch vielmehr alle meine Sinne untergeschlagen /und mein / ohne das / entgeistertes Gemüthe vollend in Verzweifflung gesetzt worden / in dem meine unglückselige Augen lesen müssen / in was hefftige Verwirrung euch eure Liebe gestürtzet / und durch was gefährliche Entschliessung / ihr euch zu retten gedencket; so / daß ihr selbsten gestehet / es können solche Wort / mir / nichts als Schrecken / verursachen. Ihr vermahnet mich zwar ruhig zu seyn / unterlasset aber indessen nicht / neue Unruh zu erregen. Ihr heisset mich ohne Sorge seyn / und gebet mir doch tausend Ursach zu sorgen. Glaube also nicht / daß jemaln ein Schiff / verzweiffelter zwischen Wind und Wellen geschwebet / als mein ängstiges Gemüth / von Furcht und Hoffnung umgetrieben wird. Weil ich dann sehe /daß das verhässige Glück gesonnen / mein arbeitseliges lieben / zum Ziel / seiner grausamen Pfeile zu stellen: als will ich viel lieber selbst sterben; als andern den Tod verursachen / und weit sicherer geloben / alle Lieb in Ewigkeit aus meinem Gemüthe zu verbannen / und das schwartze Grab zum Hochzeit-Hause zu wählen / als zugeben / daß einer Mord-klingen das Richter-Amt aufgetragen / und meine Ehe-beredung mit Blut solte geschrieben werden. Derowegen / mein Herr! lasset euch / in diesem Beginnen /vielmehr die gesunde Vernunfft / als den erhitzten Grimm / die Schrancken setzen / und betrachtet / daß es viel sicherer sey / sich beugen / als zerbrechen. Fliehet die Ubereilung / welche allezeit eine Mutter ist vieler Mißgeburten / und ergebet den Ausschlag /nicht einem kalten Eisen / sondern der allweisen Vorsehung des Höchsten / die so unermüdet für unsre Wolfahrt wachet / und gegen welche weder Gewalt /noch List / noch Glück siegenkan. Haltet euch versichert / daß ich kein vernünfftiges Mittel unterlassen werde / dieses Werck entweder gäntzlich zu ruck zu treiben / oder da dieses unmüglich wäre / doch so lang aufzuziehen / biß ich von euch gewisse Antwort erhalten. Zweifle indessen nicht / ihr werdet auch /eures Theils / die Hülffe befördern / doch durch ein solches Mittel / das mehr einer klugen Entschliessung / als einer Verzweiflung ähnlich siehet. Mehr vor dißmal nicht / ohne daß ich bitte / ihr wollet euch nichts schrecken lassen / und / weil eure jüngste Besuchung / in dieser kleinen geschwätzigen Insul / so viel ungleiche Reden und Gedancken verursachet /meiner zu schonen / mich nicht mehr allhie besuchen /damit also den unmässigen Leuten / die Ursach der Verleumdung möchte entzogen werde: Wir wollen unsre Freundschafft auch wohl / durch Briefe / unterhalten / oder daja die Gegenwart von nöthen wäre /solche auf meinem Land-Gut suchen; Indessen lebet ihr mit so viel Glückseligkeit / als ich euch immer wünschen kan / und glaubet gewiß / daß ich Lebens-lang verbleibe Eure beständige Freundin Macarie. Jetzt wird ja Polyphilus zu frieden seyn / weil er so theure Versprechungen überkommen; nun weiß er ja /daß Macarie sein ist / und sein seyn will / dafern sie nur beyde einen Rath erdencken können / der ihr Verlangen beseeliget: und daran fehlets Polyphilo auch nicht. Aber / O du unglückseliger / in dem höchsten Glück / und in der grösten Freude / Höchst-betrübter Polyphile! du köntest dich freylich den seeligsten /durch die gunst-geneigte Gewogenheit / so wohl des viel-gütigen Himmels / als deiner Treu-liebenden Macarien / grüssen / wann nicht deine Glücks-Fahne / so offt sie sich außbreitet / das Creutz der Widerwertigkeit zeigete. Kaum hatte Polyphilus / mit den erfreulichen Worten / seine Traurigkeit in etwas gemindert /als Melopharmis / mit so erhitztem Gang / auf ihn zulief / daß ihr der Athem / so sich zuruck zog / die erschreckende Wort / nicht unverstümmelt hervor bringen ließ: Polyphile! morgendes Tags wird der Greiff (so sagte sie aus dem Traum Polyphili / weil sie Evsephilistum nicht wohl nennen konte / oder / vor Eyfer nennen mochte) mit Macarien öffentlich versprochen werden / das mir selbst Talypsidamus hinterbracht. Solte wohl ein Donner / so mächtig er auch seinen Strahl führen könte / das / was er anfasset / in so viel Stück zertrümmern / als die Freude Polyphili zerschmettert / mit Schrecken / dahin fiel. O falsche Macarie! das war das erste Wort; Untreue Macarie! Macarie! du Prob alles Betrugs! aller Verführung! Ach! Agapiste! du bester meiner Freunde! Warum hab ich dir nicht gefolget? Warum hab ich dir nicht geglaubet? O Lasterhaffte Betrügerin und betrügliche Laster-Seele / die den Leib Macarien regieret! Ach Melopharmis! getreue Melopharmis! sehet doch / leset doch / was die verlogene Hand an mich geschrieben. Wo ist ein grösserer Betrug / als der Weibliche! Ach! du beständiges Hertz Polyphili / solt du mit solcher Untreu belohnet / oder vielmehr verworffen werden? Rehmet doch hin Melopharmis diesen Brief / und erschrecket über das Lasterhaffte Beginnen deren / die wir vor eine Tugend-Göttin geehret. Melopharmis durchsahe die Schrifft / und da sie fast zum Ende kam / sprach Polyphilus: Das ist der Betrug / daß ich Soletten meiden soll / damit ich nicht erfahre / wie sie mit bösen Tücken umgehet. Aber wart Greiff / ich will dir biß auf den Felsen folgen /du solt meine Klinge fühlen. Ja / sprach Melopharmis / thut das Polyphile / aber handelt mit Bedacht. Ihr wisset / daß das viel-züngige Gerüchtofftermals unsern Glauben bethöret / so hütet euch / daß ihr nicht gleiches klagen dörffet. Setzet euch alsobald auf / und verfüget euch hin zu Macarien / und erinnert sie an die Treue / so sie euch / nach ihrem Versprechen schuldig. Nimmt sie euch an / so habt ihr / was ihr wünschet: wo nicht / so suchet / was ihr wünschet / und entfesselt eure Bande / durch den Tod dessen / der euch zu binden sich unterstanden. Ihr werdet bey Göttern und Menschen / wegen billicher Rache /unsträfflich erkannt werden. 17. Absatz Siebenzehender Absatz Beschreibet den Gegen-Rath Agapisti / und wie Polyphilus streit-rüstig auf Soletten ziehet / aber von Macarien / mit der Wider-Rede seiner nichtigen Einbildung / begütiget und erfreuet wird / in dem sie ihn vor allen und ewig erwählet: Lehret die endliche Vergnügung der Tugend / die / so widerwertig auch das Glück spiele / dennoch ewig beglücket bleibet /und ohne Ende. Agapistus hörte diesen Rath / mit zittrendem Hertzen / an / und suchte Polyphilum mehr zu begütigen /als der sich höher düncken solle / dann daß er sein Schwert zucke gegen dem / der ihm nicht Widerstand thun könne / auch seinen Tugend-Wandel nicht beflecken / durch die Er werbung eines Lasterhafften Weibsbildes. Aber es war bey Polyphilo aller Schand und Tugend vergessen / so gar hatte der Blut-erzwingende Rach-Eyfer sein Hertz eingenommen / daß er nicht ruhen konte / biß ihm Agapistus sein Begehren verwilligte. Da nun gedachter Agapistus merckte / daß alles vergebens war / dachte er auf andere Art zu helffen /und fiel ihm eben zum grossen Glück bey / daß er anfieng: Wann ihr dann / Polyphile! dieses aus Liebe gegen Macarien thut / so lasset euch diese letzte Bitt noch / um derentwillen / begütigen / und höret meinen Rath / der euch nicht mißfallen wird. Ich glaube nicht / daß diß Geschrey wahrhafftig ist / sondern eine Lufft-Rede. So folget der Erinnerung Melopharmis: und kommt zuvor / mit Sanfftmuth / zu Macarien / um zu vernehmen / wie die Warheit stehe. Besinnet euch aber dabey / daß ihr sie / mit eurer unverhofften Gegenwart / nicht erschrecket / noch der eyferigen Bitte /in diesem Brieflein verfasset / ungehorsamlich widerstrebet: sondern entschuldiget eure Ankunfft zuvor /mit einem Brieflein / welches ihr vor euch hinschicken könnet; hernach nehmet fremde Kleidung an / daß ihr nicht erkannt werdet / und richtet euren Weg dahin / daß ihr / mit spätem Abend / in die Insul kommet / damit ihr / ohne Wissen einiges Menschen / sie sprechen möget: Auf solche Art / könnt ihr eurer Forcht / und ihrem guten Gerücht helffen. Nach dem /als nun der Bescheid lauten wird / könnet ihr euch versehen / den Greiffen zu fangn / oder zu erwürgen. Polyphilus that allerdings / wie Agapistus sagte /und nahm Gennadam / einen aus dem Adel / von Hof / der ein frisches Hertz hatte / zu sich; Dann Agapistum dorffte er nicht mit / gen Soletten führen / weil er dort bekannt war / und Polyphilus an ihm erkennet wäre. Doch berieth er sich mit ihm / daß er des andern Tages früh / auf einem grünen Platz / im Wald / der nächst bey der Insul war / und von Polyphilo wohl benennet wurde / warten / und sich mit Schwert und Geschoß versehen solte / daß / so Polyphilus Evsephilistum zum Kampff auffordern / und dahin bringen werde / er solchem lustigen Spiel zusehe / und sich des Siegs freue: da aber der Verlust Polyphilum betreffen würde (wie dann gemeiniglich das Unglück /bey einer gerechten Sach / am meisten zu wüten pflegt) Agapistus seine Ehre rette / und die Unbillichkeit / durch das Blut Evsephilisti / aufzeichne / und aller Welt kündig machte. Nun erkenne ein jeder / was vor Thorheit die Liebe begleite / und wie wir Menschen / von einem Laster in das ander / geführet werden. Wer hätte / vor dem /einen solchen Blut-Rath bey Polyphilo suchen sollen? Aber das hieß die Verzweifflung / das gebot die Vergessenheit sein selbsten. Der Rath ist geschlossen /und wurde der Anfang der Erfüllung / mit folgendem Brief an Macarien / gemacht: Mein Kind! Weil ich nicht gestatten kan / noch will / daß sie der Greiff raube; ich aber in glaubwürdige Erfahrung bracht worden / ob solte morgen die Werbung und Versprechung / durch gebührende Mittel / geschehen; als bin ich entschlossen / mit einem zwar unbekanten / aber doch getreuen Freund / noch heut / in später Nacht / sie zu besuchen / entweder eine fröliche Hülff / oder verzweiffelte Verlassung zu berathen. Stehet sie bey mir / wollen wir / so der Himmel will /dem Greiffen auf die Feder klopffen / daß er die Fittich soll hängen lassen. Ich lasse sie nicht / und kan sie nicht lassen / solte mir die gantze Welt widerstreben: Weiß ich doch / daß ich einen gnädigen Himmel habe. Aber / mein Kind! bleibet getreu / und lasset euch nicht verführen / wolt ihr anderst nicht / daß meine tödliche Seufftzer ein ewiges Weh / über eure Untreu / schreyen / und euch die Ursach meines Verderbens / nach Verdienst / beylegen. Zugegen / so es dem Himmel gefällig / ein mehrers / der wird uns einen Rath geben / welcher entweder ein seeliges Lieben / oder einen frölichen Tod würcket / und wird sie mir endlich noch die Gnade verleihen / daß ich den Ruhm hinter mir lasse / meine Treu habe mich ihrentwegen sterben heissen: der ich noch / so lang sie begehrt / leben will / und lebe / ihr getreu-beständiger Polyphilus. So bald der Brief verfertiget und verschlossen / wurde er Talypsidamo zugeschickt / mit der Erinnerung /daß Polyphilus heute bey Macarien seyn werde in fremder Bekleidung / aus Ursach / die er in diesem Brief / durch Vertrauung Macarien / verstehen werde /darum er solchen derselben unverzüglich einhändigen / und sie seiner heut gewiß zu erwarten / versichern solle. Nach dem bereitete er sein Gesch oß / so viel er und Gennadas mit sich führen solte; er probirte sein Schwert / ob es daurhafft und scharff; nicht daß er daran zweiffelte / sondern wegen des erhitzten Eyfers / der gewünschet hätte / daß er den Greiffen allbereit damit zerhauet / und niedergelegt. Weil aber /nach dieser Verrichtung / gleichwol die Sonne am Himmel noch zu hoch spatzierte / so / daß er zu früh auf Soletten gelange / wann er schon aufsitze / ließ er sich nieder an seinen Tisch / und setzte folgendes Gedicht zu Papier: Soll uns denn / ach liebstes Kind! unser beyder liebes Lieben unsre Lust und unsre Freud / werden ein betrübtes Weh / und ein weh-geklagt Betrüben; ach! ein lauters Hertzenleid? weil du nun must feindlich scheinen / weil ich dich muß heimlich meynen. Ist das eur verboßter Neid / ihr verfluchte Ungtücks-Wellen! ist das eur bethörter Grimm? Daß ihr mich und meine Freud / samt der ihren wollet fällen / daß ich meine Liebes-Stimm soll in Haß und Mord verkehren / weil ihr mir wolt Liebe wehren. Hab ich das um euch verschuld? hab ich nicht getreu geliebet und von Grund des Hertzens mein? Hab ich nicht / was ich gethan / aus getreuem Sinn verübet? warum soll ich straffbar seyn? warum soll ich jetzo darben? und ein andrer binden Garben? Dencke selbst / du falsches Glück! wie du mich so schmertzlich quälest / wie du mich so peinlich plagst? Wann du jene Gegen-Gunst anderwerts / nicht mir vermählest / sondern gantz und gar versagst / weist du nicht / daß ich muß sterben / und / eh das geschicht / verderben. Ach! warum dann / falsches Glück! falsches Glück / warum dann sterben? weil sie mir entnommen wird: Ach! warum dann / falsches Glück! falsches Glück / warum verderben? wann ein fremder sie entführt: ja so muß ich gantz verderben: ja so muß ich alsbald sterben. Aber / Einfalt! hüte dich: warlich du must eh erfahren / was ich in dem Schilde führ: meynst du / daß ich Schwert und Gifft / und was sonsten hilfft / will sparen / eh ich sie verlasse dir / Du must mich / ich dich vertreiben: einer nur muß übrig bleiben. Du nur / schönstes / liebstes Kind! laß dich nicht von mir abwenden / dencke deines Liebsten noch / der dich schützen wird mit Macht: führen dich bey seinen Händen aus dem hart-bestrickten Joch: der nicht ruhen kan / noch schlaffen / biß er dir wird Hülffe schaffen. Nunmehr war es eben Zeit / daß er fortreisete / so lasst uns erst seine Kleidung besehen. Sein Antlitz verstellete ein schwartzes Haar / und den Leib bedeckte ein langer Rock / mit geschürtzten Hosen. Die Seiten bewahrete das Schwert / welches dem Evsephilisto den Tod drohete. Seine Arm waren umwunden mit Banden / deßgleichen der Leib / indem die Seele /mit Gifft und Grimm gebunden lag. An dem Halß gieng ein gespitzter Flor herunter / biß über die Brust / und die Füsse waren / mit dem Leibe / in gleicher Verkleidung / alles solcher Art / daß mans an Polyphilo nie gesehen / und also eben wenig erkennen konte. So fähret er nun auf Soletten zu / Blut zu holen. Denn das waren seine Reise-Gedancken / der erste Anblick Evsephilisti / soll der Pulver-Blitz; der erste Gruß / der Kugel-Donner; und die Reverentz / die Spitze meiner Klingen seyn. Aber wie viel ein anders hatte der gütige Himmel beschlossen. Das richtete Polyphilus aus / daß die unschuldige Macarie sehr erschrocken wurde. Denn da ihr Talypsidamus den Brief reichete / und Polyphili Gegenwart verkündete /fehlete nicht viel / sie wäre / vor Entsetzen / entgeistert worden. Ach! fieng sie an / ich unseelige / wie muß meine Liebe so verbittert / und meine Hoffnung so zerstöret werden. Liebster Polyphile! Wer hat euch doch so übel berichtet / warum glaubet ihr so leicht /zu meinem Verderben? Haltet ihr meine Treu nicht im bessern Glauben / verchret ihr meine Beständigkeit mit solchem Zweiffel? Ach! was werd ich wieder leiden müssen / wann man sagt / Polyphilus ist abermal bey Macarien gewesen? Talypsidamus erschrack über die hefftige Bewegung / der halb-grimmigen / Halb-betrübten Macarien / und tröstete sie / daß er von niemand würde erkannt werden / auch in einem gantz fremden Gast-Hof einkehren / da man ihn nie gesehen. Als Talypsidamus noch so redet / kommt Gennadas / die Ankunfft Polyphili zu verkünden. Was vermag die mächtige Liebe nicht? Da Macarie hörete / Polyphilum so nahe zu seyn / vergaß sie alles Leids / und wünschte ihn nur zu sehen. Wir wollen uns nicht aufhalten / in Beschreibung aller deren Umstände / die sich so lächerlich / als kurtzweilig begeben / in dem er den Wirth / da er eingekehrt / um Macarien fragte / und die Antwort überkam / daß sie in Liebe lebe / mit einem von Sophoxenien / Namens Polyphilum; dessen Person er / dem Polyphilo selbst / von Haupt biß zu Fuß / beschreiben muste / auch seine Tugenden und Mißfälligkeiten erklären! deme dann Polyphilus / mit grosser Ergötzung / zuhörete / auch mitten in seinem Leiden: sondern / wir wollen Polyphilum zu Macarien führen /die ihn / mit solchen Worten empfieng: Was habt ihr vor unnöthige Sorge? Polyphile! Mein Kind! was quälet euer Hertz vor ein nichtiger Wahn? wem solt ich mich anderst vertrauen / denn dem einig-erwählten Polyphilo: mit wem soll ich morgen Versprechung eingehen? mit Polyphilo: Ja / das will ich thun; aber keines Wegs mit einem Greiffen / dann das ist ein Raub-Vogel. Seyd ihr noch bekümmert / Polyphile: Sehet da / hie bin ich / eure Macarie / nehmet mich mit euch / wollt ihr meiner Versprechung nicht glauben. Euch will ich lieben / und sonst keinen. Wer hat euch so fälschlich berichtet? Polyphilus wuste nicht / was er dencken / was er glauben / was er antworten solte; so bestritte der Zweifel alle seine Sinne / daß er fast einfältig fragte: So wird Macarie morgen Evsephilisto nicht versprochen / nicht vertrauet? Das Macarie nicht mehr mit Worten bekräfftigen / sondern in dem Werck / zu erweisen suchte. Deßwegen sie ihn anfassete / und den endlichen Schluß / so wol ihrer Liebe / als dieser Beschreibung des ersten Theils / mit einem Kuß versiegelte / und mit der Hand gelobte / daß / ausser Polyphilum / keiner ihrer Liebe geniessen / viel weniger ihr Liebster heissen solte. Darum ihr / Polyphile! sprach Macarie / zu frieden seyn / und die Zeit unserer fernern Ehe-Vergnügung benefien / und alles nach eurem Gefallen anstellen möget / dann ich bin Eure /und ihr seyd Mein. Nun dörfft ihr öffentlich lieben. Polyphilus / im höchsten Grad der Freude / hertzte hinwieder seinen Schatz / und danckte dem günstigen Himmel / der ihn zuvor in so tieffe Bekümmernus gestürtzet / daß er ihn desto mächtiger erfreuen könne /deßwegen er seine Güte / mit solchen Worten / rühmete: Nun habe / Himmel! Danck / vor deine reiche Güte / nun stürme / wer da stürmt / und wer nur wütet / wüte; mein Schatz! nun bist du mein: mein bist du / Schatz! nicht dem / den ich befürchten must / daß er dich mir entnehm. Nun freu dich / Freude selbst; selbst Freude jauchze / springe / weil ich von nichts / als Lust / jetzt dichte / rede / singe. Nun hab ich mein Begehr / nun hab ich meine Lust / nun wird / mein Schatz! dein Sinn / bald näher seyn bewust. Nun wird mir / Schatz! dein Schoß zum sanfften Lager werden / nun bist du / Liebste! mir die Liebste auf der Erden und in der gantzen Welt. Weg / weg mit allem dem / was mich von dir verführt: dich nur / mein Schatz! ich nehm. So nehme nun Polyphilus seine Macarien / und lebe mit derselben / in solchem Segen / wie ihrer beyder Tugend verdienen. Geniessen auch so grosses Glücks / als viel sie Unglück erlitten / und werden /nach so langwürigem Regen / von den gnädigen Göttern / nun mit einem immerwährenden Sonnenschein /das ist / Glück und Ehre / bestrahlet. Sie leben in Friede / und geniessen ihrer Lust / in Ruhe. Das wollen wir ihnen zwar hie wünschen / wird aber nach vieler Unglücks-Bestürmung (davon der andere Theil ein mehrers berichten wird /) erfüllet werden. Andere aber mercken / an dem Exempel Polyphili / Kunst und Tugend zu erringen / und lassen sich / durch die rauhe Wege / nicht hindern / noch von der begleitenden Widerwertigkeit / abschrecken / sonderen / siegen mit Polyphilo / werden sie auch mit ihm gekrönet werden. Und welcher das erlittene Unglück Polyphili bedauret: die Beständigkeit aber verwundert: der gönne ihm /für beydes / einen Wunsch fernerer Glückseligkeit /und helffe ihm / seine vertraute Macarien / als die Kunst- und Tugend-Göttin / preisen; so wird er gewißlich / mit Kunst- und Tugend-Lohn / begabet werden. Und wird ihm / ein jeder / den Ruhm fingen / wie Agapistus / mit freudigem Hertzen / Polyphilo / in folgenden Strophen / gesungen / da er von der Freude Polyphili / seines ewig-geliebten Freundes / Bericht erhalten: So hat seinen Wunsch erfüllet meiner Liebsten liebster Freund: sein Verlangen eingehüllet / wo die Liebes-Kertze scheint: die die Freude hat entzündet / da man keine Schmertzen findet. 2. Nimm / Polyphile! die Seele deiner Seelen / deine Freud / daß dich forthin nichts mehr quäle / nun du diese hohe Zeit hast / mit deinem Glück / bekrönet / sie / mit Ehren / dich beschönet. 3. Was will nun der Greiffen-Schnabel? wetz er / wie er immer kan: fahr er / auf der Ofen-Gabel / oben aus / und nirgend an / du hast seinen Raub genommen / er ist viel zu späte kommen. 4. Das / das machet deine Tugend / dein Verstand und deine Kunst: die dir / in so früher Jugend / hat erworben diese Gunst: Daß du / mit den zarten Wangen deiner Liebsten / könnest prangen. 5. Will die Einfalt dich bestreiten? fordre sie / mit List / heraus: will die Grobheit sie begleiten? gib ihr eines auf den Strauß: wie du / Liebster! schon gegeben / daß du könnest sicher leben. 6. So muß der die Ehre führen / der der Ehren wehrt erkannt: Tugend muß sich selbsten zieren / fordern keine fremde Hand: Deine Freude wird dich können selbsten / durch sich selbsten / nennen. 7. Was soll aber ich nun machen; ich / der treue Agapist: der / in diesen Liebes-Sachen / der getreue Bote ist: Ich? Ich soll ein Liedlein singen / und euch beyden Glücke bringen. 8. Nun so / Glücke! sie beglücke / die beglücket worden sind: Unbeglücktes Glück zu rücke weiche / schleiche Wind-geschwind / Er und Sie muß frölich leben / Glück und Ehr / um Freude geben. 9. Du Polyphile! nicht dencke mehr an das bestürmte Meer: Dich nicht mehr zu Wasser sencke / fleuch / entsteuch dem Vogel-Heer laß die Tempel ruhig stehen / nun du sie hast durchgesehen. 10. Sieh / besiehe du die Zierde deiner eignen Tugend-Ehr; und bezähme die Begierde, durch der Liebsten Gunst und Lehr. Alles Unglück Gott abwende / so hats ein erwünschtes ENDE Der zweyte Theil Durchleuchtigste Fürstin Gnädigste Fürstin und Frau Durchleuchtigste Fürstin Gnädigste Fürstin und Frau! So löblich / billig / und nützlich es ist / wann kluge /geschickte und erfahrne Manns-Personen / ihre herrliche Gaben / in schönen Büchern ans Liecht stellen /und durch zierliche Beschreibung der Wissenschaften und Tugenden ihre gelehrte Frömmigkeit der offenen Welt zu lesen geben / so vermessen und sträfflich scheinet es hingegen / wann Weibliche Hände / die (weiß nicht / soll ich sagen von Natur / oder aus einer unbilligen Gewonheit) zu öffentlichen Schrifften in gemein untauglich gehalten / und mehr der Erlernung / als Unterrichtung der Weißheit / mehr der Ausübung als Beschreibung der Tugenden / fähig geachtet werden / sich denen Männlichen an die seite setzen / und ihrem gemeinlich-mangelhaften Kiel die Freyheit des Ausfliegens gestatten. Ich will dißmal nicht streiten / wie fern dieses Verfahren zu billigen oder zu verwerffen sey / sondern überlasse es E. Hoch-Fürstl. Durchl. hohem und gerechten Urtheil. Weil mich aber / der Gehorsam gegen unsrem Schäfer-gelübde / auch in so scheinbares Verbrechen gewickelt / habe ich / solches zu entschuldigen / und von einer schnellen Verdammung zu befreyen / gegenwärtige / zwar kühne / doch unterthänigste Zuschrift erwehlet: nicht etwan einiger Ungerechtigkeit / unter E. Hoch-Fürstl. Durchl. theurwürdigstem Namen /die Sicherheit zu suchen / sondern unter Dero Gnad-Flügeln / wider die halsstarrige Unterdruckere und hochmütige Verächtere des Weiblichen Geschlechtes zu streiten / und den Befehl unsers Ordens / in Ausfärtigung einer Teutschen Kunst- und Tugend-Schrift / zu verteidigen. Unter einem dapfern Heerführer / wird auch ein sonst-verzagter Soldat beherzt zum fechten: also fürchte ich / unter einer stäts-siegenden Durchleuchtigsten Heldin / keine Gefahr der Niederlage. Weil nun / ein kühnes Beginnen / eines grossen Schutzes vonnöten hat / als hat sich auch meine übel-aufgeputzte Macarie / nicht anderst / als unter E. Hoch-Fürstl. Durchl. mächtiger Beschirmung / vor das angesicht der tadelsüchtigen Welt wagen wollen. Nächst deme / Durchleuchtigste Prinzessin / habe ich hiermit meinen demütigsten Dank vor die hohe Begnädigung / mit welcher E. Hoch-Fürstl. Durchl. mein einfältiges Zuruf-Gedicht bey dero höchst-verlangten Ankunft und Hoch-Fürstl. Heimführung /aufgenommen / zu dem Saum dero Rockes legen sollen. Was Dorilis damals über Verdienst genossen /dessen suchet die dankbare Macarie / hiermit ein unterthänigstes Preis-Andenken zu stiften: der unterthänigsten Hoffnung / es werden E. Hoch-Fürstl. Durchl. wie den Glückwunsch / also auch die Danksagung / ihrer gnädigen Augen würdigen. Ein Weg /der einmal sicher betretten worden / machet auch das andere mal eine glückliche Reise hoffen. Und wo solte die Kunst- und Tugend-gezierte Macarie billiger Herberge suchen / als bey E. Hoch-Fürstl. Durchl. die da / so zu sagen / ein Meer sind / darein alle Flüße und Bäche der Tugend und Weißheit zusammen geflossen. Macarien Hirtenstab / suchet hohen Obschutz unter E. Hoch-Fürstl. Durchl. Zepter / und bey deroselben gnädigste Vergebung für die allzukühne Dorilis / daß sie / der sonst furchtsamen Macarie / den Weg zu Dero Throne gezeiget. Weil Macarie von der Tugend redet / als fürchte ich / wegen deren Ubergebung / von einer höchst-Tugendhaften Fürstin keine Straffe. Wie aber die Tugend die Glückseeligkeit zur Nachtretterin hat / als gibe der Tugend-geflissenen Macarie an E. Hoch-Fürstl. Durchl. ich den unterthänigsthertzinnigst getreuen Wunsch mit / daß dieselbe von Himmel mit dem Uberfluß alles Hoch-Fürstlichen Glückwesens / nach Dero selbsteigenem hohen Wunsche / mögen überschüttet werden: demütigst bittend /in hoher Gnade gewogen zu verbleiben / E. Hoch-Fürstl. Durchleuchtigkeit / als meiner gnädigsten Fürstin und Frauen Bayrsdorf den 25. August-M. im 1673. Christ Jahr. Unterthänigst-gehorsamsten Magd Dorilis. Vor-Anrede Vor-Anrede Obwol die Edle und schöne Tugend / wegen ihrer Vollkommenheit und Würde / billig / von allen Menschen der Welt / solte geehret / geliebet und bedienet werden / so sihet man doch öfters / wie die törichte Sterbliche / dieses Göttliche Kind verjagen / die Thür ihres Hertzens vor derselben zuschließen / und an ihrer stat / den schänd- und schädlichen Lastern / als ihren ärgsten Todfeinden / herberge geben: daß also die verlassene Tugend gezwungen wird / zuweiln ihre gewönliche Ehrwürdige Kleidung auszuziehen / und in einem bunten und frölichen Rock zu erscheinen /damit sie / in so fremdem Habit / von den verblendten Seelen eingelassen werden / und dieselben / als ihre eigentliche Wohnung / von den aufrührischen und verdammlichn Wollüsten reinigen möge. Einer solchen Verstellung / bedienet sie sich auch in gegenwärtigem Büchlein / da sie / unter das Honig einer anmutigen Liebes-Geschicht / ihre heilige Lehren verstecket / üm solche den Lustliebenten Gemütern beyzubringen und süße zu machen. Und damit sie desto leichter ihren vorgesetzten Zweck erreiche / hat sie ihr gefallen lassen / diese Liebes-Beschreibung / einer Weibs-Person anzubefehlen: entweder / dem Neuheit-begierigen Leser / durch so ungemeinen Kiel sich angenem zu machen; oder / weil von ihrer vielen das Weibliche Geschlecht / in Uberwindung der Hertzen und Beredung zur Nachfolge / geschwinder und glückseeliger / als das Männliche selber / geschätzet wird. Zwar / daß meine Wenigkeit sich erkühnet / in einer so wichtigen Handlung zu arbeiten / scheinet deren glücklichen Ausgang nicht wenig zu verhintern: angesehen meinem untauglichen Pinsel / zu Abbildung der allertrefflichsten Tugend / Farbe und Kunst mangelt / und die alleredelste Früchte / wann sie in grob-hölzernen Schalen vorgetragen werden / ihren hohen Wehrt verächtlich machen. Aber mein höflicher Leser! ich bilde die Tugend: deren bloße Linien alle Zuneigung und Ehrerbietung verdienen. Und ob meine Schale unzierlich / so ist doch derselben Holz selten / und die Frucht / so sie darreichet / köstlich. Zerreisset ihr den Abriß / so möchte die Tugend üm solchen Schimpf eiffern. Wann ihr auch die schlechte Schalen zerbrechet / so müssen die herrliche Früchte hinfallen und verderben. Derowegen liebet den Schatten / wegen des Körpers / und das Gefäß / wegen des Schatzes. Entschuldiget meine Unwissenheit / mit dem Mangel / auch der aller geringsten Unterweisung. Vergebet meiner Künheit / in Betrachtung des guten Vorsatzes / und gönnet diesem unwürdigen Büchlein /die unterste Stelle bey euren gelehrten Schriften / auch die kürzeste von euren müssigen Stunden: damit ich Ursach habe / eure Höflichkeit zu rühmen / eurer Gütigkeit zu danken / und unter dem Schatten eurer Leutseligkeit und Gedult / ferner kentlich zu machen / Die Schäferin Dorilis . [Glück- und Ehren-Zeilen] Floridans Antwort an die Edle Dorilis [von Sigmund von Birken] Floridans Antwort An die Edle Dorilis / Bey Ubersendung Des Lorbeerkränzchens und Blumgenosschaft-Bandes. A. 1668. Wem solte nicht die Poesy belieben / jetzund da sie von Händen wird getrieben / die zart und weiß wett-schönen mit dem Schnee? Wann ich zurück in alte Zeiten geh: Uns war genug / wann unser Reimen-wesen von Hirtinnen / von Nymfen / ward gelesen; der liebste Dank / vor alles / was man schrieb / war / wann ein Vers war schönen Augen lieb. Was wird man dann / die wir vorhin gern küssen / der schönen Hand für Ehre anthun müssen / die selber schreibt / was uns entzücken kan? kein Wunder ist / wir beten sie gar an. Zehlt unsre Zeit nicht manche Prinzessinnen / viel Nymfen auch und kluge Schäferinnen / Solt der Parnaß iezt nicht in Teutschland seyn? die Musen ja sich häufig finden ein. Wir dörfen nicht erdichten Berg' und Brunnen: vom Noris-Fels ein Claros komt gerunnen. Nicht Pegasus / Pegnesus giest ihn aus: sein Rand ist ja der Pierinnen Haus. Ihr / Dorilis! seit dieser Schönen eine / die Dorus nun bald nennen wird die Seine / der wehrte Hirt. Ihr Preis von unsrer Zeit! ich hab nicht Farb zu mahlen meine Freud / ob eurer Zier. Ich denk zurück an Jahre / (es ist sehr lang) als ich üm euch oft ware. Ich / noch ein Knab / sah euch ein schönes Kind. Im Denken wir auch noch die Nachbarn sind am Tische dort: da euer süßes Lachen uns alle Kost zu Zucker konte machen. Ihr glaubet recht: noch ehr' ich diese Stund / den dazumal-gemachten Freundschaft-Bund. Ich werd ihn auch / und Euch / ô Wertste! ehren in reiner Treu / so lang der Geist wird währen / der mich beseelt. Und wer euch ehret nicht / den hat gewiß der Titan zugericht aus schlechtem Schlamm. Ist dan nicht euer Herze / der Tugend Haus? tragt ihr / der Weisheit Kerze / nicht im Verstand? ist Schönheit nicht der Wirt / der seinen Gast / die schöne Seele / ziert? Fürtrefflichs Kind! Ihr schreibet solche Sachen / die schwerlich euch wird eine Hand nach-machen / die männlich ist. Euch redet lang nit gleich manch stolzer Mops / der an Einbildung reich / doch arm an Geist / sich bey sich selber nennet den Föbus selbst: den man doch anderst kennet / daß er sonst nichts / als Marsyas nur / sey; ihm legt kein Lob / als nur ein Midas / bey. Der muß mir je ohn Seel ein Körper heisen / der ein Gedicht / das ohne Geist / darf preisen. Nur / jedem Ding / die Seel das Leben gibt. So ist dann todt / wer todte Sachen liebt. Ihr / was ihr schreibt / ja! das hat Geist und Leben. Nemt / Dorilis nemt hin! ich muß Euch geben das Ehren-Laub / das vor uralter Zeit hat die bekrönt / die im Olymper-Streit den Sieg erlangt; das diesen krönen muste / der künstlich schrieb / und obzusiegen wuste im Dichter-Kampf. Auf euch fällt jezt die Wahl: Komt / tretet mir in der Gekrönten Zahl / seyt unsre Kron. Mit euch die Pegnitz pranget / an der ihr nun so lang so trefflich sanget. Komt dann zu uns in ihrer Hirten Schaar: die denken euch zu ehren immerdar / worzu sie sich mit diesem Band verbinden. Reicht her die Hand / die schönste / so zu finden: lasst diesen Schnee dem euren wohnen bey / und eine Seide bey der andern sey. Diß weisse Band / der Treu-Genosschaft Zeichen / soll euch ein Bild von einer Seele reichen / die euch hält wehrt / und liebt den / der euch liebt. Seht hier die Blum / die euch der Orden gibt. Vergiß mein nicht! will er dadurch euch sagen. Ihr werdet fort in dem Gedächtnis tragen des Ordens Zweck: Gott / Sprach und Poesy / zu heben hoch / durch eure schöne Müh. Die bässre Welt wird Euer nicht vergessen / wann euch schon wird das kalte Marmor pressen. Der Himmel auch vergeß nicht meiner Bitt: mit schönem Glück euch / Schöne / überschütt! Ehren-Zuruff der Blum-genossen [von Regina Magdalena Limburger] Ehren-Zuruff der Blum-genossen. Tulpe / Sonn des Erden-Himmels / Fürstin in dem Garten-Flur / schönes Sinnbild der Natur / Herzogin des Blum-Gewimmels / Ach! wie manches Wetter-Ubel Nässe / Kälte / Windes-Sturm / Bisse von dem Regen-Wurm / fühlet deine theure Zwiebel: eh sie in dem lauen Lenzen breitet aus das Pfauen-Rad / und mit bunt-gestriemtem Blat zeiget ein gestirntes Glänzen. So ein Tulpe ist die Liebe. Da sie noch verborgen war / bey Dir / Tugend-edles Paar / must sie fühlen manches Trübe. Ihre Wurzel ware bitter / angenagt vom Neides Wurm / hart bestürmt vom Unglück-Sturm und dem Threnen-Ungewitter. Jetzund hat die Himmel-Sonne sie mit Freuden angelacht / und zur Blüte reif gemacht: daß sie weiset lauter Wonne. Nunmehr steht sie ausgebreitet mit dem Kunst-gezierten Blat. Auf sie werde deine Gnad / Himmel / ferner fortgeleitet! Wie herzlich wünschet Magdalis. [von Johann Friedrich Maier] [von Johann Friedrich Maier] Was reisst sich / vor die Sonn in offnen Truck zu tretten! Komts von der Dorilis / der theuren / zarter Hand! Die nicht allein / wie wir / den Musen lebt bekandt: Verwandt-seyn / nützet mehr / mit Diamanten-Ketten der holden Gratien. Sie thun daran auch recht: Die Venus liebet mehr / wie billig / ihr Geschlecht. Palämon. [von Martin Kempe] [von Martin Kempe] Dorus heißt ja wol-begabt / weil Ihn lobet / liebt und labt Dorilis mit ihren Gaben / welche Geist und Feuer haben. Nicht nur Er gibt Kunst-Gethöne; Sie singt auch / die Tausendschöne. Also flammen recht zusammen Beeder Leib- und Geistes-Flammen! Lieb- und Sinnen-bruten heckt Sie / von Musen angesteckt. Als / nach langem Wunsch-Verlangen / Föbus Dafnen hatt' umfangen / fühlt' er eine kalte Rinde über seinem stummen Kinde. Besser seh ich hier erwarmen Dorilis in Dorus Armen. Sie feyrt nicht umsonst-gekrönt; in die wett mit Ihme thönt: kan zugleich das Wech sel-küssen mit dem Lieder-klang versüßen. Dorus! sagt / ob wir nicht können Recht Macarie sie nennen? Weil sie Euch so frölich-ehlich machet auf der Erd schon seelig. Dieses schriebe die Ehr-schuldige Feder Damons. [von Johann Leonhard Stöberlein] [von Johann Leonhard Stöberlein] Bringt güldne Aepfel her! es muß auch einen haben Die Edle Dorilis / die güldne Worte schreibt. Wann Dorus Paris wär / würd er damit begaben die Schöne / die so klug / die ihm auch ist beweibt: Drum Er beysammen findt in Ihr die drey Göttinnen. Die Parcen müssen Ihr ein güldnes Leben spinnen. Polyanthus. [von Jakob Hieronymus Lochner] [von Jakob Hieronymus Lochner] Er urthelt falsch / wann der Vernünftling schwermet / daß die Natur in eines Weibs Geburt vom rechten Lauf der Ordnung abgespurt. Das artet wohl / was also wohl geförmet? Nicht nur der Leib; es schönet auch der Geist. Die Trefflichkeit von Dorilis hier gleist. Amyntas. [von Andreas Ingolstetter] [von Andreas Ingolstetter] Verkriechet euch / ihr Reimer / ihr Verschlaffne! Ihr werdet nun zum zweitenmahl bekriegt. Macarie hat einmal obgesiegt: Jezt kommet Sie / daß Sie euch gantz entwaffne. So krieget auch die Sieg-gewohnte Dafne / um welche sich noch jezt Apollo schmiegt; so Magdalis / die an die Sterne fliegt; so Silvia / die schön von Gott geschaffne. Bleibt ihnen dann der Kunst-Dank und Gewin: so leg auch ich die kalte Feder hin. Wo Claros tränkt / wer schöpft aus Arethusen? Hat / Dorilis! der Himmel dich erwehlt: was wunder ists? weil deine Brust beseelt / was unsre Lust / vier Gratien / zehn Musen. Der in Macarien abgebildeten Dorilis zu ehren schriebe es Poliander. [von Michael Kongehl] [von Michael Kongehl] So thut hier Dorilis / was dort Mornille thut an meinem Pregel-Strand: sie sind Kunst-Dichterinnen. Das Laub ist hier zu schlecht: Man schmelze in der Glut von Fein-Gold einen Kranz / für diese Parnassinnen. Zu Dienst-Ehr-Andenken thäte es hinzu Prutenio. Erstes Buch 1. Absatz Erster Absatz Polyphilus kehret von Soletten wieder nach Sophoxenien / besinget die Treue seiner Macarie. Talypsidamus lässt ihn zu einem Gastmal nach Soletten ersuchen: Das ihm von Atychintida widerrahten wird. Sein Schreiben deßwegen an Macarien / und seine Klage. Der Macarie Gedancken hierüber. Es hatte das Gold-gläntzende Wolken-Liecht / mit seinen durchdringenden Stralen / nunmehr seine Pfeil-geschwinde Reise wieder zu rück genommen / und dem Hitz-ermattenden Sommer das Ende / dem Frucht-bringenden Herbst aber den Anfang gesesetzet. Des Ackermanns Hoffnung schiene mehrentheils erfüllet zu seyn. Den Feldern war ihr gelbes Haar abgeschnitten / und die belasteten Bäume reichten ihre reiffe Früchte / allen vorbeygehenden / zu brechen dar: Als der verliebte Polyphilus / aus der Insel Soletten / in welche ihn der Zorn gejaget / von der Sanfftmut bekleidet / wieder nach Sophoxenien kam. Er ward von Melopharmis / auch von Agapisto / die auf seine fröliche Wiederkunfft mit brünstigem Verlangen gewartet / freundlichst empfangen: Welche ihn /(nachdem er die Nutzbarkeit seiner Reise / zu deren ihn ein falsches Geschwätze verleitet / erzehlet / seiner Macarien Beständigkeit gerühmet / und dem Agapisto vor seinen wohlgemeinten Raht gedanket /) in höchster Stille / in sein gewönliches Zimmer begleiteten / und allda auszuruhen ermahneten. In einer Löwenhaut war er daselbst ausgezogen /und in einem Lammsfell kehrte er wieder dahin. Feindseeligkeit hatte er gesuchet / aber Liebe gefunden. Welcher angenehmer Wechsel ihm dann dermassen vergnügte / daß er sich selbst vor den Seeligsten unter der Sonnen / und seinen Sieg für unvergleichlich schätzen dürffte. Ach / beglückter Polyphilus! (sagte er wider sich selbst /) welche Zunge wird die Hoheit deines Glücks ausreden / oder die Herrlichkeit deines Siegs genüglich erzehlen können? Alle Gefahr ist nunmehr überwunden / Eusephilistus verjaget / Macarie gewonnen und deiner vielfältigen Kriege erwünschte Beute worden. Es muß der prächtigste Uberwinder deinem Siege weichen / hätte er auch die vesteste Schlösser und gewaltigste Städte erobert /und könte tausend Gefangene im Triumfe führen: Weil doch seine Beute vergänglich / sein Glück wandelbar / und daher nimmermehr mit der unsterblichen Weißheit / weniger der immergrünenden Tugend / auf gleicher Wage stehen kan. Aber / sieghaffter Polyphilus! wie viel Bestreitungen hat deine Liebe überwunden / biß sie den verlangten Preis erlanget? Wie manche tunkle Wolcken hat dein Verlangen benebelt / ehe sich das fröliche Angesicht der Sonnen wieder gezeiget? Und was vor stürmende Winde haben deine Begierden verfolget / ehe sie den erwünschten Port erreichet? In Warheit / die Unbeständigkeit des wankenden Glückes / pfleget sich am allerkräfftigsten in der Liebe zu zeigen / und die Verliebten / wie einen Ballen / bald auf / bald nieder zu werffen. Welcher Liebhaber kan sich rühmen /daß er allezeit ergötzet / und niemals betrübet worden? Solte ich die Zufälle meiner Liebe erzehlen /müste ich gewißlich bekennen / daß sie mir mehr Wermut als Hönig zu kosten gegeben. Aber euere Freundlichkeit / allerschönste Macarie! ist kräfftig gnug / auch die vergallteste Bitterkeit zu versüssen /und das angenehme Küssen eures holdseeligsten Mundes / ist würdig / deßwegen die peinlichsten Schmertzen zu dulten. Ach allergetreuste Macarie! eure Beständigkeit ist weit grösser / als ich habe glauben oder hoffen können. Wie ungerecht habe ich doch eure Tugend in Zweiffel gezogen! wie unbillich habe ich euch wegen Wanckelmut angeklaget! welche Straffe wird meine Vermessenheit aussöhnen? Ach vergebet / allersanfftmütigste Macarie! nach eurer angebornen Güte / die Lästerung / welche der ergrimte Eyfer / aus meinem unbedachtsamen Munde gestossen. Ich werde mich künfftig mit allen Kräfften bemühen / euere Tugenden zu rühmen / und euere Beständigkeit zu erheben. Mit diesen Worten ergriffe er die Feder / und setzte / seiner Macarie zu Ehren / folgendes Lied. 1. Nun ich deine Gunst erlanget / Nun mich liebt d ein treuer Sinn / Und ich gantz versichert bin / Daß kein Fremder mit dir pranget: Will ich deine Tugend preisen / O Macarie / mein Liecht! Und durch dieses Lob-Gedicht / Ohne Heuchel-Gunst / erweisen / Daß an unverfälschter Treu Nirgend deines gleichen sey. 2. Neulich zwar hat mich betrogen Ein erdichtes Land-Geschrey / Das dir Falschheit legte bey: Biß ich selbst zu dir gezogen / Und im Gegentheil befunden / Wie du gantz getreulich liebst / Und dich mir zu eigen giebst; Da du willig dich verbunden / Daß kein ander / ausser mir / Soll erlangen deine Zier / 3. Du belobte Zier der Frauen! Welcher einmal dich erkennt / Wird Kunst / Tugend und Verstand / Als im Spiegel / in dir schauen. Bleibe stets in den Gedanken / Daß allein Beständigkeit Sey der Tugend Ehren-Kleid. Rechte Liebe kan nicht wanken. Diß soll meine Hoffnung seyn / Daß du ewig bleibest mein. Nachdem das Gedicht verfertigt / wolte er solches /neben einem Gruß-Brieffein / an seine Macarie senden. Weil aber der Uberbringer noch mangelte / muste er es / biß auf bequeme Gelegenheit / beyseits legen. Also nahme er ihm indessen vor / den Anfang und Fortgang seiner Liebe / auch deren Glück- und Unglücks-Fälle / einem besonderen Buch einzuverleiben / damit er also die. Zeit mit seiner Macarien Gedächtnus zubringen / und ihre Abwesenheit desto gedultiger ertragen möchte. Als er nun etliche Tage / in solcher verliebten Arbeit zugebracht / und noch in dieser beliebten Bemühung begriffen war / kam des Talypsidamus Diener /und berichtete ihn / neben einem schönen Gruß von Macarien / wie sein Herr gesonnen sey / seiner jährlichen Gewonheit nach / künfftigen Morgen ein Gast-Mahl anzustellen / und die Vornehmsten der Insul Soletten darzu einzuladen: liesse demnach den Polyphilus dienstlich bitten / seiner geringen Wohnung / (zuvorderst aber dieser geehrten Gesellschafft) seine Gegenwart zu gönnen; er hoffe / durch diese Gelegenheit / allem heimlichen Haß ein Ende zu machen / und ihn mit den Solettischen Inwohnern völlig auszusöhnen. Ob nun Polyphilus / auf diese Botschaft / in zweiffelhaffte Gedancken gerahten / stehet leicht zu vermuten. Aussenzubleiben war beschwerlich / wegen der Liebe zu Macarien / die er durch seine Ankunfft zu ergötzen verhoffte. Zu kommen aber war gefährlich / nicht nur wegen Feindschafft der Inwohner /sondern auch wegen des Eusephilisti Gegenwart / die ihn leicht in neue Ungelegenheit stürtzen könte. Doch hätte das Verlangen nach Macarien alle Furcht der Gefahr überwunden / wann nicht der Befehl der Atychintida / solche Reise verhintert. Dann als Polyphilus den Diener zu speisen befohlen / verfügte er sich zu der Königin / erzehlte derselben des Talypsidamus ansinnen / und bate höflich /ihme zu erlauben / daß er dieser Frölichkeit beywohnen möchte. Die Königin / welche eine heimliche Liebe zu Polyphilo / und einen stillen Eiffer gegen Macarien truge / wolte dieses Vornehmen mit List hintertreiben / und antwortete gar freundlich: Mein Polyphilus! Ich zwar will diese Reise nicht verbieten /würde es auch mit keinem recht thun können / sondern viel lieber euere Freude befördern. Allein / ich bitte / erinnert euch doch / in was Gefahr ihr euch ohne noht begebet. Der Solettischen Inwohner Grimm ist euch mehr als bekant; und wie wenig eine rechtmässige Entschuldigung bey ihnen gelte / hättet ihr mit Verlust eures Lebens empfunden / wo nicht die Güte des Himmels einen wunderbaren Weg zur Errettung gefunden hätte. Talypsidamus zwar meinet es /wie ich hoffe / aufrichtig / und ist in diesem Beginnen zu loben. Aber wie offt zerschlägt das mächtige Glück auch die allerklügste Erfindungen? Wie leichtlich kan dieser wolgemeinte Raht mißlingen / und in eine grausame Blutstürtzung oder langwütige Gefängnis ausschlagen. Benehmet mich demnach dieser Furcht / kluger Polyphilus! Und last andere diese Mahlzeit geniessen. Habt ihr an meiner geringen Tafel / nicht so herrliche Speisen / so habt ihr doch geneigte Gemüter / und freundliche Augen / welches die besten Gerichte sind. Lasset mich dißmahl keine Fehl-Bitte thun: ich will eure Einwilligung / mit anderer Kurtzweil / nach eurem Belieben überflüssig belohnen. Was solte hier Polyphilus machen? Einzuwilligen war ihm fast unmüglich / wegen der hitzigen Begierde / seine Macarie zu sehen. Sich halsstarrig zu widersetzen / war nicht rathsam: weil er in der Königin Schutz und Gewalt war. Also erwehlte er das sicherste / und legte einen heuchlerischen Danck bey der Königin ab / vor ihre gnädige Vorsorge / mit Versprechen / daß er ihre Bitte vor einen Befehl ehren /und ihre Gnade viel höher / als alle Ergötzlichkeit schätzen wolte. Damit begab er sich / voll innerliches Grams / nach seinem Zimmer / und als er den Diener noch essend fand / schriebe er folgenden Brief an die Macarie. Allerliebstes Kind! Ich lebete zwar der festen Hoffnung / es werde die Gewogenheit des Gunst-färtigen Glücks mir / durch bevorstehende Gasterey / Gelegenheit erwerben / entweder mein lieb-brünstiges Verlangen / durch dero gegenwertige Begrüssung zu befriedigen / oder sonsten die Bitterkeit der vielleicht nicht so gar unnötigen Furcht / so bey mir eingeschlichen ist / durch die selbste Erkundig ng zu versüssen: da vielleicht aus bewuster Person reden / und gegenwärtiger Bezeigung / ihr Gemüte unschwer zu erkennen gewesen. Ich muß aber leider! erfahren / daß die Widerwertigkeit der feindseeligen Bestreitungen / unter denen der Gifft-gefüllte Neid die erste stelle besitzet /vor dißmahl die tief-geschlagene wunden meiner Betrübnus / mehr mit Furcht erweitern / als mit Trost verbinden wollen. Dann / allerliebstes Kind! die Boßheit deren / die mir anjetzo noch zu gebieten hat / hält mich von meinem Vornehmen ab: sonderlich / weil sie mehr mit ungefärbter Demut und freundlicher Bitte / als mit Befehl und hochmütiger Widerstrebung / mich hintert: welcher mit Frevel zu widerstehen / nicht so wol den Ruhm meiner Freyheit / als das Laster des Ungehorsams verdienen würde. Mit was schmertzen ich aber dieser falschen Bitte gehorche /kan sie selbst leicht ermessen / mein Kind! weil allein sie zu befehlen / oder da ihre Höflichkeit diß Wort verwirfft / zu bitten hat. So befehle sie demnach /liebstes Hertz! auf daß ich wisse zu gehorchen. Will sie / daß ich kommen soll: achte ich um ihrent willen /der gantzen Welt Feindschafft nicht. Will sie aber /daß ich / durch mein Aussenbleiben / die Gunst derer / so ich noch eine kleine Zeit gern erhalten wolte / nicht verderbe / will ich auch ihren Befehl / ob er schon wider mich selbst gehet / schuldig erfüllen. Ach aber! wie wird indessen / da ich abwesend / und meine Liebste dem Eusephilisto gegenwärtig / und vielleicht in dem Schoß und Armen / wissen muß /Furcht und Eyffer mein Hertz durchschneiden? wird auch ein Augenblick vergehen / daß ich nicht dencken werde: Jetzt ist sie verführet / und von jenem gewonnen. Ach Himmel! schrecke mich nicht mit einer solchen Botschafft / wilt du anderst / daß meine arme Seele länger in ihrem Hause wohnen soll. Laß mich lieber sterben vor dieser Noht / als in derselben; lieber in der Liebe / als ohne Liebe: damit ich nicht über Untreu klagen / und Rach begehren müsse. Doch /was sage ich? Weiß ich doch / liebes Kind! daß sie den nicht achten wird / der mich verjagen will; noch lieben kan / der mich hasset und verfolget. Beyliegendes Gedicht / zu samt dem Buch / darinn ich meine Liebe beschrieben / wird zeugen / wie hoch ich ihre Treue schätze / ihre Gedächtnus ehre / und ihre Beständigkeit bewundere. Ach Schatz! sie lasse solche auch in dieser Versuchung sehen / so wird mein Hertz ein Lustgarten erwünschter Freuden mit recht können genennet werden. Ihre Tugend und Aufrichtigkeit heisset mich indessen also glauben / und glaube ich auch gern / weil mir ihr Hertz bekannt ist / daß / wie es keinen ausser mir erwehlet / also auch sie keinem ihre schöne Reden / ohne was Bescheidenheit erheischet / noch die zarte Hände / als auch den beliebten Mund / vergönnen wird / als ihrem biß in den Tod treu-verbundenen Polyphilus . Als dieser Brief versiegelt / übergab er solchen / samt dem obgedachten Gedicht und seiner Liebes-Beschreibung / des Talypsidamus Diener / mit Bitte /selbige Macarien zu überbringen / seinen Herrn aber zu berichten / daß er ihme / neben dienstlicher Begrüssung / vor seine Einladung schuldig dancke / mit freundlicher Bitte / sein Aussenbleiben / welches die Ankunfft etlicher fremden Gäste bey der Königin verursachte / nicht vor einen Ungehorsam zu deuten: er wolle mit nächsten andere Gelegenheit suchen / seine Aufwartung abzulegen / und sich mündlich weitläufftiger bey ihm zu entschuldigen. Der Diener nahme hiemit seinen Abschied / und eilete nach Soletten. Polyphilus aber / gieng verwirret in seinem Zimmer auf und ab / sein Verhängnus beklagende / das ihme einen Weg zu Macarien gezeiget / und doch selbigen nicht betretten liesse. Ist es auch recht / (sagte er) daß du der Königin gehorchest / und deiner Liebe widerstrebest? Törichter Polyphilus! wem bistu höher verbunden? soll Atychintiden Hochmut mehr gelten / als deiner Macarie Freundlichkeit? Pfuy der Schande! Wie / wann sie durch dein Aussenbleiben erzürnet /den Eusephilistus an deiner statt wehlete? Würde sie dir auch unrecht thun? Und wie könt er gelegener als anjetzo ernden / was ich mit so grosser Mühe gesäet /und der Gunst geniessen / welche mir das neidische Glück versaget? O du verfluchtes Weib! muß dann dein unbesonnener Eiffer eine Ursach meines Verderbens werden? Eben aber / als er noch so klagte /wurde er durch Serveten zu der Königin beruffen; die seinen Widerwillen bald merkend / ihn mit einer lustigen Gesellschafft hinwieder zu befriedigen / und den Verhinterungs-Verdruß abzukürtzen suchte. Wir wollen ihn daselbst so lang lassen / biß wir sehen / was Macarie vor Antwort sendet. Diese kriegte / nach des Polyphilus Abschied / mit mancherley Gedanken. Bald gereuete ihr das geschwinde Versprechen / welches sie dem Polyphilo gethan / und bedachte / was vor Ungelegenheit daraus kommen könte. Bald schreckte sie des Eusephilistus Liebe / die sie je mehr und mehr wachsen sahe. Sonderlich aber erweckte ihr des Talypsidamus Gasterey neue Sorge / in dem sie befürchten muste / es möchte Polyphilus / von dem sie kein Aussenbleiben vermutete / mit Eusephilisto / der sich ihrer Aufwartung ungescheut annehmen würde / zu streiten kommen / und also den Gästen ein blutiges Schau-Essen auftragen. Wie sie dann deßwegen ihr vornahm / dieser Malzeit nicht beyzuwohnen / und ihr Abseyn mit einer angemasten Unpäßlichkeit zu entschuldigen. Als sie noch in solchen Gedanken begriffen war /kame des Talypsidamus Diener / und brachte des Polyphilus Brief / mit dem Gedicht und geschriebenen Buch. Macarie / so bald sie den Botten ersehen / fragte behend: wie gehts dem Polyphilo: wird er zur Malzeit kommen oder nicht? Er ist es zwar (antwortete der Diener) willens gewest / geehrte Macarie! allein /die Ankunfft etlicher fremden Gäste zu Sophoxenien /hat seinen Vorsatz unterbrochen / daß er sich also mit ihrer Bedienung entschuldigen muß. Macarie / die bald merkte / daß dieses eine fremde Ausrede / erschrack / und wuste nicht / was sie mutmassen solte. Sie gabe dem Diener eine Verehrung / und bate / seinen Herrn ihrentwegen aufs schönste zu grüssen. Aber nach dessen Abschied erbrache sie den Brief /in Hoffnung / gewissere Nachricht zu erhalten / wie auch geschahe. Dann / als sie sahe / daß Atychintida diese Reise verhintert / und leicht errahten kunte / daß Eifer und Liebe die Ursach war / sagte sie mit lachendem Munde: So muß uns dann / liebster Polyphilus! einerley Unglück quälen / und unsere Liebe immer eine fremde Liebe hintern? O törichtes Beginnen / von so einer klugen Königin! Weiß sie dann nicht / daß die Liebe eine Tochter des freyen Willens ist? Gezwungene Liebe ist keine Liebe / sondern äusserliche Falschheit / und innerliche Feindschafft. So ist auch /die verliebten hintern / eine vergebliche Arbeit: und kan der listige Cupido / mit seinen verbundenen Augen mehr Gelegenheit ersehen / als zehen andere /mit offnem Gesicht verbieten können. Aber bleibet nur / Polyphilus! bey eurer Königin / und überlasset mir den Eusephilistus / welcher gleichwol noch liebwürdiger ist / als Atychintida. Und das ist vielleicht die Ursach / daß euer Brieflein mit so vieler Bitte und Erinnerung angefüllet ist. Ach nein! Polyphilus! Die Furcht ist bey euch viel grösser / als die Gefahr. Ich begehre dieser Frölichkeit / ohne euch / nicht zu geniessen. Etwan hat der Himmel selbst diese Verhinterung befördert / dadurch grosses Unglück zu verhüten. Ich will der Königin eure Gegenwart gern gönnen / weil ich doch weiß / daß mit genötigten Hunden übel jagen ist / und indessen meine Gedanken in eure Schrifften führen. Hiemit überlase sie das überschickte Gedicht / welches sie trefflich vergnügte / weil er darinn ihre Beständigkeit so hoch hebte: als die nie geglaubet hatte /daß diese Tugend bey ihrem Ziebhaber so fürtrefflich geachtet würde. Darum sie ihr auch vornahm / in derselben je länger je höher zu steigen / damit sie dieses Ruhms nicht wieder verlustigt würde. Als sie aber in der Liebes-Beschreibung anfienge zu lesen / und darinn der klugen Erfindungen / künstlichen Verfassungen / und sinnreichen Gespräche warnahm / sagte sie mit Verwunderung: Ach gelehrter Polyphilus! Eure Klugheit ist würdig / von jederman geliebet und gerühmet zu werden / und euer Verstand ist viel höher / als eure Jahre. Warum rühmet ihr doch meine Wissenschafft / die gegen der euren ein blosser Schatten ist / und sich glückseelig schätzen / muß / wann sie gewürdiget wird / von eurer Weisheit unterrichtet zu werden? Wie grossen Dank bin ich doch dem Himmel schuldig / dessen Vorsorge mir einen solchen Liebsten ersehen / um den Geschicklichkeit und Höflichkeit streitet / welche unter ihnen ihm die nächste sey. Und ob gleich / geschickter Polyphile! meine Feder nicht tüchtig / eure Klugheit nach Würden zu erheben / so soll sie doch / nach ihrem geringen Vermögen / nicht unterlassen / euch durch ein kleines Antworts-Brieflein bloß den schuldigen Dank / vor mir-ertheilten Ruhm / zu erweisen / hinwider aber euch viel schuldiger zu rühmen. Und dieses Vorhabens setzte sie ihre Feder an. Als sich nun eine unverhoffte Gelegenheit nach Sophoxenien zeigte / liesse sie ein Brieflein an den Polyphilus abgehen. 2. Absatz Zweyter Absatz Polyphilus führet seine Klage / im Wald / und unterredet sich mit dem Gegenschall / empfähet Macarien Antwort-Schreiben / und lässt darüber Freud-Worte schiessen. Sein Streit-Gespräche mit der Atychintida / von Macarie / und Schutz-Rede ihres Lobes. Seine Abreis-Entschliessung. Polyphilus hatte / seine Einsamkeit zu kürtzen / und der noch übrigen Herbst-Lust zu geniessen / einen Spatzirgang erwchlet / und als er in demselben sahe /wie der neue Blumenstürmer den Feldern ihr grünes Kleid auszuziehen / und den Bäumen nicht allein ihre Früchte / sondern auch ihre Blätter abzuschütteln begunte: erinnerte er sich alsobald / wie er mit ihnen in gleichem Unglück lebte / weil er seiner Macarien /wie diese ihrer Zier / beraubet seyn muste. Ach! sagte er / schönste Macarie! wann wird mich das Glück so hoch würdigen / Eurer liebsten Gegenwart hinwieder zu geniessen? Ist es auch müglich / daß ich euer Abseyn länger mit gedultigem Hertzen ertrage? Diese entkleidete Felder / und entblöste Bäume / haben doch Hoffnung / sich / so bald der graue Winter vorbey /aufs neue auszuputzen: Aber wann habe ich Hoffnung / durch eure stäte Beywohnung gezieret zu wer den? Ihr habt zwar / mich einig zu lieben / verheissen: aber wer weiß / ob nicht meine Abwesenheit / als die ärgste Feindin der Liebe / solches Gelübde ändert? Vielleicht hat Euch / die betrogne Hoffnung meiner Besuchung / zur Ungedult verleitet / und Eure Liebe in Haß verwandelt? Ach! hätte ich jetzt ein einiges Zeugnus euerer beständigen Liebe: so wolte ich mich leichter zu frieden geben. Unter diesen Gedanken kam er an ein kleines Wäldlein / in welchem er den Gegenschall / um seine Liebe / mit diesen Worten fragte. Du beschwazte Nymfe / sage / Diß / was ich dich jetzund frage! E. Frage! Liebt / wie sie versprochen nenlich / Mich Macarie so treulich? E. Freylich / Aber / ach! was wird sie sagen / Daß ich ihre Bitt verschlagen? E. Klagen. Wird sie nur im Klagen bleiben / Und mir keinen Trost zuschreiben? E. schreiben. Schreiben? Ach! das brächte Freude. Wann erlang ich solche Beute? E. heute. Kaum hatte Polyphilus diß Wort geendiget / als er von fern einen Knaben auf sich zu eilen sahe / und bald erkennte / daß es Servetus war. Er gieng ihme entgegen / und fragte um die Ursach seiner eilenden Ankunfft. Dieser zeigete ihm den Brief von Macarien. Polyphilus / der die Hand geschwind erkante / als er den Brief ersehen / ward sehr erfreuet / und als er Serveten beurlaubet / sagte er: Du edle Nymfe / hast doch noch recht / daß ich heute von meiner Liebsten Schreiben erhalte. Wird deine übrige Weissagung /von Macarien getreuer Liebe / auch eintreffen / so bin ich dir doppelten Dank schuldig. Mit diesen Worten hertzte er den Brief / erbrach ihn begierig / und lase dieses. Macarien Antwort an den Polyphilus. Mein Kind! Wie die Kräffte eures Verstands sich in allen Stücken herrlich erweisen / also bemühen sie sich sonderlich / durch die überschickte Liebes-Beschreibung sich verwunderlich zu machen. Dann je mehr ich eure kluge Erfindungen lese / je mehr ich mich in sie verliebe: also / daß ich billich mein Unglück zu beklagen hätte / wann ich / durch euren Verlust / auch dieser verhofften Ergötzung / die ich allezeit vor das gröste Kleinod gehalten / beraubt seyn solte. Dann ob gleich die einfältige und mangelhaffte Macarie / bey weiten so hohen Ruhm nicht verdienet / als ihr eure Höflichkeit beyleget / so ist sie dennoch eine Probe gewesen /daran sich euere subtile Vernunfft dergleichen Stärcke gebrauchet / daß ihr bey solchen Jahren keine zu vergleichen stehet. Derowegen ich ihr billich den Sieg überlasse / und wie euere Seele die meine beherschet /also auch von deroselben edelsten Theil / überwunden zu seyn / vor meine gröste Ehre schätze. Indessen nehmet freundlich auf den schuldigen Dank / welchen ich eurer schönen Hand / und verliebten Feder / vor ihre vielfältige Bemühungen / überreiche / biß ich von dem gütigen Himmel / Gelegenheit erbitte / mein dankbares Gemüt durch das Werk selbsten sehen zu lassen. Belangend seine Entschuldigung / befinde ich dieselbe gantz gültig / meine Besuchung zu verhintern. Er darff auch keine Veränderung der Liebe bey mir fürchten / weil ich nicht zu dem angestellten Mahl komme. Und da ich mich gleich zu diesem erbitten ließ / würde mich doch die Tugend lehren / was die Treu / welche mich stets nach ihm sehnend machet / erfordere. Kan er also wohl ohne Sorg schlaffen / weil ich lebe und sterbe / Mein Kind! Seine gantz ergebne Macarie . Polypbilus! als er den Brief durchlesen / erstaunete fast vor Verwunderung und Freude. Freude machte ihme die Beständigkeit seiner Macarien / und das herrliche Lob / welches sie ihm ertheilet: Verwunderung aber / die Klugheit dieses Briesteins. Er satzte sich unter einen Baum / und lase ihn zum andern /zum dritten mahl. Endlich sagte er: Du zierliches Brieflein! bist ja recht ein aufrichtiger Zeuge / meiner Macarien unschätzbarer Würde / und aus deinen wenigen Tropfen / ist der Brunnen ihrer Weißheit unschwer zu ermessen. Ach kluge Macarie! niemals bin ich dem Glück höher verpflichtet worden / als an dem Tage / da ich eure schöne Augen zum ersten mahl gesehen. Ihr erhebet euren eignen Verstand / wann ihr meinen Verstand rühmet. Und ob gleich dieser eures Lobs nicht würdig / so erkenne ich doch daraus eure unuerfälschte Liebe / deren Natur ist / ihren Liebsten auch wider Verdienst zu rühmen. Ich zwar wolte deßgleichen thun / wann ich nicht fürchtete / viel eher meine Vermessenheit / als eure Trefflichkeit darzustellen. Aber schönste Macarie! warum handelt ihr so ungerecht wider euch selbsten / und nennet euch einfältig und mangelhafft? Warum mangelhafft / und nicht vielmehr vollkommen und Ruhm-verdienend? Ist nicht eure Tugend ehrens / eure Wissenschafft rühmens / euer Verstand verwunderens / und eure Schön heit liebens würdig? Aber dieses würket die edle Demut / die Kron und Zier aller Tugenden. Diese hat vorlängst deine schöne Seele so herrlich bekräntzet /ja so gar ümwunden / daß sie sich auch in der höchsten Würde nicht loß wickeln kan. Was ists dann Wunder / daß deren Befehl deinem Munde die Höflichkeit auspresset / welche allzudemütig meine Seele der deinen zur Beherscherin erwehlet. Ach du einfältige Seele! soltest du herschen / wo du schuldig bist zu gehorchen? Nein / nein Macarie! meine unwürdige Seele wird euerer Vollkommenheit willig das Scepter küssen / und sich seelig schätzen / wann sie in eurer Beywohnung nur dienen darff. Was meinet sie aber /kluge Macarie! durch das Werck selbsten / damit sie mir danken will? Vielleicht eine gleichmässige Liebes-Beschreibung? Ach Himmel! dörfft ich das wünschen und hoffen! oder die Freundlichkeit bey unserer künfftigen Zusammenkunfft? Ja / liebste Macarie! Um diese will ich mit euch den Himmel ersuchen / und indessen glauben / daß die Tugend euch lehre / was die Treue erfordere. Ich will auch / eurem Befehl nach /ohne Sorgen schlaffen. Mit diesen Worten stunde er auf / und wolte wieder nach Haus gehen: erinnerte sich doch seiner Schuld /und schnitte / dem Gegenschall zu Ehren / in die Rinde des Baums / folgendes. Felsen-Tochter! der das Lieben Hat den Leib so aufgetrieben / Daß ein blosser Schall verblieben! Dieses wird zu deinen Ehren Stehen / weil der Baum besteht. Jeder / der vorüber geht / Soll von deiner Treue hören: Weil du mir in dieser Stund Unverhofft gemachet kund / Meiner Liebsten Hertzengrund. Als diß verfertigt / eilete Polyphilus nach seiner Wohnung; und weil es eben Zeit zu speisen war / verfügte er sich zur Tafel. Die Königin / deren der Solettische Bot das Hertz drückte / finge unter anderm Gespräche sehr behutsam an zu fragen: Was dessen Anbringen gewesen / und wie es zu Soletten stehe? Polyphilus /der sich hier nicht bergen durffte / sagte: man hätte ihm Briefe von Talypsidamus gebracht. Der wird vielleicht (begegnete ihm Atychintida) übel zu sprechen seyn / wegen eures neulichen Aussenbleibens? Mir ist leid / daß ich durch meine etwan untüchtige Vorsorge / euch solcher angenehmen Gesellschafft beraubet /in dem ihr zugleich von der Begrüssung eurer schönen und geliebten Macarie abgehalten worden. Was ich / (versetzte Polyphilus) an Macarien liebe / ist Tugend; und was ich an ihr rühme / ist Weißheit: haben also E.M. ihren Befehl nicht zu entschuldigen / weil ich solche Gaben auch ohne ihre Gegenwart / ehren und verwundern kan. Aber dennoch / (widerredete die Königin /) wird in ihrer Abwesenheit das Verlangen /und in ihrer Gegenwart der Ruhm grösser: sonderlich beym Polyphilo / dessen verliebtes Urtheil sie bald gar aus der Zahl der Sterblichen schliessen dürffte /wo nicht ihre menschliche Eigenschafften solches Urtheil der Parteilichkeit anklagten. Polyphilus hatte kaum das ende dieser Rede erwartet / als er voller Grimms der Königin fast verweißlich unterfuhre: E. M. werden ihren Diener nicht der Parteiligkeit beschuldigen können / wann ich Macarien über die gemeine Menschen erhebe; weil ich darinn nicht so wohl ein verliebtes / als gerechtes Urtheil sehen lasse / das einem jeden seine verdiente Ehre nicht abspricht. Der Macarie Person habe ich niemahl der Sterblichkeit entzogen: ihre Wissenschafft aber ist in Warheit ungemein / und ihre Tugend gautz himmlisch. Oder ist an ihrem Verstande nichts besonders / warum finden wir ihn dann nicht bey allen? Und ist ihre Tugend menschlich / wie daß wir sie dann nicht bey mehrern Menschen antreffen? Was sind die Götter / welche die Menschen verehret haben / und theils noch verehren / anders gewesen /als Menschen / die durch ihre Tugenden sich über andere Menschen erhaben. In warheit / welcher bey Macarien Kunst und Tugend / als Göttlich / in einem sterblichen Leibe verehret / kan weder der Ungerechtigkeit / noch der Thorheit beschuldiget werden. Die Königin / deren auch der Name Macarie verdrießlich war / gab mit zimlich erhitzten Gebärden diese kurtze Antwort: Ihr bemühet euch umsonst / Polyphile! mich glauben zu machen / daß es recht sey / einem sterblichen Menschen Göttliche Ehre zu erweisen. Und da Macarie so ein vollkommenes Tugend-Bild ist / wie ihr rühmet / würde sie gewiß solche unbillige Ehre nicht annehmen. Als Polyphilus dieses wieder beantworten wolte /fiel ihm Cosmarites in die Rede / mit dieser Entscheidung: Durchleuchtigste Königin! die Meynung Polyphili gehet / so viel ich vernehme / gantz nicht dahin /der schönen Macarie Göttliche Ehre zu erweisen /vielweniger solches / als rechtmässig zu behaupten /sondern er bemühet sich allein / selbige / als etwas sonderliches unter den Sterblichen / vorzustellen. Welches Beginnen / sofern nicht zu tadeln / als lang es in den schranken der Vorsichtigkeit bleibet / und nicht in eine sträffliche Beleidigung der Gottheit ausschlägt / wie E. M. vernünfftig erinnert. Dann daß Weißheit und Tugend Göttlich / ist gantz gewiß; daß auch solche die Menschen der Göttlichen Eigenschafften ähnlich machen / ist nicht zu zweiffeln. Daraus aber folget keineswegs / daß wir die Menschen / um solcher Gaben willen / als Götter verehren sollen: weil sie doch Menschen bleiben / und diese Güter /als ein blosses Geschenk / von der Gottheit geniessen / und also vielmehr der Geber / dann der Besitzer hierin zu verehren. Macarie auch / in welcher / aller Zeugnus nach / so viel herrliche Tugenden leuchten /würde solche sündliche Verehrung nimmermehr gut heissen / weil dadurch das Band aller Tugenden / die edle Demut verletzet / und sie einer greulichen Ungerechtigkeit würde schuldig erkennet werden. Dennoch / weil zwar alle Menschen sich der Weißheit und Tugend befleissen / und also dem Göttlichen Ebenbild gleich werden / oder zum wenigsten nachstreben solten / selbige aber / leider! so selten anzutreffen: als ist es billich / daß solche Gaben / wann sie gefunden /desto mehr verehret werden. Und so lang Polyphilus die Macarie einen Menschen bleiben lässt / ihre Gaben aber / doch ohne Anbetung / als Göttlich bewundert: sehe ich nicht / wie er der Ungerechtigkeit zu beschuldigen sey. Ich bin (sagte die Königin / die sich indessen ein wenig erholet) niemals willens gewesen / dieses zu bestreiten / sondern ich ergötzte mich in solchem Gespräche allein an des Polyphili Eysser / den er in Beehrung seiner Macarien sehen lässet / womit er zugleich die Hefftigkeit seiner Liebe / die er doch sonsten so verborgen halten will / erweiset. Ob ich / (widersprache Polyphilus) die Macarie schelte oder rühme / so bleibet sie doch die Kunst- und Tugend-gezierte Macarie / und meine Vertheidigung ist mehr billig / als verliebt. So muß man auch / die Zeit zu kürtzen / bißweilen eine Streit-Frage auf die bahn bringen. Indessen wolle E. M. holdseligste Königin! meiner kühnen Widerredung gnädigst vergeben: Ich thue es nicht / dero Klugheit zu widersprechen / sondern meiner Unwissenheit Unterricht zu suchen / den ich auch von Cosmarites jetzt erhalten / deßwegen ihm auch schuldigen Dank zu sagen habe. Hiemit erhuben sie sich von der Tafel / und verfügten sich /nach beederseits Anwünschung eines sanfften Schlaffs / ein jedes nach seinem Gemach. Den Polyphilus aber ließ der Unmut / wegen der Königin boßhaffter Mißgunst / die sie gegen Macarie spüren lassen / wenig schlaffen. Weil Melopharmis solches mutmaßte / kam sie mit frühem morgen / neben dem Agapistus / in sein Zimmer / und fragte / nach abgelegtem Morgen-Gruß /wie er diese Nacht über geruhet? Polyphilus antwortete: Wie die jenige zu ruhen pflegen / welche Unmut und Verdruß ohne Aufhören bestreitet. Diß kunte ich wohl denken / (sagte hierauf Melopharmis) und habe ich deßwegen den Agapistus / euren liebsten Freund gebetten / euch mit mir zu besuchen / und in dieser Widerwärtigkeit zu trösten. Nicht nur zu trösten /(versetzte Polyphilus) sondern auch mir zu helffen. Ach kluge Melopharmis! und getreuster Agapistus! Ersinnet doch / bitte ich / ein vernünfftiges Mittel /mich aus diesem Gefängnus zu erlösen / und zu meiner Macarie zu bringen. Ich lebe in solcher Verwirrung / daß ich mir selbst nicht zu rahten weiß. Länger aber bey dieser ungerechten Königin zu verharren /fället mir unerträglich / weil ich doch förchten muß /daß mich einst ungefehr mein billiger Eiffer in ihre äusserste Ungnade stürtzen möchte. Ohne ist es nicht / (begegnete ihme Melopharmis /) die Gunst vornehmer Leute / vergleichet sich denen Kräutern / welche / wann man sie gelind anrühret /lieblich riechen; wann man sie aber starck reibet /häßlich zu stinken pflegen. Wie die Münzen ihres Herren Bildnus / also muß man in seinen Handlungen solcher Leute Willen führen / will man anderst nicht /wie eine ungültige Münze verschlagen werden. Und weil euch solches / wegen der Liebe zu Macarien /welche die Königin nicht unbeeiffert lassen kan / unmüglich ist / wäre freylich das sicherste / diesem Ungewitter beyzeiten auszuweichen. Aber durch was vor einen Vorwand kan solches geschehen? Ich meines theils unterwinde mich nicht / der Königin euren Abzug zu verkünden: weil ich weiß / daß sie eine ungemeine Gewogenheit gegen euch trägt / und dem jenigen keine gnädige Augen gönnen wird / der euch ihren Augen entziehet. Was rahtet ihr / Agapistus? helffet doch / wo es müglich / dißmal euren Freund erretten. Ob ich wohl weiß / (liesse sich hierauf Agapistus vernehmen) daß ihr / geehrte Melopharmis / und liebster Polyphilus! viel zu klug seyt / als daß ihr von meiner Wenigkeit Hülffe erwarten soltet: so will ich doch / (weil der Kummer gemeinlich die Augen so verblendet / daß man auch die beste Mittel nicht ersihet) eurem Befehl gehorsamen / und meine einfältige Gedanken eröffnen. Die Königin / so viel ich sehe /wird wegen ihrer verborgenen Liebe / des Polyphilus gäntzlichen Abzug nimmermehr erlauben / vielweniger gestatten / daß Macarie / als das Liecht / welches ihren Schein verdunkelt / nach Sophoxenien komme. Auch die Solettischen Inwohner / als welche sämtlich dem Eusephilisto gewogen / werden eure Vermählung mit Macarie / nach allen Kräfften hindern. Will also vonnöten seyn / eurem Verlangen und dieser Vereinigung einen verborgenen Weg zu suchen. Meines theils hielte ich vor das beste / daß ihr eine Reise in euer Vatterland Brunsile vornehmet / einen Sitz zu suchen / alda ihr mit Macarie / die ihr alsdann der Solettischen Insul heimlich entführen könnet / in Zufriedenheit zu leben hättet. Ich selbst will euch auf solcher Reise einen Gefärten abgeben. Der Königin aber kan dieses als eine Spazier-Reise / ein und andern lieben Freund zu besuchen / vorgetragen werden: welches sie vielleicht auch desto gefälliger eingehen möchte / als sie ihr die Hoffnung machen kan / ihr werdet in solchem Beginnen eurer Macarie vergessen. Melopharmis ließ ihr bald diesen Anschlag belieben / und sagte: Ich will auch Gelegenheit suchen /der Atychintida solchen zu eröffnen. Und damit sie destoweniger an eurer Widerkunfft zweifle / will ich meinen Sohn in eurer Gesellschafft lassen / der gewissen Hoffnung / ihr werdet ihn auf dieser Reise vor allem Unfall beschützen / und mit Notturfft / wie euch selbsten / versorgen. Polyphilus / welcher über diesem Vorschlag aufs neue anfieng zu leben / danckte ihnen beeden vor ihren getreuen Raht und Beystand / mit weinenden Augen / und flehentlicher Bitte / dieses Vornehmen zu befördern: mit angehengtem Versprechen / daß er nicht allein auf dieser Reise den Sohn aller Gefahr befreyen / sondern auch ihre Freundschafft lebenslang rühmen / und nach allen Kräfften belohnen wolle. Also nam Melopharmis Abschied /mit der Zusage / daß sie / so bald sie die Königin zu diesem Anbringen bequem gefunden / Polyphilum zu ihr bitten lassen wolle. Agapistus aber / erinnerte den Polyphilus / diesen Vorschlag seiner Macarie durch ein Brieflein zu eröffnen / und ihre Einwilligung zu suchen. Welchem er alsobald nachkam / und folgendes verfärtigte. Mein Kind! Wie mein Hertz einig in ihrem Schoß ruhet / und alles mein Beginnen sich ihrer Gunst vertrauet / also finde ich mich schuldig / ihr nicht allein meine Betrübnis / sondern auch die erfreuliche Hoffnung zu entdecken / welche in mir der getreue Raht Agapistens erwecket / daß ich nemlich in mein Vatterland Brunsile einen Ort / der ihrer Gegenwart würdig / und unserer Wohnung nicht ungelegen / suchen sol. Derowegen nehme sie / liebstes Hertz! die gute Hoffnung zum Trost / biß die letzte Erfüllung / welche mein unruhiges Suchen nicht verlängern / sondern nach Müglichkeit befördern wird / eine erwünschte Freude gebähre / die das vorgesetzte erlangte Ziel mit freundlichem Anlachen küsse. Ich bin entschlossen / nach wenig Tagen / mit einer vertrauten Gesellschafft /diese Reise anzutretten. Solte ich wissen / daß mein Kind durch ihre Gedanken meine Begleiterin seyn /und meinem Vornehmen durch einen treuen Wunsch beystimmen wolte / würde ich nicht nur alles viel freudiger verrichten / sondern ihr auch meine Sinne /als die Verkürzer ihrer traurigen Einsamkeit / hinwieder zu schicken: daß / weil ich augenblicklich an sie gedencke / sie keine Zeit vorbey liessen / da sie nit den Namen Polyphilus meiner allerschönsten Macarie ins Hertz mahleten. Sie erkenne aber anbey / mein Kind! wie ich nichts unterlasse / was sie in stete Glückseligkeit / und mich in ihre Gewogenheit setzen könne. Alles bin ich bereit zu thun und zu leiden / um der einigen Macarie willen. Und stärket meine Hoffnung nicht wenig / daß wir / ob gleich durch viel Widerwärtigkeit / dennoch sollen verbunden bleiben /weil gleichwol alles unser Vornehmen befördert. Will sie mich vor meiner Abreise noch mit einem Brieflein erfreuen / muß solches bey zeiten geschehen / weil ich bald aufseyn werde. Ich will auch mit der Wiederkunfft eilen / so viel unser Vornehmen es leidet: Damit meine zweiffelhaffte Hoffnung desto eher in ein vestes Vertrauen verwandelt / und ich ohne Hinternus lieben dörffe. Sie nehre indessen ihre Liebe mit der Gewißheit meiner Beständigkeit / gleich wie ich mich ergötze mit der Hoffnung ihrer Gewogenheit. Mich soll nichts reuen / wann ich nur das einige erhalte / daß ich mich nennen darff / der Kunst- und Tugend-gezierten Macarie beständigsten Polyphilus . Diesen Brief gab er dem Servetus / mit Befehl / solchen der Macarie einzuhändigen / und / wo müglich /eine schrifftliche Antwort wieder zu bringen. Dieser nahm den Befehl freudig an / eilete mit dem Brief nach Soletten / und kame mit einbrechender Nacht zur Macarie: welche über seiner spaten Ankunfft erschrocken / geschwind fragte / ob es wohl stünde? So viel mir wissend / (gab Servetus zur Antwort) ist keine Gefahr zu fürchten. Damit überreichte er des Polyphilus Brief / welchen Macarie erbrache / ablase /und über den Innhalt ihr kein geringes Nachdenken machte. Sie fragte den Diener / aus was Ursachen Polyphilus diese Reise vornehme? weil der sich aber mit der Unwissenheit entschuldigte / als muste sie mit des Polyphilus Bericht zu frieden seyn / und auf die Antwort / um welche Servetus inständig anhielte / sich bedenken. Es kam ihr zwar diese Reise in ein fremdes Land / sehr nachdenklich vor. Weil sie aber in der Insul Soletten sich mit dem Polyphilus zu vermählen /keine Hoffnung hatte / als dachte sie durch dieses Mittel aller Gefahr ein Ende zu erwarten / und ergab sich seinem Willen / durch folgendes Brieflein. Mein Polyphilus! Wie ich die Beständigkeit und Aufrichtigkeit eurer Liebe billich rühme / also bin ich hingegen verpflichtet / euch vor so vielfältige Mühe und Ungelegenheit /die ihr meiner Wenigkeit halben erdultet / schuldigen Dank zu sagen. Weil ich auch aus euren Brieflein verstanden / wie ihr / auf Einrahten und Beförderung vieler vornehmer Freunde / gesonnen seyet / eine Reise in euer Vatterland anzutretten: als habe ich Ursach /hierzu einen Glücks-Wunsch zu übersenden. Dafern ihr meiner Vorbitte einige Krafft beymesset / will ich versuchen / was dieselbe zu würken vermöge. Ich wünsche demnach hierzu alles das Gedeyen / welches ihr von der Gütigkeit des Himmels hoffen und wünschen könnet: daß / wie ihr diese Reise / nach eurer beywohnenden Vernunfft / unschädlich anfahet / also werde die Allmacht des Himmels / / einen solchen Ausgang ersehen / der eurer Klugheit rühmlich / und unserer Zufriedenheit beförderlich sey. Wofern euch auch meine Gewogenheit die Reise erleichtern kan /verspreche ich selbige zu einen getreuen Gefährten: mit der Hoffnung / daß ihr sie / wegen fremder Schönheit / nicht zurück jagen / sondern ihr eure Gesellschafft beständig gönnen werdet. Zeit / Ort und Geschäffte / in derer verstrickung ich dieses schreibe /erlauben mir dißmal nicht ein mehrers zu schreiben. Lebet indessen versichert / daß ich eure Tugend rühme / euer Gedächtnus ehre / eure Beständigkeit liebe und unverruckt verbleibe Eure / biß in den Tod ergebne Macarie . Mit diesen kehrte Servetus des andern Morgens wieder zum Polyphilus: der eben von Melopharmis zu der Königin gefordert ward / um bey ihr die Zeit mit kurtzweiligen Gesprächen zu verbringen. Melopharmis fragte endlich Polyphilum / ob ihme sein Vatterland Brunsile / oder diese Landschafft annehmlicher sey zu bewohnen? Polyphilus antwortete: Ob ich wohl / wegen der Liebe zu dem Vatterland / welche die Natur allen Menschen in den sinn gegraben / billich die Lufft ehre / welche ich am ersten geschöpffet; so erfordert doch die Schuld der Dankbarkeit / diese herrliche Wohnung / in welcher mir die Vorsehung des Himmels / zum zweyten mahl das Leben erhalten / so lang ich selbiges besitze / über alles zu erheben. Meinem Vatterland habe ich das zeitliche Leben / diesen Göttlichen Tempeln aber die Wissenschafft / Tugend / und alles das / was zum rechten Leben gehöret / zu danken. Demnach setze ich meine jetzige Art zu leben / jenem Verlangen so weit vor /als weit der Kunst- und Tugend-Wandel / dem einfältigen Schäfer-Orden vorzuziehen ist. Doch aber auch das Gesetz der natürlichen Liebe zu erfüllen / und ihrem mächtigen Befehl nicht zu widerstreben / möchte ich noch eine einige Reise in mein Vatterland wagen / von meinen Freunden völligen Abschied zu nehmen / und hernach desto emsiger und beständiger den Kunst- und Tugend-Ubungen bey diesen Künste-Tempeln obzuliegen. Da ihr solches willens seyt / (sagte Melopharmis /) warum nehmet ihr dann nicht die Reise bey gegenwärtigem bequemen Wetter vor / ehe der unfreundliche Winter den Reisenden / mit der Sonne / zugleich alle Ergetzlichkeit raubet? Die rechte Warheit zu bekennen / geehrte Melopharmis / (antwortete Polyphilus) die angenehme Gesellschafft / welcher ich hier geniesse / hat meinem Verlangen so süsse Fessel angeschlagen / daß ich mich loßzuwürken mir nicht getraue. Die Gesellschafft (versetzte Melopharmis) könnet ihr ja mitnehmen / theils im Gemüte / theils mit dem Leibe. Ich weiß / Agapistus schläget euch diesen Spazir-Ritt nicht ab. Und ich selbst will euch meinen Sohn zum Gefärten geben: damit er allmählich lerne /daß die Erde in allen Ländern / auch seines gleichen nähre. Polyphilus sahe hierauf die Königin an / und sagte: Wann E. M. Einwilligung / Durchleuchtigste Königin / mit dem Raht der Melopharmis übereinstimmte / so möchte ich leichtlich zu bereden seyn. Atychintida bedachte sich hierüber ein wenig / weil sie des Polyphilus Gegenwart nicht wohl entbären kunte. Aber verhoffend / daß er auf solcher Reise der Macarie vergessen möchte / sagte sie mit lachendem Munde: Wann ich schon diese Reise gern erlaubte /was würde eure Macarie sagen? würde sie mirs nicht übel danken? Die Macarie (antwortet Polyphilus) ist nicht mein / ob gleich ich und ein jeder / der Kunst und Tugend liebet / ihre hohe Beschaffenheiten rühmen muß. Demnach kan mich kein Verbot / ausser E. M. an diesem Vorhaben hintern. Nun wohl dann! (sagte die Königin) weil Melopharmis selbst diese Reise befördert / und euch ihren einigen Sohn vertrauet / so will auch ich nicht darwider seyn. Ihr / Melopharmis bestellet alles / was hierzu vonnöten. Und ihr / Polyphilus / eilet / die Reise anzutretten / damit wir eure Wiederkunfft desto eher zu hoffen haben. Hierauf bedankte sich Polyphilus neben Melopharmis / vor die gnädige Bewilligung / und giengen nach des Agapistus Zimmer / selbigem ihre glückliche Verrichtung frölich zu verkünden. Sie waren noch im Erzehlen begriffen / als Servetus von Soletten zu rücke kam / und der Macarie Brief dem Polyphilus überreichte: welcher ihn so bald erbrache / und / als er darinn die Glückwünschung zu seiner Reise vernahme / von Freuden so eingenommen ward / daß er gedachte / aller Gefahr trotz zu bieten /und das Glück beständig zu seinen diensten zu haben. Er kleidete sich zur Reise / aber / nach seiner Jugend gewonheit / mehr prächtig als vorsichtig. Nachdem Agapistus und Servetus / welchen sie zu ihrer Bedienung mitnahmen / wegfertig / Melopharmis ingleichen alle Notdurfft verschaffet / und ihren Sohn zur Reise ausgerüstet hatte / kamen sie des dritten Tags sämtlich / von der Königin Abschied zu nehmen. Als nun Polyphilus ins Zimmer trate / dessen natürliche Schönheit / ansehliche Leibs-Länge und höfliche Sitten / durch die graue mit Silber belegte Kleidung nicht wenig vermehret / und also kräfftig genug war /unvorsichtige Augen und vorhin entzündete Gemüter /vollends in Brand zu stecken: entfärbte sich die Königin dermassen / daß man die besiegende Liebe auf ihren Wangen lesen kunte. Er neigte sich mit tiefster Ehrerbietung / und sagte: Durchleuchtigste Königin! nach dem E.M. mir vor etlichen Tagen / gnädigst erlaubet / eine Spatzir-Reise vorzunemen / und mit dieser wehrten Gesellschafft /mein geliebtes Vatterland zu besuchen / oder vielmehr zu gesegnen / als habe ich hiemit schuldigen Abschied nehmen wollen / mit Unterthänigen Dank / vor so vielfältige Gnad-Wolthaten / welche ich nun eine geraume Zeit / von dero Mildigkeit / wider Verdienst genossen / demütig bittende / in solcher Gütigkeit zu verharren / und nicht nur dero gehorsamstem Diener in seinem Abwesen / Gnad-gewogen zu verbleiben /sondern auch ihn bey seiner ehesten Widerkunfft / mit Gnaden anzusehen. Mein Polyphilus! (antwortete Atychintida) was ihr bey uns genossen / habt ihr mit unser Erlösung überflüssig verdienet / und daher nicht Ursach / deßwegen zu danken. Wir wünschen euch auf diese Reise beständiges Wolergehen. Der gnädige Himmel wolle die Strassen beglücken / euer Vornehmen segnen / und uns mit eurer erwünschten Wiederkunfft / in kurtzen erfreuen. Mit diesen bote sie ihm die Hand / mit einem so verliebten Anblick / daß Polyphilus / Höflichkeit halber / einen dagegen schicken muste. Hierauf wendete er sich zu Melopharmis / und dankte selbiger vor ihre Hülffe / mit dienstlicher Bitte / ihme ferner günstig zu verbleiben / und sein Glück befördern zu helffen. Diese hingegen / wünschte ihm Glück / und befahl ihme ihren Sohn / solchen als seine eigne Seele zu bewahren: welches er auch versprache / und so fort allen übrigen die Hand bote. Deßgleichen als auch Agapistus und der Sohn Melopharmis gethan / dieser aber vor andern von seiner Mutter mit vielen Threnen gesegnet wurde / satzten sie sich zu Pferd / und wurden von den Augen der Königin und Melopharmis / so lang begleitet / biß ein kleines Gebüsche sie ihrem Gesicht entnommen: Daher sie / mit wehmütiger Betrübnus / zurücke kehren / und sie der gnädigen Vorsorge des Himmels befehlen musten. 3. Absatz Dritter Absatz Des Polyphilus Reiß-Gespräche mit seiner Gesellschafft. Sie werden als Mörder angesprochen /in gefängliche Hafft geführet und verhöret: Da Polyphilus den Richter anschnarchend / von ihnen abgesondert und härter verhaftet wird. Agapistus vermahnet ihn / durch ein Schreiben / zur Gedult: Seine gewürige Antwort. Seine Klage / über seine Unglückseligkeit. Also ritte nun Polyphilus mit seiner Gesellschafft frölich fort / und dünkte sich ausser aller Gefahr seyn. Sie vertrieben die zeit / mit allerhand kurtzweiligen Gesprächen / und ergetzten sich sonderlich damit /daß sie die Königin so artig betrogen. Agapistus fragte endlich: Was macht dann Macarie: wird sie auf dieser Reise keine Gefärtin abgeben? Eine unnötige Frage! (widerredte Polyphilus /) wie solte die jenige nicht zugegen seyn / um deren Liebe willen wir diesen Weg reisen. Ihr wisset ja / Agapistus! daß ich vielmehr mein selber / als ihrer Gunst / vergessen werde. Es sind aber zwey widerwertige Dinge / (gegenredete Agapistus) lieben und reisen. Der Liebe Eigenschafft ist / vielmehr sich der geliebten Person nähern / als von ihr entfernen / und kan die Flamme der Liebe nicht eher ausgeleschet werden / als durch den Wind der Abwesenheit. Bey unbeständigen Gemütern / (versetzte Polyphilus) mag dieses wohl zu fürchten seyn /aber nicht bey meiner Macarie / derer Freundlichkeit mir nicht allein diese Reise erlaubet / sondern auch ihre Gewogenheit zu einer steten Begleiterin versprochen. So weiß sie auch / daß meine Abwesenheit nicht lang währet. Dann ich vergleiche mich in diesem Vornehmen den jenigen Thieren / welche etwas zu rück weichen / damit sie hernach desto einen stärkern Lauf verrichten können: Also entziehe ich mich meiner Macarie mit Willen ein wenig / damit ich sie hernach desto schneller ereilen / und ihrer Gegenwart um so viel beständiger geniessen könne. Aber ach! betrogner Polyphilus! wie viel dornichte Wege hat deine Liebe noch zu lauffen / ehe sie dieses Ziel erreichet? Weist du nicht / daß das Glück mit eben denen Flügeln / die es zu uns führen / auch wieder davon fleucht? Es führet / in deiner Liebe / rechte Schlangen-Manier / die nach einer Seiten den Kopff zu richten / und nach der andern zu schiessen pflegen. Ach armer Polyphilus! wie ein starkes Gewitter wird nach diesem heissen Sonnenschein aufsteigen / und deine Zufriedenheit mit seinen Donner-Keilen zerschmettern! Daß ich dich doch dürffte zurück ruffen /und vor deinem Unfall warnen! Aber leider! die Sicherheit / als eine Heroldin der Straffe / hat deine Sinne so verblendet / daß du meinen Worten nicht glauben würdest. Derowegen so erfahre / was ich die nicht vorsagen dörffen. Ich will dein herein-brechendes Unglück / doch nicht ohne Mitleiden / ferner beschreiben. Als nun die Gesellschafft in ihrer Frölichkeit also etzliche Tage gereiset / und einen zimlichen Weg zurück gelegt hatte / ritte Polyphilus in dem Andenken seiner Macarie / und ließ ihm ihr letztes Brieflein /welches er wohl 100 mahl durchlesen / den liebsten Begleiter seyn. Indem kame ihnen ein Hauffen gerüsteter Männer entgegen / die einen Schäfer bey sich führten. Der Melopharmis Sohn war der erste / der ihrer warnahm / und sagte mit erschrocknem Gemüte: Ach Polyphilus! was wollen diese? Vielleicht ist ein Unglück vorhanden. Aber Polyphilus antwortete: Mein Tycheno! (so hieß der Sohn Melopharmis) Kinder pflegt man mit Larven zu schröcken: leget eure Furcht mit der Kindheit ab / und wachset / wie an Jahren / also auch in Mannlichkeit und Tapfferkeit. Wer weiß / was diese suchen? Man lasse sie ihre Strasse reisen. Agapistus / ob er sich wohl nicht förchtete / hielt jedoch die Sache verdächtig / und sagte: Solten diß auch Larven seyn / Polyphilus: Ich sehe gleichwol / daß sie streng auf uns zueilen. So lasst sie dann kommen / (fuhr Polyphilus heraus) wir werden vor ihnen nicht fliehen / und sie werden uns ja ohne Ursach nicht beleidigen. Kaum war das Wort geredt / da wurden sie schon von der Mänge feindlich umringet: die fielen ihren Rossen in die Zäume / und rissen sie / ungeacht alles Widerstands / von denselben herunter / bemüheten sich auch / durch Abnehmung ihrer Gewehr / sich ihrer Personen zu bemächtigen. Die Reisende waren durch diesen unversehenen Uberfall dermassen erschrecket / das Tycheno mehr einem Todten als Lebendigen ähnlich sahe / Agapistus ingleichen gantz bestürtzt / und Polyphilus so ergrimt war / daß ihn der Zorn kein Wort reden ließe. Er wurde durch den Vornehmsten von der Rotte gefraget / wer sie wären / und wohin sie wolten? Also hätte man fragen sollen / (gegen-redete Polyphilus) ehe man uns so mörderischer Weise angefallen. Ich frage viel billiger: Wer seyt ihr / daß ihr reisende Personen wider alle Billigkeit / berauben dörffet? Diese kühne Antwort bewegte jenen / daß er den bey sich habenden Schäfer heimlich wegen des Polyphili befragte. Als nun selbiger bejahete / dieser wäre gewiß einer von den Mördern / und er erkenne ihn an seiner Kleidung und Sprache / wandte er sich wieder zum Polyphilus / mit solchen Worten: Pflegen die Mörder also hoffärzu antworten? Was / Mörder? begegnete ihme Polyphilus. Ihr selbst mögt solche seyn / biß ihr uns einer Mordthat überführet. Das wird sich wohl schicken / (antwortete jener) wann ihr mit uns auf jenes Ort kommet / und daselbst werdet ihr euren Richter finden. Hierauf zwungen sie unsere Reisende mit Gewalt /ihnen nach selbigem Herrnsitze zu folgen: und kunte weder des Tycheno Flehen / noch des Agapistus Bitten / noch des Polyphilus Trotzen / ihrem Frefel widerstehen. Also wurden sie dahin geführet / und in ein Zimmer zusammen verschlossen. Dergestalt fielen diese Armseelige plötzlich aus der Freyheit / in die ärgste Dienstbarkeit / und aus der Freud in die höchste Betrübnus. Wie ihnen dabey zu muht gewesen /stehet unschwer zu erachten. Was solten aber unsere arme Gefangne machen? Ihr bästes Gewehr ware die Gedult: welche doch Polyphilus so gar nicht zu gebrauchen wuste / daß er viel lieber wehrloß seyn wolte. Agapistus fragte den Hüter: ob er nicht wüste /aus was Ursache man sie gefangen hielte? Dieser berichtete / daß vor wenig Tagen / etliche Schäfer selbiger Gegend / von Mördern überfallen / und biß auf einen einigen erschlagen worden / welcher entronnen /und es dem Schutzherrn angezeigt: Der ihme dann so bald Leute zugegeben / die Mörder zu verkundschafften. Weil nun selbiger Schäfer / Polyphilum für einen von den Mördern bekennte / als wären sie sämtlich /die Warheit ihnen abzufragen / zur Haft gebracht worden. Agapistus erschracke hefftig über dieser Erzehlung / und berichtete solches dem Polyphilus: Der sich wegen so ungerechten Anklage noch mehr erzürnte. Und ob ihn wohl Agapistus bate / vorsichtig zu verfahren / und sein Unglück durch Widerstrebung nicht weiter zu reitzen / kunte er doch wenig erhalten: weil er viel lieber sterben / als solche Unbilligkeit ohne Vertheidigung seiner Unschuld und Ehren dulten wolte. Wie sie diese Nacht über geschläffen / oder vielmehr gewachet / ist leichter zu gedenken / als zu beschreiben. Des andern Tages wurden sie vor den Herrn selbiges Orts geführet / der sie wegen besagter Mordthat scharff befragte. Ob sie nun wohl mit vielen Einwendungen beglaubten / daß sie gantz unschuldig wären / und von diesem Mord nichts wüsten / reisende Leute wären / die in nötigen Geschäfften nach der Landschafft Brunsile gedächten / und durch diese unbillige Anhaltung an ihrem Vorhaben gehintert würden: Erhielten sie doch damit nichts mehrers / als daß sie der Richter nur desto härter bedrohete / vorgebend / dafern sie ihre Ubelthat / deren sie durch den Schäfer gnugsam überzeugt / nicht gutwillig bekennen würden / daß er strengere Mittel ergreiffen / und die Bekantnus mit gewalt aus ihnen zwingen wolte. Diese ungerechte Verfahrung / reizte den Polyphilus / daß er den Richter hönisch fragte: In welchem Recht er diese Gerichts-Ordnung gelernet / daß er unschuldigen Leuten / ohne gnügliche Uberzeugung /peinliche Fragen anbiete. Der Richter / welcher mehr hoffärtig als weise war / sagte hierauf: Er solte mit solchen Worten innhalten / oder er wolte ihm mit einer andern Antwort begegnen. Das möget ihr wol thun / (antwortete Polyphilus) weil wir in eurer Gewalt; Und wie ihr uns gewalttätiger Weise auf offentlicher Strassen hinweg nehmen lassen / also könnet ihr uns auch gar das Leben nehmen: dennoch aber müsset ihr hören / daß ihr gegen Recht und Billigkeit mit uns verfahret / und dem gerechten Gericht des Himmels nicht entlauffen werdet. Der Richter wurde über dieser allzufreyen Antwort halb rasend / und befahle / den Agapistus und Tycheno / in vorige Verwahrung zu bringen / den Polyphilus aber in ein elendes Gefängnus gantz allein zu verschliessen / daselbst er seine Zunge zäumen / und seinen Richter gebührlich zu ehren lernen solte. Polyphilus sagte ferner: Wie daß keine Gefängnus / wie schröklich sie auch sey / ihn zwingen werde / die Unbilligkeit vor Recht zu preisen; Weil man Serveten nicht zwingen konte /den Polyphilus zu verlassen / als wurde der / ohne des Richters Wissen / zu ihm verschlossen. Wer unterwindet sich nun / den erbärmlichen Zustand unserer gefangenen Reiß-Gesellschafft / und sonderlich des unseeligen Polyphilus / zur gnüge zu beschreiben? Der erhitzte Eyffer über diese Unbilligkeit verwirrte sein Gemüte dermassen / daß er sich seiner Sinne kaum halb gebrauchen kunte. Er zweifelte / welches am meinsten zu beklagen / die Absonderung von seiner Macarie / das Elend seiner Gefängnus / oder die Strafe / die er noch zu gewarten hätte: Und wuste er nicht / ob er dem mißlungenen Raht Agapistens / der Ungerechtigkeit des Richters / oder seinem eignen unseligen Verhängnus / dieses Unglük beymessen solte. Servetus zwar / unterstunde sich offt / seinen Herrn zu trosten: kont aber kein Gehör erlangen. Agapistus indessen / war mit doppelter Angst umgeben. Er vergaß seines eignen Unglüks / und war nur bemühet /den Sohn Melopharmis / als einen furchtsamen und zart-erzognen Knaben / der solcher Bewirtung ungewohnt war / zu stillen. Und dieweil er leicht gedenken kunte / Polyphilus würde durch seine Ungehaltenheit die Strafe vermehren / war er vor allen dahin bedacht /wie er denselben auf einen gelindern Weg leiten möchte. Dannenhero bate er den Hüter / ihm zu erlauben / daß er den Polyphilus besuchen dörffte: vorwendent / daß selbiger sehr Melancholischer Natur / und zu förchten / daß die allzuharte Bedrängnus ihn in grösser Unglük stürtze / darum er dann tröstens vonnöten hätte. Aber der Hüter entschuldigte sich mit der Unmüglichkeit / und sagte / daß ihme solche Zusammenlassung gantz verbotten wäre. Demnach forderte er Feder und Papier / und schriebe an ihn folgendes Innhalts. Freundlich geliebter Polyphilus. Ich kan leicht mutmassen / mit was Ungedult ihr diese ungerechte Gefängnus empfinden werdet / und trage mit euch solches Mitleiden / wie einem treu-verbundenen Freund gebühret. Und weil mir alle mündliche Unterredung gantz verbotten gleichwol kein ander Mittel / uns aus dieser Gefahr zu reissen / übrig / als Gedult und Demut: Demnach habe ich / durch dieses Brieflein / euch / solche zu ergreiffen / und die Hartsinnigkeit zu verlassen / erinnern und bitten wollen. Bedenket doch / liebster Polyphilus! daß wir fremde /wehrlose und gefangene Leute sind / die weder Schutz noch Hülffe zu gewarten haben. Was ist nun vernünfftiger als solchem Ubel weichen / dessen Gewalt uns augenblicklich zerbrechen kan. Zwar ist es edlen. Gemütern angeboren / ihr Recht zu behaubten / und bey Unschuld mehr zu schnarchen als zu bitten. Doch muß die Natur der Vernunfft weichen / und ist bey Härtigkeit weder Klugheit noch Verstand. Eussert euch demnach / Polyphilus! der hohen Sinnen / und nehmet solche an / die die Zeit und unser arbeitseeliger Zustand erfordert. Haltet es vor keine Schmach /daß wir dem Glük folgen müssen / welchem auch die Seulen und Häupter der Welt nicht widerstehen können. Kan euch nicht bewegen / die Gefahr / in welche ihr euch durch die Halsstarrigkeit stürtzet / noch die Freundschafft / welche ihr von der Königin und Melopharmis deßwegen zu gewarten / so lasset euch doch bewegen / die getreue Liebe eurer Macarie / die durch diese Zeitung in ängstigen Kummer gerahten wird /und gewäret um ihrent willen die Bitte / Eures biß ins Sterben getreuen Freunds und Dieners / Agapistus . Diesen Brief ließe Agapistus / durch den Hüter / dem Polyphylus zustellen: der dadurch in seinen unruhigen Gedanken / einen kleinen Trost empfinge. Und ob er gleich erstlich nicht gewillet war / dem ungerechten Richter nachzugeben: Dennoch aber / als Agapistus um seiner Macarie willen bate / gieng ihme solche Bitte dermassen tief zu Hertzen / daß er sich alsobald gewonnen gab. Und da zuvor weder ein vernünfftiger Raht / noch die Furcht der Gefahr / oder der Verlust aller Freundschafft / seinen Vorsatz überwinden kunte / überreichte er nun willig / die Waffen in die Hände der Liebe / und bekannte / daß alle Stärke ihrer Gewalt ausweichen müsse. Ja / es setzte ihm die Furcht / daß seine Macarie über dieser Gefängnus einigen Schrecken empfinden möchte / in solche Bekümmernus / daß er eilends / wiewohl nach langsam- erbetener Einwilligung des Hüters / die Feder ergriffe / und ein Trost-Brieflein an sie verfertigte / und selbiges dem Agapistus übersendete / mit dieser Antwort. Treu-liebender Agapistus! Nicht nur die aufrichtige Freundschaft / mit welcher ihr meine Errettung so sorgfältig zu befördern suchet / sondern auch die vernünfftige Ursachen / welche euer angenehmes Brieflein / mich besserer Gedult zu befleissen / anführet / fordern von mir eine schuldige Folge. Und ob es wohl einem freyen und Tugend-liebenden Gemüt schwer wird / bey offenbarer Unschuld / einen ungerechten Verfolger um Gnade zu bitten: so achte ich doch / um der Liebe willen meiner Macarie / die schändlichste That vor die rühmlichste /und die schwerste vor die leichteste. Weil ich auch / eurer Erinnerung nach / wegen dieser Verschliessung /ihre Betrübnus fürchten muß: habe ich beykommendes Brieflein / sie zu trösten / geschrieben / und bitte /selbiges auf Soletten zu bestellen / weil ihr doch freyern Paß / als ich elender / habet. Im übrigen befördert / so viel müglich / unsere ehiste Erledigung / und glaubet gewiß / daß ich mich auch wider meine Natur / in Gedult und Demut erweisen werde. Euren gehorsamen Polyphilus . Als diese beyde Schreiben dem Agapistus eingehändiget worden / erfreute er sich über des Polyphili Begütigung nicht wenig / und bate den Hüter / der Macarie Brief nach Soletten zuschicken / ihme aber Gelegenheit zu erwerben / mit dem Landherrn zu sprechen /weil er hoffte / seine Unschuld also zu erweisen / daß sie der Gefängnus befreyet würden. Der Hüter versprache / den Brief zu bestellen / das übrige aber /weil es nicht in seiner Gewalt stunde / nach Gelegenheit zu befördern. Agapistus verhiesse ihm dafür eine gute Verehrung / und tröstete den Sohn Melopharmis / mit der Hoffnung / in kurtzen wieder frey zu werden / und ihren vorgenommenen Weg frölich förtzusetzen. Polyphilus indessen / nachdem er den Zorn / als eine kurtze Unsinnigkeit / überwunden / empfunde /gleich als aus dem Traum erwachet / von neuem die Schmertzen der Liebe. Er beklagte diese Ungerechtigkeit / und wie seiner gewohnten Freyheit so gar zuwider / verschlossen zu seyn: wie er dann vormahls viel lieber den zornigen Wellen sich vertrauen wollen /und / der Gefängnus zu entfliehen / den augenscheinlichen Tod zu erwählen sich nicht gescheuet. Servetus riehte ihm / er solte dem Richter eine Verehrung thun / welche gewißlich höflicher würde empfangen werden / als die nackete Unschuld. Es würde doch der Schlüssel zu öffnung dieser Gefängnus von Gold müssen geschmeltzet werden: weil man nur nach der alten Manier sein Recht erweisen / nach der neuen aber dasselbe erkauffen müsse. Aber Polyphilus hatte hierzu keinen Lust / und stellete ihm allein vor / seinen Glük- und Unglüks-Wechsel / und wie der Himmel seine Freude in so grosse Betrübnus verwandelt. Ach! Ich Elender! (sagte er) wie schnell hat sich doch meine Zufriedenheit verkehret! und wie unverhofft hat mich das Unglück überfallen! Wer in seinem Wohlstand sicher ist / und den freundlichen Augen des Glükes trauet / der sehe an mir ein Beyspiel seiner Unbeständigkeit. Niemals hat es seine betrügliche Tücke klärer zu erkennen gegeben / als in meinem arbeitseligen Lieben. Wie ein gescheitertes Schiff / ein Spiel der Wellen ist: also hat auch das neidige Glük /durch Aufnehmung und Verstossung mit mir gespielet. Dieses einige unterhält mich / daß ich leide / um der allerwürdigsten Macarie willen / welche mich so ungefälscht liebet. Und so lang auch solche Liebe vest bleibet / hoffe ich alle Streiche des Unglüks auszuschlagen / und in der grösten Widerwärtigkeit zu siegen. 4. Absatz Vierter Absatz Polyphylus wird / als ein Mörder / vermähret. Der Melopharmis Unruhe / wegen der Gefahr ihres Sohns. Der Königin Beratschlagung hierüber. Der Melopharmis hartes Schreiben an den Polyphilus /und böser Raht wider seine Liebe. Macarie singet /und tröstet sich mit ihres Polyphilus Andenken; empfähet ein Schreiben von ihm / und wird von der Königin / durch Phormena / vor seiner Freundschaft gewarnet. Ihre vernünftige Antwort / darauf folgende Klage / und Schreiben an den Polyphilus / darinn sie ihm ihre Gemeinschaft aufkündet. In dieser Zuversicht lebte Polyphilus / biß das Glük eine neue Bestürmung wider seine Beständigkeit vornahm / und ihn gar nahe zur Aufgab nötigte. Dann es hatte inzwischen / das vielzüngige Gerüchte / die Zeitung von des Polyphilus Gefängnüs / mit so verhassten Umständen nach Sophoxenien gebracht / daß die Königin darüber nicht wenig bestürtzt / Melopharmis / aber fast aller Sinnen beraubt wurde. Weil man dieser vorgebracht / daß Polyphilus / wegen einer längst-begangnen Mordthat / samt dem Agapistus und ihrem Sohn / auf den Hals gefangen läge / gab sie ihre mütterliche Liebe / mit jämmerlichen Gebärden zu verstehen / und fiel mit einem solchen Zetter-Geschrey in ihre Haare / daß Atychintida gnug mit ihrer Besänfftigung zu thun hatte. Und gleich wie aus dem süssesten Wein der scharfste Essig zu werden pfleget / also wurde auch die grosse Gunst der Melopharmis gegen den Polyphilus in so grimmigen Haß verwandelt / daß sie ihn gantz verfluchte. Ach! mein Kind / (sagte sie /) mein allerliebstes Kind! du einige Hoffnung meines betrübten Alters! solst du / um dieses boßhafftigen Mörders willen / deiner Freyheit beraubet werden / und so elendiglich gefangen ligen? Kan dieser Undankbare / alle die Gutthaten / welche ich ihm erzeiget / anderst nicht / als mit deinem Untergang / vergelten? O du unschuldiger Sohn! Warum hat dich deine unvorsichtige Mutter / diesem Verführer zu gefallen / so mutwillig dem Elend in den Rachen gestekt. Atychintida wolte sie trösten / und sagte: Gebet euch zu frieden / Melopharmis! durch klagen wird das Unglük nicht geringert. Lasset uns vielmehr auf ein gutes Mittel denken / wie euer Sohn errettet werde. Ach! worauf soll ich denken? fragte Melopharmis: Das beste Mittel wird seyn / daß ich selbsten hin reise / und diesen Mörder wegen meines Sohns anklage: damit also selbiger errettet / er aber seine verdiente Strafe empfahe. Ich kan doch nicht hier bleiben /und die Gefahr meines liebsten Kindes dulten. Der Königin wolte dieser Raht nicht gefallen / liesse demnach die beyde Weisen vor sich fordern / legte ihnen diese Zeitung / samt dem Anschlag Melopharmis vor / und begehrte ihr Bedenken. Cosmarites liesse sich also vernehmen: Durchleuchtigste Königin! die eingekommene Zeitung erfordert grosse Vorsichtigkeit / weil das Leben einem Menschen leichtlich zu rauben / aber gantz nicht zu ersetzen ist. Das Vorhaben Melopharmis / dünket mich viel zu hitzig seyn: und kan der Zorn nicht schädlichere Kinder zeugen /als wann er mit der Ubereilung vermählet wird. Demnach scheinet das sicherste zu seyn / daß man eine geschwinde Botschafft sende: damit alle Umstände dieser Gefängnus erkundiget werden / (weil die Warheit und der Wein mit grosser Gefahr eines Zusatzes über Land reiset) und alsdann den Unschuldigen Errettung / den Schuldigen aber Bestraffung / widerfahre. Freylich (sagte Chlierarcha) soll man aus der äusserlichen Strafe / nicht allezeit einen Beweiß der Laster nehmen: weil das Unglük offt gegen die allerunschuldigsten am hefftigsten zu wüten pfleget. Es will mir gantz nicht zu Sinne / daß Polyphilus an dieser Mordthat schuldig / und heisset mich sein aufrichtiges Gesicht / und sein Tugend-begieriges Gemüt / viel ein besseres hoffen. Die Königin liesse ihr diesen Raht belieben / und fertigte so bald einen von Adel ab / der vom Agapistus die rechte Ursach dieser Gefängnus erforschen /und damit eilends zurücke kommen solte. Melopharmis aber / kunte hierdurch ihren Zorn nicht stillen. Und weil sie sich der Königin nit widersetzen dürffte / gab sie / unwissend ihrer / dem Abgeordneten diesen Brief mit / an den Polyphilus lautend. Undankbarer Polyphilus. So nenne ich euch billig / wann ich die Wolthaten /welche ihr von mir genossen / und hingegen die Boßheit / mit der ihr sie belohnet / bedenke. Kuntet ihr eure Mordthat nicht allein büssen / daß ihr meinen unschuldigen Sohn eurer billigen Gefängnus teilhafftig machet? Glaubet mir daß ich diese Ubelthat rächen / und / wie zuvor euer Glük / also auch nun eure Strafe befördern werde. Bildet euch nur von der Königin keine Hülfe ein: Dann sie nun euren Betrug merket / und wohl erkennet / daß ihr nicht unschuldig seit / weil ihr euer Elend ihr nicht entbieten dörffen. Die Uberzeugung der Laster macht verzagt / und die Rache / welche langsam komt / straffet viel härter. Dieses wenige vernehmet / als eine Verkündigung der Straffe / von Melopharmis. Nun hatte sich ja Melopharmis / an dem armen Polyphilus gnug gerächet / und solte sich billich zu frieden geben. Aber was ist ärger / was ist unersättlicher / als die Rache eines erzürnten boßhafftigen Weibes? Sie hatte nicht genug / daß sie seine Ehre geschändet /und ihn bey der Königin verhasst gemacht: sondern sie suchte ihn auch des jenigen zu berauben / welches ihme auf dieser Welt das liebste war. Sie beredete Atychintida / daß sie die Phormena nach Soletten schicken solte / um / die Gefängnus Polyphili der Macarie zu verkünden / und sie vor seiner fernern Freundschaft zu warnen. In dieses Begehren willigte die Königin um so viel leichter / weil sie dadurch eine heimliche Rache an Macarie zu üben / und ihre Liebe aufzuheben / gedachte. Wie sie dann der Phormena solche Worte in den Mund legte / die Macarie schmertzlich gnug empfinden wird. Was hat aber indessen Macarie gethan? Diese hatte sich / nach des Polyphilus Abreise / in Gedult und Hoffnung nach seiner Widerkunfft gesehnet / und indessen ihre Zeit mit Lesung gelehrter Schrifften verkürtzet. Einsmahls fasste sie ihre Lauten / und sang darein / nachgesetztes Lied. 1. Niemals soll die Liebe seyn / ohne Pein / Niemals sollen wir geniessen Ihrer Früchte Süssigkeit / ohne Leid. Darum soll mich nicht verdriessen / Weil ich diese Ordnung weiß / Liebster! deine kurtze Reiß. 2. Meine Sinne kränket zwar die Gefahr / Die sich öffters pflegt zu finden / Ja / mir komt im Schlafe für / Wie man mir Böse Zeitung woll verkünden: Biß mir wieder fället bey / Daß Betrug in Träumen sey. 3. Meine Liebe tröstet mich stätiglich / Daß du werdest ruhig leben / Und wie sie in kurtzer Zeit / voller Freud / Dich mir wolle wiedergeben. Diese Hoffnung macht allein / Daß ich kan zu frieden seyn. 4. Folge du / auf dieser Reiß / meinem Fleiß / In dem stäten Angedenken: Und laß keine fremde Lust deine Brust Mit verliebten Sinnen kränken. Wiß auch / wo dirs gehet wol / Das dich niemand halten sol. 5. Wie ich dir zu folgen pfleg / auf den Weg / Und begleite deine Reisen; Wie dich mein Verlangen küst / wo du bist: Können meine Seufzer weisen / Die ich dir entgegen schick / Nach zuforschen deinem Glük. Sie hätte weiter gesungen / wann sie nicht der Brief /welchen Polyphilus durch Agapistum bestellen lassen / hätte abgefordert. So bald sie selbigen empfangen / legte sie die Laute nieder / und hoffte durch ihn getröstet zu werden. Aber weit gefehlt! Als sie ihn erbrochen / wurde sie dieser Worte verständigt. Allerliebste Macarie! Wie mich ihr Befehl in einem stäten Gehorsam bleiben heisset / also muß ich auch dißmals demselben folgen / und mit gegenwärtigen Zeilen nach ihrer Gesundheit fragen. Es zwinget mich aber mehr das brünstige Verlangen / welches zum öfftern mit einer heimlichen Furcht an meinem Hertzen anklopffet / es möchte das Geschrey von meinem Unglük / ihre Ruhe verstöret haben. Weßwegen ich sie / durch dieses Brieflein / berichten wollen / daß wir zwar / wegen eines Irrtums / etliche Tage angehalten worden / welcher aber so nichtig gewesen / daß ich ihn keiner Beschreibung würdige. Nur dieses solte mich schmertzen wann mein Kind einigen Schrecken darüber ausgestanden hätte. Wie mich aber der gütige Himmel alles gutes hoffen lässet / also giebet mir auch meine wieder-erlangte Befreyung / solchen Trost / gegen meiner ängstigen Sorge / daß ich mit völliger Zufriedenheit keine weitere Betrübnus fürchte. Solte mich nun diese Hoffnung nicht betrügen / würden sich meine Sinne gleich so mächtig aufrichten / als sie zuvor nidergeschlagen waren. Mein liebes Kind! bewahre sich / weil sie mein Tugend begieriges Gemüt erkundiget / mit dieser Nachricht / wider den Anfall des schändlichen Gerüchts / und lebe frey von aller Sorge / versichere sich auch / daß sie theils schon gefallen sind / theils noch fallen werden / die mich stürtzen wolten / Ich aber ewig verbleibe Ihr Allergetreuster Polyphilus . Ob nun Macarie über diesem Brief erschrocken / stehet nicht zu zweiffeln. Sie wuste nicht / was sie von dieser Gefängnus halten oder glauben solte: weil der gantze Brief auf Schrauben gestellet / und keine aufrichtige Eröffnung darinn anzutreffen war; ohne daß sie seine verhoffte Erledigung tröstete. Als sie aber noch in solchem Zweifel schwebte / wurde ihr angesagt / wie Phormena von Sophoxenien nach ihr fragte: welche Post sie noch mehr erschrekte / weil sie wohl merkte / welcher Ursache wegen sie gekommen. Doch bedekte sie ihr ängstiges Hertz mit dem Vorhang eines frölichen Angesichts / und gienge ihr entgegen /empfinge sie auch mit höflicher Ehrerbietung / und führte sie mit sich in ihr Zimmer. So bald sie den Sitz genommen / thäte Phormena ihr Anbringen / mit diesen Worten: Tugend-gezierte Macarie! Unsre gnädigste Königin lässet sie / neben einem gnädigen Gruß / berichten / wie sie scheinbare Zeitung erhalten / daß ihr liebster Polyphilus auf dieser Reise / nach seinem Vatterland / wegen eines längst-begangenen Mords / mit seiner Gesellschafft in eine strenge Gefängnis gerahten sey. Ob er nun an dieser Mordthat schuldig / lässet Atychintida durch einen reitenden Boten erkundigen. Weil sie aber indessen grosses Mitleiden trägt / daß ihr / schönste Macarie / als eine so kluge Weibs-Person / den Ruhm eurer Tugenden / durch dieses beschreiten Menschen Liebe vertunkelt / als hat sie mich abgesandt / euch in diesem Unglük zu trösten / und vor seiner ferneren Freundschafft zu warnen. Macarie hörte diesem hönischen Anbringen mit grosser Gedult zu. Und ob sie wohl der gifftige Haß der Königin sehr kränkte / hielte sie doch / wie schwer es auch daher gieng / zimlich an sich / biß sie endlich in diese bedächtige Antwort heraus brach: Edle Phormena! Daß die Durchl. Königin vor die Wolfart meiner Wenigkeit so gnädig sorget / erkenne ich mit demütigem Dank. Mich wundert aber nicht wenig / warum sie Polyphilum meinen Liebsten nennet / und wegen seiner Gefängnus mit mir beyleid träget. Die Freund schafft / welche ich eine zeitlang mit ihme gepflogen / ist / seinem Vorgeben und meiner Meinung nach / bloß auf Kunst und Tugend gegründet gewesen: von Liebe aber / ist mein Hertz gantz frey / nicht allein gegen Polyphilus / sondern gegen allen andern. Irret demnach die Königin in ihren Gedanken / wann sie meinet / daß meine Tugenden (wann ich mir anderst eine beylegen darff) durch des Polyphilus Unglük beflekket worden. Dann wann die wenige Erkäntnus / so ich von ihme gehabt / meinen Ruhm verletzen solte / wie könte dann der Atychintida hohes Ansehen / durch die Gnaden / welche Polyphilus von ihr genossen / ungetadelt bleiben? Ist Polyphilus an diesem Mord schuldig / so wird die Liebe der Gerechtigkeit / bey mir bald alle Freundschafft auslöschen / und deßwegen keine Warnung vonnöten seyn. Ist er aber unschuldig / so erfordert die Tugend ein billiges Mitleiden / und kan ich / um unverdiente Schmach / meine Freundschafft nicht aufhehen. O eine Antwort / allen Verleumdungen entgegen zu setzen! Lernet hier von der klugen Macarien / ihr Törichten! die ihr / falschem Geschwätze so leichten und sichern Glauben zu geben / gewohnet seyt. Spiegelt euch auch an der untreuen Phormena / ihr leichtfertige Schwätzer / die ihr um den Lohn der Ungerechtigkeit so offt und gerne dienet; und erkennet / daß es euch endlich / wie dieser / ergehen werde. Dann auf solche Worte verstummte Phormena / und ward als zu Boden geschlagen / muste sich auch mit dieser Antwort befriedigen lassen. Und ob sie gleich / ihre Boßheit zu bemänteln / andere Gespräche auf die Bahn brachte /und des Polyphilus Unschuld hinwieder verthädigen wolte / wuste doch Macarie solche so klüglich abzuleinen / daß sie / sich höchst verwunderend / ihren Abschied nehmen / und den Spott zu ihrer Belohnung heimtragen muste / und wurde sie von Macarie einen zimlichen Weg begleitet. Sie gelangte noch selbigen Abend nach Sophoxenien / und erzehlete der Köaigm und Melopharmis ihre unselige Verrichtung: die sich über der Macarie Klugheit entsetzten / und hätte sonderlich Atychintida wünschen mögen / daß sie ihre Erinnerung wieder zu rück nehmen können / weil sie damit wenig Ehre erjaget / und den Schimpf / welchen sie Macarie aufzubürden gedachte / selbst tragen muste. Doch muste sie es geschehen lassen / biß sie hörte / was der Ausgesandte für Kundschafft von Polyphilus brächte. Macarie aber / als sie von der Begleitung Phormenen wieder zurücke kam / ward mit tausenderley Widerwärtigkeit umgeben. Sie zoge ihr die Verletzung ihres guten Namen so empfindlich zu Gemüt / daß sie aller Liebe gegen Polyphilus vergaße / und wünschte / ihn nie gesehen zu haben. Ach! Macarie! (sagte sie) unbesonnene Maarie! wo ist nun das Gerücht deiner Klugheit / und der Ruhm deiner Tugend? Sie sind verloschen / und an ihrer statt brennet eine törichte Liebes-Flamme. Habe ich nicht in meiner Einsamkeit ruhig / gegen den Himmel andächtig / mit den Menschen aber friedfertig / gelebet? habe ich nicht die edle Tugend / und ihre schöne Früchte erkennet / und geübet? Was hat mir gemangelt / als Beständigkeit? wie offt habe ich wider die Liebe geredet und geschrieben? wie viele habe ich vor ihrem tyrannischen Joch gewarnet? und ich lasse mich nun selbsten in ihre Fessellegen / und mit ihren Stricken binden / und welches das sträfflichste / von einem / der mich aus einer Widerwärtigkeit in die andere stürtzet? Bald verliebet sich seine Jugend in eine fremde; bald bringet mich sein hitziger Eifer in Sorge und Schrecken; bald beraubet mich die Strafe seiner Laster / meiner Ehre. Und wer weiß / was das vor ein Land seyn wird / darein er mich zu führen gedenket /und wie ich daselbst leben werde? Dann seinen Worten ist nicht allemal zu trauen / weil er sie nach meinen Ohren richtet: Wie ich ein Beyspiel an seinem letzten Brieflein habe. Heisset dann das nicht / Torheit vor Klugheit / Schande vor Ehre / Schmertzen vor Ruhe / und Laster vor Tugend erwählet? O der Unsinnigkeit! aber also pflegt es zu gehn /wann man seinen eignen Kräfften zu viel trauet / die Gelegenheit zur Sünde liebet / und den Lastern eine Maß zu suchen gedenket. Ach Polyphilus! Polyphilus! deine Schönheit und Höflichkeit / und deine freundliche Bitte / hat meine Beständigkeit überwunden / und mein Glük zu Boden gerissen. Warum habe ich deine Gegenwart nicht geflohen? da ich doch wuste / daß ich sie nicht unverliebt geniessen kunte. Einem mächtigen Feind ist ja viel sicherer ausweichen / als sich ihm vergeblich widersetzen. Ach! ihr /meine lüstrende Augen / seyd die unachtsame Thürhüter / welche die Liebe / als eine listige Feindin / bey mir einschleichen lassen. Ihr seyd die Fenster / durch welche sie mein Gemüt erstiegen / und sich nun viel vester gesetzt / als daß sie wieder auszujagen. Welche Vestung wird nicht zur Ubergab genötigt / wann ihre eigne Besatzung rebelliret / und mit dem Feind ein heimlich Verbündnus macht? Welches Schiff kan sich länger gegen die stürmende Wellen verteidigen / wann die See allbereit daran Lufft gefunden / und mit Gewalt hinein dringet? Wie solte dann meine Vernunfft siegen / da alle Sinne sie verlassen / und mit der Liebe geheuchelt haben? Doch was nutzet das Eisen wieder in die Wunden zu stossen / als daß man sie damit verunreinige? Klagen ist bey einer Sache / die nicht zu ändern / nur ein Zeuge der Schwachheit. Vielmehr will ich mich mit einer hertzhafften Entschliessung waffnen / und sehen / ob ich durch diese letzte That meine vorige Fehler austilgen könne; denn ich kan nicht leben / und wissen / daß man meiner Unbesonnenheit gedenke. Ich will das Band mit gewalt zerreissen / daß sich sonst nicht will füglich trennen lassen / und dem Polyphilus meine Gegenwart allerdings verbieten / biß ich sehe / wie es mit seinem Glük ablauffen will: damit also den schwätzigen Zungen der Lauf gehemmet / und die Ursach zu meiner Verleumdung aufgehoben werde. Meine Zusage wird dadurch nicht gebrochen / weil ich keinen andern erwähle. So wird auch meiner Beständigkeit nicht abgethan: dann die Abwesenheit kan meine Liebe nicht ändern. Komt ihme diese Verfahrung befremdlich vor / so gedenke er / daß mich die Beschimpfung meines Ruhms ingleichen schmertzet / und bemühe sich / künfftig bedachtsamer zu handeln. Dieser Meinung schriebe sie an den Polyphilus / und überschikte ihme / durch einen eilenden Boten / nachfolgenden Brief. Geehrter Polyphilus! Daß ihr so sorgfältig nach meiner Gesundheit fraget /habe ich billig zu rühmen: wie ich nicht weniger gerne gehöret / daß eure unglükliche Gefängnus nicht so gefährlich / als man vorgibt. Aber nichts destoweniger bat es solche Früchte hinterlassen / daß man billig den Baum verflucht: in deme zu Sophoxenien das Gerücht erschollen / wie ihr / wegen eines längst-begangenen Mords / auf den Hals gefangen liget. Ob ich nun solche Zeitung mit Verdruß angehöret / könnet ihr unschwer ermessen: sonderlich / weil ich deßwegen / von der Königin / eine hönische Warnung vor eurer Liebe anhören müssen. Ich werde demnach gezwungen / die Widerwärtigkeiten / welche ich wegen unser Freundschafft albereit überstanden / die auch je länger je grösser werden / (wie ich bey unsrer ersten Zusammenkunfft gar recht geweissaget) mit gewalt aufzuheben / und dem treuen Himmel mein künfftige Handlungen lediglich heimzustellen. In ein fremdes Land mit euch zu ziehen / stehet mir / wegen allerhand weit aussehender Bedenken / gantz nicht zu rahten. Bitte euch demnach / um aller eurer Liebe willen / die ihr so offt und hoch gegen mir gerühmet / Ihr wollet ins künfftige / meinen guten Namen (gegen welchem das Leben selbst gering zu schätzen) zu verschonen / meine Gegenwart meiden / und euren Begierden ein rühmlichers Ziel setzen / auch diese Bitte nicht der Verachtung / welche mir nie zu Sinne kommet / sondern der äussersten Noth beymessen. Ich kan zwar leichtlich errahten / mit was Ungedult ihr dieses unseelige Brieflein werdet annehmen und beantworten. Ihr werdet aber / unter euren Tugenden / der Gedult die Oberstelle geben / das himmlische Geschick erkennen / und mich meiner Vergessenheit Vergebung erlangen lassen. Ich bedanke mich / vor alle Ehre /Freundschafft und Liebe / die ihr meiner Wenigkeit jemahls erwiesen: um dieses zugleich bittende / daß ihr aller derer Fehler / die ich in unserer Freundschafft begangen / vergessen / und glauben wollet / das ich die gantze übrige Zeit meines Lebens in dem Gedächtnus eurer Tugenden zubringen / euch allein meine Freyheit schenken / und biß an mein Ende verbleiben werde Eure beständige Freundin Macarie . 5. Absatz Fünffter Absatz Polyphilus bekommt beyde Briefe / erzürnet und betrübt sich darüber. Sein Antwort-Schreiben an Macarie / und seine Klage über sein Unglük. Vom Agapistus besucht und getröstet / erinnert er sich /daß er diese Straffen mit hochmütiger Hinlegung seines Schäferstands verschuldet. Agapistus trachtet /aber vergebens / ihn loß zu bitten. Was wird nun unser hart-geplagter Polyphilus gedenken / wann er diesen Brief liset? Wäre es auch wunder / wann wir seinen erbärmlichen Zustand betrachten / daß er den grausamsten Tod seinem elenden Leben vorgezogen hätte? Biß daher hatte er seine zweiffelhaffte Hoffnung in einer gezwungnen Gedult unterhalten / und seiner Erledigung augenblicklich /wiewohl vergeblich / erwartet. Er verfluchte die Ungerechtigkeit / welche ihn an seinem Vorhaben hinterte. Er hätte offt zu sterben erwehlet / wann ihn das Gedächtnus seiner Macarie nicht erhalten hätte. Endlich kamen der Anstösse so viel / daß er fast verzweiflend / eine tolle Künheit / sich zu verderben / vornehmen wolte. Agapistus schikte ihm den Brief der Melopharmis /welchen der Bot von Sophoxenien mitgebracht / und vermeinte ihn damit zu erfreuen: wurde aber damit sehr betrogen. Als Polyphilus solchen eröffnet / entsetzte er sich dermassen über der Melopharmis verächtlichen Zuschrifft / und über ihren unbilligen Haß /daß ihm der Schmertze den Mund verschloße. Er warffe den Brief vor sich auf den Tisch / legte den Kopf in die Hand / und schiene die Traurigkeit selbst vorzubilden. Seine Zunge lag gehemmet / und die Seufzer liessen ihn kaum Athem holen. Diß war aber noch nicht genug / sondern es muste auch der Bote mit dem Briefe der Macarie ankommen. Wie betrübt er war / so nahme er doch selbigen eilends zu sich. Er suchte Trost darinn / fande aber neues Hertzenleid. Als er lase / daß er Macarie verlassen / und ihre Gegenwart meiden solte / begunten seine abgemattete Geister ihn gänzlich zu verlassen / also daß er in eine Onmacht sanke / und dem Tod gar nahe kam. Servetus / der hierüber hefftig erschrocken / bemühete sich ihn zu erquicken / und die fast-entwichene Seele wieder zu rück zu ruffen. Nach dem er endlich sich wieder ermuntert / fieng er an / mit so jämmerlichen Worten und überhäufften Threnen / sein Unglük zu beklagen / daß er auch die wildesten Thiere / zum Mitleiden solte bewegt haben. Und wäre Macarie damals zugegen gewesen / ich weiß / sie hätte allen Zorn fallen lassen / und sich ihres Polyphilus erbarmen müssen / wann sie seine schmertzliche Klage angehöret. Ist denn (sagte er) der Himmel gar nimmermehr auszusöhnen? Müssen dann alle Ungewitter auf einmakäuf mich zu stürmen? hören dann meine Wunden nicht auf zu bluten / biß sich die geängstige Seele mit ausgiesset? Ach Polyphilus! du armseliger Polyphilus! nun dich Macarie verlässet / so bist du recht verlassen. Nun sie von dir weichet / wird dein betrübter Geist auch weichen müssen. Was verzeuchst du / onmächtige Seele! diesen elenden Leib zu verlassen /nun dich die Liebe verlassen soll? Wilt du nur bey mir bleiben / mich um so viel länger zu quälen? Ach sind einmal Göttinnen gewesen / die den Lebens-Faden abreissen können / so kommen sie jetzund. Bitterer Tod! erbarme dich / und laß mich deine Süsse schmecken! Er wolte fortfahren zu klagen. Weil aber der Bote um eine Antwort anfragen ließe / muste er sich bedenken / ob und was er antworten / ob er ferner Hülffe suchen / oder alle Hoffnung aufgeben solte? Doch muste er dißmal noch der Liebe gehorchen / die ihm das letzte Mittel zu ergreiffen antruge. Derowegen setzte er sich über / und schriebe diesen Brief / so gut der Schmertz aus seinem geängstigten Hertzen solchen hervor brachte. Erzürnte Macarie! Ob ich wohl den Untergang meines Glüks / nicht so zeitlich gehofft hätt / so muß ich doch / leider! mit Schmertzen erfahren / wie von allen seiten die widerwärtige Wellen sich regen / also / daß freylich die Gedult bey mir anitzo die Oberstelle behalten muß: bevor ab / da die jenige / auf derer Beständigkeit alle mein Trost gegründet war / weichen / und ihrem Befehl so unverantwortlich viel zuschreiben will / daß sie mich wieder alle Müglichkeit ihrer vergessen heisset. Soll dann / ein einiger trüber Wind / den gantzen Bau meiner Vergnügung umstossen? so wird die Tugend selbsten zur Untugend werden. Und was soll ich mehr sagen? denke ich an ihre liebreiche Reden / so muß ich über die Verkehrung der Sinnen klagen. Lege ich dann diesen unseeligen Brief / gegen jene / die mir ihre Gunst mit so beteurlichen Worten versprochen: so muß ich entweder jene vor betrüglich / oder diesen vor unbeständig halten. Besinne ich mich aber ihrer Freundlichkeit und mir erzeigten Liebe: so muß ich /die angestrichne Falschheit / mit meinem Verderben beweinen. Ach Macarie! soll ich ihrer vergessen? soll ich ihre Gegenwart meiden? daß ich unverdeckt rede /soll ich sie nicht mehr lieben? von ihr keine Gegen-Liebe mehr hoffen? Ey! so belohne / du gerechter Himmel! meine beständige Treu / durch meinen Tod: weil mir doch ohne ihre Liebe zu leben unmüglich ist. Aber die Untreu / über die ich vor allen Marschen klagen muß / wird der gerechte Richter euch zu erwiedern wissen Doch gelobe ich meine Beständigkeit /als die vor beliebte Eigenschaft meiner Liebsten /unter den Menschen zu erweisen / und die mir vordessen stets-verhaßte Einsamkeit dermassen zu lieben /daß ich mich ausser ihr keiner vertrauen werde: als der ich an ihrem Beispiel lerne / daß auch verständige Frauen / falsche Worte führen / und anderst reden /anderst denken / da ich bißher zwischen Verstand und Arglistigkeit keinen Unterschied machen können. Sie verzeihe mir / liebes Herz! (wann ich sie anderst noch so nennen darf) daß ich so offenhertzig rede / und erkenne daraus / daß ich nie gegen ihr bin falsch gewesen. Sie ermesse aber auch das lasterhaffte Beginnen (ach! sie vergebe mir diß Wort) damit sie mich gedenket zu tödten. Dann einmahl / ich kan und will sie nicht lassen / es sey dann / daß mich das Leben lasse. Ja / auch nach meinem Tod / wird die Seele des Polyphilus in Macarien Schoß ruhen. Wie ich dann weiß /daß allbereit mein Geist und die geschwinde Boten meiner Gedancken / bey ihrem untreuen Hertzen anklopfen / und es seiner Pflicht Vergessenheit erinnern. Sind daß die treuen Worte / damit sie mir ewige Liebe zugesagt? Ey! so sey alle Welt Zeuge deiner Untreue /und der Himmel meiner Verlassenheit! Soll ein einiger falscher Bericht / oder eine verhasste Warnung /das Band unsrer Freundschafft zertrennen? so kan ich leicht sehen / wie falsch und unkräfftig dasselbe gebunden gewesen. Ich bitte nochmals / und eben auch um der Liebe willen / die sie mir so offt erwiesen /daran nie kein Fehl gewesen / sie wolle sich eines andern besinnen; diesen Worten aber vergeben / welche mein billiger Eifer der Feder zu dictiret; und nicht danken vor die erwiesene Ehre und Liebe / sondern dieselbe mir ferner anbefehlen. Ich erwarte mit nächsten ein gütigers Brieflein / dafern ich nicht durch meine Schmertzen angetrieben / eine verzweifelte That vollbringen / und ihr mit dem Werk erweisen soll / daß ich biß in den Tod geblieben / Ihr ewig-getreuer Polyphilus . Nachdem nun der Bote mit dieser Antwort an Macarie abgefärtigt war / und Polyphilus Zeit bekommen /ihren Brief nochmals zu durchsehen / auch seiner Verstossung nachzusinnen / geriete er darüber in solchen Kummer / daß er nichts dann das Grab verlangte. Haben auch / jemals (sagte er) einen sterblichen Menschen / mehr Unglücke zugleich / als mich / überfallen? Die Gnade der Königin ist verlohren / Melopharmis erzürnet / Agapistus getrennet / meine Freyheit geranbet / und nichts mehr übrig / dann das blosse Leben: wann anderst das ein Leben zu nennen ist /welches grössere Schmertzen als der Tod selbsten bringet. Und dannoch lässet sich mein unerbittliches Verhängnus damit nicht vergnügen / sondern auch Macarie / der einige Grund / darauf alle meine Hoffnung gebauet / und der lezte Trost / der meine Betrübnus stillen könte / muß ihre Gunst in Feindschafft /und ihre Liebe in Haß verwandeln? Wie solte ich dann / über der menge solcher Plagen / nicht mein selbst vergessen? und unter dieser Last zu Boden sinken? Ach! mit was vor einer Sünde / habe ich doch diese Strafe verdienet? oder welches Laster hält mich hier gefangen? Leide ich nicht alles / aus Begierde der Tugend / und aus Liebe zu Macarie? Ach! ungetreue Macarie! (denn wie soll ich euch anderst nennen) traget ihr dann kein Bedenken / das Lob aller eurer Tugenden / mit Wankelmut zu beflecken? Nun erkenne ich warhafftig / daß keinem Weibsbild unter dem Himmel zu trauen sey / weil Macarie / das Wonhaus aller weiblichen Tugenden / sich der Unbeständigkeit nicht entbrechen kan. Soll dann / dieser schöne Apffel / einen so heßlichen Wurm beherbergen? Soll diese liebliche Blume / mit so schädlichen Gifft erfüllet seyn? Ist das / Liebste! (last mich doch euch diesen Namen geben / ob ich schon die That bey euch nicht finde) die Standhafftigkeit / die ihr mir so offt versprochen? Ist dieses das Mitleiden / welches ihr mit unsrer Trennung gehabt? Dörfet ihr das Unglück eures liebsten Polyphilus (wie ihr mich falsch genennet) und dessen unbillige Gefängnus also betrauren /daß ihr euch zu seinen Feinden schlaget / und seinen Untergang befördern helffet? Ach unbarmhertzige Macarie! wie hefftig wird euch diese meine Verstossung noch kränken / und wie sehr werdet ihr beklagen / daß ihr dem jenigen das Leben geraubet /dessen einiger Wunsch ist / so lang er selbiges erhält /euch nach allen Kräfften zu dienen. Niemals habe ich euer Gebot überschritten / und wolte auch diesen letzten Befehl / ob er noch so grausam ist / gern vollziehen: möchte nur der erzürnte Himmel / den schwachen Faden / daran meine verschmachtete Seele noch hanget / vollends entzwey reissen / und mit meinem Leben / zugleich euch meiner Liebe befreyen? Aber /ich sehe / daß der Tod vor den jenigen am meisten zu fliehen pfleget / bey welchen das gröste Elend wohnet. Dieser verzweiffelte Schluß bleibet mir noch übrig / daß ich alle Gesellschafft der Menschen verlassen / und eine ungeheure Wüsten zur Wohnung erwählen will. Dann wann ich die wilden Thier nicht erzürne / so beleidigen sie mich auch nicht: Die Menschen aber / ob ich ihnen gleich mit aller Unterthänigkeit diene / unterlassen doch nicht / mich ohne unterlaß zu verfolgen. Alsdann wird meine Macarie sehen /daß ich ihr gehorsamer Diener sterbe / wann ich /ihrem tyrannischen Befehl zu folge / nicht allein ihre /sondern auch aller lebendigen Gegenwart meide / und mich in die Gesellschafft der unvernünfftigen Bestien begebe. Und wie wäre es auch müglich / daß ich ein Mensch seyn / und doch ohne Macarie leben solte? Oder wie könte ich anderes Frauenzimmer anschauen / und die jenige aus den Augen lassen / die so lang darinn verborgen gelegen. Indeme trat Agapistus hinein / deine der Hüter /wiewohl heimlich / diese Freyheit um Geld verkauffet / und wolte / wegen der Botschaft von Sophoxenien / mit ihme Unterredung halten. Polyphilus / so bald er ihn ersehen / fiel ihme mit jämmerlichen Geberden um den Hals / und schrye mit kläglicher Stimme: Ach Agapistus! getreuer Agapistus! bejammert doch / bitte ich / den Untergang eures Polyphilus. Auch die Hoffnung / welche sonst die allerunglückseligsten zu begleiten pfleget / hat mich verlassen / und mir bleibet nichts übrig / als eine endliche Verzweiflung. Er wolte weiter reden / aber die überhäuffte Threnen hielten seine Zunge gefangen / und liessen ihn nichts mehr hervor bringen. Agapistus / über dieser Bezeugung gantz verstarret / fragte mit erschrocknen Worten: hilff Gott / Polyphilus! was vor ein Zufall macht euch also reden? ist vielleicht ein neues Unglück vorhanden / und denkt uns der Himmel weiter / als mit dieser unseeligen Gefängnus / zu quälen? Hierauf überreichte ihm Polyphilus / der Macarie und Melopharmis Schreiben / und sagte: Leset / mein Freund! den Grund meines Verderbens / / und urtheilet alsdann / ob ich nicht unrecht thue / wann ich meine Rede zu was anderst anwende / als daß ich mein Verhängnus beklage / und mein mühseeliges Leben mit dem Tod zu verwechseln begehre? Nachdem Agapistus diese Briefe durchlesen / ward er von Mitleiden gegen Polyphilus dermassen eingenommen / daß er sich des weinens kaum enthalten konte. Er bereuete / daß er ihme den Brief Melopharmis zugeschickt / und hätte er einen so traurigen Inhalt gemutmasset / er würde ihn nicht damit betrübet haben. Aber es war geschehen / und muste er sich vor dißmal stark machen / damit er den Polyphilus trösten kunte. Ich muß gestehen / Polyphilus! (sagte er) daß euer Schmertze groß / und eure Klage billig sey. Allein /man muß deßwegen nicht Hertz und Muht sinken lassen / weil ja noch Artzney wider diese Krankheit vorhanden ist. Ach wohl Artzney! begegnete ihm. Polyphilus. Meine Wunden sind viel zu tödlich / als daß sie von einigem Pflaster solten geheilet werden. Nicht so / Polyphilus / nicht so! versetzte Agapistus. Man soll an keiner Cur verzweiffeln / so lange sich der Kranke des Athems rühmet. Es ist unnötig /euch zu erinnern / daß uns keine Widerwärtigkeit ungefehr begegne: weil ihr in dem Tempel des Glückes gnugsam unterrichtet worden / wie alles das jenige /was wir Glück oder Unglück nennen / von keinem blinden Zufall / sondern von der unwandelbaren / allweisen und gerechten Verordnung des unsterblichen Schöpffers herrühre; Dessen wunderbarer Regirung wir uns billig in Demut unterwerffen / in Betrachtung / daß wir sie doch mit unsrem Widerwillen nicht zu ändern vermögen. Wer seine Waffen gegen den Himmel führet / verletzet sich damit nur selbsten. Ihr habt recht / (widerredte Polyphilus) und habe ich vordessen gemeinet / hierinnen gar viel zu wissen: allein ich muß erfahren / daß die Ubung viel schwerer sey /als die Erlernung. Dann das Unglück wütet so ungestümm wider mich / daß es mir auch alle Hoffnug der Hülffe versaget / und kein verständiges Nachsinnen erlauben will. Das ist Einbildung / (antwortete Agapistus) die euch eure verwirrte Vernunfft vorhält. Worinn bestehet dann eigentlich euer Unglück / Polyphilus! was habt ihr so grosses verlohren? Ich weiß nicht / (sprach Polyphilus) ob ihr mich mit dieser Frage schertzet /oder wie ich selbige deuten soll. Ihr fraget / was ich verlohren: Viel billiger soltet ihr fragen / was ich noch übrig behalten / weilich alles verlohren. Bedenket doch nur / Agapistus! meine vorige Glückseeligkeit / da ich der Königin im Schoß gefessen / und als ihr Erretter verehret wurde; da mich Melopharmis /wie ihr Kind / versorgte; da mich Macarie / als ihre eigne Seele / geliebet. Erwäget hingegen / daß ich nunmehr / nicht allein diese alle mir ungünstig / und theils zu Anklägern habe: sondern auch über das / als ein vermeinter Mörder und Strassenräuber / elendiglich gefangen lige / und täglich ein ungerechtes Urtheil wider mich erwarten muß. Haltet ihr dann dieses alles vor Einbildung? oder fraget ihr noch / was ich verlohren? Freylich frage ich noch: antwortete Agapistus. Dann alles / was ihr biß daher erzehlet / sind fremde und unbeständige Güter / welche uns das Glück nur darum verliehen / damit es solche nach seinem Gefallen wieder zu rück nehmen kan. Hieraus erscheinet / daß ihr das Glück mit unrecht anklaget /weil es euch nichts entfremdet / sondern nur das Seine wieder zu sich genommen / was es euch eine geraume Zeit geliehen / und ihr dafür billich hättet sollen dankbar seyn. Dann daß das Glück unbeständig / solches ist seine Natur / die es euch zu gefallen nicht ändern wird. So lang ihr demnach ein freyes / vernünfftiges und tugendhafftes Gemüt besitzet / (welches das einige ist / das wir unser nennen können /) so lang mag euch / der Verlust solcher äusserlichen und hinfälligen Dinge / so wenig schaden / daß dadurch vielmehr die Tugend / welche in guten Tagen gleichsam begraben /oder zum wenigsten entschlaffen scheinet / wieder aufgemuntert und vermehret wird. Dann ihr habt in dem Tempel der Tugend gelernet / wie derselben Ruhm nicht auf weichen Feder-Betten / sondern durch Dornen des Unglücks / müsse erlanget werden. Wie ein Wasser ohne Bewegung faulet / und ein Eisen ohne Gebrauch rostet: also wird auch die Tugend /ohne die Ubung / unkräfftig / und nicht allein unkräfftig / sondern auch unsichtbar. Dann bry frölichem Anblick des Glückes / kan sich niemand der Beständigkeit rühmen: So lang einer gesund / kan er keine Gedult in Schmertzen erweisen. Und welchem jederman wohl will / der hat keine Gelegenheit / seine Sanfftmut gegen den Feinden sehen zu lassen. Wie die hell-leuchtende Sterne in den tunkelsten Nächten am aller-prächtigsten zu funkeln pflegen / also erscheinet auch die Tugend / mitten in den Stürmen der Widerwärtigkeit / am allerherrlichsten. Ein beständiges Gemüt /das ihme selbsten wohl bewust ist / schwinget sich weit über die gemeine Hertz-Bewegungen / und betrachtet / als unter seinen Füssen ligend / die eitele Mühe der Sterblichen / mit unverändertem Gesicht. Worüber sich andere hefftig zu kränken pflegen / das belachet er: Dann die Güter / welche er vor eigen besitzet / sind keiner Veränderung unterworffen / und bleiben in Glück und Unglück unbeweglich. Wie ein Edler Stein / ob er gleich in den Koth geworffen wird / dennoch seinen Glantz und Kräffte behält: Also behält auch ein edles Gemüt allezeit die Tugend / und bleibet in Dürfftigkeit vermögend / in Verfolgungen sicher / in Gefängnüssen frey / und in allem Unglück glückseelig. Das lässet sich hören! gabe Polyphilus zur Antwort. Aber ihr wisset / Agapistus! daß die Gesetze viel leichter vorgeschrieben als gehalten werden. Muß doch ein Stein letzlich zerspringen / wann er die Gewalt des Hammers gar zu offt fühlet: wie solte dann mein Gemüt bey so vielen Schlägen unbeweglich seyn. Ich habe freylich vermeinet / alles Unglück so wenig zu achten / als ein Felß in der See die Gewalt der Wellen: Allein / nun Macarie wanket / die mein Hertz in ihrer Brust träget / hat selbiges notwendig auch wanken müssen. Hier ist Vorsichtigkeit vonnöten: sagte Agapistus. Ihr habt in dem Liebes Tempel gesehen / wie die Liebe / wann sie nicht auf dem unbeweglichen Grunde der Tugend ruhet / nicht allein unbesonnen / sondern auch verderblich sey. So habt ihr auch die Macarie / nach eurem Vorgeben / bloß wegen der Tugend geliebet. So lang nun dieselbe diesen Ruhm behält / ist es löblich / daß ihr eurem Hertzen in ihrer schönen Brust Herberge suchet. Dafern sie aber weichen und zu den Lastern ausschreiten solte / müsset ihr fürwar solches wieder zurück fordern / wo ihr anderst den Namen eines Tugend-Wer bers erhalten / und nicht unter die Zahl der wollüstigen Liebhaber wollet gezehlet seyn. Ich halte aber Macarie hierinn vor unschuldig / und kan aus ihrem Brief keine Unbeständigkeit schliessen / sondern allein eine Zurückhaltung / oder Verbergung der Liebe: Zu welcher Verbergung sie / durch allerhand verdrießliche Zeitungen gnugsam beursacht worden. Das ist wahr! (versetzte Polyphilus) und habe ich daher desto mehr Ursach / wider diesen Ungerechten zu zürnen / der mich wider alles Recht gefangen hält /und dadurch einen Anfang meines Unglücks gemacht hat. Wann ich das geringste verwürket / so möchte ich mich eher zu frieden geben: aber nun machet meine gäntzliche Unschuld / mich ja billich ungedultig. Die Unschuld (antwortete Agapistus) soll euch vielmehr trösten / als ungedultig machen. Dann / was ist schöner / als ein unverdientes Leiden / welches keine Strafe der Laster / sondern eine Probe der Tugend ist: dadurch nicht allein die aufrichtigen Freunde / so ausser der Noht nicht zu erkennen / sondern auch unsre Sanftmut / Gedult und Beständigkeit offenbaret werden. Zu dem sind wir auch nicht allerdings unschuldig. Ob wir schon keine grobe Laster verübet / können wir uns doch der gemeinen Fehler nicht entbrechen. Da wir auch gleich gegenwärtige Gefängnüs nicht verdienet / so mögen wir es doch wohl auf andere Weise bey dem gerechten Himmel verschuldet haben. Dann die Göttliche Gerichte sind dermassen gerecht / daß sie auch die geringste Sünde nicht ungestrafft hingehen lassen; Und wann wir in denselben sicher sind / gestatten sie bißweilen / daß wir bedränget werden / biß wir durch anderer Boßheit / zur Erkantnis unser selbst und unsers Verbrechens kommen / und in demütiger Reue um Gnade bitten. Diese Worte schlugen dem Polyphilus / gleich wie ein Donner ins Hertz. Denn er erinnerte sich alsobald seiner Sünde / daß er / aus Hochmut / seinen Schäferstand verlassen / und durch Kunst und Tugend groß zu werden / sich dieser und anderer Gefahr freywillig unterworffen hatte. Derowegen liese er einen tieffen Senfzer / und sagte: Hiermit / Agapistus! habt ihr die Scheibe getroffen / und die Quelle gefunden / aus welcher alles mein Unglück fliesset. Freylich bin ich nicht unschuldig / sondern muß gestehen / daß ich aus blosser Hoffart und Ehrgeitz / meinen Schäfer-Stab von mir geworffen / und durch Kuast und Tugend Ehr zu suchen / ausgezogen bin: da ich doch lauter Widerwärtigkeit gefunden / und an statt der ruhigen Freyheit / welche ich in meinem vorigen Stand genossen /diese elende Gefängnus dulten muß. Ja / ja! du gerechter Himmel! ich bekenne / daß deine Strafe billich / und noch viel geringer sey / als ich verdienet habe. Du verübest an mir das Recht der gleichen Vergeltung. Denn an Schäfern habe ich mich verschuldet / und um der Schäfere willen / muß ich diese Strafe dulten. Nun will ich nicht mehr nach der Ursache meines Unglücks fragen / sondern vielmehr dieselbe auszusöhnen und abzubitten bedacht seyn. Aber allergetreuester Agapistus! wie viel bin ich doch eurer aufrichtigen Freundschafft schuldig / daß ihr nicht allein diese Gefängnus / welche ich allein verdienet / so willig mit dultet / sondern auch durch eure vernünfftige Erinnerung / mein verwirrtes Gemüte zu recht gebracht / und von dem Irrweg / darauf es gerahten war /wieder zur rechten Straße geleitet habt. Ach! helffet doch / wehrtester Agapistus! unsere Freyheit befördern / und glaubet / daß ihr hierinnen keinem undankbaren dienen / sondern erfahren sollet / daß ich eure treue Gewogenheit mit aller Gegentreue erwiedern werde. Agapistus über dieser Veränderung höchst erfreuet / sagte: Es ist unnötig / Polyphilus! daß ihr um das jenige bittet / worzu mich die Pflicht meiner Freundschafft schuldig verbindet. Eben deßwegen habe ich von meinem Hüter die Freyheit / euch zu besuchen / erkaufft / daß ich euch von der Königin /welche die Ursach unsrer Gefängnus durch einen jungen von Adel erkundigen lässet / erzehlen / und wegen unsrer Erledigung ratschlagen möchte. Nun ich aber diese Briefe gelesen / dünket mich am nötigsten seyn / daß ihr an Macarie und Melopharmis schreibet / und sie eines bessern unterrichtet. An Macarie (gab Polyphilus zur Antwort) habe ich allbereit geschrieben: An Melopharmis aber zu schreiben / trage ich bedenken / weil der Brief / welchen sie mir geschikt / so Ehrverletzlich ist / daß ich ihn keiner Antwort würdigen kan. Nach eurem belieben! sagte Agapistus. Ich will indessen der Königin / unsern Zustand / durch ihren Gesandten / zu wissen machen /und um Mittel zu unserer Erledigung bitten / im übrigen aber bemühet seyn / daß ich mit dem Landherrn zu reden komme / und / wo müglich / unsre Befreyung auswürke. Mit diesem Vorsatz / nahme er vom Polyphilus Abschied / und kehrte wieder nach dem Zimmer / woselbst er den Boten verlassen: welchem er dann alle Umstände ihres unverhofften Unglücks / und wie unschuldig sie in diese Gefängnus gerahten / richtig erzehlte / mit Bitte / er möchte doch daran seyn / daß Atychintida / durch ein offenbares Zeugnus ihres Wolverhaltens / bey dem Landherrn ihre Erlösung suche. Der Melopharmis aber thäte er verweißlich zu wissen / wie sie / durch ihren verächtlichen Brief / bey Polyphilo / gar nahe einen verzweiffelten Tod solte verursachet haben. Weil dann selbiger / gleich ihnen /an dieser Gefängnus gantz unschuldig / ihr Sohn auch / wie er vor Augen sehe / gesund und ausser aller Gefahr sey: so solte sie sich doch bemühen / den Polyphilus wieder zu begütigen / und ihre Freyheit nach allen Kräfften zu befördern. Diese Botschafft name der Gesandte auf sich / und reisete damit wieder nach Sophoxenien. Agapistus aber erhielte bald nach diesem / durch Hülffe seines Hüters / eine Verhör bey dem Landherrn / und bate denselben gar demütig / daß er doch ihren Ankläger genauer vernehmen / auch weil ja nimmermehr einige Mordthat auf sie zu beweisen wäre /ihre Gefängnus aufheben / und die vorgenommene Reise nicht länger hintern wolte. Er bekame von ihm zur Antwort: Wie daß / wann sie schon an diesem Mord nicht schuldig / er doch / wegen des Polyphilus Trotz und Frefel / gnugsame Ursache hätte / sie gefangen zu halten. Weil auch selbiger vor den Mörder erkennet wäre / als könte er ihn noch nicht loß geben: sie beyde aber möchten immer abreisen / wann es ihnen gefiele. Agapistus sagte hierauf: Wie daß es seine Freundschafft nicht zuließe / Polyphilum zu verlassen / sonderlich / da er seiner Unschuld versichert sey. Hätte er etwas scharff geredet / so wäre es seinem billigen Eifer über die ungerechte Beschuldigung zuzuschreiben / und hätte er hierüber allbereit / in so harter Gefängnus / lang genug gebüsset. Er erlangte aber keine andere Antwort / als diese: Wolten sie nicht ohne den Polyphilus ledig seyn / so möchten sie mit ihme gefangen bleiben. Dieser hönische Schluß gienge dem Agapistus so zu Hertzen / daß er ohne einig weiters Bitten / sich wieder in sein Gemach verfügte / und der Hülffe von Sophoxenien erwartete. Er war aber über den Landherrn so sehr ergrimmt / daß er den Polyphilus in der Ungedult fast abzulösen begunte. Als dieser solches durch den Servetus erfahren / konte er nicht anders /als auf gleiche Wunden / gleiches Pflaster legen. Darum er ihm / seine Ungedult ihm zu verweisen /folgende Zeilen zuschickte. Was ist die Ursach doch / mein treuer Agapist! Daß du so hart und vest anietzt verschlossen bist? Was gilts / ich treff es recht: weil du nit wilt verlassen Den Freund Polyphilus / und seine Weise hassen. Das ist die erste Frucht / die dein Verbündnus trägt / Daß dich das scharffe Recht verschlossen niderlegt. Du taurest mich! doch nein / du hast es wol verdienet / Weil du / durch deinen Raht / zu führen mich erkühnet. Drum solt du dir / nicht mir / beymessen diese Schuld / Daß du verschlossen wirst. Mein! trag es mit Gedult. Und denke / daß auch dir dein Leiden wird versüssen / Wann meine Macaris wird deinen Jammer wissen. Und daß ihr Bote leid / Polyphilus sein Freund / Mit dem es Agapist so hertz-getreulich meint / Wie wider er mit ihm. Drum leid er gleiche Strafen: Damit er auch mit ihm könn gleiche Freyheit schaffen. 6. Absatz Sechster Absatz Macarie wanket / zwischen Freyheit und Liebe /spaziret ins Feld / und entschliesset sich vor die letzere. Ihre Baum-Schrifft hiervon / und das Gespräche hierüber mit dem Eusephilistus / der darzu gekommen. Sie bekommt das Schreiben des Polyphilus / ängstet sich darüber / und tröstet ihn mit einem Antwort-Brieflein. Agapistus beruhigt inzwischen sein Gemüte / und entschleust sich / der bekehrte Schäfer zu werden. Nun wollen wir unserem Gefangnen noch eine kleine weile die Gedult befehlen / biß wir sehen / was Macarie vorgenommen. Dieselbige empfande / nach dem sie an den Polyphilus geschrieben / einen stetigen Streit in ihrem Gemüte / zwischen Zorn und Gunst /zwischen Tugend und Liebe / und war ungewiß / welchem von diesen beyden sie sich gefangen geben solte. Dann ob gleich die Vernunfft der Tugend beystunde / und ihre Stärcke vermehrte: so unterstunde sich doch das Gedächtnus / der Liebe so heimlich die Pforten zu öffnen / und den Willen so subtil auf ihre Seiten zu bringen / daß der Sieg immer zweifelhafft stunde / und sich auf keine Seite völlig lenken wolte. Endlich behielt sie diesen Vorsatz übrig / daß sie entweder den Polyphilus / oder gar keinen / zu ihren Liebsten erwählen / solches aber ihme nicht offenbaren / sondern seiner Liebe so lang mit Vorsichtigkeit begegnen / und auf seine Handlungen ein wachsames Aug behalten wolte / biß sie sehe / wohin selbige ausschlagen würden / wornach sie dann ihre Meynung richten / und entweder eine ehliche Verbündnus / oder ewige Einsamkeit beschliessen könte. In solchem Vorsatze verfügte sie sich / als einst der Himmel der Erde einen viel angenehmern Tag geschenket / als bey damals-angehender Winter-Zeit zu hoffen war / auf das Feld: der Lieblichkeit des Wetters / von welchem man keine Beharrlichkeit fordern kunte / zu geniessen / und nach so lang verkerkerter Einsamkeit / frische Lufft zu schöpffen. Sie gienge /nach ihrer Gewonheit / von niemand als ihren Gedanken begleitet: betrachtende / bey den tod-färbigen falben Feldern und kahlen Bäumen / die Unbeständigkeit der Natur / und aller derer Dinge / welche ihr unterworffen sind. Diese Felder / (sagte sie bey ihr selbst) die vor wenig Monaten gleichsam mit den schönsten Tapeten belegt waren / scheinen nun erstorben; und die Bäume / die mit ihren grünen Haaren /den Hirten Schatten / und dem Geflügel Wohnung gegeben / stehen entlaubet. Auch der Himmel / welcher heute fast wider die Ordnung der Zeit / sich so schön aufgekläret / mag wohl morgen mit schwartzen Wolken verhangen / und voller Schneeflocken zu sehen seyn. Und dieses ist der Wechsel der Natur / den sie ohn unterlaß in allen Sachen treibet / und dadurch eines auf das ander untergehen / dieses wachsen und jenes verderben / heisset. Wie töricht handeln dann wir Menschen / wann wir vermeinen uns solcher Ordnung zu entziehen / von der Natur auszuschliessen /und in stets-wärendem Wolstande zu leben! da doch alles / was wir an und unter dem Himmel sehen / von dieser Veränderung getrieben und erhalten wird. Und warum kommet dann auch mir (fuhre sie fort) so entsetzlich vor / daß ich / wegen der Liebe zum Polyphilus / einige Widerwärtigkeit dulten muß? welche Rose wird ohne Dornen / und welche Liebe wird ohne Schmertzen gefunden? Nicht allein die Liebe / sondern auch alles andere / träget einen verborgnen Unlust bey sich / und ist nichts so angenehm / daß nicht einen heimlichen Verdruß mit sich führet. So gar auch die Einsamkeit selbsten / welche ich doch seithero /als eine Besiegerin der Furcht und Hoffnung / verehret / kan dem Namen der Eitelkeit und des Elendes nicht entfliehen: sondern muß bald an aufrichtiger Freundschafft / bald an notwendiger Beschützung /Mangel leiden. Es hat ja die edle Liebe / welche vor der Zeit gewesen / und nach der Zeit seyn wird / Natur und Welt erschaffen / und alles / was gewesen / was ist / und was kommet / wird durch ihre Krafft unterhalten. Diese / wann sie nicht eine unkeusche Brunst törichter und lasterhaffter Gemüter / sondern eine reine Entzündung der Hertzen ist / welche sich auf die Vernunfft gründet / und von der Tugend begleitet wird / mag so dann billig eine heilige Bewegung und himmlische Eigenschafft genennet werden. Und ob man gleich / bey solcher / gleich wie auch bey andern Tugenden / viel Anstöße leidet: so soll man sich doch deßwegen an so löblichem Beginnen nicht hintern lassen. So lang nun auch Polyphilus der Tugend nachfolget / soll mich keine Verdrießlichkeit von seiner Liebe trennen: Ob ich gleich dieses verheele / damit er von Sicherheit abgehalten werde. Dieses waren damals der Macarie Gedanken / welche sie dem Baum /darunter sie stund / anvertrauet / und mit diesen Versen in seine Rinde schnitte. 1. Dieses grosse Rund der Erden / samt dem schönen Himmels Liecht / Hat die Liebe zugericht. Alles / was man sihet nur / ist aus Liebe hergeflossen / Und von diesem Gut entsprossen / Dessen Krafft die gantze Welt Durch die Lieb verbunden hält. 2. Daß das grosse Heer der Sternen / von der übermühten Nacht / Täglich wird hervor gebracht; Daß der Silber Mond entweicht / wann der güldne Sonnen-Wagen bringt den Tag hervor getragen; Daß der Elementen Streit Nicht zerstört die Einigkeit; 3. Daß sich füget naß und trocken / Kält und Wärme sich gesellt; Daß der Lentz bestreut das Feld / Mit der bunten Blumen Zier; daß des Sommers heisse Stralen / Dörren das Getreyd / zum mahlen; Daß der Herbst uns bringet Speiß / Und der Winter Kält und Eis: 4. Diese Ordnung hält die Liebe / als am Zügel / in der Hand Vest verknüpfft mit ihrem Band. Solte sie / nur einen Tag / die Verwaltung fahren lassen / So würd alsbald Streit und hassen Unter diese reissen ein / Die so stark verbunden seyn. 5. Darum seelig sind die Menschen / wann sie diese Liebe führt / Die des Himmels Bau regirt. Laß mich auch / O Herrscherinn! stäts geniessen deiner Gnaden / Und laß mir kein Ubel schaden. Halt / mit deiner starken Hand / Vest ob meinem Liebes-Band. Eben hatte sie diese Arbeit verfärtigt / und wolte weiter gehen / als sie von fern jemand reden hörte. Nachdem sie sich umgesehen / befande sie / daß es Eusephilistus / mit noch zwey andern von Soletten wäre: welche gleichfalls / dem Wetter zu gefallen / einen Spazirgang erwehlet hatten. Macarie / wie sehr sie über dieser Ankunfft erschrocken / muste doch / weil sie seinen Augen nicht mehr entweichen kunte / ihm entgegen gehen: solches thäte sie um so viel geschwinder / weil sie dadurch verhoffte / den Eusephilistus von dem Baum und ihrem Gedichte abzuleiten. Aber dieses war vergebens: weil Eusephilistus sie /nach Art der Verliebten / viel eher / und also noch im Einschneiden / ersehen hatte. Eilete er demnach stark auf sie zu / und als er sie freundlich empfangen / sagte er: So glükseelig / schönste Macarie! als ich ietzt bin / zu werden / hätte ich mir heute nicht zutrauen dörffen. So haben wir beyde (versetzte Macarie) dem gütigen Himmel vor einen anmutigen Tag zu danken. Ich danke demselben / (antwortete Eusephilistus) nicht nur vor den erwünschten Tag / sondern auch vor Macarien erfreuliche Gegenwart: dafern ich nur nicht /durch meine verdrießliche Gesellschafft / ihre Gedanken verstöre! Allzuwahr! gedachte Macarie / sagte aber wieder ihm: Meine Gedanken können wohl so lang zu rücke stehen / biß ich müsige Zeit habe / ihnen Gehör zu geben / und sind so notwendig nicht / daß sie mich von eines Freundes Gespräch abhalten solten. Aber wohl so heimlich / (widerredte Eusephilistus) daß man sie nicht offenbaren wird / es sey dann / daß jener Baum aus der Schul schwatze. Macarie / als sie sahe / daß sie verrahten war / gab zur Antwort: Wann sie heimlich wären / würde ich sie keinem Baum vertrauen / der sie jederman vorzeiget. Und weil ich sie öffentlich geschrieben / als werde ich keinen das Lesen verbieten. So bedanke ich mich dann / vor die günstige Erlaubnus! versetzte Eusephilistus / und gieng damit / wie ungern es auch Macarie sahe / zu dem Baume / und sagte / nachdem er die Verse gelesen: Das ist eine freye Bekäntnus / kluge Macarie! Aber wer ist der Glückseelige / welcher sie in seinem Liebes-Band führet? Macarie fieng an zu lachen / und sagte: das weiß ich selbsten nicht! Es ist diese Arbeit nicht mein / sondern ein fremdes Gedicht / welches ich jüngst ungefehr gelesen / und theils zu erfahren /ob ich es völlig behalten / theils auch die Zeit zu vertreiben / allhier eingeschnitten habe. Wann gleich dieses wäre / (begegnete ihr Eusephilistus) wie ich ihr dann alles gern zu gefallen glaube: so erscheinet doch / daß sie hieran Belieben getragen /weil sie es so färtig behalten / und desselben Innhalt Beyfall gibet. Dem gantzen Inhalt / (antwortete Macarie) gebe ich Beyfall / biß auf die letzten Zeilen: welche ich dem Dichter nicht ändern oder nehmen dörffen / ob sie mich gleich nichts angehen. Und warum hält sie dann (sagte Eusephilistus) ein solches liebes Band vor sträfflich? Zwar nicht vor sträflich / (redte Macarie dagegen) doch vor sehr bedenklich: sonderlich bey mir / die ich in dem Gelübde einer stetigen Einsamkeit stehe. Findet sie dann / (fragte Eusephilistus ferner) in der Einsamkeit solche Ergötzung? Freylich / (war die Antwort Macarie) halte ichs vor ein edles Leben. Ey! (sagte Eusephilistus) so nehme sie mich dann auch in ihre Einsamkeit / und mache mich solcher Vergnügung teilhafftig. Alsdann würde sie keine Einsamkeit mehr seyn / (versetzte Macarie) sondern eine Gesellschafft werden / die seine Liebste zu eiffern bewegte. Ich erwähle / (antwortete Eusephilistus) keine Liebste / sie gleiche dann der Macarie. Und weil ich eine solche nirgend finde / wird sich entweder Macarie über mich erbarmen / oder ich werde ewig ohne Liebste bleiben. Beedes ist unnötig! (sagte Macarie hinwieder) er ergreiffe das dritte / und erwähle eine vollkommenere / als Macarie ist. Die begehre ich nicht / (begegnete ihr Eusephilistus) und würde sie auch nicht antreffen. Demnach lebe ich der Hoffnung /sie werde / mit diesem rauhen Winter / ihr hartes Gemüt ablegen / und künfftigen Früling / da sich alles zu paaren pfleget / auch meine Liebe glückseelig machen. Ich stelle es dahin: (war Macarien letzte Rede) noch zur Zeit aber habe ich es nicht im Willen. Mit diesen gelangten sie vor ihre Behausung / dahin sie Eusephilistus begleitet hatte: Da sich dann Macarie vor die Ehre der Begleitung bedankte / mit Bitte /ihrem schertzhafften Gespräche zu vergeben; und Eusephilistus / als er sahe / daß sie ihn nicht mit einzutretten nötigte / bate seiner Wenigkeit günstig zu gedenken / und name damit seinen Abschied. Hierauf verfügte sich Macarie auf ihr Zimmer / und fande daselbst den Boten mit des Polyphilus Brief /auf sie warten. Nachdem sie den Brief erbrochen / und über dessen Innhalt nicht wenig erschrocken war /fragte sie den Boten / um des Polyphilus Zustand? Als nun derselbe alle Umstände erzehlte / und wie er / mit jedermans Zeugnus / so gar unschuldig in diese Gefängnus gerahten / fragte sie ferner: wie hat er sich dann / auf meinen Brief / angestellt? Er ist / (antwortete der Bote) nachdem er selbigen durchlesen / in eine so starcke Ohnmacht gefallen / daß man ihn lang vor tod gehalten; und nachdem er mit grosser Mühe /wieder zu recht gebracht worden / hat er eine jämmerliche Klage geführet. Macarie / die dieser Erzehlung mit erschrocknem Gemüte zugehöret / hieße den Boten sich folgenden Morgen bey ihr wieder anmelden / da sie ihm eine Antwort mitgeben wolte. Der Bot bate / daß sie einen Brief schreiben wolte / der ihn frölicher machte / als der erste: welches sie ihm versprache / und ihn damit von sich ließe. Hierauf überlase sie noch etlichmal das Schreiben /und wurde theils von Liebe / und Mitleiden / theils auch aus Zorn über seine hefftige Anklage / so verwirret / daß sie keine Speise zu ihr nehmen konte /auch nicht wuste / was sie antworten solte. Ich sehe wohl / (sagte sie) daß mein heutiger Vorsatz / um des Polyphilus Liebe willen etwas zu leiden / doppelte Früchte träget / sowohl wegen der verneurten Liebe des Eusephilistus / als auch wegen der hefftigen Anklage des Polyphilus. Wo nimmet aber dieser die Künheit her / mich also härtiglich zu besprechen? Was vor ein lasterhafftes Beginnen gedenket er mir aufzubürden? und um welcher Untreu willen / ruffet er den gerechten Himmel um Rache an? Unbilliger Polyphilus! Ist diß die Belohnung meiner Aufrichtigkeit / daß ihr mich zu einem Fürbilde der Falschheit vorstellet? Ach! so habe ich meine Liebe übel angelegt. Allein / Macarie! du must diesen Brief ansehen /als ein Bild der Verzweiflung / und die Abbitte / die er seinem billigen Eifer zum Beschluß anhänget /etwas gelten lassen. Tobet doch das Unglück so hefftig wider seine Liebe / daß du vielmehr Mitleiden mit ihme haben / als auf der Königin Verhetzung / ihn mit einen so ungedultigen Brief weiter beleidigen sollen. Ach! liebster Polyphilus! wie sehr wird diese ungerechte Gefängnus dein ehr-begieriges Hertz betrüben? daß ich doch dieselbe aufheben / oder vor dich ausstehen könte? Aber was wünsche ich Unmüglichkeiten? Ich will vielmehr versuchen / ob ich dich durch ein Trost-Brieflein aufrichten / gleichwol darbey deine unbillige Anklage straffen / und meine Unschuld verteidigen könne. Dergestalt schwebte Macarie zwischen Zorn und Liebe / und ward bald hieher / bald dorthin getrieben: und in solcher Verwirrung schriebe sie dem Polyphilus diese Zeilen. Ungedultiger Polyphilus! Ob ich wohl billich Bedenken trage / euch mit meinen verhassten Briefen zu beunruhigen / in Ansehung /daß dieselbe / nach eurer Auslegung / nichts dann gleißnerische Larven / gefärbte Worte / und entlehnete Freundlichkeit in sich halten: so hat mir doch /theils eure Bitte / welcher ich auch bey eurem Haß nichts versagen kan / theils aber meine nötige Verantwortung / mir dieses Brieflein abgedrungen. Saget mir demnach / mein Polyphilus! womit habe ich euch beleidigt? worinnen habe ich meine Zusage gebrochen? welche Missethat soll der Himmel an mir straffen? Leget mir mein Unrecht vor / und stellet mir mein Verbrechen unter Augen: so soll der Höchste die Strafe / zu welcher ihr mich verdammet / unverzüglich vollziehen; oder ich werde Gelegenheit haben / meinen Fehler zu entschuldigen / oder wann er sich nicht entschuldigen lässet / abzubitten. Haltet ihr mich aller der angestrichnen Falschheit / boßhaften Untreu / und sträfflichen Betrübung / wie ihr mich anklaget / schuldig: Warum unterlasset ihr dann nicht / ein so lasterhafftes Weibsbild ferner zu lieben? Und warum wollet ihr den Namen der Tugend mit ihr verlieren? Sprechet ihr mich aber von solchen Ubelthaten frey / so verübet ihr ja Tyranney / und gebrauchet euch gegen mir einer unverdienten Grausamkeit. Welches ist dann nun meine Sünde? Nehmet ihr meine nötige Vorsorge so empfindlich auf? dörfet ihr mein unschuldiges Schreiben / darinn ich mich nach der Belohnung eurer Tugenden / und Aufhebung aller Widerwärtigkeit gesehnet / mit so zornigen und verhassten Schelt-Worten abstraffen? wie soll ich dann hoffen / daß ihr diese Verantwortung aufnehmen werdet? O du unglückseeliger Brief! mit was zornigem Gesicht wirst du empfangen / und mit was vergalltem Hertzen wirst du gelesen werden? wie werden die onst-schönen Hände /welche auch die allerbeständigsten Gemüter zu festeln und zu binden vermögen / dich in tausend stücken reissen! Aber seyt zu frieden / Polyphilus! und lasset mich mein Verbrechen wissen: was ich euch zugesagt / werde ich unverbrüchlich halten / und sollet ihr von mir / nimmermehr ein Beispiel der Falschheit lernen. Habe ich jemals gesagt / daß ich euch liebe / so sage ichs noch / und werde es allezeit sagen. Ich weiß auch / daß aus meinem Brief das Gegentheil nicht zu erzwingen seyn wird. Daß ich mich aber solche Liebe / mit euch / in Schimpf und Schaden soll verleiten lassen: solches hat eure Höflichkeit nie gefordert /und davon redet mein Brieflein. Aber ich befürchte /mit meiner verdrießlichen Feder eure Gedult zu erzürnen / und euren Haß gegen mich zu häuffen. Will derowegen schliessen / und euer Gedächtnus (dafern ihr anderst demselben erlaubet / in einer vermeinten so lasterhafften Seele zu wohnen) noch ferner zur Versüsserin meiner Einsamkeit wählen. Diese wird offenbar erweisen / daß ich (wider euer ungerechtes Zeugnus) ewig verbleiben werde / Eure gantz ergebne Macarie . Polyphilus hatte inzwischen / auf des Agapistus Erinnerung / und selbst Erkäntnus seines Irrtums / eine gantz andere Art zu leben zu führen angefangen. Dann da er vormahls den Zorn / die Ungedult / Rachgier und Verzweiflung / sich regiren lassen / begunte er anjetzo der Sanfftmut / Freundlichkeit und Zufriedenheit Gehör zu geben / und wuste nicht / wie er dem Himmel gnugsam danken solte / daß er sein Gemüt von diesen aufrührischen Begierden befreyet /und in eine friedsame Sicherheit gesetzt hatte. Wie habe ich (sagte er) bißher in einer gefärlichen Torheit geschwebet / und wie hat die Mutter aller Laster / die höllische Hoffart / meine Sinne verblendet / daß ich das waare Gut eines ruhigen und vergnügten Gemüts verlassen / und hingegen dem betrüglichen Schatten der Ehre und Hoheit nachgetracheet! da doch die Staffeln / auf welchen man zu den Wolken der Herrlichkeit steiget / so gebrechlich / daß ihrer wol zehen den Hals brechen / ehe einer die Spitze erreichet. Und da gleich das Glück einem so geneigt wäre / und / an statt der zerbrochnen Sprössel / seine eigene Hände unterstützte: so wird doch derselbe erst auf den höchsten Hügeln erfahren / daß nicht allein stürmende Winde und allerhand schädliche Lüffte / sondern auch Blitze und Donnerschläge seine hoffärtige Begierden verfolgen / und durch ihre Gewalt zu zerstücken suchen. Das stärckste und beständigste paar Füsse unsers Vorhabens / ist die edle Demut: Je höher sich die Gedanken davon entfernen / je näher sie dem Fall und Unglücke kommen. Wohl dann dem Menschen / der seine Hoffnung weiß einzuschränken / mit dem gegenwärtigen vergnügt lebet / und dem jenigen nicht nachtrachtet / was schwer zu erlangen / und sorgfältig zu erhalten ist! Ich / nachdem ich durch den Fall klüger worden / gelobe / dem gnädigen Himmel / so bald er mich dieser Gefängnus befreyen / und mit meiner Macarie versöhnen wird / alles Verlangen nach Hoheit und Würde aufzuopffern / und nicht allein meine Herde wieder zu führen / deren ich zwar mich durch die sträfliche Verlassung unwürdig gemacht / sondern auch / der Macarie Liebe ferner zu geniessen / in der Solettischen Gegend eine Krufft zu erwehlen / und das jenige / was ich an Tugend und Kunst / mit so grosser Mühe bißher gelernet / in dem ruhigen und glückseeligen Schäffer-Orden zu üben und zu vermehren. In diesen Gedanken griffe er zur Feder / und schriebe nachfolgendes Gedicht. 1. Wer hat doch des Menschen Geist diesen Irrtum eingegraben? Und von wannen ist es kommen / Daß man / da im nidern Stand guten Fried man könte haben / Mitten in der Zahl der Frommen / Dennoch / aus verkehrtem Sinne / die Gedanken höher schwingt / Und / viel grosses zu erreichen / blind in sein Verderben dringt? 2. Hat dann nicht die erste Zeit / da man lebt in grünen Auen / Und bey Kräutern an den Flüssen / Da man weit von Uppigkeit war in schlechter Tracht zu schauen / Ubertroffen unser wissen? Alles / was wir zu erfahren reisen über See und Land / Komt von jenen weisen Alten / und uns lehret ihr Verstand. 3. Bloß von Hoffart komt es her / daß man sich nicht läst vergnügen. Diese Pest der eitlen Hertzen Feüret die Begierden an / daß sie biß zu Sternen fliegen / Und erwählen tausend Schmertzen. Sie verblendet das Gemüte / mit dem Glautz der Herrlichkeit: Biß es / durch den Fall bezwungen / seine Torheit spat bereut. 4. Besser ist der Hirtenstand und das freye Schäfer-Leben / Wo die Ruh und Unschuld wohnet. Hoheit / ist der Sorgen Platz: wer sich diesem Tand ergeben / Wird mit Unglück abgelohnet. Laß dem Ehrgeitz Städt und Schlösser! gnug / wann ich die Demut hab. Kunst und Tugend wird gerühmet / hängt sie gleich am Hirten-stab. 5. Wird des Himmels Gnaden-Schluß endlich mir die Freyheit schenken / Und vertilgen diese Straffen: Will ich / wie ich schon gelobt / mich zur Heerde wieder lenken / Und fort spielen bey den Schafen. Deine Wol that / grosser Herrscher! soll verehren mein Gedicht: Laß mich leben diesen Orden / mit Macarie / verpflicht. 7. Absatz Siebender Absatz Polyphilus empfähet der Macarie Schreiben / und forschet / durch ein anders / nach ihrer Treue. Er wird vom Agapistus und Tycheno besuchet: Denen er sein Vorhaben entdecket / und das Schäfer-Leben so preislich vorstellet / daß sie / mit ihme in diesen Stand zu tretten / sich verloben. Dergestalt kürtzte Polyphilus die Zeit / in seinem Gefängnüs / biß er von dem Boten / der Macarie Brief /und mit demselben nicht eine geringe Erquickung / erhielte: wiewohl der Zweifel / welchen er / wegen des vorigen Briefs / in ihre Treu und Beständigkeit gesetzt / noch immer sein Gemüt plagte / und durch diese Antwort nicht gedämpfet / sondern vielmehr ernehret wurde. Dann ob ihn gleich die Freundlichkeit /mit der sie ihr erstes Schreiben auszusöhnen gesuchet / tröstete / so erweckte doch / die Vergessenheit ihrer Zusage / einen neuen Argwahn: daß er also nicht wuste / was er hoffen oder fürchten solte. Er überlegte den Brief die Länge und die Quäre / und kunte doch nicht finden / was er suchte. Wie bin ich doch so übel daran! sagte er mit einem tieffen Seufftzer. Wann ich einen Zweiffel abgeschnitten / so wachsen / wie bey jener erdichteten Wasser-Schlange / unzehlige andere wieder hervor / und machen mir die Uberwindung schwerer. Aus etlichen Worten kan ich anders nichts schliessen / als Liebe und Beständigkeit. Hingegen machen mich andere so furchtsam / daß ich nicht anderst gedenken kan / als daß sie / mit ihrem Versprechen / auch meiner selbst vergessen / und mich mit einer listigen Freundlichkeit abzuweisen gesonnen sey. Aber! was soll ich machen? ich muß zu frieden seyn. Doch will ich versuchen / ob ich durch dieses Brieflein eine freye Bekäntnus heraus locken / und mich ihrer Treue versichern könne. Also verfertigte er also nachgesetzte Antwort. Tugend-gezierte Macarie! Ob mich wohl das Unglück meiner Verschliessung billig abhalten solte / mit gegenwertiger Erinnerung /dero befreyte Frölichkeit zu verhintern: so hat mich doch / die tragende Sorge ihrer Vergessenheit / wider Willen gezwungen / die ungebundene Freyheit meines Gemütes / durch diese Zeilen / ihr vorzulegen. Dann so gar achte ich dessen allen nicht / daß ich unverschuldet die Gesellschafft der Menschen meiden muß / daß ich vielmehr eine Verlängerung dieser ruhigen Einsamkeit verlange: Zumal sie mir die verlangte Gelegenheit schenket / meiner unglückseeligen Liebe unverhintert nachzusinnen. Betreffend ihr letztes Schreiben / ist mir selbiges so angenehm gewesen /daß es mir vielmehr den vorgehenden unseeligen Brief / als diesen / in tausend Stücke zu zerreissen befohlen. Wiewohl ich auch jenes mir nicht gebieten kan: Angesehen derselbe / gleich andern / durch die schöne Hände verfärtigt worden / welche mein Hertz ihr verbunden / und meine Freyheit gefangen genommen. Ich nehme auch die Entschuldigung an / die die Belohnung meiner Treue und Aufhebung aller Widerwärtigkeit einwendet: dafern sie nur ihrer Höflichkeit nicht zu viel nachgegeben. Die Vergessenheit aber ihres Versprechens / so mir der Befehl / ihr solches wißlich zu machen / entdecket / heisset mich noch immer zweiffeln / daß sie mich lieben / ausser mir sonst keinen lieben / ja mich biß in den Tod lieben wolle. Ich will zwar keine Grausamkeit gegen ihr üben / noch sie vor ein lasterhafftes Weibsbild / (welche ihre Worte ich mit Schrecken gelesen) anklagen: sondern ich suche vielmehr / mit einem solchen Tugendbild vertrauet zu werden / die / vor angestrichene Falschheit / ein aufrichtiges Hertz / vor boßhaffte Betrügung / hertzliche Liebe / und vor sträfliche Untreu /treue Beständigkeit / der gleich-beständigen Treue zur Belohnung gebe; Und ware keineswegs vonnöten /entweder den Fehler des Versprechens zu einer Strafe zu verdammen / oder fein Verbrechen zu entschuldigen / vielweniger abzubitten. Aber / liebstes Hertz! wie darff sie mich eines Hasses beschuldigen / da ich / was ich gethan / aus Zwang der erhitzten Liebe thun müssen? Zwar bekenne ich gar gern / daß ich meine Schrifften nicht mit gleißnerischen Larven / gefärbten Worten / und entlehnter Freundlichkeit anstreiche oder ausfülle / deßwegen ich solche auch nie bey ihr gesuchet / ob sie meine Auslegung gleich dahin drehen will: sondern ich rede / wie ich denke / und verlange / daß man mit mir auch also rede. Woher soll ich aber solches hoffen / oder schliessen? Sie spricht: Was sie mir zugesagt / werde sie unverbrüchlich halten; habe sie jemals gesagt / daß sie mich liebe / so sage sie es noch / und werde es allezeit sagen: Ja sie verschreibt sich / daß sie jederzeit bleiben werde / meine gantz-ergebne Freundin Aber sind dieses nicht Verführungen? Ists nicht eine List und verbottene Klugheit / die durch ein betrügliches Versprechen grössere Hoffnung würcket / als der Ausgang bewähren mag? Ein Einfältiger gläubt das wohl; und wie ich einfältig bin / also hab ichs bißher gegläubet: Aber ihre Klugheit hat mir die Augen meines Unverstands eröffnet / daß ich nunmehr den gäntzlichen Betrug greiffen kan. Ist ihre Liebe so beschaffen / wie sie scheinet / warum verlöschet sie so bald? Eine Freundschafft / so ehliche Bande knüpffen soll /leidet in Warheit das Wort nicht: Ich will die Widerwärtigkeit mit Gewalt aufheben / und zwar durch eure Verlassung; Ihr werdet künfftig meine Gegenwart meiden / (O unerträglicher Befehl!) und euren Begierden ein rühmlichers Ziel setzen; meine Vergessenheit / wird bey euch Vergebung erhalten; ich bedanke mich vor alle Liebe / Ehre / und Freundschafft / etc. Was dienet mir dann eine unthätige Liebe? Was / eine beständige Freundschafft / die nicht die Herzen aufs genäuste verbindet? nichts dienet sie mir / und ich habe solche auch nie begehret. Aber mich ihr / und sonst keiner / zu vertrauen / und zu eigen zu geben /das ist mein Schluß. Sie verzeihe mir / Allerliebste! daß ich so hefftig rede: es zwingen mich hierzu die Worte / damit sie mein Zeugnus / als ungerecht verdammet / weil aus ihrem Brief kein Widerspruch der Liebe zu erzwingen sey. Ach mein Hertz! solte ich erzwingen wollen / würde die Zayl derer / die sich freywillig darbieten / nur so viel grösser werden. Es sey aber / wie ihm sey / so wil ich dennoch nicht schliessen / daß sie eine lasterhaffte Seele habe; und mein Gedächtnus seelig schätzen / dafern es bey ihrer Tugend bestehen kan. Ich will mich auch im Gegentheil bemühen / ob ich die Vortrefflichkeit ihrer Würde / in meinem Hertzen also ehren und bewürden könne /daß sie sehe / wie weder mich / noch sie / die gesuchte Liebe in Schimpf und Schaden verleiten mögen. Komme ich nur aus diesem / daß ich freye Hand habe / zu thun / was mein Sinn verlanget: so wird das Leid meiner unschu dig erlittenen Strafe / mit desto grösserer Freude bekrönet werden / welches mir der gerechte Himmel / durch die Gewißheit meiner Unschuld zusaget. Im übrigen / lasse sich meine Schönste durch keine falsche Reden betrüben / sondern liebe mich / mit solcher Liebe / wie ich sie liebe: der ich mich verpflichte / in Leid und Freud / Noth und Tod / sie nicht zu verlassen / sondern ewig zu bleiben / Ihr gantz eigner Polyphilus . Eben wolte Polyphilus diesen Brief schliessen / als Agapistus und Tycheno ihn zu besuchen kamen: da dann / nach abgelegter Begrüssung / Agapistus alsbald fragte / an wen er diesen Brief schreibe? An Macarie! antwortete Polyphilus: überreichte ihm damit ihr Schreiben / neben seiner Antwort / solche zu lesen. Agapistus / nachdem er den Innhalt verstanden / gab diese Briefe mit Lachen wieder zu rück /und sagte: Es muß doch wahr seyn / daß die Liebe nicht ohne Streit seyn kan. Aber ist Macarie listig / so ist Polyphilus vorsichtig; beede verdienen den Ruhm der Klugheit. Mir kommet gleichwol euer Schreiben /mein Polyphilus / zimlich behertzt und scharff vor. Die Noht (versetzte Polyphilus) zwinget mich / behertzt zu seyn; und wann ich auch Vorsichtigkeit hätte / würde mir die / bey einer so klugen Widersacherin / wohl zu statten kommen: Allein / weil die Liebe nicht gern die Vorsichtigkeit zur Gefärtin hat /wird sie bey mir schwerlich anzutreffen seyn. Als er indessen den Brief verschlossen / übergab er solchen dem Boten / mit Befehl / selbigen / so bald es müglich / an Macarie zu überbringen. Nachdem dieser abgefärtigt / wendete er sich gegen Agapistus / und sagte: Was machen wir dann / mein Freund! und wer erlöset uns endlich aus dieser Gefängnus? das weiß ich fürwar nicht! (begegnete ihm Agapistus) es sey dann / daß die Königin und Melopharmis Mittel zu unsrer / und ihres Sohns Freyheit erfinden. Nun / das wollen wir erwarten / (antwortete Polyphilus /) und indessen frölich seyn in guter Hoffnung: damit wir die Freyheit unsrer Gemüter / auch mitten in der Dienstbarkeit / sehen lassen. Ich bin entschlossen / so bald mich der gnädige Himmel aus diesem Kerker erlösen wird / alle Begierde nach Ehre und Hoheit fahren zu lassen / und die übrige Tage meines Lebens / in dem glückseeligen Schäfer-Orden zu verschliessen. In dem Schäfer-Orden? fragte Agapistus. Was rühmet ihr dann an solchem Stand / und worinn bestehet seine Glückseligkeit? In Ruhe und Vergnügung / (gabe Polyphilus zur Antwort /) welche zwar alle Menschen in dieser Sterblichkeit verlangen /der wenigste Theil aber erlanget: weil sie solche nicht daselbst suchen / wo sie zu finden / sondern diese köstliche Perle / bald auf den Bergen der Ehre und Herrlichkeit / bald in den Dornen des Reichtums /bald in den Sümpffen der Wollust anzutreffen vermeinen / und nicht gläuben / daß sie in den verächtlichen Austern des Schäferstands verborgen ligen. Da doch viel Häupter und Beherscher der Welt / weil sie in ihrem kostbaren Purpur / und prächtigen Palästen /weder Ruhe noch Vergnügung gefunden / solcher Glückseeligkeit in den schlechten Hirten-Hüttlein nachgeforschet / und ihren mühsamen Zepter mit dem ruhigen Schäfer-Stab zu verwechseln getrachtet. Was ist doch glückseeliger / als ein Schäfer? der ein stilles und schön-beblümtes Feld / dem unmüsigen Getümmel der Städte / und einen schattenreichen Wald / denen hohen Gebäuden und Dächern der Sorgen vorziehet? der keiner Ehre nachtrachtet / als die aus der Tugend entspringet; keine Ergetzlichkeit suchet / ausser / die die Freude des Feldlebens gebieret /und ein vergnügtes Gemüt / vor der gantzen Welt Reichtum erwählet? Der nur dem gerechten Himmel /und keinem Tyrannen / gedenket zu dienen; Der seine edle Freyheit ungleich grösser schätzet / als die guldene Fußeisen der Hofleute. Dann / ob gleich dieselben mit vielen Dienern umgeben / so müssen sie doch offtmals dieselben fürchten / von welchen sie solten beschützet werden. Ob sie gleich ihre Speiß und Trank aus Gold und Silber geniessen / so sind sie doch deßwegen nicht vor dem tödtlichen Gifft versichert. Ob ihr Lager mit eitel Pflaum-Federn erfüllet /auch mit guldenen Decken und Vorhängen bezogen ist / so erlaubet ihnen doch die Furcht und das Mißtrauen / von ihrer Hoheit gestürtzet in werden / wenig oder gar keine Ruhe. Hingegen führet der mundere Schäfer seine Herde /so bald die Pferde der Sonnen ihre Reise angetretten /zu Felde / lässet sie auf der grüngedeckten Tafel speisen / und singet ein fröliches Morgen-Lied mit der freyen Lerche in die wette. Daselbst suchet er seine Wissenschafft / nicht aus scharffsinnigen und spitzfindigen Büchern / oder mit listigen Stats-griffen und verbottnen Künsten / sondern aus dem grossen Buch der Natur / dem ordentlichen Lauf des Himmels / und der wunderbaren Regirung des Erdbodens / zu verstärken: biß ihn der natürliche Hunger / welchen die Wollüstige selten erwarten / zur Malzeit beruffet. Diesen be friedigt er mit zwar geringen / doch gesunden Speisen / und löschet seinen Durst in einem Crystallklaren Brunnen / weit sicherer / als bey einem grossen und herrlichen Banket: da sich offt / an einer Gesundheit / ihrer viele krank trinken / ihre menschliche Eigenschafft in die hitzige und gemischte Weine vergraben / und gleich den Gefärten des Ulysses /durch den Becher der zauberischen Circe / in wilde Thiere verwandelt werden. An statt / daß ein Ehr-begieriger oder Geldsüchtiger / der seinen Kopff mit tausenderley Anschlägen anfüllet / und / welcher / unter solchen / seinem vorgesetzten Zweck am nächsten komme / in der Wahl verarmet / mit vielem Nachsinnen umgeben ist / und sich nirgend sicher weiß: leget sich der vergnügte Schäfer / bey irgend einem rauschenden Bächlein /unter der Decke des blauen Himmels / gautz unbesorgt schlaffen / und lässet ihme / von der Unschuld aller Orten bewachet / nichts als von Freyheit träumen. Es sey dann / daß die listige Liebe / den Augen seines Gemüts / die jenige Schäferin vorstellet / welche / wegen ihrer Schönheit und Tugend / würdig ist /einen Theil seiner Gedanken zu beherrschen: deren er auch / so bald er von solcher süssen Verzuckung erwachet / ein Gedicht zu Ehren anstimmet / auch sie zu suchen / und ihrer Freundlichkeit zu geniessen / ausgehet. O ihr glückseelige Schäfer! wie leicht könnet ihr euer Verlangen / in den zarten Armen eurer Geliebten / stillen / und eure Liebes-Brunst / mit ihrem holdseeligen Munde löschen. Ihr dürffet nicht / gleich mir armseligen / aus einem Unglück / in das andere fallen / und von Furcht und Zweifel umgetrieben / je mehr und mehr irre gehen. Ihr könnet ungescheut von eurer vergnügten Liebe singen: da ich / tief verkerkert / mich nach meiner Macarie vergeblich sehnen muß. Sehet / Agapistus ! in solchen und dergleichen Ubungen / pfleget ein Schäfer seine Schafe zu weiden / biß sich das Auge der Welt beginnet zu schliessen: da er seine wollichte Herde nach dem Stalle führet / und Ruhe suchet. Sonsten / beneidet er niemand / und wird von niemand geneidet. Er weiß von keinem Krieg / als / welchen die grimmige Wölffe wider seine unschuldige Herde führen. Er ist in der Kleidung erbar / in Essen und Trincken mässig / und wohl zu frieden mit dem /was ihme der gütige Himmel in seinem eignen Hause bescheret. Er ist frey von aller Begierde / so mehrerm Glück nachtrachtet / und fremdes Gut an sich zu ziehen gedenket. Und ob er gleich das ungestümme Meer nicht durchfahren / noch aus andern Ländern die Laster geholet; Ob er gleich kein Gold aus Spanien /keine Seide noch Gewürtz aus Italien / und keine fremde Trachten und falsche Höflichkeiten aus Frankreich heimgebracht: so ist er doch darum weder vor unvernünfftig noch vor ungeschickt zu halten / und weiß er wol / die Tugend von dem Lastern zu unterscheiden / und das Gute vor den Bösen zu erwählen. Seelig ist der Mensch / welcher keine Hoheit hoffet /und keinen Abgang der Tugenden hat! der andern unbekant ist / sich selbst aber wohl und recht erkennet! Ausser welcher Ubung / alles unser Vorhaben unnütz und eitel / und viel tauglicher ist / allerhand Laster einzuführen / als bey der Tugend zu verharren. Was bedünkt euch nun / Agapistus ? halte ich nicht billig den Schäferstand vor glückseelig? oder thue ich unrecht / wann ich mir vornehme / darinnen zu leben? Ich muß bekennen / (gab Agapistus zur Antwort /) daß der herrliche Ruhm / welchen ihr diesem Stand beyleget / kräfftig gnug sey / solches Leben angenehm zu machen. Und wie sich das Band meiner Freundschafft jederzeit an euren Willen verknüpffet / also trage ich auch kein Bedenken / euch in diesem Beginnen nachzufolgen: um zu erfahren / ob das Werk mit euren Worten übereinstimme / und ob ich die Ruhe und Vergnügung / welche ich bißher so vergeblich gesucht / nach eurer Verheissung / in dem Hirten-Kleid finden kan. So werdet ihr mich ja (fing Tycheno an) von eurer Gesellschafft nicht ausschliessen / sondern /weil ich bißher euer Unglück mit getragen / mich auch eurer Schäfer-Lust teilhafftig machen. Dafern es euch beyden beliebt / (sagte hierauf Polyphilus) diesen Orden / neben mir / anzutretten / so habe ich Ursach vor die Treue eurer Freundschafft zu danken; hoffe auch / dieses Vornehmen also einzurichten / daß euch weder meine Zusage betrügen / noch euer Vorsatz gereuen soll. Dergestalt verlobten sich diese Gefangene / zu dem Schäferstand / und erwählten vor den Degen / die Hirten-Tasche: bezeugten also / die Verkehrung menschlicher Sinne / und wie man in der Noht pflege die Demut zu wählen / den Himmel zu suchen und also seine Gedult zu verstärken. Wer hätte bey ihrem Abzug von Sophoxenien denken sollen / daß diese prächtige Ritter / wie sie damals ausgereiset / als einfältige Schäfer / oder doch in dem Vorsatz solche zu werden / wieder zurück kommen solten? allein das Unglück lehret die Menschen gantz andere Gedanken führen / und ihre Glückseeligkeit an denen Orten suchen / welche sie vorhin ihrer Gegenwart unwürdig geschätzet. 8. Absatz Achter Absatz Der Gesandte kommt nach Sophoxenien wieder zurücke / und berichtet von der Gefangenen Unschuld. Atychintida denkt auf ihre Befreyung / und thut eine Rede von der Unnotturfft und Schädlichkeit des Reisens in fremde Länder. Sie lässt an den Landherrn / bey dem sie verhafftet / einen Brief abgehen: und Melopharmis erdichtet eine Weissagung / diese Erlösung zu befördern. Polyphilus / als er den Boten sihet / hoffet seine Freyheit / und danket dem Himmel. Inzwischen also diese zukünfftige Schäfer ihr Gelübde beschlossen / war der Gesandte von Sophoxenien /wieder nach Hause gelanget. Melopharmis / welche sich indessen mit Weinen und Wehklagen über ihres Sohns Gefängnis / so ausgemergelt / daß sie Farbe und Gestalt / die sie vorhin wegen hohen Alters kaum noch halb besaße / allerdings verlohren / lief augenblicklich an das Fenster / von welchem sie die Straße / daher der ausgeschickte wieder kommen solte / ausnehmen kunte. Als sie ihn nun eines Tags erblicket / eilte sie / mit grosser Begierde / herunter ihm entgegen / und fragte / wie es ihrem Sohn ergehe? Wohl! (versetzte der Edelmann) er ist gesund und frölich / und mangelt ihm nichts / als die Freyheit / welche er euch zu befördern bitten lässet. Agapistus aber hat mir befohlen / euch zu sagen / wie daß ihr / mit eurem gefährlichen Brief / beym Polyphilus (der /gleich wie sie / an diesem Gefängnus unschuldig / und von keiner Mordthat weiß) erstlich Schrecken und Verzweiflung / nachmals aber solchen Zorn verursachet / daß er euch keiner Antwort würdigen / sondern euer Verfahren / samt dem verächtlichen Brief / der Königin vorlegen / und sein Recht gegen euch ausführen wolle. Derowegen möget ihr wol euch höchst bemühen / ihn / durch Abhelffung von dieser Gefängnis / wieder auf guten Weg zu bringen. Melopharmis / die über ihres Sohns Gesundheit erfreuet / mehr aber über des Polyphili Zorn betrübet worden / bate den Gesandten / der Königin nichts von ihrem Brief zu eröffnen / und versprache die Mittel zu seiner Erledigung auszusinnen. Nachdem er ihr solches zugesagt / meldete sie ihn bey Atychintida an /die hiesse ihn vor sich kommen / und vernahme auf ihr Begehren folgende Nachricht. Durchleuchtigste Königin! ich habe / dero gnädigstem Befehl gemeß /von dem gefangenen Agapistus / die Ursache seiner und seiner Gefärten / sonderlich des Polyphilus / Verschliessung erkundiget. Sie lassen E.M. unterthänig berichten / wie sie mitten auf dem Weg / von einer streiffenden Rotte / welche etliche Schäfer-Mörder zu verkundschafften ausgesandt waren / ohne alle gegebne Ursache plötzlich überfallen / und ungeacht alles Widerstands / Entschuldigens und Bittens / vor Mörder beschüldiget / auf selbiges Schloß gefangen geleget / und des andern Morgens von dem Herrn des Landes verhöret worden. Ob sie nun gleich demselben ihr Vorhaben erzehlet / und ihre Unschuld vor Augen gelegt / haben sie doch keinen Glauben erhalten können / also / daß Polyphilus bewogen worden / ihm seine ungerechte Verfahrung / mit zimlich hefftigen Worten zu verweisen: Worüber sich jener erzürnet /und den Polyphilus in eine viel härtere Gefängnus verschliessen / den Agapistus und Tycheno aber in dem vorigen aufbehalten lassen. In welchem Zustande sie dann bißher ohn alle Hoffnung der Erledigung leben / und E. M. demütigst bitten / sie wollen gnädigst geruhen / durch ein offenbares Zeugnis ihrer Unschuld / ihre Freyheit auszuwürken. Es ist gut / (antwortete hierauf Atychintida) daß wir uns in dieser Sache nicht übereilet / sondern des Cosmarite Vorschlag gefolget haben. Und nun gebet euch zu frieden / Melopharmis! Ich wil dieser Sache wohl Raht schaffen / und euch euren Sohn ehist wieder in die Arme liefern. Lasset nur ihr / Chlierarcha! noch diesen Abend ein Schreiben an diesen Landherrn verfärtigen: so kan ich morgen mit dem frühsten / einen Boten damit ablauffen lassen. Chlierarcha erbote sich / solches gehorsamlich zu verrichten: und Melopharmis bedankte sich vor die gute Vertröstung und versprochne Hülffe. Hierauf verfügten sie sich zur Tafel / bey welcher sich Atychintida / über ihre Gewonheit / frölich erzeigte: vielleicht weil sie hoffete / ihres Polyphilus Gegenwart bald wieder zu geniessen. Melopharmis hingegen / kunte ihr unruhiges Gemüte und verwirrte Anschläge / wie gern sie auch wolte / nicht so gäntzlich verbergen / daß es die Königin nicht wargenommen hätte. Warum so betrübet / Melopharmis? fragte sie deßwegen. Ich hätte vermeint / die fröliche Zeitung von eures Sohns Gesundheit und Widerkunfft solte euch alles Kummers befreyet haben? Es ist wol wahr / gnädigste Königin! versetzte Melopharmis. Allein die bißhergewohnte Traurigkeit hat meine Sinne so stark eingenommen / daß ich sie noch nicht allerdings verjagen kan. Es liget mir noch immer im Gedächtnus / der arbeitseelige Zustand dieser Jünglinge /und wie ihnen auf dieser kleinen Reise so ein grosses Unglück begegnet. Freylich / (versetzte Atychintida) sind die Reisen viel gefärlicher / als sie ins gemein geschätzet werden. Ich will viel lieber vernehmen und gläuben / was andere von fremden Ländern reden oder schreiben / als mit so grosser Ungelegenheit hinreisen / und ihrer Sage nachfragen. Wann wir aber (begegnete ihr Chlierarcha /) alle dieses Sinnes wären / in was vor einen Zustand selten wir letzlich gerahten? Dann wann niemand in fremde Länder reisen wolte / so könte sie auch niemand ferner beschreiben: und das jenige / was allbereit beschrieben ist / würde entweder vertunkelt und verlohren / oder doch von den Nachkömlingen vor lauter Gedicht und Märlein gehalten werden. Wir würden auch / ohne das Reisen / nicht allein viel nützliche notwendige und annehmliche Dinge / welche die Natur andern Ländern mitgetheilet / sondern auch /viel Künste und Wissenschafften / die in fremden Sprachen beschrieben / oder in selbigen Landen erlernet werden / entbehren müssen / und als unsers Landes Gefangene / nicht glauben / daß die Sonne auch andere Menschen bestralte. Vielweniger würden wir unsern Verstand / durch Erlernung anderer Völker Sitten und Ordnungen / zu schärffen suchen / sondern in ein solches wildes und barbarisches Unwesen gerahten / daß wir weder anderer Gesetze verstehn /noch die unsern auslegen könten. So sind demnach die Reisen einer Gemeine so nötig / als das Auge dem Leibe: weil wir / ohne dieselbe / ein mangelhafftes Leben führen / und unser Land / weder in Friedens Zeiten regiren / noch in Krieges Zeiten beschützen können. Mein Clierarcha! (antwortete Atychintida) wann dieses alles unverneinlich wäre / so würde folgen /daß nicht allein unsre geehrte Alten / welche gemeinlich in ihrem Lande geblieben / sondern auch viel heut zu Tag blühende Königreiche / die gleichfals andern Ländern wenig nachfragen / armselige / unverständige / und solche Leute / die ohne Gesetz und Ordnung / zu Krieg- und Friedens-Zeit untauglich / gewesen / und noch wären. Allein / die gerechte Gesetze /heilsame Ordnungen / löbliche Sitten / und sieghaffte Kriege / durch welche die jenige Länder / die / ohne ausländische Hülffe / von ihrem eignen Verstande regiret / und von ihrer eignen Dapfferkeit beschützet werden / zeigen das Gegentheil. Wir selbst müssen bekennen / daß wir die vornehmste Künste und Wissenschafften / welcher wir uns berühmen / unsern klugen Vorfahren zu danken haben / die so tugendhafft geschrieben / und so hertzhafft gestritten. Es hat ja auch die Natur / unsre menschliche Eigenschafften / nicht in unterschiedliche Länder versteckt / daß wir aus diesem die Vernunfft / aus jenem das Gedächtnus / und wieder aus einem andern die Sprache holen müsten: sondern der Mensch besitzet diese Güter vor eigen / in welchem Theil der Welt er auch wohnet / und hat / seine Wissenschafft dadurch zu erweitern / aller Orten Gelegenheit. So lässet sich auch die Tugend in keinen Winkel binden / sondern hält die gantze Erden vor ihr Vatterland / und kan man sie so bald in einem kleinen Dörfflein oder verachten Hüttlein / als an Fürstlichen Höfen und in grossen Städten antreffen. Es ist unnötig / daß wir / gute Gesetze zu holen / in fremde Länder ausziehen: weil uns das natürliche Gesetz gnugsam lehret / den Tugenden nachfolgen / die Laster fliehen / das Gute belohnen / das Böse straffen / und das jenige andern erweisen / was wir wollen / daß uns andere erweisen sollen. Die fremde Güter betreffend / muß ich zwar bekennen / daß wir viel bequemliche Sachen von den Ausländern geniessen / welche theils nützlich / theils lieblich / der wenigste Theil aber notwendig sind: Denn der gütige Himmel ein jedes Land mit solchen Gaben beschenket / daß es seine Innwohner / ob gleich nicht nach eines jeden lüstrender Willkühr / ernehren und bekleiden kan. Der Uberfluß fordert ein grosses: aber die Notturfft ist mit geringen vergnügt. Man darff weder Hunger noch Durst leiden / ob man gleich nicht die Speise mit Gewürtze / und den Wein mit Zucker /angenehm machet. So kan man auch / ohne das Blut der Purpur-Schnecken / und ohne den Glantz der schönen Perlen / sich wohl bekleiden. Es werden die jenige Sachen / welche uns aus fremden Ländern zukommen / mehr zum Pracht und Wollust / als zu notwendiger Unterhaltung / eingeholet. Auch der Nutze / den die Regimenter von den Reisen haben / bestehet mehrentheils in der Einbildung. Dann / betrachtet nur / Chlierarcha! die gewönliche Reisen unserer heutigen Jünglinge / welche gemeinlich / mit grossen Unkosten / und mit Verschwendung ihrer Eltern sauer-erworbener Güter / etliche Städte und Länder mit Kalbs-Augen ansehen und durchziehen / nachmals mit fremden Wörtern und Gebärden /in einem bossirlichen Kleide / wieder nach Hause kommen / den Kopff empor tragen / als wolten sie durch die Wolken brechen / und nichts als Eitelkeit zu erzehlen wissen / so sie gesehen / gehöret / und erfahren: weil sie die Zeit meist mit spielen / fluchen /sauffen und buhlen / sträfflich verderbet / und mit den vielfältigen Wechselgeldern nichts / als einen ungesunden Leibe / und eine lasterhaffte Seele gekaufft. Es ist in warheit eine lautere Torheit / in andere Länder reisen / und seines Vatterlands vergessen: Fremde Ordnungen suchen / und seine eigne verlieren; Ausländische Gesetze halten / und die Einheimische brechen. Die jenige Gemein ist glückseelig / wo keine hochtrabende / sondern friedfertige Leute wohnen; wo nicht viel Handtirungen / sondern viel tugendhaffte gefunden werden; wo man fremder Gesetze nicht achtet / die Einheimische aber vest und unverbrüchlich hält; wo man die Frommen schützet / die Bösen straffet; seine Nachbarn liebet / und keinen Krieg ohne Noht vornimmt; im fall man aber je diesen nicht verhüten kan / sich von der Hertzhafftigkeit waffnen /und von der Gerechtigkeit führen lässet / und auf solche Weise seine Feinde überwinden / sein Land im Friede erhalten / und im Krieg beschützen kan. Cosmarite name hierauf das Wort / und sagte: Gnädigste Königin! das jenige / was E. M. von den unnützlichen Reisen eingewendet / ist nur all zu wahr /und mehr zu beklagen als zu ändern: Aber doch kan der Mißbrauch den rechten Gebrauch nicht aufheben. Es ist nicht zu laugnen / daß durch das nötige Reisen / einem Land viel Nutze geschafft werde. Dann /ob gleich die Regimenter / auch ohne die Reisen /könten erhalten werden / so stehet keineswegs zu zweiffeln / daß einer / der wol gereist / und kein blosser Mauren-schauer gewesen / sondern die Sitten /Manier / Rechte und Gewonheiten fremder Nationen erlernet / bey weit-entlegnen Völkern / wie eine Biene / in fernen Feldern / unter den Blumen / Hönig gesamlet / und so wohl mit Thoren als Weisen umgegangen / einer Gemein viel besser anstehe / als der jenige / so allezeit hinter dem Ofen geblieben / und nie aus seiner Mutter Schoß kommen ist. Zwar / wer keine Gelegenheit hat zu reisen / kan wol ohne dasselbe ein kluger Mann werden. Welchem aber das Glück so güntig ist / daß er fremde Länder besehen kan / der soll es nicht ausschlagen. Weil Chlierarcha / das Schreiben zu verfärtigen /nach seiner Wonung eilete / als wurde hiermit dieses Gespräche abgerissen / die Tafel aufgehoben / und die Königin nach ihrem Zimmer begleitet. Inzwischen nun Chlierarcha den Brief verfassete / hatte Melopharmis / welche nicht wuste / wie sie den Polyphilus versöhnen solte / vielerley Anschläge / davon ihr doch keiner gefallen wolte. Sie fragte den jungen von Adel / um die Gelegenheit des Landes / darinn sie gefangen waren? Und als dieser berichtete / daß selbiges mehrentheils von Schäfern bewohnet wäre / die einen herrlichen Tempel darinn hätten / und unter dieses Herrn Schutz gehörten / welcher ihren Sohn und seine Gefärten gefangen hielte: ersonne sie endlich eine solche List / daß die Schäfer gezwungen würden / vor diese Gefangne zu bitten. Sie verfärtigte einen langen Zettel / welcher / nach Art der alten Weissagungen /mit ungewönlichen doch bekannten Buchstaben geschrieben / und diese Verse zu lesen gabe: Ihr Hirten! die der Schnee vertrieben / Der durch die Kälte / Feld und Wald Mit seinen Flocken weiß bemahlt: Lasst diß zu lesen euch belieben / Was selbst der Himmel aufgeschrieben; Und glaubt / daß diese Wunderschrifft Die Wolfart aller Schäfer trifft / So hier den Gottesdienst verüben. Damit sich nun / in eure Hütten / Nicht schwere Straf und Plage find: So eilt / die Fremden auszubitten / Die ohne Schuld gefangen sind; Und wisst / biß solche werden frey / Das hier kein Glück zu hoffen sey. Diese Schrifft übergab Melopharmis dem Boten /welchen die Königin zu Polyphilus senden wolte / mit Befehl / selbige / so bald er in das Land käme / an die Thür des Tempels zu hefften / und alsdann sein Gewerbe bey dem Herrn des Orts anzubringen; den Polyphilus aber und seine Gefärten / neben ihrem freundlichen Gruß zu berichten / daß sie gutes muhts seyn /und ihre ehiste Befreyung hoffen solten: Weil sie allbereit solche Mittel erdacht hätte / die sie mit nächsten erlosen würden. Der Bot gienge des andern Morgens / zur Atychintide / bey deren er eben den Chlierarcha antraffe / der ihr den verfärtigten Brief / in diesen Worten bestehend / vorlase. Edler Herr! Nachdem wir / nicht ohne Mißfallen / verstanden /wie eure Soldaten unsern Erretter Polyphilum / neben andern unsern getreuen Bedienten / welche auf der Reise nach Brunsile begriffen gewesen / ohne alle gegebne Ursach / mitten auf dem Wege / als öffentliche Mörder und Strassenrauber / angefallen / und mit Gewalt zu Gefängnis geführet / und seither in Hafft gehalten: als haben wir vor nötig erachtet / euch durch diesen Brief zu berichten / und zu versichern / daß diese unschuldige Gefangene keine Mörder und Ubelthäter / sondern ehrliche Personen sind / die in unsern Geschäfften gereiset / und niemand etwas zu leid gethan haben. Wir leben der gäntzlichen Zuversicht /daß ihr diesem unsern wahren Zeugnis Glauben zustellen / die Unserige nicht ferner anhalten / noch ihre in unsern Diensten vorgenommene Reise verhintern werdtt / sondern sie also fort ledig geben / und wieder auf freyen Fuß zu stellen werdet. Solche Willfärigkeit / wollen wir mit geneigtem Gemüt erkennen / und auf vorfallende Gelegenheit / mit nachbarlicher Gewogenheit zu erwiedern / unvergessen bleiben. Geben in Sophoxenien / im andern Jahr unserer Erlösung. Atychintide . Wiewol dieser Brief der Königin anfangs etwas zu gelind vorkame / so ließe sie doch / auf des Chlierarcha Zureden / daß man erstlich den gütlichen Weg gehen / und mit Höflichkeit verfahren müsse / ihr denselben gefallen / und den Boten alsobald damit ablauffen. So bald dieser im Land angekommen / häfftete er den Zettel der Melopharmis heimlich an den Tempel / und gienge so fort nach dem Gefängnus des Polyphilus: bey welchem eben Agapistus und Tycheno / die ihn zu besuchen angekommen waren / sich befanden. Die Zeit wolte nun diesen dreyen schier zu lang werden / und die Hoffnung der Hülfe begunte zu sinken. Doch trösteten sie sich selbst / so gut sie vermochten: und wuste sonderlich / der schertzhaffte Agapistus / bißweilen ein Gelächter zu stifften. Wie er dann auch dißmals / als er durch das Fenster die Erde mit Schnee bedecket sahe / und wohl wuste / daß Polyphilus das Schlittenfahren liebte / mit ernsthafften Geberden sagte: Was macht ihr / Polyphilus! bey so gutem Schlitten-Wetter / hinter den Wänden? Geschwind / Servetus bespanne den Schlitten! Vielleicht wird auch Macarie / mit uns dieser Lust geniessen. Polyphilus / wie sehr ihn dieser Schertz seines Unglückes erinnerte / sagte doch hierauf mit einem Lächlen: Wer den Schaden hat / darff vor das Gespötte nicht sorgen. Ich lasse mir diesen Winter mehr die warme Stuben / dann die kalte Schlittenfahrt gefallen / und vergnüge mich an der Gesellschafft des Agapistus. Es ist sicherer / hinter dem Ofen bleiben / als mit dem Schlitten zu Macarie fahren / und den Arm verwunden. Es ist aber lustiger / (antwortete Agapistus) mit dem Schlitten zu Macarie kommen / von ihr höflich empfangen und freundlich tractirt werden. Diese Erinnerung / beantwortete Polyphilus mit einem tiefen Seufzer: als eben der Sophoxenische Bot ankam / und diesen Gefangnen von der Königin und Melopharmis / einen gnädigen und schönen Gruß brachte; mit angehengter Erzehlung alles des jenigen /was er / aus dieser beyden Befehl / zu ihrer Erledigung / allbereit verrichtet / und noch zu verrichten hätte. Uber dieser Zeitung / empfunde diese Gesellschafft eine unbeschreibliche Freude / und den Boten reichlich beschenkend / baten sie ihn / daß er sein Gewerbe beschleunigen wolte. Diesem nachzukommen /suchte er alsobald Gelegenheit und Gehör bey dem Landherrn: konte aber solche selbigen Abend nicht erhalten / und muste des andern Tages erwarten. Polyphilus war in seiner Hoffnung schon erlöset / und vergaße des Schimpfs von Melopharmis / weil sie nun seine Freyheit beförderte. Er tröstete sich auch allbereit mit der Einbildung / seine Macarie ehist wieder zu sehen / und dankte dem versöhnten Himmel / vor die angefangene Hülfe / mit folgenden Reim Zeilen. Nunmehr wird das trübe Wetter / und die schwartze Schatten-Nacht / Sich einmal geendet haben. Nunmehr wird der Purpur Pracht Der erfreuten Morgenröt / zeigen / daß der Sonne Wagen Allbereit bespannet sey / Mond und Sterne zu verjagen. Es hat doch / wie alle Sachen / auch das Unglück Maß und Ziel / Und kan weiter nicht verletzen / als der höchste Herscher wil: Der uns öffters durch die Straff / zu der edlen Demut führet; Deren Ubung uns vielmehr / als Rubin und Perlen zieret. Ich bekenne / grosser Himmel! daß die Weißheit deiner Hand Durch Verfolgung hat gewürket / daß ich dich und mich erkant. Ende völlig deinen Zorn / wie du schon hast angefangen / Und laß nach so langer Qual / uns verlangte Hülff erlangen. Brich die ungerechte Boßheit / durch die Stärke deiner Macht / Und bring bald uns an die Sonne / aus des schwarzen Kerkers Nacht. 9. Absatz Neunter Absatz Die Schäfer / des Landherrn Unterthanen / der Melopharmis erdichteter und offentlich-angeschlagener Weissagung gläubend /bereden ihn / daß er die Gefangnen ledig gibet. Macarie klaget über ihr Verhängnis / redet von ihrem Lautenspiel / empfähet des Polyphilus Schreiben /und beantwortet dasselde. Dessen Freude / als er diese Antwort empfangen. Schluß-Gedichte dieses Ersten Buchs. Dem Agapistus kam ihre Erlösung noch zweiffelhafft vor / weil ihm die Halsstarrigkeit des Landherrn wohl bewust war: Welche seine Meynung ihn auch nicht betrogen. Dann / als der Bot / des andern Tages /seine Werbung abgeleget / und der Königin Brief überlieffert / gab ihme der Landherr zur Antwort: Er müste sich etwas gedulten / biß er diese Sache vornehmen / die warheit untersuchen / und sodann der Königin eine Antwort ertheilen könte. Als der Bot mit diesem Bericht wieder zum Polyphilus kame / fiele dieser in neue Betrübnus / fürchtend / daß dieses ein Hof-Bescheid seye / und die Sache / nach heutiger Manier / in die lange Bank gespielet werden möchte. Es würkte aber indessen / der Melopharmis Anschlag / viel kräfftiger; in dem ein Schäfer selbiger Gegend / diesen Zettel ersehen / und weil er die Schrifft nicht verstanden / solches dem Marcellio / als ihrem damaligen Vorsteher / angezeigt. Dieser / als er den Innhalt der Schrifft / mit Zuziehung eines gelehrten Priesters erlernet / und es vor eine Göttliche Warnung hielte / ließ die gantze Gemeine der Schäfer /über die er die Aufsicht hatte / versamlen / und legte ihnen diese Wunder Begebnis vor: mit Befehl / daß ein jeder / das jenige / was ihm von dieser Sache bekant / offenbaren / und wie diesem Unheil vorzukommen / sein Bedenken geben solte. Lysias / einer von den vornemsten und verständigsten Schäfern / ließe sich hierauf vernehmen: Es würde diese Schrifft ohne Zweifel / die vier Reisende betreffen / welche / als vermeinte Mörder ihrer Weidgenossen / angehalten worden / und nun eine lange Zeit gefangen lägen; aber / allem Ansehen nach / an dieser Mordthat so unschuldig wären / daß der Himmel selbsten davon zeuge / und ihre fernere Verhafftung / mit seiner gerechten Strafe / an ihnen zu rächen drohe. Diese Meynung / bekam von vielen Beyfall / und wolte es Marcellio / mit dem Priester / der dieses erkläret / dem Landherrn alsobald eröffnen / auch um die Freyheit dieser Gefangnen anhalten. Lysias aber / welchem die Härtigkeit ihres Oberherrn bekant war / hielte vor rahtsamer / daß die gantze Gesellschafft aller Schäfer und Schäferinnen / diese Bitte zugleich anbringen solte: damit er / durch die Menge / die er heimlich fürchten müste / bewogen /desto eher einwilligen möchte. Als dieser Ratschlag von allen beliebet ward / giengen sie sämtlich auf das Schloß / vor den Herrn des Landes / und brachte Marcellio den Handel an / mit diesen Worten: Gnädiger Herr! E. Gd. werden sich nicht wundern / daß wir in solcher Menge vor ihr erscheinen / wann sie vernehmen das Göttliche Wunder / welches wir in einer ungewönlichen Schrifft / deren Erklärung E. Gd. wir hiemit vorlegen / an der Thür unsers Tempels gefunden. Uns befihlet diese himmlische Offenbarung / die jenige Reisende / welche als vermeinte Mörder unserer Mit-Schäfer gefangen ligen / weil sie solcher Missethat unschuldig / loß zu bitten / oder widrigs falls /Göttliche Rache und unsern gäntzlichen Untergang zu erwarten. Diesemnach bitten wir E. Gd. unterthänig und demütig / diesen unschuldig Gefangnen ihre Freyheit zu schenken / und dadurch uns arme Unterthanen / und die gantze Gesellschaft von der Göttlichen gerechten Straffe und gantzlichen Zerstörung zu befreyen. Wir versprechen / solche gnädige Willfahrung mit demütigem Dank zu verdienen / und E. Gd. als unsern gnädigsten Gebieter jederzeit unterthänigen Gehorsam zu leisten. Mit was Ungedult und Zorn diese Bitte der Schäfer aufgenommen worden / ist nicht zu beschreiben. Er brannte vom innerlichen Grimm / daß er seine Rache gegen den Polyphilus verhintert sahe. Und fürwar / es hätte / weder der Atychintide Brief / noch der angedrohete Zorn des Himmels / noch das Verderben seines Landes / seine Boßheit hintertrieben: wann nicht die Furcht der Aufruhr seiner Unterthanen / die in solcher Menge zugegen waren / ihn gezwungen hätte /vor dißmal die Löwenhaut mit einem Fuchsbalg zu bedecken / und ihrer Bitte etwas nachzugeben. Doch suchte er allerhand Ausflüchte / und zweifelte bald an dem Berlauf dieser Geschicht / welchen sie doch einmütig bezeugten / bald an deren warhaffter Erklärung. Endlich / als er nicht weiter kunte / versuchte er /diese Fürbittende / gleich dem Sophoxenischen Boten / mit List abzuweisen / und sagte: Sie solten sich zu frieden geben / er wolte sich der Sache erkundigen / und alsdann ihrem Begehren ein Genügen thun. Wie aber die Schäfer mit dieser Antwort nicht vergnügt seyn wolten / sondern einwendeten / daß diese Schrifft eine eilende Erlösung der Gefangnen fordere /und vor derselben kein Glück noch Wolfart zu hoffen sey: muste er endlich sich darin ergeben / wiewol nicht ohne merklichen Widerwillen / wie aus dem Schluß zu sehen / welchen er ihnen / mit diesen Worten gab: Wann ihr dann diese Gefangne mit Gewalt ledig haben wollet / so erlasset sie selber; Wisset aber / daß / wann künfftig dieser Mord auf sie solte erwiesen werden / ihr selbst an ihrer Stelle seyn / und als Todschläger sollet gestrafft werden. Die Schäfer /welche die Schrifft der Melopharmis vielmehr / als den Grimm ihres Oberherrn fürchteten / bedankten sich vor diese gnädige Einwilligung / und nachdem sie Abschied genommen / gieng Marcellio mit dem Priester ins Gefängnus / die Gefangnen wegen ihres Zustands zu befragen / und hernach frey zu machen. Als nun Polyphilus und Agapistus ihre Unschuld / mit so beteuerlichen Worten ihnen vorlegten / daß sie weiter keine Ursach zu zweiffeln hatten / gaben sie ihnen Erlaubnus / heraus zu gehen. Unsere Gefangene über dieser geschwinden Befreyung / welche ihnen als ein Traum vorkam / zum höchsten erfreuet / dankten den Schäfern zu tausendmalen / vor ihre getreue Hülffe / und wünschten ihnen alles das Wolergehen / das einen Hirten glückseelig machen kan. Polyphilus zweifelte bey sich selber / ob die Freude der Freyheit /oder das erlittene Unglück vor grösser zu halten sey. Nun erkenne ich / (gedachte er bey sich selbst) was vor ein Wolgefallen der Himmel an meinem Schäfer-Gelübde hat / weil er mir so gnädige Hülffe nach demselben sendet. Ich habe mich an den Schäfern versündiget / wurde um der Schäfer willen gestraffet /und werde nun durch die Schäfer befreyet. Das ist die Weißheit des gerechten Himmels / welchem ich / nach der Züchtigung / billich danke / und künfftig in dem erwählten Hirtenstand eiferig dienen werde. Unter solchen Gedanken machte sich Polyphilus wegfärtig: deßgleichen thäte auch Agapistus und Tycheno / mit dem Servetus und dem Boten von Sophoxenien. Als sie nun Speise zu sich genommen / baten die Schäfere / sie möchten doch mit dem Abzug eilen / weil sie vor demselben nicht ruhen könten / auch zu befürchten wäre / daß nicht etwan der Landherr seinen Schluß ändern / und sie aufs neue anhalten dörffte. Die Gefangne / ob sie wohl der Furcht der Schäfer heimlich lachten / weil ihnen der Betrug Melopharmis bekant war / wolten ihnen doch nicht zuwider leben /sondern giengen / nach einem freundlichen Abschied /gantz frölich aus dem Gefängnus. Es kam eben ein Bote von Soletten ihnen entgegen / welcher dem Polyphilus einen Brief von Macarien einhändigte. Diese lebte / nachdem sie an den Polyphilus den vorigen Brief geschrieben / voll Betrübnus / wegen seiner Gefängnus / und verbrachte die meinste Malzeiten ohne Speise / und die meinsten Nächte ohne Schlaffen. Aller Freude war bey ihr so gäntzlich vergessen / daß sie trauriger zu seyn schiene / als der Gefangne selber. Ach! (sagte sie) unseeliger Polyphilus! warum habt ihr doch meiner ersten Warnung nicht gefolget / und die arbeitselige Liebe gegen Macarie verlassen? so würdet ihr jetzo glückseeliger zu nennen seyn. Wollet ihr dann lieber mit mir in Widerwärtigkeit / als ohne mich / im Wolstande / leben? Verändert doch noch eure Liebe / und verlasset mich / und zugleich das Unglück / welches mit mir geboren ist. Ach Himmel! wilst du mich ja verfolgen / so schone doch dieses Unschuldigen / dessen Betrübnus mich vielmehr / als meine eigne / kränket! Was soll ich nun machen? oder wo soll ich Hülffe suchen / in dem Kummer / welchen ich auch nicht öffentlich beklagen / noch andern eröffnen darff? Wo ich mich hinwende / finde ich zwar Erinnerung meines Unglücks / aber nirgend keinen Trost. Verlasse ich meine Einsamkeit / so schrecket mich die verliebte Bezeugung des Eusephilistus / und die Hülffe / welche er von allen Inwohnern dieser Insul geniesset. Bleibe ich aber zu Hause / so erlaubet mir / das Gedächtnus meiner verfolgten Liebe / so gar keine Ruhe / daß auch die stille Nacht / welche doch sonst eine Linderung der Sorgen genennet wird / diesen Namen an mir verlieret / und mich / wachend / mit vielem Nachsinnen / schlaffend aber / durch ihre Schattenbilder / zu quälen pfleget. Meine Laute / die Verkürtzerin meiner Einsamkeit /scheinet / gleich mir / erstorben zu seyn / oder gibt nur einen kläglichen Thon von sich. Wäre sie so mächtig / als jene viel-vermögende Leyr des Orfeus /oder hätte ich so süsse griffe gelernet / als selbiger Künstler / der dadurch sein Ehgemal aus der schwartzen Höllen wieder geholet: so glaubet mir / Polyphilus! ich wolte sie diese Stunde ergreiffen / und damit eure Gefängnus öffnen. Aber nun ist sie in meinen Händen ein stummes Holtz / und liget / wegen meiner Traurigkeit / ganz entseitet. Und hätt ich / gleich zuvor / die Säiten können zwingen / Und spielen einen Thon / mit Kunst-erfüllter Hand: So würd ich doch jetzund das Leiden nur besingen / Das meine Liebe drückt / mit diesem harten Stand. Mir liget fort und fort Polyphilus im Hertzen / Der so ein schweres Joch von meinet wegen trägt. Nur seine Freyheit könt verbinden meine Schmertzen / Und wenden die Gefahr / die mich zu Boden schlägt. Mit diesen und dergleichen Gedanken vertriebe / oder vielmehr verderbte Macarie ihre Zeit / biß sie die Antwort des Polyphilus / und damit eine kleine Linderung erhielte. Und ob ihr wol sein Brief / wegen seiner Schärffe anfänglich gar fremd vorkame / also daß sie nicht willens war zu antworten: bezwang sie doch letzlich die Liebe / ein Brieflein zu schreiben / und ihre endliche Meynung darinn zu eröffnen; welches sie auch / so gut es die Eile gestattete / mit diesen Worten verrichtet. Mein Schatz! Ich habe sein angenehmes Brieflein wohl erhalten /und daraus / eines theils seine unbillige Verschliessung mitleidig verstanden / anders theils aber gelesen / wie er sich noch immer bemühet / sein Recht gegen mich zu behaupten / mir List und Betrug aufzubürden / und also (weil die Tugend weder Betrug noch List leidet) mich eines lasterhafften Gemüts zu überführen: welche Worte er zwar mit Schrecken gelesen / aber gantz behertzt geschrieben. Ermesset aber auch / das lasterhaffte Beginnen / damit ihr meine Seele gedenket zu tödten. Vermeinet man nun dieses mit der angemasten Vergessenheit meiner Zusage zu behaubten / so hat es zwar einen Schein / aber keinen Grund. Dann ob ich gleich nach meiner Verheissung gefraget / zu welcher Frage mich sein Brief / mit seiner Klage / veranlasset: so folget doch daraus keines wegs / daß ich meiner Zusage vergessen / weil / nicht allein die Vergessenheit / sondern auch andere Umstände / zu solcher Frage Ursach geben können. Es ist aber mein Versprechen / nach eurer Aussage / dieses /daß ich euch lieben / ausser euch sonst keinen lieben /und euch biß in den Tod lieben wolle. Gesezt nun /daß ich dieses verheissen / so streitet doch mein Brief nicht dagegen. Dann wann ich sage / Ich will noch zur Zeit keinen Liebsten erwählen; Ich bitte / meine Gegenwart / zu Verbütung böser Nachreden / zu meiden / und meiner Vergessenheit / nicht eurer Liebe /sondern meiner selbst / in so unvorsichtigem Verfahren / zu vergeben; Ich bedanke mich / vor alle Liebe /Ehre und Freundschafft: so heisset das noch lang nicht / Ich will euch nicht lieben / oder ich will einen andern lieben / und euch verlassen. Dann / ich kan bey allen solchen Umständen / welche die Liebe zwar hintern / aber nicht verletzer / dennoch euch lieben. Sehet ihr also / mein Freund! wie euer Zeugnus ungerecht / und solches aus meinem Brief nicht zu erzwingen sey. Aber worzu dient dieses Streiten / als das Papier unnützlich zu füllen: Wären wir so leicht vergnüget / als vertragen / würden die Juristen von dieser Kechtfärtigung wenig gewinnen. Es mangelt uns nicht an aufrichtiger / sondern nur an glückseeliger Liebe. Dann / daß ich euch ohn alle Falschheit / Betrug und Untreu / von gantzer Seele liebe / das weiß GOtt / der aller Menschen Hertzen kennet. Es lassen euch auch die Bezeugungen / welche ich euch jederzeit mehr verliebt / als vorsichtig erwiesen / keines wegs zweiffeln / und mir bezeugen es gnugsam, so viel betrübte Stunden / unruhige Tage / und schlaflose Nächte /welche ich von dem Tage an / da ich eure schöne Augen zum erstenmahl gesehen / mehr empfunden /als gezehlet. Ob ich aber an solcher Liebe recht / vorsichtig / und vernünfftig handle / da saget die Welt nein darzu; und finden sich / von eurer Seite / ja so viel Widersprecher / als von der meinen. Damit ihr aber sehet / daß meine Liebe / nicht so wohl auf zierlichen / als festen Seulen stehet / so fordert alles / was euch in Ehren vergnügen / und begehret / was ich leisten kan: Ich bin bereit / euren Befehl / durch alles Unglück / biß an den Tod zu erfüllen. Ich erbiete mich auch / allen den Frevel / dadurch ich euch zu lieben / und eurer Gegen-Liebe zu geniessen / habe begehren dörffen / nach euren Urtheil und Straffe zu büssen: und will viel lieber den Namen einer unglückseeligen / als untreuen Liebhaberin führen. Aber /mein Hertz! bedenket doch eure und meine Wolfart: Ich weiß / ihr werdet mich dann so lieben / daß weder ich über euch / noch ihr über mich zu klagen habet. Dann widriges falls / würdet ihr meinen Tod / welchen ich ohne das / als das Ende meines Unglücks /über alles andere wünsche / bald befördern. Unterdessen betrübet euch nicht! Ihr würdet sonst meinen Kummer häuffen: sondern lebet glückseelig / und geniesset aller der Freude / welche mir das neidische Glück versaget: erinnert euch aber darinn öffters / Eurer beständigen Macarie . Diesen Brief / welchen Macarie durch den Uberbringer zu rück sendete / ward dem Polyphilus / wie allbereit erwehnet / eben eingehändigt / als er aus dem Gefängnus gienge. Dahero seine Freude nicht wenig vermehret wurde / als er selbigen gelesen / und seiner Macarie Aufrichtigkeit dadurch versichert worden. Er überreichte ihn dem Agapistus / und sagte: Hier sehet / mein Freund! wie sich das Glück / nach so langer Verfolgung / bey mir zuschmeichelt / und mich so lieblich küsset / daß ich / aller Schläge vergessend /seine Freundlichkeit dennoch rühmen muß / sonderlich / wann ich erwege / daß es / durch seinen Widerwillen / nur meine Beständigkeit geprüfet / und seine Errettung angenehmer gemacht. Es kan doch / eine unbillige Schmach den Namens-Ruhm nicht verletzen / und ein unverdientes Leiden die Tugend nicht beflecken: sondern es ist vielmehr eine Artzney des Gemüts / dadurch die Unreinigkeit der Laster ausgefeget / und die verlorne Tugend wieder eingeführet wird. Die Großmütigkeit lässet sich von keinem Unglück überwinden / und bleibet in allen Zufällen sieghafft. Das lautet viel anderst / (sagte Agapistus) als die Klage bey meiner ersten Besuchung / da ihr noch verschlossen waret. Der Himmel erhalte uns allezeit in solchen Gedanken. Ich freue mich vielmehr / Polyphilus! eurer und unsrer Befreyung / und wünsche Glück zu Macarien verneurter Liebe. Wir wollen all unser Unglück / in diesem Gefängnus / dem Landherrn / vor seine Bewirtung / zur Bezahlung hinterlassen / und nun von neuen anfangen zu leben. Alles / was uns / biß auf heut / Mit Verfolgung hat gekränket / Alle Noth und Traurigkeit / Bleib in diesem Schloß versenket: Dessen Herrscher uns so lang Ohne Schuld verschliessen lassen / Dessen harter Fessel-Zwang Hat verhintert unsre Strassen. Wird die Tugend schon gedrückt / Bleibt sie doch nicht unten liegen: Wann sie scheinet gantz erstickt / Wird sie neue Kräffte kriegen. Lebten wir schon biß daher In dem Finstern sonder Wonne: So erfreut uns jetzt vielmehr Das vergüldte Liecht der Sonne. Alles Unglück wird zu lezt Von der Tugend überwunden; Und die Ruh / so uns ergezt / wird nach langem Streit gefunden. Schluß-Gedicht dieses Buchs Schluß-Gedicht dieses Buchs. Hier wird das Erste Buch in diesem Theil gelesen / Und gibet uns Bericht: Wie Kunst- und Tugend-Lieb verdunkelt sey gewesen / Doch wieder kam ans Liecht. Es lehrt Polyphilus / die Hoffart zu vermeiden / Wann Glück und Wolfart lacht; Hingegen mit Gedult das Unrecht auch zu leiden / Das an uns wird vollbracht. Es gibt uns solche Noht die Fehler zu erkennen Mit Demut / Furcht und Reu: Nach welcher wir / das Ziel der Ehren zu errennen / Auch wieder werden frey. Macarie! beweist / wie offt die Sonn der Liebe / Die niemals untergeht / Bald hell / bald tunckel sey / bald tröste / bald betrübe / Und endlich doch besteht. Daß aber niemand soll auf falsche Liebe trauen / Die Königin uns lehrt. Was Kinder-Liebe sey / lässt Melopharmis schauen / Die Gunst in Haß verkehrt. Der wahren Freundschafft Art / kan Agapistus zeigen: Er fürchtet keine Noht; Ja / das Gefängnus selbst muß seiner Treue weichen / Sie bleibt biß in den Tod. So lerne / Leser! hier den Künsten nachzustreben / Und niedrig seyn gesinnt / Auch nicht so bald die Lieb verdrüßlich aufzugeben / Wann sich Verleumdung find. Bey ungerechtem Rechtraß Unschuld dich ergetzen / Wann alles bricht und kracht / Laß die Verzweiflung nicht den Tugend-Ruhm verletzen: Der Himmel vor dich wacht. Bewahre deine Brust vor fremder Wollust-Liebe / Die nicht im Unglück hält. Den / der vorhin betrübt / du weiter nicht betrübe: Mitleiden Gott gefällt. Bleib deinem Freund getreu / in gut- und bösen Zeiten. So weist dir dieses Buch / Der Tugend nachzugehn / die Laster zu vermeiden. Wer folget / der ist klug. Zweytes Buch 1. Absatz Erster Absatz Polyphilus beratschlaget mit Agapisto / was sie vornehmen sollen: und werden sie einig / nach Sophoxenien umzukehren / das Gelübde des Schäferstandes zu vollziehen / und solches Vorhaben der Königin mit einer erdichteten Ursache vorzutragen. Ihr Schertz-Gespräche / über der Abend-Malzeit. Polyphilus erzehlt seinen schweren Traum / und wird geredwechselt / was von Träumen zu halten sey? Ein erfahrner Schiffmann / der köstliche Güter über See zu holen gedenket / ob er gleich den Wind nicht in seiner Gewalt hat / auch gar ungewiß ist / wie derselbige wehen wird / begibt sich dennoch gar behertzt auf das Wasser / spannet die Segel auf / und ist bereit / einen solchen Wind anzunehmen / wie er kommen wird / erwartend / nach dem widrigen / einen bessern: und thut doch unterdessen allezeit sein bestes / daß er nicht allein mit halben Wind / sondern auch gar gegen dem Wind / wo nicht geschwind fortfahren / doch / durch hin und her lenken / dem Port näher kommen möge. Also machte es auch unser Polyphilus: Er hatte diese Reise angetretten / einen Ort zu finden / der ihn mit seiner so hochgeliebten Macarie vereinigt aufnehmen solte. Ob sich nun gleich diese unglückliche Gefängnus seinem Vorsatz widersetzet / so ließ er doch deßwegen sein vorgesetztes Ziel nicht aus den Augen / sondern suchte / auch aus der Ungelegenheit selber / eine Gelegenheit zu machen / und die Beywohnung seiner Macarie / welche er in einem vornehmen Stande nicht finden kunte / in dem Schäfer-Orden / wo nicht geschwinde / doch mit der Zeit / zu erlangen. Er hatte nunmehr seine Freyheit wieder erhalten /und stunden ihm alle Strassen offen. Derowegen fragte er den Agapistus: welches das beste wäre / ob sie ihre Reise nach Brunsile fortsetzen / oder wieder zu rück auf Sophoxenien reiten solten? Agapistus beliebte das erste / und riehte / er solte den Sophoxenischen Boten nach Hause schicken / und der Königin und Melopharmis ihre Erledigung wißlich machen lassen /auch wie sie ihre Reise / von welcher sie schon den halben Weg zu rück geleget / fortsetzen wolten. Aber dem Polyphilus wolte dieser Vorschlag nicht gefallen / theils wegen des Gelübds / mit welchem er sich /in dem Gefängnus / dem Schäferstande verpflichtet /dessen Verletzung der Himmel auf viel Wege straffen könte; theils auch aus Furcht / es möchte Macarie unter seiner so langen Abwesenheit / ihre Liebe ändern / und durch allerhand Verleumdung von ihm ab-und zum Eusephilistus gewendet werden. Welche Sorge auch nicht vergeblich war / wie hernach soll gemeldet werden. Demnach hielte er vor ratsamer / daß sie auf Sophoxenien reisen / und alsdann / mit der Königin Hülffe / ihren gelobten Schäfer-Orden antretten solten. Weil sich nun Agapistus dem Polyphilus nicht gern widersetzte / auch dem Tycheno sehr nach seiner Mutter verlangte / als willigten sie beede leichtlich in diese Meynung: sonderlich / weil Servetus erinnerte / es möchte sie dieser Landherr im Rückweg wieder anhalten und gefangen setzen / wann er inzwischen die List Melopharmis erführe. Also ritten sie sämtlich zurücke nach Sophoxenien / und reisete Polyphilus eine Zeitlang in tieffem Nachsinnen / als indessen Agapistus nachgesetztes Sonnet / in seine Schreibtafel zeichnete. Nun sind wir von dem Joch der Dienstbarkeit entbunden / Das uns so lang gedrückt. Es hat der harte Stand Die tieffe Traurigkeit / der schweren Fessel Band / Die strenge Wüterey / die wir bißher empfunden / Ihr Ende nun erreicht. Die Freyheit ist gefunden / Mit der sich nichts vergleicht. Die schöne Sonne lacht. Das angenehme Glück / von neuem uns bewacht / Und will / mit süssen Trost / verbinden unsre Wunden. Dein / Himmel! sey der Dank / und deiner grossen Gnad / Die uns so wunderbar heraus gerissen hat. Laß deine starke Hut noch ferner uns begleiten. Wend alles Unglück ab / das uns verletzen wil: Damit Polyphilus das vorgesetzte Ziel / Das seine Liebe sucht / erlange bald mit Freuden. Ehe noch Agapistus diese Zeilen ausgeschrieben /wendete sich Polyphilus um / und sagte: wie so still? Agapistus! wo sind die Gedanken? Das will ich euch alsobald weisen: antwortete Agapistus / und gab ihm vorgesetztes zu lesen. Da sihet man / (sprach Polyphilus / nach dem er es übersehen) wie die Kunst ohne unterlaß würket / weil sie auch in dem unmüßigen Reisen nicht feyren kan: Ich bedanke mich aber / vor den wohlgemeinten Wunsch / welchen ihr meiner Liebe zum Beschluß angehänget. Ja! ja! (versetzte Agapistus) ihr habt meine Dicht-Kunst / durch euer Berühmen / hoffärtig gemacht / daß sie sich mit dem blossen Dank nicht abweisen lässet / sondern eine Eröffnung eurer so eifrigen Gedanken zur Belohnung fordert. Meiner Gedanken! gab Polyphilus zur Antwort: Was hoffet sie damit zu erwerben? Doch / ich will sie euch gern eröffnen. Ich habe auf Ursachen gesonnen / welche unsere Zurück-Reise bey der Königin entschuldigen / und die Einwilligung zu dem Schäfer-Gelübde auswürken möchten: denn ich fürchte / sie werde sich über jenes verwundern / und dieses verhintern wollen. Das ist leicht zu gedenken! antwortete Agapistus. Aber was habt ihr gutes hierzu ausgesonnen? Nichts gewisses! begegnete ihm Polyphilus. Doch dünket mich am bequemsten seyn / daß wir diesem Beginnen einen Göttlichen Befehl / welchem sich niemand widersetzen darff / zum Grunde legen. Wir wollen vorwenden / daß wir / nach erlangter Freyheit /einen heiligen Einsiedler / welcher sich in einem Wald hierum aufhalte / wegen unsrer Reise / zu Raht gezogen: der uns dann ernstlich befohlen / wieder umzukehren / und künfftig in dem Hirtenstande zu leben / oder aber den Zorn des Himmels / und alles Unglück zu erwarten. So sehe ich wol / (sagte Agapistus) die Königin soll sich / im Anfang und Ende dieser Reise / mit erdichteten Ursachen abspeisen lassen? Ihr wisset wol / (antwortete Polyphilus) daß sie stets will betrogen seyn. Wer die Warheit nicht hören will /muß den Mährlein glauben. Es wird doch der Betrug /welcher ein gutes Ziel hat / nicht unter die Laster gezehlet. Das würde noch zu beweisen seyn! sagte Agapistus: aber wird der Bote nicht ein anders zeugen? Ich hielte vor besser / wann wir diese Begebenheit vor die Gefängnus setzten / und dabey erwehnten / daß wir diese Erinnerung des Eremiten verlachet / und darüber in diese unglückseelige Verschliessung gerahten wären: Daher wir uns / nach Erlassung derselben / nicht fürter zu reisen getrauet / sondern / mehrerm Unglück vorzukommen / wieder zurücke geritten. So viel ich vernehme / (sagte hierauf Polyphilus /) so werde ich auch im betrügen von euch übertroffen. Ich lasse mir diesen Vorschlag gefallen: helffet ihr ihn nur getreulich befördern. Unter solchem Gespräch / wurden sie von der Nacht überfallen / welche noch dazumal mehr Stunden / als der Tag / beherschete. Sie konten also mit grosser Mühe einen Flecken erreichen / dessen Wirt sie diese Nacht beherbergte. Sie waren allerseits müde von der Reise / und funden auch eine schlechte Malzeit. Agapistus konte seine Schwänke nicht lassen /fieng über Essen an / und sagte: Wir haben gleichwol eine schlechte Höflichkeit erwiesen / daß wir von dem Landherrn keinen Abschied genommen / oder ihm vor seine Bewirtung gedanket. Wer wird uns mehr so herrlich tractiren? Was meinet ihr / Polyphilus! solten wir nicht Serveten zu rück schicken / und an unser aller statt einen Dank ablegen lassen? Freylich / (antwortete Polyphilus) wird es vonnöten seyn. Nein! nein! sagte Servetus: Man darff an so vornehmen Ort nicht schlecht durch einen Diener danken lassen: Die Herren müssen selber kommen. Ey! (versezte Polyphilus) ihr dörffet nicht kommen wie ein Diener: sondern in der Würde eines Abgesandten / sollet ihr den Dank ablegen. Das wird sich noch weniger schicken: sagte Servetus. Dann ein Abgesandter muß Hirn im Kopf haben / und mit höhern Gaben versehen seyn /als Servetus ist. Das solte ja wohl so seyn: (antwortete Polyphilus) dann ein Abgesandter ist das Auge seines Herrn / gleich wie hingegen aller anderer Augen auf ihn gerichtet sind. Aber es trifft sich gleichwol bißweilen / daß eine Gans mit Adlers-Flügeln pranget: sonderlich wenn man / in Bestellung solcher Aemter / mehr auf Adel und Gunst / als auf Kunst und Wissenschafft sihet. Aber Agapistus! weil Servetus /diese Gesandschaft abschläget / so werden wir vor dißmal unsern Dank zu rück stellen / und das Bette suchen müssen. Ich bin zu frieden: (sagte Agapistus) doch daß alle die Unhöflichkeit / welche wir mit diesem Undank begehen / auf Servetus ligen bleibe. Das mag ich wol leiden / (antwortete dieser) und hoffe dadurch nicht gröber zu werden / als ich bin. Damit stunden sie auf von der Malzeit / und legten sich zur Ruhe: damit sie folgenden Morgens desto früher ihre Reise fortsetzen möchten. Wie sie dann auch / so bald die muntere Morgenröte ihr Rubinfarbes Auge aufgeschlossen / wieder zu Pferd sassen /und nachdem sie den Wirt befriedigt / ihre Straße reiseten. Polyphilus / als er eine weile geritten / fragte /mit etwas betrübten Geberden / seine Gefärten / was ihnen diese Nacht geträumet hatte? weil man glaube /daß die Träume / welche man in einem fremden Bette habe / nicht allemal betrügen. Agapistus sagte: Er hätte so sanfft geschlaffen / daß er nicht wisse / ob ihm etwas geträumet oder nicht. Aber Tycheno entdeckte / wie ihm von lauter Holtz und Steinen / über welche er gehen müssen / geträumet: welches er aber glaube / daß es von dem harten Lager herkommen /damit ihn der Wirt diese Nacht versehen. So bin ich dann / (versetzte Polyphilus) dißmal der Unglückseeligste: denn ich habe einen Traum gehabt /dessen Erfüllung ich nicht wünsche. Was war es dann? fragte Agapistus. Mir traumte / (war des Polyphilus Antwort) als wäre ich / in einem Wald / von vielen Mördern umringet worden / welche mich ausgezogen / und mit ihren Schwertern so sehr verwundet / daß ich nichts mehr erwartete / als von ihren Händen zu sterben. In solchen Aengsten / sahe ich Macarie auf mich zu eilen / welche / mich zu erretten /den Mördern in die Schwerter fiel / und sich mit denselben dermassen verletzte / daß ich voll Furcht und Schrecken aufschrye / und die Mörder bate / ihrer zu verschonen. Uber dieser Bitte bin ich erwachet: weiß also nicht / ob sie errettet / oder ermordet worden. Das kommet her / von der Erinnerung unserer vorigen unglücklichen Reise: sagte Agapistus. Ich halte sonsten wenig auf Träume: dann sie sind falsche Propheten / und wird unter hunderten kaum einer wahr. Ich aber halte viel davon / (sagte Tycheno) dann sie treffen mir gar zu gewiß zu. Das ist eure Strafe / (antwortete Agapistus) daß ihr solchen Betrügern glaubet /und hernach alles / was euch begegnet / darauf deutet / solte es auch bey den haaren hergezogen werden. Ich spreisse mich des Morgens an mein Fußbret: so sind alle meine Träume vergessen. Man muß unter Träumen einen Unterschied machen (versetzte Polyphilus) deren etliche natürlich /und nach der Beschaffenheit des Menschen / entweder frölich / oder traurig sind / welche gemeinlich vor Mitternacht / und so lang die Speise im Magen kochet / zufallen: etliche aber / sonderlich die gegen Morgen / sind über die Natur / und kündigen uns unser Glück und Unglück an / entweder zur Furcht /oder zur Warnung. So wenig nun auf jene / welche uns theils unsre natürliche Zuneigung / theils auch die Sachen / so sich selbigen Tag über zugetragen / wiewol gantz verwirret / vorstellen / zu halten / so wenig sind hingegen diese / die uns unser Zukünfftiges offenbaren / zu verachten. Dann es bezeuget die Erfahrung / daß uns offtermals die Warnung eines Traums /wann man derselben vorsichtiglich nachkommet / von grossem Unglück befreyet. So weisen auch die Exempel / wie solche Träume zugetroffen. Der Andromache / Hectors Gemalin / traumte / wie ihr Herr des folgenden Tages im Streit umkommen: Deßhalben sie ihn mit Threnen bate / daß er selbigen Tages nicht in den Streit kommen wolte. Weil er ihr aber nicht gehorchet / wurde er vom Achilles erschlagen. Dem Vespasiano träumte / er werde alsdann Römischer Käyser werden / wann Nero einen Zahn verlieren würde: Darauf ihm am Morgen / des Nero Leib-Artzt begegnet / und einen Zahn gewiesen / so er demselben ausreissen müssen. König Heinrich der dritte in Frankreich / sahe / drey Tage vor seinem Tod / daß seine Kron / Scepter und Königlicher Rock / von einem Mönchen mit Blut besprengt / und mit Füssen getretten wurde. Als er solchen Traum dem Abt von Senis erzehlte / bate dieser / der König wolte sich wohl in acht nehmen / und gute Wacht halten lassen. Es ist ihm aber doch der Traum wahr worden / und hat er seinen Tod / welcher durch einen Mörderischen Jacobiner erfolget / nicht verhüten können. Diese und dergleichen mehr erfüllte Träume / derer noch viel anzuführen wären / erweisen gnugsam / daß sie keineswegs in den Wind geschlagen / sondern vielmehr vorsichtig sollen beobachtet werden. Wieviel hundert aber / (sagte Agapistus) vergehen mit dem Schlaf / und bleiben unerfüllet / können aber doch einen / der darauf achtet / in Furcht und Nachteil setzen! Jenem Römischen General Cecina träumte /als er wider die Teutschen zu Felde lag / er sehe aus dem Morast hervor steigen / den mit Blut besudelten Varum / (welcher vorher mit den Teutschen gar unglücklich getroffen) der ihm winkte / und bey der Hand nach sich ziehen wolte / dem er aber die Hand entzogen. Hätte nun dieser dapfere Feldherr nicht beobachten wollen / daß ein behertzter Soldat seinen Sieg vielmehr auf gute Wachsamkeit / als betrügliche Träume / gründen solte / würde dieses Schatten-Bild ihm bald allen Muht benommen / Schrecken und Furchtsamkeit erwecket / und durch Verwirrung seines Verstands / des gantzen Heeres Untergang verursachet haben. Habe ich doch gesagt / (antwortete Polyphilus) daß man die Träume vorsichtig beobachten /und ohne Verachtung zur Warnung brauchen soll: Sie mögen alsdann eintreffen / oder nicht / so ist es ohne Schaden. Und wer weiß / ob nicht gedachter Heerführer durch diesen Traum bewogen worden / viel vorsichtiger und bedachtsamer seiner Schantze wahr zu nehmen / auch viel behutsamer zu streiten / damit Er die Erfüllung desselben verhintert? da er vielleicht /ohne die Warnung solches Traums / durch Sicherheit und Vermessenheit / gar leicht den Sieg hätte verlieren können. Ich / meines theils (fuhr er fort) möchte wünschen /daß mein Traum ein blosser Schatten wäre / der nichts nach sich ziehet. Allein / ich glaube es schwerlich /sondern fürchte immer / es werde sich entweder zu Sophoxenien / oder zu Soletten eine neue Widerwertigkeit regen / und meine Vergnügung verletzen. Wann ihr dieses fürchtet / (sagte Agapistus) so wollen wir Serveten mit dem Boten voraus schiken / und /was es daselbst vor eine Beschaffenheit habe / erkundigen lassen / damit wir hiernach unsern Fortzug anstellen können. Wohl! (sagte Polyphilus) wann ihr es vor gut ansehet / so wollen wir sie alsbald abfertigen. Damit rufften sie dem Servetus / welchen Polyphilus zur Seite führte / daß es Tycheno / nicht alles hören konte / und ihm befahle / mit dem Boten nach Sophoxenien zu reiten / der Königin ihre Ankunfft zu verkünden / und daselbst zu erforschen / was indessen vorgelauffen / wie sich Melopharmis anstelle / und ob nichts neues von Macarie vorhanden? Im fall er nun etwas erführe / solte er sich anstellen / als ob er ihnen entgegen ritte / und solches ihnen zur Nachricht offenbaren. Servetus / versprache solches zu beobachten /name also fort seinen Abschied / und ritte mit dem Boten davon. 2. Absatz Zweyter Absatz Des Polyphylus und seiner Reis Gefärten Gespräch /in der Herberge / von Gespänstern; nachmals auf dem Weg / von der Liebe und Buhlerey / und von den Beer-Wölfen. Sie verreiten sich / in solchem Gespräche. Polyphilus und seine Gefärten / ritten allmählich hernach / und kürtzten ihren Weg mit allerhand Gesprächen: biß sie / um den Mittag / ihre Rosse zu füttern /und selbsten Speise zu nehmen / in einem Wirtshause abstiegen. Agapistus / welcher sich auf dieser Reise schertzweis den Hofmeister nennte / gienge bald in den Stall / zu sehen / ob die Pferde versorget wären /und von dar in die Küchen / die Malzeit zu bestellen. Daselbst traffe er eine viel schönere und freundlichere Wirtin an / als in einem Dorff zu vermuten war. Er machte / nach seiner Gewonheit / alsobald mit ihr Freundschafft / und ließe ihm ihre Weise nicht übel gefallen. Polyphilus aber / der sich noch immer mit einer hertz-nagenden Furcht plagte / die ihme die Verlassung seiner Macarie androhete / verfügte sich mit Tycheno in die Stuben: und wie dieser auf und ab gienge / stellete sich jener ans Fenster / seinen Gedanken so viel füglicher nachzuhängen. Uber eine kleine Weile kam der Wirt / welcher nicht zu Haus gewesen / seine Gäste zu empfangen. Diesen fragte Polyphilus / was doch dieses / so gegen dem Wirtshaus über lage / (damit auf ein altes und verwildtes Gebäu zeigend / welches allem Ansehen nach unbewohnt stunde) für ein Ort wäre / und wem es zustünde? Der Wirt gab zur Antwort: Es wäre ein Schloß / vornehmen Edelleuten zuständig / welches vor Jahren gar herrlich und vest gewesen / dieser Zeit aber / wegen eines Gespensts / gantz unbewohnt wäre / und wüste er / da er doch ein alter Mann wäre /sich nicht zu erinnern / daß es jemals bewohnt gewesen. Als nun Polyphilus darüber wunderte / sagte Agapistus / der nun auch zu ihnen gekommen war: Er könne sich in dergleichen Gespenster nicht richten /weil es ja gewiß / daß weder der verblichene Cörper aus der Erden / noch die Seele / von dem Ort / da sie nach ihrem Abschied lebet / wieder kommen könne; halte er es also vor lauter Gauckeleyen / welche nur die Furchtsame zu schrecken pflegen / und zweifle er gar sehr / ob sie einem Behertzten / der sie verachtet /schaden können. Das ist eure Manier / (sprach Tycheno) daß ihr alles widersprechet. Wann nur einmal ein Gespenst käme / und eurem Zweifel ein Ende machte: Ich möchte gern sehen / ob ihr euch so behertzt gegen demselben / als gegen uns / anstellen würdet. Das soltet ihr wohl erfahren: (antwortete Agapistus) wiewohl ich weiß / daß dergleichen Affenspiel nicht zu mir kommet / sondern nur Furchtsame und Verzagte zu plagen pfleget. Daß gewiß Gespenster seyn / und sich sehen lassen / (versetzte Polyphilus) wird niemand zweiffeln /dann die Exempel weisen es allzuklar. Was es aber mit denselben eigentlich vor eine Beschaffenheit habe / davon sind die Meinungen so unterschiedlich /als die Begebenheiten. Denn ob gleich / wie Agapistus will / weder der entseelte Cörper noch der ausgefahrne Geist von seiner Wohnung / nach der Natur und Vernunfft / zu rücke kommen kan: so ist doch solches der Verhängnus des Höchsten / und der List und Kunst des Satans nicht unmüglich. Es bezeugen die Geschichten / daß dieser Tausendkünstler / die Leichname der Verstorbenen / nicht allein offt sehen lassen / sondern auch gar eine Zeitlang / als beseelete herum geführt / und alle Geschäffte der Lebendigen verrichten lassen. Ein Edelman in Frankreich hatte sein Weib / wegen Eiffersucht / in der Nacht erdrosselt. Weil er nun sich dieser Mordthat halben fürchtete / ersuchte er einen Zauberer um Raht: welcher ihm versprochen / seines Weibs Gestalt / etliche Tage / im Hauß hin und her gehen zu machen; Er aber solte indessen / allem Argwahn vorzubauen / auf eine Reise sich begeben / daß also ihr Tod in seinem Abwesen offenbar würde. Diesen Vorschlag richtete er zu Werk / und fande man den Leichnam der Frauen / so stinkend und erfault in des Edelmanns Haus / daß viel wähnten / er hätte ihr /wegen der bösen Ehe / die sie führten / so starken Gifft beygebracht. Er wurde / theils wegen dieses Argwahns / theils auch wegen der Freundschafft / die er mit dem Zauberer hatte / in Verhafft genommen: Da er von seinem Gewissen überzeuget / die That bekennet / und als ein Mörder gerädert worden. So wird auch erzehlt / von einer Jungfrauen / (welche gestorben / und ehrlich von ihren Eltern begraben worden) daß sie / etliche Jahr hernach / einem jungen Gesellen / der bey ihrem Vatter eingekehrt / bey der Nacht erschienen / in den Kleidern / darinn sie begraben worden / und mit ihm Unzucht getrieben. Als aber endlich ihre Eltern darzu kommen / und sie ersehen /ist sie als ein todter Cörper im Bette ligend blieben /nachdem sie vorher über ihrer Eltern Unbarmhertzigkeit geklaget / welche ihr diese geringe Freude nicht noch ein wenig gönnen wollen. Wie man ihr Grab eröffnen lassen / ist nichts darinn gefunden worden / als eine silberne Schale / und ein eiserner Ring / so dieser ihr Liebhaber ihr des Tags zuvor geschenket: Dagegen sie ihm ihr Brusttuch / und einen güldnen Ring wieder gegeben. Mein Herr erinnert mich dessen / (sagte hierauf der Wirt) was mir unlängst unser Todtengräber erzehlt /wie er nemlich / ungefähr vor einem Jahr / eine ledige Weibs-Person begraben. Als er aber / etliche Monat hernach / einem andern ein Grab machen sollen / und wider vermuten auf die vorige Stelle gekommen /habe er den Sarg / welcher etwas offen geschienen /vollends aufgemacht / und darinn weder Leichnam /noch Grabtuch / sondern ein blosses Holtz gefunden. Vielleicht ist sie hernach wieder kommen / (sagte Polyphilus) und hat unterdessen eine andere Verrichtung gehabt. Dergleichen Geschichten / machen die Gewalt des Satans / die verstorbenen Leiber wieder (wiewol nicht ohne Göttliche Zulassung) aus der Erden zu bringen / gar glaublich. Daß er aber auch die Seele /oder den Geist des Menschen / wann er dieses Irdische verlassen / wieder zu rück bringen könne / ist eine schwere Streit-Frage. Wiewohl etliche unter den alten Lehrern auch dieses zugeben / so will doch solches sehr hart lauten: sonderlich von den Seeligen und Gerechten. Dann wan der Teufel allein die jenigen hervor brächte / welche ihm in ihrem Leben gedienet /wäre sich nicht hoch darüber zu verwundern / weil sie vorhin in seiner Gewalt sind. Weil er aber auch der heiligen und Tugendhafften Leute Gestalt zu sehen gibet / wie das Beyspiel Samuels darweiset: als wird viel sicherer und glaubwürdiger davor gehalten / daß in allen / oder doch in den meinsten / solchen Erscheinungen der höllische Geist / die Gestalt der Verstorbenen / durch Verblendung an sich nehme / und dadurch die Lebenden entweder zu verführen / oder zu schrecken suche. Ich will nicht laugnen / daß solche Gespenster / vielmehr die Leichtglaubigen und Furchtsamen quälen / als einen Freyen und Behertzten / der in seinem Beruf bleibet / und solchen Teufels-Betrug verachtet. Jenem Laconier erschien auf einem Grab ein Gespenst / in weisser Gestalt / wie man bey uns / die in Sterbläufften heulende Klagmutter beschreibet: dessen er im geringsten nicht erschracke / sondern seinen Spieß erwischte / und damit auf das Gespenst (welches er vor irgend einen Geist der Verstorbenen hielte) zurannte. Als aber die Gestalt darauf verschwande / schrye er: Wo fleuchst du hin / du verzagter Geist! komm! ich will dich wieder hinunter in den Abgrund schicken. Das Gespenst aber / ließ sich nicht mehr sehen / weil es mehr Trutz und Muht / als Furcht und Schrecken angetroffen. Diesem / rahte ich aber nicht einen jeden / nachzufolgen / sonderlich wann er kein gut Gewissen hat / und sich irgend eines Lasters bewust ist: weil es ihrer vielen sehr mißlungen. Künheit ist keine Hertzhafftigkeit / und Vermessenheit keine Großmütigkeit. Gleichwol (fiele ihm Agapistus in die Rede) müssen sie den unverzagten ausweichen. Mir hat meiner guten Freunde einer erzehlet / daß er einsmals auf sei nen Reisen / in einer vornehmen Stadt / in einem Hause zu wohnen gekommen / darinn es / wie er nachmals erfahren / nicht rein gewesen. Als er nun /eines Abends an dem Tisch gesessen / und geschrieben / habe sich vor der Stuben / ein greuliches Gepolter erhoben / welchem er eine Zeitlang / und nicht ohne Schrecken zugehöret. Als es aber je länger je grösser worden / habe er seinen Lackeyen / (der ein Holländer war / welche Nation gemeinlich nichts von Gespenstern hält /) befohlen / zu zusehen / was doch dieses Unweisen bedeute? Dieser habe es etlich mal gethan / aber nichts sehen können; Und weil dennoch das Gepolter nicht nachlassen wollen / habe der Diener endlich das Pistol von der Wand genommen / sey hinaus gelauffen / und das Gespenst mit diesen Worten angeredet: Bist du Mensch / so sag! bist du Teufel: hol mich Teufel / ich schieß! Als sie hierüber sämtlich anfiengen zu lachen / kam die Wirtin in die Stuben / und brachte die Speise. Agapistus sagte: Wann alle Gespenster so gestalt wären / als diese / so wolte er sich nicht fürchten /wann sie ihm gleich in der dunkelsten Nacht begegneten. Der Wirt antwortet mit Lachen: Dieses sey ein Hauß-Geist / welcher allein ihn zu plagen pflege. Aber (versetzte Agapistus) euch wird bey solcher Plage mehr wohl / als übel seyn / weil ihr / so bald der Geist erscheinet / eure Freude sehet. Es ist Wunder / daß ihr bey so grauen Haaren / kein Bedenken getragen / eine junge Frau zu heuraten? Das Alter (sagte der Wirt) bedarff Wärme / und die Jugend Unterricht / welches wir beyderseits erlanget. Und weil ich zuvor eine Alte gehabt / habe ichs nun auch mit der Jungen versuchen wollen. Was haltet ihr aber davon (fragte Agapistus ferner) weil ihr alles beydes erfahren? Welches solte wol das beste seyn? Ich mache keinen Ausschlag / (sagte der Wirt) sondern vergnüge mich / daß ich in der Jugend von der Alten geliebet / und im Alter von der Jungen gelabet worden. Von der vorigen / habe ich das Geld bekommen /und von dieser die Kinder / welchen ich das Geld hinterlasse. Doch behaltet ihr (sagte Polyphilus) das Sprichwort: das letzte ist das beste. Indem / brachte die Frau noch ein Gerüchte. Agapistus trank ihr ein Glaß Wein zu / und sagte: Ihr Diener / schöne Frau Wirtin! Sie aber antwortete gar bescheiden: Die selbst dienen / wie ich / bedürffen keiner Diener. Und damit gienge sie zur Thür hinaus. Polyphilus / welcher dieser Antwort heimlich lachte /fragte den Wirt / wie viel es auf der Uhr sey? und als er vername / daß es allbereit weit über Mittag wäre /machten sie Ende von der Malzeit / befriedigten den Wirt / und ritten wieder ihres Wegs. Polyphilus fragte Agapisten unterwegs / wie ihm der höfliche Korb /den ihm des Wtrts Frau über Tisch verehret / gefallen habe? Ja! (sagte Tycheno) es ist trefflich artig gekommen / ich habe mich kaum des Lachens enthalten können. Das muß man nicht achten! (antwortet Agapistus) Ihr wisset aber nicht / wie freundlich sie sich in der Küchen erzeiget / und wie viel Küsse ich daselbst erhalten: man kan sich vor dem Mann wohl etwas fremd stellen. Aber truget ihr kein Bedenken / (fragte Polyphilus) dem guten alten Mann sein Weib zu verführen / und ihr zu bösen Gedanken Anlaß zu geben? Ich begehrte sie nicht zu verführen / (gab Agapistus zur Antwort) was konte ihr ein Kuß verletzen: Warum muß der alte Geck / ein so junges Mensch betrüben? Ein anderer / als der einfältige Agapistus / hätte ihn wohl gar mit einer Ochsen-Kron beschenket. Ich meine auch / er habe sich mit der Zeche schon gerechnet / und ihm den Kuß wohl bezahlen lassen. So wol! (sagte Tycheno) und wir sollen euch eure Kurzweil bezahlen helffen? Ihr sollet zu frieden seyn / (versetzte Agapistus) daß ich euch einen guten Willen erworben: Dann wann die Wirtin freundlich ist / so bekommen die Gäste gute Speisen. Aber ohne schertz / (sagte Polyphilus) wie ist es müglich / daß ihr allen Weibsbildern Lieb und Gunst erzeigen könnet? Nicht allen / (antwortete Agapistus) sondern nur denen / die es verdienen. Ich liebe / was liebens würdig / ich treffe dasselbe gleich an / wo ich wolle / und begehre mich nicht so vest an eine zu verbinden / wie ihr / daß ich alle andere ihrentwegen verachten solte. Das ist recht! begegnete ihm Polyphilus. Eine beständige Liebe / suchet das Gemüte allein zu beherschen / und kan keine fremde Bewegung neben sich dulten. Das Gedächtnus meiner Macarie / hat mein Hertz dermassen angefüllet / daß nicht der geringste Raum mehr vor eine andere übrig / sondern ich sehe sie an / als gemahlte Bilder / welche mich nicht bewegen können. Gleich wie unser Gesicht nicht fähig ist / zwey Dinge auf einmal zu betrachten / dann so bald es das eine fasset / muß es das andere verlieren / ob es gleich durch eine schlechte Bewegung geschihet: also kan auch das Gemüt nicht zwey Schönheiten zugleich lieben / sondern wann es die andere erwehlet / so wird die erste verdunkelt. Aber bey euch / ist keine rechte Liebe / sondern nur ein äusserliches Wohlwollen: welches / wie ein nasses Holtz /nicht länger brennet / als so lang eine Fackel dabey liget; wann sie aber weggenommen wird / wieder erlöschet / biß es von einem andern Brand entzündet wird. So kan sie desto weniger verzehret werden /(antwortete Agapistus) und ich bin vieler Plage befreyet / welche ihr in Abwesenheit eurer Liebsten empfindet. Ich leide es gern / (sagte Polyphilus) in Hoffnung /durch ihre Gegenwart wieder ergötzet zu werden. Aber sehet / dort kommet uns ein Wolf entgegen: welcher mich / wann ich allein / und ohne Pferd wäre /wenig erfreuen würde. Ja fürwar / (thäte Tycheno hinzu) und er sihet uns fein behertzt an: vielleicht ists kein rechter Wolf / weil er also still stehet / und nicht erschrickt? Wer solte es dann seyn? (fragte Agapistus) vielleicht unser Wirt / der sich / wegen meines Küssens / zu rächen suchte? Daß wäre nichts unmügliches! (versetzte Polyphilus. Ihr soltet mich bald überreden / (antwortete Agapistus) wie jenen mit dem Storch. Was ist das gewesen? fragte Polyphilus. Es reiseten (versetzte Agapistus) auf eine Zeit etliche junge Kaufleute mit einander / welche einen leichtglaubigen Menschen unter sich gehabt / den sie zur Kurtzweil betrügen wolten: Deßwegen sie einen voraus schickten / der den Wirt / bey deme sie selbige Nacht herbergen wolten / unterrichten muste / wie er solches ins Werck richten solte. Als nun die Reisende ankamen / gienge der Wirt dem Einfältigen entgegen /nennte ihn mit Namen / und sagte / wie er grosse Freude über seiner Gegenwart empfinde. Der Kauffmann verwunderte sich über dieser Gewogenheit / und fragte den Wirt / woher er ihn kenne? weil er ihn ja /seines Wissens / niemals gesehen hätte. Ey! (sagte der Wirt) mir ist so viel gutes von euch / und euren Eltern begegnet / daß ich mich heut billig dankbar erzeige. Dieser entsetzet sich noch mehr / das jener auch seine Eltern kenne / die doch so weit davon waren / und begehrte deßwegen Bericht. Der Wirt führt ihn in ein besonder Gemach / und entdeckte ihm in höchster geheim / wie er alle Jahre ein Storch werde / und auf seinem / des Fremden / Hause sein Nest mache. Dieser Albere ließe sich endlich bereden / und glaubet dieses / als ein Wunder: sonderlich / weil der Wirt kein Geld von ihm nehmen wolte / dann die andern hatten ihn allbereit bezahlet. Wie er nur nach Hause komt /und bey seiner Hochzeit / über Tisch / durch das Fenster / eines Storchs ansichtig wird: hält er solchen vor besagten Wirt / und trinket ihme ein Glaß Wein zu. Als die Gäste nach der Ursache fragten / ließe er sich vernehmen / wie daß dieser Storch sein Wirt wäre /welcher ihme auf seiner Reiß alle Ehre erwiesen: Worauf er nicht ohne Ursache / verlachet wurde / daß er sich also betrügen lassen. Polyphilus lachte hierüber / und sagte: nein! vor so einfältig sehe ich meinen Agapistus nicht an. Gleichwol ist bekant / daß es dergleichen Leute gibt / die sich zu Wölffen machen können. Man sagt wohl davon / (antwortete Agapistus) aber soll es auch gewiß seyn? In den Mitternächtigen Ländern / (widerredte Polyphilus) sollen sich die Leute / in der Christnacht / zu Wölffen machen / und grossen Schaden thun / andere anfallen / zerreissen / und so gar der jungen Kinder nicht verschonen. Dem Groß-Fürsten in Reussen ist ein solcher Mensch vorgebracht wor den / von welchem man vorgeben / daß er / zu gewisser Zeit des Jahrs / in einen Wolf verwandelt werde /und den Leuten überaus grossen Schaden thue. Der Fürst fragte ihn / ob es wahr sey / und befahle ihm /als er solches bejahet / eine Probe zu geben. Hierauf ist er abgetretten / und hat in einem abgesonderten Ort seine Zauberey gebrauchet / also daß er / wie er wieder vor den Fürsten kame / mit feurigen Augen / wie ein grausamer Wolf / erschienen: da ihn dann zween hierzu bestellte Hunde zerreissen musten / ehe er zu seiner Vernunfft und menschlichen Gestalt wieder kommen können. Recht so! (sagte Agapistus) weil er nicht als ein Mensch leben wollen / ist er billig / als ein wildes Thier / zerrissen worden. Aber auf was Weise mag solches zugehen? Daß solche Verwandlung (antwortete Polyphilus) wesentlich geschehen solte / ist der Göttlichen Natur-Ordnung entgegen / und kan der böse Geist nicht eines in das andere verkehren. So kan auch eine vernünfftige Seele den Leib eines Thiers nicht wesentlich begeistern noch regiren / weil kein Eben maß zwischen diesen beyden ist. Wird also am sichersten davor gehalten / daß diese Verwandelung der menschlichen Cörper in Wölffe oder andere Thiere / anders nichtes sey / als eine teuflische Verblendung der Augen / sowohl dessen / der sich in einen Wolf verwandelt achtet / als auch anderer / die ihn sehen. Aber / wie wann wir / über diesem Wolffs-Gespräch / unsers Wegs verfehlten / und eine unrechte Strasse ritten? Das kan leicht geschehen / (sagte Agapistus) und fürwar / ich glaube selbst nicht / daß wir zuvor diesen Weg gereiset. Es käme uns wol übel zu statten / sonderlich weil sich der Abend herzu nahet. Was war es nötig / (versetzte Tycheno) daß man den Boten weggeschicket? wie leicht könten wir jetzund in neue Gefahr kommen? Ja / ja! (antwortete Agapistus) ich fürchte wol / ihr werdet diese Nacht im Wald schlaffen müssen. Man hat mich (sagte Tycheno) wohl eher verlachet / und ist darüber in Unglück kommen. Nein / nein! (begegnete ihm Polyphilus) dort sehe ich ein Schloß / da wollen wir auf zu reiten: es wird doch ein Dorff dabey seyn / darin wir herbergen können. 3. Absatz Dritter Absatz Die Reisende gelangen zu einem Schlosse: dessen Adelicher Besitzer sie bewirtet. Polyphilus erzehlet ihm / auf sein Ansuchen / wie es ihm zu Soletten /und bey Erlösung des Schlosses Sophoxenien /ergangen. Ihr Gespräche / von dieser Verzauberung. Unsere Reisende ritten eine gute Weile / biß sie nahe zu dem ersehenen Schloß kamen / und befanden / daß es gantz allein stunde. Die Sonne hatte sich / theils wegen eines dicken Schnee-Gewölcks / theils auch wegen der verloffnen Tags-Zeit / verborgen: Daher sie ihnen / weiter zu reisen / nicht getraueten. Indem sie also in tieffen Gedanken schwebten / wurde Polyphilus eines Knabens gewar / welcher / nahe am Schloß /seine Zeit mit Schlittenfahren kürtzte. Auf diesen ritten sie zu / und fragten um Nachricht / ob nicht dort herum ein Dorff läge? Nein! (sagte der Jung) unter zweyen Stundenkönnet ihr keines erreichen. Dieser Antwort erschracken sie nicht wenig / und wusten nicht / was sie vornehmen solten: Dann sie so weit nicht mehr reisen kunten. Agapistus fragte ferner /wem dann dieses Schloß zugehörig wäre? der Kn ab antwortete: Meinem Vatter! Indem sie über dieser Antwort sämtlich lachten / ersahe sie des Kindes Vatter / von einem Fenster des Schlosses / ein sehr höflicher und kluger vom Adel. Dieser / weil er leicht mutmassen kunte / daß dieses fremde Leute wären / die sich etwan verritten hätten / kame selbst herunter /und sagte: Er hätte wargenommen / daß sie mit seinem Söhnlein Unterredung gehalten / welches ihnen gewiß / nach seinen Jahren / eine kindische Antwort würde gegeben haben: Demnach käme er / ihnen bessere Nachricht zu erteilen / deß jenigen / wornach sie fragten. Mein Herr! (sagte hierauf Polyphilus) seine unverhoffte Freundlichkeit / ist kräfftig gnug / unsre Furchtsamkeit / in fernerer Nachfrage / kühn zu machen. Wir sind fremde Leute / welche / über dem Gespräche / die rechte Straße vorloren / und hier ein Dorff zu erlangen gehoffet: weil wir uns aber betrogen sehen /haben wir das Söhnlein gefraget / wie weit wir noch nach einem zu reiten hätten? ist uns aber von ihm ein sehr langes Ziel gestecket worden. Ja! (sagte der Edelmann) hierinn hat er wohl die Warheit gesagt: sie werden heut schwerlich mehr ein Dorff ereilen. So sehnet sich auch die Sonne allbereit nach ihrer Schlafkammer / und beginnet auch sonsten böß Wetter zu werden. Die Herren lassen sich gefallen / ihren Diener / diesen Abend / mit ihrer Gesellschafft zu ergetzen / und in meiner geringen Wohnung zu übernachten. Die Reisende bedankten sich wegen dieser freundlichen Einladung / und sagten / sie würden es /als Unbekante / nicht wagen dürffen / eine solche Beschwerung zu verursachen. Das ist keine Beschwerung / (versetzte der von Adel) worum ich selbst freundlich bitte: sie belieben nur / herein zu kommen. Damit gieng er in den Hof / dem Knecht zu ruffen /daß er ihre Rosse abzäumte. Als sie nun ihm nachgefolget / und abgestiegen waren / kam er wieder / sie zu empfahen / und hieße sie freundlich willkomm seyn. Polyphilus entschuldigte sich / daß sie / in diesem kühnen Beginnen / mehr der Noht / und der Nacht /als der Höflichkeit / gehorchen müsten. Mein Herr! (begegnete ihm der Edelmann) ich sehe / daß er der Höflichkeit nur allzuviel nachgibt. Meine wenige Aufwartung verdienet keine so hohe Entschuldigung. Ich bitte nur / vollends herauf zu spaziren / mit gemeiner Kost und schlechter Bewirtung vergnügt zu seyn / und mehr den geneigten Willen / als das ungültige Werk anzusehen. Unter solchen Reden / führte er sie den Schnecken hinauf / nach dem Wohn-Zimmer. Sie fanden alles im Schloß wohl und zierlich gebanet / jedoch mehr nach Notturfft und Bequemlichkeit /als zum Pracht. Das erste / so ihnen aus dem Zimmer entgegen kam / und sie bewillkomte / war Julietta /des Mussards (also hiesse der Edelmann) Tochter: eine Jungfer von mittelmässiger Schönheit / aber sehr höflich und freundlich. Dieser befahle der Vatter vor dißmal die Wirtschafft / weil seine Liebste krank zu Bett lage. Er bate indessen seine Gäste / ihre Gewehr abzulegen / und ihme zu vergeben / daß er nach dem Ort fragte / wohin ihre Reise gerichtet wäre. Mein Herr wolle (antwortete Polyphilus) nach Belieben seinen Dienern befehlen! Wir sind / nach einer strengen und unbilligen Gefängnis / nun ein par Tage geritten /und gedenken auf das Schloß Sophoxenien. So wol! (sagte Mussard) die Herren werden aber ohne Zweifel wissen / was sich unlängst mit der Erlösung selbiges Schlosses begeben; oder reisen sie vielleicht dahin / solchem Wunder eigentlicher nachzufragen? Polyphilus lächelte über dieser Frage / und antwortete: Mein Herr! ich habe nicht Ursach / mich deßwegen zu erkundigen / weil ich vorhin am nächsten dabey gewesen. Uber dieser Antwort stutzte der Edelmann / und sagte / nach kurtzem Bedenken: Vielleicht ist er selbst Polyphilus / der Erretter? Als dieser es mit ja beantwortet / sagte er ferner: Ey so schätze ich billig diesen Tag glückseelig / weil er mir so unverhoffte Gelegenheit schenket / nicht allein / die Ehre seiner Erkantnus / welche ich so lang gewünschet / zu erlangen / sondern auch völligen Bericht / von der wunderbaren Erlösung gedachtes Schlosses / zu erhalten. Ich bitte aber um Vergebung / daß ich biß daher /aus Unwissenheit / ihme / hoch-geschätzter Polyphilus! die schuldige Ehrerbietung entzogen. Ach! mein Herr (fiel ihme Polyphilus in die Rede) verschone seinen Diener mit so hohen Worten! Ich bin ein schlechter Schäfer / der / in Errettung dieses Schlosses / vielmehr seine eigne Errettung gefunden / als einige Beehrung damit verdienet: Wie dann auch das Glück /welches heute unter uns Freundschafft stifften will /einig auf meiner Seiten stehet. Was sonsten die Eröffnung erwehnter Wunder-Begebnis betrifft / welche mein Herr so hoch verlanget / erkenne ich mich zwar schuldig / ihm hierin zu dienen: fürchte aber / es werde seine Hoffnung ungleich grösser seyn / weder die Erfüllung / und meine Erzehlung ihme mehr Verwunderung und Zweifel / als gründliche Nachricht /vorstellen. Deme sey / wie ihm wolle / (versetzte Mussard) Mein Herr mache mich nur seiner Wissenschafft teilhafftig / und versichere sich / daß er mich damit hoch verpflichten wird. Ich suche keine Verpflichtung / (antwortete Polyphilus) sondern wäre zu frieden / wann ich mit diesem Bericht / den geringsten Theil seiner Freundlichkeit und Gunst erwiedern konte. Und / damit ich den Grund dieser Seltenheit mit berühre / so wisse mein Herr zuförderst / daß ich / in meinem Vatterlande Brunsile / einen Theil meiner ersten Jahre / in dem ruhigen Schäfer-Orden zugebracht; nachmals aber /weiß nicht / soll ich sagen / aus unvorsichtiger Begierde zur Wissenschafft / oder aus Jugendlichem Ehrgeitz / den Hirtenstab von mir geworffen / und in fremden Ländern Kunst und Tugend zu erlernen /mich der zornigen See anvertrauet. Kaum aber hatten meine Augen die Sicherheit des Landes gesegnet / da begunte das neidische Glück / sein Mißfallen über meinem Vorsatz zu bezeigen / Wind und Wellen wider mich aufzumahnen: welche das schwache Haus unserer Wonung / mit schröcklichen Stürmen unter ihre Gewalt brachten / und es / nach eignem Belieben / bald mit sich an die Decke der schwartzen Wolken / bald wieder in den tobenden Abgrund rissen /biß es endlich von dem Streit ermüdet / an einem Felsen gescheitert. Ich sahe auf einem stück des zerbrochnen Mastbaums / dem Tod recht unter Augen /wurd aber doch wieder alles verhoffen / erhalten / und halb-todt / in der Gegend der Insul. Soletten / ans Land geworffen. Hier hätte ich nun billich ruhen / und der Güte des Himmels meine Fehler abbitten sollen. Aber was ist unruhiger / was ist kühner / als die unbedachtsame Jugend? Eben das Unglück / welches mich zu Erkentnus meines Irrtums führen solte / hat mich zu weiterer Vermessenheit gereitzet. Dann / da ich mich der Gefahr entnommen sahe / und von dem Philomates /einem berühmten Kunst-Verständigen zu Soletten /die Beschaffenheit selbiger Insul erkundiget / kunte ich / aus Begierde / solche selbsten zu sehen / seiner versprochenen Widerkunfft nicht erwarten / sondern lößte einen Nachen von denen / welche daselbst zu der Uberfahrenden Dienst angehefftet waren / und vermeinte damit / noch selbigen Abend / in die Insul zu kommen. Ich muste aber erfahren / daß die Ubereilung nur verhintere / was die Gedult hätte erlangen können. Dann / weil ich die Gelegenheit / wie am bequemsten überzufahren / nicht wuste / als begunten mich die grimmige Wellen aufs neue zu verfolgen /und stürzten den Nachen mit mir zu grunde / daß ich eine Zeitlang / ohne alle Hoffnung der Errettung / in den Klauen des Todes zappelte: biß ich endlich / vielleicht auf Anwartung eines grössern Unglücks / wieder aufs trocken / und nach allerhand Widerwärtigkeit / welche hier zu erzehlen zu lang fallen würde /durch Hülffe Talypsidami / eines Solettischen Innwohners / in die Insul gekommen. Ich fande aber in derselben keine Sicherheit / sondern nur grössere Gefahr / auf mich warten. Dann weil kurtz vorher der besagte Philomatus / von einem unbekandten Ritter / ermordet worden / ward ich /wegen allerhand verführischer Mutmassungen / von den Innwohnern vor selbigen Mörder gehalten / da mich eine Rotte Soldaten / vor dem Hause Talypsidami / gefänglich annemen wolten. In solcher Beängstigung / fasste ich den verzweiffelten Schluß / mich lieber dem Gewalt des Wassers / als so gefährlicher Gefängnus / zu überlassen: der Hoffnung / daß der mildgütige Himmel / welcher mich schon zum zweyten mal dem nassen Tod aus dem Rachen gerissen / mir auch das dritte mal davon helffen würde. In diesen Gedanken / stürzte ich mich / vor den Augen aller Anwesenden / welche sich dessen im wenigsten versehen / über die Brücke / bey der Wohnung Talypsidami / ins Wasser: welches mich zwar dem Gesicht der Nachsehenden augenblicklich entzoge / aber nicht /wie zuvor / feindlich bekriegte / sondern auf eine ganz besondere Art / mit seinen Wellen gleichsam lieblich umarmte / und zwischen denselben / sonder alle Verletzung / mit grosser Geschwindigkeit / durch die Fluten führte / und wiewohl nicht ohne entsetzliches Brausen / vor der Pforten des damals versenkten Schlosses Sophoxenien / niderlegte. Ob ich / nach dem ich also mich wieder errettet sahe / über dieser Begebenheit in Freude und Bestürzung gerahten / stehet leicht zu ermessen: sonderlich /da ich durch einen unsichtbaren Gewalt / wider den Willen der Sophoxenischen Wächter / welche mir den Eingang verwehren wolten / in den Vorhof des Schlosses geführt wurde. Ich fande darinn mehr Lust und Zierlichkeit / als ich jemals gesehen / vielweniger unter dem Wasser vermutet hätte. Ich war ungewiß /wohin ich die Augen am ersten wenden solte / und zweiffelte / ob ich dieses alles warhafftig sähe / oder ob ich durch den Tod an den Ort gelanget / wo die tugendhafften Seelen / nach diesem Leben / ihre Belohnung suchen. Bald aber wurde ich solches Zweiffels befreyet / als ich den Tycheno / meinen gegenwärtigen Gefärten / bey einem Brunnen ersahe. Weil ich befürchtete / es möchten noch mehr Leute bey ihm seyn / und mich / wie und warum ich herein gekommen / befragen: suchte ich / biß ich eine scheinbare Ursache erdenken möchte / hinter einen Baum mich zu verbergen. Ich gienge aber eben daselbst der Königin Atychintide in die Hände / welche / Früchte zu suchen / dahin gekommen war. Hier musten Furcht und Schrecken weichen / wie häfftig sie auch mich beherschten / und der Hertzhafftigkeit Raum geben. Ich redete die Matron (dann ich wuste damals noch nicht / daß sie eine Königin wäre /) mit tiefster Demut an / und entschuldigte meinen Zutritt / so gut ich konte. Sie aber / von Verwunderung gantz bestürtzet /weil sie / seit ihrer Verbannung / keinen Menschen /ausser ihren Leuten gesehen / fragte mich gar freundlich / auf was Weise ich wäre zu ihnen gelanget? Nachdem ich alles / was ich bißher erzehlet / nach der Länge eröffnet / sagte sie / voller Freuden: So seyt ihr gewiß Polyphilus / unser Erretter! Damit rieffe sie /mit einem grossen Geschrey / ihren Bedienten / und verkündigte ihnen / als sie ungesäumt erschienen /daß nunmehr die Zeit ihrer Erlösung vorhanden / in dem der versöhnte Himmel / den jenigen / von welchem die Tafeln in dem Tempel der Liebe zeugten /mit einer wunderbaren Gewalt / zu unserer Errettung /unversehrt / durch die Wellen geführet. Sie sagte darneben / daß sie ihrem Befehl ferner gehorchen / und diese Erlösung / durch unzeitiges Reden / nicht verhintern solten. Als nun diese sämtlich / über solcher Zeitung höchst erfreuet / die Königin ihres Gehorsams versichert / und ich / so erschrocken / als verwunderend / zuhörte / machte sie eilends die Anstalt /solches Werk ihrer Befreyung vorzunehmen. Sie ermahnte mich auch / daß ich mit dem Himmel mich versönen solte. Nachdem ich dieses / so gut es die Eile und mein verwirrtes Gemüt zuliessen / mit einem demütigen Gebet verrichtet / auch etwas von Speise zu mir genommen / und noch mit einem alten Mann / welcher mir alle Gelegenheit des Schlosses und der Verfluchung eröffnete / sprach hielte: kam sie / in einem Königlichen Habit / und in prächtiger Begleitung aller ihrer Bedienten / welche ihr in einer schönen Ordnung folgten / und diesen Tycheno / als die Ursache ihrer Verbannung / nachführten. Ich entsetzte mich über diesem herrlichen Aufzug / sonderlich /weil ich sie bißher nicht wie eine Königin bedienet: weßwegen ich auch gegen den Nachfolgenden mich zu entschuldigen suchte / aber nur mit Winken und Neigen beantwortet wurde. Wie wir nun also vor die Pforte des Tempels der Tugend gekommen / und durch einen Herold nochmals ein Stillschweigen geboten worden / führte die Königin mich bey der Hand in den Tempel / welchen ich so zierlich und köstlich erbauet sahe / daß ich zweiffelte / ob es ein Werk menschlicher Hände wäre. Sie zeigte mir darinn allerhand Bilder / und ihre Bedeutung. Als sie aber merkte / daß ich völligern Bericht verlangte / rieffe sie dem Cosmarite und Chlierarcha / beyden Vorstehern der Tempel / und befahle jenem / in den Tempel der Tugend / diesem aber in den Tempel des Glückes / mich zu führen / die darinn befindliche Geheimnisse mir zu eröffnen / und durch gründliche Belehrung mich würdig zu machen / die Tafeln in dem Tempel der Liebe zu beschauen / und diesen Fluch von ihnen zu nehmen. Nachdem nun die beyde Weisen diesen Befehl mit sonderbarem Fleiß verrichtet / und mir die Beschaffenheit der Tugend und des Glückes / auch durch was Mittel man durch jene dieses erlange / mit allerhand Vorstellungen /viel ausführlicher erkläret / als ich jemals hoffen können / kamen sie wieder mit mir zurücke. Die Königin befahle sodann ferner einer Jungfer aus ihrem Frauenzimmer / mir den Tempel der Liebe zu zeigen / und mir / wie in der Liebe vorsichtig und glückseelig zu verfahren / durch die kluge Sinnbilder daselbst zu eröffnen. Als auch diese ihren Dienst zu meiner höchsten Vergnügung abgelegt / und die Nacht / welche zu dieser Erlösung notwendig erfordert ward / allmählich herbey kam / verfügte sich Atychintide selber zu mir /und führte vielerley. Gespräche / biß die Stunde der Befreyung herbey gekommen: da sie mir / mitten in dem Glückes-Tempel / zwischen zweyen Seulen /einen / an eisernen Ketten herab hangenden Kasten zeigte / welcher das Schloß der Gefängnis verwahrte. Auf diesem opferte sie / mit höchster Andacht / und flehete den Himmel / daß er das gefährliche Werk ihrer Befreyung beglücken wolle. Nach diesem zeigte sie mir / hinter einem Gerüste / die beyde Tafeln / in welchen die Hoffnung ihrer Erledigung / mit diesen Worten verzeichnet stunde: Wann das Gelübde der Einsamkeit / durch Polyphilum aufgehoben ist / so wird das Wasser wieder geben / was es verschlungen hat: und wann die Mutter ihren Sohn überkomt / wird Macarie unter einem fremden Joch gefangen ligen. Als ich nun diese Schrifft gelesen / und noch an der Auslegung dero zweydeutigen Verstands arbeitete /ward ein sehr liebliches Lied / in der Lufft / hinter uns angestimmet: worüber sowohl ich / als die Königin und beyde Weisen / vor Freuden und Wunder bestürtzt blieben / weil zuvor nie dergleichen gehöret worden. Wiewol nun sie daher eine Hoffnung zu glückseeliger Verrichtung schöpfften / so war doch das Mittel /welches die Erlösung befördern solte / noch verborgen. Und als sie bald dieses / bald jenes / so theils gefährlich / theils ungültig schiene / vorschlugen / und aller Raht erligen wolte: ward ich / durch eine verborgene Krafft / etwas höher in den Tempel geführet /allwo ich / hinter einer Seulen / einer schwartzen Tafel / mit etlichen verworffnen Worten / warname. Die Königin / welche mir mit den zweyen Weisen folgte / liefe eilend hinzu / selbige zu lesen / konten aber nichtes verstehen. Ich aber lase folgendes: Polyphilus! suche das Schloß zur Linken / und die Schrifft zur Rechten! alsdann wirst du wissen / was dir verborgen ist. Hierauf wurde ich / zur Rechten einer ehrnen Pforte / und zur Linken eines Kästleins in der Mauer gewar: darinn ich / als ich es eröffnet / einen Schlüssel fande / und damit durch die Pforte in einen herrlichen Saal eingieng / woselbst ich / unter einem eröffneten Crystallinen Fenster / ein sehr künstliches Kästlein ersahe. Als ich selbiges mit dem erlangten Schlüssel eröffnet / erhielte ich den Zettel / von welchem die Tafel gezeuget / dieses Innhalts: Gib mir mein Kind / Polyphilus! durch das Opfer / so du mir schuldig bist / und heilige die Stätte / da die Ubelthat begangen ist / welche zu versöhnen / du von mir durch die Fluten geführet worden. Dieser Befehl erregte in mir einen neuen Zweifel /ob ich ihn nach dem Wort-Verstande / welcher des Knabens Opfferung forderte / verrichten solte? Doch wolte ichs versuchen / und gienge hin / den Tycheno zu holen: welcher sich vor dem Ort seines Unglücks sehr entsetzte. Aber ich stellete ihn zu frieden / und trate mit ihm an das eröffnete Fenster / rieffe mit heller Stimme / seiner Mutter Melopharmis / daß sie ihren Sohn erretten / und uns erlösen wolte. Hierauf ward ich / mit einem grossen Donnerschlag / dieser Worte verständigt: Opffere auf dem grossen Altar /und eile! Ich / voll Furcht und Schrecken / nam den Knaben bey der Hand / und fragte nach dem grossen Altar; und als ich solchen / in dem Liebes-Tempel /samt aller Zugehör zum Opfer fande / saumte ich nicht länger das Werk zu vollenden: der Hoffnung /daß der Himmel nichts schädliches / vielweniger sündliches / befehlen würde. Demnach stellte ich alle Anwesende um den Altar / sezte den Knaben auf denselben / und als ich / mit nochmaligem tieffen Seufzen und Gebet / vor die Erhaltung dieses Kinds / und um die Erlösung der Verbannten / den Himmel angeruffen hatte / fassete ich / mit Zittern und Entsetzen / das Messer / willens / das Kind damit zu erwürgen. Es wurde mir aber unter grausamen Donner und Blitzen /der Knabe aus den Armen gerissen / und der Altar mit Feuer verzehret: also daß wir / vom Schrecken gantz entgeistert / als todtzur Erden fielen / und eine lange Zeit ohn alle Sinne verblieben. Als wir endlich wieder zu uns selbst kamen / sahen wir uns aller Gefahr entnommen / und mit dem frölichen Sonnen-Liecht wieder beschenket. Wir stunden behende auf / und giengen / dieser Erlösung gewisser zu werden / wieder in den vorigen Saal: alda wir den Tycheno / mit seiner Mutter Melopharmis / auf uns wartend fanden. Diese empffnge uns freundlich /glückwünschte zu der erlaugten Befreyung / und führte uns zu der Königin: bey deren sie auch noch in vertraulichster Kundschafft lebet / und biß auf diese Stunde ihrer Gnade geniesset. Dieses ist nun / mein Herr! der Verlauf der Geschichte / so er von seinem Diener zu vernehmen begehret: welchen ich gern kürtzer gefasst hätte / wann es nicht so viel bedenkliche Umstände verhintert. Solte ich ihn damit / welches doch schwerlich zu hoffen / in seinem Verlangen vergnügt haben / würde ich mich billich für glückseelig schätzen. Gewißlich / mein Herr! (antwortete Mussard) er hat mir / mit Erzehlung dieser wunderbaren Begebenheit /ein solches Gefallen erwiesen / daß ich mich willig als seinen Schuldner darstelle. Aber / (fuhr er fort zu fragen) was hält der Herr davon? solte dieses Werk /bloß von Göttlicher Rache und Erbarmung herrühren? oder stecken etwan auch einige zauberische Kräffte darunter verborgen? Polyphilus zuckte die Achsel /und sagte: hierinnen bekenne ich meine Unwissenheit / und bin zufrieden / daß ich durch diese Errettung / in welcher ich mehr Dank schuldig worden / als verdienet / mein Leben erhalten. Indessen lasse ich einem jeden sein vernünfftiges Urtheil frey: wie ich dann gleich anfangs erinnert / daß ich / mit meiner Nachricht / mehr Zweifel als Gewißheit erregen werde. Der Edelmann merk to wohl / daß dem Polyphilus selber die Sache verdächtig war / weil er mit der Sprache nicht heraus wolte. Er fragte demnach den Tycheno / in Hoffnung / dieser würde / wegen seiner noch einfältigen Jahre / etwas freyer heraus gehen: Wie ihme / in solcher Handlung / wäre zu muht gewesen / und wem er sie zuschriebe? Mein Herr! (versetzte dieser) es erlaubet mir / weder meine grüne Jugend / noch die Furcht und Bestürtzung / welche ich damals empfunden / hierinn ein Urtheil zu fällen. So viel ich mich aber selbiger Verwirrung besinnen kan /bin ich / als in den Armen meiner Mutter / von dem Altar aufgehoben / und unter grausamen Donner /durch die Lufft / in den Saal / dessen Polyphilus erwehnt / geführet worden / woselbst ich mich eine gute Zeit allein befunden / und durch das eröffnete Fenster / den Fall der Wasser / welcher mit grossem Knallen ergangen / und darauf wieder das helle Son nen-Liecht / gesehen. Auf solches / hat sich meine Mutter wieder bey mir eingefunden / und uns zur Königin geführet: Mussard / sahe hierauf den Polyphilus nach der seite an / und fragte von Tycheno ferner / wie es dann eigentlich mit der Versinkung beschaffen gewesen /und was das Schloß gesündiget / das dieser Fluch betroffen? Meine damals kindische Jahre / (antwortete Tycheno) werden wohl nicht alles behalten haben: Doch erinnere ich mich noch gar genau / der vornehmsten Umstände / und daß ich / der Königin / von meiner Mutter / auf Begehren (weil sie mich / in Ermanglung eines Erben / als ihren Sohn zu erziehen /versprochen) bin überlassen worden. Es hatte aber ein altes Weib / Cacogretis genant / welcher die Königin vordessen hohe Gnade erwiesen / hieran kein Gefallen / und vermeinte dadurch an ihrem Glück verhintert zu seyn. Diese suchte mich derowegen etlich mal zu verderben: wurde aber allezeit verhintert / nicht durch meine Klugheit / welche blosse Einfalt war / sondern durch die Vorsehung des Himmels. Endlich aber / als ich in dem vorgedachten Saal am Fenster stunde / und nach den spielenden Fischen sahe / kam sie hinter mich / und stürtzte mich unversehens hinunter ins Wasser. Als ich aber / aller Sinne beraubt / auf den Boden gelangte / sahe ich die Wasser zertheilet / und das Schloß mit allen Innwohnern herab fahren: von welchen ich alsbald erkennet und aufgenommen /auch mit höchster Sorgfalt unterhalten worden. Das alte Weib aber / welches mich hinabgestürzet / wurde todt aufgehaben / und auf Befehl der Atychintide begraben. Wie haben sie aber / (fragte der vom Adel) indessen gelebet? wie andre Menschen: (gab Tycheno zur Antwort) ohne / daß wir weder den Himmel / vielweniger die Sonne / sondern / an dessen stat / ein aufgehängtes Wasser gesehen: auch vor den Fenstern keine Felder / sondern eine Mauer von Wasser / welche das gantze Schloß umringet / wargenommen. Unterdessen haben alle Hofbediente ihre Verrichtungen getrieben. Die Königin aber / hat mit den Weisen öffters geopffert / und den Himmel um gnädige Abwendung dieser Gefängnis gebetten. So war auch an Speiß und Trank kein Mangel: dann das Schloß wurde mit allem Uberfluß versenket / und hatte einen weiten Raum von Gärten und Bäumen in sich; Wie dann Polyphilus / unter einem solchen Baum / die Atychintide angetroffen. Solcher gestalt haben wir die Zeit vertrieben / und in der Hoffnung / welche uns die Tafeln in dem Tempel der Liebe gezeiget / die Erlösung mit Verlangen erwartet. 4. Absatz Vierter Absatz Des Edelmanns und seiner Tochter höfliches Tisch-Gespräche mit seinen Gästen: deme / auf sein Begehren / Agapistus von der Macarie Vollkommenheit / und Polyphilus von der Atychintida Verstand und Zustand / erzehlet. Diesem träumet selbige Nacht / von seiner Macarie : worüber er / als er aufgestanden / ein Lied verfasset. Tycheno wolte weiter reden: aber Julietta / des Edelmanns Tochter / bate den Vatter / er möchte doch zu Tische kommen / weil die Speisen allbereit vorhanden wären. Demnach ermahnte Mussard seine Gäste /Wasser zu nehmen / und seine geringe Kost zu versuchen / nachdem sie ihn mit so vielen Wundern gespeiset. Er bate benebens / mit einer schlechten Malzeit sich heute zu gedulten / weil er sich so vornehmer Gäste nicht versehen / auch die Unpäßlichkeit seiner Liebsten einige Hinternus besserer Aufwartung brächte. Mein Herr! (sagte Agapistus) die Entschuldigung wird dißmal von uns / die Gedult aber von ihm erfordert: und solten wir billig unsers Künheit bereuen /welche seiner Liebsten die notwendige Bedienung entzogen / und der Jungfer Tochter so viel Beschwerung verursachet. Das ist seine Höflichkeit! begegnete ihm der Edelmann. Diese schlechte Bewirtung kan mir keine Unruhe erregen / und erfordert mehr einen hungrigen Magen / der alle Speisen versüsset / als eine weitleufftige Entschuldigung. Die Herrn lassen sich nur belieben zu sitzen / sie werden über keinen Uberfluß klagen dürffen. Wie nun eine Höflichkeit die andere reitzet / als wolten diese gleichwok sich nicht niderlassen / biß Julietta zu ihnen käme. Derowegen befahle Mussard seiner Tochter / daß sie das übrige den Mägden befehlen / und diesen fremden Herrn / an statt ihrer kranken Mutter / zusprechen solte. Hierauf setzten sie sich sämtlich zu Tische / und kam Julietta gerad neben Polyphilus zu sitzen: welcher seine Höflichkeit / in ihrer Bedienung / sehen ließe / und dadurch bey dem Vatter Ruhm / und bey der Jungfer Gunst erlangte. Der Edelmann war / mit Vorschneiden und Zutrinken / sehr bemühet / seine Gäste zu bewirten. So erwiese sich auch Julietta / im Vorlegen und Zusprechen / sonderlich gegen den Polyphilus / sehr freundlich / und entschuldigte sich /weil sie ihn nicht zum Essen nötigen könte / daß ihm diese ungeschmacke. Speisen keinen Lust zu erwecken vermöchten. Polyphilus / der wohl wuste / daß das Frauenzimmer ihren Ruhm im Spiegel und in der Schüssel suchte / finge an / die Kost trefflich zu loben / und sagte: Wie es müglich wäre / daß die Gerichte nicht köstlich seyn solten / welche so schöne Hände hätten zubereiten helffen? Er gläube / daß auch die allerbitterste Speise / wann sie von solchen Händen vorgelegt würde / süße schmecken solte. Der Herr solte / (antwortete Julietta) mit seiner grossen Höflichkeit / mir bald eine Farbe ausjagen. So ein Ruhm gehöret nicht vor mich: Er wird vielleicht seine Liebste darunter ehren wollen. Ach nein! (versetzte Polyphilus) ich glaube nicht / daß ich immermehr so glückseelig werde / eine Liebste zu überkommen: dann ich sehe / daß meine Unvollkommenheit mir bey dem Frauenzimmer mehr Feindschafft / als Gunst erwirbet. Julietta wolte antworten / aber der Vatter kame ihr vor / und sagte: Mein Herr stelle sich nicht so gar fremd! Ich weiß / wann die schöne Macarie zugegen wäre / sie würde diese Klage vor unnötig erklären. Mein Herr beliebet mit seinem Diener zu schertzen: (begegnete ihm Polyphilus) die Würdigkeit der allervollkommensten Macarie / ist viel grösser / als daß sie von meiner Wenigkeit solte bedienet werden. Ey doch! (antwortete Mussard) die Tafeln in dem Tempel / werden nicht vergeblich aufgehänget seyn. Selbige Tafeln / (sagte Polyphilus) sind gar schwer zu versiehen / weil sie einen doppelten Verstand führen; und halte ich davor / daß durch die Einsamkeit / welche ich aufheben solte / die Erlösung des Sch-osses / welches in wehrender Verbannung / mit seinen Inwohnern / von aller Gesellschafft der Menschen entfernet gewesen / verstanden worden. Das fremde Joch aber /darunter Macarie soll gefangen ligen / scheinet noch unerfüllet zu seyn / deren vielleicht ein Unglück damit gedrohet ist. Nein! (versetzte der Edelman) das ist daß Joch der Liebe / in welcher er sie / als ein Fremder / bestricket hält. Diese günstige Auslegung /(sprach Polyphilus) hätte ich zwar zu wünschen / aber nicht zu hoffen: Dann Macarie hält noch vest über der Einsamkeit / und da sie gleich selbige ändern solte /fürchte ich doch / sie würde unter so vielen Liebhabern / die sich ihr in die Arme wünschen / nicht den geringsten erwählen. Davor wird sie ihn auch nicht halten: widerredete Mussard. Aber was hat es dann gleichwol vor eine Bewandnus mit ihr? Ich habe unterschiedlich ihre hohe Beschaffenheiten rühmen hören / bin auch offt Willens gewesen / selbsten hin zu reisen / und dieser Dame Hoheit zu erkundigen: allein die unruhige Haußhaltung / die ich führe / so wohl auch das beschwerliche Alter / welches sich bey mir einfinden will / haben mein Vorhaben verhintert. Nun aber gibet mir das Glück die Mittel / auch ohne Hinreisen mein unruhiges Verlangen / durch der Herren warhafftige Nachricht / zu vergnügen. Ich möchte wünschen /(sagte Polyphilus) daß meine Kräffte zuließen / die Begierde meines Herrn in dieser Frage zu sättigen: ich sorge aber / mit meiner unberedten Zunge / der allerwürdigsten Macarie mehr Lob zu entziehen / als beyzulegen. Weil ich auch wenig mit ihrer Beywohnung beglückt gewesen / und vorhin in das Geschrey gerahten / als ob ich ihre Gewogenheit suchte / (welches von mir nicht allein unvernünfftig / sondern auch unfruchtbar würde gehandelt seyn /) daher ich meine Erzehlung einiger Parteilichkeit könte schuldig machen: als will ich diesen Bericht meinem getreuen Freund Agapistus befehlen / welcher nicht allein einen zimlichen Weg ihrentwegen gereiset / sondern auch ihrer Gegenwart öffters genossen. Ob ich wohl weiß / (setzete Agapistus entgegen) daß Polyphilus / in dieser der Macarie Belobung / viel glückseliger seyn würde /so will ich jedoch nicht unterlassen / seinem Befehl zu gehorchen: weil vielleicht seine Passion mehr durch das hören / als durch das reden / will unterhalten seyn. Ich bekenne demnach meinem Herrn / (fuhre er fort) daß / als ich auf meiner Reise gehöret / wie die Insul Soletten einen gar seltenen Schatz weiblicher Vollkommenheit verwahre / habe ich alsobald Verlangen getragen / dieses Englische Bild zu sehen / und durch ihre kluge Unterredung etwas zu erlernen / oder doch zum wenigsten den Ruhm / welchem die eitle Jugend allzeit nachtrachtet / mit nach Hause zu bringen / daß ich die jenige selbst angesprochen / welche das Gerücht aller Orten zu erheben suchet. In diesen Gedanken / reisete ich nach Soletten. Damit ich aber von der wunderbaren Erlösung des Schlosses Sophoxenien / davon auch die Welt bereits voll ist / zugleich gewisse Nachricht erhielte / nahm ich meinen Weg dorthin: da ich / so wohl von der Königin / als vom Polyphilus / und von dem ganzen Hof / gar gnädig und freundlich empfangen / und wohl bewirtet wurde. Nachdem ich aber alles erkundigt / und der Königin mein Vorhaben / die Macarie zu besuchen /eröffnet: wurde mir solches von ihr stark widerrahten / mit Vorwenden / daß es ein nichtiges Geschrey sey / was von Macarie geredet werde / und ich könte in ihren Tempeln / mit weit mehrern Nutzen / Weißheit und Tugend lernen / als bey einem einfältigen Weibsbilde. Dieser Befehl aber / welcher / entweder aus Neid gegen den Ruhm der Macarie / oder aus Gewogenheit gegen dem Polyphilus / den sie hierdurch von ihr abzuwenden suchte / hergeflossen / diente meiner unruhigen Begierde für einen Blaßbalg / selbige nochmehr anzufeuren: wie dann die verbottene Speise allzeit für süsser gehalten wird. Demnach unterließe ich nicht /sonderlich weil ich vom Polyphilus gestärket wurde /meine Reise fortzusetzen. Ich wurde aber / auf derselben / durch ein unvermutetes Unglück / in einen so verzweiffelten Zustand gebracht / daß ich lange Zeit gantz verirret / gleich einem unvernünfftigen Wild- Viehe / im Wald herum lieffe / und endlich / unverrichteter Sache / wieder nach Sophoxenien kame. Wiewol mir nun Atychintide dieses / als eine Strafe meiner Halsstarrigkeit / aufrupfte / so kunte sie doch damit mein Verlangen nicht dämpffen / sondern ich wagte es noch einmal / und zwar viel glücklicher /weder zuvor: weil ich nicht allein die Macarie zu sehen bekame / sondern auch ihres angenehmen Gesprächs gewürdigt worden. Da muß ich nun bekennen / daß ich mehr gefunden / als gesuchet; mehr gesehen / als vernommen; und mehr erfahren / als geglaubet habe: daß ich also /ihre Würdigkeit nach gnüge zu beschreiben / meine Unvermögenheit freywillig bekennen muß; Ein Römischer Cicero / oder Griechischer Demosthenes / solten hier meine Stelle vertretten / und ihre Kunst sehen lassen. Weil aber meine stammlende Zunge reden soll /so sage ich: Macarie / hat / wegen der Güter des Leibs und des Glücks / (die doch billig / von allen Vernünfftigen / vor die geringste Gaben gehalten werden) einen geneigten Himmel: mehr aber wegen der Güter des Gemüts und der Tugenden / welche bey ihr jene so weit übertreffen / daß ich gäntzlich davor halte / es habe allda die Weißheit ihren Thron / die Tugend ihren Tempel / und die Kunst ihren Helicon aufgeschlagen. Aus ihrer Gestalt / leuchtet Schönheit und Freundlichkeit; aus ihren Gebärden / Höflichkeit und Demut; aus ihren Worten / Klugheit und Wissenschafft; und aus ihren Handlungen / Kunst und Tugend / und zwar mit vollen Stralen. Mit einem Wort: Macarie / die treffliche Macarie / ist würdig / ein Schatz der Weißheit / ein Spiegel der Tugenden / eine Zierde des Frauenzimmers / und ein Wunder der Sterblichen / genennet zu werden. Mehr Lobs / will ich der jenigen nicht zulegen / die sich selbsten lobet. Ich gibe / (wie jener Mahler / der / durch Abbildung einer Hand / die größe des gantzen Menschen beschreiben wollen) mit diesen wenig Worten / den Ruhm der unvergleichlichen Macarie / meinem Herrn selber zu besinnen. Diß Lob ist herrlich / (versetzte Mussard) und gibet wohl zu erkennen / daß der Herr bey den Liechtern der Wolredenheit / welcher er zu vorhin erwehnet / in die Schule gegangen: und glaube ich / daß kaum ein Apelles / oder Protogenes / eine Weibs-Person so vollkommen mahlen solte / als der Herr diese lebendig vorgestellet. Agapistus gabe hierauf zur Antwort: Mein Herr glaube ja nicht / daß ich hierinn den Affecten Raum gegeben / sondern versichere sich /daß / so ein Fehler in dieser Beschreibung vorhauden / solcher viel eher von dem Mangel ihres Lobs / als desselben Uberfluß / herrühren würde. So solten billig (sagte der Edelmann) alle Weibsbilder / ein Exempel der Nachfolge / von der hochgeschätzten Macarie nehmen / und die Eltern eine Lehre / daß sie nicht also / ohn Unterscheid / ihre Töchter aller Unterweisung entziehen / und mit ihnen in die Küchen und Haußhaltung eilen / sondern die jenigen / welcher Gemüte von Natur mit Geschicklichkeit begabet / zur Unterrichtung halten solten / damit sie nicht / in einer gezwungenen Unwissenheit verderben / und den Namen der Einfalt ohne Schuld trägen müssen. Ich schätze den Mann glückseelig / welcher der Liebe Macarie gewürdigt ist: solte er auch sonst aller Güter beraubt leben / und von keiner andern Zufriedenheit wissen. Freylich wird er glückseelig / (antwortete Agapistus) aber schwerlich zu finden seyn: Dann Macarie hält steif über dem Gelübde der Einsamkeit / und will von keiner Liebe wissen noch hören. Es wird aber Polyphilus / (sagte Mussard) nach dem Innhalt der Tafeln / solch Gelübde wohl aufzulösen wissen. Hiemit ergriffe er ein Glaß / und tranke dem Polyphilus zu / auf Gesundheit der so hochgerühmten Macarie. Es hatte sich aber derselbe diesem Gespräche mit Willen entzogen / und indessen mit seiner Beysitzerin Unterredung gehalten; jedoch zugleich seine Ohren auf die Schildwacht gestellet / und den Ruhm seiner Macarie so erfreut mit angehöret / daß er dem Agapistus tausendfachen Dank zuerkennte. Als ihm nun Mussard ihre Gesundheit zugebracht / bedankte er sich gar höflich / und sagte / er schätze sich seelig /dieses Glaß bescheid zu thun / und wünsche / daß er mit solchem Trunk / nicht allein der Tugend-gezierten Macarie / sondern auch aller ruhm-würdigen Damen /insonderheit aber seiner kranken Ehe-Liebstin / Gesundheit befördern solte. Und dieses redte er der Jungfer zugefallen / die ihm an der seiten saß / und durch das Lob Macarie in einen kleinen Widerwillen war gesezt worden. Der Herr wird ohne Zweifel (sagte der Edelmann) sich bald wieder mit der Gesellschafft Macarien ergötzen / weil sie vielleicht öffters bey der Königin zu Sophoxenien zukehret. Nein zwar! (versetzte Polyphilus) Macarie verharret in der Einsamkeit / macht also nicht Beruf von Gesellschafft: zumal sie im Witwenstande begriffen. Wie ist es dann / (fragte der Edelmann ferner) mit dieser Königin beschaffen? was führet sie vor einen Staat? und welches Land ist ihrer Botmässigkeit unterworffen? Die wenige Wissenschafft / (antwortete Polyphilus) die ich hiervon erlanget / und damit meinem Herrn gern dienen will / komt mir von dem Parrisiastes / einem alten und verständigen Hof-Bedienten / der bey dem verstorbenen König nicht allein wohl gelitten war / sondern auch in so vertraulicher Gnade stunde / daß ihm derselbe alle seine Heimlichkeiten geoffenbaret. Dieser erzehlte mir in geheim / wie Atychintiden verblichener Gemahl /ein sehr kluger und vorsichtiger Herr / sein grosses und volkreiches Land / eine geraume Zeit / glückseelig regiret / und mit dieser seiner Gemalin / etliche Jahre / in einem erwünschten Ehestand gelebet. Weil er aber keinen Erben erzeugt / und wegen eines Nachfolgers im Reich grosse Sorge truge / sonderlich weil sein Bruder / durch List und Gewalt / sich einzudringen suchte: ist er / in höchster Stille / mit ihm verreiset / und hat / unter dem Vorwand eines Gelübdes /ein Orakel gefragt / ob er noch einen Erben von seiner Gemalin zu hoffen hätte? Das Orakel hat ihm die Antwort ertheilet: Wann du von den Menschen und deinem Reich abgesondert bist / wird deiner Gemalin ein Sohn geschenket werden. Diese geschraubte Weissagung / hat der König dahin gedeutet / er müsse sein Königreich eine zeitlang verlassen / und in der Einsamkeit leben / in welcher er einen Erben erzeugen würde. Dieses nun zu befördern / hat er die Regirung seinem Bruder / mit dieser Bedingung / abgetretten / daß er das Land / so lang er selbst ohne Kinder bleiben / beherschen: Dafern er aber einen Erben bekommen würde / solches wieder zu übergeben gehalten seyn solte. Er aber hat sich auf das Schloß Sophoxenien begeben / welches von einem seiner Vorfahren / zu samt den Tempeln /mit grossen Unkosten erbauet worden: Vorgebend /daß er der Regirung müde / seine übrige Jahre in Ruhe verschließen wolte. Als er aber kaum etliche Monat / in dieser Hoffnung eines Sohnes / gelebet /hat ihn eine geschwinde Krankheit ins Grab geleget: Der Königin aber / ist kurtz nach seinem Absterben /ihre Traurigkeit zu erleichtern / der Tycheno / von seiner Mutter Melopharmis / zu einem Sohn verehret worden; womit dann / die gedachte Weissagung / weil der König durch den Tod / von den Menschen und seinem Reich gesondert gewesen / aber auf nicht vermeinte Art / erfüllet worden. Auf diese Weise / ist Atychintide von ihrem Königreich abgekommen / und lebet nun in dem einsamen Witwenstande; erweiset sich auch / mehr eine Vorsteherin der Tugend / eine Pflegerin des Glückes / und eine Ernehrerin der Liebe / als eine regirende Königin: wie sie dann solchen Namen nicht gern dultet / da er ihr doch um so viel billiger gegeben wird / je löblicher es ist / sich seiner Hoheit / wegen der Tugend /selber äussern. Sie ist auch vielmehr bemühet / die Wissenschafft / Kunst und Tugend zu erlangen / auch solche / durch verständige und gelehrte Leute / der Jugend einzupflantzen / als Städte und Länder zu beherschen. Und ob sie wol / wie Parrisiastes bezeuget /einen unglaublichen Schatz von Gold / Edelgesteinen / und allem dem / was die Welt hoch zu halten pfleget / besitzet / angesehen ihr Herr alle seine Güter mit sich genommen: so hat sie doch gelernet / solche gegen der Weißheit gering zu schätzen / und verwendet ihren Reichtum / mehr zur Freygebigkeit gegen Freunde und Notdürfftige / als zum Pracht und Hochmut: daher sie den Ruhm einer woltätigen und demütigen Prinzessin mit gutem Recht verdienet. Uber das / ist sie überaus vernünfftig und tugendhafft / und stellet sich zu einem lebendigen Ebenbilde der Sitten-Lehr / welche ihre Tempel vorstellen: daß also die Mißgunst selber / an dem Leben dieser Königin /nichts wird zu tadeln finden. Das ist ein treffliches Lob / (versetzte Mussard) von einer so vornehmen Dame / und findet wenig ihres gleichen: Dann wer die Freyheit hat / böses zu thun / und doch in dem guten verharret / ist doppelter Berühmung würdig. Die Herren haben heute zwey Weibs-Personen von solcher Vollkommenheit auf den Schauplatz geführet / daß sie billig viele Mannsbilder beröten / und diese von ihnen lernen solten / den Tugenden eifriger nachzustreben: damit nicht ihre Stärke von jener Schwachheit überwunden / und des gewöhnlichen Vorzugs entsetzet würde. Als Mussard noch also redte / legte die Jungfer dem Polyphilus von einer Torten etwas vor / und bate / diß Gerichte auch zu versuchen. Dieser bedankte sich für die Bemühung / und sagte: So viele Höflichkeiten seyen ein Verweiß seiner Grobheit / welche er in ihrer Bedienung sehen ließe. Agapistus thäte hinzu: Es wäre nun auch Zeit / dieser Unruhe ein Ende zu machen / und sie allerseits der Nacht-Ruhe zu überlassen. Polyphilus bestätigte solches / und stunden sie damit von der Malzeit auf. Der Edelmann bate sehr inständig / noch ein wenig zu verharren / und sagte: er wüste gewiß / daß sie mit hungrigen Mägen zu Bette giengen / weil sie nicht allein wenig Speisen gehabt / sondern auch / dieselben zu geniessen / durch seine vorwitzige Fragen wären abgehalten worden. Wer bey vollen Schüsseln (widerredte Agapistus) Hunger leidet / hat niemand als sich selbsten anzuklagen. Mein Herr vergebe uns / daß wir / mit so vieler Ungelegenheit / diesen Abend verlängert. Im geringsten nicht! (begegnete ihm der Edelmann) ich sage vielmehr schönen Dank / vor ihr freundliches Gespräch / und bitte meinen unhöflichen Bemühungen zu verzeihen / und mir hinwieder Gelegenheit zu geben / meine Dankbarkeit in ihrer Bedienung sehen zu lassen. Damit brachte er ihnen noch eines / zur glückseeligen Nacht / und sagte: er wolte sie gern länger aufhalten / wann er nicht fürchtete /daß sie / als müd von der Reise / die Ruhe verlangen würden. Unter diesem Gespräche / schwätzte Polyphilus mit Julietta / dankte vor ihre Bewirtung / und sagte: er preise seinen glückseeligen Irrtum / der ihn von der rechten Straße verleitet / und einen so angenehmen Irrweg geführet / dadurch er die Ehre ihrer holdseeligen Gegenwart erlanget. Julietta / welche auch nicht einfältig war / gab zur Antwort: Es scheinet / mein Herr irre heut allerwegen / nicht allein in seiner Reise / sondern auch in diesen Worten / die viel billiger vor die Tugend-gezierte Macarie / als vor meine Wenigkeit gehören; massen sie / so wohl wegen ihrer vortrefflichen Gaben / als wegen der Liebe Polyphili /vor glückseelig zu schätzen ist. Ach! schöne Jungfer! (versetzte Polyphilus) wer bey Macarien mehr liebet /als Kunst und Tugend / wird nicht allein eine vergebliche Arbeit verrichten / sondern auch eitel Undank zu Lohn bekommen: thut sie mir derowegen zu viel /wann sie meinet / daß ich / ausser Tugend und Wissenschafft / einige Liebe bey ihr suche. Wer wolte aber nicht / (fuhre Julietta fort) wegen eines so köstlichen Schatzes / auch den herrlichen Schrein / welcher ihn verwahret / lieben / der ja nicht weniger / als der Schatz selber gläntzet? Das würde wohl billig / (sagte Polyphilus) aber gantz vergeblich seyn: weil man leichter etwas von dem Schatz / als von dem Schrein / erlangen könte. Die Jungfer wolte wieder antworten: allein / weil Agapistus und Tycheno bey dem Vatter allbereit Abschied genommen / muste Polyphilus dergleichen thun / und dißmal sein Geschpräch einstellen. Nachdem sie nun allerseits einen sanften Schlaf angewünschet / wurden sie durch den Diener zu ihrer Schlafkammer geführet / von Julietten aber einen zimlichen Weg begleitet: da sie nochmal gar freundlich gute Nacht gaben / und sich in die Kammer verfügten. Polyphilus dankte daselbst dem Agapistus / wegen des Ruhms / welchen er der Macarie beygeleget / und sagte: Er wisse / wann sie zu gegen gewesen / sie würde mit einem Gedichte sich selber bedanken. Das ist unnötig / (sagte Agapistus) weil ich darinn nicht mehr gethan / als was ihre Würde und meine Pflicht erfordert. Ihre Gegenwart aber / wäre heute nicht zu wünschen gewesen: weil sie vielleicht / wegen eurer Freundlichkeit gegen Julietta / einen kleinen Eiffer würde empfunden haben. O der kalten Freundlichkeit! (antwortet Polyphilus) die meine Macarie im geringsten nicht verletzet. Wer weiß / (versetzte Agapistus) ob sie auch so kalt ist? meines Erachtens / ist Hitze genug dabey gewesen. Ja! (sagte Polyphilus) wann ich in eurer Haut steckte /und alle Weibsbilder / wie ihr / lieben könte / würde mir diese Zunders gnug gewesen seyn. Aber ihr wisset / daß ich gantz anderst gesinnet bin. So werdet ihr auch einen Unterschied machen / unter Liebe und Höflichkeit: welche letzere man nicht unterlassen kan / auch von Macarie nicht verbotten ist. Die Entschuldigung ist gut: (begegnete ihm Agapistus) aber gedenket derselben nur nicht / in Beywesen der Macarie. Erinnert mich auch ja nicht der heutigen Wirtin: sonst werde ich auch wunderlich reden. Ach! (sagte Polyphilus) wären wir nur erst bey Macarien! das übrige würde sich wohl schicken. Ich will / um dieser Bedrohung willen / nichts unsänffter schlaffen / und wünsche auch euch eine ruhige Nacht. Agapistus erwiederte den Wunsch / und begaben sie sich also beyde zu Ruhe. Polyphilus / wie er mit dem Gedächtnus seiner Macarie einschlieffe / also hatte er auch von ihr einen so süssen Traum / daß er / nachdem er erwachet / eine Verlängerung solches angenehmen Betrugs wünschte. Er kunte aber über dem Nachdenken / nicht mehr zum Schlaf gelangen / sondern dichtete / die Zeit zu kürtzen / nachfolgendes Lied / welches er / so bald er aufgestanden / in seine Schreib-Tafel zeichnete. 1. Ach! Schönste der Schönen! wann kommet die Stunde / Wann bricht doch der fröliche Morgen heran / Der meine Begierde ersättigen kan? Wann werd ich an deinem holdseeligen Munde / Mit Küssen / versüssen Den Willen / Und freudig erfüllen / Was meine geängstete Seuffzer kan stillen? Wann werden die Sinne / nun Schmertzen-verlezt / Durch Freundlichkeit endlich in Ruhe gesetzt? 2. Diana hat viermal schon Hörner getragen / Und rückwarts den silbernen Zügel gewandt / Seit das ich / von deiner Gesellschafft verbannt / Must über Gefängnis und Hertzenleid klagen. Das Leiden / und Streiten Das Lieben / Ohn Hoffnung getrieben / War biß auf die Stunde mein schmertzliches üben: So / daß mir darüber das Leben entweicht / Die Farbe mehr einem Verstorbenen gleicht. 3. Doch sollen nicht alle die Kräffte erligen / So lang sich Macarie liebend erweist. Die Hoffnung / ermundert den sinkenden Geist: Nach Leiden / folgt Freuden; nach Kriegen komt Siegen. Ich führe / die Ziere / Die Krone Der Frauen / zum Lohne / Die würdig solt sitzen auf herrlichem Throne. Die Weißheit und Tugend hoch haben gebracht / Wird letzlich der Liebe doch dienstbar gemacht. 5. Absatz Fünffter Absatz Mussard zeiget / am Morgen / seinen Gästen etliche Gemähle / (deren eines / von der langsamen / aber beständigen / Liebe redet /) und seine Kunstkammer. Ihr Gespräche / beym Früstück / von den Tyrannen; und Mussards vernünfftige Rede / von Unbeständigkeit des Hofglücks / und Gefärlichkeit der Hof-Dienste. Polyphilus / nachdem er dieses verfasset / gienge ans Fenster / zu erkundigen / was sie vor Wetter haben würden: da er dann bald warnahm / daß der silberfarbe Winter-Regen / nicht allein der Erde ein weisses Hemd angezogen / sondern auch die gantze Lufft erfüllte / und ihre Reise unbequem machen wolte. Er erschracke nicht wenig hierüber / weckte den Agapistus aus dem Schlaf / und vermeldete ihm / wie ihr Weg allbereit verschneyet sey. Selbiger / noch halb schlummerend / antwortete: So bleiben wir hier! Es könte nicht schaden / (erwiederte Polyphilus) wann wir fremden Leuten so lang auf dem Hals lägen / und wann wolten wir nach Hause kommen? Wann besser Wetter wird: versetzte Agapistus. Aber Polyphilus schüttelte den Kopff / weil ihm nach Macarien verlangte / und gedachte viel anderst. Nachdem nun auch Agapistus / und Tycheno aufgestanden / und sich angekleidet / auch dem Himmel vor den gnädigen Schutz der Nacht / neben dem Polyphilus / gedanket /verfügten sie sich sämtlich in das Wohnzimmer / und wünschten dem Edelmann / und der Jungfer / welche auch allbereit das Bette verlassen hatten / einen frölichen Morgen. Mussard bedankte sich höflich / und sagte: Er möchte wünschen / daß sie allerseits wohl geruhet hätten / fürchte aber / das harte Lager werde solches verhintert haben. Ach nein! (antwortete Polyphilus) das Lager ist so sanfft gewesen / daß wir fast zu lang geschlaffen / und einen guten Theil von unsrer Reise versäumet haben. Die Reise (versezte der Edelmann) wird heut müssen aufgeschoben werden: Der Schnee hat ihenn schon den Arest angekündet. Wir werden uns aber (versetzte Agapistus) nicht also unverschuldt arestirn lassen / sondern mit gewalt durch die Wacht brechen. Das ist gar gefährlich! (sagte Mussard) die Herrn gedulten sich nur heute; Morgen wird gewiß besser Wetter werden. Sie entschuldigten sich aber / wie sie so notwendig eilen müsten / weil sie bereit einen Diener voraus geschickt / und der Königin ihre Ankunfft wissen lassen: welche ihr dann / wann sie lang verzögen / allerhand Gedanken machen / und ein Unglück besorgen würde. Ey / so verharren sie doch (sagte Mussard) nur ein par Stunden; es scheint / als wolte es nachlassen zu wittern: alsdann will ich sie selbst begleiten. Ich hab eine kleine Verrichtung bey einem meiner Vettern abzulegen / dessen Wohnung auf diesem Weg nach Sophoxenien liget. Die kan ich dann ablegen / und sie zugleich auf die rechte Strasse führen. Sie musten Ehren halben hierein willigen / wie ungern auch Polyphilus daran kame / und sagte er: Diese Bitte wäre ein Befehl / welchem sie billig gehorchten / wofern nur ihre Gegenwart nicht mehr Unruhe erregen möchte. Es ist kein Befehl / (versetzte Mussard) sondern eine freundliche Bitte / welche ihrer angenehmen Gesellschafft noch etwas zu geniessen verlanget. Damit befahle er Julietten / daß sie ein Früstück solte bereiten lassen: Er aber führte seine Gäste im Haus herüm / und zeigte ihnen allerhand Gemähle / so wohl von neuen als alten Künstlern verfertigt. Polyphilus betrachtete vor andern / ein Sinnbild / und zwar so lang / daß er endlich vom Mussard gefragt wurde / was ihme an dieser Tafel gefalle / die Arbeit oder die Erfindung? Ich weiß nicht / (versetzte Polyphilus) was ich aus diesem Thier / daß einer Katzen nicht ungleich sihet / machen soll. Es ist (berichtete der Edelmann) das Americanische Thierlein Ha oder Haut / welches etliche Faulheit nennen / von wegen seines sehr langsamen Ganges: Dann es / einen gantzen Tag / kaum fünfzig Schritte / ja / wie andre wollen / in funfzehn Tagen keinen Steinwurff weit / fort gehen kan; es wird in gemein / als ein Bild der Faulenzer und Müssiggänger / aufgestellet. Ich habe es (fuhr er fort) etlicher Ursachen wegen /hieher setzen lassen / unter andern auch den Lauf der Liebe vorzubilden / als welche billig langsam und mit guten Bedacht soll geführet werden / weßwegen die Alten den Liebhabern Schneckenfüsse zugeeignet: und habe ich noch keinen / in seiner Verehlichung /die Langsamkeit / gar viele aber die Ubereilung / beklagen hören / welche auch nie schädlicher ist / als in diesem Bande / das nur der Tod aufzulösen vermag. Und gleich wie dieses Thier so jämmerliche Augen hat / daß so wohl Menschen als Thiere / so bald sie deren ansichtig werden / zu Mitleiden / und Erbarmung gegen dasselbe beweget werden: also sind auch die jenige / welche in den Schranken der Liebe lauffen / so vielem Unglück unterworffen / und führen ein so elendes Leben / daß sie billig Mitleiden verdienen. Es hat aber dieses Thierlein / in seinen zwar geringen Füßlein / solche Krafft und Stärke / daß es alle die Sachen oder Thiere / die es ergreiffet / dermassen vest hält / daß man sie nicht ledig machen kan. Hiemit lehret es / (welches auch die Uberschrifft / zwar langsam / aber veste / andeutet /) daß ein Verliebter das jenige / was er mit gutem Vorbedacht erwählet /und mit vieler Mühe erlanget / hernach desto fäster halten solle. Dann was liederlich erworben / ist gemeiniglich auch von liederlichem Wehrt / und wird wieder liederlich verlassen: Was aber schwer zu erwerben / wird viel fäster gehalten / und ist auch weit höher zu schätzen. Was hätte den Polyphilus mehr vergnügen können /als diese warhaffte Fürbildung seiner arbeitseeligen Liebe: Freylich / Allerschönste Macarie! (gedachte er bey sich) habe ich langsam eure Gunst erlanget / und noch langsamer kan ich derselben geniessen. Ach! was Unglück hat meine Liebe allbereit überstanden! und wie viel billiger verdiene ich Mitleiden / als die traurige Augen dieses langsamen Thierleins! doch tröstet mich der hohe Wehrt eurer Trefflichkeit / welcher viel grösser / als meine Arbeit / und der allerschwersten Bemühung wol würdig ist. Ich werde / nach der Lehre dieses Sinnbilds / euch zwar langsam aber vest erhalten / und aller meiner Bemühungen wieder ergötzet werden. Inzwischen Polyphilus mit diesen Gedanken sich unterredte / belustigste sich Agapistus mit einem andern Gemähl / welches einen verguldten Zepter /Degen und Schäferstab / auf einem Tisch ligend vorzeigte / mit dieser Obschrifft: Allezeit schätzbar. Er erkannte alsbald / daß durch das Gold / die Tugend /welche in allem Unglück / wie dieses edle Metall mitten in der Glut / rein erfunden wird / müsse verstanden werden; und daß diese güldene Tugend / sowol den schlechten Hirtenstab / als den Königlichen Zepter und sieghafften Degen ziere / und / nach der Beyschrifft / Allezeit schätzbar sey. Wiederum betrachteten sie / einen geblößten Jüngling / welcher auf einem stück von einem gescheiterten Schiffe sitzend / mitten in der See (in welcher das zerbrochene Schiff / mit allen Gütern zu Grund gienge) daher schwamme / und in der linken Hand ein Buch / in der rechten aber /einen Mercurius Stab hielte / mit dieser Obschrifft: Wann alles fleucht: Diß nicht entweicht / Das Land erreicht. Diß / (sagte Polyphilus) bedeutet ohne Zweifel die Kunst / welche uns / wann wir gantz entblösset / auch von Menschen und Glück verlassen scheinen / dannoch schützet: die kein Strassenrauber abnehmen /kein Schiffbruch versenken / kein Feuer verzehren /und kein Neider verletzen kan; die so lang / als wir selber / bleibet / und uns keinen Mangel leiden lässet. Sie hätten mehr Gemälde betrachtet: aber Mussard eröffnete seine Kunst-Kammer / und zeigte ihnen daselbst allerhand seltene Schrifften / künstliche Uhren /und alte Müntzen / wie auch viel Gewehre / wie sie von unterschiedlichen Völkern gebraucht werden. Hiermit hielte er sie so lang auf / biß die Jungfer an zeigte / daß es Zeit zur Malzeit wäre. Hierüber erschracken sie / und fragten: ob es dann schon Mittag wäre? Ach nein! (antwortete Julietta) es ist nur ein schlechtes Früstück / dabey man den Mittag erwarten kan. Also folgten sie dem Edelmann / der sie die Kost zu versuchen ermahnte. Sie baten um Vergebung / so vieler gemachten Ungelegenheit / und sagte Polyphilus: Sie wären wol vor der Jungfer beschamt / daß sie zu solcher Unruhe Ursach gegeben / und wüsten sich mit nichts / als ihres Herrn Vatters Befehl zu entschuldigen. Wann ich / (versetzte der Edelmann) mich eines Befehls anmassen dürffte / so wolte ich sie auf etliche Tage hier gefangen setzen: damit ich ihrer Gegenwart länger geniessen könte. Das würde / (begegnete ihm Agapistus) eine süsse Gefängnus seyn / und weit erträglicher / als die jenige / aus welcher wir kommen. Ich erinnere mich / (sagte Mussard) daß sie gestern derselben erwehnet: und / da ich nicht vorhin gnug Unhöflichkeit / mit vielen beschwerlichen Fragen /begangen / dörffte ich bald auch wegen dieser Gefängnus üm Bericht bitten. Diese wenige Beschwerung / mein Herr! (antwortete Agapistus) wann anderst eine schuldige Willfahrung diesen Namen führen soll / ist ungleich geringer / weder die jenige Unruhe / welche unsre kühne Einkehr verursachet. Wir sind verbunden / auch hierinn zu dienen. Hierauf er zehlte er alles / was sich / mit ihrer Abreise / Gefängnus / und Erledigung / biß daher zugetragen; worüber sich Mussard sehr verwunderte / und nicht ohne Bewegung sagte: Es ist gut / daß dieser Ungerechte nicht in einem höhern Gewalt herrschet / sonst dörfften wir einen Römischen Nero / oder Moscowitischen Basilowitz / an ihm erleben. Polyphilus sagte: Er habe viel von dieses Groß-Fürsten grausamen Thaten erzehlen hören / und müsse derselbe ein unbarmhertziger Wüterich gewesen seyn? Freylich / (versetzte Mussard) ist er der allerschrecklichsten Tyrannen einer gewesen / welche jemals den Erdboden beschweret: also daß er billig der andere Nero genennet wird. Dann auser dem Mutter-Mord / wiewol dieser auch seinen eignen Sohn erstochen / werden die Unthaten Neronis / fast lauter Tugenden scheinen / gegen dieses Ertzbößwichts abscheulicher Tyranney: welche weit schrecklicher / als daß sie können geglaubet werden. Tacitus verwundert sich / warum doch die Götter den Nero / nachdem er seine Mutter und seinen Lehrmeister erwürget / dennoch eine geraume Zeit im Regiment sitzen / und allerhand Bubenstück verüben lassen? Aber / viel billiger solte man sich wundern / daß der gerechte Himmel / diesem unmenschlichen Tyrannen / so lange Zeit zugesehen / und ihm nicht ein kaltes Eisen die Brust durchbohren lassen: Wann wir nicht wüsten / daß solche ungerechte Regenten / Ruhten der Göttlichen Rache / über unsere Boßheiten wären / die er / nach verübter Strafe / wieder zerbricht / und ins Feuer wirfft. Wie dann auch diese Bestie / zwar keines gewaltsamen / doch eines verzweiffelten Todes gestorben / und von der Zeit an / daß er seinen Sohn ermordet / keine fröliche Stunde mehr gehabt / sondern die Henker und Folterer / die Spieße und Schwerter / die Stiche und Biße / eines verwirrten Gewissens / unaufhörlich empfunden: biß er endlich seinen verfluchten Geist / dem jenigen / welchem er damit im Leben gedienet / mit Furcht und Zittern wieder eingehändiget. Er soll aber / (sagte Polyphilus) einen geschwinden Verstand / und gute Gedächtnus gehabt haben: ist also Wunder / daß er / bey solchen Gaben / in so schändliche Laster gerahten. Wie die Frommen / (begegnete ihm der Edelmann) ihren Verstand zu Vermehrung und Fortpflantzung der Tugenden anwenden / also mißbrauchen hingegen die Bösen solche edle Gaben / zu Bedeckung oder Vollziehung der Laster; wie dann dieser Wüterich / seine Gedächtnus /zu Bemerkung der Gefangenen / seine Vernunfft aber / zu Erfindung allerley Marter / oder zu dem unnützen Spielen gebrauchet. Hat er hierzu Lust gehabt? fragte Agapistus. Ja freylich! (versetzte Mussard) Aber gemeinlich hat er das Spielen beschlossen / wie eine Katze mit den Mäusen. Wie er dann / auf eine Zeit / mit etlichen seiner Landherren / sehr bedächtlich und scharffsinnig gespielet: als er es aber dessen genug gehabt / allen denselben / sie hatten gleich gewonnen / oder verloren / ohne Unterscheid / Ohren /Nasen und Lippen abschneiden / und sie hernach elendiglich erwürgen lassen. Das ist erschröcklich zu hören! (sagte Polyphilus) und wer hat dann diesem Unmenschen dienen mögen / da seine Gnade so gefärlich / und er weder der grossen noch kleinen verschonet? Ach! mein Herr (versetzte der Edelmann) nicht allein bey diesem unsinnigen Groß-fürsten / sondern auch bey klugen / und / dem Ansehen nach / gar gütigen Fürsten / sind die Hof-Dienste / so gefährlich /daß ich keinem / der sonst ein ehrliches Auskommen hat / dazu rahten wolte. Ich hab / in meiner Jugend /einem sehr frommen und freundlichen Fürsten gedienet / bin auch von demselben / über mein Verdienst /erhaben und begnadet worden. Aber nachdem ich betrachtet / daß die Sonne / welche mich begläntzte /dem Unbestand unterworffen / und der prächtige Stul / welcher mich damals truge / auf so gebrechlichen Füßen ruhete: habe ich denselben gutwillig verlassen / damit ich nicht mit ihm stürtzen möchte / die Hof-Gnade / nicht ohne Verwunderung und Mißfallen meines so gewognen Prinzen / gesegnet / und / in Besitzung meiner vätterlich-ererbten Güter / meine Ruhe und Sicherheit / ob gleich bey geringerm Ansehen /gesuchet: welcher Wechsel / mich destoweniger gereuet / je mehr ich täglich erfahre / wie viel vornehme Ministern / an unterschiedlichen Höfen / unversehens von ihrer Hoheit gestürtzet / der Gnade ihrer Fürsten /welche ihnen doch so notwendig ist / als die Lufft selber / beraubet / elendiglich ersticken müssen / und als eine Leiche des Glückes / allen Vorbeygehenden zu stinken. Ich hätte aber vermeinet / (sagte Agapistus) wann ein Hof-Bedienter seinem Prinzen redlich und vernünfftig diente / die Gerechtigkeit beförderte / und sich sonst in seinen Schranken zu halten wüste / es könte ihm sein Glück nicht so bald umgestürtzet werden. Dann es bezeuget die Erfahrung / daß die meinsten durch ihre Hoffart gefället / und ihr Unfall mehr ihren eignen Lastern / als der Unbeständigkeit des Glückes / zuzuschreiben. Ich will nicht laugnen / (begegnete ihm Mussard) das ihrer viele der Gnade der Fürsten / die sie gemeinlich / mehr durch Heucheley /als treue Dienste erlanget / boßhafftig mißbrauchen /und zu Beneidung der höhern / Unterdruckung der Untern / Bereicherung ihrer selbst / und Verderbung des Landes / anwenden: daher ihr Fall eine Bestraffung / und kein Unglück zu nennen ist. Es kan aber auch einer / der sein Glück auf lauter Tugenden gründet / auch mit Klugheit und Vorsicht bewachet / vor dem Fall nicht sicher seyn. Dann die Hof-Gunst ist viel unbeständiger / als daß sie ihr von unserm Wohlverhalten solte Fessel anlegen / und zu stäter Dienstbarkeit sich verpflichten lassen: und erweiset sie ihre Freyheit / so bald in Belohnung der Schmeicheley /als der Warheit und Aufrichtigkeit. So suchet auch die Ungerechtigkeit alle Welt zu beherschen / und ist nicht vergnüget / wann sie tyrannische Fürsten regiret / sondern sie bemühet sich auch / bey gerechten und tugendhafften Prinzen / unter den Mänteln der Staats-Rähte / einzuschleichen / und ihr schädliches Gifft auszusäen. Wer nun obligender Pflicht wegen /dieses Land-verderbliche Thier anschreyet / und auszujagen suchet / wird von dessen gifftigen Zähnen /dem Neid / Verleumdung / und allerhand Nachstellungen / an Ehre und Glück verletzet werden: Dann es geschihet nicht selten / daß ein frommer und gütiger Herr / durch die Ohrenbläser / zu tyrannischen Thaten gegen Unschuldige verleitet wird. Ich gebe gern zu / (sagte Polyphilus /) daß die Großen bey Hof vieler Gefahr unterworffen sind / und auf eitel scharffen Spitzen gehen / die sie leicht verwunden können: angesehen der Neid dem Glük auf dem Fuß nachzufolgen pfleget / und die allerlöblichste Thaten mit seinem Geiffer zu beschmitzen suchet. Demnach thut der / so zu Hof leben muß / am sichersten / wann er sich den hohen Klippen / welche von allen Winden angefochten werden / entziehet / im mittelmässigen Glück ruhet / und sein Ehrenbild auf den festen Stein eines guten Verdienstes setzet: damit es nicht so leichtlich beweget / und von allerhand Zufällen umgerissen werden möge. Wer sich (gabe Mussard zur Antwort /) einmal auf das unruhige Meer der Hof-Dienste gewaget / und die Segel seines Glücks /nach dem Winde Fürstlicher Gnade ausspannet / muß nachmals dem begehrten Wind folgen / wohin er von demselben geleitet wird / und stehet alsdann sein Steigen oder Ruhen / nicht mehr in seiner / sondern in seines Printzen Gewalt: der / gleich einem Münzer /Macht hat / einen schlechten Groschen oder schönen Schau-Pfennig aus ihme zu schlagen. Wie ein Hammer / ein elendes Werckzeug ist / und von der Hand /die ihn führet / bald erhaben / bald wieder gesenket wird: also wird auch mancher Hof-Bedienter / durch eben die Gnade / welche ihn unbegehrt erhöhet / ohne Schuld offt wieder gestürtzet. Mein Herr wird etwan einwenden / man solte sich solcher gefährlicher Erhöhung selbst äusern / und die angebottene Ehre von sich ableinen. Aber / wer ist von der selbstliebe so gar befreyet / daß er die Gelegenheit / wann sie dergestalt sich ihme bey den Haaren zeiget / nicht ergreiffe? in Betrachtung / daß sie im Nacken kahl / und die Potentaten eben so leicht über die Verachtung ihrer Gnade / als über der ungestümmen Forderung / erzürnet werden. Wer besteiget nicht das Roß / welches ihme von dem Glück selber vorgeritten wird? Es ist ja viel ergetzlicher / befehlen / als gehorchen; viel rühmlicher / herschen / als beherschet werden; und viel herrlicher / Gnade ausgeben / als üm Gnade bitten. So wird auch die Gefährlichkeit der hohen Berge / gemeinlich erst nach dem Fall / und im Thal des Unglücks / erkennet. Oder / da gleich ein gar vernünfftiger die beständige Unbeständigkeit des Glückes / auch mitten im Glücke / betrachtet / hat er doch keine Gelegenheit / sich aus demselben zu wickeln / und kan von dem Gipffel der Hoheit zu kommen / keine Bahn / ohne durch das gestürtzte Glück / finden. Der vortreffliche Seneca / hätte dem Käyserlichen Hof gern gute Nacht gegeben / und war bereit / nicht allein seine Ehren-Aemter und Ansehen / sondern auch sein grosses Gut / und Vermögen / dem Käiser einzuhändigen: aber er kunte es nicht erhalten / und wurde von dem tollen Nero gezwungen / zu sterben; zwar mit der Gnade / daß er ihm selbst die Art des Todes erwählen mochte. Und ob gleich nicht alle Fürsten so tyrannisch / wie dieser / so wohnt ihnen doch mehrernteils hoher Muth und hitzige Begierde bey: welche billig ein jeder / wie ein brennendes Feuer /fürchtet. Wann ich einen erwachsenen Sohn hätte /wolte ich ihm lieber rahten / sein Glück im Krieg / als an grosser Herren Höfen zu suchen. Dann ob gleich auch dieser voll Gefahr ist / so kan man sich doch leichter gegen einem öffentlichen / als heimlichen Feind verteidigen: und sind die entblöste Klingen und gezuckte Pistoln bey weitem nicht so gefärlich / als die tieffe Reverenzen und höfliche Complimenten. Wiewol heut zu Tag / die balsamirte Dienste mehr /als die blutige / belohnet werden. Würde er dann gezwungen / an Höfen zu leben / und zu einigem Ansehen erhaben: so möchte er seinen endlichen Fall vor gantz gewiß halten / und denselben mit einem freyen und beherzten Gemüt erwarten / und seine Sicherheit mehr dem geneigten Glück / als seiner Klugheit und Vorsichtigkeit / zuschreiben; auch viel mehr bemühet seyn / die Gnade des Himmels / weder seines Fürsten / und den Ruhm eines unverletzten Gewissens /als der eitlen Ehre und Herrlichkeit zu erhalten. Mein Herr hat (sagte hierauf Polyphilus) die gefärliche Hof-Dienste vernünfftig und warhaftig beschrieben. Ich werde auch seine tugend-gegründete Warnungen fleissig in acht nehmen / und mich nimmermehr nach Hof-Stellen gelusten lassen. Wir müssen aber die gemachte Unruhe beschließen / und / weil sich der Himmel wieder hell machet / unsere Reise fördern. Hiermit wolte er aufstehen; aber Mussard bate sie / noch eine kleine Weile zu verziehen / und sagte: Er könne nicht sehen / daß er seinem Raht nachzukommen gedenke / weil er so sehr wieder nach dem Hof eile. Ach nein! (versetzte Polyphilus) Sophoxenien ist nicht so wohl ein Hof / als eine Tugend-Schul zu nennen. So bleiben sie dann nur / (sagte der Edelman) biß ich mich / sie zu begleiten / färtig mache. Ich habe albereit den Schlitten zu bespannen /angeordnet: und weil es sich mit meiner Liebsten bässert / will ich ihnen / mit meiner Tochter / eine weile Gesellschafft leisten. Womit werden wir aber (sagte Agapistus) diese Ehre erwiedern? Mein Herr bemühet sich gar zu viel. Gantz nicht / mein Herr! (antwortete Mussard) ich habe vielmehr meine Zeit / die ich sonsten in der Einsamkeit verschließe / mit ihrer Gesellschafft gar nützlich zugebracht / und bin an Wissenschafft viel reicher worden. Wir haben solches mit mehrerm Recht zu rühmen / (erwiederte Polyphilus) im übrigen aber zu danken / daß mein Herr unsern Erzehlungen so geneigtes Gehör gönnen wollen. 6. Absatz Sechster Absatz Die Reisende werden von dem Edlen Mussard begleitet. Ihr Gespräche / von Duellen und Balgerey; und des Polyphylus / mit Julietten / auf dem Schlitten. Sie besuchen den Harpin / einen andern Edelman / auf seinem Schloße. Ihr Schertz Gespräche mit demselben. Agapistus und Tycheno spielen auf der Laute / darein Polyphilus / diesem neu-erbauten Schloß zu Ehren / ein Lied dichtet: welches von Julietten gesungen wird. Ihr Tisch-Gespräche vom Geitz / und von der Verschwenderey. Nach genommenem höflichen Abschied / und dienstlicher Bedankung vor die erwiesene Ehre und gute Bewirtung / sassen unsere Reisende sämtlich zu Pferde: da Mussard die Juliette auf den Schlitten name / und /nachdem er seine Hertzliebste gesegnet / in ihrer Gesellschafft mit fortfuhre. Er hatte aber nicht lang gefahren / da beklagte er sich gegen Polyphilus / der neben dem Schlitten her ritte / daß sein Arm / von dem stäten Anhalten der Seile / fast müde werden wolte / und ihm diß orts gar geringe Dienste leisten könte. Polyphilus fragte: ob er sich nicht möchte belieben lassen / mit ihm einen Tausch zu treffen / und eine zeitlang zu reiten? Mussard name es zu Dank an / übergabe ihm den Schlitten / und setzte sich auf dessen Pferd: womit er der Jungfer nicht einen geringen Gefallen erwiese. Ehe sie aber fortfuhren / fragte Polyphilus den Edelmann / was ihm an dem Arme mangele? Ach! (sagte Mussard) das ist noch eine schmerzliche Frucht der unvorsichtigen Jugend. Ich habe / in einem Duell /einen Schuß im Arm bekommen / so unglückseelig /daß jederman / auch der Barbirer selbst / vermeinet /er würde erlahmen. Welche Zeitung mich dennoch nicht so sehr erschreckte / als die Verwundung meines Gegners / der in die Seite geschossen / und für todt hinweg getragen worden. Er wurde zwar gleich mir /glücklich geheilet: ich aber habe / wegen der höllischen Angst / in welcher ich vor seiner Genesung geschwebet / fast keinen Schmertzen empfunden; weiß auch / auser einer wenigen Empfindung bey unbeständigem Wetter / keinen Unterschied gegen dem andern / als daß er bald ermüdet. Ich habe (sagte Polyphilus) hier auch dergleichen / wiewol ohne Ermüdung: damit zeigte er eine grosse Narbe / vornen am Arm. Das muß gefärlich gewesen seyn! (sagte Mussard) und vielleicht ists auch in einem Zwey-Kampf geschehen? Er wird sich verblutet haben. Freylich! (erwiederte Polyphilus) und als ich das Blut gesehen /bin ich noch viel erhitzter auf meinen Widerpart (dann er hatte mich wieder recht verwundet) loß gegangen / biß der Arm mit mir gesunken / und ich mit dem Tod zu ringen angefangen: da man dann kümmerlich das Blut gestillet / und mir das Leben errettet. Das thut die Jugend! sagte Mussard. Sind wir aber nicht törichte Leute / daß wir unsre gesunde und gerade Glieder nicht lieber gegen den Feind / oder vor das Vatterland gebrauchen / sondern / offtmals von unsern besten Freunden / um einer liederlichen Ursache willen / uns verderben lassen. Ist demnach billig / daß diese Duelle von gerechter Obrigkeit scharff gestraffet werden. Man kan sich gleichwol (versetzte Polyphilus) nicht so ungerochen beschimpffen lassen. Diese Rache ist unnötig / (versetzte Mussard) und sind deßwegen Recht und Gerichte gesetzet. Das ist wol! (sagte Polyphilus) man hat aber keine Ehre davon Ach der elenden Ehre / (antwortete Mussard) welche man also / mit Verunehrung Göttlicher und weltlicher Rechte suchet! und was ist das vor Ehre / wann man deßwegen / als ein Mörder / durch die Hand des Henkers / mit höchster Schmach / stre ben / und mit einem verletzten Gewissen / vor den Augen des höchsten Richters erscheinen muß? welches in gemein der verwegenen Balger Ende zu seyn pfleget. Ich halte gänzlich davor / wer die Tugend liebet / und zur Einigkeit Lust hat / werde / entweder von solcher Versuchung befreyet / oder / da er aus Noht und Unvorsichtigkeit darein gerahten / durch den Himmel beschützet werden. Aber / wir verweilen uns im Gespräche! der Herr fahre zu: ich wil mich zu den andern / auf den Fußsteig wenden. Also kamen sie von einander / und fuhre Polyphilus fort / biß er einen guten Weg voraus gekommen: da er dann still hielte / und seine Gefärtin fragte / was sie /bey einem so verdrießlichen Führer / für Gedanken habe? Ihre Antwort war: Sie bejammere sein Unglück / welches ihn von seiner Liebsten entfernet /und eine Unwürdige zu führen nötigte. So hat meine schöne Jungfer (sagte Polyphilus) mehr beklaget / als ich leide / und wir hegen gar ungleiche Gedanken: dann ich habe hingegen meine Glückseeligkeit gerühmet / welche mich heute mit ihrer freundlichen Gegenwart beseeliget. Und ob gleich niemand gern in einem wissentlichen Irrtum verharret / würde ich doch /wann es ohn ihre so hohe Bemühung seyn könte / gar willig länger geirret haben. Wäre diß nicht seine Höflichkeit / (versetzte Julietta /) so würde er gewißlich nit so bald einen Ekel in unserm Hause empfunden /und also hinweg geeilet haben. Mein Eilen / (sagte Polyphilus) ist nicht einem Ekel / sondern vielmehr der Furcht / die ich / als ein Fremder / über der Verursachung so vieler Ungelegenheit fühlte / zuzuschreiben. Dann / weil ich bekennen muste / daß ich / mit der kühnen Einkehr / einen Fehler begangen / hat mich dedünket / je kürzer ich in diesen Fehler verharrete / je geringer würde mein Verbrechen seyn. Ach nein! (sagte die Jungfer) dieses ist nicht die rechte Ursach: sondern er hatte daselbst nicht gefunden /was er gesuchet. Ich wüste (erwiederte Polyphilus) nicht mehr zu suchen / weder ich albereit vor mir sehe. Ja ja! (widerredte Julietta) zu Soletten ist schon ein mehrers zu finden. Ach! schöne Jungfer / (begegnete ihr Polyphilus /) sie schimpfe doch ihren Diener nicht mit Soletten / welche Insul ich vielleicht nicht mehr sehen werde. Ich baue mir keine solche Schlösser in die Lusst / und weiß gar wohl / daß ich viel zu unglückseelig / als daß ich von einiger Dame Liebe hoffen solte. Mich wundert / (sagte hierauf Juliette) daß mein Herr also reden mag. Welche Weibs-Person könte so unempfindlich seyn / daß sie den schönen und höflichen Polyphilus / wann er sie liebte / nicht wieder lieben solte? Fürwar / man müste sie in die Zahl der allerundankbarsten setzen. Polyphilus / der die Gewogenheit Julietten / nichr nur aus diesen Worten / sondern auch aus ihren Gebärden / und aus deme / daß sie seine Höflichkeit / wie Agapistus angehöret / gegen dem Hausgesinde gerühmet / leichtlich ermessen können / küste ihr die Hände / und sagte: Wann doch diese Rede so warhafftig wäre / als schön und lieblich sie lautet / würde ich gewiß einen Trost in meinem Unglück empfinden. Aber die Erfahrung bezeiget das Gegentheil / und ich bin gewiß /daß sie selbsten Ursach hat / mehr Haß als Liebe gegen mir zu tragen. Ich trage gegen niemand keinen Haß / sondern suche jederman in Ehren zu lieben /(sagte Julietta) allermeist aber die jenigen / die es vor andern verdienen. Dieses ist wohl die Art der Tugend / (gab Polyphilus zur Antwort) daß sie mehr zur Gunst / als Feindschafft geneigt ist: aber also bleibe ich wieder dahinten / weil ich nichts solches verdiene. Eben wolte die Jungfer antworten / als die andern geritten kamen / und Agapistus ihnen zurieffe: So /so / Polyphilus! ich sehe wohl / das Schlittenfahren schläget ihm besser zu / weder das Reiten. Das könnet ihr leicht denken! versetzte Polyphilus. Ihr habt mich lang im Gefängnus mit dem Schlittenfahren verspottet: aber heute gibt mir das Glück Gelegenheit /euer wieder zu spotten. Wohl! (sagte Agapistus) aber die Herrlichkeit wird bald ein Ende nehmen: Wir sehen das Schloß schon von fernen. Das ist schlimm genug! gabe Polyphilus zur Antwort / saße damit wieder zu Schlitten / und fuhre vor / biß nahe an das Schloß / da Mussard seine Einkehr nehmen wolte. Selbiges war eines jungen Edelmans / welcher / sobald er das Geleut vom Schlitten gehöret / einen Jungen herab schickte / üm zu sehen / wer vorhanden wäre? Als er vernommen / daß es Julietta wäre / und Mussard hernach folgte / lief er eilends herunter /empfinge sie / neben dem Polyphilus / gar höflich /und bate / abzusitzen. Indem kamen die andern auch hernach / welchen er entgegen gieng / und sie sämtlich / sonderlich den Mussard / willkommen hieß. Dieser sagte: Er hätte nun die lang verheissene Besuchung / in Begleitung dieser Herren / endlich ablegen wollen. Ich erfreue mich hertzlich / (antwortete der junge von Adel) daß ich das Glück habe / meinem geehrten Herrn Vettern in meiner Behausung auf zu dienen / und bitte dienstlich / sie wollen sich belieben lassen / eilends abzusteigen / und herauf zu spaziren. Wir folgen! (erwiderte Mussard) der Vetter weise uns nur den Weg. Also führte er sie in den Hof / da Polyphilus mit Julietta schon warteten / und sie eben fragte / wie der von Adel hiesse? Harpin heist er: (sagte die Jungfer) und ist eines guten Geschlechts / auch in unserm Hause / unter meines Vatters Pflegschafft / erzogen. Weil er aber wenig Mittel von seinem Vater gehabt / als ist er dem Krieg nachgezogen / in welchem er die Stelle eines Rittmeisters erworben. Als aber ihm unlängst ein alter Vetter gestorben / der ihm / nicht allein dieses Schloß / sondern auch das dabey-ligende Dorff / und andere Güter / neben einem grossen Geld-Schatz hinterlassen / hat er den Krieg aufgeben / und mit Hülffe seiner Frau Mutter allhier eine Haußhaltung angefangen. Also möchte ichs mir auch wünschen: sagte Polyphilus / als eben die andern ankamen; da er dann seinen Abschied nehmen / und mit seinen Gefärten fortreiten wolte. Aber Harpin / der allbereit von Mussard seinen Namen und Zustand erfahren / bate inständig /daß er doch ihme die Ehre seiner Freundschafft nicht versagen / noch die freundliche Gesellschafft zerreissen wolte. Als er sich mit der eilsamen Reise entschuldigte / sagte Mussard selber: Ey so lasse er sich doch erbitten! es wird ja ohne das nacht: wie weit werden sie heute noch reisen? Der Herr beglücke mich / noch diesen Abend / mit seinem Gespräche: Morgen frü will ich selbst seine Reise befördern. Polyphilus erwiederte: Sie hätten die vorige Künheit noch nicht genug entschuldiget / und würden nun eine Unhöflichkeit mit der andern häuffen. Doch wolte er sich seinem Befehl nicht widersetzen / und sich lieber der Grobheit / als des Ungehorsams schuldig machen. Ich finde keine Grobheit / (sagte Mussard) in so schönen Worten. Die Herren kommen nur mit herauf / und helffen mir besehen / was mein Vetter gebauet. Also führte sie Harpin / einen sehr zierlichen Schnecken hinauf / erstlich in das Zimmer / welches er bewohnte. Nachdem sie sich in demselben ein wenig erholet / auch ihre Gewehr abgeleget / wiese er ihnen alle Gelegenheit des Hauses / die künstliche (zwar damals stumme) Wasser. Wercke / stattliche Säle / und prächtige Zimmer / welche er zurichten und mit allerhand schönen Mahlwerk auszieren lassen. Als nun diese Gäste sich sehr darob verwunderten /und seine treffliche Angebung rühmten / sagte Mussard: Er müsse gewiß ein grosses aufgewendet haben / weil zuvor alles sehr haufällig und verwüstet gewesen. Freylich (antwortete Harpin) hat es viel gekostet / dieses Haus / daß zuvor einem Raub-Nest änlich gewesen / einem Wonhaus änlich zu machen. Ja /mein Vetter! (sagte Mussard) wann nun sein alter Vetter widerkommen solte / wie würde er sich verwundein über diese Veränderung. Ey! behüte Gott vor seinem Wiederkommen! (versetzte Harpin) Mein geehrter Herr Vetter solte mich bald furchtsam machen! Ich meyne ja / er würde mir das bauen gesegnen! habe ich doch kaum ein schlechtes Kleid / oder einen Ducaten Reise-Geld / von ihm jemals erhalten können. Sie lachten sämtlich hierüber / und Mussard sagte: hätte ich / wie er einsmals begehrte / ihme meine Tochter verheuratet / so würde der Vetter auch wenig von ihm ererbet haben. Das will ich wohl glauben /(versetzte Harpin) und sage ich / wegen des Abschlags / schönen Dank: wiewol es auch Schade gewest / wann die Jungfer in so ein lebendiges Grab wäre gelegt worden. Weil ihr aber solchergestalt seine Güter vermeint gewesen / würde mein geehrter Herr Vetter wohl thun / wann er meine wenige Person mit ihrer Verlobung beglückte / so könte sie solche / auch ohne einen alten Mann / besitzen. Wer weiß / was geschicht? (widerredte Mussard) Schertz muß man mit Schertz beantworten. Es werden wol andere Damen seyn / welche bey einem so reichen Edelmann Gunst suchen. Ach nein! (begegnete ihm Harpin) ich gebe gar keinen Frauenzimmer-Aufwarter / und bin bißher mehr der Feindschafft als Liebe gewohnt gewesen. Liebe und Krieg / (fieng Polyphilus an) sind nit wider einander: man findet oftmals die Venus in den Armen Martis / und seine Waffen vor ihren Füssen. So ist auch die Liebe selber nichts anders / als ein Krieg: nur daß sie nicht so gefährlich ist / und die Feinde ohne Todes-Gefahr überwunden werden. Weil mein Herr (sagte Harpin) vielleicht auch mit solchen freundlichen Feinden streitet / und die Art dieses Kriegs / so wohl beschreiben kan / hätte ich wohl Ursach zu bitten / mich in dieser Ubung zu unterrichten /und die Waffen glücklich führen zulehren. Wer noch nie keinen Sieg erhalten / und der Waffen ausschlag von dem Glück erwartet / (entschuldigte sich Polyphilus) darff sich nicht erkühnen / andere zu unterweisen. So sind auch die Feinde unterschiedlich / und wollen theils mit Gewalt überwunden werden: daß ich also vielmehr selbst Unterricht suchen / als andern ertheilen kan. Ich merke wohl / (erwiederte Mussard) der Herr will seine Kunst verborgen halten / und eine jeden selbst die Sache versuchen lassen / welches auch das bäste ist. Mit diesem Gespräche / gelangten sie wieder in das Zimmer / da sie zu erst gewesen / und daselbst Julietten / in Gesellschafft des Harpins Mutter / und einer Haus-Jungfer / hinterlassen. Massard / ersahe daselbst eine Laute / und fragte seinen Vettern / ob er darauf spielte? Ich spiele nicht darauf / (erwiederte Harpin /) sondern ich lerne / die Zeit zu kürtzen: wiewohl sich die Finger etwas halsstarrig erzeigen wollen / weil die Säiten viel subtiler sind / als der Degen. Mussard lachte / und sagte: Ist dann sonst niemand unter uns /der sie zu zwingen weiß? Ja / (sagte Polyphilus) sie spielen beyde / Agapistus und Tycheno. Geschwind reichte Mussard auf diese Worte / dem Agapistus die Laute / und bate / ihre Gesellschafft mit seiner Kunst zu beehren. Dieser den Polyphilus etwas scheel hierüm ansehend / antwortete: Mein Herr! ich solte billig bedenken tragen / sein Begehren zu erfüllen / wegen der geringen Wissenschafft / so ich in dieser Kunst erlanget / und vielleicht / damit verspottet zu werden /vom Polyphilus bin angemeldet worden. Doch allen Argwahn der Widerspenstigkeit von mir abzuleinen /will ich / so gut ich es gelernet / seinen Befehl vergnügen. Damit griffe er zur Lauten / spielte ein paar Stücke / und überreichte sie dem Tycheno: welcher sich zwar entschuldigte / doch / auf freundliches Anhalten / auch etliche Stücke hören ließe. Damit aber Agapistus an Polyphilo / der dieses Handels heimlich lachte / sich rächen möchte / sagte er: Wann ein Lied darein gesungen würde / solte es wol besser lauten /welches Polyphilus bald verfärtigen könte. Ach ja! (sagte Mussard) da will ich ihn gar schön um bitten. Ich / wann ich ein Poet wäre / hätte schon ein Lied gedichtet / von der Verneurung dieses Schlosses. Was konte hier Polyphilus anders thun / als daß er Papier und Feder begehrte / und dem rach-süchtigen Agapistus mit einem Blicke dankend / den Mussard zu vergnügen / folgende Zeilen setzete. 1. Ihr alle / die ihr habt geschauet / Diß Hauß / in seinem alten Stand / Das nun so zierlich ist erbauet / Durch guten Raht / und kluge Hand! Bedenket / wie es sey gewesen / Als noch der Geitz darinn gesessen. 2. Die Wände waren ganz zerrissen; Die Stein erschwartzet von dem Rauch. Die Winde durch die Fenster bließen. Der Boden war zerbrochen auch. Es stund die Kunst der Wasser-Spritzen Verstopfft / und kunte niemand nützen. 3. Die Küche war ohn Holtz und Feuer; Der Keller / ohne Faß und Wein. Wein war dem Alten viel zu theuer / Er wolte lieber durstig seyn; Sich kärglich speisen / und erfrieren / Als etwas von dem Schatz verlieren. 4. Den hat er / mit viel Sorg und Fasten / Gesamlet eine lange Zeit. Ihn er stäts in dem Goldes-Kasten Verwachet hielte / mit dem Neid: Biß ihn zu letzt der Geitz ersticket / Und in die schwartze Grufft geschicket. 5. O tolles Laster! wer beschreibet Die Torheit / so dir wohnet bey? Ein Geitziger in Unglück bleibet / Und karget / biß die spate Reu Ihn heist mit Weh und Ach verderben; Da andre seinen Reichtum erben. 6. Viel herrlicher sind jetzt die Zimmer / Viel prächtiger diß hohe Hauß: Nachdem man hat die alte Trümmer / Zusamt dem Herrn / geworffen aus. Die Fenster gläntzen von Crystallen / Die Wände von dem schönen Mahlen. 7. Die Wasserröhren künstlich springen. Auch Küch' und Keller ist gespickt. Die Gäste fangen an zu singen / Wie hoch der Erbe sey beglückt: Der / was der Alte hat gesparet / Mit Lust / und nicht mit Geitz / verwahret. 8. Kein Mangel weiter ist vorhanden / In diesem schön-gezierten Hauß / Als eine / die mit Liebes-Banden / Jag auch den letzten Kummer aus / Und such den Erben zu erfreuen / Der alles kunte so verneuen. Als dieses verfärtigt war / überreichte es Polyphilus Julietten / und bate / diesem schlechten Liede ihre schöne Stimme zu leihen. Wiewol nun dieselbe sich schr wägerte / muste sie doch auf ihres Vatters Befehl endlich einwilligen. Also fange sie das Lied / in des Agapistus Laute / mit gar holdseeliger Stimme / und ergetzte damit ihren Vatter / und den Harpin dermassen / daß sie es nicht genug hören kunten. Wohl fein /(sagte Mussard zum Polyphilus) hat der Herr den Geitz beschrieben / in diesen Versen. Ja fürwar! (ersetzte Harpin) ich will es meinem Vettern zu Ehren /nachschlagen lernen! Inzwischen sage ich meinem Herrn / für gehabte Mühewaltung / schönen Dank /und bitte dienstlich / nach verrichter dieser Lust-Arbeit / nun auch meine geringe Mahlzeit zu versuchen. Also führte er sie allesamt an einen runden Tisch /den Streit der Oberstell zu verhüten / und tractirte sie so köstlich / daß Mussard mit etwas Widerwillen sagte: Worzu soll dieser Uberfluß / mein lieber Vetter? Ich bin nicht kommen / eine so kostbare Gasterey / sondern bloß eine Freundes Kost zu finden. Mein geehrter Herr Vetter beschäme seinen Diener nicht mit solchen Worten! (war Harpins Widerrede) Ich möchte wünschen / daß ich etwas bey der Hand hätte / welches so angenehmen Gästen einigen Lust erwecken könte: Hoffe aber doch / es werde ihre Höflichkeit / bey so unvermuteter Einkehr / mit diesem wenigen vergnügt seyn. Ich sehe keinen Mangel / sondern eitel Lust-Uberfluß / (sagte Polyphilus) wie mein Lied anzeiget: nur das Letzte wird noch zu ersetzen seyn. Mit diesen Worten / sahe er die Jungfer nach der Seite an / als wolte er sagen: sie könte hier völliges vergnügen verschaffen. Sie aber stellte sich gar fremd / ob sie es gleich merckte. Und wiewol Harpin in ihrer Bedienung sehr bemühet war / gefiel ihr doch des Polyphilus Art viel besser: weßwegen er noch immer einen freundlichen Blick von ihr bekame. Mussard sprachete hierauf mit dem Polyphilus /und sagte: Ich ergetze mich noch mit des Herrn Beschreibung / die er vom Geitz geführet. Freylich ist dieses ein tolles Laster / dessen Unglück und Torheit nicht auszusprechen / und das eine böse Plage ist /wie ihn der Klügste unter denen / die jemalen Zepter und Kron getragen / nennet. Andere Laster führen doch noch den Schein einiger Freude. Also vermeint ein Wollüstiger / in Vergnügung seiner Begierde und Verpflegung des lüstrenden Fleisches / grosse Lust zu haben. Ein Zorniger fühlet / nach verübter Rache /eine Kühlung in seiner erhitzten Brust. Ein Ehrbegieriger sihet seine höchste Lust / wann er seinen Wunsch erfüllet / und sich über andre erhaben weiß. Aber ein Geitziger bleibet / bey alle seinem erworbenem Gut / voll Sorge und Kummer / ärmer als der geringste Bettler. Er hat nicht die geringste Ergötzung von seinem Geld zu hoffen / ausser dem blossen Ansehen. Ich weiß in Warheit nicht / (zwischen redete Harpin) ob mein alter Vetter auch nur die Freude des Ansehens von seinem Geld gehabt: weil etliches so tieff verborgen gelegen / daß er es / ohne große Mühe und Arbeit / nicht sehen können; anderes aber / dermassen verrost gewesen / daß es dem Anschauer keine Lust geben können. Demnach gläube ich / er habe mit der blossen Wissenschafft seines Reichtums / sich vergnüget. Hat aber der Vetter (fragte Mussard lachend) den Rost abwaschen / und des Gelds geniessen können? O ja! (versetzte Harpin) auf diese Weise habe ich das Geld säubern gelernet: welches nach solchem Bad so sehr verlanget / daß es mit Gewalt heraus dringet /und alle Rigel entzwey stossen will. Sie lachten alle über diesen Schwank; doch sagte Mussard: Der Vetter sehe sich gleichwol vor! die Verschwendung hat einen weiten Rachen / und hat nicht nur Kisten mit Golde / sondern auch Schlösser und Dörffer / offt verschlungen / und kan gantze Länder in ihrem Magen verdeuen. Ich weiß es / geehrter Herr Vetter! (gabe Harpin zur Antwort) und will deßwegen eine Liebste mir erwehlen / deren ich die Schlüssel zu diesem unruhigen Metall vertraue: Dann das Frauenzimmer ist allezeit glückseeliger / in Erhaltung der Gefangenen /weder die Manns-Personen. Mit diesem und dergleichen kurtzweiligem Gespräche / verbrachten sie die Malzeit: biß die schon halb-verfloßne Nacht / den Aufbruch ursachend / einen jeden / nach allerseits Anwünschung eines sanften Schlaffs / zur Ruhe legte. Polyphilus fühlte bey sich etwas Ungedult / daß er so lang von seiner Macarie muste entfernet seyn / und bald durch Gewalt und Boßheit / bald durch List und Freundlichkeit / von ihrer Besuchung abgehalten wurde: deßwegen er ihm stark vornahme / mit frühem Morgen auf zu seyn /und sich nichtes mehr hintern zu lassen / welches er auch so ämsig zu Werck richtete / daß er den Agapistus und Tycheno / wie ungern sie auch daran kamen /auftriebe / also daß sie sämtlich mit anbrechendem Tag angekleidet und reißfärtig waren. Wie nun Harpin sehr bate / nur ein kleines Früstück zu erwarten /wolte sich doch Polyphilus nicht bereden lassen / sondern erinnerte den Mussard seiner gestrigen Zusage /mit Bitte / ihn derselben anjetzo geniessen zu lassen. Selbiger zog die Schultern und sagte: Ich muß bekennen / mein Herr! daß ich seine Reise zu befördern versprochen: wünsche ihm demnach / zu derselben / erfreulichen Fortgang / und bitte / sie wollen die angefangne Freundschafft nicht in der Blüte ersticken lassen / sondern durch ein Gruß-Brieflein zuweilen aufwehen / biß ich mich selbsten erkühne / meine schuldige Aufwartung bey der Königin zu Sophoxenien abzulegen. Mein Herr darff um die Fortsetzung einer Freundschafft nicht bitten / (versetzte Polyphilus) die ich / als ein grosses Theil meines Glückes / zu erhalten / selbst verlange. Für dißmal aber danke ich dienstlich / für die bißher genossene hohe Begünstigung: nichts mehr wünschend / als daß ich einige Gelegenheit erleben möchte / mein dankbares Gemüt / in ihrer Bedienung / sehen zu lassen. Hierauf wendete er sich zu Julietta / küste ihr die Hand / und bate / seinem unhöflichem Geschwätze zu vergeben / auch derer Fehler / die er in seiner Aufwartung begangen /zu vergessen / und ihme künfftig nur die geringste Stelle unter denen zu gönnen / welche sie ihrer Gedächtnus würdigte. Nachdem diese hinwiederum vor geleistete Gesellschafft und höfliches Zusprechen sich bedanket / giengen sie sämtlich mit ihnen hinunter in den Hof des Schlosses: da diese nochmals höflich Abschied nahmen / zu Pferd sassen / und ihres Wegs ritten. 7. Absatz Siebender Absatz Die Reisende reiten mit frühem Tag wieder fort / und erfahren vom Servetus / der ihnen begegnet / neue Zeitung von Macarie . Diese wird von der Adalgis besucht / und vor des Polyphilus Liebe gewarnet: worauf sie sich und ihn entschuldigt. Ihre Klage / und Entschließung vor den Polyphilus . Die Königin lässt ihr / durch die Phormena / dessen Wieder befreyung ankünden: und wird sie / von dieser / in der Liebe zum Polyphilus / gestärket. Kaum waren unsre Reisende eine Stunde / und zwar /theils wegen des kurtzen Schlaffs / theils wegen verliebter Gedanken / in der stille geritten / da sahen sie den Servetus ihnen entgegen kommen; da dann Polyphilus sobald auf ihn zu eilte / und fragte / wie es zu Sophoxenien stehe? Allgut! (gabe Servetus zur Antwort) die Königin und Melopharmis / sind über ihrer Erledigung sehr erfreuet / und erwarten mit Verlangen ihrer Widerkunfft. Was hat man dann vor Zeitung von Macarie: (fragte Polyphilus ferner) ist nichts Neues vorhanden? Nichts! (versetzte Servetns) auser daß die Königin / aus Raht der Melopharmis / heute die Phormenam zu ihr abgesendet. Das ist neues genug! (sagte Polyphilus) aber was wird ihre Verrichtung seyn? Das hab ich nicht erfahren können / (sagte Servetus) wie sehr ich mich auch darüm bemühet. Was meinet aber ihr / (sagte Polyphilus zum Agapistus) daß in dieser Sache zu thun sey? Das beste ist / (begegnete ihm Agapistus) wir senden den Servetus zur Phormena nach Soletten / und lassen sie wissen / daß wir / auf dem Wege nach Sophoxenien / ihrer warten wollen: damit sie sich daselbst nicht aufhalte / und wir also /noch vor unsrer Ankunfft / die Ursache ihrer Reise erfahren. Der Raht ist gut! (sagte Polyphilus) eilet ihr nur /Servetus! solchem nachzukommen / vielleicht kommet auch Macarie / in Begleitung der Phormena / uns entgegen. Freylich (erwiederte Agapistus) wird Polyphilus noch heute die Macarie sehen: reitet nur zu /Servetus! ehe ihr den Markt versäumet; wir haben doch auch heut / um ihret willen / das Bette verlassen müssen. Sie verdienet wol ein mehrers! (war des Polyphilus Widerrede) verrichtet ihr / was euch befohlen /Servetus! ich will mit dem Agapistus wohl zu recht kommen. Also nahm Servetus Abschied / und eilte nach Soletten. Sie aber folgten allmählich nach / und zwar Polyphilus / in so verirrten Gedanken / daß er so wohl bey der Mittags-Malzeit / als auf dem Weg /mehr dichtete / als redte: welches Agapistus warnehmend / ihn nicht verstören wolte. Auch wir wollen ihn in seinen Gedanken dahin reiten / und dieselben ungeantet lassen / weil sie ohne das / wegen der Menge /nicht wohl zu beschreiben sind: und unterdessen sehen / was zu Soletten vorlauffet. Daselbst enthielte sich / eine betagte und vernünfftige Matron / welche / wegen ihrer Jahre und willfährigen Freundlichkeit / von Macarie jederzeit vor eine Mutter geehret worden. Diese hatte so viel ungleiches von Polyphilus Leben und Gefängnus (dessen Ruf nun auch dahin gekommen war) vernommen / daß sie / aus Freundschafft / nicht unterlassen kunte / die Macarie vor ihrem hereinbrechenden Unglück zu warnen. Demnach verfügte sie sich / mit dem Vorwand einer Besuchung / zur Macarie: welche / seit dem sie den lezten Brief an den Polyphilus geschrieben / in stätem Kummer / wegen seiner Gefängnus / lebte /und alle Sunden einer frölichen Zeitung erwartete. Nach höflichem Empfang / führeten sie allerhand Gespräche / biß Adalgis (also hieße die Matron) anfragte: ob dann Macarie nun bald der Insul Soletten sich entziehen / und eine andere Art zu leben erwehlen würde? Da weiß ich nichts von! (gab Macarie zur Antwort) Ich bin nunmehr der Einsamkeit gewohnt /und gedenke sie / ohn wichtige Ursache / nit zu andern. Warum stellet sie sich so unwissend? sagte Adalgis. Wäre diese Sache so ungewiß / als sie vorgibt /so dürffte ich mich noch erkühnen / einen Stein der Warnung ihr in den Weg zu werffen. Weil sie sich aber der Liebe schon allerdings ergeben / als werden vielleicht meine Worte / nicht allein vor tanben Ohren erschallen / sondern auch / wo nicht Zorn und Widerwillen / doch Reu und Furcht erwecken: Daher ich lieber schweigen / und zu solcher Freundschafft Glück wünschen will. Macarie! welche diese Worte mit Schrecken angehöret / ließe sich doch nichts merken /sondern sagte hinwiederum: Meine geehrte Frau Mutter! (daß ich mich dieses Namens / wegen ihrer Freundlichkeit und Wolmeinung gebrauche) ihre Rede kommet mir sehr entsetzlich vor / weil ich nicht weiß / wohin sie damit zielet. Der Himmel wolle mir ja nimmermehr eine solche Torheit gestatten / daß ich eine unbesonnene Liebe erwählen / und mich weder vernünfftigen Raht / noch wolgemeinte Warnung /davon solte abwenden lassen: welches ja der nächste Weg zum Verderben seyn würde. Meine geehrte Frau versichere sich / daß ich viel lieber in der Einsamkeit sterben / als wider Vernunfft und Raht lieben will. Man wolle doch mehr meinem aufrichtigen Bekäntnus / als der müsigen Leute Reden / gläuben. Sie beraube mich auch nicht ihres verständigen Einredens: ich werde demselben / in schuldigem Gehorsam /Folge leisten. Weil ich diese Rede / (antwortete Adalgis) vor rechte Warheit halte / kluge Macarie! als gebe ich ihr hierauf zu wissen / wie daß Polyphilus / der sie liebet / und ihre Gegen-Liebe verlanget / von dem Gerüchte aller Orten / sehr verhasst herum getragen wird: weil er nicht allein / den Mord Phylomathi noch nicht von sich abgeleinet / und / an statt gerichtlicher Verantwortung / gantz verzweiffelt (welches nicht ein geringes Merkmahl ist eines verzagten und überzeugten Gemütes) sich in den Fluß gestürtzet / sondern auch / aufs neue / wegen einer Mordthat gefangen liget. Uber das / ist sein Geschlecht und geführter Wandel ganz unbekant / und wird / die Erlösung von Sophoxenien / bey allen Verständigen / nicht in geringem Argwahn der Zauberey gehalten. Ist dannenhero sehr gefährlich / sich mit ihm in Freundschafft einzulassen. Ob ich nun wohl weiß / daß sie selbsten viel vernünfftiger und vorsichtiger ist / als daß sie wissend- und vorsetzlich / sich einem so verrufften Menschen vertrauen solte: Jedoch / weil der Dampff der Liebe gemeiniglich das Liecht des Verstandes vernebelt / auch nicht jederman so kühn ist / eine so verdrießliche Zeitung vor ihre Ohren zu bringen: als habe ich / in der Zuversicht ihrer Vertraulichkeit / solches wagen / und mit dieser Erinnerung einkommen wollen. So bedenke sie dann diese Sache wol / liebste Macarie! dann alles Thun dieses menschlichen Lebens /ist unbeständig und dem Wechsel unterworffen: aber der Ehestand bleibet stehen / oder stürzet uns / in seinem Untergang / auch mit zu Boder. Ist derowegen billig / daß man offt erwäge / was nur einmal kan beschlossen werden. Und wann sie ja Lust zu heuraten hat / warum erwählet sie nicht den Eusephilistus: der sie so aufrichtig liebet / und dessen gutes Geschlecht /Vermögen / und Gemüte ihr allerdings bekant ist? Ein fremder Freyer betreugt / oder wird betrogen: und ist nichts gefärlichers / als in dieser Handlung / daran unsere gantze zeitliche Wolfart hanget / dem blossen Ansehen oder Worten glauben. Sie ist ja / schöne Macarie! die Zier der Insul Soletten / und der Ruhm aller hiesigen Inwohner / wird auch von denselben / ihrem Verdienst nach / geehret und bedienet: Warum wolte sie dann ihre Ehre mit eines andern Schande beflecken / ihre so gewogne Freunde verlassen / und in einem unbekanten Lande Herberg suchen? Ich bitte nochmals / wo es seyn kan / mit dem Versprechen inn zu halten / und meiner treu-gemeinten Warnung statt zu geben. Macarie / hatte diese Rede mit nicht geringer Bestürtzung vernommen / und gabe folgendes zur Antwort: Gewogne Frau Mutter! ich rühme billig die Aufrichtigkeit ihrer Freundschafft / die mir so unverfälscht entdecket / was mir gefährlich zu seyn scheinet. Ich verspreche auch / solchem schuldige Folge zu leisten / und mich viel eher mit dem Grab / als mit einem lasterhafften Menschen zu vermählen. Gleichwol zwinget mich die Billigkeit / dieauchder Feinde Recht befördert / den Polyphilus / den ich noch zur Zeit weder zu lieben / vielweniger zu heuraten / entschlossen bin / sowohl wegen Ermordung des Philomati / als wegen dieser Gefängnus / mit gewisser Nachricht zu entschuldigen. So wird auch die Erlösung von Sophoxenien / ohne sein wissen und befördern / vor zauberisch gehalten. Die Tugend stehet fest bey der Warheit / und lässet sich weder Gunst noch Feindschafft / sie zu beschützen / abhalten. Ich habe /in der wenigen Kundschafft / die ich mit Polyphilus gehabt / wiewohl sie gar groß ausgegeben wird /keine Laster / sondern vielmehr / ein Kunst- und Tugend-begieriges Gemüte wargenommen: halte ihn demnach / der aufgebürdeten Ubelthaten / so lang unschuldig / biß ich davon ein gewissers Zengnus erhalte / oder genäuer nachzufragen Ursach bekomme. Ich kehre mich auch nicht an das gemeine Geschrey: dann meine geehrte Frau weiß selber / wie ungewiß solches sey / und wie der verstand-lose Pöfel allezeit dem Glück nachäffet / und die jenige / so von ihm erhaben / noch höher zu setzen / die aber / welche verstossen werden / vollends in das Verderben zu stürtzen suchet. Doch will ich ihn auch nicht weiter / als mir wissend / verteidigen / sondern ihn bleiben lassen /wer er ist. Inzwischen begehre ich weder ihn / noch den Eusephilistus (welchen ich keineswegs verachte /und nur mich seiner Liebe unwürdig schätze) zu lieben / sondern gedenke in der sichern Einsamkeit zu verharren. Meiner geehrten Frau Mutter aber / danke ich nochmals / vor ihre getreue Vermahnung / und werde dieselbe nach Müglichkeit verschulden. Diese Rede / wie sie von Macarie gar bescheiden vorgebracht wurde / also erweckte sie in Adalgis gantz andere Gedanken / daß sie solche billigte / und sagte: Ihre sittsame Antwort / Tugend-gezierte Macarie! ist freylich viel vernünfftiger / als die Anklage der gemeinen Menschen / die nur nach dem äuserlichen Ansehen / welches sehr betrüglich ist / urtheilen. Nun zweifle ich nicht / sie werde in diesem Beginnen /mehr der Klugheit und Tugend / als der verblendten Liebe folgen; und bitte / mir meine unnötige Vorsorge zu vergeben / mit dem Versprechen / daß ich hinwiederum ihr Vorhaben nach aller Müglichkeit befördern wolle. Macarie / bedankte sich für den freundlichen Willen / und schiede Adalgis von dannen / die Macarie in tausenderley Gedanken hinterlassend / wie doch ihre Liebe noch ablauffen würde. Was habe ich doch / (gedachte sie) endlich zu hoffen / oder zu fürchten? Soll ich den Polyphilus / wider aller Menschen Raht und Willen / lieben? das ist gefärlich. Soll ich die Insul Soletten / welche mich eine geraume Zeit glückseelig versorget / verlassen / und in einem fremden Land Herberge suchen? das ist bedenklich. Soll ich den Eusephilistus / dessen Liebe ich / mit Frolocken dieser gantzen Insul / geniessen könte / verwerffen? und den verhassten Polyphilus / zu meinem Verderben / erwählen? Wer wird dann künfftig mitleiden mit meinem Unglück haben? Adalgis hat freylich recht geredet. Dann was mangelt dem Eusephilistus: daß ich lieber mit Polyphilus im Elend / als mit ihme im Wolstand solte leben wollen? ist er nicht eben so ein wohlgestalter Mensch / als jener? Liebet er mich nicht eben so beständig als jener? Ist er nicht von eben so höflichen und zierlichen Gebärden und Worten / als Polyphilus? Wer saget mir dann / ob Einfalt und Warheit / oder List und Kunst / höher zu schätzen seyen? Ach Himmel! (rieffe sie ferner) zeige mir doch einen Weg / dieser Gefärlichkeit zu entrinnen / und das sicherste zu erwählen. Doch was mache ich? habe ich nicht einmal versprochen / den Polyphilus vor Eusephilistus zu lieben? worzu dienet dann dieses vergebliche Wehlen? Ich habe ja gelernet / das Glücke /wegen der Tugend / zu verachten: Warum wird mir dann die Ubung so schwer? und / wie darff ich mich auch erkühnen / eine Vergleichung zwischen diesen beeden anzustellen? oder in welchem stück / setze ich Eusephilisten dem Polyphilus an die seite? Nein! nein! liebster Polyphilus! Ihr allein seit würdig / des Ruhms eines vollkommenen Liebhabers. Ihr allein sollet meiner Gunst geniessen / und solte ich noch so viel deßwegen ausstehen. Darff ich nicht öffentlich lieben / so liebe ich heimlich. Wer weiß / wie es noch ablauffet? das Spiel ist noch nicht zu Ende. Das Glück küsset öffters / nach den Schlägen. So ist auch das Unglück der Unbeständigkeit unterworffen / und wird von der Gedult / ohne Waffen und Gegenwehr /überwunden. 1. Ich liebe mit Bestand / und lasse mich kein Leiden / Wie viel sich dessen find / Kein Unglück oder Noth / von dir / mein liebes Kind! Und deiner Liebe scheiden. Die Furcht ist / bey Gefahr / gar übel zwar zu meiden: Doch ist sie viel zu schwach / die Liebe abzuschneiden. 2. Es wird / der Funcken Glut / mit Asche zwar bedecket / Und scheinet gantz vernicht: Doch / komt ein kleiner Wind / so wird ihr helles Licht / Von neuem aufgewecket. Es wird die Liebes-Flam durch Unglück offt verdunkelt / Die / wann sie Lufft bekomt / mit tausend Stralen funkelt. 3. Es ist doch gar umsonst / die Sinnen abzuhalten / Die einmal schon verliebt. Durch Haß und Hinternus / wird zwar das Herz betrübt: Doch kan es nicht erkalten. Dir bleibet es allein / Polyphilus! ergeben / Und soll die gantze Welt umsonst darwider streben. Eben hatte sie diese Zeilen zu Papier gesetzet / als ihre Dienerin ihr ankündigte / wie Phormena sie zu besuchen angekommen: worüber sie in Hoffnung / einige Nachricht von ihrem Polyphilus zu erhalten /nicht wenig erfreuet wurde. Sie stunde behend auf /legte das Papier / damit es Phormena nicht warnehmen möchte / auf eine seite / und wolte ihr entgegen gehen: die aber eben in das Zimmer eintrate / und einen gnädigen Gruß von der Königin ablegte. Macarie name solches mit tieffem Dank an / und fragte: durch welche Gelegenheit / sie dißmal mit ihrer Gegenwart beglückt würde? oder aus was Ursach sie in dieser einsamen Insul angekommen? Sie zu besuchen / (versetzte Phormena) auch auf Befehl der Königin und Melopharmis / ihr zu verkünden / daß nunmehr Polyphilus / seiner unschuldigen Gefängnus befreyet / und auf der Heimreise begriffen / auch seine eheste Ankunfft / durch einen Boten / allbereit wissen lassen. Macarie wurde zwar / über dieser Nachricht /mit unglaublicher Freude umgeben / wolte aber doch selbige gegen Phormena / aus Mißtrauen / nicht entdecken / sondern gab diese kalte Antwort: Ob ich wol von dieser Botschaft keinen Vortheil habe / so höre ich sie doch gern / wegen der Billigkeit / die auch über anderer Wolfart mich Freude schöpfen heisset. Aber / ist sie bloß deßwegen herüber gekommen? Nein! (begegnete ihr Phormena) sondern es lässet auch Melopharmis fleissig bitten / daß sie / kluge Macarie! von dem verletzlichen Bericht / welchen sie /wegen des Polyphilus / auf unwarhaffte Zeitungen /und aus übereilter Mütterlicher Liebe gegen ihren Sohn / jüngsthin durch mich anbringen lassen / gegen dem Polyphilus / wann er sie zu besuchen kommet /nichts gedenken wolle. Sie erbietet sich hingegen vor diese Willfarung / so wohl dem Polyphilus / als auch ihr selbsten / schönste Macarie! zu ihrer beyder bästem / nach allen Kräfften zu dienen. Diese Bitte (gab Macarie zur Antwort) kommet ganz unnötig / weil ich vielleicht den Polyphilus nimmer wieder sehen werde / auch wegen der Gefahr und Unruhe / darein mich seine Freundschafft gestürtzet /nach seiner Besuchung gantz kein Verlangen trage. Uber dieser verächtlichen Rede zereifferte sich Phormena dergestalt / daß sie mit zimlicher Bewegung antwortete: Ich weiß nicht / soll ich diese Antwort /einem Haß gegen dem Polyphilus / oder einem Argwahn gegen mir / zuschreiben? Ist es meinetwegen /so lebe sie versichert / daß ich dem Polyphilus mit gebürlicher und aufrichtiger Freundschafft zugethan bin / und seine Liebe gegen ihr nicht allein billige /sondern auch / so viel an mir ist / befördern will. Und ob ich schon neulich etwas fremd von ihm geredet / so ist doch solches / vielmehr aus Gehorsam gegen der Königin / und aus Fürwitz / Macarien Liebe gegen ihm zu prüfen / als aus Feindschaft und Widerwillen /hergeflossen / wie ich ihm auch selbsten erzehlen will. Hat sie also an meiner Treue nicht zu zweiffeln /oder deßwegen gegen mir behutsam zu reden. Solten aber ihre Worte / geehrte Macarie! (sagte sie ferner) aus Verachtung gegen dem Polyphilus herrühren / so ist sie gewißlich eine Tyrannin / so wohl gegen ihme / als gegen ihr selber / weil sie ihn vorsetzlich in Verzweiflung stürtzet / und sich selbsten damit des allerwürdigsten Liebhabers beraubet. Sie bedenke doch / Macarie! wie hoch er sie ehret / wie getren er sie liebet / wie viel er ihrentwegen leidet /und wie wenig sie seines gleichen findet. Kan sie seine Schönheit und Höflichkeit / seine Geschicklichkeit und Tugend / seine Liebe und Beständigkeit / und die Gedult / mit welcher er alle ihre Grausamkeit und Verachtung / eine so lange Zeit / vertragen / nicht zur Gegen-Liebe und Mitleiden bewegen / so ist sie warhaftig wilder dann ein Tyger / und unbeweglicher als ein Felse / wird auch solche Unbarmhertzigkeit mit spater Reue büssen. Sie vergebe mir / schönste Macarie! die Hefftigkeit dieser Worte / und erwäge mehr die Gerechtigkeit / welche sie führen / als die Künheit / die sie begleitet. Sie lasse nit / unter den vielen Tugenden / so in ihrem Gemüte wohnen / die schändliche Undankbarkeit nicht einschleichen; sondern gebe vielmehr / der Gewogenheit gegen dem Polyphilus / denselben Platz ein / und erfreue mich mit einem freundlichen Gruß an ihn / damit ich eine angeneme Botschaft bringen könne. Wer ist nun übler daran / als Macarie? die in einem Tag auf so ungleiche Art / gestraffet wird / und sonsten mehr des Ruhms / als der Strafe gewohnt gewesen. Es ist doch wahr / daß ein verliebtes Gemüte jedermans Spott oder Verachtung seyn / und offt so ungleichen Raht anhören muß / daß es mehr in Verwirrung / als in Sicherheit geleitet wird. Wäre es auch Wunder gewesen / wann sie sich über diese unbestellte Hofmeisterin erzürnet / und ihr eine schimpfliche Antwort ertheilet hätte? Aber Macarie ist viel zu gedultig / die Phormena zu beleidigen; und viel zu verliebt / sich an der Beschützerin ihres Polyphilus zu rächen: deren Straffe ihr so angenehm war / daß sie auch einen Trost darinn fande. Geehrte Phormena! (gabe sie ihr zur Antwort) Ihre behertzte Rede / ist ein beglaubter Zeuge / daß sie dem Polyphilus sehr geneigt sey. Und ob ich wohl viel dagegen sagen könte /so wäre ich doch willig / ihr zu folgen / wann nur andere nicht so stark dagegen redten. Sie zwar heisset mich den Polyphilus lieben / und meinet / daß ich im Gegentheil unbillig und tyrannisch handle. Aber /noch heute / ist eine verständige Matron bey mir gewesen / und hat durch allerhand Ursachen mich bereden wollen / daß ich mit solcher Liebe unvernünftig /gefärlich / und schädlich verfahren würde. Welchen Weg werde ich dann nun / ohne Laster / betretten? Bleibe ich nicht viel sicherer in der Einsamkeit stehen / als daß ich eine so gefärliche Strasse wandele /und diese zweiffelhaffte Liebe erwähle. Wann nicht die jenige / (gab Phormena hinwiederum zur Antwort) welche ihr die Liebe des Polyphilus gefärlich und schädlich vormahlen / mehr aus Feindschaft / und unwahrem Geschrey / als aus Aufrichtigkeit und Wolwissen redeten / so würde sie billig in Zweiffel gesetzet. Allein sie weiß / geehrte Macarie! wie der unschuldige Polyphilus / von den Inwohnern dieser Insul / jederzeit wider Verdienst / gehasset und verfolget worden. Sie hat auch sein tugendhaftes Gemüt aus so vielen Umständen erlernet / und wird leichtlich schließen / was warhaftig / oder aus Affecten geredt sey. Aber was führen sie dann vor Ursachen ihrer Verwarnung? Und aus welchem Grunde schätzen sie die Freundschaft des Polyphilus so gefärlich? Sie geben vor / (sagte Macarie) daß er ein fremder / dessen Geschlecht und Leben unbekant / der auch schon zum andern mahl / wegen eines Mords /gefangen lige / und durch die Erlösung des Schlosses Sophoxenien / viel mehr verdächtig / als berühmt worden. Daher ich viel sicherer / den Eusephilistus in einem bekanten Lande / als diesen auf ein Unbekantes / erwählen solte. Ich dachte wohl / (versetzte Phormena) diß würde das Ziel seyn / darauf die vorhergehende Pfeile gerichtet waren / nämlich die Verstossung des Polyphilus / und die Erwählung des Eusephilistus. Die andere Beschuldigungen / haben keiner Widerlegung vonnöten / weil sie / kluge Macarie! selbsten weiß / daß Polyphilus aller solcher Auflagen unschuldig. Demnach wird sie dergleichen partheiliche Rathgeber verwerffen / und mehr nach ihrer eignen Wissenschaft / als nach diesen falschen Anklagen verfahren. 8. Absatz Achter Absatz Talypsidamus komt / mit dem Servetus / der die Melopharmis abfordert / zur Macarie ; welche jener das Geleit gibet / in Hoffnung / den Polyphilus auf der Strassen zu finden. Dieser erwartet der Melopharmis im Walde / und bekomt seine Macarie nicht zu sehen / die ihm doch so nahe gewesen. Sein Klage hierüber. Seine und seiner Reiß-Gefärten Wieder-Ankunfft in Sophexenien. Macarie wolte der Phormena wieder antworten /wurde aber / durch des Servetus und Talypsidamus Ankunfft / verhintert; welche beede / so unverhofft hinein traten / daß sie etwas erschrocken fragte: Was bedeutet diese geschwinde Besuchung / geehrter Herr Vetter? Alles guts! gabe Talypsidamus zur Antwort. Ich bin dem Servetus ungefehr begegnet / und weil ich von ihm erfahren / daß Polyphilus erledigt / und Phormena bey Macarie sey / habe ich / diese zu erfreuen /und jene zu bedienen / mit hieher kommen wollen. Daran hat er wohl gethan / (sagte Macarie) und soll von mir schönen Dank haben. Er lasse ihm aber belieben / ein wenig bey uns zu sitzen / und des Servetus Botschaft zu vernehmen. Sie wird bald abgeleget seyn / (versetzte Servetus) und bestehet bloß in einem freundlichen Gruß vom Polyphilus / neben der Bitte /daß Phormena mit ihrer Zurükkunft eilen wolle / weil er / auf dem Wege nach Sophoxenien / ihrer wartet /und / vor seiner Widerkunfft zu der Königin / sie zu sprechen verlanget. Liget es nur an mir / (sprach Phormena) so will ich nichtes hintern. Damit stunde sie auf / und bate die Macarie um Vergebung / wegen ihrer kühnen Erinnerung: welche sich hingegen vor ihre Aufrichtigkeit bedankte / und neben einem gehorsamen Befehl und schönen Gruß an die Königin / an Melopharmis / und den Polyphilus /zu bevorstehender Reise Glück wünschte. Wollen wir dann nicht (fragte Talypsidamus) bey so schönem Wetter / die Phormena etwas begleiten? Ich bin es zwar willens gewesen / (sagte Macarie) habe es aber allein nicht wagen wollen / und werde in seiner Gesellschaft gern mitgehen. Es ist zwar unnötig / (sagte Phormena) daß sie sich meinetwegen bemühen sollen. Wann es ihnen aber also gefället / so wollen wir den Servetus voraus schicken / und mein Pferd / das ich an dem Ufer bey einem Jungen gelassen / biß an den Ort / da sich der Weg auf Sophoxenien scheidet /bringen lassen. Wol! sagte Macarie / als in der Hoffnung / ihren Polyphilus zu sehen / über diesen Vorschlag hoch erfreuet) sie bestelle es / so gut es seyn kan. Also sandten sie den Servetus / das Pferd vor zu führen / sie aber spazirten allmählich hernach / und als sie / durch Hülffe des Talypsidamus / übergefahren / giengen sie eine zeitlang unter mancherley Gespräch / und muste Phormena dem Talypsidamus alles erzählen / was sich biß daher mit des Polyphilus Gefängnus zugetragen / und wie es zu Sophoxenien aufgenommen worden; dessen er sich dann sehr verwunderte / und wegen Polyphilus sein Mitleiden bezeigte. Macarie hingegen / hörte zwar diese Erzehlung mit an / gieng aber doch immer in den Gedanken / ihren Polyphilus zu ersehen: deßwegen sie wenig redete /und mehr mit den Augen / als mit der Zungen arbeitete. Aber ihr Hoffen war umsonst / weil das Glück noch keine Ohren hatte / ihre Seufzer anzuhören / und sie / als sie bald einander erreichen wolten / wieder von einander risse. Dann als sie an die Stelle kamen /wo Servetus mit dem Roß ihrer gewartet / musten die beyde / weil der Tag abnahme / wieder zurücke kehren. Also nahmen sie von Phormena Abschied / und ließen sie / mit einem Gruß an den Polyphilus / in des Servetus Gesellschafft fort reiten. Macarie kehrte nun wieder nach Soletten / und gienge / nachdem sie den Talypsidamus vor seiner Wohnung gesegnet / gar traurig in ihre Behausung /alda sie ihre betrogne Hoffnung mit diesen Zeilen beklagte. Wie nichtig ist der Wahn / der meinen Sinn geblendet Und mich verführet hat / als ich so schnell gewendet / Dort jenem Walde zu / die Augen voller Lieb: Weil mein Polyphilus mir gantz verborgen blieb. Ich habe hin und her / auf alle Weg und Strassen / Nach dir / mein liebstes Herz! die Stralen schießen lassen / Doch leider / gar umsonst. Du bist zu weit davon. Die Hoffnung hat gefehlt. Ich arbeit' ohne Lohn. Ich muste / sonder dich und deine süsse Blicke / Mein herz geliebtes Kind! nach langer Wart / zurücke. O! allzuharte Tritt! die nur aus Lieb geschehn / Und ohne Gegen-Lieb nach Hause wieder gehn. Dergestalt sehnete sich Macarie nach ihrem Polyphilus / welcher / noch bey früher Tagzeit / mit seinen Gefärten / auf der Solettischen Strassen angekommen / und nach seiner Liebsten sich umzusehen / etlichmal hin und her geritten war. Weil er sie aber nicht ersehen kunte / und gleichwol / wegen allerhand Ursachen / ihm nicht näher zu der Insul trauete / banden sie sämtlich ihre Rosse an die Bäume / und spazirten Agapistus und Tycheno in den Wald / Polyphilus aber legte sich / theils aus Müdigkeit / dann sie waren stark geritten / theils auch aus betrübtem Verlangen / auf eine Wiesen nider / allda der Phormena /und vielleicht auch der Macarie / zu erwarten. Die nun wärmere Sonne hatte den Schnee von den Feldern hinweg gelecket / und begunte an den blau-gewölbten Bogen / der Welt aufs neue zu schmeicheln / auch mit ihren Stralen den Polyphilus zu erwärmen. Er nahme hiervon Ursach / sich seines Unglücks zu erinnern: Ach! sagte er / du glückseeliger Erdboden! wie einen grossen Vortheil hast du mir abgelauffen. Dann ob gleich deine Buhlschaft / die Sonne / ein Zeitlang mit dir gezürnet / und dir den Rücken gekehret / so kommet sie doch nun selbst wieder / und suchet sich mit vielen lieblichen Blicken bey dir auszusöhnen. Aber / wann wird der Winter meines Unglücks geendet / und das kalte Eis des Hasses / und der Verfolgungen einmal geschmeltzet werden. Ach! daß doch auch meine Sonne dieser ihrer Vorgeherin folgete / und mich / nach so langer Trübsal / einmal wieder bescheinete! Daß doch Macarie / durch das Liecht ihrer schönen Augen / die finstere Nacht meines Verlangens erleuchtete! so würde ich gleiche Zufriedenheit mit der Erden genießen / und auf einmal von zweyen Sonnen erwärmet werden. Doch / wer weiß / ob nicht diese leblose Sonne / vor jener Trefflichkeit / verbleichen / und von dem lebendigen Glantz der Macarie bezwungen / ihre Stralen beschämet einziehen würde? Und die Warheit zu sagen / ich möchte es alsdann wohl geschehen lassen: Dann bey meiner Macarie / habe ich Liecht in der dicksten Finsternis / und Wärme im kältsten Winter. Diß waren damals des Polyphilus Gedanken / biß er endlich die Phormena auf sich zu reiten sahe: weßwegen er aufsprange / und ihr eilends entgegen gienge. Er hatte sie kaum willkomm geheissen / da sagte sie: Was liget ihr hier / Polyphilus? Also hätte ich /wann ich ihr wäre / dißmal nicht gefanlentzet / sondern wäre / Macarie zu grüssen / noch einen kleinen Weg gegangen. Polyphilus über dieser Rede erschrocken / hielte sie aber doch vor schertz / und sagte: Ja wol! wie weit hätte ich gehen müssen. Nein fürwahr! (gab Phormena zur Antwort) sie hat uns / neben dem Talypsidamus / biß an den Scheid-Weg begleitet /und ist / kaum einen Büchsenschuß von hier / wieder umgekehret. Ach Himmel! (sagte hierauf Polyphilus) wie bin ich dann so schändlich geblendet! Ach! du ungetreues Glück / wilt du dann nimmermehr aufhören / mich zu verfolgen? Wie offt bin ich schon dieser so hoch-verlangten nahe gewesen / und du hast mich wieder zu rücke geführet / daß ich selbst vor meiner Freude geflohen. Was meinet ihr / Phormena? Wie /wann ich alsbald zu Pferd säße / solte ich sie nicht mehr ereilen? Gar schwerlich! (versetzte Phormena) dann sie sind schnell fortgegangen. So haben wir auch wenig Zeit übrig / wann wir noch mit dem Tag nach Sophoxenien kommen wollen. Lasset euch vor dißmal mit einem Gruß / den sie mir anbefohlen / vergnügen /und suchet andere Gelegenheit / sie zu sprechen / welches / wegen allerhand Ursachen / höchstnötig ist. Wie so? (fragte Polyphilus / gantz erschrocken) ist vielleicht wieder eine neue Verwirrung vorhanden? Phormena erzählte ihme hierauf alles / was sie mit ihr geredet / und wie sehr man sich zu Soletten bemühe /ihn durch schädliche Nachreden verhasst / hingegen den Eusephilistus beliebt zu machen. Polyphilus kehrte sich zum Agapistus / welcher mit dem Tycheno inzwischen hernach kommen war / und sagte: Hat mir nicht mein Traum recht geweissaget? und bin ich nicht unter die mörderische Verleumder gefallen? Ach! daß ich nicht noch heute mich entschuldigen sol! wie werde ich diese Nacht mit Sorge und Angst zubringen müssen! Ey / mein Freund! (gab Agapistus zur Antwort) er gebe sich doch zu frieden! kan er seine Macarie doch bald besuchen / und ihr den Verdruß benemen: wann wir nur diesen Abend bey der Königin gewesen / so können wir schon morgen eine Ursach finden / eure Abwesenheit zu entschuldigen. Aber saget mir / geehrte Phormena! weßwegen ihr dißmal die Macarie gesehen? Die eigentliche Ursache / (gab Phormena zur Antwort) wann ich sie offenhertzig bekennen soll / und von so vertrauten Freunden die Verschwiegenheit hoffen darf / ist die Furcht /so wohl der Melopharmis / als der Königin selber. Dann / weil sie / die erste Zeitung von eurer Gefängnus und von der gezeiheten Mordthat des Polyphilus /mit etwas hönischen Worten / bey der Macarie / durch mich / anbringen lassen / (wiewol ich selbiger Botschaft gern befreyet seyn mögen / wo nicht der Gehorsam gegen Atychintide / und das Verlangen / der Macarie Liebe zu prüfen / mich zu der Folge getrieben hätte) als hat Melopharmis / so bald sie von dem Boten ihre Erledigung und Wiederkunft vernommen /bey der Königin angehalten / mich wieder nach Soletten zu schichen / und ihre vorige Botschaft bey Macarie entschuldigen zu lassen: damit sie nicht derselben gegen den Polyphilus / wann er sie etwan besuchte /erwähnen / und ihme zu Zorn und Rache Ursache geben möchte. Das stehet gar schön / (sagte hier auf Polyphilus) wann man das / was die boßhafftige Rache / und die übereilte mütterliche Liebe / welche zwar leichter als jene zu entschuldigen / verbrochen / also widerruffen muß. Aber wie hat sich Macarie / in dieser Versuchung / erwiesen? Viel klüger / als ich jemals glauben können: (antwortete Phormena) daher auch die Königin über ihrer Antwort erstaunet / und gezwungen bekennen müssen / daß der vortrefflichsten Macarien bey dem weiblichen Geschlecht keine zu vergleichen sey. Sie hat aber hierbey auch einen Argwahn in meine Aufrichtigkeit gesetzet / also daß ich große Mühe gehabt / mich aus diesem Verdacht zu bringen. Hierzu hat sie (sagte Polyphilus / den der Ruhm seiner Macarie sehr ergetzet) wegen eurer Heucheley /grosse Ursach gehabt: Aber wir verlieren die Zeit /über diesem Gespräche. Es ist nun die Frage / wer von uns erstlich / Phormena oder wir / zu Sophoxenien ankommen sol? Weil wir geschwinder reiten können / (sagte Agapistus) so wollen wir Phormena ein wenig zu rück lassen / und voran reisen. Wohl! (versetzte Polyphilus) so lasse sie ihr dann / getreue Phormena! die Zeit nichtlang werden: wir wollen doch / so der Himmel günstet / diesen Abend wieder beysammen seyn. Es ist gut! (sagte Phormena) nur daß Tycheno gegen seiner Mutter nichts von meiner Erzehlung gedenke. Ach! dieses ist eine unnötige Sorge / (sagte Tycheno) weil ich den Polyphilus so sehr als meine Mutter liebe / und ihn ihrentwegen nicht erzürnen werde. Also nahmen sie von der Phormena Abschied / und ritten mit dem Servetus nach dem Schloße. Unterwegs / bedachte Polyphilus seine Versäumnus / daß er / fast einer Stunde lang / auf der Wiesen gelegen /und seine Liebste / die sich / ihn zu sehen / so weit bemühet / ungetröstet zu rück gehen lassen. Was für ein wunderbares Verhängnus / (sagte er bey sich selber) muß in unserer Liebe / die doch nichts als Tugend verlanget / regiren? Was vor ein Gestirn / muß doch also ihren Fortgang verhintern? Oder / da ja alles durch die gerechte Vorsehung des Himmels getrieben wird / was vor Ursache hat derselbe / uns auf so mancherley Art zu quälen? Wie viel tausend leben in vergnügter Liebe / die nicht halb so viel Unglück /als wir / erlitten: und uns wird keine Ergötzung verstattet. Solte doch die Gedult selber / in so vielfältiger Widerwärtigkeit / ihrer Natur vergessen / und zu Widerwillen verleitet werden! O! Schöpffer / dessen Hand das Sternen Zelt regiret / Und aller Menschen Thun mit ihrem Zügel führet! Der mit gerechter Macht und weiser Ordnung ühret / Was er auf diesem Rund / und in der Höh regiret: Wie lange wilt du doch / so unerbittlich seyn / So hart und unbewegt / zu wenden meine Pein? Bald mehrt / des Neides Gifft / in mir die Furcht und Pein: Bald muß ich unbewust / mir selbst zu wider seyn. Es sucht Gewalt und List / zu schaden meinem Lieben: Und diß nicht ungefähr; es wird von dir getrieben. Durch dein Verhängnus ward ich vormals weg getrieben / Ich muß auch biß auf heut noch unvergnüget lieben. Doch was soll dieser Streit? das beste / ist Gedult. Der Krieg ist voll Gefahr. Die Demut bringet Huld. Drum schaffe / was du wilt / und laß mir deine Huld. Ich weiß / du bist gerecht. Nur bitt ich um Gedult. Dieses verfärtigte Polyphilus in seinen Gedanken /welche ihm Agapistus mit Willen frey ließe: biß sie bey dem Schloß so unvermutet ankamen / daß sie /sonder Warnchmung einiges Menschen / in den Vorhof einritten. Daselbst ersahe sie der Edelman / den die Königin zu ihnen ins Gefängnus geschicket hatte /und sagte es eilends der Atychintide / welche mit Melopharmis in ihrem Zimmer der Phormena Wiederkunft erwartete. Melopharmis voll Freuden / stunde alsbald auf / und lieffe ihrem Sohn entgegen / der indessen mit seinen Gefärten abgestiegen war. Sie fiele ihm um den Hals / und bezeigte mit tausend Thränen ihre mütterliche Zuneigung: Worauf sie auch den Polyphilus und Agapistus willkomm hieße / von denen sie hinwieder höflich empfangen wurde. Die Königin war indessen der Melopharmis nachgefolget / und hatte von oben ihrer Bezeigung / nicht ohne Lachen /zugesehen. Der Ruff / von der Gefangnen Ankunft /erschalle alsobald im Schloß / und machte auch / daß die beede weise Alten hervor kamen. Die Königin ließ den Polyphilus durch eine aus ihrem Frauenzimmer wissen / wie daß sie seiner in ihrem Gemach warte: Der sich dann nicht lang säumte / sondern mit dem Agapistus dieser Jungfer alsbald folgte; Da aber Melopharmis mit ihrem Sohn ein wenig zu rück bliebe /und ihn viel Dings fragte. Polyphilus / nachdem er mit dem Agapistus in der Atychintide Zimmer getreten / begunte sie / nach abgelegter Ehrerbietung / also anzureden: Durchleuchtigste Königin! wann das überstandene Unglück meiner Gefängnus nicht / mehr eine unbillige Tyranney /als eine verdiente Strafe wäre / solte ich mich billich schämen / mit solchen Lastern vor E. Maj. gerechten Augen zu erscheinen. Allein meine offenbare Unschuld heisset mich behertzt herzu tretten / in der Hoffnung / daß der Reichtum ihrer Gnade / durch ein unverschuldtes Leiden nicht erschöpfet seyn / sondern durch die Tugend des Mitleidens vermehret / ihren unterthänigen Diener vorig-genossener gnädiger Gewogenheit würdigen werde. Es wurde bey der Königin / so wohl durch des Polyphilus Gegenwart / als durch seine Rede / ihre törichte Liebe von neuem entzündet. Daher sie ihn mit halb-verliebten und beschämten Augen ansahe / und etlichmal die Farb veränderte / endlich aber aufs freundlichst ihn also beantwortete: Gebet euch zu frieden / Polyphilus! ich bin eurer Tugend und Unschuld gnugsam versichert / und habe eure unbillige Verschliessung so verdrüssig empfunden / als frölich ich nun eure Wiederkunft ersehen. Dem Himmel sey Dank / der euch erledigt und mir wieder geschenket! Hierauf reichte sie ihme die Hand / und druckte die seine gar verliebt: Worauf sie auch den Agapistus willkomm hieße / und wegen erlangter Befreyung Glück wünschte. Als indem auch die Melopharmis mit dem Tycheno ins Zimmer trate / gienge sie ihm entgegen / und sagte: Seit willkommen / mein Sohn! von der harten Reise. Kommet ihr mir doch gar lebhafft vor! was meinet ihr / Melopharmis? mich dünket / er sey indessen grösser und schöner worden? Was wäre es Wunder / Gnädige Frau! (antwortet Melopharmis) weil auch ein Zweig nach dem Messer wächset / und / das Holtz durch den Hobel schöner wird. So müste man /(sagte Atychintide) nach eurer Meynung / auch vom Unglück zunehmen? Aber ihr selbst zeiget das Gegentheil: weil ihr / von bißheriger Betrübnus / nicht stärker worden seyt. Demnach scheinet es / der Landherr müsse sie so herrlich traetirt haben. Ach nein! (sagte Tycheno) mich verlanget nicht mehr nach seiner Küchen. Die Königin fieng an zu lachen / und sagte: warum / mein Sohn! hat er euch dann nicht wohl gehalten? Ja / Gnädigste Königin! (versetzte dieser) nur gar zu wol / sonst würden wir ihm längst entronnen seyn. Sihe da! (erwiderte Atychintide) seyt ihr auf dieser Reise so klug worden / so ist sie nicht vergeblich gewesen. Unter diesen Worten kam ein Edel-Knab / und berichtete die Ankunft der Phormena: worüber die Königin sich etwas erschrocken anstellte / und die Melopharmis ihr entgegen sendete / mit stillem Befehl an dieselbe / ihre Verrichtung geheim zu halten. Aber Polyphilus / der bißher mit Cosmarite und Clierarcha gesprachet / kunte sich nicht enthalten / zu fragen: ob dann Phormena wäre verreist gewesen / und von wannen sie käme? Atychintide antwortete / halb errötet: Sie wisse gar nicht / wo sie gewesen / weil sie in ihren eignen Geschäfften verreiset sey. Polyphilus lachte heimlich hierüber / den Agapistus ansehend /inzwischen Phormena ins Gemach kame. Wie glückseelig ist dieser Tag / (sagte die Königin) weil er alle Unsere verlorne und Verreiste wiederbringet. Ja fürwar (antwortete Phormena) und hätte ich / so angenehme Gäste hier zu finden / vermutet / wäre ich vielleicht eher angekommen. Wer weiß / (begegnete ihr Polyphilus) ob sie nicht eine liebere Gesellschaft verlassen / als sie hier gefunden? Vor ihn / (sagte Phormena) dürffte sie wol lieber gewesen seyn / aber vor mich schwerlich. Wie so? (fragte Atychintide sehr erschrocken und furchtsam /daß sie ihre Botschaft verrahten möchte) was habt ihr dann für Gesellschaft verlassen / die Polyphilus belieben solte? Meine Baasen / (versetzte Phormena) die er / als Jungfern / ohne Zweifel vielmehr / weder ich /lieben wird. Auf diese Antwort / gab sich die Königin wieder zu frieden. Polyphilus aber sagte / wie sie das glauben könne / da sie doch wisse / daß er keine Jungfer / sondern nur die Witwen liebe? Die Königin liebkoste ihr selbst / mit dieser Erklärung / sagte aber dennoch: Sie könne dieses schwerlich glauben / es wäre dann / daß er die Macarie durch die Witwe verstünde. Ob nun wohl Polyphilus dieses mit einem heimlichen Seuffzer bejahet / antwortete er doch / mit gar fremden Gebärden: Er könte sich nicht erinnern /wann er diesen Namen hätte nennen hören / und habe / in diesem Unglück / aller Liebe / und aller Veranlassung zur Liebe vergessen. Weil es Zeit zu speisen war / als gabe die Königin diese kurze Antwort: Was man vergessen hat / mein Polyphilus! dessen kan man sich bald wieder erinnern. Damit setzte sie sich zur Tafel / die andern ihr folgen heissend. Unter wärender Malzeit fielen unterschiedliche Gespräche / und muste insonderheit Agapistus / die gantze Handlung ihres Gefängnis / und wie wunderbarlich sie erlediget worden / erzählen: Da dann die Weisen des Richters Ungerechtigkeit bewunderten. Die Königin fragte: Wie sie ihre Zeit im Gefängnis zugebracht hätten? Elend genug / (gab Agapistus zu Antwort) und zwischen Furcht und Hoffnung: Daher ich zu thun hatte / den Polyphilus zu trösten /und dem Tycheno in Gedult zu erhalten. Seyd dann ihr allein so standhafftig geblieben? Fragte Atychintide ferner. Ich ware auch / Gnädigste Königin! (versetzte er) im leidlichsten Zustande / und weder eines Mords beschuldigt / wie Polyphilus / noch des Unglücks so ungewohnt / als Tycheno. Ich habe auch öffters mehr Hertzhafftigkeit sehen lassen / als ich empfunden / und aus einem geängstigten Hertzen /mit frölichem Mund geredet. Das ist schwer / (sagte Atychintide) und muß ich mich in dieser Kunst sehr ungeschickt bekennen. Doch was lehret die Noht nicht / die von vielen der sechste Sinn genennet wird? Also sprachten sie von ihren Abenteuren / biß die Königin aufstunde / und sagte: sie wolte sie / nach so mühsamer Reise / der Ruhe überlassen. Hierauf sie Abschied name / und sich nach ihrem Zimmer verfügte. 9. Absatz Neunter Absatz Polyphilus er suchet die Macarie / durch ein Schreiben / ihm eine Besuchung zu erlauben: die ihm solches durch ein Antwort-Schreiben / bewilliget. Ihre. Klage / und Gemüts-Verwirrung. Der Atychintide Gespräche / mit dem Polyphilus : welcher sich krank stellet / und heimlich nach Soletten reitet. Polyphilus und Agapistus verließen den Tycheno bey seiner Mutter / und giengen gleichfalls mit einander nach ihrem Schlaf-Gemach. Sie hatten dasselbe kaum erreichet / da sagte Polyphilus / was mache ich nun /mein Freund! daß ich zu Macarie komme? mich wegen der Verleumdung zu entschuldigen / und ihr mein Schäfer-Gelübde zu eröffnen? dann hier werde ich nicht lang dauren / weil ich sehe / daß die Königin in ihrer vorigen Torheit fortfähret. Ihr habt ja gesehen / Agapistus! was sie mir diesen Abend vor Blicke verliehen. Pfuy der Laster! die ein solches Alter beflecken! Agapistus lachte / und sagte: Er habe solches wol wargenommen / und wolte ihm selbst nicht rahten / lang da zu bleiben / weil doch seine Gegenwart nur ihre Liebe vermehren würde. Was aber die Reise zu Macarie belanget / (thäte er hinzu) wird es gefärlich seyn / sie ungefär zu überfallen: theils wegen ihrer Furcht / theils wegen des Grams der Inwohner. Demnach wäre mein Raht / man schriebe ein Brieflein / und schickte es ihr morgen / mit dem Tag /durch Serveten: der alsbald Antwort / und zugleich Erlaubnus dieser Besuchung zurück bringen könte. Diesen Vorschlag ließe ihm Polyphilus gefallen / und schriebe an Macarie folgendes: Aller liebstes Hertz! Nachdem der versöhnte Himmel / sich meiner wieder erbarmet / und mich nach unbilliger Verschliessung /nunmehr in die Freyheit und nach Sophoxenien wieder kehren lassen / befinde ich / daß die gefärliche Nachreden / so ich von Phormena mir Unmut vernommen / zusamt der daher rührenden Furcht / auch andere wichtige Angelegenheiten / welche diesem Papier nicht zu vertrauen / unsere Zusammenkunfft notwendig erfordern: die mich in meiner Angst trösten / und sie / Allerliebste! in ihrem Zweiffel / (vielleicht auch vergeblicher Furcht) aufrichten möchte. Zwar habe ich gestern die nichtige Hoffnung mich bethören / ja verführen lassen / daß ich der widerkehrenden Phormena entgegen geritten / vermeinend / euch / mein Kind anzutreffen: allein / die wiedrige Zeit und das verhasste Unglück / haben meinen verdunkelten Augen den Schein ihres Verlangens entnommen / und dagegen tausend Betrübnis dem Herzen gegeben. Mein liebstes Kind kan leicht gedenken / mit was Kummer ich mein Pferd wieder wenden müssen; wie ich die Zeit und das widrige Glück verflucht / welches mir durch seinen Betrug den Weg verleget / daß ich nicht zu derselben gelanget / die sich doch etwan meinetwegen so weit heraus bemühet / und / welches mich am meinsten schmerzet / sich vergeblich bemühet. Ach schönstes Kind! leget mir die Schuld nicht bey / die ich nicht ändern können. Gleichwol muß ich sehen / wie die Widerwärtigkeit des Glückes / unser Lieben / zum Ziel seiner Grausamkeit gesteckt: indem es uns so nahe zusammen geführet / daß ich dieselbe meiner Gegenwart auch durch einen Piststol Schuß verstandigen können und dannoch die Zusammenkunfft verwehret. Nun! ich muß leiden / und zu frieden seyn mit allem / was der Himmel über mich beschlossen / und mich damit trösten / daß etwan / zu Verhütung böser Nachreden / das Glück es so gefüget habe: als welches mehr eine geheime als öffemliche Zusammenkunfft / und sonderlich denen ertheilet / die sich uns gleichen / in einer solchen Liebe / davon jederman seine müssige Zunge reden / und seinen verboßten Sinn rathen lässet. Welcher Ursache wegen /ich eben ihre Gegenwart häfftig verlange: die sie mir hoffentlich nicht versagen wird / sondern / ihrem erleuchten Verstande nach / mir eine Zeit eröffnen / die uns beyde heimlich beseelige. Indessen / allerliebstes Kind! lasse sie sich durch keine falsche Reden verführen / sondern wäge selbige zuvor ab / mit dem / wessen sie von meiner Wenigkeit / durch eigne Erfahrung / versichert ist: alsdann wird sie leicht verstehen / was ein wolgemeintet Raht / oder ein lasterhafftes Zeugnus zu nennen sey. Alle Kümmernus aber ihr völliger zu benehmen / bitte ich nochmals / mich mit ihrer erwünschten Gegenwart zu erfreuen / weil ich /doch / sonder sie zu sehen / nicht länger lieben kan. Sie lebe wohl / meine Allerschönste! und liebe ihr Eigentum / den biß zu ihrer Gegenwart bekümmerten Polyphilus . Diesen Brief gabe er dem Servetus / mit Befehl / selbigen des andern Tages der Macarie zu überbringen /und / so bald es müglich / mit einer Antwort zurücke zu kommen. Hierauf begabe er sich mit dem Agapistus zu Ruhe. Wiewol er / auch aus Furcht / Macarie möchte ihme die Besuchung versagen / und dem Verleumden gläuben / wenig schlaffen kunte. Daher er /folgenden Morgens / mehr verdüstert / als munter /wieder aufstunde / und selbigen Tag mit der Atychintide verdrießlicher Gesellschafft zubringend / auf der Macarie Antwort begierigst wartete. Es war aber Servetus sehr früh / und noch im dunkeln / der Morgenröte zuvor kommend / abgelauffen /also daß er mit früher Tagzeit zu Soletten ankame /und die Macarie an einem künstlichen Gewirke arbeitend fande. Er grüste sie demütig / und überreichte ihr / neben einem schönen Gruß / den Brief seines Herrn: welchen sie / nach freundlichem Dank / mit Freuden erbrache und ablase / und über dessen Begehren sich etwas bestürzt erzeigte. So will dann Polyphilus / (fragte sie den Bringer) zu mir kommen? Wann es die schönste Macarie erlauben wird: antwortete Servetus. Was werden aber (versetzte Macarie) die hiesige Inwohner darzu sagen? Müssen sie es dann eben erfahren? (sagte Servetus) Er kan sich ja /wie das letzte mal / verkleiden / und in einem Gasthof herbergen. Diese Insul ist einsam / (sagte Macarie) und wann er nur auf der Gassen gesehen wird / so erweckt es einen Argwahn und Nachfrage: was wird dann geschehen / wann er in meine Wonung kommet? So kan er bey der Nacht kommen / (erwiederte Servetus) und im Gasthof eine andere Angelegenheit vorwenden. Sie lasse ihr nur gefallen / geehrte Macarie! ihme mit etlichen Zeilen den Zutritt zu erlauben. Wir können noch diesen Abend herüber kommen / und werde ich mich auf dem Wege nicht säumen. Wir wollen der Gefahr schon vorbeugen / und sie von aller Sorge befreyen. Durch diesen Vorschlag / wurde die ohndas-liebende und verlangende Macarie vollends gewonnen / daß sie in diese Besuchung willigte / und an den Polyphilus diese Antwort verfasste. Mein Polyphilus! Ob es wol unnötig scheinet / wegen etlicher ungegründten Reden sich zu betrüben / so muß ich doch erfahren / daß euch solche nicht wenig bewegen / so gar / daß ihr deßwegen mir euren Boten sendet: da ich doch ans euren offtmaligen Reden geschlossen / daß ihr euch keine Nachrede / wie gefärlich sie auch sey /würdet verdrießen lassen. Sie sind auch nicht wehrt /daß ihr darum wemmert: und habe ich / sie euch auf solche Art / zu eröffnen / nit erlaubet. Unterdessen verstehe ich aus eurem Brieflein / daß ihr unsere Zusammenkunfft für hochnötig achtet. Wiewol es nun sehr gefärlich / auch solche geheim zu halten / fast unmüglich ist / so muß doch die Noth der Furcht weichen. Ich stelle es demnach in sein Belieben / wie er solche Besuchung anstelle. Will er aber / weil Talypsidamus allbereit verdächtig / dißmal anderstwo einkehren / und mich alsdann vorsichtig besuchen /würde es vielleicht der sicherste Weg seyn. Indessen bitte ich / einen frölichen Muht zu fassen. Es lassen sich viel Widerwärtigkeiten mit Gedult überwinden. Ich kehre mich auch nicht an aller Leute reden / sondern verharre / so lang ich lebe / Seine gantzergebene Freundin / Macarie . So bald Servetus dieses Brieffein erhalten / eilete er damit auf Sophoxenien / die Macarie in zweifelhafften Gedanken und Anschlägen hinterlassend. Dann /wann sie ihres Liebsten Brief durchlase / und seiner so sehnlichen Bitte nachdachte / wurde sie von Liebe und Verlangen so eingenommen / daß sie seiner Ankunft kaum erwarten kunte. Sie klagte die Sonne an /daß sie ihr zu langsam lieffe / und glaubte / daß dieser Tag länger / als sonst zehen wäre. So bald sie sich aber wieder erinnerte / in wieviel Betrübnus sie diese Liebe allbereit gestürzet / wie hefftig sie jederman davor warnete / und was Gefahr diese seine Besuchung mit sich führe / wurde sie wieder so voll Furcht und Sorge / daß sie berenete / was sie ihm erlaubet /und ihren Brief ungeschrieben wünschete. Wie wird (sagte sie) diese Besuchung abermals neuen Verdacht und Argwahn erregen / da ich aus vorigen mich kaum ein wenig entrissen? Was wird Adalgis gedencken /wann sie horet / daß Polyphilus bey Macarien gewesen? wird sie nicht meine Falschheit schelten / und meine Laster verdammen? Also stürtzet mich ja diese verblendete Liebe in Schimpf und Verachtung / und beraubet mich alles erworbenen Tugend-Ruhmes. Ach Liebe! Liebe! (sagte sie ferner) in was vor Unglück hastu mich schon verleitet? was Hertzenleid habe ich allbereit deinetwegen gefühlet? und wie viel Schmertzen habe ich von der Stunde an empfunden /da ich den Polyphilus zu meinem Verderben gesehen? Warum habe ich dich doch so lang geheget / und begehre dich auch noch jetzt nicht zu verlassen? Ein Kranker suchet doch Artzney / und ein Verwundter das Heil-Pflaster: Aber ich / fliehe die Abwesenheit /als die beste Arzney vor die Liebe / und suche / das Eisen aufs neue in die fast-geheilte Liebes-Wunden zustossen. Ach Macarie! renne doch nicht so muthwillig in dein Verderben! Diß ist der Tag / da du dich / entweder aller dieser Last / welche dich drücket / entladen / auch in die vorige Freyheit und ruhige Einsamkeit dich setzen / oder noch tieffer in die Dienstbarkeit der Liebe versenken kanst. Derowegen ermuntere dein Gemüte / welches durch die Liebe / zu allen nutzlichen und notwendigen Geschäfften schläffrig und untüchtig gemacht worden / und laß mehr die Tugend als die Liebe / mehr die Klugheit als die Begierde / in deinen Gedanken herschen. Zerbrich das Joch / daran du dich so müde gearbeitet / und bitte den Polyphilus / deine Einsamkeit durch Liebe nicht ferner zu verstören. Liebet er dich / so wird er auch deine Wolfart lieben / und sein Verlangen mit dem Zaum der Tugend anhalten: biß sich etwan das Glück günstiger gegen uns erweiset / oder er selbst erkennet / daß die Freyheit nützlicher als die Liebe sey. Solche und dergleichen Worte / führte damals Macarie. Aber / ach! wie nichtig sind die Gedanken der Verliebten / und wie vergeblich ihre Anschläge! Ein einiger Blick vom Polyphilus / wird kräfftig genug seyn / allen diesen Vorsatz zu Boden zu reissen. Wir werden sehen / wie sie sich in seiner Gegenwart anstellet / der nun nicht lang mehr aussen bleiben wird. Dann es war inzwischen Servetus in der Sophoxenischen Gegend angekommen / da eben die Königin /nach der Malzeit / mit dem Polyphilus sich an ein Fenster gesteuret hatte / und ihm auf unterschiedliche Art ihre Gewogenheit entdeckte: die er aber alle / sich gantz einfällig und unwissend stellend / abgeleinet. Mein Polyphilus! (sagte sie) wie freudig stehet nun meine Wonung / nachdem sie den jenigen wieder erlauget / welcher sie vormals aus den Wellen gerissen /und dem Liecht des Himmels wieder gegeben. Ich selbst / die ich / seit eurer unglücklichen Gefängnus /fast erstorben war / empfinde in eurer Gegenwart ein neues Leben. Ach! daß es doch dem Himmel gefallen hätte / mir einen solchen Sohn zu geben / oder daß Tycheno / welchen ich zum Sohn erwählet / eure Vollkommenheit hätte! Glaubet mir / daß ich euch mehr gewogen bin / als ich zeigen kan; und seyt versichert /daß ich euch keine Bitte / wie hoch sie auch sey / versagen könte. Wiewol diese Erbietungen / dem Polyphilus lauter Spieße und Nägel in seinem Hertzen waren / so muste er sich doch anderst stellen / und ihrer Torheit etwas nachgeben. Durchleuchtigste Königin! (sagte er) ich muß freylich bekennen / daß dero gnädige Vorsorge und Gewogenheit gegen E. M. Diener viel grösser sey / als mein Verdienst / und daß ich selbige nicht anderst / als mit tiefstem Dank / zu erwiedern vermöge. Ich verpflichte mich aber auf ewig zu gehorsamsten Diensten / und wünsche hierzu vermögsam erfunden zu werden. Ach mein Polyphilus! (versetzte die Königin) ihr habt noch wenig guten Willen empfangen: ich bin aber bereit / künfftig zu ersetzen / was bißher versäumt worden. In solchem Gespräche / sahe Polyphilus den Servetus gegen dem Schloß daher kommen: dessen Botschafft er unverlängt zu vernehmen verlangte. Er leitete aber die Atychintide vom Fenster ab / damit sie dessen nicht warnehmen / oder nach seiner Verrichtung fragen möchte. Hiernächst bemühete er sich auf unterschiedliche Weise / von ihr loß zu kommen. Als sie aber immer wieder anfienge zu reden / ward er betrübt und ungedultig / daß er ganz erblassete / und keine Antwort mehr von sich gabe; wodurch die Königin bewogen wurde / zu fragen: ob ihm etwas mangele / daß er sich so anbleiche? Polyphilus ergriffe dieses zu seinem Vorteil / sich abzudrehen / und sagte: Er wisse selber nicht / wie ihm geschehe / und befinde sich etwas unpäßlich. Worauf ihm Atychintide gantz erschrocken befahle / sich zu Bette zu verfügen: ob es sich ändern möchte. Diesem Befehl zu gehorsamen / name er alsbald Abschied / und eilete nach seinem Zimmer: woselbst er den Agapistus und Servetus auf ihn wartend fande. Als er diesen / wegen seiner Verrichtung / fragte / ward ihme / neben einem Gruß von Macarien / ihr Brief eingehändigt. Er lase selbigen begierig durch / und hatte kaum das Ende ersehen / da finge er schon an den Agapistus um Raht zu fragen / wie er noch heute nach Soletten kommen möchte / weil es Macarie begehrte. Indem sich dieser ein wenig bedachte / kame Melopharmis ins Zimmer / und fragte / auf Befehl der Königin / wie sich Polyphilus befinde? Gar wol! (versetzte er mit Lachen) wann ich nur auch Mittel wüste / heute zu Macarie zu kommen / um welcher willen ich allein mich krank angestellet. Habt ihr dann Erlaubnus / (fragte Melopharmis) sie zu besuchen? Freylich! antwortete Polyphilus / ihr zugleich den Brief zeigend: und bate er folgends um aller ihrer Freundschafft willen / die sie ihm so offt und sonderlich im Gefängnus versprechen lassen / ihme hierinn hülfliche Hand zu bieten. Hierüm dürffet ihr nicht bitten / (versetzte Melopharmis) weil ich euch zu viel höhern Dingen verbunden bin. Lasset nur Serveten das Pferd voraus führen / und folget ihr fein still hernach / biß ihr zu ihm kommet: so will ich indessen die Atychintide aufhalten / daß sie euch nicht sihet / und bey ihr vorgeben / ihr hättet Artzney eingenommen /und würdet nicht zur Tafel kommen. Aber hütet euch /daß ihr nicht über die Zeit aussenbleibt! Dann / wann sie euch morgen besuchet / und nicht finden solte /würdet ihr mich / samt euch / verdächtig machen / und in alle Ungnade stürtzen. Ach nein! (sagte Polyphilus) ich will gewiß morgen früh wieder hier seyn: helffet mich nur heut entschuldigen! ich werde es mit allem Dank erkennen. Also wünschte ihm Melopharmis Glück zur Reise /mit Bitte / die Macarie zu grüßen / und verfügte sich hierauf wieder zur Königin. Sie berichtete dieselbe /wie daß Polyphilus / nach ihrer Meinung / noch etwas von dem Schrecken und Zorn der Gefängnus empfinde: weßwegen sie ihm Artzney eingegeben / die ihn hoffentlich bald wieder zu recht bringen würde. Atychintide erschrack so sehr über dieser Zeitung / daß sie weder essen noch schlaffen kunte / und Melopharmis gnug zu thun hatte / sie wieder aufzurichten und abzuhalten / daß sie nicht / noch selbigen Abend / ihn zu besuchen gienge. Polyphilus hingegen / hatte alsbald den Servetus mit dem Roß voran geschicket /sich darauf angekleidet / und nach genommenem freundlichen Abschied von Agapistus (welcher ihm tausend Glück bey Macarie wünschte) ganz heimlich sich auf den Weg begeben. Als er wieder zum Servetus gekommen / saß er gleich zu Pferd / und ritte nach der Insul Soletten / mit Freude und Verlangen angefüllet. Unterwegs ergetzte er sich mit der Macarie Brief / den er etlichmal durchlase / und den Servetus öffters fragte / wie sich Macarie erwiesen / und ob er auch ein angenehmer Gast seyn werde? So viel ich spüren können / (antwortete dieser) wird ihr des Herrn Gegenwart gar lieb seyn: nur fürchtet sie / es werde selbige bey den Inwohnern neue Ungelegenheit erregen; weßwegen ich ihr versprochen / daß alles heimlich geschehen solte. So will ich dann (sagte Polyphilus) mich anstellen / als ob ich den Galesio (also hieße einer von den Vornemsten zu Soletten) zu besuchen käme / und euch / in Gegenwart unsers Wirts /befehlen / mich bey demselben anzumelden: ihr aber müsset zu Macarien gehen / und unter des Galesio Namen / die Antwort zu rück bringen. Servetus versprache solches in acht zu nehmen. Polyphilus aber dichtete inzwischen / wie er seiner Macarie zusprechen / seine Gefängnus entschuldigen / sich aus den verleumderischen Nachreden entwickeln / und um Bewilligung des Hirtenstandes anhalten wolte. Als er nun endlich der Insul genahet / ließe er /damit er nicht erkant würde / sein Pferd durch den Servetus im Wirtshause vor dem Ufer einstellen / und nachmals sich mit ihm übersetzen: da er in einem unbekanten Gasthof die Herberg name. Er hieße den Wirt eine Malzeit zurichten / und fragte ihn / in welcher Gegend Galesio wohne / bey dem er eine Besuchung abzulegen hätte. Als nun der Wirt ihm hiervon Bericht gegeben / befahl er dem Servetus / in dessen Gegenwart / dahin zu gehen / und seine Besuchung anzumelden: der dann / abgeredter massen / zur Macarie gienge / und des Polyphilus Gegenwart ansagte. Nachdem er zur Antwort empfangen / daß sie seiner erwarten wolle / und solches den Polyphilus berichtet / machte der sich alsbald auf / und gienge nach Macarien Wonung / das jenige zu erlangen / wornach er seither so manche Stunde und mit so vielen Seufzern sich gesehnet hatte. 10. Absatz Zehender Absatz Polyphilus ! zu Macarien kommend / wird erstlich hart von ihr angelassen / aber nachmals durch ihre Freundlichkeit ergetzet. Ihr Gespräche. Macarie billigt und bewilligt sein Vorhaben / in den Schäferstand zu tretten. Sein Gespräche / von ihrer beyder Vermälung / mit seinem Wirte. Seine Reimen, über einen Traum von ihr. Seine Klage / und Gespräche mit dem Gegenhall / auf der Ruckreise. Nachdem Polyphilus an die Thür vor Macarien Wonung gelanget / wurde er von ihrer Dienerin / die auf ihn zu warten bestellet war / gar stille eingelassen /und vor der Macarie Leib-Zimmer begleitet / aus welchem sie ihm entgegen kam / und ihn mehr höflich als verliebt empfinge: wiewol ihr Hertz / von dem ersten Ansehen / eine nicht geringe Bewegung empfande. Er bate um Vergebung / daß er sie zu ungelegner Zeit /und bey dunkler Nacht / besuchen dörfen. Worauf Macarie antwortete: Er hat sich nicht zu entschuldigen / geehrter Polyphilus! weil ich diese Zeit / wegen allerhand gefärlicher Nachreden / selbst erwählet. Die Laster können durch keinen Tag beschönet / und die Tugend durch keine Nacht beflecket werden. Er lasse sich nur belieben / in meinem einsamen Zimmer die Ruhe zu nehmen / und mir zu eröffnen / um welcher Ursach willen er meine Gegenwart so hefftig begehret? Wie sie nun sich zusammen gesetzet / begunte er also zu reden. Die Ursach / Allerschönste Macarie! warum ich diese Besuchung so inständig verlanget /ist diese / daß ich mich / wegen der überstandenen unglückseligen Gefängnus / entschuldigen; auch ihr die Furcht wegen der verleumderischen Nachreden / welche mir Phormena erzehlet / benehmen möchte; und dann das Verlangen / so ich bißher / in vieler Widerwärtigkeit / mit Gedult und Hoffnung unterhalten /durch ihre allersüßeste Gegenwart zu befriedigen. Mit diesen Worten schloße er seinen Arm um sie / sie zu küssen vermeinend. Als aber Macarie sich ihme mit etwas verächtlichen Gebärden entzoge / ward Polyphilus von Schrecken und Scham dermassen eingenommen / daß er sich kaum des Weinens enthalten konte. Er sahe sie mit erbärmlichen Augen an / und vermochte nicht mehr / als diese wenig Worte hervor zu bringen: Ach! mein Hertz! womit habe ich diese Ungunst verschuldet? Macarie wurde zwar / durch seine klägliche Worte und Gebärden zu Mitleiden beweget; doch verheelte sie solches / und sagte: Mein Polyphilus! es ist noch nicht das erste beantwortet. Was nutzet ein Trunk Salzwasser / als nur den Durst zu vermehren? Er sagte / er sey / seine Gefängnus zu entschuldigen / zu mir gekommen: welches keineswegs vonnöten ist /weil ich seiner Unschuld albereitversichert bin / und dergleichen Laster von ihme niemals gegläubet. Warum hat man mir dann (sagte Polyphilus / nun wieder etwas frölicher) einen so bösen Brief zugeschrieben? Ist er dann so böse gewesen? (begegnete ihm Macarie) Ich habe dadurch unsrer arbeitseeligen Liebe / und zugleich allem Unglück / ein Ende machen wollen. Wie ich dann auch dißmal bitte / er wolle seine Gedanken von meiner unseeligen Liebe befreyen / und das Gelübde der Einsamkeit / welches ich ohne Laster nicht brechen würde / zu seinem und meinem Glück befördern helffen. Ach! Himmel (fiele ihr Polyphilus in die Rede) was ist das vor ein Begehren? Ich gedachte / sie hätte den Verleumdern nicht geglaubet: so muß ich vernehmen / daß dieselbe ihr Gemüte ganz eingenommen / meine Liebe daraus verjaget / und den Eusephilistus an meine statt gesetzet haben. Mein Polyphilus! (widerredte Macarie) hierinn beschuldigt ihr mich mit Unrecht: Ich liebe den Eusephilistus nicht / und werde ihn auch nicht lieben; ich will auch deßwegen euch alle Versicherung geben /die ihr selbst fordern werdet. Unbeständigkeit soll man nimmermehr von Macarie erfahren. Allein bedenket doch / Polyphilus! daß unsere Liebe von allen Menschen / und von dem Himmel selbst / gehintert wird. Betrachtet / was Gefahr und Unglück ihr schon deßwegen erlitten / und daß ihr / ohn dieselbe / der glückseeligste von der Welt seyn köntet. Derowegen überwindet eure Begierde / und überlasset mich der sichern und gewohnten Einsamkeit / in welcher ich allezeit eure Gedächtnus ehren / und eure Tugenden /durch meine einfältige Gedichte / erheben werde. Schmertzet euch meine Verlassung: so erinnert euch des Gewinus / der dem Verlust folget / und euch von aller Widerwärtigkeit befreyen wird. Glaubet auch /daß ich eure Einwilligung dankbar erkennen / die Widersetzung aber widerwillig aufnehmen werde. Wie dem Polyphilus / bey diesem Anbringen / zu Mut gewesen / ist nicht wol auszusprechen. Er wuste fast nicht mehr / wer oder wo er wäre / vielweniger /was er antworten solte; biß er endlich / vom Eifer und Ungedult ganz entzündet / in diese Worte heraus brache; Ist das der Schluß / auf welchen ich so lang gewartet? und der Lohn / den alle meine Arbeit verdienet? Ach! du grausamer Himmel / warum hast du mich Armseligen lassen geboren werden / auf den alles Unglück wartet? Und warum hat man mich nicht in der Gefängnis erwürget? so hätte ich diese harte Worte nicht anhören dürffen? Ach! Macarie! soll ich sie verlassen? so muß es durch meinen Tod geschehen / welchen sie bald erfahren soll: weil ich doch keinen andern Dank / vor alle meine Liebe / zu hoffen habe. Es wird mich ja ihre Härtigkeit nicht auch im Grab verfolgen. Aber der gerechte Himmel / welcher alle Unbarmherzigkeit hasset / wird diese Unbilligkeit rächen; und die Sterne / welche mir vielleicht heute das letzte mal geleuchtet / sollen Richter zwischen uns beyden / und Zeugen meiner getreuen Liebe / bleiben. Hiemit wolte er aufstehen / hinweg zu gehen. Aber Macarie / ganz erschrocken über solcher Bezeigung /zoge ihn zu rück / und fiele ihm um den Hals / sprechend: Wo hinaus / mein Polyphilus! Lasset ihr eure verzweiffelte Passion euch so gar verführen? Höret mich nur recht an! Ich wolte viellieber die ganze Welt / als euch / erzürnen. Hierauf vollbrachte sie selber / was sie erstlich dem Polyphilus verweigert / und küste ihn so verliebt / daß er / von dieser Freundlichkeit wieder ermundert / sie vollends auf seinen Schoß hebte / und den Kuß mit so vielen erwiederte / daß es eine gute Weile schiene / als gedächten sie von einem Athem zu leben. Also / Macarie! also muß man sich des Polyphilus Liebe befreyen / und die Einsamkeit /wider alles Bitten / fortsetzen? Lerne nun / und lehre andere Verliebten / daß die Liebe keinen Befehl /auser ihrem eignen / achte / und die jenigen viel strenger zu fasseln pflege / welche sich ihrem Joch wieder zu entziehen vermeinen. Ach schönste Seele! (sagte endlich Polyphilus) was hat sie doch vor Lust daran /dieser Süssigkeit solche Bitterkeit vorlaufen zu lassen? Meinet sie vielleicht / daß diese Freude nicht ohne Angst müsse verlanget werden? habe ich dann solche nicht allbereit gnug erdultet? Muste dann /bevor man das süße Hönig der Zungen koste / dieselbe mit Wermut verbittert werden? Nein / mein Hertz! (versetzte Macarie) ich habe / in dem Widerwillen / nicht der Lust / sondern der Vernunft gefolget / welche mich eine so geplagte Liebe fliehen heisset: Aber in dieser Bezeigung / folge ich der Lust und Liebe / vielleicht zu meinem Schaden und Verderben. Jene Bitterkeit / hat eine süße Ruhe geschaffet / aber diese Süßigkeit wird gewiß mit Reue versäuert werden. Dann gedenket doch / mein Hertz! was diese Besuchung / wann sie offenbar wird / vor Grimmigkeit erwecken kan? Ihr heisset mich zwar lieben: aber was soll das Ende solcher Liebe seyn / und wann haben wir die Erlösung zu hoffen? Die Reise /welche uns hoffen hieße / ist krebsgängig worden. So haben wir auch / weder hier / noch zu Sophoxenien /eine nähere Verbündnis zu erwarten / weil es dorten die Liebe der Königin / und hier Eusephilistus hintert. Es hat euch meine unseelige Liebe allbereit in die Wellen gestürzet / am Arm verwundet / ins Gefängnis geworffen / und auf unzehliche Weise gemartert: und dennoch liebet ihr eure Krankheit / und lauffet selbst eurem Unglücke nach. Ja / wann ich euch gleich aus solcher Gefärlichkeit zu erretten gedenke / so widersetzet ihr euch nicht allein meinem Vorhaben / sondern reisset auch mich mit euch in den Abgrund des Verderbens. Dann wie wäre es müglich / daß ich eure sehnliche Klagen ohne Bewegung anhören / und des jenigen Seufzer dulten solte / den ich / wie meine eigne Seele / liebe? Nachdem sie / mit diesen Worten / ihm freundlich die Hand gedrucket / küssete sie Polyphilus nochmals / und sagte: Ach! süße Lust meiner Seele! sie plage sich nicht mit dergleichen Gedanken! der gnädige Himmel / wird für unsere Tugendliche Liebe / ein fröliches Ende ersehen / und alle Widerwärtigkeit / so ihre Beständigkeit geprüfet / wird mit Ergötzung belohnet werden. Ich scheue kein Unglück / so lang sie mich liebet / und schätze einen einigen Kuß von ihrem schönen Munde viel höher / als alles Leiden /das ich bißher empfunden: wiewol auch selbiges nicht von ihrer Liebe / wie sie glaubet / sondern von meinem eignen Verbrechen hergerühret. Und was ist dann diß für ein Verbrechen? fragte hierauf Macarie. Ach! von der Stunde an / (antwortete er) da ich den Hirtenstab / welchen ich in meinem Vatterland geführet /von mir geworffen / und Kunst und Tugend zu suchen / ausgereiset / habe ich alles Ubel und alle Plage empfunden. Weßwegen ich mir auch vorgenommen /selbigen wieder zu ergreiffen / und künfftig die Kunst und Tugendlehre mit dem Schäferstande zu vereinigen. Ich bitte sie auch / mein allerliebstes Hertz! in dieses Beginnen zu willigen / und die Niedrigkeit dieses Ordens nicht zu verachten. Er wird uns erwünschte Gelegenheit schenken / in vereinigter Liebe zu leben / der Verfolgung den Zügel aus der Hand rucken / und mich von der Atychintide Torheit / erlösen /die ich nicht gnugsam beklagen / und nicht länger erleiden kan. Macarie / welche von diesem Vorschlag einige Hoffnung der Errettung schöpfte / war gleich damit zu frieden / und sagte: Ich habe den Hirtenstand / wann er nicht von der bloßen Einfalt geführet / sondern mit Tugend und Wissenschafft begleitet wird / allezeit hoch gehalten / und bitte / in diesem Fürnehmen fortzufahren / wünsche auch hierzu einen glücklichen Anfang. Allein in dieser Gegend / wird es sich / wegen der Inwohner Feindschaft / nicht wol thun lassen. Ich bin auch hierauf nie bedacht gewesen / (sagte Polyphilus) sondern habe nur ihre Einstimmung gesuchet. Ich will / so bald ich der Königin Bewilligung erhalten / eine gelegene Trifft aussehen / die mich und meine Gesellschafft / samt unsern Heerden / unterhalte / und also mit der allerschönsten Macarie mich endlich zu Ruhe setze. Indem klopffte Servetus an das Zimmer: deme dann Macarie / damit sie nicht in des Polyphilus Armen gefunden würde / selbst die Thür geöffnet. Er berichtete / wie daß die Malzeit zugericht wäre / und der Wirt gern die Widerkunfft des Polyphilus sehen möchte. Diß war dißmal eine schlechte Zeitung vor den Polyphilus: doch gab er zur Antwort / wie daß er bald folgen wolte. Als aber Servetus wieder abgetretten / ümfienge er nochmals seine Liebste und sagte: Ach! meine einige Freude! soll ich sie nun wieder gesegnen / da ich sie kaum gegrüsset? und verlassen / da ich sie noch nicht recht erhalten? Wie ist es müglich /daß ich die süssen Früchte / die ich jetzt nur ein wenig gekostet / schon wieder von mir legen kan? O ich Elender! wann werde ich anfangen allezeit so ergötzet / und nicht mehr von ihrer Gegenwart getrennet zu werden? Vor dißmal (antwortete Macarie) kan es nicht anderst seyn / dann ob ich gleich gern bitten wolte /meine geringe Malzeit zu kosten / so muß ich doch allerley Auslegung / und wohl gar ein Unglück davon besorgen. Es ist einer Ehrliebenden Weibs-Person nicht genug / wann sie des Lasters frey ist / sondern sie muß sich auch des Argwahns befreyen. Wird er mir demnach zu gut halten / daß ich wider meinen Willen / unhöflich seyn muß. Vielleicht wird uns der Himmel desto eher wieder zusammen helffen. Er bemühe sich nur / behutsam zu verfahren / und vergnüge sich mit der Versicherung meiner beständigen Gewogenheit. Damit gab sie ihm noch einen Kuß: welchen Polyphilus mit vielen Seufzen erwiderte. Und / weil er sich nicht länger aufhalten kunte / bate er gar beweglich / daß sie in der Liebe und Vereinigung getreu verbleiben / und keinem Verleumder Glauben geben wolte: in der Hoffnung / mit nächstem eine fröliche Zeitung von ihm zu empfangen. Endlich bedankte er sich / vor erzeigte Gunst / und nahm also einen betrübten Abschied: Da er von Macarie freundlich getröstet / und biß an die Thür begleitet wurde. Servetus wartete daselbst auf ihn: mit dem er / als er sie nochmals gesegnet / nach der Herberg gienge. Unterwegs erzehlte ihm Servecus / wie ihn die Wirtin gefraget / von wannen sie kämen? und als er geantwortet / von Sophoxenien: hätte sie ferner gefraget: ob er vielleicht dem Polyphilus zugehörte / welcher ihnen die Macarie entführen wolte? Als er solches gelaugnet / und gesagt / wie daß sein Herr keine Frau verlange / sey der Wirt dazu gekommen / und habe sie heissen stillschweigen: sonst würde sie weiter geredt haben. Polyphilus ließe ihm dieses zur guten Nachricht dienen. Und als er in dem Gasthof angelanget /und sich zum Essen gesetzet / hieße er den Wirt bey sich sitzen / und sprachte mit ihm / von unterschiedlichen Sachen. Letzlich sagte er: Er hätte vom Galesio verstanden / wie daß Eusephilistus mit der berühmten Macarie soll vertrauet werden; und fragte / ob dem also wäre / oder nicht? So viel mir wissend / (gab der Wirt zur Antwort) ist es noch ungewiß: doch hoffen wir /Macarie soll ein solches Glück nicht verachten / auch die Bitte dieser gantzen Insul etwas gelten lassen. Den Polyphilus verdroß diese Rede heimlich; doch sagte er lächlend: Diß wird eine schlechte Zeitung vor den Polyphilus seyn / wann wir sie nach Sophoxenien bringen. Ja wol! (versetzte der Wirt) da wird nichts aus: Eusephilistus läst sich nicht von Polyphilus verdrängen. So wird auch Polyphilus / (erwiderte dieser) sich vor dem Eusephilistus nicht fürchten / und eher sterben / als daß er ihm die Macarie überlassen solte. Der Degen muß hier den Ausschlag geben / und den Polyphilus entweder in der Macarie Schoß / oder ins kalte Grab bringen. Dann so lang er lebet / soll Eusephilistus die Liebe seiner Macarie nicht erlangen. Dieses redte er mit solchem Eifer / daß der Wirt nicht wenig erschracke / und seine Worte in Schertz ziehend / antwortete: Mir gilt es gleich viel / welcher die Macarie erlanget / weil ich selbst hierzu keine Hoffnung habe / auch so wenig nach Frauen mich sehne /daß ich meiner eignen gern loß wäre / und so sie mir jemand entführete / schwerlich zehen Jahre deßwegen streiten würde / wie Menelaus wegen der Heleng. Hierüber lachte Polyphilus / und bereuete fast / daß er so hefftig geredt hatte: fürchtend / er möchte sich damit verrahten haben. Darum erzehlte er geschwind etwas anders / biß die Malzeit geendet war / und er /mit sehnlichen Gedanken von seiner Macarie / sich schlaffen legte. Ihm traumte auch von ihr / im Schlafe / so annemlich / daß er im Aufwachen noch die Hände ausreckte / und sie / weil sie entweichen wolte / anzuhalten vermeinte. Als er sich aber betrogen und gantz allein sahe / brach er mit tieffen seufzen in diese Worte heraus: Du leeres Schatten-bild / daß mit der Nacht entweichet / Du Kind des süßen Schlafs! was hast du mir gezeiget? Wo ist die Schöne hin / die einer Göttin gleichet / Vor deren Trefflichkeit die Sonne fast verbleichet? Wo ist sie / die sich erst so freundlich hergeneiget / Und ihren zarten Mund zu küßen mir gereichet? Ach! deine süße Lust / wann sie aufs höchste steiget / Du falscher Lügen Traum! in einem Nun verschleichet. Diß Malwerk des Gemüts / uns mit dem Schlaf erschleichet / Und / als ein wahres Thun / auf unser Lager steiget: Doch endlich nur Betrug / vor rechte Freude / reichet / Und den gekränkten Sinn / vielmehr zur Liebe neiget / Biß unser Angesicht / von Trauren / gantz verbleichet / Und einem Todten mehr / als Lebendigen / gleichet. Weh dem! der nichts geniest / als was der Traum ihm zeiget / Der die Verliebten schertzt / und mit dem Schlaf entweichet. Also beklagte Polyphilus seinen Irrtum / stunde damit auf / und eilete / weil es schon Tag ware / mit dem Servetus / wieder nach Sophoxenien / um die Melopharmis nicht zu erzürnen. Unterwegs erinnerte er sich der Freundlichkeit seiner Macarie / und ihres süßen Mundes / den er genossen: wiewol solche wieder-gedächtnus nur zu Vermehrung seiner Schmertzen / und zur Vergrösserung seines Verlangens / diente. Freylich (sagte er bey sich selbst) hat die kluge Macarie recht geredt / daß alle Ergötzung der Liebe /durch die geschwinde Verlassung / wieder verbittert werde / und einem Saltzwasser zu vergleichen sey /welches mehr Durst erreget / als stillet. Gleichwie ein erhitzter Kranker / durch starkes Getränke / seinem Durst nicht wehret / sondern nur ihn mehret / und die Leber entzündet: also kan auch ein Verliebter / durch eine kurtze Freundlichkeit / nicht genesen / sondern sehnet sich destomehr nach dem Verlornen / und befindet / daß die Furcht der Verlassung viel unerträglicher sey / als die Hoffnung der Geniessung. Ich bin ja mit frölichem Gemüt hieher gereiset: mit betrübtem Geist reise ich nun wieder von hinnen / und möchte wünschen / daß ich diesen Tag wieder in den vergangenen verwandeln könte. Aber das ist vergeblich /und ich entferne mich nun immer weiter von meiner Macarie An statt ihrer angenemen Beywohnung /werde ich nun wider die Gesellschafft der unbesonnenen Königin haben / und mich in ihrer verdrießlichen Bedienung quälen müssen. Als er / mit solchen Gedanken / in den Wald kame / und Servetus etwas voraus war / redte er mit der Gegen-schallenden Echo / wie folget. Du Edle Nympfe! sag: was hab ich jezt gefunden / Nachdem ich hab durch Lieb die Liebste überwunden? Echo: wunden / Ja wol! du redest recht / nur Wunden bring ich heim. Voll Klag und Ungedult / ist / was ich red und reim / Echo: Träum. Was? Träume helffen nichts / als mehr uns zu entzünden. Soll ich sonst keinen Trost / als nur in Träumen / finden. Echo: Dinten. Ach! Dinten und Papier / ergötzen kurtze Zeit / Wer aber schenket mir die wahre Liebes-Freud? Echo: Weid. Die Weide soll es seyn? wie / daß ich dann verweile / Zu suchen solchen Ort / der meine Wunden heile? Echo: Eile. Ach! Nymfe! habe Dank! jezt weiß ich was ich thu. Dein rahten macht / daß ich gar frölich reite zu / Echo: reite zu. 11. Absatz Eilfter Absatz Atychintide vermisset den Polyphilus: welcher gewarnet / sich wieder einstellet / als wann er nur ausgespaziret wäre. Sein Gespräche mit Melopharmis; wie auch über der Tafel mit der Atychintide / von seinem Schäfer-Gelübde: welches diese widerspricht / er aber stark verteidiget / und das von ihr belobte Hof-Leben dargegen ausfilzet. Cosmarite und Chlierarcha / stimmen ihme bey /und Atychintide wi d folgends durch Melopharmis überredet / daß sie darein williget. Abschied der neuen Schäfere von Hof / und Liebes-Gespräche der Königin mit dem Polyphilus . Beschluß dieses Zweyten Buchs. Eben hatte Polyphilus dieses Echo-Gespräche geendet / und wolte nun voll Hoffnung / nach Sophoxenien eilen: als er den Servetus / neben einem Lakeyen vom Hof / ihm entgegen kommen sahe. Dieser berichtete ihn / wie daß Melopharmis in grossen ängsten stünde / weil die Königin / ungeacht ihres Abwehrens /ihn besuchen wollen / und über seiner Abwesenheit allerhand Argwahn geschöpffet. Agapistus hätte sie glauben gemacht / wie daß er / frische Lufft zu holen /etwas ins Feld gespaziret: womit sie sich zwar gestillet / aber / solches gewisser zu erfahren / stäts am Fenster lige / und seiner Widerkunft erwarte. Um des willen hätte ihm Melopharmis befohlen / ihm entgegen zu lauffen / und ihn zu bitten / daß er / Haß und Ungnade zu verhüten / sein Pferd mit dem Servetus etwas zu rück lassen / und zu Fuß nach dem Schloß gehen solte: damit Agapistus nicht eines Betrugs überwiesen / die Königin aber in ihrem Argwahn gestärket werden möchte. Diesem nachzukommen / überreichte Polyphilus /so bald er das Schloß von fern ersehen / sein Pferd dem Diener / und gienge gar langsam fort / gleich /als wann er schwach und matt wäre. Er wurde so bald von der Königin ersehen / und weil er ihr zimlich matt (dann er kunte sich trefflich wohl in den Betrug schicken) vorkam / sendete sie ihm die Melopharmis entgegen / und hieß fragen / wie es mit ihm stünde? Diese aber fragte ihn an stat dessen / was er bey Macarie ausgerichtet? mit Erzehlung des Kummers / in welchen sie seine Abwesenheit / und der Königin Begierde / ihn wieder zu sehen / gestürtzet. Polyphilus sagte: Es wäre ihm leid / daß sie seinetwegen einige Widerwertigkeit empfunden / welches dankbarlich zu erwiedern / er Gelegenheit suchen wolte. Hierauf nahme er sie mit sich in sein Zimmer /alwo er ihr und dem Agapistus (der ihn freundlich willkomm hieße) alles erzehlte / was sich zwischen ihme und Macarie verlossen / wie er sie anfangs gar verwirrt und ungünstig gefunden / doch lezlich wieder freundlich verlassen / auch so weit gebracht / daß sie in sein Schäfer-Gelübd verwilliget. Weil dann nun nichts mehr fehlet / (beschloße er) als der Königin Erlaubnus / so bitte ich euch inständig / wehrte Melopharmis! daß ihr mir / diese zu erlangen / behülflich seyn wollet: weil ich mir solches / aus erheblichen Ursachen / unwiderrufflich vorgenommen / auch kein bessers Mittel wüste / von diesem Hof und der Königin ärgerlichen Anmutungen abzukommen / auch mit meiner Macarie in erwünschte Vereinigung zu treten. Agapistus stimmete ihm bey / und sagte: Wie daß sie / ohne Gefahr und Furcht der Strafe / keinen andern Vorsatz fassen dürfften / weil sie im Gefängnus sich hierzu verlobet; auch die Gütigkeit des Himmels / alsbald nach solchem Gelübde / ihre Erlösung verfügt hätte. Melopharmis höchst erfreuet / daß Polyphilus bey Macarie nichts von ihrer verhassten Botschafft vernommen / erbote sich / alles / was sie verlangten / nach Müglichkeit zu befördern: massen sie nicht allein ihren Vorsatz billigte / sondern auch ihren Sohn ihnen mitzugeben / sich erklärte. Ach ja / meine Mutter! (sagte Tycheno) Ich bin auch vorhin mit in dem Gelübde / und könte ohne Sünde nicht dahinten bleiben. Wohl / mein Kind! (versetzte Melopharmis) ich will es nicht hintern; und wer weiß / ob ich nicht / in meinem Alter / noch selbst eine Schäferin mit abgebe? Dann ich sihe / daß die Hof-Gunst sehr ungewiß /und viel leichter zu erwerben / als zu erhalten sey. Ich habe die Königliche Gnade bißher mit so vielen gefärlichen und sträflichen Handlungen unterstützet /daß ich fürchte / es möchte ein so geflicktes Gebäu /dereinst unversehens in einen Hauffen fallen / und meine Glückseeligkeit zu grund richten; oder das hohe Alter möchte mich endlich zu Diensten untüchtig machen / sonderlich / wann eine jüngere und geschicktere mir die Schuhe austreten solte. Dann ob gleich Atychintide der Königlichen Hoheit / in äuserlichen Bezeugungen / sich äusert / so träget sie doch in ihrem Gemüt eine warhafte Königin / und kan deme / der sie erzürnet / ihre hohe Gewalt mit durchdringenden Worten zu vernehmen geben. Ist also dieses verborgene Feur eben so sehr / als eine offenbare Flamme / zu fürchten / und der freye Hirtenstand solcher Gefärlichkeit weit vorzuziehen. Ich will aber mit diesem Vorsatz inhalten / biß ich sehe / wie die Königin gegen eure Entschließung sich anstellet. Polyphilus bedankte sich gegen ihr / für diese freundliche Einwilligung / mit Versicherung / daß sie solches Vorhaben nicht gereuen solte. Als er noch redte / wurden sie sämtlich zur Tafel beruffen. Melopharmis erschracke / da sie hörte / daß es schon Zeit zu speisen wäre / und fürchtete / Atychintide würde wegen ihres Verweilens erzürnet seyn. Derowegen gienge sie geschwind voran / und berichtete die Königin / wie daß Polyphilus sich etwas besser befinde / und wieder zur Tafel kommen wolte. Uber dieser frölichen Zeitung vergaße Atychintide des langes Ausenbleibens / und wurde gantz lustig. Als aber Polyphilus sich eingefunden / und sie merkte /daß er über der Tafel etwas still war (den er dichtete albereit / wie er sein Begehren anbringen wolte) finge sie selber an zu reden / und sagte: Wie gehts / Polyphilus: Warum habt ihr euch ins Feld gewaget? Wisset ihr nicht / daß die Lufft den Kranken schädlich ist? Ich hoffe nicht / Durchleuchtigste Königin! (gab Polyphilus zur Antwort) daß meine Krankheit so gefärlich / daß ihr die Lufft schaden solte / und habe ich vielmehr dadurch Linderung gefunden / die ich gesuchet. Das ist gut! (versetzte die Königin) und mag es vielleicht ein Uberrest von der verdrießlichen Gefängnus gewesen seyn. Ich weiß nicht / gnädigste Königin! (erwiederte Polyphilus) ob ich dieser die Schuld geben soll / oder ob der Himmel mich hierdurch meines Gelübdes im Gefängnus erinnern wollen. Was ist das vor ein Gelübde? fragte Atychintide: Daß ich (antwortete Polyphilus) den Hirtenstand / welchen ich in meinem Vatterlande gefüret / wieder ergreiffen wolle. Hierüber lächelte die Königin und sagte: Schertzet ihr / Polyphilus? Ihr werdet kaum wieder ein Schäfer werden. Ich schertze nicht / gnädigste Königin! (begegnete ihr Polyphilus) sondern ich habe mich hierzu so fest verlobet / daß ich / ohn sträfliche Sünde / nicht davon weichen kan: hoffe auch / es werde E. Maj. solches Vorhaben / welches ich nicht so wohl aus Vorwitz / als aus Göttlichem Zwang gefasset / weder schelten noch verhintern. Was hat euch dann (fragte Atychintide ferner) zu solchem Gelübde bewogen? Der Befehl des Himmels selber: gab Polyphilus zur Antwort. Dann da wir auf der Reise nach Brunsile begriffen / und schon ein paar Tage geritten waren / begegneten uns allerhand Leute / so wol Manns- als Weibs-Personen / welche von unterschiedlichen Straßen nach einem Ort eileten / und uns / auf Befragen / was sie suchten? berichteten / wie daß vor etlichen Tagen / ein heiliger Einsiedel in selbigem Walde angekommen / welcher einem Menschen all sein Glück und Unglück vorsagen könne. Wir / von der Begierde etwas neues zu hören entzündet / gaben uns in ihre Gesellschafft /und fragten den Einsiedel: Ob unsere Reise glückseelig seyn würde? Worauf er sich etwas bedachte / und endlich / aus seiner elenden Hütten diese Worte zu uns redte. Ihr fraget von der Reis. Ich will die Warheit sagen. Der Weg ist gantz verkehrt. Es rennen alle Plagen Und Unglück auf euch zu. Drum weichet bald zu rück / Und höret diß mein Wort: das Göttliche Geschick / Will euch / im Hirtenstand / mit Glück und Ruh ergetzen; Und / wann ihr widerstrebt / mit seinem Grimm verletzen. Diese Worte / ob sie uns wol erstlich etwas Nachdenken machten / zogen wir doch endlich in ein Gelächter / und ritten fort unsre Straßen: musren aber die Gewißheit derselben / mit unserm Schaden / erfahren /indem wir / noch selbigen Abend / von der streiffenden Rotte angehalten / und so lang im Gefängnus geplaget wurden / biß ich mich erinnerte / daß von der Zeit an / da ich den Schäfer-Orden verlassen / mich das Unglück unaufhörlich verfolget / und auch diese Verschließung durch die Schäfer erreget worden. Demnach gelobte ich / so bald ich der Gefängnus erlassen / wieder in den Hirtenstand zu tretten. Stracks auf dieses Vornehmen / erkente ich die Göttliche Rettung / die durch wunderbare Vorbitte der Schäfer selbiger Gegend / unsere Erledigung ausgewircket / und also die Weissagung des Einsiedels bekräfftiget hat. Das ist Einbildung! (sagte die Königin) die euch der Fantastische Einsiedel (der vielleicht mehr seinen Orden zu stärken / als aus gründlicher Wissenschafft /geredet) in den Kopf gebracht. Wie schön solte es doch stehen / wann Polyphilus / dessen Ruhm albereit Städte und Länder erfüllet / und noch immer im steigen ist / den edlen Stand der Kunst- und Tugend-Lehre verlassen / und sich gesellen wolte / zu der allerseltzamsten Art von Leuten: welche / wider die Natur des Menschen (der von den Gelehrten ein geselliges Thier genennet wird) die Einsamkeit erwählen /gleich den wilden Thieren in Wäldern und Feldern herum wandern / und nicht wenig von der Einfalt der Schafe / welche sie weiden / an sich haben! Bedenket doch nur / Polyphilus! ob der bäurische Hirtenstand verdiene / daß ihr um seinet willen / die liebliche Blüte der Weißheit und Tugend / welche eure Jugend so häuffig hervor bringet / verderbet / und euch damit selbst / der süßen Früchte des Glückes und der Ehre /so euch die Hoffnung zusaget / beraubet? Träge und unedle Gemüter / die mehr zu dienen / als zu herrschen geboren sind / gehören zu den Hirten / und nicht Polyphilus: dessen Verstand und Verdienst von dem Himmel selber / zu hohen und herrlichen Verrichtungen gewidmet ist. Derowegen erkennet euren Irrtum / und spielet nicht einen so armseeligen Feldman / der von aller Frölichkeit der Welt verbannet /im Felde allein leben muß / und von niemand ohne Verachtung angesehen wird; der / an statt angenehmer Gesellschafft und ihres freundlichen Gesprächs / das Blöken der thummen Schafe anhören; an statt höflicher und geschickter Aufwarter / die unflätigen Hunde um sich leiden / und an statt einer süß klingenden Musie / sich mit einem einfältigen Bauren-Liedlein ergetzen muß. Wer weiß dann / Gnädigste Königin! (fiel ihr Polyphilus / der diese verächtliche Widerrede nicht länger anhören können / in die Rede) ob nicht die Schäfer in solchem Zustande viel glückseeliger sind / als die jenige / von welchen sie verachtet werden. Alles was E. Maj. zu deren Verkleinerung angeführet / ist viel gültiger / diesen Stand beliebt / als verhasst zu machen. Dann die Einsamkeit / wann sie nicht eine billige Strafe der Boßhaftigen / sondern eine Tugendliche Erwählung / ist von den Vernünfftigen allezeit hoch gehalten / auch / in gewisser Maß / hohen Gesellschafften vorgezogen worden: Weil sie den Lastern wehret /zu welchen uns die Hof- und Städtische Gemeinschaft der Menschen verleitet. Der jenige ist glückseelig /der in dieser Welt verborgen lebet / und niemanden als Gott und ihm selber bekant ist. Große Gesellschafften und lange Gespräche / dienen uns mehr zur Ergernus / als zur Besserung: weil im viel-reden sich auch die Allerweiseste verstoßen / und uns selten das Schweigen / vielmals aber das Reden / gereuet. Niemand redet sicherer / als der gerne schweiget. Zu dem / so leben die Schäfer in keiner solchen Einsamkeit / die sie von allen Menschen entfernet: sondern sie wandeln mit ihres gleichen / welches die schönste Gesellschafft und verträulichste Freundschaft gibet. Und ob sie gleich bey den Thieren wohnen / so werden sie doch deßwegen nicht zu Thieren: und solten sie ja etwas von ihrer Hcerde an sich nehmen / so ist es doch löblicher / einem unschuldigen und gedultigen Schafe / als einem grimmigen Löwen /einem blutgierigen Beeren / einem unbendigen Hirschen / einem springenten Hengst / oder einer unflätigen Meerkatzen / (mit welchen Thieren sich große Leute belustigen) gleich werden. Wiewohl auch selbige Thiere ihre Beywohner nicht so wohl verwandeln und entmenschen / als die jenige / welche zwar von ausen den Menschen gleichen / in ihrem Gemüt aber die Unart besagter Thiere warhaftig fühlen / und damit ihre Gesellschafftere beflecken. Hat also jener Weiser recht gesagt: So oft ich zu den Menschen gekommen / bin ich allezeit weniger als ein Mensch wieder hinweg gegangen. So höret demnach ein Schäfer das Blöcken seiner Heerde / viel sicherer an / als die listige Stimme der verführischen Menschen; und wird von den Hunden viel getreuer / als von den höfischen Aufwartern bewachet: wie man dan kein Exempel hat / daß ein Hund (welches doch tausend ungetreue Diener gethan) seinen Herrn ermordet / aber von vielen weiß / die ihre Herren beschützet. Es wolle auch E. Maj. bedenken / ob die jenige glückseelig seyn können / welche auf das Thun der Dienere / die hinter dem Rücken noch viel lieber aber auf den Kopf tretten / allezeit leise Ohren und ein wachsames Auge haben müssen / und dennoch befinden / daß hundert Augen zu wenig wären / allen Nachstellungen vorzubauen. Viel seeliger ist ein Schäfer / der keinen Feind / auser den Wolf / fürchtet; der keinem höhern dienet / und keiner Dienste des geringern bedarff; der Himmel / Erden und alle Elemente / daraus alles / was köstlich in der Welt / gemacht ist / täglich vor ihm sihet; der / wann er deßwegen dem Himmels-Monarchen mit einem andächtigen Liede danket / ihm viel gefälliger ist / als ein ander /der mit einem künstlichen Thon seine eigne Ehre suchet. Niemand ist dem Himmel angenehm / als der sich mit vielen Tugenden gezieret; und alle Ehre / so man auser dieser suchet / ist vielmehr eine Schande zu nennen. Also sehen nun E.M. daß der glückseelige Schäfer-Orden / mehr beneidens / als verachtens würdig sey. Ihr könnet den Hirten das Wort trefflich reden /(sagte Atychintide) und habt euren Vorsatz so stattlich verteidigt / daß ich bald glauben solte / die Tugend selbst habe ihren herrlichen Thron verlassen /und wolle hinfüro im Schäferstande verehret werden. Was meynet ihr / Cosmarite! welches von uns die rechte Meynung führe? Sie haben beyde recht / Gnädigste Königin! (gab Cosmarite zur Antwort) und können auch beyde wohl vereinigt werden. Es ist unzweiflich wahr / daß der Hirtenstand / ohne die Kunst- und Tugend-Lehre / verächtlich / Weißheit und Tugend aber / ohne Ruhe und Vergnügung / mühselig und gefärlich sey: Daher ein Kunst- und Tugend-liebender / ohne die vergnügte Ruhe der Schäfer / und hingegen ein Schäfer / ohne Kunst und Tugend / mangelhafft bleibet. Wann sie aber beyde vereinigt sind /kan aus solcher glückseeligen Verbündnus / ein vollkommnes Leben geboren werden. Ihr redet die Warheit / (versetzte Chlirarcha) und ich achte einen weisen und tugendhaften Schäfer billig glückseelig / auch weit höher / als die jenige / welche über andere herrschen / und doch Knechte ihrer eignen Laster sind. Ist schon die Tugend / wie E. Maj. zu schertzen beliebet / keine Schäferin / so lässet sie sich doch öffter und licher in einem Schäfer-Kleid /als im gläntzenden Purpur / antreffen: weil sie in diesem viel mehr / weder in jenem / verfolget wird. Ihr Adel und Hoheit / wird durch solchen schlechten Habit nicht verringert / sondern vielmehr ihr herrlicher Glantz / wie ein Liecht durch die Finsternus /scheinbarer gemacht. Sie sihet ihr allezeit selbst änlich / sie trage gleich einen Zepter oder Hirtenstab. Aber doch (widerredte die Königin) pfleget das Gold / wann es in die Sonne geleget wird / weit heller zu gläntzen / und die Tugend erscheinet in einem güldenen Stück viel prächtiger / als in einem unansehlichen Schäfer-Kleide. Was unvollkommen ist / Durchlenchtigste Königin! (widerlegte Clierarcha) das bedarff einen Zusatz. Was häßlich ist / hat einer zierlichen Decke vonnöten. Die vollkommene Tugend pranget mit ihr selber / und hat nicht Ursach / ihre Herrlichkeit und Ansehen durch einen fremden Glantz zu verstärken: weil man sonst vielmehr das Kleid / als sie selbst bewundern würde. Ihre natürliche Schönheit bedarff keiner Schminke / sondern je blasser sie erscheinet / je liebwürdiger sie sich machet: Demnach halte ich einen tugendhaften Schäfer grösserer Ehre würdig / als einen lasterhaften Großen: und wann er Wissenschaft und Geschicklichkeit mit einem tugendlichen Leben vereinigt / kan seine Glückseeligkeit nicht gungsam beschrieben werden. Wol! (sagte Polyphilus) so will ich dann diß verschwesterte Paar / der Kunst und Tugend / in den Schäfer-Orden einführen und sehen / ob / nach eurer Verheissung / auch die wahre Glückseeligkeit sich ihnen beygesellen möchte: Wofern Ihr Maj. Befehl nicht meinen Vorsatz und mein Gelübde mich brechen heisset. Wiewol nun die Königin diß Vorhaben gern gehintert hätte / so muste sie doch / weil die beyde Weisen därzu stimmeten / mit einwilligen. Demnach sagte sie zwar mit etwas ungedultigen Worten: Ihr habt eure Freyheit / Polyphilus! auch von mir keine Hinternis zu fürchten. Sehet nur wohl zu / daß ihr das bäste erwählet / und nicht an statt süsser Glückseeligkeit / bittere Reue kosten müsset. Ich wills versuchen / Gnädigste Königin! (erwiederte Polyphilus) und erwarten / ob sich der Himmel alsdann geneigt erweisen will / wie der Einsiedel verheissen. Kan ich doch allezeit wieder zu rücke kehren / wann ich das jenige nicht finden solte / was meine Hoffnung so begierig suchet. Ich wünsche Glück dazu! sagte Atychintide / und stunde damit von der Tafel auf / eher als sonst ihre Gewonheit war: daß also Polyphilus ihren Widerwillen wol erkennen kunte. Und ob er wohl bemühet war / sie wieder zu versöhnen / damit durch ein böses Ende sein guter Anfang nicht verderbet würde: so entzoge sie ihm doch dißmal alle Gelegenheit / und nötigte ihn gleichsam / ihre Beywohnung zu verlassen. Derowegen winkte er der Melopharmis / seine Stelle zu vertretten / er aber verfügte sich mit Agapistus /nach seinem Zimmer: woselbst sie beyde / der Königin törichten Unwillen und unbesonnenes Lieben / bewunderten und beklagten. So bald sich hingegen Atychintide mit Melopharmis allein sahe / sagte sie: Was dünket euch / Melopharmis! von des Polyphilus Entschließung? hat solche eine warhaftige / oder eine angemaßte Ursach? ist ihm etwan mein Hof / oder etwas darinn verdrießlich? Freylich (gedachte Melopharmis) ist ihm etwas darinn verdrießlich! aber sie verheelte es / und gabe zur Antwort: Ich glaube nicht / Gnädigste Königin! daß einiger Verdruß feines Vorsatzes Ursach sey / sondern halte gäntzlich dafür / daß bloß die Weissagung des Einsiedels / und sein daher entsprungenes Gelübde ihn zu den Schäfern führe: Dann er scheinet ein zartes Gewissen zu haben. Wol wäre das bäste / daß man sein Vorhaben beförderte: weiler sonst alles widerwertige / so ihme begegnet / der Ungnade des Himmels und der Brechung seines Gelübdes zuschreiben wird. Vielleicht mag er dieses Lebens bald müde werden / und ehe wir es vermeinen / wiederkehren. Will er dann (fragte die Königin) gantz allein zu Feld wandern? Nein! (versetzte Melopharmis) Agapistus ist auch mit im Gelübde / und / dasern es E. Maj. erlauben / will ich meinen Sohn ihrer Gesellschafft nicht entziehen: weil er den Polyphilus sehr liebet /und ungern wird dahinten bleiben. Ich vermeine auch / es könne ihm nicht schaden / ob er gleich eine zeitlang unter den Hirten lebet / und ihre Gedichte mit anhöret. Dieses Schäfer-Leben wird ihm weniger schaden / als dem Polyphilus / welcher ohne Zweifel hierdurch die Gunst seiner Macarie verlieren wird: weil ich nimmermehr glauben kan / daß sie einen Schäfer lieben / vielweniger selbst eine Schäferin abgeben werde. Nichts hätte die listige Melopharmis vorbringen können / das die Königin mehr bewegt hätte / als diese scheinbare Hoffnung der Trennung Polyphilus von Macarien: weil ihr solches noch einige Vergnügung ihrer heimlichen Liebe zusagte. Sie wurde in einem Augenblick gantz anderst gesinnet /und sagte mit gar feeundlichen Worten: Weil ihr dann ja vermeinet / daß man diß Beginnen nicht hintern solle / so mags drum seyn! Schaffet nur / daß die neuen Schäfer zierlich bekleidet werden / damit ich sehe / wie ihnen der Schäfer-Habit anstehe / und eilet ihre Reise zu befördern. Ich gehe hin / zu verrichten / was E. Maj. befehlen: antwortete Melopharmis / und gienge damit von der Königin in des Polyphilus Zimmer; dem sie ihre glückliche Verrichtung erzählte. Er ward hierüber /mit Agapisto / höchst erfreuet / dankete der Melopharmis hertzlich und bate / sein Glück ferner zu suchen / und wo müglich / bald nachzufolgen / weil es ja dißmal nicht seyn könte. Sie versprache ihnen solches / eilete hierauf / ihre Kleider bestellen zu helffen / damit sie Abschied nehmen kunten / ehe es die Königin wieder gereuen möchte. Sie aber rüsteten sich zum Abzug / und fragte Polyphilus den Agapistus / ob er an Macarie schreiben solte? welcher vermeinte / daß es bässer wäre / wann sie zuvor einen gewissen Ort fünden / und davon zugleich berichten könten: zumal sie sonst auf des Boten Wiederkehr warten müsten / und dadurch an ihrer Reise gehintert werden möchten / der Macarie aber eine schlechte Nachricht ertheilen könten. Also ließe Polyphilus das Schreiben anstehen / und bestellte / was sonst vonnöten war. Als nun die Kleider verfärtigt waren / und die dreye solche angezogen hatten / giengen sie erstlich zu den beyden Weisen auf ihre Zimmer / gesegneten dieselben / und empfiengen von ihnen viel gute Lehren /zum Reiß-Geschenke. Hierauf kamen sie / auch von der Königin Abschied zu nehmen: welche eben mit Melopharmis im Garten sich befande / und dem Gärtner zusahe / wie er das aufgetaute Feld / zu Hervorbringung der schonen Blumen / zubereitete / als diese wolgestalte Schäfere / zu ihr hinein traten. Ihre weisse Kleidung / mit rohten Bändern aufs zierlichste besetzet / neben den gleichfallsbebänderten Hirtenstäben /dienten nicht wenig / ihre Schönheit zu vermehren: und erschiene sonderlich Polyphilus in diesem Kleide so prächtig / daß ihr die Königin einbildete / sie sehe einen Apollo gegen ihr kommen. Sie stunde ein zeitlang ganz erstaunet / und häfftete ihre Augen unverwandt an ihn: daher sie kaum vername / was er vorbrachte. Durchleuchtigste Königin! (sagte er / nach einer tiefen Reverenz /) Ich nehme hiemit von E. Maj. meinen unterthänigen Abschied / und sage demütigen Dank / nicht allein vor so vielfältige bohe Gnad-Wolthaten / sondern auch vor die gnädige Einwilligung /daß wir unser Hirten-Gelübde vollziehen dörfen: mit der Versicherung / daß wir allezeit dero Vortrefflichkeit bewundern / auch dero preiß-würdigste Tugenden durch unsre Schäfer-Gedichte schuldigst verehren /und der Ewigkeit einverleiben wollen: den Himmel bittend / daß er ferner E. Maj. segnen / Sie und dero Hofsitz vor Gefahr und Unglück mächtig schützen /auch E. Maj. in höchstem Wolstande unaussetzlich erhalten wolle. Habt dank / ihr schönen Schäfere! (gab die Königin zur Antwort) so wol vor eure Zusage / als vor den Glück-Wunsch. Ich wünsche euch hinwiederum / zu eurem Vorhaben / einen gesegneten Fortgang. Leistet / was ihr versprochen / und gedenket unser in euren Hirten-Liedern: Wir wollen gleichfalls eur Gedächtnus hier behalten / dem Himmel vor eure Wolfart opfern / und euch jederzeit gnädig gewogen verbleiben. Vielleicht wird künftig ein anderer Vorsatz diesen überwinden / und uns eure Gegenwart von neuem gönnen. Hierauf gab sie ihrer jedem die Hand / und befahle sonderlich dem Tycheno / daß er dem Polyphilus gehorchen solte. Inzwischen aber die Melopharmis ihren Sohn auch mit vielen Vermahnungen gesegnete / führte die Königin den Polyphilus in die nächste Garten-Hütte / ihme den Tycheno mit mehrern zu befehlen: wiewol sie vielmehr ihre verliebte Begierden noch etwas zu erquicken suchte. Mein Polyphilus! (sagte sie / ihm die Hand druckend) ich befehle euch meinen Sohn / weil er eure Gesellschafft nicht verlassen will: ihr werdet ihn zur Tugend anhalten / und in der Wissenschaft ferner unterrichten. Die Belvhnung / vor solche Bemühung / habt ihr von mir zu forden. Was vor Belohnung / Gnädigste Königin! (gab er zur Antwort) kan der jenige fordern / welcher vorhin alles / was er vermag / und sich selber schuldig ist. Mein höchstes Glück ist / E. Maj. gnädigsten Befehl unterthänigst zu vollziehen / und dadurch einen Ruhm des Gehorsams / keineswegs aber einen Lohn der Arbeit / zu suchen. Wisset / mein Polyphilus! (fuhr die Königin fort) daß ich euch liebe / und zwar viel höher / als ihr gläubet / oder ich erzählen darff. Derowegen könnet ihr kühnlich fordern / von der jenigen / die euch nichts versagen kan. Was E. Maj. beliebet Liebe zu nennen /(versetzte Polyphilus) ist eine unverdiente Gnade / die ich dem Glück / und nicht meiner Würdigkeit / zu danken habe: Demnach würde ich / durch eine vermessene Anforderung / selbige boßhaftig mißbrauchen / und in einen billigen Haß verwandeln. Meine Untüchtigkeit ist so groß / daß sie sich so hoher Liebe nicht rühmen darf: deren Feuer nur die Fern-stehende zu wärmen / die zu nahegehende aber zu brennen pfleget. Die Königin lächelte hierüber / und sagte: Diesen Brand fliehen allein die Furchtsamen! Ihr wisset selber / daß die Liebe alle Ungleichheit aufhebet / und auch die Entferntesten zu vereinigen / die Herren zu Knechten und die Slaven zu Fürsten / die Großen leichtsinnig und die Geringen kühn zu machen pfleget; Keinem aber ihre Gnade versaget / als denen / die sie mutwillig von sich stoßen. Was solte nun Polyphilus machen? Wolte er nicht alle Gnade verlieren / und vor unhöflich oder verzagt gehalten werden / so muste er sich verliebt stellen /seiner Macarie etwas von ihren Gütern entwenden /und sich damit aus diesem Gefängnus loß kauffen. Demnach ihre Hand ergreifend / näherte er sich ihrem Munde / gabe ihr etliche Küße / und sagte: Weil E. Maj. den Gewalt der Liebe selbst vertheidigen / als hoffe ich / es werde auch diese kühne Bezeigung /welche ich als ein Pfand meines unterthänigen Gehorsams am Abzug hinterlasse / gnädige Vergebung erlangen / und Sie glauben machen / daß ich ihr getreuster Diener sterbe / auch nicht mehr wünsche / als die Gelegenheit / meinen schuldigen Gehorsam dero gnädigsten Befehlen zu widmen. Kein hungriger Wolf / kan so begierig den Raub ergreiffen / als die unsinnig-verliebte Atychintide diese des Polyphilus Freundlichkeit annahme / als durch welche sie eine kleine Abkühlung in ihren unruhigen Begierden empfande: wiewohl die Furcht / so jederzeit die Laster zu begleiten pfleget / solche Süssigkeit nicht wenig verbitterte / und ihre Augen /durch eine billige Schamhafftigkeit / streng an die Erden häfftete / also daß sie den Polyphilus nicht mehr ansehen dorfte / und kaum noch diese Worte /wiewol ganz verzagt / hervor bringen konte: Lebet wol / Polyphilus! und deutet nicht übel / was wohl gemeint ist / sondern entschuldigt die Macht der Liebe. Versichert euch aber / daß meine Gnade gegen euch unveränderlich dauren werde. Dieses sagend / gienge sie mit ihm aus der Hütten /und befahle der Melopharmis / diese Abreisende noch etwas zu begleiten. Sie aber bliebe zurücke / und belustigte sich mit Erinnerung des Verbrechens / welches sie billiger bereuen sollen: biß Melopharmis wieder zu rücke kam / und ihre verliebte Einbildung /durch des Polyphilus Ruhm / mächtig verstärkte / also daß sie nicht unterlassen konte / stäts von ihm zu reden / und dadurch dem ganzen Hof / sonderlich aber den beyden Weisen / zu argwähnischen Gedanken Ursach gabe. Sie gienge auch mit diesen täglich in den Tempel des Glückes / und opferte dem Himmel / vor den Wolstand dieser Schäfer: heimlich aber / besuchte sie öffters den Tempel der Liebe / mit höchster Andacht bittend / daß Polyphilus von Macarie abgewendet / und in der Liebe gegen sie gestärket werden möchte. In welcher vergeblichen Arbeit wir sie eine zeitlang lassen / und damit dieses Buch enden / hernach aber den reisenden Schäfern nach eilen wollen. Schluß-Gedicht des Zweyten Buchs Schluß-Gedicht des Zweyten Buchs. Hier folget nun das zweyte Buch / so den bekehrten Schäfer zeiget: Nicht / wie zuvor / am hohen Hof / und in den Stand der Eitelkeit; Nein! sondern bey der Wollen-Herd / in einem weissen Schäfer-Kleid. Er lehret / daß der falsche Pracht sich nicht der Hirten-Lust vergleichet. Deßgleichen weist Macarie / die mit Vernunft und Liebe streitet / Und ihren Sieg / jezt diesem Theil / und bald dem andern leget bey / Nachdem der Zufall sie betrifft: wie das Gemüt ein Schauplatz sey / Ein Reich / da der Gedanken Heer offt feindlich in zwey Hauffen reitet / Biß einer Herr im Felde bleibt. Die Atychintide lässt sehen / Die ungeacht der Jahre Zahl / und ihres Standes Herrlichkeit / Der blinden Wollust setzet nach: daß / wer sich einmal nicht gescheut Zu treten auf die Laster-Bahn / daß es um solchen sey geschehen. Bey Melopharmis Hülf und Rath / ist eine Reu des Grims zu schauen / Mit dem sie vormals wider recht / und aus gekränktem Mutter-schmertz / Polyphilum so sehr verfolgt: darum ergezt sie nun sein Herz / Und will auch in den Schäferstand ihm ihren liebsten Sohn vertrauen. Der recht getreue Agapist gesellt sich gleichfalls zu den Hirten / Und wählet die vergnüate Ruh / verknüpffet mit dem Freundschafft band. Was er so lang umsonst gesucht / das findt er jezt im Schäferstand / Der dieses lieb-vertraute Paar mit Glück und Freude kan bewirten. Nun lernet / die ihr Tugend liebt / den Irrweg zeitlich zu verlassen. Beklettert nicht die hohen Berg: es hausen freche Winde da. Hingegen ligt der Demut-steig / dem schönen Schloß der Tugend nah / Drum geht auf dieser sichern Bahn / und weichet nicht auf fremde Straßen. Verknüpfft die Liebe mit Vermmft / im fall sie schon hat überwunden Das Hertz / die Vestung des Gemüts. So lang sie die Gefärtin hat / Bleibt ihre Herrschafft gantz gerecht. Verlasst ihr aber klugen Raht / Und führt die Torheit euren Sinn an ihrem Lasterstrick gebunden: So fehlet ihr des rechten Wegs. Die Stricke führen zum Verderben / Die Wollust stürzet in den Thal / da lauter Reu und Schande ligt. Drum streitet / wolt ihr bleiben frey / biß diese Feindin ist besiegt. Wer nicht erwürgt die böse Lust / den macht ihr Gifft mit Schmertzen sterben. Wann ihr / aus übereilten Grimm / habt ohne Schuld den Freund verletzet / Und zu der Ungedult verleitt: so eilet / die erhitzte Rach / Wit Freundlichkeit / zu wenden ab / und sezt dem Haß die Gutthat nach / Daß alles / durch die Tugend-Wag / werd in gerechten Stand gesetzet. Und letzlich liebt Beständigkeit / die ein vergnügtes Freuden-Leben / Nach überstandner Unglücks-Noth / getreuen Freunden gibt zu Lohn. Die Laster stürzen Höllen-ab. Wer Tugend liebt / erlangt die Kron. So folget treulich ihrem Tritt: wie dieses Buch Bericht gegeben. Drittes Buch 1. Absatz Erster Absatz Die neue Schäfere suchen eine Trifft / und gelangen in die Landschafft Brundois: daselbst sie mit dem Schäfer Cumerus Kundschaft machen. Macarie / ihre Landwohnung besuchend / findet den Polyphilus unversehens im Felde / und bescherzet ihn erstlich /aus einem Gebüsche / mit Antwort-Reimen. Ihr Gespräche / als sie zusammen gelanget. Sie werden /durch den Abend / wieder voneinander geschieden. Unsre neue Schäfere / nachdem sie von Melopharmis Abschied genommen / und ihr versprochen / so bald sie eine Trifft gefunden / damit sie nach Gelegenheit ihnen folgen könte / ihr davon Nachricht zu geben /durchgiengen selbigen Tag noch etliche Gegenden /und nahmen bey einem Schäfer die Nacht-Ruhe. Weil ihnen aber Sophoxenien noch zu nahe / auch die Landschafft nicht sonders ergötzlich war / als trugen sie Bedenken / ihrem Wirte die Ursach ihrer Reise zu entdecken. Demnach wendeten sie fremde Geschäffte vor / und giengen des andern Morgens / nachdem sie von dem Schäfer Abschied genommen / und ihm vor die Bewirtung gedanket / etwas weiter ins Land: von unterschiedlichen Sachen schwätzend / worbey Macarie das meiste Antheil hatte. Endlich kame ihnen eine überaus schöne Gegend zu Gesichte / die mit hohen Bergen / anmutigen Thälern / lustigen Hügeln / baumreichen Wäldern / grünenden Matten und lust-rauschenden Bächen / so häufig prangte / daß es schiene / als hätte die Natur alle ihre Kunst daran wenden / und selbige für ein Meisterstück ausarbeiten wollen. Was dunket euch /(sagte Polyphilus zum Agapistus) von dieser lust-reichen Landschaft? Scheinet es doch / als wann hier die Ergötzlichkeit ihre Wohnung / und die Freude ihren Sitz habe. Ach! möchte uns der Himmel so günstig seyn / und uns allhier ein Räumlein / unsere Heerden zu weiden / und unsere Lieder anzustimmen / vergönnen! Wer weiß / (gab Agapistus zur Antwort) ob nicht der Himmel diesen Wunsch allbereit erhöret hat? Dort sehe ich eine Heerde. Wir wollen uns bey dem Hüter erkundigen / was wir dieser Orten zu hoffen haben. Damit giengen sie sämtlich hinzu / und fanden bey den Schafen einen Knaben / welchen sie fragten: wie diese Landschafft hieße? Brundois heist sie: antwortete derselbe. Weme ist dann diese Heerde zuständig? fragte Agapistus ferner. Sie gehöret (versetzte der Junge) dem Cumerus / der eben hinter euch daher kommet. Indem sahen sie sich um / und wurden gewar / daß ein ansehlicher und bejährter. Schäfer auf sie zugienge: welchem sie entgegen eileten / in Hoffnung / durch seine Freundschafft glückseelig zu werden. Polyphilus / nach einem höflichen Gruß / begunte ihn also anzureden: Geehrter Vatter! Gönnet einem Unbekanten / euch mit diesen Namen zu nennen / und zürnet nicht / daß wir euch so kühn ansprechen. Wir sind fremde Schäfer / und haben unser Vatterland aus wichtigen Ursachen verlassen / willens / an andern Orten Nahrung und Herberge zu suchen. Weil uns nun diese Gegend sehr fruchtbar und lustreich vorkommet / so bitten wir um Bericht / ob wir nicht Hoffnung haben / dieses Landes und seiner Inwohner zu genießen? Vernünftige und bescheidene Schäfer! (gab der Alte zur Antwort) das Land / so uns ernehret / und darnach ihr fraget / hat von einem hohen Ort seinen Schutz / und ist freylich von dem gütigen Himmel / mit fruchtharn Wachstum / angenehmer Lust und fetter Weide so überflüssig beschenket / daß es mitrecht ein Lustgarten der Hirten zu nennen ist. Und ob es wol viel Heerden nehret / so ist doch vor mehrere noch Weide übrig. Lasset euch gefallen / in meiner geringen Hütten etliche Tage zu herbergen / und den Augenschein völliger einzunehmen. Dafern ihr alsdann in eurem Vorsatz verharret / und unsere Hirten-Gesellschafft mit eurer wehrten Gegenwart verstärken wollet / bin ich erbötig / euch bey unsrer Obrigkeit Schutz und Wohnung auszubitten / auch von meinem Uberfluß euch eigne Heerden um Billigkeit zu überlassen. Ich halte euch / nach eurer Gestalt und Sitten /für keine gemeine Hirten / und schätze für einen Theil meines Glückes / eurer Anwesenheit lang zu genießen. Die neue Schäfere / durch diese willfärige Antwort nichtwenig erfreuet / dankten dem Alten höchlich / für seine freundliche Erbietungen / und baten / solchem die That zu geben / und sie bald ihrer Gesellschaft einzuverleiben: mit Versprechen / sich jederzeit also zu verhalten / daß ihn dieser ihnen erwiesenen Wolthat nicht reuen solte. Also giengen sie mit ihm in seine Hütten / und wurden von seiner Schäferin Amamphe / die in dem Herbst ihrer Jahre noch zimliche Lieblichkeit sehen ließe / freundlich empfangen und wol bewirtet. Sie erkundigten sich / noch selben Abend / aller Beschaffenheit des Landes / und seine Inwohner: biß die tiefe Nacht sie allerseits hieße zu Ruhe gehen. Polyphilus dankte den Himmel hertzlich / mit seinen Gefärten / daß er ihre Reise so beglücket / und ihrem Schäfer-Orden einen so erwünschten Anfang verliehen hatte. Folgenden Morgens / als sie mit dem Schäfer Cumerus zu der Heerde aufs Feld spazirten / und noch andere Hirten besuchten / ließ Polyphilus den Agapistus und Tycheno bey den Schäfern / und gieng etwas weiter feld-ein / theils die Gegend eigentlicher zu besehen / theils auch auf Mittel zu gedenken / wie er seiner Macarie von seiner glücklichen Reise Nachricht erth eilen möchte. In solchen Gedanken kame er tief ins Land / und sezte sich endlich / als die heissere Sonne und der Hunger ihm den Mittag ankündeten /bey einem Gesträuch nieder: alda er sich der Speisen bediente / welche er auf solchen Fall mit sich genommen hatte / unwissend / daß ihme die jenige so nahe war / deren Gedächtnus ihn so weit geführet. Es hatte inzwischen Macarie / mit sehnlicher Begierde / auf einen Brief von ihrem Polyphilus gewartet. Und wiewol sie / nach seinem Abschied / als die Solettische Inwohner seine Besuchung erfahren / auch bey dem Wirt / bey dem er gespeiset / sich aller seiner geführten Reden erkundiget / viel Unlusts seinetwegen ausstehen müßen: War sie doch nunmehr in der Liebe so bevestiget / und in der Widerwärtigkeit so geübet / daß sie solches nicht halb so sehr / als zu erst / achtete. Doch nahme sie ihr vor / so bald sie von Polyphilus Nachricht erhalten würde / ihn zu erinnern / daß er eine zeitlang die Insul meiden solte. Als sie aber etliche Tage vergeblich auf ein Gruß-Brief lein geharret / wolte ihr endlich die Zeit zu lang werden / und ihr / zu allerhand widerwärtigen Gedanken Anlaß geben. Weil damals ohne das die Zeit vorhanden war / den Garten-Bau zu bestellen / als machte sie sich auf /und fuhre auf ihr Landgut: alda sie / durch den Gärtner / die Blum-Felder bearbeiten / die Bäume beschneiden / neue Gewächse pflantzen / und alles zu Werk richten ließe / was den lieblichen Früling noch ergötzlicher machen kan. Ehe sie aber von dannen wieder abreisete / spazirte sie / in Liebes-Gedanken von ihrem Polyphilus / weil es ein schöner Tag war /auch sie alda mehr Freyheit als zu Soletten hatte / ins Feld hinaus / ihre unruhige Sorgen in etwas zu lüften. Sehet nun / wie das Glück mit diesen beyden Verliebten gespielet! wie es sie bald alle seine Grausamkeit empfinden lassen / bald wieder mit unverhoffter Freude beseeliget. Unlängst war Macarie / ihren Polyphilus zu sehen / einen langen Weg gegangen: muste aber / ohne seine Begrüßung / wie nahe er auch gewesen / wieder zurück gehen. Und was soll ich sagen von dem Polyphilus? wie oft war derselbe / sie zu sprechen ausgereiset / und wie selten hat er seinen Wunsch erlanget. Jetzt / da keines das andere suchet /führet sie der Himmel zusammen / daß sie / wider alles ihr Gedenken / erlangen / was sie nimmermehr hoffen konten. Dann / als Macarie sich etwas fern von ihren Lusthause vergangen / ersahe sie / von weiten /einen wolgestal-Schäfer: dessen Gegenwart zu entfliehen / sie sich auf die seite hinter einen Busch begabe /durch welchen sie gleichwol gar eigentlich seine Gestalt sehen konte. Sie befande alsobald / daß dieser Schäfer ihrem Polyphilus änlich war: worüber sie nicht wenig in Bestürtzung und Nachsinnen geriete. Dann / weil sie ihn niemals in Schäfer-Kleidern gesehen / auch an diesem Ort nichts weniger / als ihn zu finden vermutet / kunte sie keine Gewißheit mit ihren Augen ausnehmen /sondern stunde so lang in ungewißer Freude / biß er selbst ihren Zweifel aufhebte / mit folgendem Liede /welches er / seinen Kummer zu bezeugen / anstimte. Die nun ganz-verjüngte Welt / Und das vor-begraute Feld / Bringt herfür neue Zier. Büsch und Bäume sich belauben. Und man hört die Turteltauben. Das Geflügel / um die Hügel / Sich in vollen Freuden schwingt / Und von Fried und Freyheit singt. Auf der Erde / kan die Herde In den süßen Klee sich weiden. Nur mein Lied ist ohne Freuden / Mein Gesang ohne Klang: Weil Macarie nicht höret / Wie mein Dichten sie verehret. So bald Macarie ihren Namen nennen hörte / wurde sie alles Zweifels befreyet / und mit unglaublicher Freude erfüllet: welche zu vermehren / sie sich etwas tiefer ins Gebüsche begab / und dem Glück / welches sie damals mit Scherzen ergezte / nachzuahmen / auch ihren Polyphilus / mit diesem Gegensatz bescherzte. Offt geschicht es in der Welt / Daß / was auf dem freyen Feld / Suchen wir / komt herfür: Wie sich zeigen Turteltauben / Wann die Bäume sich belauben / Und vom Hügel / das Geflügel Sich biß an die Wolken schwingt / Und von süßer Liebe singt. Wann die Erde läst die Herde Nächst den schönen Schäfer weiden / Stimt er billig voller Freuden / Sein Gesang: weil den Klang Seine liebste Freundin höret / Und ihn gegensingend ehret. Polyphilus / ward erstlich / über der Lieblichkeit dieses Gesangs / ganz entzücket; hernach aber / als er den Inhalt vernommen / in solche Verwirrung gebracht / daß er nicht wuste / ob der Himmel ihme eine Göttin / zum Trost seiner Betrübnus herabgesendet /oder / ob vielleicht eine Nymfe / durch Verkehrung seiner Liebes-Klage / mit ihm schertzen wolte. Demnach gienge er etwas näher hinzu / und forderte mit beherzter Stimme / seiner Gegensängerin Namen / folgender massen: Wer ist der mich trösten will / Mit so süß verkehrten Worten? Worauf Macarie alsbald / und er ihr hinwiederum antwortete / wie hernach stehet: Es ist deiner liebe Ziel / Das du suchst im Hirten-Orden. Polyphilus. Wohnt dann selber hier das Glück / Das ich such' in meinen Lieben? Macarie. Nein! das himlische Geschick / Stillt nur also dein Betrüben. Polyphilus. Die / so mein Betrüben stillt / Ist Macarie! mein Leben. Macarie. Und die ist auch jezt gewillt / Sich in deinen Schoß zu geben. Polyphilus. Ach! wie schön sind diese Wort / Wann sie nicht betrüglich scherzen. Macarie. Niemand scherzt an diesem Ort: Ich red aus getreuem Herzen. Polyphilus. Wol! so sag dann / was du weist. Werd ich bald die Liebste sehen? Macarie. Wann dein Sinn sich recht befleist / Kan es auch noch heut geschehen / Polyphilus: Himmel! wie bin ich bestrickt / Ob so wunderbaren Sachen. Macarie. Wen die Lieb so hoch beglückt / Kan wol der Bestrickung lachen. Polyphilus. Soll ich recht beglücket seyn / So laß / grosser Trost! dich schauen. Macarie. Wer will schauen meinen Schein / Muß sich näher mir vertrauen / Polyphilus. Was / vertrauen? ich will bloß Mich Macarien verbinden. Macarie. Wol! ich mache dich nicht loß: Suche nur / du wirst sie finden. Diese lezte Zusage machte den Polyphilus so kühn /daß er alle Gefahr verachtend / behertzt nach dem Busch gienge / um zu erfahren / mit wem er bißher Gespräche gehalten. Er war kaum etliche Schritte gegangen / als er die Macarie / mit freundlichen Gebärden / ihm sahe entgegen kommen: welche unvermutete Antreffung ihn mit so freudiger Verwunderung anfüllte / daß er nicht wuste / ob er auch bey sich selbst wäre / oder dieses alles in einem Gesicht geschehe? Als er sie aber immer näher sahe / rieffe er mit gebrochner Stimme: Sehe ich / oder bin ich geblendet? ist sie es warhaftig / hochwehrte Macarie! oder hat das Glück ihre angeneme Gestalt / meine Schmerzen zu lindern / an sich genommen? Mein liebster Polyphilus! (gab Macarie mit lächlendem Munde / zur Antwort) ihr findet hier kein Glück / wie ich zuvor im Reim-Gespräche gescherzet / sondern eure Macarie /doch von dem Glück / zu ihrer und eurer Vergnügung geführet. Wie ist es dann müglich / schönstes Kind! (sagte Polyphilus) daß wir uns hier zusammen finden können? bin ich der Insul Soletten so nahe / oder hat sie dieselbe allerdings verlassen? Keines von beeden! (begegnete ihm Macarie) sondern der Himmel hat uns heut sonderlich wohl gewolt / und die Augen finden lassen / was bloß die Gedanken gesuchet. Hier in der nähe liget mein Landgut / auf welches ich mich dieser Tagen / notwendiger Geschäften halber / begeben /vor meiner Wieder-Abreise aber / noch einen Spazirgang / in eurer Gedächtnus / verrichten wollen. Also habe ich nun einen so schönen Schäfer gefunden / den ich gleich für den Polyphilus hielte / auch darum näher herzu trate / die Gewißheit meiner Gedanken /aus seinen eingen Munde zu holen. So sey dann der Himmel mit höchstem Lob gepriesen / (versetzte Polyphilus) der mein Schäfer-Gelübde auf so unterschiedliche Weise beglücket / und durch solche Beglückung billiget: Alles / was ich in demselben Beginne / ist gesegnet / so gar / daß auch das Ziel aller meiner Hoffnungen sich bald im Anfang einfindet. Ach allerliebste Macarie! lasset euch doch gefallen /ein wenig bey mir zu sitzen / und verachtet nicht die Schoß eines unwürdigen Schäfers. Ich habe zwar wenig Zeit zu sitzen / (erwiederte Macarie) weil ich noch heute zu Soletten seyn muß: doch will ich diese erwünschte Gelegenheit nicht versäumen / eurer Gegenwart noch etwas zu geniessen. Saget her / mein Hertz! und erzählet / wie es nach unsern Abschied er gangen / und warum ihr allhier auf diesem Felde euch also ganz allein finden lasset? Hierauf ließen sie sich beyde auf das grüne Graß nieder / und fieng Polyphilus an nach der länge zu erzehlen / mit was großer Mühe er sich von der Königin loßgerissen / und wie ungern sie in seinen Abzug gewilliget; wie freundlich hingegen der Schäfer Cumerus sie aufgenommen / und ihnen nicht allein Feld und Heerde / sondern auch Schutz von der Obrigkeit / zugesagt hätte. Dieses alles ihr durch ein Brieflein zu berichten / hätte er in diesem Spazir-Weg auf Mittel gesonnen / selbige auch so unverhofft erhalten / daß er nun keiner Feder mehr vonnöten habe / und dem gütigen Himmel nicht gnugsamer zu danken wisse. Uber dieser Nachricht ward Macarie höchst erfreuet /und wünschte Polyphilus tausend Glückseeligkeiten in seinem Hirtenstande: mit Bitte / desselben völlige Antrettung zu beschleunigen / auch / weil sie dißmal nicht länger bey ihm bleiben könte / ihr seinen Zustand durch einen Brief kunt zu machen / welchen der Gärtner-Junge allezeit nach Soletten tragen / und ihme wieder Antwort von ihr zurück bringen kunte. Sie erzehlte darneben von dem Gemurre der Solettischen Inwohner / über seiner lezten Besuchung / und die im Wirtshaus ausgestossenen Worte: weßwegen sie für ratsam hielte / daß er eine Zeitlang die Insul meiden möchte. Als sie hierauf warnahme / daß es Zeit wäre / nach Soletten wieder abzufahren / stunde sie auf / von Polyphilus Abschied zu nehmen / und wiewol er sie /noch ein wenig zu verharren / inständig bate / entschuldigte sie sich doch mit der Unmüglichkeit / und mit der Notwendigkeit ihrer Heimreise. Demnach schloße er sie nochmals in die Arme / und bate sie /mit vielen Küssen / auch tiefen Seufzen / in der Liebe beständig zu verbleiben: welches sie ihm versprache /und / die Gunst des Glückes nicht zu mißbrauchen /nach einen freundlichen Kuß / von ihm schiede. Sie ward von seinen betrübten Augen / weil sie ihn selber vor dißmal nicht zum Gefärten dulten dorfte / so lang begleitet / biß sie ihm aus dem Gesicht kam / und ihme also Ursach gabe / zu seinen Schäfern wieder zu kehren: inzwischen auch sie / noch selbigen Abend /in verliebten Gedanken zu Soletten wieder angelanget. 2. Absatz Zweyter Absatz Polyphilus / sein Glück nicht ertragen könnend / läst sich vom Agapistus bereden / an Macarien wahrer Liebe zu zweifeln. Er schreibet ihr demnach später /als er versprochen / und beklaget den Verzug gar kaltsinnig: worauf sie ihme mit einem Brief und Lied antwortet. Seine Widerantwort / mit Wiederholung ihres Liedes. Sein Gespräche mit dem Agapistus / den er erbittet / nach Sofoxonien zu reisen. Die Liebe und der Reichtum / sind niemals ohne Sorge: und solte uns gleich der Himmel Geld und Güter mit Verschwendung zuwerffen / und unsere Geliebte in die Schoß und Arme legen / so würden wir doch nicht vergnügt seyn / und uns zum wenigsten mit der Sorge plagen / wie solche herrliche Schätze zu erhalten seyen. Den Augenschein dessen sehen wir an unserm Polyphilus / der mitten in der Glückseeligkeit unseelig / und bey Uberfluß der Liebe immer nach Liebe verlangig ware. Es gieng ihm / wie einem Reisenden / der von fern eines stück Goldes gewar wird /und mit ängstiger Freude nach demselben eilet / damit ihm keiner von seinen Gefärten vorkomme; wann er aber solches erlanget / erst anhebt zu zweiffeln / ob es auch warhaftig Gold / oder nur ein vermischtes Metall sey / und dannenhero nach dem Feur lauffet / selbiges zu prüfen. Also war auch Polyphilus erstlich nur bemühet / die Liebe Macarien (deren Tugenden er bewundert) zu erlangen / ehe ein ander ihr Hertz einnehme: Nun sie ihm aber so theure Zeichen ihrer Liebe gegeben / daß er über keinen Mangel zu klagen hatte /fänget er auch an zu zweiffeln / ob er solche vor eine aufrichtige Liebe / oder für scheinbare Verstellung halten solte / und suchet ihre Gewogenheit / durch so gefährliche Flammen zu prüfen / daß ich fürchte / es werden ihn derselben Funcken einst schweerlich verletzen. Der Grund dieses Mißtrauens / und das erste Holtz zu diesem Brand / ward vom Agapistus geleget. Dann als Polyphilus / nach dem freundlichen Abschied von seiner Macarie / mit frölichen Gemüte wieder zu seinen Schäfern gekommen / und dem Agapistus in geheim / die glückseelige Findung seiner geliebten Macarie / und deren freundliche Bezeigungen / eröffnet /konte sich dieser / eine so schnelle Veränderung in Macarien Gemüte nicht warhaftig einbilden / und sagte demnach zum Polyphilus: Ich freue mich zwar sehr / mein Freund / daß ihr endlich den Zweck ereichet / nach welchem ihr so mühsam gestrebet / und der Gunst eurer Macarien nun gäntzlich versichert seyt. Weil aber ihre eigene Worte gegen mir / zusamt ihren Briefen gegen euch / so gar das Wiederspiel zeigen / werdet ihr mir zu gut halten / wann ich noch einigen Zweiffel von ihrer beständigen Gewogenheit hege. Ein ungeläutertes Silber / und eine ungeprüfte Liebe / bleiben allezeit verdächtig. Viele lieben im Glück / die im Unglück hassen. Vielleicht wird sie /durch eure Liebe / zur Gegenliebe genötiget / nur daß sie die Undanckbarkeit fliehe? Und vielleicht würde sie / bey eurem Widerwillen / wann er auch nur gering schiene / alle Liebe fallen lassen? Polyphilus / ob er wohl viel höhere Gedanken von seiner Macarie führte / ließe sich doch durch diesen Einwurff zu einer kleinen Probe verleiten: nicht so sehr / seine Gewißheit zu stärcken / als dem Agapistus seiner Liebsten Beständigkeit zu zeigen. Demnach verzoge er das Brieflein / welches er Macarien versprochen / wohl vierzehen Tage / und ergetzeten sich indessen mit den neuen Hirtenspielen: bis sein eigen Gewissen ihm seine Schuldigkeit vorhielte / und er / von Liebe überwunden / folgendes Brieflein /durch des Gärtners Jungen / an sie abfertigte. Mein Hertz! Wann ich / die Saumseeligkeit dieses Grusses / dem Versprechen / das ich bey unsern Abschied gethan /entgegen halte / solt ich wohl selber meinen Fehler mehr anklagen / als entschuldigen. Habe ich denn ihrer so lang vergessen / und die Bitterkeit meines Abwesens / die sich sonderlich der Zeit am meisten häuffet / wann wir unser Verlangen verlassen müssen / unbeklagt verschweigen können? Oder hat mich / die schuldige Pflicht / meiner Zusage nicht erinnert / der Jenigen zu gehorsames / die mir / die angenehme Verstrickung meiner Freyheit / mit widerwertiger Bitterkeit lösen könte? Wie hab ich doch meiner vergessen / indem ich die jenige eine so geraume Zeit nicht begrüsset / ohne deren Erinnerung mein Hertz nichts ersinnen oder denken kan? Sind die äusserliche Zeichen eine Ursach der Verhinderung / und der Beweiß einer innerlichen Vergessenheit: so wird mich in Warheit diß langsame Brieflein mehr verdammen / als entschuldigen. Aber ungerechter Brief! warum hast du auf meinen Verlaub so lang gewartet? du hättest ohne meinen Befehl abreisen / und meiner Liebsten / den heimlichen Gruß meiner sie stets-verehrenden Seele / wider mein Wissen / entdecken sollen: gläube mir / sie würde dein neues Zeugnüs erfreuter angenommen / als die billiche Verdammung zugelassen haben. Nun soll ich selber mit dir kämpffen. Und gewißlich / weil die Richterin weiß / wie ich ihrer nie vergessen könne / wird sie / aller Gewonheit zuwider / das Urtheil mehr gegen den Verklagten / als gegen mich den Anklager fällen / und durch deine Unbilligkeit mich rechtfertigen. Es folget doch nicht /weil ich sie so lang nicht begrüsset / daß ich auch in der Zeit nicht an sie gedacht habe. Ach! wie wäre diß müglich? Ihre Gedächtnüß / so mir das zarte Bild ihrer Lieb-flammenden Augen / ohne Entscheidung vorstellet / ist so tieff in mir verstecket / daß / ob es gleich in gedoppelter Zeit nicht Frucht trüge / dennoch der Zuckersafft die Wurtzel dermassen durchsüsset / daß die Bitterkeit des Verlangens bißweilen der vergnügten Ruhe geniesset / und sie nicht suchen /sondern behalten heisset. Wird sie demnach / allerliebstes Kind! die Ursach meines Stillschweigens mit der Menge meiner Verhindernüssen abmessen / und kein Mißtrauen wegen Andenkens in ihrem Sinn herrschen lassen / vielweniger mich mit gleicher Straffe belegen / welches ich wol vor die Gröste erkennen würde / die mir ihre erzürnte Hand auflegen könte /sondern mich / bey dieser Post / mit einem ihrer schönen Gedichte erfreuen / auch durch eine angenehme Antwort mich versichern / das sie noch beständig liebe / Ihren ewig getreuen Polyphilus . Ehe Macarie diß Schreiben erhielte / war sie mit tausend Gedanken umgeben / und wuste nicht / wem sie die Verhinterung des Gruß-Briefleins / welches ihr Polyphilus so eiffrig versprochen / zuschreiben solte. Bey den Gärtner hatte sie alles wohl bestellet. So kunde sie auch an dem Willen ihres Liebsten / dem sie allezeit so willfährig befunden / nicht zweiffeln. Demnach quälete sie sich / mit Besorgung einer Kranckheit / oder eines noch grösseren Unglücks / so dem Polyphilus möchte zugestossen seyn / dadurch er an seinem Versprechen gehindert würde. Aber allzu sichere Macarie! es ist keines von beyden: sondern Polyphilus will / bey Gesundheit / nicht an dich schreiben / und im Glücke deiner nicht achten. Bißher hat er / die Sorge üm Gegenliebe / allein empfunden: Aber nun will er dich auch zur Qual-genossin haben. Hat er eine Zeitlang um deiner Liebe willen gelitten /so fürchte ich / du werdest solches Leiden nun eben so häfftig fühlen müssen. Dann dieses ist nur der Anfang deines künfftigen Unglücks / und auf dißmahl werden nur die Seiten gestimmet / welche dir nachmals einen traurigen Thon vorspielen sollen. Darum ist es kein Wunder / daß du dich verwunderst / weil es wider deine Gedanken lauffet. Derowegen du auch so bald gläubest / wann sich Polyphilus entschuldiget /und nicht merken wilt / daß dergleichen Proben noch mehr gesponnen werden / biß du mit solchem Garn ganz verstricket seyest. Dißmahl wurde die Furcht durch die Freude verjaget / so bald sie des Polyphilus Brief von dem Jungen empfangen: Wiewohl dessen Inhalt / und die mehr höffliche / als gültige Entschuldigung seines Stillschweigens / ihr etwas Nachdenken verursachte / und sie eine freundliche Straffe / durch nachfolgendes Brieflein / an ihm absenden machte. Ruhm-würdigster Schäfer. Sein langes und gantz befremdliches Stillschweigen /hat / wie leicht zu vermuthen / meinen Sedanken allerhand Sachen / und endlich die vergebliche Hoffnung vorgestellet / es würde meine / so oft wiederholte /wohlmeinende Erinnerung / dißmahl ihren erwünschten Zweck erreichet / und sein Gemüte / durch Befreyung von einer ungegründeten Liebe / glückseelig gemacht haben. Aber sein Brieflein bemühet sich / das Gegentheil zu erweisen / und mit vielerley Verrichtungen seine Vergessenheit zu entschuldigen: welche er doch weit sicherer / mit meiner Unwürdigkeit hätte vertheidigen können Dann wie wäre es müglich / daß einiges Nachsinnen / die Gedanken so gar fassen könte / daß sie nicht zuweilen ausschreiten / und sich ihres freywilligen Versprechens erinnern solten? Oder / wie könten der Geschäffte so viel seyn / daß sie zu Ausfertigung eines kleinen Briefleins / innerhalb vierzehen Tage / nicht ein einiges halbes Stündlein übrig lassen? In Warheit / mein Polyphilus! seine eigne Vernunfft muß gestehen / daß diese Entschuldigung unkräftig / und gestehet es auch gern / wie sein Brieflein bezeuget: Welches sich gleichfals heftig beklaget / daß er ihm gewaltsamer und unbilliger Weise die Schuld auf zu bürden gedenket / sonder Betrachtung / wie oft es ihm Feder und Papier vorgeleget /und also ihn stillschweigend zum schreiben angemahnet / aber gar schläffriges Gehör erhalten / und gern eher abgelauffen wäre wann er es eher verfertiget hätte. Also scheinet die Entschuldigung / grössere Straffe / als das Verbrechen selber / verdienet zu haben. Und weil er mir das Richter-Amt aufgetragen /so könte ihm von mir keine gerechtere Straffe zuerkennet werden / als die jenige / zu welcher er sich selbst verdammet / nemlich diese / daß ich die Antwort eben so lang zurück hielte / als er die Begrüssung aufgezogen. Aber wie solte diese Versäumnüs /darinnen eine kleine Nachlässigkeit die gröste Sünde ist / meine Feder zurück halten / ihm seine Bitte zu versagen? Es würde mir weit leichter seyn / ihm alle Beleidigung zu vergeben / als eine einige zu rächen. Die Verse aber / oder vielmehr die Reimen / (weil unter Poeten und Reimenmachern ein großer Unterscheid ist) wird er von meiner Unvermögenheit nicht fordern / sondern mit kommende Entschuldigung für gültig aufnehmen / als ein Zeugnüs / das sich jederzeit gehorsam erweiset / Seine ergebene Macarie . 1. Was begehrst du meine Lieder / Die doch ohne Klugheit sind? Ach! du weist ja / schönes Kind! Daß nicht lieblich singt ein jeder. Mein Gedicht / Kan sich nicht / Deinem süssen Spiel vergleichen / Das dich / von des Pöffels Schaar / An die Wolken machet reichen. 2. Es ist keine Kunst zu nennen / Was die Einfalt führet mit. Welcher wird / ein Bauren Lied / Für der Musen Stimm erkennen? Schlechter Thon / Bringt nur Hon. Und mein ungeziertes Lallen / Welches keinen Dank verdient / Kan auch niemand wol gefallen. 3. Demnach / Liebster! nimmt dein Bitten Allen Zweiffel von mir hin / Und ermundert meinen Sinn / Nach zu folgen deinen Schritten. Ist gering / Was ich bring / So ist doch der Will zu preisen: Der / auch in gar schlechter That / Den Gehorsam kan erweisen. 4. Nim / an stat der schönen Reimen / Mein getreues Lieben an / Das dein nicht vergessen kan. Laß auch dir stets von mir träumen. Was der Neid Uns verbeut / Lindert doch das Angedenken / Biß die Tugend / nach dem Streit / Uns wird stete Ruhe schenken. Diß Gedicht schlosse Macarie in vorgesetzten Brief /und schickte damit den Gärtner-Jungen an den Polyphilus. Weil sie aber auch andere Notwendigkeit in ihrem Lusthause zu bestellen hatte / gabe sie ihre Dienerin zur Gefärtin mit. Als diese beyde dahin gekommen / fanden sie den Poliphilus allbereit ihrer wartend: Dann es hatte ihm sein Gewissen / das Verbrechen seines Stillschweigens / so sträfflich vorgemahlet / daß er entweder gar keine / oder doch eine harte Antwort / von Macarien besorgte / und aus ängstiger Furcht nimmer bey den Hirten bleiben kunde / biß er von seiner Liebsten Vergebung erhalten. Darum gienge er nach ihren Handgut / in Hoffnung / eine Antwort bey dem Jungen zu fordern. Als er nun solche bekommen / ward er so vergnügt / daß er nicht wuste / ob er zu erst seinen Zweiffel verdammen / oder seiner Macarie Treu erheben solte. Er durchlase den Brief /samt dem Gedicht / mit solcher Freude / daß es schiene / ob würden seine Geister von neuen gebohren. Weil er durch ihre Dienerin Gelegenheit hatte / wieder zu antworten / als wolte er / seine Danckbarkeit sehen zu lassen / solche nicht ausschlagen / sondern forderte alsbald Feder und Papier / und schriebe seiner Macarie folgende Antwort. Allerliebste! Wie die Gewalt ihres beredsamen Mundes meine ungelehrte Feder allemahl weit übersteiget / also gehet auch der Reichtum ihrer Tugenden meiner Unvollkommenheit so weit vor / daß ich in dero heimlichen Bekriegungen meine Vermessenheit besiegt erkennen / und bey gerechter Entschuldigung mich gleichwol selber eines Verbrechens beschuldigen muß. Was will sie aber / liebes Kind! vor eine Bekentnüs annehmen? Als Richterin beschliest sie die Befreyung von einer ungegründeten Liebe / deren ich aber die geschlossene Fessel / mit welchen mein Hertz / als der Sitz solcher Freyheit / bestricket ist / entgegen halte. Soll ich nun / mein Verbrechen mit einer Unwürdigkeit vertheidigen / so befihlt mir ihre Höfligkeit ein anders: Deren zu gehorsamen / ich mich aber viel zu unwürdig schätze / nemlich in die Hände der Würde selber mich einzuschliessen / da mich die schreckende Furcht in ein Still-seyn verleitet. Wird aber der Schluß ihre Schönheit und Tugend betreffen / will ich viel sicherer meine Saumseligkeit / und mit derselben mein Verbrechen / auch die Vermessenheit / so mich /ihrem Beschuldigung nach / zu einer ungültigen Entschuldigung bereden dürffen / ihrem beliebenden Urtheil zu bestraffen darstellen. Ich sehe aber / daß sie ihr Richter-Amt also gegen mir verwaltet / daß ich mehr von gnädiger Vergebung sagen / als über zorniges Recht klagen muß. Wird mir aber nicht / die Verweigerung der Straffe / zu fernern Verbrechen Anlaß geben: Doch nein / schönes Rind! der rühmliche Vorgang in einer aufrichtigen Liebe / wird mir vielmehr eine gleich-rühmliche folge auflegen: Sonderlich da diese der Widerwertigkeit mehr befreyet / und vor jener beglücket ist. Freylich beglücket / mein Hertz! Dann in jener hab ich nie den herrlichen Namen ihres Liebsten erhalten können / der mir in den Anfang dieser folge / durch ihr schönes Gedicht / einen gantzen Himmel voll Süssigkeit erwecket. Was will ich nun mehr begehren / oder verlangen? ich kan mich ja durch diesen Namen versichern / daß ihre Beständigkeit mit solchen Ketten an meine Treue gebunden sey / die kein anderer / solte er auch noch so viel Gehülffen haben / zerreissen kan: Bevor wann auch mein unausgesetzter Fleiß / dieselbe mit bessern Glück forthin bewahren / auch durch mehrere Brieflein / als bißher geschehen / erweisen wird / daß ich lebe und sterbe / Ihr Polyphilus . Das Gedicht hatte er folgender massen verkehret /welches er dem Brief mit eingeleget. 1. Liebste! wären meine Lieder Auch so klug / wie deine sind: Wüst ich / zartes schönes Kind! Daß auch deinen Preiß hinwider / Mein Gedicht / Meine Pflicht / An die Wolcken solte heben; Daß nicht meiner Verse Spiel An der Erden bliebe kleben. 2. Wär es eine Kunst zu nennen / Was die Einfalt führet mit: Wolt ich meinem Bauren Lied Auch noch einen Thon vergönnen / Dir zur Ehr / Mir zur Lehr. Aber weil mein Einfalt-Lallen Niemals keinen Dank verdient / Darff mir diß auch nicht gefallen. 3. Gleichwol / weil die schöne Sitten Liebste! deiner Gütigkeit / Herrlich gläntzen allezeit / Werd' ich dannoch sein gelitten / Wann ich mich Lediglich Mühe / deinen Ruhm zu preisen Auf der Erden / biß mein Geist Dich den Sternen gleich kan weisen. 4. Dieses nimm / an stat der Reimen / Treues Hertz! hinwider an / Und weil ich nicht besser kan / Als von dir mir lassen träumen: Will ich dich / Wie du mich / Stets in meinen Sinnen führen; Biß wir / von der Neider Mord Eingeschlaffen / ruhe spüren. Als nun Polyphilus / der Magd den Brief eingehändigt / mit Bitte / solchen Macarien / neben einem gehorsamen Gruß / von ihme zu überliefern / verfügte er sich / mit frölichem Gemüte / wider zu seinen Schäfern. Agapistus gieng ihm entgegen / und sagte: willkomm / Polyphilus! Ihr habt gewiß gute Antwort bekommen: mich dünckt / ich soll es an eurer Stirn lesen. Freylich / mein Freund! (gab Polyphilus zur Antwort /) ich weiß nicht / ob ich euren Argwahn verklagen / oder meine Leichtgläubigkeit verdammen soll / wann ich meiner Macarie Beständigkeit betrachte. Hier leset / Agapistus! was ihr nicht gläuben kundet / und zweiffelt hinfüro nicht mehr / an deren Tugend / die keine ihres gleichen findet. Damit übergab er ihm den Brief Macarie / welchen Agapistus durchlase / und dem Polyphilus wieder zustellte / sprachend: Warumb wollet ihr meinen Zweiffel / und die daraus entsprungene Liebes-Probe / verdammen / da sie euch doch / die süsse Versicherung von eurer Macarie Treu / zurück gebracht? Wollet ihr eine schöne Blume deßwegen verachten / weil sie aus einer schwartzen Zwiffel hervor gewachsen? Ich verachte nicht die Blum / (versetzte Polyphilus) sondern verdamme die Unbilligkeit / mit welcher ich ihr / aus einem unnötigen Verdacht / die schuldige Begrüssung entzogen. Doch ist es wohl abgelauffen / und nun nichts mehr zu wünschen übrig / als unsre völlige Vereinigung. Diese nun zu befördern / werden wir die Reise nach Ruthuben ehist anzustellen haben. Dieses kan bald geschehen! (sagte Agapistus) allein es wird nötig seyn / daß wir zuvor die Melopharmis unsern Zustand wissen lassen: damit nicht die Mütterliche Liebe gegen ihren Sohn / uns in Ungnade bey der Königin / und in andere Ungelegenheit stürtze. Das ist wohl erinnert! (sagte Polyphilus) Aber wie bringen wir einen Brief dahin / weil niemand unter den Hirten den Weg weiß? Mit Briefen (er wieder Agapistus) ists bedenklich / wegen allerhand Ursachen. Wir wollen selber eine Reise zu ihnen thun. Polyphilus zukte die Achsel / und sagte: Nach Sophoxenien komme ich nicht. Ihr wisset / was ich daselbst vor Feinde hab: Soll ich wider neu Holtz zu den verdrießlichen Feuer legen / welches in meiner Abwesenheit fast wird erloschen seyn? So will ich allein dahin / (sagte Agapistus) und ihnen von unserm Leben Nachricht ertheilen: Wann ihr so gutwillig seyn wollet / (versetzte Polyphilus) hätte ich große Ursache zu danken. Ich thue es gar gern: (antwortete Agapistus) morgen mit dem frühsten will ich mich aufmachen. Unter diesem Gespräche kamen sie wieder zu den Schäfern: Und weil sie sahen / daß das Auge der Welt begunte schläfferig zu werden / trieben sie die Herden nach den Ställen / und begaben sich / nach gehaltener Abendmalzeit / sämtlich zu Bette. Am folgenden Morgen / machte sich Agapistus auf den Weg / nahm Abschied vom Cumenus / Tycheno / und den andern /und wendete vor / wie daß er eine kleine Verrichtung in der Nachbarschaft hätte / und bald wider bey ihnen seyn wolte. Polyphilus und Tycheno gaben ihm / unter einem guten Gespräche / das Geleite. Und weil Tycheno nicht Lust hatte / mit nach Sophoxenien zu gehen / sondern nur einen Gruß mit gabe / als bate Polyphilus den Agapistus / er möchte doch seinen Weg durch Soletten nehmen / und bey der Macarie einen schönen Gruß ablegen: Welche ihn vielleicht eine Antwort auf den Brief / den er ihrer Dienerin mit gegeben / hinwiederum zustellen würde. Ihr sollet nicht bitten / (sagte Agpaistus) sondern befehlen. Ich will diese Verrichtung gern auf mich nehmen: Der Himmel gebe nur / daß ich ein glükseeligerer Bote /als jenes mal / seyn möge! Das will ich ja hoffen! versetzte Polyphilus / und nahme damit / nach Anwünschung einer glücklichen Reise / von ihm Abschied /worauf er mit Tycheno nach den Trifften zurücke gienge. 3. Absatz Dritter Absatz Agapistus / nachdem er unterwegs zu Soletten die Macarie gesprochen / kommt nach Sophoxenien /und berichtet von ihrem neuen Schäfer-Leben. Er wird daselbst aufgehalten / und schreibt an den Polyphilus . Dieser verspaziret seinen Traum / wörtelt mit dem Gegenhall / stöst auf den Taliypsidawus / und empfihlet ihm ein Schreiben an die Macarie . Als er auch den dritten Brief hernach gesendet / erfolget auf alle dreye ihre Antwort. Agapistus ließe ihm seine Reise so angelegen seyn /daß er in etlichen Stunden nach Soletten kam / und die Macarie gantz allein fande: dann die Magd noch nicht von dem Garten-Hauß / heim gekommen war. Er grüßte sie freundlich / und als er warname / das sie sich über seiner unvermuteten Ankunft etwas entsetzte / sagte er: Ich wäre nicht so kühn / hochwehrte Macarie! ihre beliebte Einsamkeit durch meine verdrießliche Gegenwart zu zerstören / wann ich nicht gläubte / daß des Polyphilus Befehl / diese Vermessenheit entschuldigen werde. Selbiger lässet einen schönen Gruß durch mich vermelden / und lebet in der Hoffnung / die schönste Macarie werde erwünschter Glückseeligkeit geniessen / und seinen Gedächtnüs einigen Raum in ihren Hertzen gönnen. Ich bedancke mich freundlich / (gab Macarie / die sich indessen wieder erholet / zur Antwort /) daß er / Kunst-Edler Schäfer! meine Einsamkeit seiner Besuchung würdigen wollen. Und weil mich Polyphilus durch ihn begrüsset / bitte ich / er wolle ein kleins den Sitz nehmen / auch seine Freundlichkeit und meine Schuld grösser zu machen / mich berichten / wie dem Polyphilus der Schäfer-Orden gefalle / und ob er darinn sich vergnügter / als im Hof-Leben / befinde. Freylich / (saget Agapistus) lebet er in erwünschter Zufriedenheit / und klaget keinen Mangel / als die Abwesenheit seiner Macarie. So muß er fürwahr recht glückseelig seyn / (begegnete ihm Macarie) weil ihm so gar ein geringes mangelt: Ich habe zwar biß daher immer gehoffet / es werde Polyphilus einst das Unrecht / so er ihm selbst / durch meine unglückselige Liebe zufüget / erkennen und ändern: Wie ich deßwegen auch ihm / wehrtester Schäfer! bey seiner vorigen Besuchung inständig gebeten / die Erkäntnüs solches Irrtums / bey seinen vertrauten Freund / durch vernünfftiges Zusprechen / zu befördern; Dann er / als unpassionirt / hätte einem so verwirrten Gemüt wol zu Hülffe kommen können. Aber ich sehe / daß alles mein Wünschen und Bitten bißher unfruchtbar geblieben: Wiewol ich daran noch nicht verzweiffle / sondern hiemit nochmals bitte / mein Schäfer wolle ihm doch angelegen seyn lassen / seinen Weid-Genossen von solchem unnützlichen Vorhaben abzuwenden. Ich hoffe ja nicht / (antwortete Agapistus) daß dieser harte Befehl im Hertzen einen Grund haben soll /schönste Macarie! sonsten würde ich gezwungen /solchen von mir zu schieben. Ich habe zwar ihren vorigen Befehl (wie unbillig er auch meinen Gedanken vorgekommen) gehorsamet / und dem Polyphilus von ihrer Liebe abgerathen: Er aber / der die Vollkommenheit ihrer Würde besser betrachtet / ward durch meine leichte Beredungen mehr erzürnet / als geändert / und wuste meinen baufälligen Gründen / mit so daurhaftiger Stärke zu begegnen / daß ich endlich gewonnen geben / und sein Vorhaben billigen muste. Es ist ja doch schwer / wider die Billigkeit streiten; Und sind die Ströme seiner Liebe viel zu groß / als daß sie durch den geringen Damm meiner Worte solten aufgehalten werden. Man hätte aber den Damm wohl höher schütten können: versetzte Macarie mit Lächeln. Polyphilus mag dann künftig mir keine Ursach seines Unglücks zulegen / wann er ietzo meinen Warnungen nicht folget: Dann bey eignem Willen / niemanden Unrecht geschihet. Ich bitte aber / (fuhre sie fort /) damit wir auf andere Gespräche kommen / mich zu verständigen / durch welche Gelegenheit man heute nach Soletten kommen? Ich reise nach Sophoxenien / (sagte Agapistus) der Königin und Melopharmis unsern Zustand bewust zu machen: Aber auf des Polyphilus Bitte habe ich diesen Weg erwehlet / seinem unruhigen Verlangen /von ihren schönen Händen etwan vor ihn ein Gruß-Brieflein auszubitten / ein Genügen zu thun / worum ich dann hiemit schönst will gebeten haben. Macarie /welche noch Antwort auf das vorige erwartete / bewunderte / daß Agapistus um einen Brief ansuchte /truge aber doch Bedenken / deßwegen zu fragen / und sagte: Sie habe dißmahl nichtes zu schreiben / würde auch er sich so lang nicht aufzuhalten haben / weil noch ein ziemlicher Weg nach Sophoxenien wäre. Sie bäte demnach / er möchte dißmahl dem Polyphilus /neben einem schönen Gruß von ihr / viel gutes sagen: und wolte sie mit nächsten ein Brieflein folgen lassen. Mit dieser Antwort / muste nun Agapistus sich abfärtigen lassen: Der darauf / nach genommenem Abschied / sich wieder auf den Weg begabe / und unter allerhand Gedanken von Macarie und Polyphilus / mit spätem Abend / nach Saphoxenien kame. Sie sassen eben zur Tafel / als er seine Ankunft der Königin ansagen ließe. Diese Unseelige / hatte / seit ihres Abwesens / alle die Marter gefühlet / welche eine heimliche und verbottene Liebe kan zu empfinden geben / und wurde von ihren Lastern schmertzlich gefoltert. Von aussen zwar schiene sie eine glückseelige Königin / in ihren Gemüt aber / war sie eine gefässelte Sclavin der Wollust / und vermochte / mit allem dem Uberfluß ihrer Schätze und Reichtümer /den Mangel und die Dürfftigkeit / welche sie quälte /nicht abzuwenden. Sie dorfte niemand ihre Wunden eröffnen / weil sie wuste / daß sie von lauter Schande eiterten / auch daß ihr hoher Stand und herannahendes Alter / durch eine so sträfliche Liebe / nicht wenig befleckt würde / und daß sie kein Oel / sondern eitel scharffe Artznei / zu gewarten hätte. Also verheelte sie ihre Krankheit / und linderte ihren Schmertzen mit der betrüglichen Hoffnung / den Polyphilus wieder zu sehen. Sie ward aber letzlich in solchem warten ungedultig / da sie auch die Melopharmis / in der Sorge vor ihren Sohn / zur Gesellin bekommen wolte: daß es also Zeit war / diesem Unheil vorzukommen / und Agapistus gar gewünscht ankame. So bald Atychintide / seine Ankunft vernommen /ließe sie ihn ungeseumt vor sich fordern / da er dann /nach abgelegter Reverentz / sie also anredete: Durchleuchtigste Königin! das gesetze der Dankbarkeit / zu welchem E. Maj. so viel erwiesene Gnaden und Wolthaten / uns verpflichtet / hat mich angetrieben / unsere lustige Felderey zu verlassen / und durch diese unterthänige Aufwartung / meinen schuldigen Gehorsam / zu bezeugen. Polyphilus und Tycheno / meine beyde Weid-Genossen / lassen / durch meine Wenigkeit / E. Maj. sich unterthänig befehlen / und berichten / wie daß wir / in der Gegend Brundois / eine so wol gelegene und ergötzliche Weide gefunden / daß wir Ursach haben / den gnädigen Himmel davor zu danken / und unser Schäfer-Gelübde / bey welchem /wir so vieler Glückseeligkeit geniessen / fort zu setzen: nicht Zweifflend / es werden E. Maj. gnädig geruhen / diß Vorhaben / wie sie allbereit angefangen /zu billigen und zu befördern. Die Königin / so noch immer in der Hoffnung gewesen / Polyphilus solte einen Eckel über dem Hirten-Orden bekommen / und wider nach Hofe verlangen /wurde durch diese Nachricht in solchen Schrecken gesetzt / daß sie fast nicht zu antworten wuste. Doch suchte sie solches zu verbergen / und sprach: Wir hören gern / Ruhm-würdiger Schäffer! daß ihr euch /mit euren Gesellschafftern / in erwünschtem Zustande befindet / und uns solches / durch eure Besuchung /habt eröffnen wollen: Aber wie kommt es / daß sie euch allein abgesendet? Ist dem Polyphilus das Haus seiner Errettung so verdrießlich / daß er es nicht mehr sehen und besuchen mag? Agapistus hatte sich schon auf diese Frage gefast gemacht / und gab zur Antwort: Ach nein! Durchleuchtigste Königin! die Ursach seines Ausbleibens / ist die Hoffnung der Besuchung Melopharmis / die sie bey unserer Abreise uns gemacht hat / welche er / durch diese Reise / und wann er ihren Sohn mit gebracht / würde aufgehoben haben. Wolan dann! (versetzte Atychintide / die hiedurch wieder eine Zuversicht bekommen) so last uns diese Besuchung befördern! rüstet euch / Melopharmis! und reiset mit Agapistus zu eurem Sohn: wir wollen euch Phormena zur Gefärtin geben. Dafern es E. Maj. befehlen / (sagte Melopharmis /) habe ich Ursach zu gehorsamen / und vor die gnädige Erlaubnüs zu danken. Wir sehen es gar gern / (begegnete ihr die Königin) wann nur Phormena bald zurücke käme. Doch / es wird Agapistus nicht von uns eilen. Ich habe zwar (gab dieser zur Antwort) dem Polyphilus versprochen / morgen wieder bey ihm zu seyn / fürchte auch /es möchte ihm / mein Verzug / sorgliche Gedanken eines zugestandenen Unglücks vorstellen. Doch will E. Maj. gnädigen Befehl / ich mich keines Wegs entzihen. Was ihr / (sagte Atychintide) wegen des Polyphilus befürchtet / kan durch ein Brieflein abgewendet werden: ich will indessen die Phormena durch einen Lackeyen abholen lassen. Mit diesem Vorschlag war Agapistus zu frieden / und weil man eben frische Speisen auftrug / setzte er sich / auf der Königin Befehl / zur Tafel / und hatte unter Essens / mit ihr / und den beyden Weissen / allerhand Gespräche. Er muste auch alles / was sich auf ihrer Reise begeben / und wie sie von den Schäfern aufgenommen worden / erzehlen: Biß die Zeit den Schlaff ankündete / und sie sich zu Ruhe begaben. Am Morgen schriebe Agapistus an den Polyphilus /und befahle dem Servetus / nachdem er ihm die Gegend ihrer Weide / und den Weg / dahin zu gelangen /beschrieben / ihm solchen Brief einzuhändigen. Dieser verrichtete solchen Befehl schleunig / und kame noch selbigen Abend / zu den Schäfern. Polyphilus /welchen sehr nach Agapistus verlangte / erkante den Servetus von fern / eilete ihm entgegen / zu vernehmen / was er brächte / und empfinge von ihm den Brief / welcher also lautete. Treugeliebter Freund! Weil ich / auf Befehl der Königin / etliche Tage hier verziehen muß / und leicht mutmasse / daß mein Aussenbleiben euch allerhand Nachdenken machen wird / als habe ich solchem mit diesem Brieflein begegnen / und zugleich berichten wollen / daß ich von Macarie zwar einen schönen Gruß / aber keinen Brief (wie eiffrig ich mich auch darum bemühet) erlanget. Die Ursach ist mir unwissend / und wird sie es vielleicht euch entdecken. Sie hat sonsten viel von euch geredt / und gefraget / welches ich bey unserer Zusammenkunfft eröffnen werde. Wohin ich auch meine hiesige Verrichtung spare / indessen aber bitte / gewogen zu bleiben / Eurem getreuen Diener und Weid-Genossen Agapistus . Polyphilus ward über diesen Bericht etwas traurig /behielte den Servetus selbige Nacht bey sich / und suchte durch dessen Geschwätze seinen Kummer zu lindern. Dann er muste ihm alles / was sich nach seiner Abreise im Schloß zugetragen / eröffnen: Das dann theils Nachdenken / theils Lachen verursachte /und sie also die Zeit mehr mit Reden / als Schlaffen zubrachten. So bald der Tag wieder angebrochen / machte sich Servetus auf / zur Rückreise. Polyphilus kunde ihm /wegen verwirrter Gedancken / keinen Brief mit geben / sondern befohle / Agapisten zu grüssen / auch ihme getreu zu seyn / und was er von ihm oder Macarien widriges hören würde / ihm kund zu machen. Nach seiner Abreise / bliebe er in kummerhafften Gedanken / welche zu vertreiben / er einen Spazirgang wehlte. In solchem fragte er bey sich nach der Ursache / so Macarien von seiner Begrüssung abgehalten /und könte doch keine ersinnen. Dann daß sie seinen Brief nicht erhalten haben solte / wuste er nicht zu mutmassen. In diesen Gedanken / gelangte er in einen Wald / und suchte / nach seiner Gewonheit / bey den Gegenhall / die Endung seines Zweiffels / mit dieser Ansprache: Verliebte Nymf! begegne meinen Klagen / Und gieb Bericht / wovon ich dich will fragen / E. ich will sagen. Was ist die Schuld / das man vergangne Nacht / Von Macaris / kein Schreiben mir gebracht? E. ihr Verdacht. Was vor verdacht kan meine Freud betrüben? Zeigt nicht mein Brief / und mein Gedichte / Lieben? E. nicht geschrieben. Ist diß der Zwist / der mir raubt ihre Huld? Und gibest du nur mir allein die Schuld? E. dein die Schuld. Ist dir dann noch der Zweiffel nicht benommen? Und kan mein Brief der Liebes-List nicht frommen? E. ist nicht kommen. Wie! schertzest du? eröffne / was ich such. Dein' Antwort fehlt / und zeiget fast Betrug. E. hast genug. Aus dieser lezten Antwort kunde Polyphilus leicht schliessen / daß er nicht weiter fragen dürfte. Also gieng er verwirrter / aber nicht klüger / wieder zurück / und wendete sich auf den Weg nach Soletten: zum wenigsten des Luftes zu geniessen / von welchem die jenige lebte / welche sein Leben unterhielte. Ach! wie willig wäre ich / (gedachte er bey sich selbst) diesen Weg fort zu setzen / wann es in meiner Macht stünde! ich wolte nicht müd werden / biß ich die Ruhe / an der Seiten meiner Macarie / erlangt hätte. Aber nun ists mir verbotten / und ich würde ein unangenehmer Gast seyn. In solchen Gedanken / kehrte er voll Traurigkeit wider zurücke / und sahe indem jemanden gegen sich kommen: welchen er bald vor den Talypsidamus erkante. Die unverhoffte Freude über dieser Begegnung seines Freundes / durch welche das Gewölke seiner Traurigkeit / wie die Nacht von der Morgenröte / verjaget wurde / erfüllte ihn dermassen / daß er mit grosser Begierde auf ihn zu lieffe / ihm um den Hals fiele /und mit lauter Stimme rieffe: O ich Glückseeliger mitten in der Widerwertigkeit / nun ich denjenigen vor mir sehe / der den ersten Stein / zu dem Bau meines Glückes gelegt / auch nicht aufhören wird / zu arbeiten / biß er / allen Neidern zu Trutz / die Spitze gesetzet. Talypsidamus / über dieser befremdlichen Bezeigung gantz erstaunet / sagte: Ich weiß nicht / Leutseliger Schäfer! womit ein Unbekanter diese Freundlichkeit um euch verdienet. Wie? unbekant? (fiele ihm Polyphilus in die Rede) kennet Talypsidamus seinen Polyphilus nimmer? Ist der arme Schäfer den Augen seines Freundes so vergessen worden? So bald Talypsidamus den Namen Polyphilus nennen hörte / ward sein Hertz von Freuden also überhäuffet / daß er eine gute Zeit nit reden kunde / und sich nur mit Umhalsen / Küssen / und Trähnen zu antworten bemühete / biß er endlich sagte: Ach! wie hoch bin ich dem Himmel verbunden / der mich den hat finden lassen / welchen ich so lang vergeblich gesuchet / Polyphilus! getreuster Polyphilus! wie führet uns das Glück hier so unverhofft zusammen? Ach vergebet mir / liebster Freund! den Irrtum / welchen die ungewohnte Kleidung bey mir verursachet / und erzehlet doch / ob hier die glückselige Weide meines Freundes sey? Nein! (versetzte Polyphilus) sie liget etwas weiter hintan / und haben meine Gedanken mich auf diesen Weg geführet / welche sich allezeit nach Soletten wenden. Hierauf erzehlte er / was sich biß daher begeben / und daß er durch Agapisten keine Antwort von Macarien erhalten können: bate folgends / daß er die Ursach erforschen / und um ein Brieflein anhalten wolte / weil er sich / auf ihren Befehl / der Insul äussern muste. Das ist wohl nötig /(sagte Talypsidamus) wegen der ergrimmten Innwohner. Die Werbung aber bey Macarie / welche ich so willig / als schuldig auf mich nehme / würde meines Erachtens mehr Nachdruck haben / wann ich ein Brieflein von euch mit brächte. Das wolte ich auch gern abgeben / (antwortete Polyphilus /) aber wo nehme ich hier / was zum Schreiben gehöret. Und ich zweiffele / ob er etwasaufzuhalten sey. Hier habe ich Feder und Dinte / (sagte Talypsidamus) hättet ihr nur Pappier / so könde ich einen Brief erwarten. Ohne Papier / (gab Polyphilus zur antwort /) pflege ich nicht zu gehen. Es findet sich auch hier ein Stein / und schicket sich also alles zu meinen Vorhaben. Setzet euch nur etwas nieder / biß ich etliche Zeilen verfertiget. Also schriebe er an Macarie /folgendes Brieflein / so gut es die Eile verstattete. Allerliebstes Hertz! Wie kan ich doch einige Gelegenheit vorbey lassen /die mich / mein Verlangen durch dero süssestes Andenken zu befriedigen / beglücket. Zwar solte meine Vermessenheit billig scheu tragen / ihre Gedult und gewohnte Ruhe mit solcher Unhöflichkeit zu verherben: Allein das Verbrechen meiner jüngstes Saumseligkeit / will die Verbesserung ihrer Schuld damit desto kräfftiger erweisen / daß es nicht nur gedoppelte Bezahlung bringet / sondern auch sich gleiches Rechts zu bedienen suchet / dessen sich ihre Anklage vordessen gegen meiner Vergessenheit gebrauchet /da man mir die wenige Verweilung des gebührenden Grusses so verbrechbar ausgeleget. Ich zwar / der ich ihrer lobwürdigsten Güte müglichst zu folgen mich bemühe / bin zu frieden / weil ich weiß / daß dennoch meine Macarie von mir reden / und an mich denken wollen Aber Agapistus / der getreue Botschafter des Polyphilus / befindet sich / durch solche Verweigerung / seines Amts entsetzet / als welches / nicht mündlich / sondern schrifftlich seiner Macarie Gedanken / dem Polyphili öffnen soll. Deßwegen ich ihm vor dißmal die Anklag / mir aber die Vergebung zueigne / und mich befriediget bekenne / wann ich nach diesen / der Anklag Agapisti zu begegnen / einige Antwort erhalte. Mein Hertz vergebe mir diesen Schertz! weil ich anietzo dem Papier nichts anders oder wichtigers zu vertrauen habe. Ich erkenne aber dabey den Zwang meiner Liebe / die mich ohne Rede reden heisset; und beschliesse auch den lautern Ernst /der ihr ein kleines Verbrechen nicht so wohl aufbürdet / als zu bedenken gibet. Sie verbessere nach dessen Erkentnüß / was ich hiermit zu befördern wünsche / bittende / meine Wenigkeit mit einem Gegengruß zu bewürden / den ich mit so vielen Freuden /als Liebe empfangen / und zum Zeugen beybebalten werde / daß meine Macarie mir hinwiederum sey / wie ich gegen derselben zu beharren mich verschreibe /nemlich der ewig-getreue Polyphilus . Als Talypsidamus diesen Brief erhalten / nam er Abschied vom Polyphilus / weil er noch selbigen Tag zu Soletten seyn muste / und versprache / allen Fleiß anzuwenden / um die Inwohner zu begütigen / und Macarien zu den Schäfern zu bringen. Polyphilus bedankte sich höchlich wegen solches anerbietens /wünschte ihm Glück zur Reise und Verrichtung / und kam hierauf mit etwas frölichern Gemüte wieder zu ben Hirten: sehnlich wartende / so wol einen Brief von Macarien / als auch die Wiederkunft des Agapistus. Als aber beyde verzogen / begunte sich seine Hoffnung in eine Ungedult zu verwandeln / welche ihn dermassen quälte / daß er nicht länger bey den Schäfern bleiben kunte / sondern sich / einige Nachricht zu erlangen / auf das Luft-Haus der Macarie verfügte. Als er auch daselbst nichts vernommen / triebe ihn der Eifer seiner Liebe / auch den dritten Brief zu senden / welchen er dieses innhalts verfassete. Allerliebste! Ob wol / die straffbare Verweigerung ihrer so oft begehrten Brieflein / zu gleichmässigem Verbrechen mich verführen könte: so widerstrebet doch allemal der getreue Dienst / womit ich seithero einer aufrichtigen Liebe mich ergeben / dem unbilligen Vornehmen / und ermahnet mich / ihre Vergessenheit vielmehr mit meiner oftmahligen Begrüssung zu verbessern / als in ihren Verbrechen zu stärcken. Ich sehe doch wol / daß ich den Vorgang in diesem Spiel zum Gewinn übrig behalte / möchte also wünschen / daß die folge demselben allerdings gleichte / und ich nicht Ursach bekäme / den erwehlten Dienst mit Widerwillen aufzugeben / in dem ich erfahre / das keine Bemühung so unangenehm / als die / so ohn Entgelt verachtet wird. Will sie nun / liebes Hertz! ihre verzuckerte Worte / von dem Gifft der Heucheley befreyen / so wird sie nicht nur das gewisse Versprechen erfüllen /sondern auch die mündliche Erklärung ihrer Gewogenheit / mit einer angenehmen Begrüssung aufs erste bezeugen / und mir künftig nicht mehr die gerechte Klage auf dringen / daß sie den höchsten Grad ihrer Liebe mit dem Anfang meiner Anwerbung vergleiche / als welche mir noch immer die drey Brieflein vorleget / darinn mehr die Thränen als Buchstaben /über die damahlige schimpfliche Verachtung Klage führen / daß sie dem Polyphilo unbeantwortet keine Ruhe beybringen können. Was werden nun diese thun / unter denen sich dieser den dritten benennen wird: Ich hoffe zwar / dafern sie schlaffen / es werde dieses Ungestüm sie wol aufwecken; dder / da sie verdrossen worden / werde er sie schrecken / daß sie ohne Arbeit hinfort keine Speise haben sollen: weil ja die Liebe also bewant ist / daß sie nicht gibet / wo sie nicht wieder nehmen kan. Mein Kind vergebe dieser verliebten Ungedult / und straffe nicht diese kühne Erinnerung / sondern lasse mit einer freundlichen Antwort / durch diesen Boten ergetzet werden / Ihren ewig-getreuen Polyphilus . Mit diesem Schreiben / sendete Polyphilus des Gärtners Jungen an die Macarie. Selbige hatte / nach des Agapistus Abreise / mit sorglichen Gedanken / warum ihr doch Polyphilus einen Gruß und keine Antwort auf ihren Brief gesendet / sich gequälet. Dieser Qual aber wurde sie selbigen Abend / durch ihrer Dienerin Ankunft / die das Schreiben von Polyphilo mit brachte / befreyet. Weil sie aber / aus solchem Brief / einen Vorwurf ihrer Gelindigkeit / und eine allzugrosse Vermessenheit auf ihre Liebe / schlosse: als nahm sie ihr vor / mit der Antwort etwas zurück zu halten /damit nicht Polyphilus durch den Uberfluß ihrer Gunst / welche gemeiniglich einen Eckel zu verursachen pfleget / zu fernern verbrechen verleitet würde. In diesem Vorsatz verharrte sie / biß ihr Talypsidamus den andern Brief einhändigte / und dabey inständig um Antwort anhielte. Diesen liefe sie / mit einer freundlichen Antwort und Antwort-Versprechung /wider von sich / verharrete aber nichts desto weniger in ihrem Vornehmen / und verübte also eine kleine Rache / an der vorigen Langsamkeit des Polyphilus Als aber der Junge das dritte Schreiben brachte / sahe sie durch sein ungedultiges Bitten / und kühnes Anfordern sich genötigt / solcher gestalt zu antworten. Ehren-geneigter Schäfer! Wann ich / in seiner jüngsten Versaumnüe / mein Richter-Amt / durch heuchlerisches Ubersehen / ungerecht verwaltet / und mit einer unbilligen Gelindigkeit ihm die Thür zu fernern Verbrechen geöffnet / wie er mir vernünftig zu erkennen gegeben: Was wäre es wunder / wann ich mit dem Verzug dieses Briefleins /selbigen Fehler zu verbessern gesuchet / und die Straffe / welche ihm damals zuerkennt worden / dißmahl vollzogen hätte: Aber weil von einen passionirten Gemüte kein unparteyisches Urtheil zu hoffen / als will ich lieber mit vielem Vergeben / als mit scharffen Straffen / an der Gerechtigkeit sündigen. Zwar hat es das Ansehen / daß ich diesen Ruhm der Gelindigkeit /mehr mit Worten / als mit Werken / verdiene / indem ich nicht allein Agapisten / sondern auch dem Talypsidamus / eine schrifftliche Antwort geweigert / und also die Straffe wirklich vollzogen. Allein ich bleibe gleichwol unschuldig / weil bey Ankunft des Agapistus / sein Brieflein mir noch nicht eingelieffert gewesen / welches ich erst selbigen Abend erhalten / und also nicht beantworten können / was ich noch nit gelesen hatte. Wird er also seinen Freund mit dieser Entschuldigung besänftigen / und um fernere rühmliche Verwaltung seines Amtes bittlich ersuchen. Dem Talypsidamus aber / habe ich / weil er nicht wieder zurücke gereist / keinen Brief ertheilen können. Unterdessen bedanke ich mich freundlich / daß er / wehrter Schäfer! nicht allein meine Wenigkeit seiner Gedächtnüs würdigen / sondern auch / durch seine unmüssige Feder mir solches eröffnen wollen: bittende in solcher Gunst zu verharren / und mit seinen angenehmen Briefen öffters meine Einsamkeit zu ergätzen; Ich werde hingegen meine Schuldigkeit in deren Beantwortung eiferig erscheinen lassen. Meinen einfältigen Gedichten aber / welche ihn viel kühner als die ungebundne Worte besprechen / ist deßwegen ein Arrest angekündet worden / damit sie nicht ferner /durch unvorsichtige Eröffnung meiner Gedanken / den Lauf seiner Liebe verwirren / und ihn aus einen Vorgeher zum Nachfolger machen. Dafern er aber mir solchen Vorzug gönnen will / habe ich zwar Ursach vor solche Ehre zu danken: daneben aber zu bitten /daß er in seiner Nachfolge meiner Tritte wohl warnehmen / und wann er sehen wird / daß ich die Liebe besiegen / und mein Gemüt aus ihren tyrannischen Fesseln reissen werde / alsdann auch behertzt wider sie streiten / und / durch überwindung einer so listigen Feindin / seiner Freyheit den Sieg erhalten wolle; dann sonsten würde seine Nachfolge nur in den Banden der Dienstbarkeit bleiben / und die herrliche Freyheit / wider alle Vernunft / mit Gewalt von sich jagen. So erwehle er nun / nach seinem Belieben / den Vorgang / oder die Nachfolge / und lasse mich seinen Schluß wissen / damit ich Gelegenheit habe / auch meine Pflicht zu beobachten. Er lebe aber indessen frölich / und gedenke an seine Macarie . Was wird nun Polyphilus gedenken / wann er diesen Brief liset? wird er sich erfreuen / oder betrüben? wird er klagen / oder danken? Es ist ja mehr Höflichkeit /als Liebe / mehr Kunst / als Gunst / darinn zu finden. Aber / diß ist die Gewonheit Macarien: sie zeiget Liebe / nimmet sie aber wider zu sich. Sie bekennet sich passionirt / will sich aber doch bemühen / wieder frey zu werden. Also spielet sie mit ihrem Polyphilus /damit er zwischen Furcht und Hoffnung unterhalten /und weder in Vermessenheit / noch in Verzweiflung gerathen möge. Doch ist er zu frieden / wann er nur die Hand sihet / die sein Leben und seinen Tod in ihrer gewalt hat. Und ob gleich das Ende ihres Briefes / eine fremde Vermahnung fasset / so hält er doch solche vor einen höflichen Schertz / und ist vergnüget / daß sie ein verliebtes Gemüt bekennet / welches seine Briefe begierig fordert / und selbige willig zu beantworten verspricht. In solchen gedanken gienge er von dem Lust-Hanse Macarien / daselbst er den Gärtners-Jungen mit den Brief erwartet / nach den Schäfereyen. 4. Absatz Vierder Absatz Die Schäferin Volinie wirft einen Preiß auf / zum Siege-Kampf. Darauf wird wett-gesungen / von göttlicher Vorsorge und Trübsal-Verhängnüs / vom Früling / von der Liebes-Entsessenheit / von Kunst und Tugend. Ihr Wortgefechte / indem keiner den Krantz annehmen will. Cumenus erzehlet dem Polyphilus / die Geschicht von der Verlierung seines Kindes / der kleinen Macarie / und wird von ihm getröstet. Wie nun Polyphilus also durch die Wiesen spazirte /ersahe er eine schöne Schäferin / die einen zierlichen Blumen-Krantz wunde / und nahme daher Ursach zu fragen: wer doch die Ehre haben würde / diesen künstlichen Krantz von ihren zarten Händen zu erlangen? Ich habe ihn für den gebunden / (gab die Schäferin zur Antwort) der heut am besten singen wird. Dieser herrliche Preiß (versetzte Polyphilus) solte mich bald anfeuren / meine einfältige Lieder unter ihre kluge Gedichte zu mengen / und wo nicht in der Krone zu prangen / doch mich des Glückes zu rühmen / das ich darum gekämpfet. Es ist kein Zweiffel /gelehrter Schäfer! (antwortete die Schäferin) das euer Reimen-Spiel einen viel grössern Dank / als diesen schlechten Krantz / verdienet. Und weil wir diesen schönen Tag (fnhre sie fort zu ihm und den andern /die eben auch herzu kamen) nicht schöner / als mit solcher Ubung zubringen können / bitte ich / sie wollen sich alle gefallen lassen / mit Liedern um diesen verfertigten Krantz zu streiten / welchen ich zu diesem Ende allhier aufhänge. Wir sind dessen zu frieden / (sagte Polyphilus im namen ihrer aller) und wird sie / schönste Schäferin / nur noch die Mühe nehmen /uns zu befehlen / was der Innhalt unserer Gedicht seyn soll. Das will ich (sagte Volinie /) unserm Vorsteher und Vatter Cumenus auftragen / dessen alte Erfahrenheit unserer Jugend Belehrerin ist. Wann mein bejahrtes Alter / (antwortete Cumenus) noch unter ihren Hirten-Spielen singen darf / will ich mich deme nicht entziehen. Und weil unser fünfe sind / möchte es vielleicht nicht übel lauten / wann wir / der erste die Güte des Himmels / welche uns ernehret und versorget / der andere dessen betrübendes Verhängnüs / der dritte die Lieb-regende Frülings-Jahrzeit / der vierte die Liebs-Entsessenheit / und der fünfte Kunst und Tugend vorstellte. Dieser Vorschlag ward von allen beliebet / und nur noch gestritten / wer den Anfang machen solte. Cumenus / dem sie es auftrugen / sagte / wie daß dem Frauenzimmer die Ehre gebührte. Volinie entschuldigte sich / wie daß dem Alter der Vorzug zustünde / und also kame es an Amapfe: welche / nach höflicher Entschuldigung / wie folget / zu singen anfienge. 1. Himmel! wie soll mein Gemüt / deine Güt / In geringe Reimen schliessen? Weil von deinem Uberfluß Tausend Ströme sich ergiessen. Was des Menschen Aug beschauet / Land und See / Thal und Höh / Hat des Höchsten Hand gebauet. 2. Er hat ja das Sonnen-Liecht zugericht / Und läst an den Himmels-Gräntzen / Wann der Tag verschwinden muß / Sterne voller Flammen gläntzen. Er befeuchtet mit dem Regen Wald und Feld / und die Welt Mehret sich durch seinen Segen. 3. Alles muß / auf sein Geheiß / Trank und Seiß / Lust und Nutz / mit Hauffen tragen. Alles / nach des Himmels Schluß / Füllt der Menschen Wohlbehagen. Alle Thiere / die sich regen / Was da fleucht / oder kreucht / Lebet bloß der Menschen wegen. 4. Seine unbeschränkte Macht uns bewacht / Wann wir mit Gefahr umgeben. Sein bereichter Gnaden-Guß Uberschütt des Menschen Leben: Der sich Ruhm-nennt Gottes Stammen / Und sein Bild noch verhüllt / Trägt in des Gemütes-Flammen. 5. Dieser reichen Himmels-Güt / soll mein Lied / Mit erhitztem Eiffer danken. Und ob mein zu niedrer Fuß Nicht erreicht die hohe Schranken: Will ich doch den Hirten weisen Meine Pflicht. Diß Gedicht Soll des Höchsten Güte preisen. Nachdem Amapfe diesen Gesang beschlossen / fienge Cumenus an / den vermeinten Gegensatz mit diesem Lied vorzutragen. 1. So siht der Himmel aus / so lang sein runder Bogen Das angenehme Kleid von blauer Seide trägt / Das / durch der Sonne Glantz / mir güldnen Drat durchzogen / In so geschmücktem Pracht der Welt zu schmeicheln pflegt. Wie aber / wann das Dach der schwartzen Wolken weinet? Wann vor der Nacht die Nacht herkomt / Und nur mit Blitz das Wetter scheinet? 2. Der Herrscher über uns / der füllt der Menschen Leben Zu Zeiten zwar mit Ruh / Lust / und Ergetzung an: Er setzet aber auch den Unglücks-Stand darneben / Der / eh man sichs versieht / die Freud verbittern kan. Er wechselt stets mit uns / ergetzet und verletzet. Bald stürtzet sein Verhängnüs ab / Was vor das Glück hat hoch gesetzet. 3. Sind wir nun eine Zeit in gutem Fried gesessen / Und bläst ein stiller Wind auf unsre Lebensfart: So denk / Amapfe! sey der Vor-Zeit unvergessen / Als unser liebstes Kind dem Wolf zur Speise ward Als die / so uns zum Trost und Hoffnung war geboren / Durch wilder Thiere Grausamkeit / Mit tausend Schmertzen ward verloren. 4. Ach! Ach! Macarie! du Liebstes mciner Lieben / Der Tugend erste Blüt / holdselig-schönes Kind! Wie solte dein Verlust den Vatter nicht betrüben / Der ohne Hoffnung lebt / daß er dich wieder find? Mein Haar das steigt empor / mein Hertze bebt und zittert / So oft ich denke / wie dein Raub Mit Schrecken mein Gemüt zersplittert. 5. Doch / diß ist Gottes Hand; ich darf nichts weiter sagen / Er schenket Frölichkeit / und schicket Qual und Pein. Vor den Verhängnüs-Schluß / kein Schreyen hilft / noch Klagen. Was nicht zu ändern ist / das muß erdultet seyn. Der Himmel führt uns oft / auf ungemeine Weisen: Damit wir seine Wunderwerck Im Glück und Unglück sollen preisen. Polyphilus hatte diesen Liedern ein aufmerkendes Gehör verliehen / und als er aus dem andern / den Namen Macarie / und derselben unglückliche Verlierung verstanden / ward sein Gemüte von Schrecken und Verwunderung so schnell überfallen / daß er etlichmahl die Farb verlohre. Und ob er sich gleich auszuwickeln vermeinte / begunten doch die Sinne allmählich zu weichen / also / daß er an dem Baum in Onmacht sanke. Volinie / die dieses alsbald wargenommen / lieffe mit grossem Geschrey auf ihn zu /und machte ihr / damit die andern folgen: Da man dann mit allerhand Mitteln / ihn wider zu recht brachte. Wie er nun die Augen wieder aufschlosse / und sich von den andern umringet sahe / begunten seine erblaste Wangen sich mit Purpur-röte zu mahlen /also / daß die Schamhaftigkeit sein Gesicht zur Erden neigte. Von der Schäferin Volinie gefragt / aus welcher Ursach er in diese Schwachheit gerahten? gabe er zur Antwort: Ich weiß keine andere / als die hohe Verwunderung über ihren schönen Gedichten / welche / von dem tieffen Mitleiden / über des Cumenus schmertzlichen Zufall / begleitet / mein Gemüt eingenommen / und alle Lebens-Geister daraus verjaget. Ich danke aber höchlich vor ihre freundliche Hülffe /und bitte / meiner Unhöflichkeit zu vergeben / und in ihrem Vorhaben fort zu fahren. So will ich dann sehen / (sagte Volinie) ob ich die verlohrne Kräffte /durch einen frölichen Thon / wieder bringen möchte. Also fienge sie an zu singen / wie folget. 1. Ist nicht iezt die Freuden-Zeit / Da das Feld von neuem grünet Und zur Lust den Hirten dienet / Mit der Schön- und Lieblichkeit? Da der kahlen Bäume-Schaar Wieder wächst ihr schönes Haar / Da die Flora Blumen streut / Auf des Lentzens Jäger-Kleid. 2. Da sich alles liebt und paart / Soll man nichts von Klagen wissen. Was wir vor erdulten müssen / Jezt nicht werd im Sinn verwahrt. Dißmal soll die Traurigkeit / Weichen von der Schäfer-Weid. Lust und Liebe sey das Ziel Unsrer Reim- und Hirten-Spiel. 3. Was uns jemals hat gequält / Sey / samt Reif und Eiß / vertrieben. Jeder sage nur von Lieben / Nun sich alles neu vermählt. Föbus selbst hie Erde liebt / Und ihr tausend Küsse gibt. Was nur lebet / sich verbindt / Und zu seines gleichen findt. 4. Was die Lerche tirelirt / Was die Nachtigall erzwinget / Was der Chor in Lüften singet / Was die Turteltaube girrt / Zeigt der Liebe Süssigkeit / Und das jezt die Freyens-Zeit. Alles / was nur fingen kan / Stimmet Hochzeit-Lieder an. 5. Das von Banden freye Wild In den Wäldern und Gesträuchen / Alle Würmlein / die da schleichen / Jedes sein Verlangen stillt. Das begläntzte Schuppen-Heer Liebet / spielend in dem Meer; Und was Luft und Flut erhält / Sich üm diese Zeit gesellt. 6. Solten dann die Menschen nicht / Mit den Creaturen lieben? Solten diese sich betrüben / Die noch der Verstand verpflicht? Nein! was grössern hält die Wag / Gibt nicht den geringen nach. Liebt / was sich zur Erden neigt: Vielmehr / was gen Himmel steigt. 7. Drum / ihr Hirten! liebet mit / Und / wann sich die Heerd ergetzet / Euch zu eurer Hirtin setzet / Mit dem holden Schäfer-Riet. Machet / in der Liebsten Schoß / Euch von allen Sorgen loß; Und an stat der Liebes-Pein / Müssen lauter Küsse seyn. So bald Volinie dieses Lied geendigt / begunte der Schäfer Filato das seine / weiches also lautete. 1. Volinie! sie redet wohl / Daß keiner von den Hirten sol In diesem Früling sich betrüben: Dann weil nun alles liebt und freyt / Erfordert selbst die Billigkeit / Daß auch die edle Menschen lieben. 2. Ach aber! wie ist der daran / Der dieses Liecht nicht sehen kan / Daß seine Finsternüs erhellet? Der / was er liebet / fliehen muß / Und / für Ergötzung / in Verdruß / Auch bey dem schönsten Wetter / fället. 3. Zwar Föbus küsset seine Braut / Mit der er sich aufs neu vertraut / Labt sich / weil sie ihm stets zugegen. Die Musicanten in der Lufft / So bald des Liebsten Stimmlein rufft / Sich eilend einzufinden pflegen. 4. So kan das Wild / der Wälder Zier / Wie auch die schnelle zahme Thier / In Lieb und Freude / sich verbinden. Es buhlet alles / auch so gar Die klein-gebückte Würmer-Schaar / Kan jedes seines gleichen finden. 5. Wo aber bleibt des Menschen Lust / Der in der Jammer-vollen Brust / Ein abgeschiedne Lieb ernehret? Der / wann die gantze Welt sich freut / Doch in betrübter Einsamkeit Sein Hertz mit tausend Leid verzehret? 6. Die Echo rufft ihr stätigs Ach / Dem stoltzen Jüngling immer nach / Der ihre Lieb hat ausgeschlagen: Sie höret / wann der Winter schneyt / Und wann die Erde sich verneut / Nicht auf / ihr Liebes-Weh zu klagen. 7. Wer ist in seiner Liebsten Gnad / Und selbe schon in Armen hat / Der kan mit Erd und Himmel lieben. Wer aber weit entschieden ist / Und nur der Hoffnung noch geniest / Muß auch im Lentzen sich betrüben. Polyphilus / welcher durch der schönen Volinie süsse Stimme in eine kleine Verzuckung geraten / und mit dem annehmlichen Inhalt ihres Lieds / sein Verlangen nach Macarien erwecket hatte / ward nachmals / durch des Schäfers Filato warhaftige Beschreibung seines Unglücks / gantz aus sich selber gebracht. Er ware demnach durch solche Verwirrung fast untüchtig gemacht / sein Lied abzusingen. Doch ermunderte ihm die Furcht / durch solche Bezeugung sich selbst zu verrahten / daß er endlich anfienge / mit gebrochenen Worten folgendes Lied zu singen. 1. Ich habe nun das Spiel / Das süsse Spiel / gehöret. Ein jeder hat mich viel / Mit seinem Thon gelehret. Ich seh nun / wie der Will Des Himmels sich verkehret: Und das / in Leid / und Freud / Verbleibt der Wechsel. Streit. Drum setz ich meinem Kiel Das Kunst- und Tugend-Ziel. 2. Amapfe schönes Lied / Hat herrlich wohl beschrieben Des Himmels reiche Güt; Cumenus / sein Betrüben Zeigt in dem Wider-Tritt; Volinie lehrt lieben / In dieser Frülings-Zeit; Ihr Schäfer / weist das Leid. Drum findet mein Gemüt In allem keinen Fried. 3. Ich lenke mich vielmehr / Mit meines Sinns Gedanken / Zur Kunst- und Tugend-Lehr / Die ewig ohne wanken / Und ohne Wiederkehr / Bleibt in den festen Schranken / Die Ungedult vermeidt / Erhält Beständigkeit: Und tobte noch so sehr Das tolle Unglücks-Heer. 4. Wer Kunst und Tugend liebt / Kan des Getümmels lachen / Das Kummer auf ihn schiebt. Wann selbst die Wolken krachen / So bleibt er unbetrübt / Und läst den Himmel machen / Der / nach der Dunkelheit / Prangt in dem blauen Kleid; Der zwar die Straffe übt / Doch drauf Belohnung gibt. 5. Wer dieses edle Paar / Die Kunst und Tugend / heget / Wird durch der Feinde Schaar In minsten nicht beweget. Sein Gut er immerdar Gantz bloß und offen träget: Er weiß / daß seine Beut Der Rauberey befreyt / Und daß die theure Wahr Werd herrlich durch Gefahr. 6. Ja / wer einmahl den Thron / Den hohen Thron / erlanget / Und mit der schönen Kron Der Kunst und Tugend / pranget / Ob seine Liebe schon Im Lentzen ihn bedranget / Ihn von der Liebsten scheidt: Zu trutz dem blassen Neid / Bringt er / zu seinem Lohn / Das / was er wünscht / davon. Kaum hatte Polyphilus aufgehöret zu singen / als die Schäferin Volinie ihren gebundenen Krantz vom Baum wieder nahme / und ihm denselben mit diesen Worten überreichte: Nehmet hin / Kunst- und Tugend-gelehrter Schäfer! den Lohn / welcher eurer schönen Bemühung billig zustehet. Unsere Gesellschafft gibet euch hierdurch den Dank vor eure kluge Unterrichtung / und bittet freundlich / unsere Hirten-Spiele noch ferner mit euren trefflichen Erfindungen zu ehren. Eurer Höflichkeit vielmehr / schönste Schäferin / (gab Polyphilus zur Antwort /) als meine Würdigkeit / macht euch also reden. Es gebühret meinem armen Lied nichts weniger / als dieser schöne Dank /welchen allein ihr Lieb-erweckendes Frülings-Lied verdienet. Ich habe (widerredte Volinie) diesen Krantz nicht mir / sondern für einen Schäfer gebunden / wie ich dann auch / neben meiner Mutter Amapfe / nicht um den Preiß / sondern bloß zur Gesellschaft mitgesungen. Soll ein Schäfer (versetzte Polyphilus) mit diesem Krantz prangen / so wird er ohne zweifel die graue Haare unsers Vaters und Lehrers Cumenus zieren müssen. Hiemit übergab er demselben den Krantz: der aber sich wegerte / solchen anzunehmen / einwendend / daß nicht dem Alter / sondern der Kunst und Kraft / die Gemüter der Zuhörer zu bewegen / dißmals der Preiß gebühre. Polyphilus überreichte ihn hierauf dem Schäfer Filato / und sagte: So habet dann ihr / freundlicher Schäfer! diesen Ehren-Lohn: denn ich bekenne / daß euer klägliches Lied /mein Gemüt vielmchr / als alle andere / beweget. Filato aber gab ihm solchen wieder zurück / und sagte: Was solte die Gemüter mehr bewegen können / als die von euch so schön beschriebene edle Kunst- und Tugend-Lehre? die nicht allein der Gewalt der Liebe /sondern auch dem Himmel selber / und seinen Verhängnüsen / obsieget. Billig erlanget der jenige das Kleinod / der das Ziel erreichet / und uns in den zerwirrten Schranken zurück lässet. So will ich dann /(erwiederte Polyphilus) diesem Streit abzuhelffen /das Urtheil / mit ihrer aller Erlaubnüs / einer Fremden / doch der Dicht-Kunst wohlerfahrnen / Weibsperson heimstellen / und von selbiger / da keine Parteylichkeit zu fürchten / durch ein Brieflein den Ausschlag erwarten. Nachdem sie ihm solches heimgestellet / gienge er mit dem Cumenus auf eine Seite / und sagte zu ihm: Geehrter Vatter! das Mittleiden / welches uns die Natur eingepflantzet / hält meine Gedanken noch immer in seinen vorbeklagten Unglück gefangen / und zwinget mich / eine weitläuftigere Erklärung solcher traurigen Begebenheit von ihm zu erbitten: der Hoffnung / es werde seine Leutseligkeit diese Begierde nicht straffen / sondern vielmehr sättigen / und mich /wie in der Ergetzung / also auch in der Betrübnüs /ihm zum Gesellschafter machen. Ob wohl (gabe Cumenus zur Antwort) die Erinnerung des überstandenen Unglücks nur zur Verneuerung der Schmertzen dienet / und das Eisen wieder in die Wunden stösset /welche von der Zeit / die alles verzehret / etwas geheilet worden: So will ich doch / kluger Polyphilus! seinem Mitleiden einen Theil meiner Schmertzen aufbürden / weil er es so eifrig fordert. Es sind nun viel Jahre verflossen / als mir / weiß nicht was vor ein unglückliches Gestirn / einen solchen Zufall gewirket / der mich noch diese Stunde kränket / und wohl erfahren machet / daß / wie keine Freude grösser / als die jenige / welche wir an unsern Kindern erleben / also auch / kein Unglück empfindlicher sey / als das von ihnen herrühret. Mein kleines Töchterlein / Macarie / ein Kind von grosser Hoffnung / wie seine damahls hervor grünende Gaben des Leibs und Gemüts gnugsam zuerkennen gaben /gleich wie es mit seiner Annemlichkeit aller Hertzen an sich zoge / also hatte es auch uns Eltern dermassen erfüllet / daß wir es ohne unterlaß suchten bey uns zu haben / und uns mit der schönen Blüte ergetzten /welche uns so edle Früchte zusagte. Als aber einst ihre Mutter / nötiger Geschäffte halber / vom Feld nach Hause gieng / und mich bey der Heerde allein ließe / begab es sich / daß das Kind in meinen Armen entschlieffe / welches ich / seine Ruhe zu fördern /unter den Schatten eines Baums legte / und indessen die Zeit mit einem Hirten-Liedlein kürzte. Es begabe sich aber / daß ein Wolf / aus dem nächsten Walde /streng auf die Heerde zuliefe / und mit solcher Behendigkeit ein Schaf von derselben hinweg zuckte / daß ich kaum geschwind genug war / ihm nachzueilen /und den Raub abzujagen. Ich hatte viel Arbeit / biß ich das Schaf aus seinem Rachen errettete: Ein schlechter Gewinn / der mir inzwischen einen weit grössern Verlust verursachet. Allhier holte Cumenus einen tieffen Seufzer / fuhr hernach in seiner Rede solcher massen fort: Dann / als ich mit dem erretteten Schafe / welches ich vor eine grosse Beute hielte / wieder zurücke kam / sabe ich einen von meinen benachbarten Schäfern / mit Schreyen und Winken auf mich zulauffen / von welchem ich / als er etwas näher kam / verstunde: Wie daß ein Wolf etwas von meiner Heerde hinweg getragen hätte / welches er von fernen mehr für ein Kind /als ein Schaf / halten müssen. Er hatte diß Wort kaum ausgeredet / da benahm mir die Furcht / mein Töchterlein zu verlierin / alle meine Sinne / und brachte mich gantz aus mir selber. Ich lieffe eilends nach dem Ort / allwo ich das Kind schlaffend verlassen: den ich aber (O! des unseeligen Findens!) gantz leer fande. Kein Donnerschlag kan eine Eiche also zerschmettern / als dieser Anblick mein Hertz gerührt. Ich stunde eine gute weile halb todt und unempfindlich / biß ich endlich / mehr unsinnig als erschrocken / mit grossem Geschrey nach den Wald liefe / dahin der andere Schäfer mir nachfolgte. Wir suchten eine lange Zeit /zwar gantz vergeblich / nach dem Kinde / biß wir zuletzt einen ertödeten Wolff von ungewönltcher Grösse fanden / welchen der Schäfer alsobald vor den jenigen erkante / der mein Kind hinweg getragen. Er war mit vielen Stichen erleget / und machte uns Hoffen / daß das Kind möchte bey dem Leben erhalten seyn. Dannenhero wir viel eiffriger / aber nicht glücklicher / als zuvor / suchten: biß uns die einbrechende Nacht ablassen machte. Ich habe auch nicht gefeyrct / so viel Jahr her / das jenige ängstiglich zu suchen / was ich so ergetzlich besessen / und so unvorsichtig verlohren: habe habe mit aller dieser Arbeit meinen Schmertzen nur grösser / und die Hoffnung der Wiederfindung geringer gemacht / also daß ich daran gantz verzweiffelt / und nichts als eine erbärmliche Klage übrig behalten. O! Himmel! welch ein strenges Verhängnüs hat dein Raht über mich beschlossen? welches auch mein Leben vorzeitig wird zu Ende fördern. Allhier unterbrachen die Thränen die Rede des Cumenus / und gaben Polyphilo anlaß / ihn mit diesen Worten zu trösten: Ich muß zwar bekennen / betrübter Cumenus! daß sein Unglück groß / und seine Schmertzen billig sind. Aber er wird sich hierinn /von der Gedult und Hoffnung die Schrancken setzen lassen: in Betrachtung / daß die göttliche Schickungen allezeit die Weißheit zur Führerin haben / und ob sie gleich dunkel scheinen / dennoch zu unsern besten dienen. Es scheinet aus allen Umständen / daß seine Tochter nicht todt / sondern nur entführet sey; Und wer weiß / wie nahe die Stunde ist / in welcher ihm der Himmel die jenige lebendig schenken wird / die er anietzo als todt und verlohren beklaget. Dieses habe ich mehr zu wünschen / als zu hoffen; (gab Cumenus zur betrübten Antwort) danke aber indessen vor seine freundliche Tröstung / und hoffe / mein liebstes Kind / wo nicht in diesem / doch in dem künftigen Leben / zu welchem mir diese graue Haare allbereit die Pforte zu eröffnen versprechen / wieder zu sehen. Hiermit beschlossen sie ihr Gespräche / und wurden folgends / weil es schon spate war / die Heerden eingetrieben. 5. Absatz Fünfter Absatz Polyphilus trägt Macarien / das Richter-Amt wegen des Reimen-Kampfes / durch ein Schreiben auf / und wird hierauf von Melopharmis / Phormena /Agapistus und Servetus besuchet. Macarien Antwort-Schreiben / spricht ihme den Krantz und Preiß zu / den ihm Volinie aufsetzet. Polyphilus schlieffe selbige Nacht wenig: dann die Erzehlung des Cumenus / machte ihm die Einbildung / daß seine Macarie die jenige seyn müsse / welche er beklagte / immer scheinbarer / also / daß er sich nun seelig schätzte / bey seiner Liebsten Befreundten zu leben / und kaum erwarten kunde / die Gewißheit von Macarie selbsten zu vernehmen. Er erinnerte sich auch / daß er ihr eine Antwort schuldig; und weil er den Streit der Schäfere durch sie zu schlichten versprochen / suchte er beydes zu beschleunigen / und schriebe an sie folgendes. Schöne Macarie! Billig hätte ich deren Leztes eher beantworten / und die höfliche Frage / ob ich / in Widerstrebung der Liebe / meiner erwehlten Vorgängerin zu folgen gedenke: erwägen sollen: Allein es machten mich diß mahl unsere Hirten-Spiele aufs neue sündigen. Gleichwol weil die Schuld nicht mein ist / hoffe ich von ihrer Ruhmwürdigen Güte die Vergebung. Anlangend nun die Erwehlung des Vor- oder Nachgangs in Besiegung der Liebe / werde ich bey dem ersten Schluß bleiben / und rühmlicher bey einer standhafften Tugend als wanckelbaren Untugend verharren. Wann sie aber ein Geding mit mir einzugehen beliebet / bitte ich / mir mein Recht nicht zu nehmen / sondern mir den Vorgang / ihr aber schönes Kind! die getreue Folge anzubefehlen: weil ich mich ohne das schuldig bekenne / alle Unglücks-Wege vor ihr her durch zu wandern / und die Schmertzen-Dornen auszureumen / daß sie die Ruhe ihrer Zufriedenheit nicht blutritzen Sie versichere sich auch / daß ich nicht nur die Dornen / sondern auch / so sich ungefebr ein Stein des Anstossens finden solte / denselben mit solcher Wachsamkeit werde beyseit werffen / daß unsere Sinnen in der Liebes-Vergnügung / nach diesem / desto sicherer schlaffen können. Der klagende Freund / wird sich leicht besänfftigen lassen: doch mit dem Vorbehalt / daß ihm seine sonst rühmliche Verwaltung nicht mehr verdächtig gemacht werde. Was macht aber der Arrest ihrer Gedichte: ist er noch nicht aufgehoben: Ach! daß mich doch der Himmel so angenehm straffen wolte / daß ich / gleich ihren schönen Gedichten /von den Händen meiner allerwehrtesten Macarie mit einem Arrest solte beleget werden! Ich überrede mich / daß ich nie eine erfreulichere Freyheit genossen / als diese Gefängnüs mir seyn würde. Und damit diese Gefangene nicht ohne Besucher seyn / übersende ich ihr hiemit unsre Schäfer-Lieder / und bitte /durch ihre hohe Erfahrenheit und Kunst / ein Urtheil zu sprechen / welchen unter diesen beykommenden Gedichten der Preiß gebühre: die sich / doch ohne Namen / ihrem geneigten Ausspruch unterwerffen. Ich schliesse mich nochmals in ihre beharrliche Gewogenheit / verbleibende der getreue und beständige Polyphilus . Diesen Brief truge er selber / so bald Aurora mit den Rosen-farben Leitseilen die Sonne hervor führte /nach dem Lusthause Macarien / und übergab ihn dem Garten-Jungen / mit Befehl / solchen zu überlieffern /und / wo möglich / eilende Antwort zu bringen. Als er aber in unterschiedlichem Nachsinnen / wieder zurück gieng / sahe er von weiten eine Gesellschafft von etlichen Manns- und Weibs-Personen gegen ihm kommen: welcher zu entgehen / er einen andern Weg starck vor sich nahme. Aber jene / als sie seine Geschwindigkeit warnahmen / fiengen au zu ruffen: wohin / steltzer Schäfer! mag er keine Gesellschafft um sich leiden? Polyphilus / der ihm nicht einbilden kunde / wer ihn so kühn anschreyen dorfte / sahe mit etwas ernstlichen Gesicht zurück / und wurde gewar /daß es sein liebster Freund Agapistus war / welcher /in Begleitung Melopharmis / Phormena und des Servetus / ihm zu besuchen kame. So viel angenehmer war ihn diese Begegnung / je weniger er sie vermuhtet. Sie lieffen in gleicher Eile / einander in die Arme / und bezeigten die Grösse ihrer Vergnügung. Die Umarmung / bekräfftet von der Bewegung ihrer Aufrichtigkeit / schlosse diese beyde so fest zusammen / daß man wohl erkennen konte / wie die verbundene Seelen durch den Dienst des Leibes würkten. Sie hätten sich auch so bald nicht getrennet / wann nicht die Furcht / die Ehr-geitzige Melopharmis möchte /des Polyphilus Langsamkeit für einen Schimpf aufnehmend / sich erzürnen / ihre Lust abgekürtzet und diesen / sie zu bewillkommen / gezwungen hätte. Also verliesse er seinen Freund / und empfienge Melopharmis / samt Phormena so höslich / als freundlich / sprechend: wie seelig ist dieser Tag / geehrte Freundinnen! ihrem Diener / wegen dero liebsten Besuchung / die ich zwar sehnlich gehoffet / aber kaum glauben oder erwarten können. Billig stolziret heut meine Heerde und Weide / weil sie so herrliche Gesellschafft überkommet. Sie ist nicht herrlich / sondern freundlich / höflicher Schäfer! (gab Melopharmis zur Antwort) und bringet mit sich einen Königlichen und sehr gnädigen Gruß. Das ist noch trefflicher /(versetzte Polyphilus /) und gar zu viel für einen armseligen Schäfer. Man klaget aber sonst selten über Gnade und Liebe: erwiederte Melopharmts mit Lächeln. Aber wie gehets meinem Sohn / daß ich euch hier ohne denselben finde? Es gehet ihme sehr wohl: sagte Polyphilus. Daß er aber dißmahl nicht bey mir /kam von einem besondern Geschäffte / welches ich in der Nähe abgelegt. Sie kommen mit mir / und sehen den artigen Schäfer Tycheno / wie wohl er sich in den neuen Orden zu schicken weiß. Also giengen sie mit einander / und fragte Polyphilus Agapisten: warum er scine Wiederkunft so lang verzogen? Der gnädige Befehl Atychintiden (gab dieser zur Antwort) muß mein Aussenbleiben rechtfertigen / welches mich sonst einer Straffe schuldig machen würde. Wiewohl ich fast mehr über Phormena klagen solte / die durch ihr Abwesen solchen Befehl ausgewirket. Warum lassen mich / (sprach Phormena) die schönen Schäfere ihr Vorhaben nicht wissen / damit ich meine Geschäffte zurück ziehen / und ihren Begehren abwarten könne? Das soll künfftig geschehen. (begegnete ihr Polyphilus schertzende) Dißmahl aber wollen wir die Straffe vollzichen / und Phormena so lang in unserer Weide arrestiren / als lang sie die Heimreise des Agapistus verhintert. Ich will dieses Urtheil (sagte Phormena) nicht eher ungerecht nennen / als wann ich das Werek davon sehen werde / unterdessen aber das Recht der Widersprechung mir vorbehalten haben. Vielleicht möchte dieses Gefängnüs mir angenehmer seyn / als meine jetzige Freyheit. Unter solchen / und dergleichen kurtzweiligen Gesprächen / gelangten sie zu den Hirten / und wurden von denselben sehr freundlich empfangen: da dann sonderlich Tycheno / seine kindliche Schuldigkeit gegen Melopharmis so höflich erwiese / daß sie darob nicht geringe Freude empfunde. Cumenus auch /nachdem er erfahren / daß diese Gäste von so hoher Betrachtung / unterliesse nichtes / das zu ihrer Kurtzweil und Ergetzung dienen mochte / also daß Phormena sagte: Sie habe wohl gethan / daß sie sich mit Widersprechung ihrer Verdamnüs nicht übereilet / weil sie sehe / daß diese Straffe viel eher einer Belohnung zu gleichen sey. Ich weiß nicht / geehrte Phormena! (versetzte Polyphilus) ob sie dieses aufrichtig / oder nur mir zu gefallen redet? Es sey aber wie es wolle /so muß ich bekennen / daß mich dieser Stand / über alle vorige Art meines Lebens vergnügt. Auf solche Weise / (gab Phormena zur Antwort) dürffen wir zu Sophoxenien nach Polyphilo uns nicht mehr sehnen. Ausser einer Besuchung (erwiederte Polyphilus) gar schwerlich: man wird auch / an so hohen Orten / nach niedrigen Schäfern kein Verlangen tragen. Das stelle ich zu seiner Betrachtung / (verdoppelte Phormena) die mehr erkennen wird / als ich sagen kan. Polyphilus zoge die Schultern / und fürchtete sich /das jenige weiter zu rühren / was am sichersten in der Vergessenheit schlieffe. Er verliesse Phormena bey der schönen Schäferin Volinie / und sezte sich zum Agapistus / indem Melopharmis mit ihrem Sohn Sprache hielte / und begehrte von denselben zu vernehmen / wie sich Macarie und Atychintide gegen ihm erwiesen? Was soll ich sagen? (sagte Agapistus) ich werde zu beeden Theilen unrecht reden / und doch soll ich es reden. Macarie hat sich fremd / und Atychintide verliebt / gegen euch heraus gelassen. Von dieser / und ihrer beharrlichen Torheit / kan euch Melopharmis erzehlen: Von jener aber werden / wie ich hoffe / ihre Briefe zeigen / daß sie mit ihren Befehl /ich solte euch von ihrer Liebe abrathen / gegen mich gescherzt habe. Das sind seltzame Zeitungen! (sagte Polyphilus) soll ich dann niemals aus dieser Verwirrung kommen? erzehlet doch etwas mitläuffiger / was ihr iezt in die änge gefast / damit ich sehe / ob diesem Unheil nicht zu begegnen sey? Nachdem Agapistus hierauf alles erzehlet / was er von beyden gehöret /sagte Polyphilus: So liebet mich dann / die ich hasse /und wegert sich / die ich liebe? wiewohl dieser ihre Brieflein etwas freundlicher lauten. Doch / ich will /beydes zu ändern / eine Reise nach Ruthiden vornehmen / und also bey der Königin / die Hofnung meiner Widerkunft auslöschen / auch Macarien im Vorbeyziehen besuchen / und von ihr selbst eine bessere Antwort holen. Der Vorsatz ist gut / (sagte Agapistus /) lasset ihn nur bald zu Werke kommen: dann sonst werdet ihr mit nach Saphoxenien reisen müssen /massen die Königin deßwegen die Melopharmis und Phormena mit geschickt. Gut! daß ihr das saget: (begegnete ihm Polyphilus) sobald ich nur Antwort von Macarien erhalten / wollen wir uns auf den Weg machen. Also endeten sie dißmal ihr Gespräche / und vertrieben die übrige Zeit mit der Gesellschaft / biß sie die Finsternüs nach Haus triebe / und sie / nach Bewirtung ihrer Gäste / sich schlaffen legten. Des andern Tags / kürzten sie die Zeit mit allerhand Hirten- Spielen / und ließ Volinie ihre schertzende Höflichkeit / zu ihrer aller Ergetzung / zimlich hervor blicken. Mitten aber in solcher Ubung / kam des Gärtners Jung / und brachte Polyphilo einen Brief von Macarien / welchen er eilends erbrache / und diese Zeilen lase. Preiß-würdiger Schäfer! Worzu soll doch dienen / die Entschuldigung seiner langsamen Begrüssung: Soll ich seine Höflichkeit /oder seine Beredsamkeit / daraus erkennen: beedes scheinet unnötig / weil ich solche Beschaffenheiten an ihme längsten erkennet und gerühmet. Oder machet ihn meine neuliche kühne Anklage so furchtsam: so weiß er ja / daß ich damahls seine eigne Zusage / welche mir ein eilfertiges Brieflein versprochen / zum Grunde gehabt: dißmal aber kein Recht vorzulegen habe / dadurch ich ihm einigen Gruß abnötigen könte; ich wolte dann / aus seiner freywilligen / und vorhin unverdienten Gewogenheit / mit grosser Unhöflichkeit / eine Pflicht zu machen bemühet seyn. Ich habe demnach also / weder zu vergeben / noch zu straffen /sondern vielmehr zu danken: nicht allein / daß er seine Zeit / die er mit viel wichtigern und fruchtbarern Geschäften verschliessen könte / in meinem geringen Andenken zubringen wollen / sondern auch / daß er ihre künstliche Hirten-Gedichte / mir zur Uberlesung /mittheilen wollen. Ein Urtheil davon zu fällen / scheinet von mir e ne Vermessenheit: doch treibet mich sein Befehl / diese Künheit zu wagen / und dem lezten Kunst- und Tugendprangenden Lied / nach der Gerechtigkeit / die Oberstelle zu geben. Es erscheinet /aus Erwehlung des Vorgangs in der Liebe / seine Vorsichtigkeit: als womit er ihm die Freyheit des Lauffens / des Stillstehens / oder auch des Zurückgehens / allein zueignet. Mir kommt zwar die Nachfolge gefährlich vor / weil ich befürchte / durch unbedachtsame Ubereilung / seiner behutsamen Tritte zu verfehlen / und also aus den Schranken der Nachfolge zu schreiten. Doch fürchte ich nicht / in solchen Lauf zu ermüden / weil ich sehe / daß er nicht allein einen sehr langsamen Gang führet / sondern auch zuweiln gar stillstehet: entweder auszuruhen / oder vielleicht nachzudenken / ob auch das vorgesteckte Ziel / einen so mühelamen und beschwerlichen Weg verdiene. Der Bote eilet / und zwinget mich zu schliessen. Ich wünsche ihm grosses Glück: darinn er doch nicht hoffärtig werden / sondern bey müssigen Stunden / sich erinnern wolle / seiner ergebenen Macarie . Nachdem Polyphilus diesen Brief durchlesen / überreichte er ihn dem Agapistus / mit Bitte / ein Urtheil davon zu fällen; er aber truge die Gedichte zu den Schäfern / und übergab sie der Volinie / sprechend: Ich sehe doch wol / schönste Schäferin! daß die Ehre /gleich einer leichten Feder / den jenigen nacheilet /welcher vor ihr fliehet. Ich darf nicht sagen / das dieses Urtheil ungerecht / welches meinem Lied den Vorzug gibet: sonst würde ich die Richterin wegen einer Parteylichkeit anklagen. Ich muß also schliessen / daß der Innhalt / und nicht die Kunst-Worte / in meinem Gedichte den Preiß verdiene. Ich hab wol gedacht /(sagte Volinie) das Polyphilus nur unsern Ruhm durch einen fremden verstärken würde. Eben iezt /habe ich einen frischen Krantz / weil der vorige welk worden / zu seinem Sieg gewunden. So nehmet dann /Preiß-geehrter Schäfer! was euch / und eurem klugen Gedichte / aus doppeltem Recht zustehet! unsere ganze Gesellschaft / wird euch zu dieser Ehre Glück wünschen. So pranget in der Kron / Und last der Künste Lohn / Die klugen Schläf' umwinden. Durch diesen Schäfer-Preiß / Last euren schönen Fleiß Je mehr und mehr entzünden. Ihr / unsrer Heerde Zier! Erlaubet / bitt ich / mir Die schönen Haar zu krönen. Es will durch meine Hand / Diß Ruhm- und Sieges-Pfand Euch die Gesellschaft gönnen. Mit diesen Worten / sezte sie dem Polyphilus den Krantz auf das Haupt: worbey Cumenus / Filato und Amapfe / ihme mit gar höflichen Worten / zu dieser Ehre / Glück wünschten. Agapistus / wie auch Melopharmis / und Phormena / nachdem sie die Ursach dieser Bekrönung erforschet / unterliessen nicht / ihre Glückwünschungen mit abzulegen. Polyphilus / mit erröteter Stirn / sagte: Ich weiß nicht / wehrte Gesellschaftere! wo ich Worte finden soll / ihre hohe Beehrungen zu erwiedern. Meine Sinne stehen über so unverhoffter Bewürdigung bestürzt / und wissen sich kaum selber in mein Glücke zu schicken. Ich bitte demnach / meiner stamlenden Zunge zu vergeben /wann sie mit gebrochnen Worten danket. Ihr aber /schönste Schäferin! (sagte er / sich gegen Volinie wendende) opfere ich mich / in der Krone / welche ihre Geberin viel herrlicher und angenehmer macht /zu einem schuldigen Knecht: nichts mehr wünschend /als Gelegenheit / mein dankbares Gemüt in ihrem Gehorsam sehen zu lassen. Inzwischen bitte ich / mir zu erlauben / die schönste Hand / welche sich in meiner Bekrönung so hoch bemühet / mit einem Ehr-Kuß zu bedienen / als einem Zeugen meiner ewigen Verpflichtung. Nachdem er ihr hiemit die Hand geküsset /antwortete Volinie gar freundlich: Der Dank ist zu hoch / geprießner Schäfer! was die Gerechtigkeit fordert / verdient keine Belohnung. Eure eigne Geschicklichkeit hat euch gekrönet / und meiner schwachen Hand nur die angenehme Verrichtung aufgetragen. Dannenhero ich vielmehr vor solche Ehre zu danken /als Dank zu fordern habe. Polyphilus begegnete ihr wieder mit dergleichen Reden / und erzeigten also diese beede einander so viel Höflichkeit / das Phormena anfieng zu zweifeln / ob sie dieses einer blossen Freundlichkeit oder vermengten Liebe zurechnen solte. Sie verhielte aber solche Gedanken / und suchte ihren Argwahn durch mehrere Zeichen zubekräftigen. Jene hingegen gebrauchten sich ihrer Freyheit / in gefährlicher Sicherheit / und wusten nicht / daß jemand vorhanden / der ein mißtrauisches Auge über ihre Handlungen führte. Also vertrieben sie die Zeit / biß Melopharmis erinnerte / wie daß sich das Ziel / welches Atychintide ihrer Wiederkunft gesetzet / nähere / und neben der Phormena bey Polyphilo anhielte / mit nach Sophoxenien zu reisen. Dieser / als er ihre Meinung vernommen / gab zur Antwort: Er müste notwendig nach Ruthiben reisen / und hätte es schon zu lang aufgeschoben; bate also / ihn vor entschuldiget zu halten / daß er dißmal seine Schuldigkeit nicht beobachten könte /mit versprechen / daß er nach vollbrachter Reise /seine unterthänige Aufwartung bey der Königin gewiß ablegen wolte. Wollet ihr dann (sagte Melopharmis) meinen Sohn mit hinauf nach Ruthiben nehmen? Dafern es ihr nicht mißfällig: versezte Polyphilus Nein! (sagte Melopharmis) ich unterwerffe ihn keiner solchen Gefahr mehr. Vergebet mir / Polyphilus! meine Sorgfalt: die vergangene unglückliche Reise / machet mir alle andere verdächtig. So mag er so lang bey den Schäfern bleiben / (gab Polyphilus zur Antwort) biß wir wieder zurücke kommen. Es wird ihn aber gar zu einsam seyn: (begegnete ihm Melopharmis) ich will dann inzwischen hier bleiben / und Phormena mit dem Servetus nach Sophoxenien schicken / damit Atychintide / biß zu unserer Ankunft / ohne Sorg lebe / und von unserm Zustande Nachricht habe. Diesen Vorschlag liesse ihm Polyphilus gefallen. Phormena hingegen / welche ohne das in Neid und Eifer gegen dem Glück Melopharmis brennete / nahm ihre angemaste Herrschaft / durch die sie ihr heimzureisen gebieten wolte / so empfindlich auf / daß sie vor Zorn nicht antworten kunde / und ihr vornahm / solche unbillige Gewalt / vielmehr mit Hinterlist / als Widersprechung zu rächen. 6. Absatz Sechster Absatz Polyphilus mit Agapisto nach Ruthiben reisend /kommt unterwegs nach Soletten / zu Macarien. Selbige erzehlt ihme / auf sein Bitten / ihren Lebens-Lauf / wie sie in ihrer Kindheit verloren / von Firmisco und Elengie erzogen / nachmals an Honede verheuratet / aber bald durch seinen Tod zur Witwe geworden. Polyphilus und Agapistus / rüsteten sich nun zur Reise / nahmen vom Cumenus ein Beförderung Schreiben an den vornemsten Schäfer zu Ruthiben /und zogen folgenden Morgens / nachdem sie von allen Abschied genommen / in Gesellschaft Phormenen und des Servetus / von dannen / biß sie die Strasse trennte: da sie Phormena mit freundlichem Dank vor ihre Besuchung / neben einer unterthänigen Befehlung an die Königin / nach den Schloße Sophoxenien gehen liessen / und sich auf den Weg nach Soletten wendeten. Agapistus fragte den Polyphilus: ob er noch des Sinnes sey / Macarien zu besuchen? dann sonsten wolten sie eine nähere Strasse gehen. Freylich (sagte Polyphilus) muß ich Macarie sehen: solte ich diese Reise ohne ihr Wissen vornehmen? Was werden aber die Innwohner sagen? fragte Agapistus ferner. Vielleicht erregen wir einen neuen Lärmen? Das mag seyn / wie es ist / (versezte Polyphilus) ich muß einmal mit Macarie reden. Hierauf erzehlte er ihm die Ursache / und wie er / aus dem Liede des Cumenus /(welches er auch noch bey sich hatte / und den Agapistus lesen ließe) mutmasse / daß Macarie seine leibliche Tochter sey / auch dieses von ihr völliger zu erfahren suche. Hierüber ward Agapistus voll Verwunderung und Freude / lobte auch des Polyphilus Vorsatz / und versprache ihm / treue Beförderung zu leisten. Er riete benebens / daß sie bey Talypsidamus zusprechen / und seinen Raht / wegen bevorstehender Gefahr / vernehmen wolten: welches Polyphilus annahm / und also mit seinem Freund / in gar vertraulichem Gespräch fort reisete / biß sie nahe an die Insul kamen. Sie liessen sich bald überführen / und giengen geschwind nach der Wohnung des Talypsidamus; wurden auch von demselben / mit aller der Freude empfangen / die jemals ein aufrichtiger Freund / über des andern Ankunft / fühlen kan. Als sie nun die Ursach ihrer Reise entdecket / und nun um einen Raht baten /wie Polyphilus zu Macarien kommen möchte / weil er ohne ihre Besuchung nicht weiker wolte; gab er zur Antwort: er wolte seinen Jungen zu Macarien schicken / und von ihr selbst einen Befehl in dieser Gefahr / einholen lassen. Damit waren sie zu frieden /und wurde der Junge alsbald abgesendet / welcher /als er zu Macarien kam / sein Gewerb mit diesen Worten vorbrachte: Hochgeehrte Macarie! die beyde Schäfere / Polyphilus und Agpaistus / lassen sie /neben dienstlicher Begrüssung / wissen / daß sie / auf der Reise nach Ruthiben begriffen / und ihren Weg hierdurch nehmend / bey meinem Herrn / dem Talypsidamus / ihren Befehl erwarten / ob Polyphilus bey ihr zusprechen / oder ohne ihre Besuchung seine Reise fortsetzen solle? Macarie / über diesem unvermuteten Anbringen etwas erschrocken / wuste fast nicht / was sie antworten solte? Der Inwohnere Feindschaft / welche in der Aschen glimmete / und durch einen kleinen Wind konte angefeuret werden / war ihr nicht unbekandt. Ihren Polyphilus aber so nahe zu wissen / und doch nicht zu sehen / fiele ihr ganz unmüglich. Es tröstete sie auch der Schäfer-Habit / welcher ihn dieser Insul unbekandt machen würde. Demnach liesse sie ihm /durch den Jungen sagen: Sie wolte des Polyphilus Besuchung / noch vor seiner wieder Abreise / erwarten. Worauf sich dieser nicht saumte / sondern so bald von den andern Abschied nahm / und nach den Hause seiner Liebsten / in voller Hoffnung / sein Verlangen zu sättigen / eilete. Er wurde von derselben sehr freundlich empfangen / und als er ihr die Ursach seiner Reise / welche allein biß daher ihre Zusammenkunft verhintert / angezeigt / wünschte sie ihm / zu solcher /tausend Glücke / und bate ihn / seine Wiederkunft zu beschleunigen; damit sie einmal von der Widerwertigkeit befreyet / und seiner Beywohnung ohne Furcht der Solettischen Innwohner / geniessen möchte. Welches er ihr mit einem Kuß versprache. Er nahme aber von dieser ihrer Bitte Gelegenheit /sie zu fragen: warum sie doch die Insul so sehr scheuete? ob sie da gebohrn / und daher ihre nahe Verwandten zu fürchten habe? Ich habe ja (versezte Macarie) allhier keine Freunde von Geblüte: aber die Tugend / welche sich iederzeit vor bösen Nachreden fürchtet / heist mich derjenigen Haß verhüten / die bißher meinen Ruhm befördert / und mich als Freunde geliebet haben. Das will ich nicht tadeln: (sagte Polyphilus) weil wir aber auf dieses Gespräche kommen /wird sie mir / schönste Macarie! vergeben / daß ich fragen darff: welches Land sich ihrer glückseeligen Geburt zu rühmen habe? Das Gesicht Macarien /ward hierüber mit einer Purpur-röte überzogen; welches Polyphilus warnehmend / mit gar freundlicher Umarmung um die Antwort anhielte. Sie sagte endlich / mit einem tieffen Seufzer: Ach! mein Polyphilus! Ihr habt mich zuviel gefraget. Dieses ist eben das Unglück / welches mir so manche Thränen ausgepresset / aus welchem ich auch / ohn eure Hülffe (wann anderst der Götter-Antwort zu trauen) nicht zu entkommen weiß. Kan meine Hülffe / allerliebstes Hertz! (gab Polyphilus zur Antwort) ihre Seufzer stillen /und ihre Thränen trocknen / so befehle sie mir doch die glückseelige Verrichtung / und lebe versichert /daß mich keine Arbeit zu schwer / und keine Gefahr zu groß dünken soll / dafern es ihre Zufriedenheit erfordert. Ich bitte / nur das Mittel mir zu entdecken /durch welches ich meine Dienstfertigkeit soll sehen lassen. Auch dieses ist mir unbekandt: sagte Macarie. Ich bin schon in der Wiegen / dem Unglück zum Raube überlassen / und so unseelig / daß ich noch diese Stunde nicht weiß / welchen Eltern ich mein Leben schuldig bin. Das ist ein Zufall / (gabe Polyphilus zur Antwort /) der sie vielen vornehmen Leuten gleich machet. Sie erzehle mir aber / von wem sie erzogen worden / und wie sie in diese Insul gekommen? Meine Auferziehung / (begegnete ihm Macarie) habe ich dem Firmiscus / einem vornehmen Herrn des Landes Thessalien / oder vielmehr seiner frommen und Tugendhaften Gemahlin Elengie / zu danken: dann unter deren Aufsicht / bin ich / so lang ich des Gedächtnüs (welches gemeinlich der untersten Jahre sich schämet mich zu rühmen habe / mit ihren Töchtern / so sorgfältig und liebreich erzogen worden / daß ich eine Zeitlang nicht anderst gewust / als sey sie meine leibliche Mutter. Mit zuwachsenden Jahren aber / entdeckte sie mir / das ich nicht ihr / (das sie zwar wünschte) sondern ein fremdes Kind wäre / welches ihr Herr einst von einer Reise / auf deren er mich / seinem erzehlen nach / einem Wolf abgejagt / mit nach Hause gebracht: in einem solchen Alter / da ich zwar meinen Namen nennen können / von meinen Eltern aber eine so kindische Antwort gegeben / die ihnen mehr ein Gelächter erwegt / als einige Nachricht ertheilet. Wie ich über dieser Zeitung erschrocken / kan ich nicht gnugsam beschreiben. Ich hielte mich vor die aller unseeligste / so iemals unter der Sonne gelebet /und unterließ nicht / mein Unglück mit heisen Thränen zu beklagen. Und ob gleich Elengie mich tröstete / mit versprechen / daß sie nichts desto weniger mir alle Wolthaten erweisen / und mich / gleich ihren eignen Töchtern / versorgen wolte: so war doch dieses mir eine Linderung / aber keine Heilung meiner Wunden. Ich suchte zu solcher einen höhern Arzt / und bate das Orakel / nach vorhergehendem Opfer / üm eine Antwort von meinen Eltern und Vaterlande; worauf ich diese Antwort erhalten. Woher du bist; kanst du iezt nicht erfahren. Wer dich gezeugt / das wird nach wenig Jahren / Dein zweyter Mann / dir können offenbaren. Von dieser Nachricht / empfienge ich mehr Kummer /als Hülffe. Dann weil ich damals noch nicht an den ersten Mann gedachte / und die andere Ehe / (welche mir noch diese Stunde bedenklich fället) wo nicht einem Laster / doch einen grossen Fehler gleich hielte: konte ich keine Errettung hoffen. Also verzweiffelte ich ganz an Wiederfindung meiner Eltern /und nahme mir vor / die Einsamkeit zu erwehlen /auch weil ich ohne Geschlecht / und als todt unter den Menschen seyn muste / bey den Todten in ihren hinterlassenen Schriften zu leben: damit also dem Glück / welches schon meine Kindheit scheel angesehen / die fernere Verfolgung abgeschnitten / und der Flecken / den sie mir in einer ungewissen Geburt angehenget / durch die Kunst- und Tugend-Ubungen etlicher müssen ausgelescht würde. Aber / was soll ich sagen? der Schluß des Himmels bleibet wol fest / ob gleich wir onmächtige Menschen uns dagegen auflehnen / und müssen wir dem Ziel /welches die ewige Versehung unserm Thun gestecket / wie verdrießlich es uns auch vorkommet / dannoch mit Willen zulauffen. Ich hatte diesen Vorsatz erst gefasset / als ich ihn schon wieder verliesse / und kaum einen Fuß aus der Kindheit in die Jugend gefetzet / als ich desselben gewönliche Krankheit (ich will sagen die Liebe) empfande. Eine Seuche / welche so viel schwerer zu heilen ist / je leichter man in dieselbe gerähtet / und ie angenehmer sie denjenigen ist /die damit behaftet sind. Der Fels / an welchem das Schiff meiner Freyheit gescheitert / war Honede / ein Jüngling aus Thracien: welcher der Grausamkeit des Meers / nachdem das schwache Haus seiner Fahrt-Wohnung zerbrochen / auf einem kleinen Nachen entkommen / und an das Ufer gelangte / eben zu der Zeit / als Firmisco an demselben spaziren gienge /und diesen Verfolgten / wie er gewohnt war / mit sich nach seinem Schloß (das der See gar nahe lag) zur Herberge nahm. Seine gute Gestalt / anständige Sitten / höfliche und geschickte Gespräche / machten ihm allerwegen Freunde und Liebhaber / bewegten auch den Firmiscus / ihn zu bitten / daß er ihm so lang seine Gesellschaft gönnen wolte / biß er seinen Freunden von seinem Zustande hätte Nachricht ertheilet. Honede bedankte sich für das höfliche Anerbieten / und verwilligte so lang zu bleiben / biß er aus seinem Vatterland Antwort erhalten hätte. Also wurde das Garn angesponnen / welches meine Jugend bestricken solte. Denn er hatte meiner nicht so bald wargenommen / da fühlte er (wie er mir nachmals erzehlet) eine solche Bewegung gegen mir /deren er ganz ungewohnt war: weil er biß dahin den Apfel / nemlich sich selbst / vielmehr der Pallas / als der buhlerischen Venus dargereichet / und nichtes mehrer / als die Liebe verfluchet. Er wiedersezte sich deßwegen ihren Fesseln zum heftigsten / und nahme die Vernunft (wiewohl vergeblich) zur Gehülffin /wieder diese Feindin. Doch wurden die Augen zu stummen Verräthern / und zeigten mir / mit ihrem Nachsehen / wohin seine Gedanken zielten. Und ob ich wol / bey meiner unvorsichtigen Jugend / solche Sprache noch nicht verstunde / so war ich doch nicht ungeschickt / in derselben Erlernung / und wuste seinen Senfzen / mit solchen Blicken zu begegnen / die ihme mehr als eine gemeine Freundlichkeit zu erkennen gaben / und ihn nötigten / eine fernere Erklärung bey mir zu suchen. Es hatte ihm der See-Sturm / von allen den Köstlichkeiten / so er bey sich geführet /noch ein Stück fremdes Band / welches er / als eine Seltenheit / mit nach Hause bringen wolte / vielleicht zu seiner eignen Verknüpfung / übrig gelassen: Mit diesen gedachte er die jenige zu binden / welcher Bande er allbereit fühlte / und verehrte es mir / mit diesen Reim-Zeilen: Weil eurer Augen Liecht schon lernet überwinden Die Hertzen und Vernunft: und die noch schwache Hand Der frenen Geister Sinn in eure Seele bannt: So last / diß schlechte Band / euch Händ und Augen binden. Die mit Blut überloffne Stirn / mit deren ich diese Zeilen lase / und die leichte Entschuldigung / welche ich seiner Anwerbung gabe / machten ihm nicht geringe Hoffnung / seinen Zweck zu erreichen / und meine Gegenliebe zu gewinnen. Daher er sich viel eifriger /als zuvor / darum bemühte. Hingegen war mein noch unreiffer Verstand viel zu onmächtig / dem Gewalt der Liebe zu widerstreben / vor welcher auch die allervernünftigsten ihre Waffen niederlegen. Die höfliche Gespräche / freundliche Bezeigungen / verliebte Gedichte und süß-klingende Musiken / mit welchen Honede um meine Gewogenheit bate / waren lauter Geschütze / die Vestung meines Hertzens zu stürmen / und die Ubergab zu befördern. Also gieng ich springend in die Dienstbarkeit / wider die sich andere so lang sträuben / und erlangte / mit dieser Willfährigkeit / von der Liebe / eine nicht geringe Belohnung: dann sie gönnte uns beyden eine solche Freyheit / als jemals zwey Verliebte wünschen können; weil Firmiscus / wegen seiner Geschäfte / selten zu Hause war /Elengie aber / entweder unserer Freundschaft nicht warnahm / oder doch selbige nicht hintern wolte. Dergestalt genossen wir eine Zeitlang das Honig der Liebe / und wusten nicht / daß der Stachel so nahe war / uns schmertzlich zu verwunden. Unsere Ergötzung hatte nunmehr den höchsten Grad einer keuschen Liebe erstiegen / und war an dem Rade des Glückes so hoch gekommen / daß sie notwendig entweder stillstehen / oder wider zurück gehen muste: Als Honede von seinen Freunden Schreiben erhielte /die ihn eilends nach Hause berieffen. Mit was Ungedult er diesen Befehl angenommen / und wie schmertzlich er diese unsre Trennung bewilitgt / will ich eurem eignen Urtheil zu bedenken heimstellen. Doch muste die Reise fortgehen / und nahm er / mit vielen Bitten / daß ich ihme beständig seyn wolte /von mir einen traurigen Abschied / neben Versprechung / so bald er sich von seinen Freunden loß wirken könde / wieder zukehren. Also zoge er mehr todt /als lebendig hinweg / und hinterliesse mich in einem solchen Zusiande / daß ich eine Zeitlang als ohne Seele lebte: weil ich dergleichen Schmertzen noch ungewohnt / und bißher nur die süsse Früchte der Liebe / nicht aber ihre bittere Wurtzel / gekostet hatte. Doch machten die angenehme Brieflein / welche billig eine Artznei der Verliebten zu nennen / daß ich allmählig Gedult lernete: biß eine neue Widerwertigkeit solche Ruhe zerstörete. Es kame kurtz nach des Honede Abzug / ein naher Verwandter des Firmisco / Kilenfre genannt / aus der Fremde auf unsrem Schloß an / und wurde von Firmisco gar höflich empfangen /und freundlich bewirtet. Dieser hatte / da er mich kaum ersehen / zu meinen Unglück / in mich sich verliebet / und suchte alle Gelegenheit zu meiner Bedienung. Ein Gefäß / das allbereit voll ist / vermag auch das allerköstlichste Oel nicht mehr zu fassen. Weil mein Hertz schon mit Honede Liebe erfüllet war /konten des Kilenfre Anwerbungen / dessen Beschaffenheiten sonst liebreich waren / kein Gehör erhalten /sondern ich flohe seine Gegenwart / so viel ich konte /und wolte von seiner Liebe nichts wissen. Er hingegen liebte mich / mit solcher Halsstarrigkeit / daß er alle abschlägige / unfreundliche und verächtliche Antworten von mir gedultete: in Hoffnung / daß meine Jugend / welche er der Liebe noch unfähig achtete /mit der Zeit ihr Unrecht selbst erkennen / und seine Beständigkeit belohnen würde. Also lebte ich unter seinen verdrießlichen Aufwartungen / biß Firmisco seines Verlangens gewar und bedacht wurde / uns beyde miteinander zu verehlichen. Er entdeckte solches dem Kilenfre / der es mir wieder mit Freuden erzehlte. Diß war ein neuer Streich des Unglücks / welcher mir alle Hoffnung erlähmete. Dem Firmiscus zu widerstreben / von welchem ich so viel Wolthaten empfangen / wäre ein Undank gewesen: einen andern aber / auser Honede / zu erwchlen / muste ich für lasterhaft achten. In dieser aussersten Bedrängnüs / nahme ich meine Zuflucht zu Elengie / und entdeckte ihr / wie ich mich schon an Honede ergeben / und viel lieber mit dem Grab / als mit einen andern wolte vermählen lassen. Diese billigte meinen Vorsatz (dann sie ware dem Kilenfre nicht sonders gewogen) und riehte mir / daß ich alsobald den Honede durch ein Brieflein beruffen solte: da sie dann uns fernere Mittel / unsern Wunsch zu befördern / zeigen wolte. Diesem Befehl kame ich ungeseumt nach / und liesse ein Brieflein an Honede abgehen / welches meines behalts also lautete. Wann ihr mich liebet / mein wehrter Honede! wie ihr mir dessen allezeit Proben gegeben / so werdet ihr nicht länger aussen bleiben / eine betrübte Secle zu trösten / welche stirbt aus Verlangen / euch zu sehen. Lasset euch auch die Gefahr hierzu ermahnen / da ich / ohn eure Hülffe / in kurtzen / eines andern Armen zu theil werden soll. Ich erwarte euer mit so grosser Ungedult / als es euer Verdienst und meine Liebe erfordert / eure beständige Macarie . Dieses Brieflein empfinge Honede als er eben den jenigen begraben liesse / welcher bißher seine wider-Abreise verhindert hatte. Daher er iezt dieselbe mit solcher Geschwindigkeit vornahme / wie es der Eifer seiner Liebe erfordert. Die Winde waren ihm so günstig / das er in wenig Tagen bey uns anlangte / und zwar eben in einer solchen Zeit / da gleich Firmisco mit Kilenfre auf der Jagt war / und ihm also gnug Raum gabe / den Anschlag der Elengie zu vernehmen. Diese erzehlte ihm nicht allein meinen Zustand / und wie ich unter ihre Verpflegung kommen / sondern auch des Firmisco Vorhaben / mich mit Kilenfre zu verehlichen / und riehte ihm / er solte (dafern er mich liebte) gegen ihren Eheherrn vorgeben / als hätte er in hiesiger Gegend einen Schäfer (dann daß ich von solchem Stande gebohren / hatten meine Kleider bezeuget) gefunden / welcher über den Verlust seines Töchterleins geklaget / und von desselben Verlierung so viel erzehlet / daß er aus allen Umständen geschlossen / er müste mein Vatter seyn / auch ihme meinen Zustand entdecket: worüber er sich höchst erfreuet /und ihn / den Honede / gebeten hätte / ihm seine Tochter Macarie / die er auf sein Bitten ihm ehlich versprochen / zuzuführen / und solte er um Macarien. Abfolgung und Antrauung den Firmiscas ersuchen /neben vieler Danksagung / vor die Erziehung dieser seiner Tochter. Diesem Anbringen / gabe sie einen Brief / als wäre er von meinem Vatter geschrieben /zum Gehülffen / und machte die Sache so scheinbar /das Firmisco keine Ursach zu zweiffeln fassen konte. Der Betrug gienge lustig von statten / und gabe Firmisco den Worten des Honede / den er ohne das sehr liebte / so sichern Glauben / daß er die göttliche Vorschung bewunderte / ihm zu unsrer Verehlichung Glück wünschte / und nun sich bedachte / wie er Kilenfre / dem er mich schon halb zugesagt hatte / wieder begütigen möchte. Und erscheinet hieraus / daß auch die allerklügste Männer / von der List ihrer Weiber bißweilen geäffet werden. Hierauf wurde die Hochzeit mit Freuden vollzogen: da auch Kilenfre /wie sehr er sich erstlich widersetzet / die Schickung des Himmels erkennte / und / an statt meines Liebsten / unser Freund wurde. Diß waren also die erwünschte Früchte / so unsre Beständigkeit getragen. Aber / wo nun hinaus? unserm Vorgeben gemäß /musten wir / bald nach der Hochzeit / fortziehen / und zwar in ein uns-unbekantes Land: weil Honede keine Liebste in sein Vatterland bringen dorfte / als der daselbst eine andere heuraten sollen. Ob mir dieses hart angekommen / ist wol zu erachten / weil ich biß dahin zart war erzogen worden. Doch machte die Liebe zu meinem Honede / daß ich alle Noht und Getahr vor nichts achtete / nun ich nur seine Beywohnung genosse. Also segelten wir / nach einem von Firmisco und Elengie genommenen freundlichen und Dank-sprechigen Abschied / mit guten Wind ab / und durchfuhren etliche Landschaften / deren doch keine meinem Honede anstehen wolte. Endlich nötigte uns / ein unvermuteter Sturm / wider unsern Willen an dieser Insul anzuländen: Und weil sie ihm / wegen der Einsamkeit / deren er von Natur ergeben war / nicht übel gefiele / beschlosse er eine Zeitlang hier zu verziehen. Es schickte sich aber / daß die Inwohner / als sie seine Gaben erkanten / ihn zu ihren Vorsteher erkiesten /und sehnlich baten: er möchte doch in ihren Schluß willigen / und ihnen seine beständige Beywohnung gönnen. Er verwilligte / auf mein Begehren / hier zu bleiben / und wurde von den Inwohnern so freundlich bewirtet / daß es ihn nicht wenig erfreuet. Niemals habe ich das Glück verliebter / als von selbiger Zeit an / mit mir schertzend befunden. Ich genosse einer so liebreichen Ehe / daß ich darinn nichts dann die Kürtze zubeklagen hatte / und Honede den Wind rühmete /welcher uns an diese Gegend getrieben. Aber ach! der betrüglichen Freude der Sterblichen! kaum hatten die Kertzen seiner Ehre und seines Glücks angefangen zu brennen / als sie / das boßhafte Glück / zu seinen Leich-Fackeln mißbrauchte / und mir / durch einen so unversehenen Zufall / meinen Honede / aus den Armen risse / daß ich eben so bald seinen erblassten Cörper vor mir gesehen / als ich seiner Krankheit gewar worden. Bey diesen Worten / begunten die Thränen / welche schon lang vor den Thoren ihrer Augen einen Ausgang gesuchet / die Rede Macarien zu schliessen / also das Polyphilus / der eine solche Bewegung seiner Liebe nicht zuträglich achtete / sie anfangen wolte zu trösten / aber bald sie also fortreden hörte: Es wundere euch nicht / mein Polyphilus! das ich diß mehr mit Thränen / als Worten erzehle. Ein solcher Verlust / kan mit trocknen Augen von keinem empfindlichen beklaget worden. Und dieses ist also / der verdrießliche Lebens-Lauf / eurer unseeligen Macarie: welcher euch billig bewegen solte / die jenige zu hassen / die von der Wiegen an / eine erbärmliche Schaubühne der Wiederwärtigkeiten seyn muß. Mir aber / solte es billig eine Warnung seyn /keinen andern weiter mit meinem Unglück zu verwickeln: wie ich dann gäntzlich gesonnen war / nachdem mir der Tod mit meinen Honede alle Freude ins Grab gelegt / die übrige Zeit meines betrübten Lebens / der Einsamkeit aufzuopfern. Massen ich auch / meinen ersten Brief an euch / mit Abmahnungen angefüllet /und nur der Traurigkeit einen Tempel in meinem Gemüte bauen wolte. Das wäre zuviel gewesen (fiel ihr Polyphilus / der dieses nicht anhören konte / in die Rede /) man muß /bey Traurigkeit / seiner eignen Wolfart nicht vergessen. Der Himmel fordert Gedult / aber keine Halsstarrigkeit. Er führet uns öffters / durch einen bösen Weg / zu einem guten Ziel. Ja er ist so gütig / daß er /noch vor dem Unglück / schon die Hülffe beschliesset. Vielleicht will er durch meine Liebe ersetzen /was sie so sehnlich beklaget. Ich hoffe auch / ihrem Honede / wo nicht in der Würde / doch in beständiger Liebe / zu gleichen. Und nun ich die Weissagung vernommen / werde ich auch nicht ablassen / biß ich ihre Eltern gefunden / und also ihr Unglück gewendet habe. Daß sind lauter Gründe / (gab Macarie zur Antwort) die meinen Begierden schmeicheln. Was soll ich sagen? Ich muß gehen / wohin mich mein Verhängnüs führet / ich thue es gleich willig / oder gezwungen. Doch sage ich / das ich der Liebe / und nicht der Vernunft folge: dann also fordert es mein Geschick / welchem ich mich schon oft / aber allezeit vergeblich / widersetzet. Es ist auch am sichersten /(sagte Polyphilus) dem jenigen nachgehen / welchem die Wege bekandt sind. Ein Hertze / das GOtt nicht folget / gehet einen gefährliche Irrweg / und kan gar leichtlich in die Grube des Verderbens stürtzen. Ihre Tugend / geliebte Macarie! wie sie bißher alle Versuchungen hertzhaft überwunden / also wird sie sich durch einenoch geringe wart nicht ungedultig machen lassen. Ich wil unsere Verbündnüs nach allen Kräften befördern / auch nicht ruhen / biß ich ihre Klage in Freude verwandelt. Hieran sollet ihr nicht zweiffeln /wehrter Polyphilus! antwortete Macarie. Ich will das Ziel / welches der Himmel unsrer Errettung bestimmet / gar gern erwarten / und indessen hoffen / er werde / nun ich die göttliche Zusage eröffnet / ihm angelegen seyn lassen / die jenigen zu suchen / welche sonder zweiffel schon lange nach mir gesuchet. Dieses versprache Polyphilus / und nahm also /weil es begunte finster zu werden / dißmal seinen Abschied. Macarie wünschte ihm nochmals Glück zur Reise / und bate / er möchte ihr doch / sein weisses Hündlein / das er mit sich führte / und wegen der vielen rohten Bänder / damit es gezieret / wohl behaltens wehrt war / so lang gönnen / biß er wieder zurück käme. Gar gern (versezte Polyphilus) wann es nur nicht beschwerlich ist. Aber du viel glückseeligers Thier / als ich bin (sagte er / sich gegen den Hund wendend) wie gern wolte ich dir jetzo dein Glück abkauffen. Du hast die Freyheit / bey meiner Liebsten zu bleiben: ich aber muß sie mit Seufzen verlassen. Nun so bewache dann die jenige sorgfältig / vor welche ich ohne unterlaß wache / und wisse / daß ich dir diese Treue nicht unvergolten lassen will. Durch diesen Schertz erlangte Polyphilus noch einen Kuß von seiner Macarie / und verfügte sich damit / halb freudig /wegen der Gewißheit seiner Mutmassung / und halb traurig / wegen des Scheidens / wieder zu dem Talypsidamus Dieser wolte sie selbigen Abend nicht erlassen / sondern bate sie / die Nacht bey ihm zu bleiben /mit Versprechen / daß er ihnen des andern Morgens seinen Jungen mit geben wolte / ihnen die nächste Strasse zu zeigen. Die Liebe und vertraulichkeit / mit welcher sie ihm verbunden / ließ nicht zu / ihm diese Vitte zu versagen. Also blieben sie selbige Nacht bey ihm / und ergezten sich / neben einer köstlichen Malzeit / mit einem gar freundlichen und liebreichen Gespräche. Am Morgen / wolten sie gar früh Abschied nehmen. Aber Talypsidamus liesse zuvor ein Frühstück zurichten / und nötigte sie dasselbe einzunehmen: worauf sie / nach vieler Bedankung / ihre Strasse reiseten. 7. Absatz Siebender Absatz Polyphilus komt / mit Agapisten nach Ruthiben / und werden sie von dem Schäfer Schireno bewirtet. Ihr Gespräche mit ihm von der Freyheit und Dienstbarkeit / von Obern und Untern. Schreiben des Polyphilus an Macarien. Schirenen machet sie /durch des Cumenus Schreiben / dem Vorsteher Vinellio / wol-empfohlen. Polyphilus befahle dem Jungen / voraus zu gehen /und erzehlte dem Agapistus alles / was er von Macarie gehöret; welcher hierob sich nicht wenig erfreuet und verwundert / und ihn fragte: ob er dann Macarie nicht eröfnet hätte / daß er ihre Eltern gefunden? Dieses / (sagte Polyphilus) will ich sparen / biß zu unsrer Hochzeit / alsdann soll diese Freude viel grösser werden. Agapistus lobte diesen Vorsatz / und gelangten sie / unter dergleichen Gespräche / in die Gegend Ruthiben. Es muß zimlich spat seyn / (fieng Agapistus an) weil man allbereit die Heerden eintreibet. Talypsidamus hat uns etwas zu lang aufgehalten. Wir wissen hier keine Gelegenheit / und wird wohl das beste seyn / wann wir gar in die Stadt gehen / und in einem Gasthofe herbergen. Als sie noch hievon redten / kam ein Schäfer von der nechsten Heerde / und sagte: Ich sehe / geehrte Freunde! daß sie fremde sind / und bitte / mir zu vergeben / daß ich frage: wornach sie verlangen tragen /und ob sie mir nicht die Ehre gönnen wollen / in meiner schlechten Hütte diese Nacht zu herbergen? Polyphilus wunderte sich dieser Freundlichkeit / und sprach: seine Höflichkeit / leutseeliger Schäfer! ist /wie ich sehe / viel grösser / als unsre Hoffnung / und kommet unsrer Bitte zuvor. Wir sind freylich fremde /und haben uns eben ietzo beratschlaget / wo wir unsre Einkehr nehmen wollen. Weil er sich nun so freywillig hierzu erbietet / wird er uns hoffentlich zu gut halten / daß wir ihn damit / gegen dankbare Bezahlung /beschweren dürffen. Meine Bewirtung (versezte der Schäfer /) fordert keine andere Bezahlung / als eine geneigte Vermerkung. Damit führte er sie beyde mit sich nach Hause / und erzeigte ihnen so viel Ehre und Gutthaten / daß Polyphilus solche Willfärigkeit nicht genug rühmen kunde / und den Schäfer bate: er wolte ihm doch seinen Namen entdecken / dumit er wüste /wessen dank-schuldner er vor diese Ehre sterbe. Mein Name ist Schirenus / (antwortete der Schäfer) wann er solchen seiner Gedächtnüs würdigen will. Meine schlechte Bewirtung aber / hat vielmehr der Benügsamkeit / als Danksagung vonnöten. Dafern aber ja ihre Höflichkeit Zahlung thun will / wird es diese seyn / wann sie mich verständigen / wie sie sich beyde nennen / und wohin ihre Reise gerichtet? Wann sich Wercke mit Worten werden bezahlen lassen / (sagte Agapistus /) so wisset / gutthätiger Schireno! das Polyphilus und Agapistus die Namen sind / mit welchen sich seine kühne Gäste bekant machen. Unsere Verrichtung betreffend / sind wir fremde Schäfere / welche eine Weide zu suchen / ausgereist. Und weil wir / in der Gegend Brundois / eine so wol gelegene Trift gefunden / daß wir uns entschlossen /allda zu bleiben / daneben aber verstanden / das selbige Schäfere / von hier aus ihren Schutz haben / als sind wir / solchen zu erlangen / hieher gekommen; haben auch / von dem Schäfer Cumenus / ein Schreiben an den edlen Vinellius mit gebracht / und ist also nichts übrig / als daß wir Gelegenheit erlangen / uns bey ihm anzugeben. Worinn wir dann um einen guten Raht / bey ihm / geneigter Schäfer / ansuchen. Sie dürffen nicht bitten / (gab Schireno zur Antwort /) sondern schaffen / weil ich willig bin zu dienen / auch mit unserm Vorsteher Vinellio in so gutem vernehmen bin / daß ich ihnen ehest die Ansprache erwerben will. Mich wundert aber / (fuhre er fort) daß sie so willig sind / ihre Freyheit mit der Dienstbarkeit zu verwechseln. Unsere Freyheit / (versezte Polyphilus) bestehet in den Gemüte / und in der Art zu leben / welche durch eine vernünftige und gerechte Obrigkeit nicht gehemmet wird. Damit aber auch andere solche nicht zerstören / suchen wir / durch diese Unterwerffung /Schutz und Hülffe: dann sonst würden wir eine neue Weise zu leben erwehlen / weil ja die gantze Welt in hohen und niedern / Untern und Obern bestehet. Es ist freylich also / (begegnete ihm Schireno) daß unter den Menschen die Geringere den Grössern dienen: ich weiß aber nicht / ob es der Natur gemäß sey / daß die freye und vernünftige Menschen andern ihres gleichen dienen? Woltet ihr auch daran zweiffeln? fragte Polyphilus. Dieses Recht der Obern und Untern / ist so gar nicht wider die Natur / daß es vielmehr in derselben gegründet ist. Hebet eure Augen auf / Schireno! und betrachtet die Ordnung des Himmels. Wird nicht der Mond / von der Sonne / und ein Stern von dem andern übertroffen? Schauet an die Gewächse der Erden / wie die hohe Ceder über die niedre Buchs-Bäume / und die prächtige Lilie über die verächtliche Schabab herschet. Nicht nur die leblose / sondern auch die lebendige Creaturen / bestätigen diese Ordnung. Dann /was ist der hoch-fliegende Adler / der unerschrockene Löw / und der grausame Wallfisch? sind sie nicht Könige / welche in der Luft / in dem Meer / und auf der Erden herschen? Ja der edle Mensch selber / welcher von den Gelehrten eine kleine Welt genennet wird /was ist er anders / als ein Reich / darinn die Seele /der König / in dem Hertzen / als seiner Residenz /herschet. Der Verstand ist wie der Regiments-Raht /der Wille Kriegs-Raht / das Gedächtnüs Geheimschreiber / die äuserliche Sinnen Amtleute / und die Glieder Unterthanen. Das ist wol etwas (redte Schireno darzwischen) aber alles was ihr anführet / rühret her von dem Unterschied der Geschöpfe / welcher bey uns nicht zu finden. Dann das die Sonne den Mond und die Sterne verdunkelt / kommet her von dem herrlichen Glantz /damit sie vor andern gezieret ist. Also weichet der Buchs-Baum den Cedern / wegen der Grösse / und die Schabab (damit ich bey seinen Gleichnüßen bleibe) der Lilie / wegen der Zierde. Das der Adler in der Luft / der Löw in den Wäldern / und der Wallfisch in dem Meer / Könige sind / haben sie ihrem Schöpfer zu danken / der sie mit mehrerer Grösse und Stärke /als andere ihrer Art Thiere / versehen. Die Sinne aber / und Gledmassen des Menschen / dienen ja billig ihrem König / der Seele / weil sie von derselben ihr Leben und ganzes seyn erlangen. Wie kommet aber dieses bey die Menschen / die von einerley Ursprung / in einerley Form / und zu einerley Ende erschaffen sind? Warum sollen diese nicht einerley Freyheit geniessen / sondern einer dem andern zu Gebot stehen? Eben wolte Polyphilus antworten / als ihm Agapistus zuvor kam / und sagte: Ob gleich die Menschen nach den äuserlichen Sinnen und Gliedern einander gleich / so sind sie doch nach den Gaben des Gemütes und des Leibes mehrmals unterschieden: also / das einer grössere Weißheit / höhere Geschicklichkeit /mehrere Stärke und Hertzhaftigkeit / als der andere /sehen lässet / und damit bezeuget / daß er durch die Angeburt über die andere gesezt sey: weil es ja natürlich / daß das Untere dem Höhern diene / das Schwache das Stärkere fürchte / und ein Unverständiger des Verständigen Knecht sey. Hierinn stimmet er (sagte Schireno) mit dem scharffsinnigen Aristoteles überein / der das Recht der Menschen-Jagt mit solchen Gründen behaupten will /und vermeinet / es könne ein Verständiger und geschickter Monarch / mit guten Fug / ihm andere wilde und barbarische Bölcker unterwürffig machen: womit er vielleicht seinem Lehrling / den grossen Alexander / schmeichelt / der ein solcher Jäger war / und durch Eroberung vieler Königreiche einen unsterblichen Namen zu erjagen gesuchet. Ich sehe ja nicht /wie derjenige sich des Namens eines Tyrannen entbrechen könne / der ohne Fug und Ursach / andere mit Gewalt um ihre Freyheit bringet. Meines Erachtens gleichen sie sich den wilden Thieren / welche / bloß aus natürlicher Stärcke / über die andere herschen /und kein anderes Recht vorzulegen haben. Wird / die Uberwältigung einer Privat-Person / als eine Ungerechtigkeit gestraffet: wie vielmehr die Tyrannisirung eines gantzen Landes! dann / je weiter sich ein Laster ausbreitet / je schädlicher es ist. Nimrod / der erste Monarch / war ein Tyrann / der die Leute mit Gewalt in sein Netz gejaget: wie er dann deßwegen ein gewaltiger Jäger genennet wird. Auch das Israelitische Königreich / ward ohne GOttes Befehl / ja wider seinen Willen / eingeführet: also daß sich Saul / der erste König / wol hätte mögen / von Gottes Verhängnüs /schreiben / wie heut zu Tag etliche Aebte zu thun pflegen. Polyphilus lachte hierüber / und gab zur antwort: wenn dieser Satz das die Natur selber / den einen gleichsam zu Gehorsam / den andern zur Herrschaft formiret / in seinem rechten Verstande genommen wird / so ist er der Vernunft und Billigligkeit gemäß: dann es ist nicht zu laugnen / das Könige und Knechte / das ist / edle und schlechte Gemüter geboren werden. Aber dieses natürliche Recht der Herrschaft und Dienstbarkeit / hat seine gewisse Schranken / die man nicht überschreiten darff; und ist es nicht mehr / als eine natürliche Anleitung und geschenktes Gemerke /daß einer der Regirung oder der Unterthänigkeit fähig sey / keines wegs aber ein solches Recht / daß einer ohne ordentlichen Beruff herschen möge / wo / wann /wie und über welche er wolle. Zwischen der Fähigkeit / und Billigkeit / ist noch ein grosser Unter schied / und sihet man diese beyde gar selten vereinigt. Es mag wol viel Holtz zu Königlichen Zeptern tüchtig seyn / daraus doch etwan nur ein Dintenfaß oder noch geringerer Werkzeug gemachet wird: und mancher wird zu einen Fürsten geboren / der doch als ein Knecht zu Grab kommet. Sonderlich / wann die Regiment-Stellen nach der Geburt oder Wolneigung und nicht nach Tugend und Weißheit / bestellet werden / da wird oft ein Schafs-Kopf mit einer Löwen-Mähne / und ein Geyer mit Adlers-Federn prangen: massen jetziger Zeit / die Leiter / darauf man in der Welt zu Ehren steiget / mehr aus Glück und Gunst /weder aus Tugend und Kunst / gezimmert wird. Aber seelig ist das Land / dessen Obrigkeit / nicht nur nach dem Erb- oder Wahl-Recht / sondern auch nach dem Recht der Natur / eine Obrigkeit ist / und die den Untern an Weißheit / Hertzhaftigkeit und Gerechtigkeit vorleuchtet; oder wie es die Schrift ausredet / dessen Fürsten Fürstliche Gedanken haben / und darüber halten. Dem sey aber wie es wolle / so bleibet doch das Recht der Obern und Untern / eine heilsame Ordnung. Aus dem Brunnquell der Natur / und nicht aus dem Notzwang der Bosheit allein / ist befehlen und gehorchen / Obrigkeit und Unterthan hergeflossen. Und ob gleich der erste Monarch Nimrod diesen Namen mit Gewalt und Unrecht erlanget / so hat doch mit seiner Regirung / nicht die Herrschaft / sondern die Tyranney ihren Anfang genommen / weil schon lang vor ihm / Obere und Untere gewesen / die Recht und Gesetze / Gebot und Verbot auferlegt. Auch in den Volk Israel / liesse ihm GOtt / nicht die Regirung / sondern die Art und Weise solcher Regirung / mißfallen: dann er hatte von Anfang / Gebot und Rechte / Strafe und Belohnung / Richter und Fürsten unter ihnen geordnet. Daß sie nun solche verworssen / und durch einen König / wie alle andere Heyden / wolten regiret seyn /das mißfiele GOTT: doch lässet er es geschehen /also / daß er den neuen König selbsten gewehlet und bestätiget; welches er / wann es unrecht wär / nimmermehr würde gethan haben. Ist also / das Gefetze der Obrigkeit und Unterthanen / den natürlichen /weltlichen / und göttlichen Rechten gemäß / und kan sich niemand / ohne das Laster des Ungehorsams / der Dienstbarkeit gegen die Obern entziehen. Es ist auch dieselbe höchst nötig. In was vor ein wildes und barbarisches Unwesen solten wir gerahten / wann wir eine Zeitlang ohne Obrigkeit wären /und ein jeder seines Gefallens hausen dörfte? Das Volk Gottes / kan uns hierin ein Muster geben / welches in abscheuliche Laster gerahten / da kein König in Israel war / und ein jeder thäte / was ihm recht dünkte. Wer wolte die Laster straffen / die Tugend belohnen / die Frommen schützen / und die Bösen zwingen / wann niemand die Macht hätte? würde nicht der Mächtigere den Geringern berauben / der Stärkere den Schwächern im Sack schieben / und kein Mensch ohne Beckel-Hauben und Brust-Harnisch zum Fenster aussehen dürffen / wann weder Kläger noch Richter wäre? Es hat so zu thun / daß man an Leib / Ehre und Gut sicher ist / da man doch Obrigkeit und Gerichte /Bande und Gefängnüs / Galgen und Schwert vor Augen sihet: was wolte werden / wann deren keines zu fürchten wäre? Ja / es ist die Unterworfenheit so nötig / daß sie ganz nicht zuentbähren ist. Dann /durch Abschaffung der Obern / würde die Zahl der Untern / nicht gemindert / sondern gemehret werden /und wann keine Knechte wären / müsten wir / aus Mangel derselben / uns selber aufwarten. Demnach bleibet es wohl dabey / was der Klügste unter den Königin sagte: Arme und Reiche / auch Hohe und Niedere / müssen untereinander seyn. Und warum wolte man sich der Dienstbarkeit weigern / da sie doch ihren gewünschten Nutzen hat /und / in gewißer Maß / der Herrschaft selber vorzuziehen ist? Ach! es ist viel sicherer / gehorchen / als befehlen: weil jenem nur das Verrichten / diesem aber das Verantworten zustehet; und ein Unterthan / aller der Sorge / Mühe und Gefahr befreyet ist / welche den Obern auf dem Hals liget. Wohl recht / sagte jener König: wann Kron und Zepter im Wege lägen / es würde sie keiner aufheben / wann er wüste / was sie vor eine Last wären. Mancher Königlicher Purpur /wimmelt von so vielen Würmern der nagenden Sorgen / das ich meinen schlechten Schäfer-Rock nicht damit vertauschen wolte. Wir schätzen ja den vor glückseeliger / welcher in seinen Bette sanft schläffet / als den jenigen / welcher ihn bewachet. Nun sind in Warheit getreue Obern nichts anders als Wächter /welche vor die Ruhe und Zufriedenheit ihrer Untergebenen; wachen müssen: Wer wolte ihnen dann / vor solche Beschwerung / nicht mit Ehrerbietung begegnen / und bedenken / daß sie uns mehr dienen / als von uns bedienet werden? Einer gerechten und getreuen Obrigkeit / (begegnete ihm Schireno) ist man freylich Dienst und Gehorsam schuldig. Wie aber / wann man über das Wiederspiel klagen muß? Es fället einem freyen und vernünftigen Gemüte unerträglich / sich eines Hoffärtigen und ungerechten Tyrannen Botmäßigkeit zu unterwerffen. Cato konde es so gar nicht vertragen / daß er lieber todt seyn / als unter einen Tyrannen leben / und lieber den freyen Geist mit dem Eingeweid ausschütten / als dem Cäsar zu Fuß fallen wolte. Diese verzweiffelte That / (versezte Polyphilus) scheinet mehr aus Halsstarrigkeit und aus Grimm über den Sieg des Cäfars / als aus Hertzhaftigkeit und Vernunft hergeflossen zu seyn. Hat es der Himmel geschehen lassen /das Julius zum Regiment gekommen / so hätte es Cato (nachdem er das seinige gethan / und sich vergeblich darwider gelegt) auch wohl leiden und warten mögen / biß seine Straffe / welche allbereit unterwegs gewesen / angekommen wäre. Viel klüger handelte Solon / welcher nachdem der Tyrann Pisistratus die Stadt Athen unter seine Gewalt gebracht / und er / als ein Weiser / gesehen / daß aller Fleiß / der Stadt Freyheit zu erhalten / vergebens wäre / sein Gewehr und Schild vor die Thür des Rathauses nieder gelegt / und gesagt: Biß hieher habe ich dir / mein liebes Vaterland! mit Worten und Werken / nach allen meinen Kräften / Hülfe geleistet. Worauf er in sein Haus gegangen / und sich zur Ruhe begeben. Also hätte es Cato auch machen / und wider Gott nicht streiten sollen. Die Tugend fordert Standhastigkeit / aber keine Verzweiflung. So muß man auch / an der Obrigkeit / wo nicht die Person / doch das Amt ehren und bedienen / und der Regenten Fehler / in ansehung / daß sie auch Menschen sind / vielmehr zudecken als lästern. Welche Kron ist so köstlich / daran nicht etwan ein Stäublein hänget? Und welcher Fuß gehet so richtig / das er nicht zuweiln einen Fehltritt thue? Vornehmer Leute Handlungen / sind wie die Uhr an der Kirche / deren Unrichtigkeit ein jeder Vorbeygehender merket und tadelt. So muß derowegen / das Joch der Dienstbarkeit / von Gedult zubereitet werden / wann es leicht zu tragen seyn soll. Es ist auch / den Frommen und Tugendhaften / keine Obrigkeit vonnöten / ausser der Beschützung / weil sie ihnen selbst ein Gesetze sind /und hat jener nicht übel gesagt: Wer Gott fürchtet /der darf keine Obrigkeit fürchten; weil solche / entweder nichts wider Gott be fihlet / oder doch / in solchen Befehlen / keinen Gehorsam zu erwarten hat. Das ist ein guter Schluß! (fiele ihm Schireno in die Rede) hier ist das lezte / das beste / und gibet den Tugendhaften ihre Freyheit wider. Aber sie solten fast /über diesem Gespräch / bald des Essens vergessen /und in den Argwahn gerahten / als hätte ich durch meine Frage eine listige Sparsamkeit üben wollen. Ich bitte / sie lassen ihnen die schlechte Gerichte belieben / und sättigen nun auch ihren Magen / nachdem sie meine Begierde gesättiget. Wir sind (sagte Polyphilus /) vorhin schon dabey gewest / und haben keine so übele Gedanken von ihm gefasset. Also assen sie /und sprachten noch eine Zeitlang / biß sie der Schlaff voneinander triebe / und sie alle zu Ruhe giengen. Des andern Tages / bemühete sich Schireno / seine Gäste zu Vinellio zu bringen. Polyphilus aber /schickte des Talypsidamus Jungen wieder zurück /und weil er hoffte / daß seine Verrichtung wol ablauffen würde / gedachte er solches an seine Macarie zu berichten; weswegen er ihm folgendes Brieflein / an sie / mitgabe. Allerliebstes Hertz! Es hat mich der Himmel / wie ich spüre / zu einer guten Stunde hieher geführet: weil ich den edlen Vinellio angetroffen / und bald ansprechen werde. Nun hoffeich / ihrer Furcht und meines Zweiffels / ein erfreutes Ende. Der freundliche Schäfer Schireno / wird mir in allen Verrichtungen beysteben. Indessen lasse sie mein langes Aussenbleiben / das sich wider verhoffen begeben möchte / sich nicht betrüben: sondern gedenke / daß der bitterste Same die süsseste Frucht trage. Sie erfreue auch das Verlangen meiner Liebe /so es ihr gefället / mit einem / ihrer Gewonheit nach /gezierten Brieflein / welches mir eine Fürsten-Kost seyn wird. Uberbringer dieses / kan es wider mit zurück nehmen. Indessen lebe sie gesegnet / und vergesse der betrübten Einsamkeit: damit sie die bald-künftige Gesellschaft desto lieber annehmen / und mich in ihren Hertzen behalten möge / als Ihren biß in den Tod beständigen Polyphilus . Inzwischen Polyphilus mit der Abfärtigung des Jungen beschäftiget war / verfügte sich Schireno zu Vinellio / und erzehlte demselben / wie er verschienene Nacht / zwey fremde Schäfer beherberget / die sich entschlossen / in der Gegend Brundois zu weiden. Weil sie aber verstanden / daß selbige Schäfere von ihnen den Schutz hätten / wären sie / solchen zu erlangen / hergereist / und hätten ihn gebeten / er möchte ihnen doch Gelegenheit anhändigen / zu ihrem Vorsteher zu kommen. Wie sie dann / ihr Vorhaben zu bescheinen / einen Brief / von dem Schäfer Cumenus /mit gebracht / und ihn / selbigen zu überliefern / ersuchet. Hiemit / übergab er Vinellio das Schreiben des Cumenus / der solches erbrache / und dieses Innhalts fande. Edler / und Würdiger Beschützer! Die Ursach / daß ich / seine Würde / mit diesen Zeilen bemühe / ist die Bitte des Polyphilus und Agapistus / zweyer fremder Schäfere / welche unlängst / aus dem Schloß Sophoxenien / in unsrer Gegend angekommen / und dieselbe so bequem befunden / daß sie Feld und Heerde / sie zu betreiben / erkauffet. Damit sie nun des Schutzes / welchen uns seine Vorsorge /grosser Vinellio! gönnet / mit teilhaftig werden möchten / haben sie / um ein schriftliches Zeugnüs ihres Vorbringens / bey mir angehalten: welches ich ihnen hiermit eatheilet / und berichte daneben / daß ich sie sehr vernünftig und geschickt / und daher würdig befunden / ihr Begehren zu erhalten Seine Weißheit /edler Vinellio! wird aus ihrer Erkentnis es selbst warnehmen / und also beseeligen die Bitte / Seines dienst-verbundenen Cumenus . Als Vinellio diesen Brief gelesen / sagte er / gegen dem Schivenus: Soviel ich aus diesem Schreiben vernehme / so sind seine Gäste von Betrachtung / und wo mir recht / so ist Polyphilus eben der jenige / welcher das Schloß Sophoxenien von dem Fluch erlöset; dann mich bedünket / daß ich ihn also nennen hören. Was haltet ihr von ihnen? Ihre Ankunft und Wesen / (gab Schirenus zur Antwort) ist mir zwar unbekandt / ihren Verstand und Erfahrenheit aber / habe ich in gestrigem Gespräche überflüssig erkennet / und bewundert. Es ist mir leid / (sagte Vinellio) daß ich heute / wegen einer nötigen Verrichtung / nicht Zeit habe / sie zu sehen / und bitte / deßwegen mich zuentschuldigen: Morgen will ich sie gewiß zu mir ersuchen / und damit ihnen die Zeit nicht lang werde / durch einen meiner Freunde sie heut begrüssen lassen. Diesen guten Entschluß hinterbrachte Schireno seinen Gästen / die damit sehr wol zu frieden waren / und ihm für seinen guten Willen grossen Dank sagten. 8. Absatz Achter Absatz Gespräche des Polyphilus / Agapistus und Schireno / mit dem Gitildo und Damatus / in des Vinellio Garten / von dem Wasser / von der Arbeit /von den Blumen / von der genüglichen Zufriedenheit /und wahren Glückseeligkeit. So bald die Mittags-Malzeit vorbey war / kamen Gitildo und Damatus / zweyen Schäfere des Ortes / und brachten dem Polyphilus und Agapistus einen Gruß vom Vinellius / mit Bitte / sie möchten ihm zu gut halten / daß er sie diesen Tag nicht ehren könte: und wolte er deßwegen / wann sie ihn morgen besuchten /sich selbst entschuldigen. Polyphilus bedankte sich gar höflich / vor so geneigtes Anbringen / und sagte: daß diese Entschuldigung vor Dienere zu hoch sey /und wurden sie sich überflüssig vergnügt befinden /wann nur ihnen Vinellius / nach seiner Weile / eine Aufwartung erlauben würde. Hierauf baten jene / sie möchten sich gefallen lassen / zu kürtzung der Zeitweile / weil es ein schöner Tag war / in ihres Vorstehers Vinellio Garten zu spaziren: welches sie bewilligten / und ihnen nachfolgten. Sie befanden den Garten von solcher Lieblichkeit / daß sie nicht wusten /wohm sie am ersten die Augen wenden solten. Die or dentlich-gesezte Bäume / die ungemeine Schönheit der Blumen / die zierlich-gebaute Gallerien / und die Menge der Fremden Gewächse / gaben dem Gesichte und Geruch gnug zu arbeiten. Sonderlich aber ergezten sie sich / weil es etwas heiß / bey einem künstlichen Spring-Brunnen / dessen Crystalline Feuchtigkeit / sich durch etliche Röhren in die Höhe hebte /und mit einer Kugel spielte. Sie sezten sich / der Kühle des Wassers zu geniessen / und die Kunst des Brunnes zu betrachten / auf den dabey stehen den / grün-bewachsenen Bühel / und begunten die Tugend und Nutzbarkeit des Wassers zu loben: als welche viel grösser / als daß sie zubeschreiben / und so notwendig / daß wir / ohne dasselbe /kaum einen Tag würden leben können. Freylich /(sagte Polyphilus) würden wir bald zu grund gehen /wann wir eine Zeitlang des Wassers beraubt wären: welches doch ihrer wenig erkennen. Dann bey solchem Uberfluß der Bäche und Brunnen / kan man der Armseligkeit nicht warnehmen / welche von deren Mangel entspringen würde. Es ist nichts / in und an uns / das nicht des Wassers vonnöten habe. Man möchte wol dieses Geschöpfe / wie es das erste und meiste / auch wol das vornemste in diesem sichtbaren Welt-Gebäude / nennen. Ja / ich gläube / daß die göttliche Weißheit und Allmacht in keinen Element / als in diesen / sich verwunderlicher mache. Ist es nicht verwunderbar / daß das von Wasser gebaute Wolken-Dach / am Himmel über uns schwebet / und doch nicht herab fället: da doch nichts weicher ist / als das Wasser / und nichts dünner / dann die Luft / welche man / nicht allein nicht greiffen / sondern auch nicht sehen kan. Kommen wir auf die Erde / so ist eben so grosses Wunder / daß derselben übergrosse Last das Wasser zum grunde hat / auf welchem sie / wider alle ihre Natur / als ein leichter Balle daher schwimmet /und nicht untersinket: da doch ein kleines Steinlein /wann es hinein geworffen wird / zu Grund gehet. Und was sagen wir von dem Meer selbsten? welches so viel Wunder / als Wellen mit sich führet. Ist es nicht ein Wunder / daß diese Versamlung der Wasser so ordentlich ab- und zu fliesset / daß es nicht aus seinen Schranken tritt / und ob es gleich noch so ungestümm tobet / dennoch die Gräntze / welche ihm die Ordnung des Schöpfers gesetzet / behält / und die Erde nicht verschwemmet. Ich geschweige der unzehlichen Menge der Fische / von welchen diese unergründliche Tieffe wimmelt: deren Grösse und Seltsamkeit nicht kan erforschet / viel weniger beschrieben werden. So ist auch dieses nicht das geringste Wunder / daß das saltzig- und bittere Meer-Wasser /durch die Kraft der Erde also geläutert wird / daß es in süssen und wol-geschmacken Brunnen wieder hervor quillet: wie wir hier dergleichen vor uns haben. Hat also der Poet Pindarus recht gesagt: Lobe nur was dir gefällt! Wasser doch den Preiß behält. Ich muß bekennen / (gab Gitildo zur Antwort /) daß der Himmel / durch die Wasser und Brunnen / herrlich wundert: Massen / wann wir alle Seltenheiten / die / der unerschöpfliche Brunn der höchsten Weißheit und Allmacht / in den Wassern und Brunnen zeiget / erzehlen solten / wir viel Tage darmit zubringen müsten. Wann die Kunst der Natur zu Hülfe komt / wird die Verwunderung noch grösser und ergetzlicher: wie an diesen und andern dergleichen / schönen Brunnen zu sehen / die ausser dem Geruch / fast alle Sinnen erquicken. Das Gesicht / wird durch das Silberhelle fliessen; das Gehör / durch das anmutige Rauschen; der Geschmack / durch das süsse Trinken; und die Empfindung / durch die allerlieblichste Kühlung /sonderlich bey warmen Wetter / treflich gelabet. Nur ist zu betauren / daß die Zubereitung solcher Brunnen / so viel Mühe kostet / und man diese Lust mit so viel Arbeit und Kosten zu wege bringen muß. Was haben wir (versezte Polyphilus) in dieser Eitelkeit / ohne die Arbeit. Nicht nur die Lust / sondern auch die Notturft / muß durch die Arbeit erlanget werden. Dieser Bissen Brod / und dieses Glas Wein / so hier vor uns stehet / können wir nicht ohne viel Mühe geniessen. Wie manchen sauren Schweiß muß der Ackermann / der Schnitter / der Drescher / der Müller /der Becker / der Weinhecker / der Kelterer / der Fuhrman / und viel andere / von der Stirn wischen / ehe wir das vor uns sehen? Und dieses ist bloß Brod / und Wein. Je köstlicher die Kost / je mehr Arbeit sie auch erfordert: und muß man manchmal ganz Indien durchreisen / und mit Gefahr Leibs und Lebens Gewürtze und Zucker heraus holen / ehe man eine Speise auf die Tafel bringet. Was soll ich sagen / von den Kleidern? Das Hemd / so wir am Leib tragen / wird durch so viel Mühe verfertiget / daß das Frauenzimmer etliche zwanzig Arbeiten zehlet / ehe es ein Hemd kan heissen. Zu geschweigen der andern Kleider / an welchen oftmals so viel Handwerker und Künstler arbeiten. Dann es ist nicht genug / daß uns die Thiere ihre Häute / die Schafe ihre Wolle / die Kamele und Biber ihre Haare / und die Seiden-Würmer ihre gespünst geben: sondern man durchgräbet auch die Erde / und suchet Gold und Silber; man waget sich in das Meer /und holet die theure Perlen und die Farbe des Purpurs; man schiffet in die Insuln / und bringet köstliche Steine: damit ja die Hoffärtigen zu prangen / und die Menschen zu arbeiten bekommen. So ist auch die Weißheit und Kunst selber / die doch etwas Göttliches zeiget / nicht ohne Arbeit zuerlangen / sondern wird mit vieler Mühe ergriffen. Wieviel Schulen muß man durch-lernen / wie viel Schriften muß man durchlesen / wie viel Papier muß man füllen / und wie viel Fragen muß man beantworten / ehe man den Namen eines Gelehrten erlanget! Wiewol / durch solchen Titul / die Arbeit nit gemindert / sondern nur gehäuffet wird. Was ist aber die Ursach / (fragte Gitildo) daß man alles so mühsam erwerben muß? hätte uns nicht der Schöpfer / Speise und Kleider / Wissenschaft und Klugkeit / ohne so viel Arbeit / verschaffen können? Freylich hätte er es thun können / (sagte Polyphilus) wann er nicht die Arbeit vor nötig und nützlicher ersehen hätte: daher er sie allen seinen Geschöpfen auferleget. Dann es wird nichts ohne Arbeit / weder im Himmel noch auf Erden / gefunden. Auch die Engel haben ihre Geschäfte / dadurch sie GOtt ehren / und den Menschen dienen. Sonne / Mond / und Sterne /treibrn ihren Lauf und ihre Wirkung unermüdet. Die Elemente unter dem Himmel / die so wol leblose als lebendige Geschöpfe / arbeiten in der Ordnung / darein sie der Schöpfer gesezt. GOtt will in der Natur nichts müssiges haben: sondern / wie er selber für und für wirket / also sollen auch seine Creaturen / ohne unterlaß / ihre Geschäfte haben. Dann der Müssiggang / ist eine Mutter und Säugamme aller Laster. Wie die stehende Wasser Schlamm und Unflat geben / also bringet der Müssiggang Schande und Unglück. Ja es hänget der Diebstal / auf gewisse Maß / an dem Müssiggang: Dann ob gleich ein Müssiggänger einem andern das Seinige nicht nimmet / so bestilt er doch das gemeine Wesen / indem er ihm den Dienst und den Nutzen entziehet / welchen er leisten könte. GOtt hat uns Leib und Seele gegeben / nicht /daß wir sie feyren und schlaffen lassen / sondern daß wir damit arbeiten / und unsere Sinne / Vernunft und Glieder gebrauchen sollen. So sind auch / Weißheit /Verstand / Geschicklichkeit / Stärke / Reichtum / und dergleichen Güter / uns nicht nur zu unserm Nutzen /sondern GOtt zu Ehren / und den Menschen zu dienen / geschenket; welches auch die Heyden erkennet /und daher gesaget: Niemand sey ihme allein / sondern zu des Höchsten Ruhm / und des Vaterlaudes Nutzen / in die Welt gebohren. So dienet auch die Arbeit nicht wenig zur Gesundheit: weil dadurch der Verstand geschärffet / das Gemüt ermuntert / und die Gliedmassen hurtiger gemacht werden. Die Arbeit /machet die Speise wolgeschmack / die Zeit kurtz und den Schlaff süsse. Die Arbeit / vermehret die Güter /vergrössert die Ehre / und wehret der Sünde. Ja sie befördert die Erkentnüs / und das Lob Gottes: dann aus der künstlichen Arbeit der Menschen / wird die Herrlichkeit dessen / der ihren Verstand erschaffen /erkennt und gepreiset. Demnach soll niemand / der zu arbeiten einige Kräfte hat / sich dieser nützlichen und nötigen Ordnung entziehen. Es scheinet wol / (sagte hierauf Gitildo) aus diesem Lobspruch der Arbeit / daß Polyphilus derselben fleißig gedient / und nun bald den Lohn erwartet. Aber /wo wird unsre Gesellschaft bleiben? wir wollen gehen und vernehmen / was auch sie vor Unterredung haben. Hiermit stunden sie auf / willens sich zu den andern zu verfügen. Es hatten aber dieselben indessen / mit Beschauung des Blumwerkes / sich ergetzet / und die vielerlry fremde Gewächse beobachtet. Jezt ist die Zeit / (sagte Agapistus) da die Erde ihren Blumen-Pracht treibet / und den Himmel mit seinen Sternen zu trotzen beginnet. Dem ist also! sagte Damatus. Die Göttin Flora / machet sich je länger je herrlicher / und bekommet / durch Erzielung so vieler neuer Gewächse und Blumen / immer mehr Anbetere. Wol recht / (versezte Agapistus) nennet er Anbetere / welche die vergängliche Blumen mehr / als deren Erschaffern / verehren und bedienen. Es ist zwar die Garten-Lust sehr ergetzlich / und wol wehrt / daß sie von edlen und hohen Gemütern beliebet werde. Dann was ist süsser / als wann man / von der Sorge und Arbeit ermüdet / seine Ruhe in den Freuden-vollen Gärten suchet / und unter den kühlen Schatten der lieblich-blühendem Bäume / die verwunderliche Schönheit der Blumen betrachtet / aus derselben unterschiedlichem Geruch / Farbe und Gestalt / die Weißheit / Allmacht und Güte Gottes erkennet / und den offnen Himmel / mit dem ganzen Chor der Lust-Sän ger / deßwegen lobet? Aber man tritt hierinn meist aus den schranken / dienet den Geschöpfen mehr als dem Schöpfer / und machet die Gärten zu abscheulichen Tempeln: indem mancher mehr Geld auf Blumen und fremde Gewächse / als etwan auf den Gottesdienst und die Armuht verwendet; auch mehr trauret /wann er einer Blume beraubt wird / als wann er GOtt erzürnet / oder den Nächsten beleidigt. Es solte uns billig jede Blume eine Staffel seyn / daran auf zu steigen / und aus so herrlichen Geschöpfen uns den himmlischen Werkmeister erkennen machen. Sie solten uns auch ein Spiegel seyn / unsre Gebrechlichkeit / Hinfälligkeit / und Sterblichkeit zu betrachten. Aber wir thun gerad das Widerspiel / und gebrauchen die Blumen zu Werkzeugen der Hoffart und Eitelkeit. Viel klüger handeln die jenigen / welche der Gärten und Blumen zu einer mässigen Lust und Ruhe gebrauchen: darneben aber bedacht sind / wie sie vielmehr den Garten ihres Gemüts mit den Blumen der Tugenden auszieren mögen; welche den Samen der Unsterblichkeit tragen / und auch in dem strengsten Winter herrlich blühen. Wir Schäfere / lassen den Städten ihre stoltze Gärten / und vergnügen uns mit der Lust / so die Natur ohne Bemühung reichet. Die grüne Tapezerey des Feldes / samt dem Purpur der Violen / und andere Blumen / ergetzen uns mehr /weder die theure Gewächse der kostbar-erbauten Gärten. In dm sie dieses redten / kame Githilto mit dem Polyphilus / und fragte: von was sie so eifrig sprachten? Wir haben (antw. Schirenus) die Blumen betrachtet: deren Mißbrauch Agapistus tadelt / und hingegen rühmet / daß er / bey seinen gemeinen Feld-Blumen / in höchster Vergnügung lebe. Solte Agapistus (versezte Githildo) bey seiner Hirten-Lust so vergnügt leben /daß ihm ganz nichts fehlet? das wäre wider die Natur der Menschen / die eine stete Unvergnüglichkeit bey sich führen / und nimmermehr mit ihren Glücke zu frieden sind / sondern allezeit etwas finden / das ihnen verdrießlich ist / und etwas wünschen / das ihnen mangelt. So gar auch die Allerreichsten / die Allermächtigsten / die Allerglückseeligsten / hören nicht auf zu wünschen / daß sie mögen noch reicher / mächtiger und glückseeliger werden: dann die Natur heget eine unersättliche Begierde. Wann ich schon / (widerredte Agapistus) an einem der jezt benanten Stücke oder sonst Mangel leide / so kan doch solcher Mangel meine Vergnügung nicht hintern. Was soll dieses für eine Vergnügung seyn / (fragte Githildo) die noch einigen Mangel empfindet? Weil durch den Uberfluß / (versezte Agapistus) die Begierde nicht aufgehoben wird / wie mein wehrter Githildo iezt erwehnet / und auch die Reichsten / die Herrlichsten und Glückseeligsten / nicht aufhören zu hoffen /zu wünschen / und zu suchen: so kan hingegen auch /von dem Mangel / die Vergnügung nicht umgestossen werden / und der Allerärmste / der Allerverachteste /der Allerunseeligste nichts weiter hoffen / wünschen und suchen. Dann die Vergnügung / bestehet nicht in Menge der Güter / sondern in der Zufriedenheit des Gemütes / die man / ohne so viel Gezeugs / erlangen kan. Was nutzet grosser Reichtum / als / die Sorge zu vermehren? Die Natur fordert Speise und Kleider: und dieser Notturft kan mich der Reichtum nicht entbinden / noch der Hirtenstand mir selbige versagen. Hätte ich aller Welt Güter / so könte ich mich doch nicht so satt essen / daß mich nicht wieder hungern solte. Ich könte auch nicht mehr essen / als ein Armer: dann die Natur ist mit wenigen vergnügt / und wird durch den Uberfluß mehr gekränket / als erlustiget. Warum soll ich dann viel begehren / wann ich an Wenigen genug habe? Mancher Geitzhals / sitzet über seinen Registern / und sinnet ängstiglich / wie er seine Güter erhalte und vermehre: da ich indessen / frey von solcher Plage / ein fröliches Schäfer-Liedlein anstimme. Und worzu dienen / grosse Ehren-Stellen und Aemter? werde ich vielleicht dadurch frömmer? gar schwerlich! Ich bleibe wol / wer ich bin / ich habe gleich Diener hinter mir / oder bin selbst ein Diener. Die Tugend glänzet / auch ohne den Purpur. Die Laster aber / lassen sich damit nicht zudecken / sondern werden dadurch nur scheinbarer. Kurtz: alle Güter der Menschen / haben nur den Namen / daß sie Güter seyen / sind aber in der Warheit eine rechte Last / und können das Gemüte nicht ersättigen / sondern vielmehr beschweren. Was ist dann die Ursach / (sagte Damatus) daß die Menschen diese Güter so hoch verlangen / und dieselben zu erhalten / so viel Mühe / Arbeit und Ungelegenheit erdulten / wann sie davon keine Vergnügung zu hoffen / sondern nur Beschwerung haben sollen? Die Ursach dieses Irrtums / (erwiederte Polyphilus) fliesset her / aus der Unwissenheit / Blind- und Torheit der Menschen: welche die wahre Glückseeligkeit (die billig ein jeder verlanget) in solchen Sachen suchen / da sie am allerwenigsten zu finden ist. Sie fühlen zwar in sich / ein Verlangen nach derhöchsten Vergnügung: aber sie wehlen Irrwege / zu selbiger zu gelangen. Daher suchen sie die Ruhe / (wie ein unruhiger Kranker / der von einen Bette ins andere fliehet) bald in Reichtum / bald in Hoheit / bald in Wollüsten. Aber sie betriegen sich selber / und finden für das Gemüte / in solchen Verwirrungen / keinen Frieden: weil es ja unmüglich / daß die über irrdische Seele / von genießung solcher eitlen Dinge / einen Wolgeschmack empfinden soll. Dann Reichtum / Ehre / Ansehen /und der ganze übrige Kram des Glückes / ist nicht mehr / dann ein Schatten der Glückseeligkeit / welcher dem jenigen die Hand nicht füllet / der nach ihm greiffet; und weil sie ein zertheiltes / unbeständiges /endliches und sehr unvollkommenes Wesen sind /können sie die unendliche und unsterbliche Seele nicht sättigen / sondern nur verunruhigen. Die Seele findet keine Zufriedenheit / sie kehre dann wieder in den Ursprung / davon sie ausgeflossen / und ergreiffe GOtt / dessen Bildnüs sie ist. Dieser allein / ist die Quelle / von welcher alle Glückseelikeit herfliesset /und der Punct / in welchem die untödliche Seele Ruhe findet. Zu diesen Zweck aber zugelangen / ist keine andere Strasse / als der Weg der Weißheit: auf den uns die edle Tugend führet. Diese schönste Begleiterin / lehret uns alles Unvollkommene verachten /Furcht und Hoffnung trotzen / Noht und Unglück besiegen. Diese / machet unsern Geist die Klugheit / unsern Wandel die Gerechtigkeit / unsere Worte die Warheit / unsere Begierden die Mässigkeit / und unser Thun die Beständigkeit ergreiffen. Ja / sie schenket / den warhaftigen Adel / die beständige Güter / die würdigste Hoheit / die reinste Wollust /und führet uns / unverfehlt / zum wahren Gut und zu der höchsten Glückseeligkeit. Freylich / (sagte Githildo) ist Tugend und Weißheit / mit denen sich nichts vergleichen lässet / der allein-sichere Weg zur Vollkommenheit: wer einmahl darauf gelanget / lässet sich durch keinen Zufall ab wenden oder weiter bewegen / sondern kan mit vergnügter Seelen-Ruhe dieses Weltgetümmel verlachen. Aber wie wenig kommen zu dieser Vollkommenheit? Die meisten / kleben mit ihren Begierden an der Erde / verwickeln ihre Flügel / damit sie sich zu den Sternen schwingen könten / in dem Netz der Wollust /und werden auch mit solchem Garn verstricket und gefangen. Dergestalt spracheten diese Schäfere / biß die Sonne ihre Pferde zur Tränke zu führen begunte: da sie sämtlich nach Hause giengen / und einander für die gute Gesellschaft dankten. Polyphilus empfohle sich dienstlich an den edlen Vinellius / nahme samt dem Agapistus höflichen Abschied / und folgete dem Schireno nach seiner Behausung. Daselbst war die Abend-Kost schon bereitet / und der Tisch gedecket: welchen mit ihrem Sitze ferner zu bekleiden / Schireno / wie er aller Höflichkeit voll war / sie beyde so zierlich bate / daß ein weniges Weigern die gröste Unhöflichkeit gewesen wäre. Polyphilus hatte kaum den ersten Bissen genossen / als er bereits anfienge zu fragen / und von Schireno zu forschen / ob er / die Besuchung der beyden Schäfere / für eine blosse Beehrung / oder für eine Forschung halten solte? Ich weiß es wol nicht! (sagte Schireno) es könte vielleicht beydes seyn / weil Vinellius an seiner Person zweifelt. Hierauf erzehlte er ihme / was er vorigen Tags mit ihme davon geredt. So muß ich dann (sagte Polyphilus) mich besser in acht nehmen / weil ich sehe / daß ich allbereit verrahten / und auch hier bekant bin. Aus dieser Rede schlosse Schireno / daß des Vinellio Meinung vom Polyphilus wahr seyn müsse / und fienge an / ihn vielmehr / als zuvor / zu ehren. Also wurde auch dieser Abend mit freundlichen Gesprächen beschlossen: worauf man sich allerseits zu Ruhe begeben. 9. Absatz Neunter Absatz Polyphilus bekomt ein Glückwunsch-Schreiben von Macarien / und gehet / mit dem Agapistus zum Vinellio . Ihr Gespräche / von der Sophoxenischen Begebnüs / und von der Gottes-Erkentnüs aus dem Buch der Natur. Sie erhalten den Schutz vom Vinellio; und Polyphilus / vom Schireno bewirtet /macht Kundschaft mit der Carminta : die des Damatus Aufwartungen mit beständiger Härte begegnet. Sein ihr zu Ehren verfasstes Lied / wird von dem ihrigen erwiedert. Sein Unterricht an den Damatus / wie den Schäferinnen eine Gunst zu erlangen sey. Des folgenden Tags / erwarten beyde Schäfere der Beruffung zum Vinellio: welche etwas langsam erfolgte. Indem sie aber / ihm aufzuwarten / sich färtig machten / kan des Talypsidamus Junge / und brachte dem Polyphilus ein Schreiben / von seiner Liebsten; welches er / so nötig auch seine Verrichtung war / erbrache und so viel daraus vernahme. Freundlicher Polyphilus! Nicht nur das Gesetz der Nachfolge / welches mir jederzeit meine Schuldigkeit sorgfältig vorstellet / sondern auch seine höfliche Bitte / zwinget mich / die Ehre seiner Begrüssung / durch dieses kleine Brieflein dankbarlich zuerwiedern / auch / weil es die Zierlichkeit / die er fordert / nicht erreichen kan / solchen Mangel / mit einen getreuen Wunsch zu ersetzen / daß der gnädige Himmel / sein jetziges Vorhaben zu einem glückseeligen und frölichen Ende bringen / und also seiner Widerwertigkeit den Beschluß / hingegen seiner Zufriedenheit den Anfang setzen wolle. Die Zeit wird mir / in Hoffnung seiner Vergnügung / nicht zu lang fallen / solte gleich seine Wiederkunft etwas aufgezogen werden: wann ich nur weiß / daß er sich meiner erinnert. Ob sich aber sein schönes und zierliches Hündlein meine Einsamkeit gefallen lasse / kan ich nicht wissen. Seine Bezeugungen zwar / lassen nicht eine geringe Betrübnüs merken: doch wird er endlich gewohnen müssen. Die Eile des Boten / heisset mich enden. Er wolle indessen / mit seinem Reis-Gesellen / in der Fremde gesund leben / und gewiß glauben / daß ich lebenslang verbleibe / Seine beständige Macarie . Dieses freundliche Brieflein ergezte den Polyphilus dermassen / daß er gedachte / es könte nun seine Verrichtung nicht anderst als wol ablauffen / weil Macarie so viel Glücks dazu wünschte. Er fragte den Jungen: wann er wieder ablauffen wolle? welcher sagte /er hätte von seinem Herrn Befehl / auf ihre wieder heimreise zu warten / damit sie des Wegs nicht verfehlen möchten. So ist dann mein Talypsidamus so sorgfältig? sagte Polyphilus / empfohle ihn des Schireno Leuten / und gienge also fort mit dem Agapistus / dem Vinellio aufzuwarten. Sie wurden von demselben gar höflich empfangen /worauf ihn Polyphilus mit diesen Worten anredte: Seine Leutseeligkeit / edler und berühmter Vinellio! welche uns diesen Zutritt erlaubet / gibet uns auch die Hoffnung / in diesem kühnen Beginnen Vergebung /und in unserm fernern Anbringen Begünstigung zu erhalten. Wir sind Fremde / und kamen in Brundois /mit dem Vorsatze / die übrige Tage unsers Lebens dem Hirtenstande zu opfern / und also den Wi derwärtigkeiten / die uns ohne Aufhören verfolget / einen Damm zu setzen. Wie wir dann allbereit dazu einen Anfang gemacht / und nur noch den benötigten Schutz / welchen die Brundoischen Schäfere von dem grossen Vinellio geniessen / zu erlangen suchen. Wir bitten demnach dienstlich / uns hiermit zu beseligen: versicherend / daß wir uns jederzeit gegen seinen Befehl gehorsam / und gegen seine Vorsorge dankbar erweisen werden. Wie wir dann hoffen / er werde / edler Vinellio! aus dem Schreiben des Schäfers Cumenus /ein Zeugnüs unsers Wandels und Anbringens verstanden haben. Ich schätze mich glückselig / (gab Vinellio zur Antwort) daß ich die Ehre habe / mit so liebwürdigen Schäfern bekandt zu werden; vielmehr aber / daß sie gesonnen sind / unter unsern Hirten zu weiden. Dann / wo mich mein Gedächtnis nicht betrüget / und ich den Namen recht behalten / so ist er / wehrter Polyphilus! eben derjenige / welcher das Schloß Sophoxenien von den Fluch erlöset. Ich kan zwar dieses nicht laugnen / (sagte Polyphilus) sehe aber nicht /wie ich deßwegen einigen Vorzug fordern dürfte /weil selbige Handlung / mehr dem Glück / oder vielmehr der Vorsehung des Himmels / als meinem Verdienst beyzumessen. Ich habe von dieser Erlösung (fuhre Vinellio fort) so unterschiedliche Meinungen vernommen / daß ich nichts gewisses davon schliessen kan / und begierig bin / ihn selber hiervon reden zu hören. Was dünket ihn / mein Polyphilus! solte dieser Fluch / und dessen Abwendung / ein dloß Göttliches Wunderwerk seyn? oder ist einige zauberische Verblendung mit unter gelauffen? Polyphilus zoge die Schultern / und sagte: Diese Frage / edler Beschützer! ist so schwer / daß ich viel lieber mich mit der Unwissenheit entschuldigen / als eine gefärliche Antwort ertheilen will. Die Unwissenheit / (versezte Vinellio) kan ihm / als die vornemste Person dieser Handlung /nicht entschuldigen: die Gefahr aber / welche seine aufrichtige Bekentnüs zurück halten könte / hat er von mir / als einem vertrauten und verschwiegnen Freund / nicht zubefürchten. Demnach bitte ich nochmals / mir seine Gedanken hiervon zu eröfnen. Weil ich (sagte Polyphilus) seinen Befehlen meinen Gehorsam gewidmet / werde ich solchen diesem ersten nicht versagen dörffen: zumal seine Zusage mich versichert / daß ich meine Gedanken ohne Furcht offenbaren werde. Ich gestehe demnach freywillig / daß ich alles / was daselbst vorgelauffen / vor eine bloße Verzauberung halte. Dann Melopharmis ist dieser Kunst überaus erfahren / und hat / durch dieses Probstück / sich und ihren Sohn / zu Erben der königlichen Güter gemacht. So sind auch die Umstände gar zu klar / und kan jeder Vernünftiger dergleichen hiervon mutmassen. Nachdem er hierauf / dem Vinellio /den ganzen Verlauf erzehlet / sagte derselbe: Solcher gestalt / dörfte ich ihm fast Beyfall geben / daß dieses alles Zauberey gewesen. Aber ist dann niemand an dem Hof / der den Betrug merke? und sind die beyde Weißen / Coßmarites und Chlierarcha (die ich sonst vor gar gelehrt und verständig rühmen hören) zugleich mit dem Schloß verzaubert / daß sie der Königin diese Verblendung nicht offenbaren? Die Weißen / (begegnete ihm Polyphlus) sind mit mir gleicher Meinung / haben auch solches / bey der ersten Tafel /nachdem uns das Sonnen-Liecht wieder beleuchtet /der Königin durch allerhand Gespräche / zu vernehmen gegeben / und ihr Vorbringen mit starken Gründen und Beweißtümern behauptet. Weil sie aber gesehen / das Atychintide dem Vorgeben der Melopharmis so verstockt glaubet / und weil sie befürchtet / daß sie / durch weitläuftigere Erklärung / den Grimm dieser Zaubererin wieder sich reitzen / auch dadurch in der Königin Ungnade / und aus ihren hohen Ehrenstellen fallen möchten: als unterlassen sie / vor diese ihre Meinung ferner zu streiten. Dieses lezte / (erwiederte Vinellio) mag wohl die vornehmste Ursach ihres Stillschweigens seyn. Dann es ist jezt nichts gemeiners / als daß die Furcht / Ehre und Güter zu verlieren / und die Hofnung / selbige zu überkommen / die Grrechtigkeit hemmet / die Warheit unterdrucket / auch wol vernünftigen und sonst-tugendhaften Leuten den Mund schliesset / daß sie Hals-Geschwür bekommen / wie Demosthenes. Dieser wuste erstlich viel wider den grossen Alexander zu reden: Nachdem er aber von ihme ein güldnes Poeal verehrt bekommen / verstummete er / und wiese / auf anfragen üm die Ursache / mit der Hand auf seinen verbundnen Hals; anzeigend / daß dessen Krankheit ihn am Reden hinterte. Wiewol ihm dieser Geitz so übel bekommen / daß er darüber eine zeitlang der Stadt verwiesen worden. Diese Straffe würde heut zu Tag ihrer viele beschimpfen / wann man sie rügen wolte. Aber / wieder auf unser Schloß zu kommen / so bewundere ich nicht unbillig / daß die Kraft der Zauberey so mächtig / und unsre Natur in derselben Erforschung so künstlich ist: da sie doch in andern Dingen so onmächtig / daß sie / ohn ein besonders Liecht der Erkentnüs / fast keine Gottheit finden kan. Das Wesen und die Eigenschaft der Gottheit / (versezte Polyphilus) erscheinet freylich in dem Liecht der Natur etwas dunkel: das Seyn aber und die Gewißheit derselben / ist so offenbar / daß die ganze Natur / mit allen ihren Werken / davon zeuget. Es ist auch kein Land so verwildet / kein Volk so ungezämt und verblendet / das nicht gestehen muß / es sey etwas über uns / dem alles Untere dienet. Dann wohin sie die Augen wenden / da finden sie über-menschliche Wunder. Erde und Himmel / Berge und Gründe / Flüße und Brunnen / Thiere und Menschen / weisen sie auf ihren Schöpfer. Wer führet den Wagen der güldenen Sonne / auf so richtiger Straße / daß er niemals austritt / oder seine Bahn verlieret / sondern jederzeit das vorgesteckte Ziel erreichet / und nicht müde wird? Wer führet dem hochstehenden Beeren / daß er stehen bleibet / wann die andere untergehen? Wer lehret den Abend-Stern / das Tages-Liecht abzufordern? und den Morgenstern / dasselbe wieder hervor zu bringen? Wer leitet die Demanthelle Augen des Himmels / in so beständig schöner Ordnung / daß sie ihren gewohnten Lauf behalten? Diesen hohen Bewegungen /muß ja eine noch höhere Hand den Anfang geben /den Zügel führen / und die Schranken setzen. Verlassen wir den Himmel / und beschauen die Elemente wie sich Kälte und Hitze / Naß und Trucken / vereinigen; wie das Feur von Natur in die Höhe eilet / und die Erde zu Boden sinket / gleichwol jenes nicht zu hoch steiget / und diese zu tief fallen kan: So müssen wir gestehen / daß eine hohe Gewalt solche widerwärtige Dinge vereinigen / binden und halten müsse. Kommen wir aus der Luft / auf die Erde / und bedenken derselben Gewächse / Bäume / Blumen /Kräuter und Wurtzeln / ihre Form / Farbe und Wirkung; so haben wir abermal einen Uberweiß der Göttlichkeit. Betrachten wir dann die Thiere / was lauft und kreucht / was schwimmt und fleucht / wie deren jedes / sich zu rechter Zeit paaret / seine Speise und Artzney suchet und geniesset / seine Kleider / als Schuppen / Federn / Haar und Haut / mit sich bringet / auch seine notwendige Schutz-Waffen / als Hörner / Zähne / Klauen und Schnäbel / bey sich träget: So kan niemand sagen / er habe dann verblendte Sinnen / daß dieses alles ungefehr hervor komme und vermehret werde. Wann wir dann endlich uns selbst betrachten / und des Menschen künstlich-gebauten Leib / auch seine mit Vernunft begabte himmlische Seele beschauen: So muß ja ein jeder / der nur noch ein Fünklein reines Verstands übrig hat / frey gestehen: daß jener ein rechtes Meisterstück des Schöpfers / diese aber / ein schöner Spiegel der Göttlichkeit sey. Dergestalt weiset / dieses grosse Buch der Natur /gar eigentlich / den Finger dessen / der es geschrieben. Aber sein Wesen / und den Willen der Gottheit vollkömmlich zubeschreiben / ist unser Verstand allzu unvollkommen. Welchem ist aber sicherer zu trauen? (fragte Vinellio) der Natur und Vernunft / oder der Offenbarung? Jene leget ihren Beweiß öffentlich vor die Augen /diese hingegen heiset uns auf ein unsichtbares und unbegreifliches bauen. Dieses will den Weltweißen schwer fallen / wie wir an den Aristoteles sehen: welcher lieber nachgeben walte / daß die Welt von Ewigkeit her gewesen / als glauben / daß sie aus nichts erschaffen worden. Ein ander beschuldigt den Mose /daß er viel schreibe und wenig beweise. Solche Unmüglichkeiten finden sich / (sagte Polyphilus) wann man der Vernunft zuviel raum gibet / oder der Offenbarung ermangelt. Dann daß jene / ohne diese / mangelhaft sey / bezeuget das Exempel vor-berührtes und anderer Heyden / die / bey aller ihrer so grossen Vernunft und Geschicklichkeit / dennoch in so schreckliche Irrtüme gerahten / daß sie / nicht allein eine grosse Anzahl Götter erdichtet / sondern auch dieselben mit Lastern beflecket / und sich nicht gescheuet /einem Huren-Jäger / wie dem Jupiter / einer mißgönstigen Zänkerin / wie der Juno / einem listigen Betrieger / wie dem Mercurio / oder / einer unzüchtigen Bestie / wie der Venus / Göttliche Ehre zu erweisen. Hilf Himmel! in welche greuliche Blindheit sind die Menschen gefallen / daß sie verdammte und böse Leute /ja wol gar unflätige Thiere / und den abscheulichen Teufel selber / verehren und anbeten. Hieraus nun sihet man / daß Natur und Vernunft / nicht mehr als einen Schatten der Gottheit / und zwar sehr dunkel /zeigen. Freylich / (versezte Vinellio) ist die Vernunft ein kleines Fünklein / welches / ohne das Liecht der Offenbarung / leichtlich gar verlischet / und die Menschen in schwarze Finsternüs stürzet. So lang wir auf der Erden bleiben / haben wir an der Vernunft eine sichere Führerin: so bald wir aber höher steigen / müssen wir selbige fahren lassen / weil sie / wegen ihres blöden Gesichtes / auf unbekandten Strassen / leichtlich auf einen Abweg gerätet. Aber wir entfernen uns zu weit von unserm Zweck / und kommen / durch ein weitläuftiges Gespräche / aus den Wege / der sie hieher geführet. Ihre Forderung / meine Freunde! ist der Schutz / vor sie und ihre Heerde: welchen ich ihnen hiemit so willig ertheile / als würdig ich sie dessen erkenne. Dieses einige / bitte ich / mich noch zu berichten / ob sie Gebrüder seyen? Ach nein! (begegnete ihm Agapistus) das Geblüt bindet uns nicht / sondern die Freundschaft: welche mich / durch das Glück meiner Reisen / so fest an den Polyphilus gehäftet / daß ich / üm seiner Gesellschaft zu geniessen / kein Bedenken geeragen / auch den Schäfer-Stand / (wie ungleich er auch meinen vorigen Leben scheinet) zu erwehlen. Vinellio / der aus dieser Antwort etwas vornehmes an ihm ermessen konte / sagte mit freundlichen Worten: diß ist etwas ungemeines / in dieser unfreundlichen Zeit / und wehrt / daß man solche Tugend der beständigen Freundschaft / mit Nachfolge verehre und mit Dank kröne. Seine Höflichkeit / grosser Beschützer! (gab Polyphilus zur Antwort) ist / wie ich sehe / viel grösser / im ertheilen / als unsere Künheit / im Bitten. Wir erkennen uns zwar unwürdig /solcher hohen Begünstigung. Indessen danken wir unterdienstlich / vor so geneigte Gewärung unsres Ansuchens: und bitten ferner / unsre Wenigkeit auch ins künftige seiner vornehmen Gedächtnüs zu würdigen. Sie haben hieran nicht zu zweifeln / (fiel ihnen Vinello in die Rede) und werde ich solches mit dem Werke bekräftigen. Dißmal aber / wünsche ich ihnen eine glückliche Reise und fröliche Ankunft bey ihren Heerden / und bitte / den Cumenus meinet wegen zu grüssen. Die Schäfere bedankten sich hievor / und nahmen also ihren Abschied: willens / so bald sie nur von Schireno Abschied genommen / nach Soletten fort zu reisen / und Macarien ihre glückliche Verrichtung kund zu machen. Weil aber / das Geschrey von diesen Fremden / allbereit ausgebrochen / als kamen unterschiedliche Schäfere / sie zu besuchen und anzusprechen. Es fiele auch eben ein langwüriges Regenwetter ein / und nötigte sie / ihre Reise zu verschieben. Polyphilus wurde zwar hierüber ungedultig / und beharrte darauf / ungeacht alle Verhinternüs / seine Reise fortzusetzen; wie aus folgenden Zeilen / welche er diesen Abend geschrieben / abzumerken ist. Wie lange soll die Hinternüs noch währen / Die meine Reiß gedenket zu verstören? Ich habe nun / dem Himmel sey gedankt! Was ich gesucht / ja noch vielmehr / erlangt: Und dieses solt Macarie nicht erfahren? Und säum ich mich / es ihr zu offenbaren? Pfuy des Verzugs! wie bin ich doch so träg! Bald komt mir diß / bald jenes in den Weg. Kan dieser wol ein recht-verliebter heissen / Der / wann er soll zu seiner Sonne reisen / Noch etwas scheut / das ihm beswerlich fält? Gefahr und Noht / für Scherz die Liebe hält. Sie fürchtet nit / durch Glut und Flut zu springen: Wie soll sie dann / ein blosser Regen zwingen? Nein! auf und fort! es regne wie es wil: Den bösen Weg belohnt ein gutes Ziel. Ich lasse mich nicht länger hier verschliessen. Macarie muß meine Freude wissen. Diß wehrte Kind verdienet allen Fleiß / Und machet leicht die sonsten schwere Reis. Also fest hatte Polyphilus seinen Vorsatz gefasset. Und die warheit zu bekennen / es ware auch wol nötig: weil / wann er etwas leißer gestanden wäre /ihn eine neue Begebenheit bald hätte umstossen mögen. Dann als er / mit Agapistus / von Schireno Abschied nehmen wolte / und für die Bewirtung Abtrag zu thun begehrte / gabe der lachend zur Antwort: Er hätte noch nie keinen Wirt abgegeben / pflege aber gute Freunde gern nach Vermögen zu bedienen. Dafern sie aber ja seiner geringen Bewirtung eine Vergeltung thun wolten / so würde es diese seyn / wann sie ihnen gefallen liessen / noch diesen Tag bey ihm zu verziehen / und etlichen seiner bekanten Schäfern und Schäferinnen / die er zur Malzeit beruffen / Gesellschaft zu leisten. Wiewol Polyphilus ungern in diß Begehren willigte / so konte er es doch / Höflichkeit halber / seinem Guttäter nicht versagen. Ob wol (sagte er) sein Begehren / freundlicher Schireno! vielmehr einer neuen Schuld sich zu unterwerffen / als die alte abzustatten / gelegenheit gibet / so wollen wir doch / weil er solche Bezahlung selbsten wehlet /nicht dagegen streiten: nur / daß wir alsdann nicht länger aufgehalten werden / weil unsre Heimreise sehr nötig / und ohne das schon zu lang verschoben worden. Ich will (sagte Schireno) nur diesen Tag begehren: vielleicht möchte sich auch heute der Regen legen / daß sie morgen besser Wetter bekommen / wie es sich fast ansehen lässet. Auf diese Zusage verwilligten sie zu bleiben / und brachten die Zeit mit allerhand Gesprächen zu / biß die Mittags-Malzeit herzu kame / da dann unterschiedliche Gäste sich einstellten. Unter solchen / fande sich auch Carminta / eine von den vornemsten Schäferinnen des Landes Ruthiben /und des Schireno nahe Anverwandtin: Welcher ungemeine Schönheit / Höflichkeit / Tugend / Verstand und Geschicklichkeit / den Polyphilus in nicht geringe Verwunderung brachte; sonderlich / weil diese Gaben / in noch früher Jugend hervor blüheten / und durch eine wolständige Schamhaftigkeit / (die billig ein Schmuck des Frauenzimmers genent wird) grösser gemacht wurden. Er vergleichte sie in vielen Stücken /seiner Macarie: und suchte / weil diese abwesend /mit ihrer Gegenwart / an deren statt / sich zu ergetzen. Wie nun diese Schöne / von allen Schäfern zu Ruthiben bedienet und verehret wurde / also hatte sich sonderlich in sie verliebet / der Schäfer Damatus: welcher ehe dessen unsre Reisende / auf des Vinellio Befehl /besuchet. Er hatte sie lange Zeit mit grosser Höflichkeit und Demut bedienet / konte aber / ausser einer gemeinen Freundlichkeit / nicht die geringste Gegengunst erhalten. Dieses klagte er dem Polyphilus / mit dem er nun etwas bekandter worden / und sagte: Er könne nicht glauben / was unter diesen flammenden Augen / für eine eiskalte Brust verborgen / und was dieses Englische Angesicht / für ein Felsen-hartes Herz bedecke. Polyphilus bewundert solches / und gab zur Antwort: Er könne sich fast nicht einbilden /daß ein Weibsbild / gegen den Bezeugungen eines Höflichen und geschickten Liebhabers / allezeit unempfindlich seyn möge. Als aber Damatus darauf verharrte / und sagte / er hätte mit seiner Aufwartung / auch die Undankbarkeit selber / zu Mitleiden zu bewegen vermeinet / da aber Carminta ihm noch nicht einen Kuß mit Willen erlaubet: gelüstete den Polyphilus / sein Glück auch an ihr zu versuchen / in Hofnung / es würde ihm / weil er Macarie überwunden / Carminta auch nicht zu starck seyn. Ich will dann sehen / (sagte er zum Damatus) ob diese Schönheit von Marmer / oder von Fleisch gebildet sey: Arbeite ich umsonst / so ist Carminta die erste / die den Waffen des Polyphilus obsieget. Wann ich aber merken werde / daß dieser Diamant beginnet weich zu werden / so will ich den Damatus an meine Stelle beruffen. Dann ich suche hier keine Liebe / sondern nur die Ehre der liebhabenden Schäfere zu erhalten. Agapistus lachte dieses Anschlags / und sagte: Ich möchte mich mit einer Unbeweglichen nicht viel bemühen / und wolte sie immer hin hoffärtig bleiben lassen / auch meine Bedienung an eine Dankbare verwenden. Das gilt gleich viel! (versezte Polyphilus) was nicht bemühet / kan auch wenig erfreuen. Ist nur Damatus damit zu frieden / so will ich diesen Tag versuchen / wie weit ich diese Stoltze bringen kan: und so bald ich warnehme / daß die Besatzung ihres Gemütes zu accordiren willens ist / soll er diese eröfnete Vestung einnehmen / welches ich ihm durch einen Wink zu verflehen geben will. Wann nur / (antwortet Damatus) der Schertz nicht zum Ernst ausschläget / und ich in doppelten Spott gerahte. Es ist gar schwer / in der Sonne stehen / und keine Hitz fühlen. Vielleicht dürfte der Werber selbst wegnehmen /was er dem Liebhaber zuführen wollen. Ach nein! (begegnete ihm Plyphilus mit Lachen) solcher Falschheit hat er sich bey mir nicht zu befahren. Mein Gemüt ist schon voll Flammen / und hat keinen Platz übrig / andere einzulassen. Also ward dieser Anschlag beschlossen / und finge Polyphilus allgemach an seine Person zu spielen. Er bediente Carminta über Tische / da er eben gegen sie über zu sitzen kam / mit aller der Höflichkeit und Bescheidenheit / die er jemals gelernet: da sie dann ihm gleicher Weise begegnet. Nachdem sie aber von der Malzeit aufstunden / und / weil sich der Himmel wieder aufgekläret / zu des Schäfers Schireno Heerde zu spaziren / beschlossen / nahm Polyphilus die Gelegenheit in acht / und stellete sich bey Carminta sprechend: Ich weiß nicht / edle Carminta! ob ein Unbekandter die Künheit wagen darf / ihre schöne Hand zu berühren? Ist diese Vermessenheit / daß ich ihr meine Begleitung anbiete / straffbar / so gedenke sie / daß ein Fremder noch Gnade zu hoffen hat / und lasse ihr nicht verdrießlich seyn / diesen Abend der Gesellschaft eines ungeschickten Schäfers zu gönnen. Einen solchen suchet Carminta nicht an dem höflichen Polyphilus: gab diese zur Antwort. Ich ehre die Stunde /welche er verdrießlich nennet / und werde danken vor die Begleitung / um welcher willen er Vergebung suchet. Er wird selber erdulten müssen / was die Gelegenheit füget / und meine Beywohnung vertragen /welche er ihm selbsten aufbürdet. Wann diese Bürde /wie sie die kluge Carminta nennet / (sagte Polyphilus) nicht süß wäre / würde ich nicht so eifrig darum bitten. Damit fasste er sie bey der Hand / und folgte den andern Gästen. Unterwegs sprachte er mit ihr / mehr von ernsthaftigen und verständigen Sachen / als von verliebten Händeln: und bekam auch so scharffsinnige / und vernünftige Antworten / daß er sich dar über entsezte; und hätte er nicht allbereit der Macarie seine Seele verpfändet / würde sie ohne Zweiffel Carminta gewonnen haben. Zwar weiß ich auch so nicht /ob ich ihn aller Liebe gegen ihr befreyen soll: dann ihre Beschaffenheiten kommen seinem Gemüte gar zu nahe. Doch will ich nicht vor der Zeit urtheilen; dann er will nur Liebe suchen / vor einen andern / und damit er solche allmälig hervor locke / spielet er /unter den Reden / bißweilen mit einen süssen Blick gegen ihr / den er doch / als ob es ihm leid wäre / bald wieder zurück nahme. Er wuste auch / ihrer schönen Hand / mit so subtilem Drucken zu begegnen / daß Carminta niche warnahm / wie sie gefangen wurde. Als sie nun zu der Heerde gekommen / und Polyphilus sie bate / den Sitz zu nehmen / wagte er zugleich die Künheit / im Riederlassen / ihr die Hand zu küssen / welches Carminta gar schläfferig verwehrt / und also dem Polyphilus gute Hofnung zu fernerer Gunst machte. Weil er aber solche durch Liebe zu erhalten ihm nicht trauete / versuchte er es durch die Beehrung / welche dieses Geschlecht sehr bewegt / und begunte also zu singen. 1. Kan dann dieser Himmels-Schein / Irdisch seyn? Kan / in diesen schönen Auen / Was die Götter zwingen kan / Ohne falsch-erdichten Wahn / Unser sterblichs Aug beschauen? Macht uns euer Glantz nicht blind / Treflichs Kind! 2. Selbst Diana / nimmt die Flucht / Will der Zucht / Dieser keuschen Nymfe weichen. Pallas sihet / ihr zur Schand / Euren herrlichen Verstand; Und die Venus muß verbleichen. Auch die Musen machet stumm / Euer Ruhm. 3. Was die andern / nur zerstückt / Hat beglückt / Hat Carminta ganz beysammen. Schönheit / Tugend / und Verstand / Hoheit / und gelehrte Hand / Sind die Frucht von diesem Stammen. Aller Schäferinnen Zier / Glänzt in ihr. 4. Und mir schenket mein Geschick Heut das Glück / Diese Wehrte zu bedienen. Weß sich schwerlich untersteht / Den der Himmel selbst erhöht / Darf ich Armer mich erkühnen. Ist nicht / wer so viel begehrt / Straffens wehrt? 5. Ach vergebet / Schönste! mir / Daß ich hier / Euch zu rühmen / mich vermessen. Ich bekenne frey und rund / Daß mein ungeschickter Mund Hab gefehlet / und vergessen / Das Carminta steigen kan Wolken an. Diß Lied / ob es wol der Schäferin sehr behagte /wolte sie es doch / Hoffartwahn zu vermeiden / nicht unbestrafft lassen / sondern beantwortete es / durch diese Verkehrung. 1. Solte diß nicht irdisch seyn / Was gemein / Weidend in den nidren Auen? Es ist nur ein blosser Wahn / Daß man eine Hirtin kan / Anderst / als in Einfalt / schauen. Was der Himmel nicht entzündt / Bleibet blind. 2. Ob / bey Menschen / Tugend-Frucht / Wird gesucht / Ist doch solches nicht zu gleichen / Einem Göttlichen Verstand. Alles / was uns ist bekandt / Muß des Himmels Weißheit weichen. Dann / vor dieser / bleibet stumm / Unser Ruhm. 3. Was die Menschen nur zerstückt Hat beglückt / Hat der Himmel ganz beysammen. Hier ist nur ein kleines Pfand / Und ein Fünklein vom Verstand: In der Gottheit sind die Flammen. Was wir Gutes finden hier / Komm von ihr. 4. Dennoch rühm ich mein Geschick / Weil das Glück Mir so günstig ist erschienen: Daß derselbe bey mir geht / Den der Himmel hat erhöht / Biß an jene Sternen-Bühnen; Dessen / überhohen Wehrt / Jeder ehrt. 5. Schäfer! meine Pflicht-Begier Zeiget mir / Euers Ruhms nicht zu vergessen. Weil mich träget dieses Rund / Ehr ich die geprießne Stund / Da ihr seyd bey uns gesessen; Auch die grüne Schäfer-Bahn / Denkt hieran. Nachdem Carminta dieses Lied geendet / fieng Polyphilus an / ihre Englische Stimme und treffliche Reim-Kunst zu preisen / und sagte: Er hätte wol Ursach / ihrer höflichen Entschuldigung zu widersprechen / und dtn warhafftigen Innhalt seines Lieds zu behaubten. Er schäme sich aber / gegen eine so Kunstfärtige Dichterin / ferner seine schwache Zunge zu rühren / und fürchte des Marsias Spott / der mit dem Föhus wett singen wollen. Ach nein! (versetzte Carminta) er fürchtet vielleicht / ich möchte / so er weiter singen würde / seine Reim-Kunst lernen. Aber er hat der Sorge nicht vonnöten / weil mein Gedächtnis solcher geschwinden Fastung unfähig ist. Ich sehe nichts unfähiges / (sagte Polyphilus) und hätte nimmermehr geglaubet / daß bey den Schäferinnen solche Klugheit wohnte / wie mir Carminta gewiesen: die ich darum billig preisen / und zum Grundriß ihren Ruhm in alle Bäume unser Wälder schneiden werde. Also spielten diese beede mit Höflichkeit / biß endlich Polyphilus seinen Arm um Carminta schlosse /und / weil sie solches nicht hinterte / ihre Brust / mit einer gar leisen Berührung an sich drückte: welches bey Carminta so viel vermochte / daß sie selbst ersezte / worzu seine Hand zu blöd schiene / und so nahe an ihn rückte / daß er vollends zufuhre / und ihren schönen Wangen einen freundlichen Kuß beybrachte. Hätte Macarie / die so sehnlich auf ihren Polyphilus wartete / zugegen seyn / und diese also in seinen Armen sehen sollen: wie würde sie solches aufgenommen haben? Doch Polyphilus entschuldigt ssch dißmahl / mit einer fremden Verstellung / und wir wollen ihn auch nicht verrahten: wann er nur selber schweigen kan. Damatus aber / welcher mit dem Agapistus (der dieses Handels nicht genug lachen kunte) von fern stunde / und diese Mauer allgemach brechen sahe / ward voll Verwunderung / und konte kaum das Zeichen erwarten / welches ihm Polyphilus versprochen hatte: fürchtend / er möchte einen Neben Buhler bekommen / und / vor seine Aufrichtigkeit / mit Spott von Carminta weichen müssen. Als er nun / in diesen ängsten / einen Wink vom Polyphilus bekommen / verfügte er sich mit Agapisto dahin / und verursachte damit / daß Carminta / so bald sie ihrer gewar worden / aufstunde. Polyphilus wendete sich zum Agapistus / und fragte / wovon sie indessen gesprachet hätten? und gabe zugleich dem Damatus Gelegenheit / seine Stelle bey Carminta /aber gar ungleich / einzunehmen. Dann sie erzeigte ihm eben so viel / als vorhin / oder wol noch weniger Liebe und Freundlichkeit / wie demütig und höflich er auch solche suchte: also daß Polyphilus gezwungen wurde / seinen vorigen Dienst wieder anzutretten /und diese Schöne / weil nun die andere heim eilten /auch nach Haus zu begleiten. Nachdem er von ihr einen freundlichen Abschied genommen / gieng er mit dem Damatus und Agapistus wieder zu Schireno / da ihn Damatus fragte: was er doch vor Künste gebraucht hätte / die Carminta zu bewegen? und was doch seine Liebe derselben verdrießlich machen müste? Meine Künste / (sapte Polyphilus mit lachen) weiß ich mehr zu üben / als zu beschreiben. Was auch seiner Aufwartung fehlen solte /sehe ich nicht / auser der größe der Liebe / welche der Carminta beschwerlich fällt / und seine Demut / die ihre Hoffart reitzet: dann das Frauenzimmer will mehr mit Werken / als mit Worten / überwunden seyn. Wer sie um eine Begünstigung bittet / bekommet nichts als Abschlag: wer sie aber mit Höflichkeit stihlet / erlanget Vergebung. Von allzugrosser Süssigkeit / ergiesset sich die Galle: also wird / eine überflüßige Bedienung / den Weibs-Personen bitter. Diese Art Thiere /wollen mit List / und nicht mit Verfolgung / gefangen seyn. Mit dem Munde rühmen / und mit den Gebärden lieben / sind die beste Waffen der Liebhaber. Ich sehe wol / (gab Damatus zur Antwort) daß Polyphilus sehr erfahren ist / in den Staats-Geheimnussen des Frauenzimmers. Ich will seinen Lehren folgen / und versuchen / wie viel sie vermögen. Gut! (versezte Polyphilus) wann ich wieder komme / so will ich die Probe an seiner Hochzeit sehen / wozu ich indessen Glück wünsche. Hierauf nahm er vom Damatus Abschied / und gienge mit dem Agapistus schlaffen. Des andern Tags / rüsteten sie sich zur Reise / bedankten sich gegen dem Schireno / für so viel erwiesene Ehre / und versprachen / ihre Schuldigkeit gegen seiner Liebsten sehen zu lassen: Damit nahmen sie Abschied / und giengen ganz wol zu frieden / nach der Insul Soletten. 10. Absatz Zehender Absatz Polyphilus und Agapistus / kommen wieder zurücke nach Soletten zum Talypsidamus / von dar zu Macarien in ihr Lusthaus / und dann zu ihren Weidgenossen. Polyphilus wird in die Volinie verliebt geglaubet / und kommet wieder zu Macarien . Sein Gespräche mit ihr / von ihrer beyden ungewisser Ankunft. Sein Frülings- und ihr Garten-Lied. Er besucht sie daselbst zum dritten mal / mit der Melopharmis und Agapisten : und wird sie von ihnen nach Soletten begleitet. Schlußgedicht dieses Dritten Buchs. Ehe die beyde Schäfer in Soletten kamen / fragte Agapistus den Polyphilus: ob er Macarie erzehlen solte /was mit Carminta vorgelauffen? Polyphilus sahe ihn an / und sor ach: Ihr wäret wol närrisch gnug darzu. Daran habt ganz keinen Zweiffel: versezte Agapistus. Nein! (sagte jener /) so übel thut Agapistus nicht an seinem Freund. Er weiß auch wol / daß Polyphilus keine auser Macarien liebet / auch keine ihres gleichen findet / und daß er mit Carminta nur zum Schertz gespielet habe. Das kan seyn / (antwortete Agapistus) wann es nur Macarie dafür aufnimmet. Aber / wollen wir gleich zu ihr / oder erstlich zum Talypsidamus gehen? Das lezte ist am sichersten: (sagte Polyphilus) dann man weiß nicht / was indessen möchte vorgefallen seyn. Also giengen sie / mit dem Jungen / zum Talypsidamus / der sie / nach freundlicher Bewillkommung /berichtete: daß Macarie nicht zu Hause / und vorigen Tags auf ihr Landgut verreiset sey / vor ihrem Abzug aber ihn wissen lassen / daß sie daselbst des Polyphilus erwarten wolte Dieser verwunderte sich über solchem Vornehmen / und fragte den Talypsidamus / ob er nicht dessen Ursache wüste? Nicht eigentlich! (sagte Talypsidamus) so viel ich aber mutmasse /wird es ein abermaliger Widerwille meiner Landsleute seyn: Wie werde ich dann endlich (fragte Polyphilus ferner) mit diesen Leuten zu recht kommen? Ihr wisset ja / getreuer Talypsidamus! daß ich des Mords /dessen sie mich anklagen / ganz unschuldig bin: und dannoch hören sie nicht auf / mich zu verfolgen. Was gibt er doch vor einen Raht / wie ich Macarie von ihnen bringen möge? So lang Eusephilistus in seiner Liebe gegen Macarien verharret / dem die ganze Insul gewogen ist / (versetzte Talypsidamus) sehe ich nichts als gefahrliche Mittel / zu seiner Hülfe. Wie ist aber seine Verrichtung zu Ruthiben abgelauffen? Auf das allerbeste! gab Polyphilus zur Antwort. Ich habe nicht allein den benötigten Schutz / sondern auch das Versprechen aller Gunst erhalten. So wäre dann mein Raht / (sagte Talypsidamus /) daß er biß dahin verzöge / und alsdann seine Liebste /unter einen Ruthibischen Geleit / welches die Soletter fürchten müssen / herrlich abholete. Dann auser diesem Schutz / sorge ich / es möchten die hiesige Inwohner / bey einer öffentlichen Verlöbnus / ihrer Rachgier eine kühne That grstatten. Und zu einer heimlichen Entführung / wird sich Macarie / wegen der bösen Nachreden / schwerlich bereden lassen. Wiewol nun dieser Raht den Polyphilus gar klug dünkte / so konte er ihm doch / wegen des Verlangens mit Macarien bald völlig vereinigt zu seyn / nicht Beyfall geben / sondern beschloße / er wolte vernehmen / was Macarie vorschlagen würde / und bedankte sich indessen für den wolgemeinten Raht. Er wolte damit von Talypsidamus Abschied nehmen: weil es aber schon zimlich spat war / bate dieser / sie möchten doch diesen Abend bey ihm verbleiben / weil sie zumal das Lusthaus Macarien entweder gar nicht /oder so spat erlangen würden / daß sie dieselbe am Schlafe verhintern möchten. Also willigten sie zu bleiben / und kürzten die Zeit / mit Erzehlung / was zu Ruthiben vorgelaufen: wiewol Polyphilus etwas betrübt war / üm daß er sich abermal an seinem Vorsatze gehintert sahe / auch deßwegen zu Bette eilete. Am Morgen nahmen sie Abschied vom Talypsidamus / mit hohem Dank vor seine Bewirtung / und giengen / unter einem guten Gespräche / nach Macarien Garten-Hause. Als sie nun demselben genähert /ersahe sie Macarie von einem Fenster / und gieng ihnen entgegen / empfienge sie mit grosser Freude /und bate sie / mit auf ihr Zimmer zu spaziren: allwo sie / weil es eben Mittag / dem Tisch bereitet fanden /und von Macarie ersuchet wurden / mit ihr zu speisen. Wiewol sie sich nun entschuldigten / einwendend /daß sie noch selbigen Tag in ihren Trifften seyn müsten: so ließe sich doch Macarie nicht abweisen /zumal sie ohndas ihre Verrichtung zu erzehlen hatten / mit Versprechen / daß sie nicht über die Zeit solten gehalten werden. Die Schäfere ließen sich / an einem so angenehmen Ort / leicht erbitten / und satzten sich mit ihr zu Tische: da sie dann von Macarien so höflich und wol tractirt wurden / daß sich Polyphilus sehr darob erfreute / Agapistus auch bey sich selbst seines Gesellschafters Glük rühmte. Polyphilus fienge unter andern an / und sagte: Er hätte nicht gedacht / daß er durch Soletten reisen / und Macarie nicht daselbst finden solte. Ich selbst hätte es nicht vermeint: (begegnete ihm diese) aber was vermag die Furcht nicht / die auch den schwachen Füßen Flügel machet? Von wem oder woher ist dann solche Furcht gekommen? fragte Polyphilus. Von seinem schönen Hündlein! antwortete Macarie. Dann als dasselbe ongefehr aus meinen Hause auf die Gassen kam / und von etlichen meinen Nachbauern / die seine Durchreise vorhin erfahren hatten / ersehen wurde / mutmasten sie alsbald / daß er solchen hinterlassen / und ohne Zweifel wieder abholen würde: beschlossen demnach / auf seine Widerkunfft zu lauren / und alsdann ihn gefänglich anzunehmen. Solches ward mir verkundschaftet: Daher ich alles Unheil zu verhüten / mit dem Hunde hieher entwichen. So sehe ich gleichwohl / (sagte Polyphilus) daß Macarie vor den Polyphilus sorget / und sage vor solche Aufrichtigkeit schuldigen Dunk. Aber wie werden wir endlich die Solettische Inwohner begütigen? Ich weiß keinen Rath / (begegnete ihm Macarie /) so lang ich nicht weiß / was sie zu Ruthiben ausgerichtet Alles guts! gab Polyphilus zur Antwort. Ich habe daselbst mehr Ehre genossen / als ich mir eingebildet / und nicht nur den Schutz / sondern auch alle beförderliche Gunst erlanget. Das höre ich sehr gerne /(versezte Macarie) und wünsche / weil mein voriger Glückwunsch kräfftig gewesen / noch ferneres Glücke. Ich bitte aber / indem es solche Beschaffenheit hat / mit unsrer näheren Verbindung noch so lang zu verziehen / biß die Förderung erfolget: Polyphilus sahe hierauf den Agapistum an / und sagte: das ist eben das Lied / welches mir gestern Talypsidamus vorgesungen / dessen Thon mir so gar nicht gefallen wolte. Soll ich dann / schönste Macarie! niemal meines Wunsches teilhaftich werden? Ja / zu seiner Zeit! (sagte Macarie /) wann es dem Himmel gefallen wird. Er setze seiner Gedult noch ein kurzes Ziel / und gedenke: daß dadurch unsre Freude viel ruhiger werden wird. Sie hat zu befehlen! (erwiederte Polyphilus) und so lang ich ihrer Gunst versichert bin / will ich wtder ihren Willen nicht streiten. Also willigte er in ihren Schluß: wiewol er / wann er den langen Verzug dieser Abholung vorher gewust hätte / gewißlich nicht so gehorsam würde gewesen seyn. Nach vollendter Malzeit nun / machten sich die Schäfer auf den Weg / und nahm Polyphilus / weil er doch in des Agapistus Gegenwart / keine verliebte Freundlichkeit vorkehren dorfte / Macarie auch solche nicht reichen würde / von ihr einen höflichen und dankbarn Abschied. Doch bate er heimlich / daß er folgendes Tags seine Aufwartung fortsetzen möchte. Dafern es ihme nicht beschwerlich / (sagte Macarie) habe ich darum zu bitten. Dißmal aber bedanke ich mich vor ihre Gesellschaft / und bitte / meine schlechte Bewirtung günstig zu vermercken. Also schieden sie von dannen / und reiseten nach ihren Triften / die sie in gutem Wolstande fanden. Ehe sie aber dahin kamen / fragte Polyphilus den Agapistus: wie ihm der Raht Macarien gefiele? Ich weiß nicht / (gab dieser zur Antwort) was ich davon halten soll? Vernunft zeiget er genug: ob er aber die Liebe vergnüge / das ist es / daran ich zweifle. Doch kan er / wo ihn solcher Raht nicht beliebet / durch die Entdeckung ihres Vatters / sie bald eines andern bereden. Ich trage aber Bedenken / solches zu thun / weil ich in dieser Gegend nicht bleiben soll: sagte Polyphilus. Wann ich Macarien ihre Eltern eröffne: wer weiß ob sie alsdann gesonnen bleibet / mit mir zu reisen / und nicht lieber bey ihnen seyn will? Darum halte ich vor rathsamer /daß ich dieses Geheimnus alsdann erst offenbare /wann sie schon mit mir abziehen soll. Das ist etwas! (sagte Agapistus) und wird also wol das bäste seyn /daß er Schreiben von Ruthiben erwarte. Unter diesem Gespräche kamen sie zu den Schäfern / und wurden von denselben gar freundlich empfangen: sonderlich von Melopharmis und ihrem Sohn. Polyphilus brachte dem Cumenus einen Gruß vom Vinellius: welcher sich davor bedankte / und fragte /ob sein Brief etwas Nutzen geschafft hätte? Sehr viel! (versetzte Polyphilus) er hat uns den Schutz / welchen wir gesuchet / und noch viele Gunst-Versprechen erlanget. Dieses wird nicht mein Schreiben (sagte Cumenus) sondern ihre gute Gaben / von welchen mein Brief gezeuget / erworben haben. Ich wünsche aber /zu solcher Beförderung / alles Glücke. Nachdem auch die andern ihre Glückwünschungen abgeleget / und Volinie wol wuste / daß Polyphilus ihre Stimme liebte / fieng an / solcher massen zu singen. 1. Solche Ehr / Folget auf der Künste Lehr. Wer dieselbe eifrig übt / Wird geliebt / Und kan bey den Großen wohnen / Die die Wissenschafft belohnen / 2. Nicht das Glück / Bringet Lob und Ruhm zurück: Tugend hat euch aufgeführt / Kluger Hirt! Wird euch auch noch höher setzen / Und mit stäter Ruh ergötzen. 3. Unsre Herd / Scheinet heute ganz verklärt: Weil der Schäfer höchste Zier / Wieder hie. Und wir alle / sind voll Freuden / Weil er sucht / bey uns zu weiden. Polyphilus / welchen dieses Lied nicht wenig ergetzet / erwiderte der schönen Volinie einen höflichen Dank / und sagte: daß sie dißmal ihrer Höflichkeit zuviel erlaubet / und ihn über Verdienst geehret hätte. Hiernächst nahm er sie / (weil es eben Zeit war / die Heerde einzutreiben) bey der Hand / und begleitete sie / zum Zeichen seiner Dankbarkeit / unter vielen höflichen Gesprächen / nach Hause. Die andere Schäfere und Schäferinnen / folgten ihm mit den Herden nach; und weil Volinie diesen Abend bey ihrem Vater Cumenus speisete / blieben sie beyeinander / biß sie die tiefe Nacht zur Ruhe forderte. Als sich aber unsre beyde legten / fragte Agapistus den Polyphilus: Ob er wisse / was man von ihm und Volinie rede? Was dann? fragte dieser hinwieder. Daß sie einander lieben: versetzte Agapistus. Die Leute werden ja nicht närrisch seyn? (erwiederte Polyphilus) sie wissen ja / daß Volinie einen Mann hat / und daß ich mich um keine verehlichte bemühe. So viel ist ihm: (erzehlte Agapistus) heute als ihr / mit ihr / vor uns her gienget / und ich mit Tycheno und den andern folgte / hörte ich / in dem ich mich stellte / als ob ich hefftig mit Tycheno redte / daß Marinne gegen Amapfe sagte: sie solte zusehen / die Freundschaft des Polyphilus mit Volinie / würde in kurzen zur Liebe ausschlagen. Uber welche Zeitung Amapfe heftig erschrocken / und hernach fleissig auf eure Handlungen acht gabe? Polyphilus lachte hierüber / und sagte: da kehre ich mich nicht an! so lang Volinie Höflichkeit gegen mir brauchet / so lang brauche ich sie hinwieder gegen ihr / solten auch Marinne und ihres gleichen Verleumdere darüber bersten. Volinie verdienet Aufwartung / und ist nicht so ungereimt / daß sie von mir / als daß das Vieh-Mägdlein Marinne von Agapistus / geliebt wird / und ihn auch eifrig wieder liebet. Solt sie ihr das wol einbilden? (begegnete ihn Agapistus) so müste ich je noch mehr lachen. Es würde doch nicht übel stehen / wann Agapistus mit Marinne / und Polyphilus mit Macarie prangte. Und wann ich anfange zu schertzen / so mache ich die Einbildung dieser Unbesonnenen noch gewisser. Dergestalt ergezten sich diese beyde mit der Leute Argwahn / bis Agapistus dem Polyphilus gute Nacht wünschte. Dieser schliefe aber diese Nacht gar wenig / und qwälte sich mit den Verlangen nach seiner Macarie /welches er diesen Tag so gar nicht sättigen können. Also machte er sich früe wieder auf / und / nachdem er den Agapistus / seine Abwesenheit bey Cumenus und den andern / mit Vorwendung eines nötigen Geschäftes / zu entschuldigen gebeten hatte / gienge er so fort / nach den Lust-Hause Macarien: allwo er selbige schon auf ihn warten fande / und freundlich vom ihm bewillkommet wurde. Sie spazirten eine zeitlang im Garten auf und nieder / und sagte Macarie: man solte je den Früling / als das lieblichste vom Jahr /nur bloß in den Gärten zubringen / und derselben Annemlichkeit genießen / auch die neue Geburten / welche er täglich hervor bringet / betrachten. Sonderlich /(versetzte Polyphilus) wann man darinn solche Blamen findet / wie ich jetzo an der Hand führe / welche billig Königinnen der andern / und eine Sonne der Gärten genennet werden: und auser dieser / würden mir alle Blumen ungestalt vorkommen / wie zierlich sie auch sonst prangen. Dann allein diese Rose machet die Gärten glänzend und wolriechend. Ach mein Polyphilus! (versezte Macarie) diese Blume / die eure Höflichkeit so sehr rühmet / stehet auf einem rauhen Stengel / und diese Rose (damit ich eure Gleichnus nicht verwerfe) ist mit vielen Dörnern umgeben. Wie ist es doch müglich / daß ihr mich noch liebet / da ihr ja nicht wisser / von was Eltern ich gebohren bin? Ich liebe Macarien (begegnete ihr Polyphilus) deren Schönheit des Leibs und Gemütes /meine Liebe überflüssig verdienet: und ob mir gleich unwissend ist / von was Eltern sie geboren ist / so zeiget sie doch selber / als eine edle Frucht / daß sie von keinen geringen Stammen entsprossen sey. Wann wir einen Vogel in die Sonne fliegen sehen / schließen wir hald / daß er einen Adler zum Vatter habe: und ein mutiger junger Löw zeiget jederman / von wem er gezeuget worden. Ja (sagte Macarie) diß ist die Natur der Thiere / welche ihres gleichen bringen: so aber bey den Menschen nicht folget / da oftmals ein schönes Gemüte bey ungeachten Eltern kan geboren werden. Wann gleich dieses wäre / (erwiderte Polyphilus) kan es doch dem Adel des Gemüts nichts benchmen. Dann / der jenige / so ein unedles und lasterhaftes Gemüt heget / hat sich des Adels und der Tugenden seiner Vorfahren nichts zu rühmen / weil er solche nicht fortsetzet / sondern nur ein Schandflecken seines Geschlechts / und ein Aas von einem Edlen zu nennen ist / wie der treffliche Opitz gar warhaftig sagt: – – – Kan gleich von vielen Zeiten / Dein Stamm bewiesen seyn / und dir / zu beyden Seiten / Kein Wappen an der Zahl / lein blanker Helm gebricht / Du aber bist ein Stock: so hilft die Ankunft nicht. Also kan auch / die Gemüts Hoheit und der Tugend-Adel durch eine niedrige Ankunft nicht verringert werden; und solte Macarie / von den allerverächtlichsten Eltern (welches doch nimmermehr glaublich) erzeuget seyn / so bleibet sie doch / die Kunst- und Tugend-gezierte Macarie / deren Gaben Polyphilus billig anbetet / die auch niemand / ohne Verwunderung /Liebe und Ehre anschauen kan. Ja / damit mein Hertz sehe / daß ich nicht Ursach habe / mich an ihrer ungewißen Geburt zu stossen / so bekenne ich ihr aufrichtig / daß ich mit ihr gleiches Unglück trage / und von meinen Eltern gar wenig mehr Nachricht / als sie / zu geben weiß. Soll ich dieses glauben / (fragte Macarie) oder saget er solches nur zu meinen Trost? erzehlet mir doch ümständlich / wehrter Polyphilus! wie uns der Himmel auch hierinn verbunden habe. Hierauf giengen sie in die bewachsene Sommer-Hütte / und setzten sich zusammen / da dann Polyphilus also zu reden anfienge: Meine Erzehlung / schönes Kind! wird kurz seyn / weil die Wissenschaft sehr gering ist. Ich habe nicht mehr Nachricht / als daß ich /in der Landschaft Brunsile / von einen Schäfer selbiger Gegend / erzogen worden: welcher aber freywillig gestehet / daß er nicht mein Vatter sey / solchen auch nicht gesehen habe. Dann als er einst seine Herde geweidet / ist eine / dem Ansehen nach / vornehme Frau / mit zittern und ängsten / auf ihn zugelaufen: welche mich / als ein noch unmündiges Knäblein / an der Hand geführet / und ihn mit vielen Threnen gebeten / er solte sich doch ihres Elends annehmen / und dieses Kind schützen und verbergen / daß es nicht von den Raubern ermordet würde. Sie hat ihm beynebens etliche zwantzig. Kronen / samt einem Ring von hohem wehrt / welchen er noch zum Gedächtnus aufhebet / zugestellet / und / nach einem schmerzlichen Abschieds-Kuß / auch mit versprechen / daß sie ehist wiederkommen wolte / traurig hinweg geeilet. Er hat sie aber nachmals nicht mehr gesehen / auch nichts weiter erfahren können / als daß selbigen Tag / etliche Rauber / eine Kutsche geplündert und weg geführt hätten. Also hat er mich vor sein eigen Kind aufgezogen. Dieses ist das wenige / was ich von meiner Ankunft zu sagen weiß: welches mich / so bald ich es vernommen / angetrieben / den Schäfer-stab zu verlassen /und in die Welt zu gehen: entweder / etwas von meinen Eltern zu erforschen / (welches doch noch zur Zeit vergeblich gewesen) oder doch / durch Kunst und Wissenschafft / etwas mehrers / als einen Schäfer /abzugeben / weil ich vermeinte höher entsprossen zu seyn. Nachdem ich aber durch viel Unglücksfälle gelernet / daß mich oer Himmel beruffe / ihme in dem Hirtenstande zu dienen / habe ich meinen Vorsatz auf seinen Willen geworffen / und will nun gern ein Schäfer sterben / dafern nur die schöne Macarie sich nicht wegert / eine schlechte Schäferin zu werden. Warum solte ich mich dessen wegern / gab Macarie zur Antwort /) da ich aus allen Umständen schließe / daß ich von solchen Eltern geboren bin. Glaubet mir / liebster Polyphile! daß ich euch nun noch so frölich liebe /weil ich weiß / daß ich / auch in der Ankunft-Ungewißheit / euch zum Gesellschafter habe. Vielleicht gönnet uns der Himmel / mit der Zeit / noch einige Nachricht von unsern Eltern. Polyphilus fienge hierauf an / sein Liebes-Verlangen bey Macarie zu sättigen / und genoß von ihr solche Freundlichkeit / daß er fast aus sich selbst gebracht wurde / und wol Ursach hatte / diesem Tag /welcher ihn so herrlich vergnügte / Dank zu sagen. Damit aber ja ihre Liebe in der Unvollkommenheit bliebe / wurden sie bald zerstöret / indeme mitten in ihren Umarmungen / der Macarie Dienerin anklopfte / und sie berichtete / daß jemand von Soletten vorhanden / so mit ihr reden wolte. Nachdem sie den Polyphilus gebeten / ihr zu vergeben / daß sie ihn etwas allein ließe / gienge sie aus dem Sommerhause nach ihrem Zimer / ihn in der Einsamkeit hinlassend; da er dann / solche zu kürtzen / weil er Feder und Papier auf dem Tisch fande / diese Zeilen aufsezte: 1. Die gepriesne Lenzen-Zeit / So die ganze Welt erfreut / Und mit bunten Blumen schmücket / Will auch meiner Liebe gönnen / Was ich schwerlich wünschen können / Und hat heute mich beglücket. Heut / ist der erwünschte Tag / Da sich endet alle Klag / Welche mich bißher bestricket. 2. Du / des Jahres Kunst Apell / Schöner Früling! kanft so hell / Deine Blumen nicht bemahlen / Als sie mahlet meine Sonne / Wann ihr Aug mit froher Wonne Diese Felder will bestralen. Ja / Macarie / mein Ruhm / Ist die allerschönste Blum / Die mit keinem Wehrt zu zahlen. Er hätte weiter geschrieben / wann nicht Macarie wieder zu rücke gekommen wäre. Sie gienge behend nach dem Tisch / lase was er geschrieben / und sagte hernach: Ihr rühmet mich zu hoch / mein Kind! und werdet hinfüro solche überfiüssige Verehrung einstellen /wann ich nicht glauben soll / daß ihr mehr Höflichkeit / als Liebe heget. Wie solte ich aufhören / (sagte Polyphilus /) die jenige zu ehren / welche ich so sehr liebe? Ihr billiger Ruhm / schöne Seele! wird / so lang ich schreiben und reden kan / nicht aufhören. Aber ich erinnere mich / bey diesen Gedichte / daß Macarie einsmals versprochen / diesen Garten im Lenzen / mit einem Gesang zu verehren / und bitte / dißmahl solcher Zusage nachzukommen / damit Polyphilus / nach ihrem Abschied / sich mit ihrer schönen Hand trösten könne. Ich muß bekennen / (versetzte Macarie) daß ich meinem Garten ein Lied schuldig bin: und weil er vermeinet / einen Trost darinn zu finden / will ich / so gut es meine Einfalt gestattet / solches aufsetzen. Also schriebe sie / in ihres Liebsten Gegenwart / folgends. 1. Wann ich meine Sinne lenke / Und bedenke Dich / du holdes Garten-Zelt / Wo in jezt-begrüntem Lenzen / Auf dem Feld / So viel bunte Blumen glänzen: So erfordert meine Pflicht / Ein Gedicht. 2. Wie ich vormals dich zu preisen / Hab verheißen / Wann du würdest wahre Treu / Mit der Blüte wiederbringen / Ohne Reu: Also will ich nun besingen Dich / du lust-erfüllter Ort! Fort und fort. 3. Du hast meinen Wunsch erfüllet / Und gestillet. Deiner Güte schreib ichs zu / Daß ich einen Weg gefunden Zu der Ruh. Ob die Liebe mich gebunden: Gibt doch / ihre Dienstbarkeit / Lust und Freud. 4. Einmal dich / mein Hertz! umfangen / Nach Verlangen / Ein versüsster Liebes-Kuß / Uberwieget alle Plagen / Und Verdruß / Die ich vormahls hab ertragen. Alles / was mich vor verwundt / Heilt dein Mund. 5. Nehmet Dank / ihr hohen Bäume! Was ich reime / Stehet hier zu einer Prob: Daß ich werde stets erheben Euer Lob / Weil mir eure Gunst gegeben Den / der mein Gemüt verlezt Und ergezt. 6. Euch / ihr schöne Felder-sterne / Und Laterne / Soll das helle Wolken-Liecht / Und das füße Perlen-thauen / Manglen nicht. Haltet / was wir euch vertrauen. Wir erheben eure Zier Für und für. Wie sehr den Polyphlus dieses Lied ergötzet / ist nicht zu beschreiben. Er fragte Macarien / ob auch ihr Herz mit diesen Worten übereinstimte / daß er sich künftig auf ihre Liebe verlassen / und weiter vor den Anwerbungen des Eusephilistus sich nicht fürchten dörfte? Ach nein! (versetzte Macarie) so ein Laster sollet ihr von mir nicht erfahren. Ich habe einmal zugesagt / den Polyphilus zu lieben / und wo ich denselben nicht jederzeit liebe / so soll mich der Himmel nimmermehr lieben. Solte sich Eusephilistus weiter etwas unterfangen / so will ich / seinen Anwerbungen zu entfliehen / mich alsbald mit euch trauen lassen. Können wir dann etwas von Ruthiben erwarten / so scheinet solches etwas sicherer. Nun habe ich genug /(sagte Polyphilus) und will mit dieser Zusage frölich wieder von hinnen gehen: weil es doch auch Zeit seyn wird / meine Freude biß morgen aufzugeben / und ihr / schönes Kind! mit schuldigem Dank vor ihre Gewogenheit und Zusage / eine süße Nacht zu wünschen. Ich bedanke mich davor freundlich / (erwiderte Macarie /) und weil ich morgen wieder nach Soletten reisen muß / bitte ich / so es ihm nicht beschwerlich /mich neben seinem Agapistus / auch Melopharmis /und ihrem Sohn / noch vor meinen Abzug zu besuchen. So will sie dann (sagte Polyphilus ganz erschrocken) schon wieder nach Soletten? Und soll die Glückseeligkeit meiner Liebe / welche sich kaum angefangen / wieder abgeschnitten werden? Soviel ist es ja /(begegnete ihm Macarie) und habe ich eben jezt einen Brief von Soletten erhalten / in welchem mich eine meiner vertrauten Freundinnen berichtet / daß ich /um nötiger Sachen willen / nach Hause eilen soll? Ich weiß also nicht / was abermals möchte vorhanden seyn / und kan mich nicht länger aufhalten / solches zu erfahren / damit ich nicht in neue Ungelegenheit gerahte. So soll dann meine Zufriedenheit (sagte Polyphilus) nur angefangen bleiben? wie kan mich doch mein Unglück zwingen / daß ich ihre Flucht / aus Furcht der Gefahr / selbst billigen muß. Es wird vielleicht das lezte mahl seyn / (begegnete ihm Macarie) daß wir uns trennen müssen: Er lasse sich / auch hier inn / von der Gedult führen; und erwarte das einige /welches uns noch aufhält. Weil es je unumgänglich ist (antwortete Polyphilus) so muß ich der Gewalt weichen / und will sie / nach ihrem Befehl / morgen entweder mit Melopharmis und den Schäfern / oder / wo sich diese wegerten / ganz allein bedienen. Ich wünsche inzwischen einen glücklichen Abend / und bitte /meiner Wenigkeit bestens zu gedenken. Damit nahm er Abschied / und kame so spat wieder zu den Tieften / daß er die Heerden nicht mehr im Feld fande. Der Melopharmis und dem Agapistus hinterbrachte er die Einladung seiner Liebsten / welche sich so bald entschlossen / sie zu besuchen. Wie sie dann solchen Vorsatz ins Werk stellten / und des andern Morgens gar früe mit Polyphilus / nach den Landgut der Macarie giengen / und daselbst von ihr /mit großer Höflichkeit empfangen wurden. Sie führte diese ihre Gäste eine Zeitlang im Garten auf und ab /und bate / ihr zu vergeben / daß sie sich unterstanden / sie an diesen schlechten Ort einzubitten. Ihre Freundlichkeit / hochgeschätzte Frau! (sagte sie gegen Melopharmis) wird mir hoffentlich zu gut halten / daß ich in dieser kühnen Einladung / meinen Begierden den Zaum schießen lassen. Ich konte in meinen Gemüte nicht löblich befinden / die jenige / von welcher ich albereit so viel Wolthaten genossen / so nahe zu wissen / und doch unbesprochen zu lassen. Dann ich muß bekennen / daß ich bißher ihrer Vorsorge Gutthätigkeit und Hülfe / ohne Erkentnus und ohne Verdienst / genossen. Wie ich dann davor dißmal einen schuldigen Dank ablege / mit der Bitte / daß sie ihr den Polyphilus ferner befohlen seyn lassen / ihm in seinem Vorhaben beystehen / und alles Widrige / so ihn betrüben könte / durch ihren hoch-verständigen Raht hintertreiben wolle: welche Aufrichtigkeit dankbarlich zu erwiedern / wir beyde / bey allen vorfallenden Gelegenheiten / nach Vermögen / jederzeit uns wollen angelegen seyn lassen. Melopharmis / deren dieser Dank nicht übel gefiele / gabe zur Antwort: Ihre Höflichkeit / Tugendgezierte Macarie! ist ungleich grösser weder meine geringe Hülffe / welche vielmehr der Göttlichen Vorsehung / als meinem Vermögen beyzumessen. Und so ich je etwas / zu ihrer Vergnügung gewirket hätte /wäre solches doch längsther / durch die Unterrichtung meines Sohns / vom Polyphilus ersetzet worden. Ist also ihr hoher Dank / ganz überflüssig. Ich werde mich aber hinkünftig bemühen / zu verdienen / was ich von ihrer Freundlichkeit heut genieße: damit die Danksagung der schönen Macarie / nicht vergeblich sey. Macarie führte sie hiernächst mit auf ihr Zimmer / und bate / mit ihr das Früstück einzunehmen. Ob nun wol Melopharmis / mit den Schäfern / sich entschuldigte / und einwendete / daß sie bloß zur Besuchung / und nicht Unkosten zu verursachen / angekommen wären / so ließe sich doch Macarie nicht abweisen / sondern sagte: wie daß sie nicht gewohnt wäre / nüchtern zu reisen / und hoffen wolte sie würden ihre geringe Kost nicht verschmähen. Also wurden sie zum sitzen genötigt / und so wol mit köstlichen Speisen als mit geschickten Zusprechen / auf das allerhöflichste tractirt. Agapistus rühmte solches / und sagte: Es sey an solchen Tischen gut sitzen / da man nicht allein herrliche Kost / sondern auch ein freundliches Gesicht genieße. Weil jenes / an einen so einsamen und ungelegenen Ort nicht zu hoffen / (sagte Macarie) so solte billig dieses den Mangel ersetzen. Allein / ich muß mich auch darinn gar ungeschickt bekennen / und werde bey meiner Einsamkeit / fast gar die Sprache vergessen. Das kan man nicht spüren / (versetzte Agapistus) und halte ich vielmehr davor / daß die kluge Macarie /in der Einsamkeit / einen solchen Uberfluß schöner Worte samle / daß sie sich hernach / bey Gesellschaften / damit verwunderlich machen könne. Wann ich nicht wüste / (erwiederte Macarie) daß Agapistus gern scherze / so wolte ich diese Auflage bestreiten. Allein / ich fürchte / dadurch nur seiner Beredsamkeit den Damm zu öffnen / und meine Unvermögenheit käntlicher zu machen. Ich befinde also viel nötiger /zu bitten / daß sie die geringe Speisen kosten / und den geneigten Willen / mit welchem ich die leere Schüsseln gefüllet / an stat des gültigen Werks annehmen wollen. Wir haben vorhin / (sagte Polyphilus) ihre Höflichkeit mißbraucht / und wollen nun die wenige Zeit / welche wir noch übrig haben / in ihrer Begleitung zubringen. Das wäre zu viel / (begegnete ihm Macarie) ich habe sie schon so weit bemühet: solten sie mich auch begleiten? Es ist eine angenehme Bemühung / (versetzte Polyphilus) und müssen wir auch ohn das den Weg nach Soletten gehen / biß er sich gegen Brundois wendet. Wann dieses gewiß ist /(sagte Macarie) so will ich bitten / so lang auf meine Kutsche zu sitzen / als wir einerley Weg zu reisen haben / und durch ein freundliches Gespräch mir die Heimreise zu kürtzen. Also hieß sie die Kutsche bespannen / und bate ihre Gäste / zu ihr zu sitzen: welches sie / nach höflicher Danksagung vor erwiesene Ehre / verrichteten. Polyphilus saß zu Macarien / und samlete / die Kürtze der Zeit beobachtend / die Früchte seiner Liebe / ehe der Garten verschlossen wurde / mit solcher Ergötzlichkeit / daß Agapistus / wie er scherzhaft war / solche zu zerstören suchte / und die Melopharmis bate /etwas von ihrer beyder schmerzhafter Trennung zu singen / welches sie also erfüllete. Ach! wie wird das süße Lieben / Welches diese zwey ergezt / Sich verwechseln in Betrüben / Wann sie scheidend sich gelezt. Eh noch eine Stund dahin / Wird voll Kummer seyn ihr Sinn. Macarie konte dieses hönische Mitleiden nicht unbeantwortet lassen / sondern sange dieses dagegen. Dannoch hat das süße Lieben Uns geraume Zeit ergezt. Will das Scheiden uns betrüben / Ist ihm doch ein Ziel gesetzt; Und es flieht nie gänzlich hin / Was erfreuet unsern Sinn. Damit nun Melopharmis nicht alsbald gewonnen gäbe / versuchte sie noch einmal ihre Künst / mit diesen Zeilen: Aber / vermag das Scheiden Zu erdulten / sonder Pein? Welcher kan das Klagen meiden / Wann er muß getrennet seyn? Tausend Schmerzen / Weh und Ach / Folgt der süßen Liebe nach. Macarie konte diß nicht langnen / und wolte es doch auch nicht allerdings gestehen / sondern suchte das Mittel / mit folgender Antwort: Die / so mit der Hoffnung scheiden / Können noch gedultig seyn. Was nicht ewig zu vermeiden / Bringt der Tugend keine Pein. Nur Gedult! dann Weh und Ach / Dienet leider! nicht zur Sach. Wie sehr den Polyphilus diese Erinnerung seines Unglücks bewegte / so muste er doch solches Scherz-Gespräches lachen. Und weil sie eben damit der Weg auf Soletten scheidete / sprang er viel herzhafter / als ihm zu muht war / aus der Kutschen: da ihm die andere folgeten / und allda von Macarien Abschied nahmen. Polyphilus bate sie / in der Liebe beständig / und in seinem Andenken ämsig zu seyn / versprechend / sie ehest mit einem Brieflein zu besuchen. Sie ließen sie damit nach Soletten fahren / und kehrten / mit den nun-betrübten Polyphilus / unter einem scherzhaften Trost-Gespräche / wieder zu ihrem Trieften: machten damit dieser Kurtzweil / und auch diesem dritten Buch ein Ende. Schluß-Gedicht des dritten Buchs Schluß-Gedicht des dritten Buchs. Wir sind zum dritten Buch der Tugend-Lehre kommen Und haben nun den Weg bedachtsam wargenommen / Der zu dem hohen Thron der Ehr und Würde führt. Polyphilus uns lehrt / wie Kunst und Weißheit ziert / Und daß der schöne Ruhm / womit ein Schäfer pranget / Werd durch die Wissenschaft / auf nidrer Bahn / erlanget: Hingegen weist der Fall / der seine Liebste kränkt / Daß oft ein schwerer Stein an unsrem Glücke hängt / Und daß nit leicht ein Mensch / wie selig er auch scheinet / Werd anzutreffen seyn / der nicht zu Zeiten weinet. Ob gleich von außen nichts an unserm Glücke fehlt / So findet sich doch was / das uns von innen quält. Doch ist dergleichen Noht so hoch nicht zu beklagen / Als wann man Schmerzen muß / üm Laster willen / tragen: Wie hier die Königin zu einem Spiegel steht / Die / bey so hohem Stand / in strengen Fesseln geht. Der Steine Köstlichkeit / und was sie schönes träget / Vergnüget leider! nicht / die Liebe / so sie heget In der entzündten Brust. O! große Leidenschaft! Wann den verborgnen Geist sein eigen Laster strafft / Und auf die Folter wirft: An Melopharmis Leben Erscheinet / daß man stets in Sorgen müße schweben / Bey hoher Leute Gnad / und daß an einem Haar Häng über ihrem Haubt / die äusserste Gefahr. Dann weil sie ihres Sohns / aus großer Liebe / hütet: Wird / durch Phormena List / ein böser Raht geschmiedet Zu ihrem Untergang. Auch zeiget Agapist / Daß oft im Ende süß / was Anfangs bitter ist. Es wolt der Hirtenstand ihm erstlich nicht behagen: Jezt aber siht er ihn viel reiffe Früchte tragen. Was vor gering und schwarz in seinen Augen war / Daß rühmt sein eigner Mund anjetzo offenbar. Die Lehre weiset uns / im Guten auszudauren / Wie sehr das Unglück auch bestürmet unsre Mauren. Die Tugend träget doch zu lezt den Sieg davon; Und / der ihr hat gefolgt / erlangt die Ehren-Kron. Und ob auch unser Herz geheime Plagen kränken / So lasset uns dabey an Gottes Vorsorg denken: Der schon beschlossen hat des Leidens Maß und Ziel / Und weiß / durch wen / und wie / und wann er helfen wil. Nur dieses lasst uns fliehn / was das Gewissen schrecket / Und schaffen / daß es nicht mit Lastern werd beflecket. O seelig / welcher ihm nichts böses ist bewust! Kein Henker martert so / wie der in unsrer Brust. Auch trachte keiner / sich in hohe Gunst zu schwingen; Die / wann sie herrlich scheint / am ersten kan mißlingen. Wer auf der Erden geht / hat einen sichern Pfad: Das Meer ist wandelbar / und so der Fürsten Gnad. Zwar will uns / was gering / auch oft verächtlich scheinen So / daß wir keine Lust darinn zu seyn vermeinen: Weil wed Ehr / noch Glük / in schlechten Hütten wohnt: Doch findt / der es versucht / sich überreich belohnt. Er kan den stillen Geist mit wenigem vergnügen / Und lässet der da will / hin in die Lüffte fliegen. Die Tugend steigt empor / wann sie am Boden klebt; Und welcher mit ihr sinkt / wird auch mit ihr erhebt. Viertes Buch 1. Absatz Erster Absatz Des Polyphilus Briefwechsel mit Macarien / Ihre Klage / und sein Traum vom Eusephilisten . Auf Einrahten des Talypsidamus / kommet sie zum Solettischen Fest-Mahl: wobey auch Atychintide sich unversehens einfindet. Ihr Gespräche / von der Ungerechtigkeit des Männlichen gegen dem Weiblichen Geschlecht / und von dessen Vollkommenheit. Das Leben der Menschen / sonderlich der Verliebten /ist eine Schau-Bühne / auf welcher / bald traurige /bald fröliche Begebenheiten vorgestellet werden. Es gleichet einem fliessenden Bach: welcher seine Crystallen-helle Flut / bald durch Smaragden-grüne Felder / bald wieder durch sumpfichte Thäler / und über scharffe Steine fort führet. Dieses sehen wir an unsren Verliebten: die wir in einem sehr ergetzlichen Zustande verlassen. Daß aber solcher nicht lang gewähret /und das Glück ihnen / durch diese Freude / nur eine Linderung / und kein Ende / ihrer Widerwärtigkeit geben wollen / werden wir nun erfahren. Dann als Macarie / nach ihres Liebsten Abschied /wieder nach Soletten gekommen / muste sie / nicht allein von den Inwohnern / viel schimpfliche und bedrohliche Worte wider ihren Polyphilus anhören /sondern sie bekam auch / gleich des andern Tages /einen Brief durch des Gärtners Jungen / dieses Inhalts: Verlangtes Herz! Ihre hohe Freundlichkeit / wird mir zu gut halten /daß ich diese Begrüßung / wegen Kürze der Zeit /nicht zierlicher / wegen der unvermuteten traurigen Post aber / die mich diese Stunde erschröcket / nicht liebreicher und frölicher setzen kan. Hat sie dann /ach liebes Kind! die feindselige Insul / so hefftig verlanget / damit sie desto geschwinder in die Strafe der Liebe gerahte: Das ist aber deren Eigenschafft / daß sie / auf den höchsten Griffel der Süssigkeit / einen Wermut-Strauch wachen lässet. Wolle sie sich demnach nicht bekümmern / so lange die Brunst meines Verlangens sie begleitet / welche nicht eher / als mit ihrer beharrlichen Gegenwart / verleschen wird. Diese / in dem sie je länger je befeürter glühet / wird sie auch alle Beförderung erwehlen / das Gefängnus ihrer Widerwertigkeit zu öffnen / und ihre mir vertraute Freyheit / von den Fessel / so ihr der unruhige Eusephilistus anzuknüpfen gedenket / zu entledigen. Aber schöne Seele! was macht sie ihr selber Plage: Sie vergönne mir doch / durch ein einig Wort an Eusephilistus / sie von fernerer Bestreitung zu befreyen /sonderlich da ich keine Ursach der Verhinterung /oder der Verschwiegenheit erkennen kan. Was mein Hertz bißher gefürchtet / dessen allen dürffen wir nunmehr nicht achten / und können dem Werber mit einem aufrichtigen Nein kühnlich entgegen geben. Ich erwarte bey dieser Gelegenheit / gewiße Antwort und völligen Bericht / was sich bißher begeben. In was Kümmernus ich aber lebe / kan mein Hertz leicht ermessen. Doch tröstet mich ihre Beständigkeit / deren ich meine Treu zusetze / und so lang ich lebe / seyn und bleiben werde Ihr einig Ergebener Polyphilus . Daß Macarie über diese unvermutete Zeitung hefftig erschrocken / ist unschwer zu ermessen: sonderlich /weil sie nicht wuste / von wem Polyphilus solche erhalten / und befürchten muste / daß vielleicht ein listiger und gefährlicher Anschlag / von Eusephilistus und den Solettischen Inwohnern / zu ihren Verderben / geschmiedet werde. Welches zu erkundigen / sie bey Polyphilus / den Grund dieser Klage / mit folgenden Zeilen suchte. Mein Polyphilus! Ich habe mein Verlangen / so lang mit euren süssen Gedächtnus unterhalten / biß ich von eurem erwünschten Brieflein bin erfreuet / aber auch zugleich verwirret worden: weil mir alle die Widerwertigkeit und Unruhe / in welche mich / seinem Schreiben nach / des Eusephilistus Anwerbung soll gebracht haben / gantz unbekandt ist. Verständiget mich doch /mein Kind! wer euch mit dieser ungegründten Zeitung betrübet: und glaubet / ins künfftige / keinem Bericht / als der von mir selbsten kommet. Versichert euch meiner Aufrichtigkeit / wider allen Zweifel / und glaubet / daß ich euch nichts verhalte. Solte ich unverhoffte Gelegenheit überkommen / es sey gleich durch was Mittel es wolle / mit Eusephilisten zu sprechen / so werde ich ihm mit solchen Worten begegnen / die ihme unsere Freundschaft glaublich / und doch nicht gantz gewiß machen. Dann ob gleich etliche Umstände nicht mehr so gefährlich scheinen / wie vorhin / so ist es doch weit sicherer / daß wir unsere Liebe / noch zur Zeit / hinter dem Vorhang einer fremden Verstellung verbergen / und die Verschwiegenheit so lang zur Hüterin stellen / biß dieses Geheimnus die Lufft ertragen kan: sollen anderst die / in so viel Augen / Ohren / und Zungen / leuchtende Funken unsrer Liebe / mit der Asche der Vergessenheit bedeckt bleiben / und unsre Ruhe nicht zerstören. Es ist ja genug / daß wir es wissen / und kan ich gar nicht absehen / was die Eröffnung nutzen / aber wohl / was sie schaden könte. Vergnüget euch demnach / mein Allerliebster! mit der Gewißheit meiner Liebe / welche keiner Veränderung unterworffen /sondern mir jederzeit den Namen erhalten wird / Eurer beständigen Macarie . Mit dieser Antwort / schickte Macarie den Jungen wieder zum Polyphilus / mit Befehl / ihr eilends eine Gegen-Antwort zu bringen. Sie aber blieb indessen /unter einem Hauffen sorglicher und ungewisser Gedanken / zu Soletten / und unterließ nicht / heimlich nachzuforschen / von wem doch Polyphilus die Nachricht / wegen des Eusephilistus / möchte erhalten haben. Sie konte aber nichts erfahren. Bin ich nicht /(gedachte sie) eine Stief-Tochter des Glückes / und eine Wiege der Widerwertigkeit? wie gönnet mir doch mein Verhängnus so gar keine beständige Freude? Wann die Blume meiner Ergötzung kaum anfähet zu blühen / so wird sie durch einen verdrießlichen Wind wieder abgebrochen. Solte ich doch / in Ansehung dieser Unbeständigkeit / fast das Unglück vor der Lust erwehlen: weil jenes von Hoffnung der Errettung / diese aber / von Furcht der Gefahr begleitet wird? Besser aber werde ich handeln / wann ich keines von beyden achte / und die Thür meines Gemüts vor diesen Aufrührern zuschließe. Dann der Himmel pfleget ohne unterlaß mit uns Sterblichen zu wechseln / und lässet bald einen linden West in unsre Segel streichen / bald aber wieder einen strengen Nord-Wind unsern zerschöllten Kahn bestürmen: damit wir lernen / uns auf nichts als ihn verlassen /und im Unglück nicht verzagen / im Wolstand aber /nicht hoffärtig werden sollen. Ich werde ja / durch so vielfältige Ubungen allmählich gewohnen / der Gunst des Glückes nicht mehr / als dem Glantz der Sonne /welchen leicht eine Wolke wegnehmen kan / zu trauen. Ich will mich auf dieser Lebens-Reise / bloß auf den Anker der Tugend verlassen / und weder die Stille noch die Ungestümme der Winde mich bewegen lassen. Du aber / unbewegliches und unveränderliches Wesen der Gottheit! von welchem doch alle unsere Veränderungen den Ursprung haben: erhalte mich in diesen Gedanken / und laß mich Glück und Noht ohne Wanken und mit einerley Gesicht betrachten: damit ich allen Verwirrungen / durch deine Hülfe obsiege. Diß war der Vorsatz Macarien / welchen sie / zu Uberwindung aller Widerwärtigkeit / gar vernünfftig gefasset. Wir wollen aber fortfahren / und sehen / wie vest sie darinn gegründet sey. Sie bekommet / gleich des andern Tages / einen Brief vom Talypsidamus /welchen Polyphilus geschrieben / dieses lauts. Mein Hertz! Gleichwie mich billig / das angenehme Zeugnus ihrer getreuen Liebe / in der schuldigen Gegen-Pflicht verstärken würde / wann nicht meine Entzündung in solcher Vollkommenheit sich befände / daß sie keine Vermehrung zulässet: Also besieget / die Tugend ihrer Beständigkeit / mein Herz mit so verliebter Ergötzung / daß ich nunmehr / aller Furcht entnommen /dem süssen Verlangen mit einer gleichsam verkürzten Begierde / in dem Vertrauen ihrer Gewogenheit /nachhänge / und mich mit demselben als vergnüget sättige. Wiewol ich dieses / Allerliebste! auch ohne ihre Erinnerung gethan hätte / so thue ichs doch anjetzo desto freudiger / auf ihren Befehl / sonderlich /da derselbe mich nicht allein / mit dem allersüssesten Namen ihrer Allerliebsten / hinwider betitelt / sondern auch eine getreue Liebe / die keiner Veränderung unterworffen / zum Grunde setzet / daß die ewig-beständige Macarie diesen Namen erhalten werde / biß an ihr Ende Ach / liebste Seele! welcher Schatz solte so unschätzbar seyn / als diese ihre herrliche Reden / die mich zu den seeligsten unter allen in der Welt lebenden machen: Das einige Wort: Versichert euch meiner Aufrichtigkeit wider allen Zweifel! erdrucket alle Furcht / und befestet die Hoffnung mit guldenen Seulen. Ach! daß ich doch / liebes Kind! zugegen wäre /den Dank / wie ich schuldig bin / mit einen freundlichen Ruß zu bezeugen: Ich wolte meine gleich-getreue Aufrichtigkeit mit dem Werk erweisen. Doch nehme sie / schönes Herz! meinen demütigen Kuß /wie ich ihn in dieser Schrifft verschlossen überschicke / und bewürdige denselben mit einem holdseeligen Anblick / wie das ihre Natur erfordert: bloß darum /weil er ein gewißer Zeug ist / wie ich keinen Augenblick / ohne ihr Andenken / vorbey lasse. Ich lebe hingegen der Hoffnung / es werde auch sie / Allerliebste! ihres Polyphilus bey müßigen Stunden nicht vergessen / sondern wenigst seiner Beständigkeit / und dabey des häftigen Verlangens gedenken / das ihn /mehr bey seiner Macarie / als bey sich selber wohnen und leben heisset. Und dieses verrichtet er um so viel frölicher / weil er vernimmet / daß Eusephilistus nichts bey ihr suchet. Allein / mein Herz! sie lebe nicht zu sicher / und vollführe ihr Vornehmen / durch einige Entdeckung unsrer Liebe / so bald sie kan: es möchte sonst mein Traum nur allzuwahr werden. Indessen lebe sie in guter Ruhe / und glaube / daß ich sterben werde / Ihr ganz eigner Polyphilus . Nachdem Macarie diesen Brief gelesen / fragte sie den Talypsidamus: ob er etwas vom Eusephilistus gehört /und wann er diesen Brief vom Polyphilus bekommen? Gestern (sagte er) bin ich bey seiner Heerde vorbey geritten / eben / als er ihren Brief / wehtriste Base! von den Gärtner-Jungen erhielte / und deßwegen meiner Ankunft froh wurde / ihr wieder eine Antwort zuzuschicken. Er erzehlte mir / wie er die Nacht nach ihrer Abreise / einen Traum gehabt / der ihm / die Werbung des Eusephilistus bey seiner Macarie / so gar deutlich und beweglich vorgeftellet / daß er ihme wachend Glauben gegeben / und deßwegen an seine Liebste geschrieben. Ich belachte diese Einbildung /sagte aber doch / daß sie nicht allerdings unwahr wäre: weil ich aus des Eusephilistus eignem Munde gehöret / daß er gesonnen sey / keine andere / als Macarie zu erwehlen. Ist aber dieses gewiß? fragte Macarie. Freylich! (versezte Talypsidamus) und suchet er Gelegenheit / mit ihr zu reden: er kan auch ihre gegen Polyphilus tragende Liebe weder glauben / noch achten. So muß ich (sagte Macarie) ein Mittel ersinnen /mit ihm zu sprechen / damit ich ihm unsre Freundschaft zu verstehen gebe / ehe er mit offentlicher Werbung bey mir ankommet. Das ist das sicherste / (begegnete ihr Talypsidamus) und kan sie keine bequemere Gelegenheit hierzu ergreifen / als wann sie /morgen bey unsern Fest / der angestellten Malzeit beywohnet. Ihr erinnert sehr wohl: (sagte Macarie) und will ich auch diesem Raht folgen. Ich bedanke mich indessen / vor den wohlgemeinten Einraht / und bitte / auch künftig meine Wolfart ferner zu befördern. Also ließe Macarie den Talypsidamus von sich /und rüstete sich zu bevorstehendem Fest: welches zu Soletten jährlich dem Himmel / vor die gnädige Errettung und Beschützung ihrer Insul / mit Gebet und Opffer zu danken gefeyret / und nach geendigten Gottesdienst / auf einem dazu bestimmten herrlichen Saal / mit einer kostbaren Malzeit / von den vornehmsten Inwohnern beschlossen wird. Ob nun wol Macarie / wegen ihres Trauerstandes / bißher diesem Gastmal nicht beygewohnt / sondern nur den Tempel besuchte: so entschlosse sie doch dißmal / auch bey der Malzeit zu bleiben / und suchte also Gelegenheit /ihres Polyphilus Bitte zu willfahren / und dem Eusephilistus ihre Liebe / in etwas zu entdecken. Solches Vorhabens / verfügte sie sich / neben andern / in den Tempel / und verharrete daselbst / in ihrer Andacht /biß sie / mitten unter dem Opfer / gewar wurde / daß Atychintide / die Königin von Sophoxenien / mit ihren Bedienten / hinein kame. Es ist leicht zu gedenken / was die Ankunft dieser Fremden / in einer so einsamen Insul / für Aufsehen und Verwunderung erreget. Der ganze Tempel ward voll Unruhe und Getöße / und Macarie selbst / welche erstlich die Königin (als die sie noch nie gesehen) nicht erkennet / so bald sie der Phormena und des Servetus bey ihr gewar worden / fiele darüber in Schrecken und Bestürtzung: weil ihr die törichte Liebe der Atychintide / gegen ihren Polyphilus / bekandt / und sie sich dannenhero eines Anschlags wider sie besorgen muste; sonderlich / weil Melopharmis nicht dabey war / die ihr Unglück verhüten konte. Nachdem nun der Gottesdienst zu End gebracht war / stellte sich Atychintide / als ob sie wieder abziehen wolte: wurde aber von Eusephilisto und den andern Vorstehern / unterthänig ersuchet / daß sie gnädig geruhen wolte / das Fest ihrer Insul / ferner / bey dero geringen Malzeit / mit ihrer hoch-ansehlichen Gegenwart zu beseeligen. Und ob wol sich die Königin entschuldigte / daß sie bloß die Gebräuche des Festes zu sehen / ankommen wäre /und weiter kein Beschwernis verursachen wolte: so unterliessen doch selbige nicht / in ihrer Bitte fortzufahren / biß sie einwilligte / und darauf von ihnen zu vorgedachtem Saal begleitet wurde / allda man ihr eine besondere Tafel köstlich zurichten ließe. Weil sie sich aber wegerte / allein zu speisen / und bald anfangs nach Macarie fragte / als ward selbige zu ihr /hernach Phormena und Erothemitis / eine Jungfer aus den Frauenzimmer / unten an der Tafel aber Eusephilistus mit noch zweyen von Soletten / gesetzet. Die Königin sahe die Macarie / unter dem Essen /ohn unterlaß an / und führte allerhand Gespräche: welche von dieser sehr vernünfftig und bescheidentlich beantwortet wurden. Atychintide bewunderte sie nicht wenig / und sagte endlich zu Eusephilisto / und seinen Beysitzern: Wie komt es doch / daß ihr die schöne und kluge Macarie / als das Liecht eurer Insul / so lang ohne Liebsten lasset? Ihre so veste Entschließung / Durchleuchtigste Königin! (gab Eusephilistus zur Antwort) hat bißher alle unsere Beredungen unkräftig gemacht. Wir hoffen aber / es soll nun bald dieser Vorsatz / von einem andern überwunden werden. Gar schwerlich! (versetzte Macarie / die /in Gegenwart der Königin / keiner Liebe sich schuldig machen wolte) je länger ich der Einsamkeit genieße / je mehr ich mich in sie verliebe. Solte ich doch / sagte die Königin / fast selbst der klugen Macarie Beyfall geben / daß die Einsamkeit /weit sicherer und freyer sey / weder die Gesellschaft der Männer? durch welche wir oft Hülffe suchen / und Qual finden; Beschützere hoffen / und Verfolger erlangen. Dann / wann wir die Warheit bekennen sollen / so hat das Frauenzimmer keine ärgere Feinde /als eben die jenigen / welche sie so eifrig lieben / und so heftig verlangen. Man lese nur ihre Schrifften / und erwäge / wie schimpflich und verächtlich sie ihrer gedenken. Das Geschlecht voller Mängel / ein notwendiges Ubel / eine Abbildung der Gebrechlichkeit /eine Grund-Quelle der Boßheit / die Unvollkommenheit selber / und dergleichen verächtliche Namen /sind die schöne Titel / mit welchen uns die jenigen ehren / die uns ihr Leben / ihre Geburt / ihre Nahrung / und Auferziehung zu danken haben. Kein Laster ist / das sie uns nicht beylegen; kein Unglück /dessen sie uns nicht die Schuld geben; und keine Schmach / die sie nicht auf uns schütten. Ja es dörfen sich auch etliche unterstehen / ihnen gar die Menschheit abzusprechen: womit sie zwar / (weil ja ein jedes seines gleichen zeuget / und von Menschen Menschen geborn werden) sich selbsten als Un-Menschen vorstellen. Dahero sie vielmehr den jungen Nattern / die ihren Müttern für die Geburt mit den Tode danken /als vernünftigen und dankbaren Menschen zu gleichen sind. Billig solte eine Weibs-Person erschrecken / wann sie / nach ausgestandenen Geburt-Schmerzen / sich eines Sohns Mutter sihet / und den jenigen mit so grosser Mühe und Sorge erziehen soll / der nachmals sie und ihr Geschlecht so schmählich lästert. Wol und weißlich haben demnach die Amazonen gehandelt /daß sie ihre männliche Geburten von sich gestoßen /und so undankbare ihrer Auferziehung nicht würdigen wollen. Ich habe mich oft verwundert / wann ich gesehen und gehöret / daß die Jungfern den Schmeichel- Worten ihrer Anfwarter und Liebhabere so sichern Glauben zustellen / und alles für wahr halten / wann sie sich verpflichten / ihre unterthänige Dienere zu sterben / und sie jederzeit / als ihre Engel und Göttinnen / zu verehren. Ach! ihr unschuldige und betrogne Kinder! Lasset nur etliche Monate nach eurer Verehlichung ins Land laufen / so werdet ihr die Demut eurer Männer in Hochmut und Tyranney / eure Liebe hingegen in Furcht und Schrecken / verwandelt sehen. Die Diener werden zu Herren / die Bitten zu Befehlen /die Lob-Reden zu Schmäh-Worten / und die Küße und Umarmungen / zu Verdruß und Eckel / wo nicht gar zu Schlägen und Grausamkeiten. – – – Ach! haß doch keine Frau Den Männern / nach der Zeit / und ihrem Eyde trau! Dann wann sie hitzig sind / und was von uns begehren / So hört man sie sich hoch verbinden und verschwören. Ist nachmals solche Lust / von uns geschöpft / dahin: Sind alle glatte Wort und Zusag aus dem Sinn. Also sagte dorten die Ariadne / als sie der undankbar Theseus schändlich verlassen hatte. Jenes Weib / welches der zauberische Trank der Circe in eine Hündin verwandelt / weigerte sich / auf des Vlysses Zusprechen / wieder ein Mensch zu werden: einwendende /daß sie solcher Gestalt viel vergnügter lebe / und die Thiere ihre Gesellinnen ungleich mehr / weder die Menschen / liebten und versorgten. Wer solte dann nicht lieber in der Einsamkeit bleiben / als sein Bette mit solchen Fremden beschweren / die Feindschaft im Herzen halten / und an uns nie ohne Verachtung gedenken? Diese Rede / welche die Königin gethan / üm der Macarie einen Eckel vor des Polyphilus Liebe zu machen / vollführte sie mit solcher Freyheit / wie sie wegen ihres hohen Stands befugt war / und hatte weder Eusephilistus / noch jemand anders den Muht /ihrem Vorbringen zu widersprechen. Macarie aber /wolte sie nicht gar ohne Antwort lassen / sondern sagte: E. Maj. haben die männliche Gemüter so schwarz abgemahlet / daß sie bald dem Frauenzimmer eine Abscheu davor machen solten. Doch kan eine jede hoffen / mit einem bässern beglückt zu werden: weil doch noch viel verständige / fromme und tugendhafte Mannsbilder leben / die nicht allein ihre Ehegatten lieben und ehren / sondern auch / unsers ganzen Geschlechts höf- und rühmlich gedenken. Ist also / an etlicher unfreundlichen / unverständ- und boßhaftigen Manns-Personen Urtheil / sich nicht zu kehren. O schöne Macarie! (begegnete ihr Atychintide) es schimpfen uns nicht nur die Boßhaftigen und Unverständigen / sondern auch die Allerklügsten / und zwar diese vielmehr / als jene / die uns wenig zu lesen geben / Protagoras sagte: Er habe sich an seinem ärgsten Feind nicht bäßer zu rächen gewust / als daß er ihm seine Tochter zum Weib gegeben / weil er vermeinet / daß er ihm nichts üblers zueignen könne. Vom Democritus schreiben sie / daß er deßwegen eine kleine gefreyet / weil er unter den Ubeln das kleinste erwehlen wollen. Der unfreundliche Diogenes wünschte / als er ein Weib hangen sahe: daß alle Bäume solche Früchte tragen möchten. Wie uns die heutige Geschicht- und Bücherschreiber ehren / sihet ein jeder / der ihre Schriften liset. Die allerwenigsten werden unser mit Lob und Ruhm erwehnen. Vielleicht sind die andere / (sagte Macarie) durch das Leben ihrer lasterhaften Ehe-Weiber bewogen worden / einen bösen Schluß auch auf die übrigen zu machen? Jener nennete / die boßhaften Frauen / der Gelehrten Unglück / und wäre Socrates nicht zu verdenken gewesen / wann er von bösen Weibern geschrieben hätte / weil er deren lebendiges Ebenbild an seiner Xantippe vorstellen konte. So ist auch keineswegs zu langnen / daß unter unserm Geschlecht / viel unverständige / waschhaftige / zänkische / regirsüchtige / wollüstige / hoffärtige und geitzige / die ihrer Männer Last / Schande und Plage sind / anzutreffen seyen. Gleich als wann dergleichen Laster (fiel ihr die Königin / etwas hitzig / ein) nicht auch bey den Männern zu finden wären! Ich weiß kein einiges / aus erzehlten / von welchen sich das Männliche Geschlecht ausschließen könte. Nur daß sie die Freyheit haben / ihre Mängel zu verdecken / und zu entschuldigen / unsere hingegen ans Liecht zu stellen / und größer zu machen. Da muß eine Stille einfältig / eine Gesprächige wäschhaftig / eine Freundliche leichtfärtig / und eine Ernsthafte hoffärtig heisen. Schweigen sie / zu allen Handlungen ihrer Männer / so sind sie alber; reden sie dawider / so wollen sie regiren; fordern sie Geld / so sind sie verschwendisch und wollüstig; wollen sie es dann ersparen / so sind sie geitzig. In summa / keine Tugend ist an uns / welche sie nicht tadeln; und kein Laster an ihnen / das sie nicht entschuldigen. Hätten wir aber die Freyheit / oder vielmehr die Gewonheit /Bücher zu schreiben / als sie: wir wolten ihnen ihre Fehler ja so deutlich / als sie die unsere / vorstellen. Und eben darum berauben sie uns aller Unterrichtung / und stoßen das weibliche Geschlecht / von Kindheit an / in die Küchen und Haußhaltung: damit sie ihnen alle Gelegenheit zur Wissenschaft benehmen / und sie den Ruhm der Weißheit allein behalten. Gegen einem Stummen / kan ich viel Lästerungen ausstoßen / weil er dieselbe nicht beantworten kan: also haben auch die Männer gut wider uns schreiben /weil sie wissen / daß sie nicht widerlegt werden. Vielleicht sind auch (versetzte Macarie) unsere Gemüter und Beschaffenheiten unvollkommener / und der Wissenschaft unfähiger / als die Männliche? Man sihet gleichwol an den meinsten Thieren / daß das Weiblein schwächer und mangelhafter ist / als das Männlein. So hat auch der Schöpfer selbsten / dem männlichen Geschlecht / die Herrschaft / über das Weibliche zuerkennet. Diese Ordnung (erwiederte Atychintide) ist eine Strafe / welche von des Weibes Verbrechen / und gar nicht von ihrer Unvollkommenheit herrühret. Wann / ein kluger und hochgesinnter Minister / seinem König nach der Cron trachtet / auch wegen solches Verbrechens seiner hohen Würde entsetzet / und einem andern unterworffen wird: so dienet er demselben / nicht wegen Unvollkommenheit seines Verstandes / sondern zur Strafe seiner Empörung. Also hat es sich auch / mit der Herrschafft der Männer. Der Thiere Vorzug / bestehet mehrenteils in der Größe und Stärcke / davon ihre Hertzhaftigkeit herrühret: und wird solches / von der Nutzbarkeit des Weibleins / reichlich ersetzet. Wann die Männer sich solches Vorzugs rühmen / wollen wir es gern leiden: weil sie uns hingegen die Gedult und Freundlichkeit lassen müssen. Daß sich aber auch / in dem weiblichen Gemüt und Verstande / so ein großer Unterschied finden soll / zweifele ich so lang / als das weibliche Geschlecht gleicher Unterrichtung ermangelt: welcher Mangel / meines Erachtens / allein die Ursach ist / unsrer Verachtung und ihres Ruhms. Dann was haben sie sich sonst zu erheben? Ihre Ankunft ist geringer / dann unsre / weil sie bloß aus der Erden / wir hingegen / aus dem edelsten Geschöpfe /den Menschen / erbauet sind. So nun ein jedes Geschöpfe / wann es verändert / auch verbessert wird /massen auch aus der verächtlichen Erde / der schöne Mensch gebildet worden: so folget / daß die Frauen den Männern so weit / als der Mensch der Erde / vorzuziehen seyen. Macarie lächelte / mit den andern / hierüber / ließ sie aber doch in ihren Beweiß fortfahren / welcher also erfolgte. An Schönheit der Gestalt / gestehen sie selber / daß wir nie ihnen gleich / wo nicht überlegen sind. So ist auch die Kindheit und Jugend des mannlichen und weiblichen Geschlechts / nur in diesen unterschieden / daß das Weibliche gedultiger / gehorsamer und vernünftiger / als das Männliche / erfunden wird. Dann man muß gestehen / daß von den zehenden biß in das vierzehende oder sechzehende Jahr /das Frauenzimmer viel verständiger / höflicher und tugendhafter sich hervor thut / als die Männliche Jugend: welche gemeinlich in solchen Jahren am ungezogensten erscheinet. Daß sich aber nachmahls das Blat wendet / und die Manns-Personen uns übertreffen / komt von ihrer Beobachtung / und unsrer Versäumnus. Wie sollen wir Verstand lernen / wann man die Quelle der Weißheit vor uns verstopfet? Aber können die Mannsbilder von Lastern sich nicht befreyen / da ihnen dieselben so häßlich / und hingegen die Tugenden so wunderschön vorgemahlet werden: Was ist es Wunder / daß auch wir unsere Fehler behalten / welchen die blosse Natur und Erfahrung von der Sitten-Lehre predigen muß? daß aber auch die Weibs-Personen der Unterrichtung fähig seyen / bezeuget das Exempel vieler gelehrter Weibsbilder /welche die Welt gezehlet und noch zehlet. Selbige werden auch (erwiederte Macarie) von verständigen nicht geschimpfet / sondern vielmehr mit höchstem Ruhm gepriesen. Demnach sol billig keine vernünftige Weibs-Person über die Verachtung lasterhafter Weibsbilder eifern / sondern vielmehr deßwegen der Ehre klüger und tugendhafter nachstreben lernen. Kein einiger ist / so das Frauenzimmer tadelt /der nicht hingegen die Vollkommenen unter ihnen rühmet: und dieses um so viel mehr / je weniger derselben zu finden sind. Je seltener eine Tugend ist /je großwürdiger sie sich machet. Je geringer die Anzahl ist der jenigen / die ihre Männer lieben / ehren und rühmen: je glückseeliger schätzet sich der Mann /welcher seine Liebste gegen ihm aufrichtig / Ehrerbietig und liebreich / und sonst gegen jederman verständig und tugendhaft befindet. Ich sehe wol / (sagte hierauf Atychintide) daß das männliche Geschlecht an Macarien eine starcke Beschützerin hat / und erscheinet hieraus / daß sie demselben sonders gewogen /auch mit einem sich in Vereinigung einzulassen gewillet sey. Eben wolte Macarie / wegen dieser Auflage / sich entschuldigen / als ein Lackey in den Saal kam / und der Königin ansagte / wie daß Melopharmis vorhanden sey. Melopharmis! fragte Atychintide / mit Verwunderung: Wie kommet diese jezt nach Soletten? laß sie doch herein kommen. Also gienge Melopharmis in den Saal / und küste der Königin den Rock / und grüste Macarien neben den andern / mit grosser Höflichkeit. Wie komt es / Melopharmis! (fragte die Königin) daß ihr mich zu Soletten suchet? Weil E. Maj. ich sonst nirgend finden konte / (gab diese zur Antwort) und ich auf dem Weg nach Sophoxenien / Bericht erhalten / daß sie herüber verreist wären. Weil ich auch diese Insul noch niemals gesehen / habe ich in derselben meine Aufwartung ablegen wollen. Daran habt ihr wol gethan! versetzte Atychintide. Mir ist die Zeit / in eurer Abwesenheit / lang worden: welche zu kürtzen / ich diese Insul (weil eben derselben Jahr-Fest eingefallen) besehen wollen: nicht willens /den Inwohnern meine Besuchung so schwer zu machen / wie ihr sehet. Solte das jenige schwer seyn /(sagte hierauf Eusephilistus) was Gnade und Ehre schenket? Unsere Insul / und wir in derselben / schätzen uns billig heute glückseelig / weil E. Maj. uns Ihrer gnädigen Gegenwart haben würdigen wollen. Nehmet mir nicht den Dank / höflicher Eusephilistus! (erwiederte die Königin) zu welchen ich mich verbinde: dann ich bekenne / daß ich hier viel Ehre genieße /werde auch bedacht seyn / solche nicht unerwiedert zu lassen. Aber sagt mir doch / Melopharmis! (sagte sie gegen selbiger) was machen eure Schäfere? sind sie von ihrer Reise wieder zu rücke gekommen? Freylich / gnädigste Königin! (begegnete ihr Melopharmis) sie lassen E. Maj. sich unterthänigst befehlen /und wollen ehest nach Sophoxenien kommen / ihre unterthänige Aufwartung abzulegen. Ihr langes Aussenbleiben / hat seither meine Wiederkunft verhintert: üm deren gnädige Vergebung ich bitte. Das hat nichts zu bedeuten! sagte Atychintide / und blieb hierauf eine gute Weile ganz stille / der Liebe des Polyphilus in ihren Gedanken Raum gebend. Als aber Melopharmis ihr etwas ins Ohr gesagt / wurde sie alsbald munderer / und gabe dem Servetus einen heimlichen Befehl / den er auszurichten abgienge. Macarie hatte diesem allen mit Fleiß zugesehen / und aus der Melopharmis heimlichem Zureden allerhand Argwahn geschöpfet. Als ihr aber dieselbe durch einen Wink zu verstehen gab / daß Polyphilus vorhanden wäre / fiele sie auf einmal in Schrecken / Zorn und Furcht. Schrecken machte ihr / die unverhofte / und gefährliche Besuchung des Polyphilus: Zorn aber / daß er ihre so sehnliche Bitte / die Insul zu meiden / verachtet: Und Furcht / daß er durch den Grimm der Inwohner /möchte in Unglück fallen. Diese Furcht ward noch grösser / als sie sahe / daß ein kleiner Junge dem Eusephilistus ein Brieflein zustellete / über dessen Lesung er bleich und roht wurde: daher sie leicht schließen konte / es würde wegen des Polyphilus geschehen. Er sahe Macarien etliche mahl an: sie aber machte / wie beschwert auch ihr Gemüte war / eine gar unschuldige Mine / und daurte also diese Verwirrung aus / biß die Königin von der Tafel aufstunde / und von den Inwohnern / auch von Macarien Abschied nahm / welche sie biß auf die Gasse begleiteten: da sie / nach vielen beyderseits Höflichkeiten / auf ihre Kutsche saß / und davon fuhre. 2. Absatz Zweyter Absatz Eusephilistus berichtet die Macarie / daß Polyphilus zu Soletten sich befinde: welcher neben der Atychintide / Melopharmis / Agapisto und den andern / bey ihr einkehret. Polyphilus entschuldigt gegen ihr seine Ankunft / und erzehlt ihr / wie er der Atychintide / die ihn hieher gebracht / ihrer beyder Liebe entdecket. Der Phormena falscher Bericht / von deme / was seither mit der Atychintide sich begeben /und ihre heimliche Verrätereyen. So bald die Königin hinweg war / nahm Eusephilistus die Gelegenheit in acht und wolte Macarien wieder in vorgedachten Saal führen. Als sie sich aber entschuldigte / daß es Abend / und Zeit wäre / sich nach Hause zu begeben / sagte er mit etwas hönischen Worten: Es ist wahr / schöne Macarie! weil ihr Liebster auf sie wartet / kan sie bey einer verdrießlichen Gesellschaft sich nicht länger aufhalten. Mein Liebster! (versetzte Macarie) wo solte ich doch einen Menschen mit diesem Namen finden? Ey / sie stelle sich nicht so unwissend / (fuhre Eusephilistus fort) sie weiß ja / daß Polyphilus in unsrer Insel ist. Ich schwöre / (sagte Macarie / welche ihren Vorsatz /dem Eusephilistus von ihren Gedanken zu sagen / bey solcher Gefärlichkeit nicht vollführen konte / sondern vielmehr sich auszuwickeln suchen muste) daß ich davon nicht die geringste Wissenschaft habe / sondern es nur vor Scherz halte. Was scherz! (versetzte Eusephilistus) hier lese sie / was mir einer meiner Freunde geschrieben. Damit übergab er ihr das Zetelein / welches er über der Tafel bekommen / woraus Macarie dieses lase. Treu-geliebter Eusephilistus! Ich mache ihm hiemit zu wissen / daß ich / nachdem ich heut an dem Ufer spaziren gegangen / den Feind und Mörder Polyphilus / samt seinen Schäfern / hinter einem Gesträuch ersehen Und weil ich leicht mutmasse / daß er / Macarie zu bedienen / und euch zu schaden / angekommen / als stelle ich zu eurer Betrachtung / was hierinn vorzunehmen / und bleibe indessen Sein getreuer Freund . Wie Macarie über dieses Brieflein erschrocken / kan man wohl ermessen: dann sie muste fürchten / es möchte Eusephilistus alle Inwohner wider den Polyphilus in harnisch bringen. Sie suchte ihn demnach mit Freundlichkeit zu besänftigen / und sagte: Ich lese hier wunderliche Zeitungen / und bezeuge nochmals /daß ich davon nicht das wenigste weiß. Ist Polyphilus hier / so wird er vielleicht mit Melopharmis / die Königin zu bedienen / und gar nicht um meinet willen /angekommen seyn. Unsere Freundschaft ist so groß nicht / als sie der Pöfel ausgiebet: der die Freyheit behält / zu reden / was ihm beliebet. Ich bedanke mich jetzund mehr / ob ich einen Liebsten erwehlen / als welchen ich erwehlen wolle. Und damit er / geehrter Eusephilistus! sehen möge / daß ich hierinn unschuldig bin / so will ich wieder mit ihm auf den Saal spaziren. Dieses thäte Macarie / ihn aufzuhalten / daß er keine Verbündnus wider den Polyphilus anstellen könte. Als sie aber noch mit ihm redte / kam ihre Dienerin / und berichtete: wie daß die König n von Sophoxenien bey ihr eingekehret / und allda übernachten wolte. Dieses habe ich mir wol gedacht / (sagte Eusephilistus) und ohne Zweifel wird Polyphilus auch dabey seyn? Diesen habe ich nicht gesehen: gab die Magd zur Antwort. Ich weiß mich hierein nicht zu schicken / (versetzte Macarie) und er / geehrter Eusephilistus! wird mir vergeben / daß ich / einen so hohen Gast zu bedienen / von ihme Abschied nehmen muß. Ich bitte aber indessen / mehr seiner Vernunft und meiner Erzehlung / als dem Vorbringen hässiger Leute / Glauben zu geben. Das ist ein Uberfluß: (sagte Eusephilistus / der diese Freundlichkeit schon für eine Liebe hielte) ich liebe Macarien viel höher /als daß ich ihr einige Gefahr aufbürden solte. Sie lebe / schöne Macarie! ohne alle Sorge / und glaube /daß ich meine Feinde / auf ihren Befehl / ehren werde. Nachdeme Macarie sich dafür bedanket / nahm sie Abschied / und gieng mit ihrer Dienerin nach ihrem Hause. Unterwegs erzehlte ihr selbige / wie daß Polyphilus / Agapistus und Tycheno auch vorhanden wären. Macarie ward etwas ungedultig / daß man ihr so viel Sorge verursachte: welche Ungedult sich fast in einen Zorn verwandelte / als sie sahe / daß die Königin in ihrem Hause am Fenster lage / und Polyphilus bey ihr / welcher seinen Arm um sie schloße. Muß ich dieses / (gedachte sie) also gegenwärtig dulten? Ist Atychintide / nur mich zu schimpfen / und Polyphilus mich zum Eyfer zu reitzen / angekommen? Hierauf gab sie ihrer Dienerin Befehl / eine Malzeit / so gut es die kürze der Zeit verstattete / zuzurichten. Sie aber verfügte sich hinauf / und weil die Königin mit Polyphilo aussen im Saal am Fenster stunde / stellte sie sich / als ob sie dieselbe wegen der Dunkelheit nicht in acht nähme / und gienge sie vorbey / in das Gemach: alda sie die Melopharmis / Phormena / Agapisten / Tycheno und die andern empfienge. Hat man die Königin nicht gesehen? (fragte Melopharmis) sie stehet mit Polyphilo im Saal. Ach nein! sagte Macarie / und gienge so fort mit dem Liecht hinaus: Da sie dann ihren Fehler entschuldigte / und sehr höflich sich bedankte / daß man ihre einsame Wohnung mit dieser gnädigen Besuchung beglücken wallen / bate auch / solche Gnade noch größer zu machen / und ihrer geringen Malzeit beyzuwohnen. Ich habe nicht Hunger / (gab die Königin mit einem verdrüßlichen Gesicht zur Antwort) und muß mich vielmehr entschuldigen / daß ich ihre Wohnung / wehrte Macarie! so kühn eingenommen. Ich truge bedenken /im Gasthofe zu herhergen / und wolte dem Polyphilus / der ohnedaß zu ihr verlanget / mit dieser Einkehr einen Gefallen erweisen. E. M. haben die Macht / also zu schertzen: (versetzte Macarie) ich nehme diese hohe Gnade mit demütigem Dank auf / ungeacht sie mir Polyphilus / oder jemand anders / mag zu wegen gebracht haben. Hierauf empfieng sie auch denselben / und fuhrte sie in das Zimmer / zugleich erwehnende / daß die Tafel bald zugerüstet seyn würde. Ich habe heut (sagte sie) keinen so hohen Gast vermutet / und bitte unterthänig / meiner ungültigen Bewirtung gnädig zu vergeben. Das ist nur Höflichkeit /kluge Macarie / (antwortete die Königin) womit ihr unsere Künheit straffet. Ich bin noch satt von der vorigen Malzeit / und verlange jezt mehr den Schlaf / als die Speise. Macarie redte hierauf mit Melopharmis /und den andern / und ließe Atychintide in ihren tiefen Gedanken sitzen. Polyphilus suchte / durch höfliche Bedienungen / sie zu ermuntern: aber vergebens. Dann sie stunde bald auf / und eilete zur Ruhe: ihren Bedienten Befehl gebend / sich in etlichen stunden färtig zu halten / weil sie noch vor Tags auf seyn wolte. Sie ward nach der Schlaf-Kammer von ihnen allen begleitet / da sie niemand / als die Phormena /bey sich behielte. Macarie / gienge mit ihren Gästen wieder zu rück ins Gemach / alda sie eine kurze Malzeit hielten / und nachmals / indem Agapistus die Erothemitis bediente / und Meloph armis mit ihrem Sohn sprachte / Macarie sich zum Polyphilus setzte / demselben ihren Verdruß über seiner Ankunft verweißlich zu entdecken. Aber er kam ihr zuvor / und bate so sehnlich um Vergebung seines Ungehorsams / daß Macarie allen Zorn muste fallen lassen. Es kan ja (sagte er) Liebe und Noht auch einen eisernen Vorsatz brechen / und erlanget in den grösten Verbrechen Vergebung. Ich gestehe gern / daß ich straffwürdig bin: hoffe aber /eine so barmherzige Richterin zu haben / daß sie die Gnade dem Zorn vorziehen wird. Was ist leichter zu versöhnen / als ein verliebtes Gemüte? Kaum hatte Polyphilus angefangen zu bitten / als Macarie bereit war zu vergeben / und seine Gegenwart aller der Furcht / welche sie deßwegen empfunden / vorzoge. Doch wolte sie ihn nicht so gar ohn Straffe ausgehen lassen / sondern sagte: Ich weiß nicht / Polyphilus! wie ich diese Besuchung / wider die ich so eifrig gebetten / aufnehmen soll? Er entschuldigt sich mit Liebe / und Noht: welche beyde freylich alle Fehler rechtfärtigen können. Allein / ich sehe gar nicht / wo diese Noht herrühren solte? So wird ihn dann die Liebe vielmehr beschuldigen / als entschuldigen. Dann / so er mich liebet / würde er mich des Schreckens befreyet haben / welchen mir seine Ankunft erreget. Ich weiß nicht / was ich thue /so voll Verwirrung hat mich diese heutige Begebenheit gemacht: und wer weiß / was noch zu fürchten ist? weil alle Inwohner auf ihn lauren / und ihn für ihren ärgsten Feind halten; wie mir Eusephilistus /nicht ohne Einfalt / zu lesen gegeben. Soll ich nun diß vor Liebe halten / was zu meinem und seinem Schaden dienet? Zwar wer will glauben / wann er sich mit meiner Liebe entschuldigt? Vielleicht hat ihn die Liebe der Königin / welche er an meinem Fenster so freundlich umarmet / hieher getrieben? Ach Macarie! (fiele ihr Polyphilus in die Rede) darf sie solche Laster mir zuschreiben? kan sie glauben /daß ich jemand auser Macarien liebe? Ich habe freylich einige Freundlichkeit gegen diese Törichte brauchen müssen: wird sie aber das Gespräche / so ich dabey geführet / vernehmen / so weiß ich / daß sie mich dieser Auflage befreyet. Zwar ist mir hertzlich leid / daß ihr meine Besuchung einigen Schrecken verursachet. Aber sie vernehme nur die Ursach / wel che mich zu solcher bewogen / und lasse doch alle Furcht der Gefahr fallen: weil die hiesige Einwohner /wie gram sie mir auch seyn mögen / doch in Gegenwart der Königin / keine Gewaltthätigkeit vernehmen dörfen; welches ich wol beobachtet / und nicht so blindlings / wie sie vermeinet / herein gekommen bin. Lasset die Liebe / mein Herz! und nicht den Zorn /über mich das Urtheil fällen / und verdammet nicht /ehe sich der Beklagte entschuldiget. Macarie / die wohl wuste / daß die Strafe dem Salat gleichen soll / dazu man so wol Oel als Essig vonnöten hat / erzeigte sich wieder etwas freundlicher / und sagte: So erzehlt mir dann / was die Königin und euch in diese Insel geführet? Jenes / (gab Polyphilus zur Antwort) kan ich auser einer geringen Mutmassung /nicht wissen: dieses aber will ich ihr / ohn allen Betrug / entdecken. Gestern / als ich den Talypsidamus mit einem Brief (welchen sie hoffentlich von ihm wird erhalten haben) an sie abgefärtigt / bliebe ich / weil ich nun die Anwerbung des Eusephilistus nichtig wuste / etwas freudiger / bey meiner Herde / und hatte mit meinen Gesellschafftern allerhand Kurzweil. Unter solcher sahe ich den Servetus auf uns zukommen / und vernahme von ihm / wie die Königin willens wäre / heute nach Soletten zu fahren. Wie wunderlich uns diese Zeitung vorgekommen / kan ich nicht sagen: sonderlich weil wir / vom Servetus / die eigentliche Ursach solcher Reise nit vernehmen / viel weniger solche selbst errahten kunten. Wir fassten allerhand Mutmassungen / und fürchteten uns sehr vor Verräterey: weil Melopharmis nicht zu hause war /der Königin Liebe aber noch immer glimmete / und die Aufrichtigkeit der Phormena sehr ungewiß war. Melopharmis beschloße / hieher zu reisen / und durch ihre Gegenwart alles widrige / so die Königin vornehmen würde / abzulehnen. Mich aber zwange die Liebe / und meine Weidgenossen die Treue / mitzuziehen: damit wir wenigst der Furcht / welche uns in ihrem Abwesen kränken könte / befreyet wären. Als wir nun nahe zur Insel gekommen / sagte Melopharmis: sie wolte voraus gehen / und sich erkundigen / wie die Königin gesinnt? Wäre sie freundlich / und wolte unsre Gegenwart leiden / so solte Servetus uns dessen berichten /daß wir vollends hinein kämen: würde sie aber sie zornig befinden / so wolte sie gleichwol den Servetus zu uns schicken / daß wir wieder zurücke gehen / und ihres schriftlichen Berichts erwarten könten. Also spazirten wir ein zeitlang am Ufer auf und ab / und wurden von niemand ersehen / als von einem jungen Inwohner / der uns etlichmal zu gefallen gieng. Das ist eben der jenige / (sagte Macarie) welcher dem Eusephilistus eure Gegenwart / durch ein Brieflein / zu wissen gethan / und ihn zugleich zur Rache angemahnet: wie er es mir dann selbst zu lesen gegeben. Dißmal (versetzte Polyphilus) ist seine Wacht vergeblich / weil ich mit der Königin wieder abziehen werde. Aber daß ich wieder auf meine Erzehlung komme / so sahen wir bald hernach den Servetus / der uns die Erlaubnus brachte / herein zu kommen. Also fuhren wir über / und blieben so lang in der Herberge / biß die Königin von der Malzeit kam: da wir sie bewillkomten / und alsobald Befehl erhielten / mit ihr zu Macarien zu kommen; welches dem Polyphilus eine angenehme Post war. Wie? (fragte Macarie) war dann Atychintide / bey eurer Begrüßung / freundlich? Viel mehr / als ich hoffen kunte: antwortete Polyphilus. Wie komt es dann / (fragte Macaris ferner) daß sie sich so verändert / und in meiner Gegenwart so widerwärtig erschienen? Das will ich ihr jezt sagen: versezte Polyphilus. Als die Königin nach ihr geschicket / und am Fenster mit mir stunde / sahe sie / wie sie mit der Dienerin daher kam / und sagte: Nun sehet ihr / Polyphilus! was ihr verlanget? ergetzet euch heute mit Macarie Liebe /und verhelet mir eure Freundschaft nicht länger. Ich wuste fast nicht / was ich auf dieses antworten solte: dachte aber doch / weil sie es wissen will / und ich keine Ursach weiß / die mich zurück halten solte /will ich mich ihrer verdrüßlichen Liebe befreyen / und meine Liebe entdecken. Ich sagte demnach / weil E. Maj. selber mich Macarien lieben heißen / so liebe ich sie ja billig. Ich habe schon lang auf diesen Befehl gewartet / und immer gehoffet / es würden E. Maj. wann sie der Macarie Gaben (die niemand ohne Verwunderung sihet) erkennen / ihre Ungnade gegen sie fahren laßen / und meine Liebe billigen: welches / weil es heute so glücklich erfolget / als habe ich dem Himmel vor seine Güte / und E. Maj. vor dero gnädigen Beyfall / unterthänig zu danken / und bekenne aufrichtig /daß ich allein der Macarie meine Seele verpfändet /und viel leichter ohne Leben / als ohne ihre Liebe seyn werde. Hier war nun die Königin mit ihren eignen Worten geschlagen / und kunte / wie sehr sie auch meine Worte kränkten / ihren Zorn nicht gegen mich erweisen: weil ihre Ankunft / schöne Macarie! solches verhinterte. Doch sagte sie: muß man / die Bekantnus der so lang verheelten Liebe / also heraus locken? so bin ich dann nicht vergeblich nach Soletten gereiset. Aber sehet zu / Polyphilus! daß euch dieser Vorsatz nicht gereue. Ich bin willens gewesen / euch hoch zu setzen. Weil ihr aber meine Gnade verachtet / so verharret in eurem Vorhaben / und wisset / daß jeder sein Unglück auf den Amboß seiner eignen Torheit schmidet. Ich erschrack etwas über dieser hitzigen Antwort / und wolte anfangen mich zu entschuldigen: Sie aber risse sich von mir / als eben mein Schatz gegen ihr kam /sie empfienge / und in das Zimmer führte: daher ich nachmals keine Gelegenheit weiter hatte / ihren Zorn auszusöhnen. Und das ist die Widerwärtigkeit / über welche sie / mein Herz! sich verwundert hnt. Er hätte auch deren wohl überhaben seyn können / (sagte Macarie) und die Eröffnung unserer Liebe noch länger zu rück halten sollen. Wer weiß / was diese Bekentnus /vor unserer völligen Verbindnus / noch für Unruhe erregen kan? Sie muß es doch endlich wissen / (versezte Polyphilus) und wolte ich / wann ich Lust dazu hätte /sie bald eines andern bereden / und alles in Scherz ziehen / weil sie leichtlich glaubet / was sie wünschet. Wir wollen vernehmen / was Melopharmis vor einen Raht gibet. Damit riefe er derselben / und fragte: Welchergestalt sie der Königin ihre Gegenwart kund gemachet hätte? So bald Atychintide (gabe sie zur Antwort) eure Widerkunft verstanden / bliebe sie eine gute Zeit in tieffem Nachsinnen / (wie Macarie wohl wird wargenommen haben) ohne zweifel mit verliebten Gedanken umgeben; welcher ich mich bedienen wolte / und sie heimlich fragte: wann sie gesonnen wäre wieder abzureisen? Warum fraget ihr? gabe sie zur Antwort. Polyphilus und Agapistus (sagte ich) haben mich /neben meinem Sohn / biß hieher begleitet. Weil sie sich aber / wegen der Inwohnere Hasses nicht in die Insel trauen / sondern an dem Ufer auf E. Maj. warten: als wolte ich / wann sie befehlen / ihnen dero Ankunft / durch den Servetus / wissen lassen. Polyphilus! (versetzte die Königin / mit einer frölichen Gebärde) ist der hier? so lasset ihn nur herein kommen. Er darf der Inwohner Grimm nicht fürchen / weil sie in meiner Gegenwart sich scheuen / und nichts feindliches wider ihn vornehmen werden. Also färtigte ich den Servetus an euch ab. Atychintide machte hierauf den Aufbruch / und fuhre mit Freuden nach den Gasthof. Nach diesem aber / hat sich ihre Zufriedenheit gehemmet / daß sie gantz verdrüßlich worden: woher es komme / kan ich nicht wissen. Ach! ich bin Schuld hieran: sagte Polyphilus / und erzehlte hierauf / was er mit ihr vorgehabt: welches Melopharmis nicht ungestraft lassen kunte. Was habt ihr dessen für Ursach gehabt? sagte sie wider ihn. Diß ist es eben / was ich so oft an euch getadelt / daß ihr allzu offenhertzig seit. Wie bald könte auch ich hierdurch in Unglück fallen? Und was werde ich jezt vor Zeit zu Sophoxenien haben? wird nicht die Königin mutmassen / daß ich eure Liebe befördert / und deßwegen alle Ungnade auf mich werffen? Kan ich doch (widerredte Polyphilus) dieses wieder in Scherz ziehen! Wann es nur die Königin glaubet? begegnete ihn Melopharmis. Ich will aber sehen / wie ich ein Mittel ersinne sie zu begütigen. Wann ich nur wüste /warum sie in diese Insul gekommen / und ob wir der Phormena Erzehlung trauen dürfen. Indem sie also redten / kam Phormena ins Gemach / und befahl der Erothemitis / zur Königin zu kommen; sie aber gesellte sich zu Macarien und fragte: was sie vor Gespräche hätten? Wir haben uns berahten / (sagte Macarie) was doch Atychintide bewegt haben müsse / hieher zu reisen? Ja! (versetzte Phormena) ihr lasset mich wol in der Angst stecken / und genießet indessen der Ruhe. Schicket mich mehr allein nach Hause / und kommet so lange nichthernach! Habe ich doch nicht gewust / wie ich die Königin endlich mehr stillen solte? Melopharmis lachte hierüber / und sagte: Ich bin unschuldig! warum ist Polyphilus so lang ausgeblieben? Aber erzehlet uns doch /was indessen zu Sophoxenien vorgegangen. So bald ich (fienge Phormena an) mit dem Servetus nach Sophoxenien kam / fragte Atychintide / warum ich allein käme? und als ich zur Antwort gabe / Melopharmis würde mit den Schäfern hernach kommen; fragte sie ferner: warum es dann jezt nicht geschehen wäre? Polyphilus und Agapistus (sagte ich) haben eine Reise nach Ruthiben / um den Hirten-Schutz zu erlangen / vorgenommen: und weil Melopharmis ihren Sohn / aus Furcht der Gefahr / nicht mitlassen wollen / ist sie / biß zu ihrer Widerkunft / bey ihm verblieben / und wird alsdann von allen hieher begleitet werden. Was! (sagte die Königen) ist Polyphilus nach Ruthiben derreiset / daß er nun allezeit ein Schäfer bleibe? und Melopharmis befördert solches Vorhaben / welches ich ihr doch zu verhintern befohlen? Ich erschrack über dieser Frage / die sie mit zornigen Gebärden vorgebracht / und gab zur Antwort: daß Polyphilus rach Ruthiben abgereiset / habe ich zwar gesehen; ob er aber allezeit ein Schäfer bleiben werde /oder nur auf eine zeitlang den Schutz suchet / kan ich so eigentlich nicht wissen. Melopharmis wird es E. Maj. bey ihrer Widerkunft besser berichten können. Hierauf gab sich Atychintide / wiewol nicht ohne innerlichen Grimm / zu Ruhe / und erwartete eurer Heimkunft. Als ihr aber mit derselben verzoget /wurde sie ungedultig / und sagte: Was soll dann endlich aus dieser Handlung werden? will Melopharmis die Schäfere hieher bringen? oder will sie selbst eine Schäferin werden? Das lezte erscheinet / aus ihrem Ausenbleiben fast glaublicher / weder das erste: Vielleicht (gab ich zur Antwort) wird Polyphilus zu Ruthiben aufgehalten / und damit auch die Heimreise der Melopharmis verhintert. Wann ich nur wüste / (sagte sie ferner) ob Polyphilus noch gesonnen / sich mit Macarie zu verehlichen? und ob sich dieselbe nicht wegert / eine Schäferin abzugeben. Diß war eine Frage / welche vielmehr einer Falle gleichte: daher ich einen Umweg suchen muste /wolte ich nicht in Schaden kommen. Ich sagte dem nach: Diese Verehelichung wird meines Erachtens /noch viel Mühe kosten. Ich weiß zwar nicht / wie ihre Freundschaft beschaffen / und ob Macarien der Schäfer-Orden belieblich. Wann aber schon dieses wäre /so sehe ich doch nicht / wie sie Polyphilus von Soletten loß bringen solte: weil sie in keine Entführung willigen wird / er aber / wegen der Inwohner Feindschaft / nichts öffentlichs vornehmen darff. Das ist etwas / (versetzte die Königin) daß der überklugen Macarie noch Nachdenken machen wird. Aber ihr kennet ja dieselbe! so entdecket mir doch aufrichtig /ob sie der Liebe des Polyphilus würdig sey / und daß er / ihr zu gefallen / den Herrnstand / aus welchen er /allem Ansehen nach / geboren / mit dem Hirten-Kleide verwechsle? Die wenige Erkentnus / (antwortete ich) so ich von Macarien habe / heisset mich nichts anders schließen / als daß sie hohe und seltene Gaben besitze: ob sie aber so gar bewunderbar / wie sie Polyphilus schätzet / will ich nicht urtheilen. E. Maj. lassen sich gnädig gefallen / einst selber nach Soletten zu reisen / und wegen der Vorsorge / so sie um den Polyphilus tragen / Macarien zu besprechen. Ihr erinnert wohl! (sagte die Königin) und weil künftige Woche das Jahr-Fest der Insul gefeyret wird / will ich Gelegenheit nehmen / selbiges zu sehen / und zugleich die Würdigkeit Macarien zu erforschen. Hierbey blieb es nun / biß Atychintide befahle / die Reise anzutretten. Ich hoffte indessen immer / ihr würdet nach Haus kommen / oder / es würde die Königin / wann sie die Hoheit Macarien beobachtet / anders Sinnes werden /und in des Polyphilus Liebe willigen: welches auch noch geschehen wäre / wann nur Polyphilus sein Herze nicht so vorzeitig eröffnet / sondern zuvor um ihre Einwilligung gebeten hätte. Hat sie denn (fragte Polyphilus) etwas davon gedacht? Warum nicht? (sagte Phormena) so bald ich mit ihr in die Kammer gekommen / sagte sie: Nun darff ich nicht weiter fragen / Phormena! Polyphilus hat mir heut ungescheut bekennet / daß er eher sein Leben / als die Macarie /lassen wolle. So sind dann (fragte ich) E. Maj. damit zu frieden? Was soll ich machen? gab sie zur Antwort. Ich hätte wol Ursach / seine Hartnäckigkeit /mit welcher er meine Gutthaten erkennet / zu straffen /und ihn den ergrimten Inwohnern / welche vorhin auf ihn lauren / einzuhändigen. Allein / ich betrachte die Gewalt der Liebe / die blind ist / und blind machet; auch die Gaben der Macarie / von denen ich bekennen muß / daß sie groß sind. Ich habe vermeinet / ihn /wegen seines schönen Verstandes / mit etwan einer höhern Person zu verehlichen / und dadurch glückseelig zu machen: Nun er aber lieber ein Schäfer bleibet /so mags drum seyn! ich habe nun das letzte-mahl darwider geredt: dann bey eignen Willen geschiehet niemand unrecht. Das ist der Königin Schluß: bey welchem sie nun wohl bleiben wird / weil ich euer Wort stark geredet. Nun muß Polyphilus sich ehrerbietig und freundlich gegen ihr erweisen / und seine heutige Künheit wieder auszuwischen suchen. Das werde ich fleißig beobachten! (sagte Polyphilus) bedanke mich indessen für ihre Bemühung / und verspreche / deßwegen Schuldner zu bleiben. Also erzehlte die listige Phormena / die Handlungen der Königin / und machte es so glaublich / daß Melopharmis selbst betrogen wurde / und dieses alles so sicher glaubte / daß sie der Phormena alles / was sich bißher mit ihnen begeben / und wann Polyphilus die Macarie abzuholen gesonnen wäre / entdeckte. Phormena hatte eben das gesucht / und stellte darnach ihre Verrätherey an / zu deren sie (damit wir die warhaftige Erzehlung anführen) diesen Anfang gemacht. Als Phormena / nach der Melopharmis Befehl / mit dem Servetus nach Sophoxenien gehen muste / war sie hierüber heimlich erzürnet / und hatte unterwegen tausenderley Anschläge / sich an Melopharmis hönischem Wesen zu rächen. Und solches wuste sie nicht empfindlicher zu thun / als wann sie selbige bey der Königin in Ungnade brächte / von Hof triebe / und hernach ihre Stelle überkäme: welches ihr dann /durch die Eröffnung der Freundschaft der Melopharmis mit Polyphilus und der Hülffe / die sie ihm in der Liebe Macarien erwiesen / nicht schwer fallen konte. Dann als die Königin fragte: ob dann Melopharmis des Polyphilus Reise / und sein Schäfer-gelübde beforderte? gab Phormena zur Antwort: wie daß sie nicht anderst schließen könne. Wie? (sagte die Königin) handelt Melopharmis also mit mir? Ich habe ihr ja einen ganz andern Befehl gegeben / und sie hat auch allezeit anderst gegen mich geredt. Vielleicht hilfft sie auch zu der Liebe des Polyphili gegen Macarie: Phormena fienge hierauf an hönisch zu lächeln /und gab so viel zu verstehen: Es wäre nichts gewissers. So müsset ihr (sagte Atychintide) etwas Umstände von ihrer Falschheit wissen. Alsbald erzehlet mir /was euch davon bekandt / und versichert euch / daß ich es nicht unvergolten lassen will. Phormena zoge die Schultern / und sagte: E. Maj. befehlen mir dergleichen gefährliche Dinge nicht. Ihre Forderung zwar ist gerecht / und meine Bekentnus wäre billig: allein / wie würde ich damit bey Melopharmis ankommen / welche wir ja so sehr als E. Maj. fürchten müssen. Melopharmis / (versetzte die Königin / voll Zorn) soll von jezt an erfahren / daß ich / und nicht sie / Königin sey. Wer die Gnade gibet / hat auch Macht / sie wieder zu entziehen /wann sie mißbraucht wird. Und ihr sollet euch nicht fürchten / ihre Verrätherey zu entdecken / wann ihr euch nicht wollet ihres Verbrechens teilhaftig machen. Eröffnet mir / Phormena! die Boßheit dieser Untreuen / und zweiffelt nicht / daß ich eure Aufrichtigkeit gnädig belohnen / auch der Melopharmis davon nicht sagen / sondern / ihre Untreu durch andere Wege offenbar zu machen / suchen werde. Hierauf erzehlte Phormena der Königin alles / was sie von des Polyphilus Liebe gegen Macarien / und von Melopharmis Beförderung wufte. Atychintide hierüber ganz erstaunet / schrye auf: hilf Himmel! was höre ich? wie übel sind doch die Hohen daran / daß sie ihre Verrichtungen den Bedienten auftragen müssen / unter welchen die allerwenigsten getreu sind. O du Ertz-Verrätherin Melopharmis! wie viel Gutthaten habe ich dir erwiesen / und was vor Gnade habe ich dir noch erweisen wollen? und du belohnest es mit solchem Undank / und stärkest das jentge / was ich dir zu brechen befohlen. Ich müste gewiß nicht Königin seyn / wann ich deine freche That ungestraft ließe. Aber stille! wir wollen uns nicht übereilen / damit ihr nicht in Verdacht kommet. Unsere Rache / soll durch den Aufschub nicht unkräfftig werden: Wir wollen / gleich den Göttern / auf wüllenen Socken zur Strafe gehen / aber mit eisernen Händen solche vollziehen. Lasset uns zuvörderst bemüht seyn / die List der Melopharmis vielmehr zu hintertreiben / als zu straffen. Dann ein-vor alle mal /ich kan und will nicht gestatten / daß diese Liebe ihren Zweck erreiche. Darum rahtet zu / Phormena! was hiebey zu thun sey. Ich will euch aller Gefahr befreyen / und die Stelle der Melopharmis / deren sie sich durch diese Falschheit verlustig gemacht / euch einräumen. Hier hatte nun Phormena / was sie gesuchet / und gab der Königin zur Antwort: meine Schuldigkeit /Gnädigste Königin! heist mich dero gnädigsten Befehl / auch ohne so hohe Belohnung / gehorsamen: wiewol zu dieser schweren Verrichtung / ein höherer Verstand / als der meinige / vonnöten wäre. Dann Polyphilus und Macarie sind nicht allein fäst / sondern auch listiglich verbunden / und haben Melopharmis zur Gehülfin. So brauchet Gegenlist / (fiel ihr Atychintide in die Rede) damit wir unsern Zweck erreichen. Bey Polyphilo (versetzte Phormena) ist wenig zu gewinnen / dann er kehret sich an nichts: aber Macarie / die etwas furchtsam ist / und üble Nachreden als den Tod selber fliehet / dürffte wol eher eines andern zu bereden seyn. E. Maj. lassen sich gnädig gefallen / weil eben jezt der Insel Jahr-Fest einfället /selbst eine Reise nach Soletten zu thun / und Macarien des Polyphilus Liebe verhasst / oder doch so gefährlich zu machen / daß sie sich noch eine zeitlang wegere: indessen will ich einen andern Raht ersinnen. Atychintide hierein willigend / ließ darauf die Reise mit allem Fleiß bestellen / und kame also nach Soletten. Weil sie aber / durch die Ankunft der Melopharmis / an ihrem Vorhaben verhintert wurde / ließe sie den Polyphilus / so bald sie seine Gegenwart verstanden / zu sich beruffen / und suchte ihre Liebe durch seine Gegen-Liebe zu befriedigen / oder doch ihn von der Macarie Gunst abzuhalten. Aber er begegnete ihr /wie gesagt / mit einer so freyen Bekentnus / daß sie nicht wuste / wo sie sich vor Grimm lassen solte / und also voll Unmuts zu Bette gieng. So bald sie nun in der Kammer war / erzehlte sie der Phormena / die kühne Antwort des Polyphilus /und fragte sie: was nun zu thun wäre. E. Maj. laßen sich das nicht anfechten! (gab Phormena zur Antwort) dann ob der erste Streich verlohren / wollen wir den andern desto gewisser führen. Die Reise dienet wenigst dazu / daß man des Polyphilus Vorsatz erkundiget / und nun bäßer weiß / wie derselbe zu verhintern. So sehen sie auch hieraus / daß ich nichts dann die Warheit erzehlet / und daß alles dem Polyphilus zustimmet / so gar / daß auch Servetus ihm anhanget: dann von wem sonst / als von ihm / werden sie unsre Reise erfahren haben / und angekommen seyn / unser Vornehmen zu verhintern? darum muß man sehr behutsam verfahren / wann man etwas ausrichten will. Wer seinen Feind im harnisch sihet / der wird vorsichtig / und dadurch unüberwindlich: wer ihn aber schlaffend findet / wird sicher / und dadurch gefället. Das allernötigste ist / daß wir ihnen allen Verdacht /einiger Nachstellung / aus den Sinne bringen: damit sie solche nicht zu verhintern trachten. E. Maj. stellen sich nur morgen ganz anders Sinnes worden / und die Liebe des Polyphilus und Macarien nicht weiter hintern wolte: dadurch kan ich ihre Heimlichkeit vollends erfahren / und meine künftige Anschläge darnach anstellen. Ihr habt es wohl ausgesonnen / (sagte die Köntgin) und ich habe in dieser Sache / wegen der großen Verwirrung / die mir meine Sinne verrucket /wohl Rahts vonnöten. Bey einen guten Führer / kan auch ein Blinder nicht irre gehen. Schaffet nur / Phormena! daß euer Anschlag zu Werk komme / und lasset indessen die Erothemitis eure Stelle vertretten. Also kam Phoimena / mit ihrer List / zu der Gesellschaft / und betroge dieselbe mit freundlichen Worten / daß sie ihr alles entdeckten / was sie verlangte. Und weil Melopharmis / wegen Kürtze der Zeit /nicht zu Bette gehen wolte / Polyphilus auch / die Gegenwart seiner Liebsten / viel höher als den Schlaf schätzte / blieben sie alle beysammen / und ergetzten sich mit dem scherzhaften Agapistus / biß Phormena wieder zur Königin beruffen ward: die gleich Befehl ertheilte / die Kutsche zu bespannen / und sich zur Abreise färtig zu halten. Hierauf nahm Polyphilus Abschied von seiner Macarie / und versprache / ehest ein Brieflein zu senden / auch zu Ruthiben seine Abholung zu befördern. Indem sie noch redten / kam Atychintide; zu deren /nach abgelegtem Morgen-Gruß / Macarie sagte: es scheinet wohl / das E. Maj. ein schlechtes Lager gehabt / weil sie dasselbe so frühe verlassen. Das Lager war gut / (sagte die Königin) allein die Furcht / daß mich die Innwohner aufhalten möchten / hat mich gezwungen / selbiges zu verlassen / und noch vor Tags abzureisen. Es werden doch E.M. (versetzte Macarie) noch ein schlechtes Früstück erwarten. Nein! (begegnete ihr Atychintide) ich bin nicht gewohnt / so früh zu speisen. Damit schenkte sie Macarien ein schönes Kleinod / und sagte: sie solte solches / als ein Zeichen ihrer Gnade / aufbehalten / und bald Gelegenheit nehmen / nach Sophoxenien zu ihr zu kommen. Wofür Macarie sich demütigst bedankte. Als Atychintide auch den Polyphilus gesegnen wolte / bate er üm die Erlaubnis / ihr mit seiner Begleitung / biß nach Sophoxenien / aufwarten zu dörfen. So wolte ihr uns begleiten? fragte die Königin. Dafern es E.M. nicht beschwerlich ist: versetzte Polyphilus. Im geringsten nicht! (antwortete sie) damit ihr aber vor den Inwohnern allhier sicher bleibet / so setzet euch zu mir in den Wagen. Diß wäre zu unhöflich? sagte Polyphilus. Habe ich es doch befohlen! begegnete ihm die Königin / nahm damit nochmals Abschied von Macarie /saße auf / und fuhre über die Brücke / welche auf der Seite nach Sophoxenien stunde / ehe die Inwohner dessen gewar wurden. 3. Absatz Dritter Absatz Atychintide / lässt den Polyphilus wieder von sich /und beredet sich mit Phormena / wie man ihn von Macarie trennen möchte. Sie wird von der Apatileucheris besucht und eingeladen. Ihrer beyder Gespräche / vom Polyphilus . Nach genommener Abrede mit Phormena / schicket sie die Melopharmis und den Servetus zum Polyphilus / und fährt zur Apatileucheris: dahin auch die Macarie und den Eusephilistus zu bringen / Phormena und ein Diener nach Soletten abgefärtigt werden. Des Polyphilus und Macarien Briefwechsel von seiner Unpäßlichkeit. Polyphilus suchte unterwegs alle Höflichkeit hervor /so er jemals gelernet / und vermeinte damit die Königin / wegen des gestrigen Verdrußes / auszusöhnen: wordurch er aber nur ihre Liebe gegen ihm und den Vorsatz mehrte / seine Wechsel-Liebe mit Macarien zu verhintern. Sie erzeigte sich zwar auf das allerfreundlichste / und bemühete sich / diese zween Tage / allerhand Kurtzweil und Freude anzustellen /ließe auch diese Schäfere / weil sie sich nicht länger wolten aufhalten lassen / mit großen Geschenken wieder abreisen. So bald aber Polyphilus hinweg war /und die Künigin die Schmerzen ob seiner Abwesenheit anfienge zu fühlen / ließe sie / solche zu lindern /die Phormena zu sich in den Garten fordern / und befahl indessen der Melopharmis ein ander Geschäffte /damit sie mit ihr allein seyn möchte. Ihr wisset / getreue Phormena! (sagte sie zu dieser) mit was vor einem Schluß wir von Soletten abgezogen / und wie ihr mir daselbst zugesagt / des Polyphilus Liebe gegen Macarien / nach eurer Klugheit / zu verhintern: welches dann in warheit höchst-nötig ist. Ich habe alles reiflich erwogen / und die Sache / die Länge und die quär überlegt / befinde aber ganz nicht rahtsam / den Polyphilus in diesem Irrtum stecken zu lassen. Die Jugend fähret unvorsichtig / und hält öffters das vor den Weg des Glückes / welches doch die Straße zum Verderben ist. Wüste Polyphilus nichts von Macarie / er würde seine Hand / die zu etwas höhers tüchtig scheinet / nimmermehr an den Schäfer-stab gelegt haben. Aber Macarie / ist die Pest seines Glückes / und der Tod seiner Ehre: wie er mit der Zeit selbst / aber allzuspat / beklagen wird. Dann so lang seine Sinne von der Zauberey der Liebe eingenommen sind / kan er seinen Untergang nicht warnehmen. Die Vernunft ist dem Gemüt eines Verliebten / wie eine Latern in der Hand eines Blinden. Wie dem jenigen /der durch ein grünes Glaß sihet / alle Sachen grün vorkommen / ob sie gleich ganz anderer Farbe sind: also dünket auch den Polyphilus / so lang er durch das Glas seiney Einbildung sihet / alles / was ihm die Liebe der Macarie befördert / recht und löblich seyn. Darum muß man diesen verblenden Gimütern / die Brille von den Augen thun / welche ihnen die Liebe aufgesetzt / damit sie nicht in ihrer Blindheit fort fahren / und verderben: E. Maj. (sagte Phormena) haben alles verständig beobachtet / und ich befinde mich auch schuldig und willig / hierinn nach allen Kräfften zu dienen. Wiewol mir der Handel viel schwerer vorkommet / als ich zuvor vermeinet: sonderlich / weil er keinen Verzug leidet. Dann so viel ich vernommen / wird Polyphilus mit nächsten die Macarie abholen: weil er zu Ruthiben nit allein den Schutz vor die Heerde / sondern auch die Hoffnung zur Fördernis erlanget; worauf er seine Liebste / unter den Geleite von Ruthiben / ganz sicher von Soletten hinweg bringen kan. Hilff Gott! (rieffe Atychintide / mit erschrockenen Gebärden) so eilet / diese Frucht / mit der Wurtzel / auszurenten /welche so bald zu reiffen beginnet. O du treulose Melopharmis! welche Strafe wird deine Lasier austilgen? Ach Phormena! lasset mich in dieser Bestürtzung nicht ohne Raht. Ich will lieber einen Theil meines Glückes verlieren / als zugeben / daß diese Verehlichung ihren Fortgang gewinne. Ich will gern / (gab Phormena zur Antwort) das meinige thun / bin auch bißher nicht müßig gewesen / sondern habe hin und her gedacht / und allerley Anschläge gehabt / davon mir doch keiner gefallen will. Ich befinde List und Gewalt bey diesen Verliebten unkräfftig / so lang sie sich nicht selbst veruneinigen: welches man dann nicht eher erlangen könte / als durch die Eifersucht /die zwar aus der Liebe geboren wird / aber seine Mutter bald nach der Geburt erwürget. Was weder Noht noch Gefahr / weder Kunst noch Unglück entzweyen kan / das trennet die Eifersucht: welche / gleich einem Rauch / die Flamme der Liebe erleschen macht. Könten wir dieselbe zwischen diese Verliebte bringen /wir wolten unser Vorhaben wol erreichen. Ihr redet wol / Phormena! (versezte die Königin) aber wo finden wrr diese Drachen-Zähne / aus welchen die Uneinigkeit wachsen soll? Den Polyphilus (sagte Phormena) wolte ich bey Macarie / durch die Schäferin Volinie / die er unterweilen bedienet / leicht verdächtig machen: wie wir aber Macarien beykommen / das kan ich nicht absehen / weil sie allen Argwahn fliehet. Doch / wann ich Gelegenheit ersinnen könte / den Eusephilistus / des Polyphilus Neben-Buhler / irgend mit ihr zusammen zu bringen / hätte ich noch Hoffnung / ihn eiffern zu machen. Solte man das nicht thun können? begegnete ihr Atychintide. Ich will sie beyde zu mir herüber laden. Das ist verdächtig / (antwortet Phormena) und wird ihnen bald einen Argwahn an die Hand geben: sonderlich / weil Melopharmis zugen ist. Ich will einen andern Ort / zu diesen Vorhaben erdenken. Aber sehet / wie die Boßheit allezeit eher / als dir Tugend / befördert wird. Eben / als diese beyde noch ratschlagten / kam Erothemitis / und berichtete / wiedaß Apatileucheris von Montefessen / die Königin zu besuchen / angekommen wäre. Atychintide wunderte hierüber / aber Phormena führte sie auf die Seite / und sagte: E. M. seyen frölich! diese wird uns Mittel an die Hand geben / unsern Vorsatz auszuführen. Wann nur Melopharmis uns nicht verhinterlich ist / hoffe ich jetzo zu erlangen / was sie wünschen. So gehet ihr /(sprach die Königin) mit Erothemitis hervor / sie zu bewillkommen; befehlet aber vorher der Melopharmis / die Küche zu bestellen / damit wir vor ihr sicher bleiben. Phormena gieng eilends / dieses zu verrichten / und brachte endlich die Apatileucheris zur Königin / die ihrer im Garten wartete. Diese / nachdem sie der Atychintide Rock geküsset / sagte: Durchleuchtigste Königin! E. Maj. bewundere nicht / daß / deroselben unterthänigst aufzuwarten / ich mich hieher verfüget. Die Glückseeligkeit der Solettischen Inwohner /deren Jahr-Fest / E. Maj. unlängst mit ihrer hohem Gegenwart geehret / heisset mich gleiche Beseeligung hoffen / und zwinget mich / E. Maj demütig zu ersuchen / daß sie gnädig geruhen wollen / auch unserm Fest / welches in etlichen Tagen wird gefeyret wer den / dero hochansehliche Gegenwart zu gönnen. Heroarcha / mein Liebster / welcher E. Maj. sich unterthänig befehlen lässet / führet mit mir gleiche Bitte /und erwartet einer gnädig-gewürigen Antwort. Ich sage Dank / (erwiederte die Königin) für die Einladung / fürchte aber / damit Unkosten zu verursachen / zumal ich / wegen neulicher Bewirtung / noch in Schulden stehe. E. Maj. (versetzte Apatileucheris) werden durch eine Fehlbitte / meine Reise nicht unglücklich machen. Ich wil sehen / (sagte Atychintide) was die Zeit leiden wird. Ihr werdet aber heute bey uns Malzeit halten / wann wir hinwieder zu euch kommen sollen. Wann es E. Maj. gnädig befehlen /kan ich mich darwider nicht entschuldigen: sagte Apatileucheris / und verwilligte zu bleiben. Sie hatte mit der Königin allerhand Gespräche / biß sie zu verstehen gab / was sie suchte: Dann sie hatte diese Besuchung bloß wegen des Polyphilus vorgenommen /in welchen sie sich ehedessen häftig verliebet / auch von ihm gleiche Zeichen der Gegen-Liebe / zusamt der Verheisung / sie bald wieder zu sprechen / erhalten: worauf sie aber bißher vergeblich gewartet / weil Polyphilus / durch die Liebe Macarien / ihrer vergessen / auch die Stunde / darin er sie geliebet / verfluchte / also daß sie nicht das geringste weiter von ihm vernehmen konte / auch wegen der Furcht / bey ihrem Eheherrn Heroarcha einigen Zweifel ihrer Treu zu er regen / nicht öffentlich nach ihm fragen dörfen / biß ihr diese Einladung der Atychintide / Gelegenheit gab / zu fragen / wie es doch Polyphilo / dem Erretter dieses Schloßes / gienge / und wo er sich aufhielte? Polyphilus (gab die Königin zur Antwort) ist nun ein Schäfer. Ein Schäfer! riesse Apatileucheris: deß muß ich mich ja wundern; wie ist er auf diesen Vorsatz kommen? Das weiß der Himmel! versetzte Atychintide Er wendet eine Weissagung vor / aber sie dünket mich sehr zweifelhaft. Ich habe mich nach allem Vermögen bemühet / dieses Vorhaben zu hintertreiben / aber alles umsonst: Polyphilus würde eher die Welt / als seinen Schäferstand verlassen. Hat er vielleicht eine Liebste / (fragte Apatileucheris) die ihn zu den Hirten treibet? So viel ist es! begegnete ihr die Königin. Macarie von Soletten / das unschätzbare Tugend-Bild / wie sie Polyphilus abmahlet / hat seinen Sinn also eingenommen / daß er von nichts / als dem Hirtenstande / hören will. Ich habe (erwiederte Apatileucheris) schon oft diese Macarie rühmen hören / und hoffe nun / weil E. Maj. selbst zu Soletten gewesen /ein gerechtes Zeugnus von ihrer Würde zu vernehmen. Ich bin / die warheit zu bekennen / (versetzte die Königin) eben deßwegen in die Insel gereiset: weiß aber fast eben so wenig / als zuvor / was ich davon sagen soll. Allen Ruhm begehr ich ihr nicht zu nehmen / dann das wäre wider die Billigkeit / weil ich befunden / daß viel Gaben und Tugenden / sich in ihr vereinigen. Daß sie aber so unvergleichlich sey / wie sie Polyphilus rühmet / der sie über alle andere erhebt / will mir nicht zu Sinn. Ich spreche kein Urteil /biß ihr / Edle Apatileucheris! sie selbst gesehen und gesprochen. So bleibet es wol ohne Schluß / (gab Apatileucheris zur Antwort) weil ich keine Gelegenheit zu ihrer Freundschaft oder Besprechung habe. Die kan man bald finden! redte Phormena darzwischen. Sie lasse / Edle Apatileucheris! Macarien zu sich aufs Fest beruffen. Das wolte ich wohl thun /(gab diese zur Antwort) allein / was wird sie gedenken / weil ich ganz unbekant bin? Wann ich hinauf zu dem Fest fahre / (sagte die Königin) will ich sie selbst abholen lassen. Da hätte ich doppelte Ursach zu danken: sagte Apatileucheris. Gewiß ich will es thun: (versetzte die Königin) aber lasset euch jezt bey der Tafel nichts von Macarie vernehmen / weil Melopharmis und meine andere Bediente / solches dem Polyphilus kund machen / dieser aber Macarien die Reise widerrahten dörffte: und damit sich auch diese nicht wegere zu erscheinen / kan sie / Edle Apatileucheris /den Eusephilistus / als den Vornehmsten zu Soletten /oder jemand andern / dazu beruffen lassen. Wie es E. Maj. befehlen / (gabe Apatileucheris zur Antwort) nur daß ich Macarien zu sehen bekomme. Es hofte aber diese / von derselben die Gewißheit der Liebe des Polyphilus zu erforschen. Atychintide hingegen gedachte / daß nun ihre Sache halb gewonnen / und schätzte dieses Mittel / von dem Glück selbsten gesendet; nahm die Apatileucheris mit zur Tafel / und erzeigte sich gar frölich. Weil sich aber selbige nicht lang aufhalten kunte / als nahme sie bald nach der Tafel Abschied / und sagte die Königin / daß sie bey ihrer Entschließung bleiben wolte / und ließe sie damit wieder zu Pferd sitzen / dann also war sie angekommen. So bald sie nun hinweg / fragte Atychintide die Phormena: wie ihr der Handel gefiele? Es hätte nicht beßer kommen können! antwortete diese. Nun hoffe ich E. Maj. Furcht abzuwenden. Sie belieben nur meinem Raht / und sehen / wie Macarie mit Eusephilistus zusammen komme. Das soll schon geschehen! begegnete ihr die Königin. Wie wollet ihr es aber anstellen / daß sie beyde in Eifer gerahten? So bald Macarie nach Montefassen komt / (erwiederte Phormena) will ich derselben die Freundschaft des Polyphilus / mit der Schäferin Volinie / so unschuldig und einfältig /zu wissen machen / daß sie zu eifern wird gezwungen seyn. Dem Polyphilus aber / will ich gleicher gestalt berichten / daß Macarie mit Eusephilisto ausgereiset: der darüber gewiß ungedultig werden muß / sonderlich wann ihm Macarie / aus Zorn wider seine vermeinte Untren / keine Freundlichkeit erweiset. Da dann E. Maj. ihn hieher beruffen / und weil er im Zorn / leichtlich anderst bereden können. Doch muß Melopharmis und Servetus vom Hof geschafft werden / ehe wir dieses vornehmen: dann wo auch diß mißlingen solte / würde ich an allem andern verzweiffeln / das doch / wann Melopharmis davon wissen solte / leicht geschehen könte. Ihr habt recht! sagte Atychintide. Aber wo schicken wir die beyde hin? Zu den Schäfern! versetzte Phormena. E. Maj. lassen Polyphilo das Geschenk / welches Apatileucheris mitbracht / überbringen / das Melopharmis gern thun wird. Es war aber selbiges ein herrliches Schau-Gericht / von Zuckerwerck künstlich zubereitet / welches die Geschicht des Narzissus / der die Liebe der Nymfe Echo verachtend / sich in seine eigene Schönheit verliebet / und dadurch zur Blumen worden / vorstellte: solches hatte Apatileucheris mitgebracht / daß Polyphilus / welchen sie alda zu finden verhoffte / die Strafe der Verachtung gegen einer Damen Liebe erkennen solte. Die Königin war damit zu frieden / (dann sie hätte wohl all ihres Reichtums hierin nicht verschonet) und sagte / daß sie solches morgen anstellen wolte. Dieses zu vollziehen / sprach sie des andern Tages / über Essen: Was werde ich mit meinem künstlichen Schau Gericht machen? Ich wolte / daß es Polyphilus hätte: dann ich weiß doch wohl / daß es Apatileucheris / deren er wohl ehemals günstig gewest / seinetwegen machen lassen. Wann ihr so gutwillig wäret / Melopharmis! ihm solches / und zugleich einen schönen Gruß / von Apatileucheris zu überbringen: ohne zweifel / wird er darüber lachen. Ich will euch Serveten mitgeben / der es tragen soll. Eilet nur damit: dann wo es länger stehet / möchts verderben. Wann es E. M. befehlen / (sagte Melopharmis) will ich es gern einhändigen. Ach ja! (versetzte Atychintide) nehmet die Mühe auf euch. Ich wolte zwar gern auch Phormena mitgeben: allein die Zeit wird mir / in eurer beyden Abwesen / gar zu lang: so weiß ich auch nicht / ob nicht Heroarcha weiter anhalten möchte / uns aufs Fest zu bitten / so hätte ich niemand bey mir: also muß sie hier bleiben / und kan ein andermahl die Schäfer besuchen. Ihr aber dörffet desto weniger mit der Widerkunft eilen / und könnet vielleicht die Schäfer / auf einer spazir. Reise / mitbringen. Ich will es versuchen! sprach Melopharmis /und seumte hierauf nicht lang / mit dem Servetus und dem Schau-Gericht abzureisen. Also wurde die sonst listige Melopharmis hinweg betrogen. Die Königin hingegen ließe / so bald sie hinweg /die Reise nach Montefessen bestellen / und fuhre mit Phormena und Erothemitis / von nur zwey Lackeyen begleitet / einen Tag vor dem Fest / dahin: wurde auch von Heroarcha / der diese Gnade gar hoch schätzte / herrlich empfangen / und bewirtet. Als sie über Tafel / unter andern / von Macarie zu reden kamen / sagte Heroarcha: wiedaß er sie wol kenne /und etlich mal um sie gewest wäre; fienge hernach an sie rühmen. So möchte ich dann (sprach Apatileucheris) diese vollkommene Macarie wohl kennen. Ich will sie hieher bitten lassen: sagte die Königin. Wann es E. Maj. nicht beschwerlich / (versetzte Apatileucheris) hätte ichs vor eine sonderbare Gnade zu rühmen / und könte meine Begierde in ihrer Erkentnus sättigen. Wohl! (gab die Königin zur Antwort) man lasse sich nur gefallen / jemand von Soletten zugleich mit zu erbitten: so soll Phormena morgen hinab fahren / und sie abholen; dann ganz allein möchte sie Bedenken tragen / zu uns zukommen. So wollen wir /(sagte Apatileucheris) den Eusephilistus mit einladen lassen. Ich will (sprach Heroarcha) einen Diener mitgeben / der den Eusephilistus und Kalferte / mit welchem ich auch etwas bekandt / zum Fest einladen soll: damit ich Gelegenheit mache / die schöne Macarie in unsre Gesellschaft zu bringen. Er wuste aber nicht /wie betrüglich die beyde listige und verliebte Frauen mit ihm umgiengen / und daß dieses alles schon vorher abgeredt gewesen. Also ward der Raht beschlossen / und Phormena /des andern Morgens / samt einem Diener vom Heroarcha / in der Königin Carosse / nach Soletten ge schickt: und empfing sie von Atychintide keinen andern Befehl / als daß sie dieses Geschäffte wol ablegen / und ja nicht ohn Macarien zurück kommen solte. So bald Melopharmis an das Ufer gekommen /ließe sie die Kutsche einstellen / und sich mit dem Diener übersetzen: dem sie befahle / keine abschlägige Antwort von Eusephilistus anzunehmen / sondern /so er sich wegern wolte / ihn zu berichten / daß auch Macarie mit hinauf fahren würde. Nachdem sie diß bestellet / verfügte sie sich zur Macarie. Selbige hatte nach dem Abzug der Königin und des Polyphilus / nicht in geringer Sorge gestanden / daß die Inwohner / wegen dieser Besuchung / einen Haß auf sie werffen möchten / oder sie wohl gar / daß sie ihren Feind beherberget / anklagen dürfften. Als sie kaum dieses überwunden / bekame sie / durch das Gärtners Jungen / einen Brief vom Polyphilus / dieses lauts. Mein Hertz! Weil ich mich selbst überredte / daß sie Verlangen tragen werde / meinen Zustand zu wissen / als habe ich ihr denselben mit diesen Zeilen kund machen /und berichten wollen / daß ich nicht allein die erzürnte Königin wieder ausgesöhnet / sondern auch so gnädig verlassen / daß sie mich mit grossen Geschenken begabet / und ich also glücklich bey meinen Trifften angelanget. Wiewohl der Widerwillen / welchen ich in ihrer Aufwartung empfunden / mich nicht wenig gequälet: Wozu das Verlangen / nach ihrer Liebsten Beywohnung / mein Kind! und der Schmerze / den ich wegen ihrer Verlassung gefühlet / so häuffig kommen / daß ich von unsrem Abschied an / biß in diese Stunde / mich unpäßlich klagen muß / und diese Nächte her / einen wenigen / ja offt wohl gar keinen Schlaf / annehmen können / und daher ganz erblast worden (wie das Gedicht / welches ich eben jetzt in den Garten verfertiget / zeuget) da dann der schertzende Agapistus sein Mütlein genug an mir gekühlet. Wird sie demnach / schönes Kind! mit einen paar Zeilen / mich dieser schmerzhaften Belegung entnehmen: dann allein ihre zarte Hand ist mächtig / meine erkrankte Sinne wieder zu erfrischen / und aufzuwecken / die erstorbene Seele / Ihres getreuen Polyphilus . Das Gedicht / welches Polyphilus (als er in ihrem Garten den Jungen seinen Brief eingehändiget) verfärtiget / schloße er mit in den Brief / folgenden Innhalts: Ach du lieb-gepriesner Ort! soll ich dich beraubet sehen / Meiner schönen Schäferin / und in dir verlassen stehen / Ohne die / so mich erhält? wie doch kränkt es meinen Sinn / Wann ich weiner Augen-Liecht in dich leeren wende hin. Dort in dem verborgnen Zelt / das kein Auge kont beschauen / Wegen der verschloßnen Thür / pflegte sie die Gunst zu trauen Meinen Wunsch und Bitt begehr; dort an jener obern Stell Dorfft ich / Ach der süssen Lust! küßen ihres Mundes schwell. Dort auf jenem Sitz Geräht / pflegte sie den Sitz zu nehmen / Ach! die liebe / neben mir; aber meine Brunst zu zähmen / Ließ sie sich in meinen Schoß. Dorten / ach! da fasst ich an Hertz und Hände / und was mehr ein verliebtes Herze kan. Aber nun ist alles aus! hier ist niemand / den ich liebe / Ich allein / ohn Hertz und Hand. Jezt ich meinen Sinn betrübe / Der vorhin erfreuet stund / da ich meine Schöne sah / Wann ich durch die Pfortrn kam: aber jezt ist nichtes da. Was nun Trost? ich weiß es nicht. Könte / was ich wünsch / geschehen / Wäre diß der gröste Trost / daß ich sie solt wieder sehen. Alsdann würd ich ganz gesund / wie ich jezt erkranket steh / Nun ich / was mir helffen könt / nicht zu meiner Hülffe seh. Ihr / ihr Veilchen / spottet mein / ihr bewundert meine Bleiche / Und mein todten-farbes Blaß / wie ich mir gar nimmer gleiche! Wundert nicht! der Silber-Mond / bleichet ohn der Sonne Gold: Gleich so kan ich scheinen nicht / ob ich noch so gerne wolt. Ihre Stralen / meine Sonn! Ihr Beglänzen / meine Schöne! Ihre Sternen sind mein Liecht: nur nach diesem ich mich sehne / In so Schatten-trüber Nacht. Bey ihr bin ich schön und reich / Auser ihr verarmet arm / ja gar tödlich krank und bleich. Aber gleichwohl muß ich mich / ohne Trost zu frieden geben / Biß des Himmels Gnaden-Schluß uns vergönn ein bessers Leben / Daß sie leb in meinem Schloß / ich in ihrem Arm-Beschluß. Bald wird / hoff ich / solcher Art seyn versüßet mein Verdruß. Macarie ward über diesem Brief sehr traurig / und entsetzte sich so gar über der Krankheit ihres Liebsten / daß sie nicht wuste / was sie vornehmen solte. Doch zwange sie die Eile / eine Antwort zu schreiben / wie folget. Mein Kind! Die betrübte Zeitung eurer Unpäßlichkeit hat mich ganz bestürzt gemacht / und gezwungen / mit diesem wenigen nach eurer Gesundheit zu fragen. Tröstet mich demnach / Mein Allerliebster! so eilend / als müglich / mit der Versicherung einer erwünschten Besserung: damit nicht der billige Schmertz / welchen ich wegen eurer Krankheit empfinde / mich auch hierinn euch zur Nachfolgerin mache. Ist es müglich / daß meine beständige Liebe euch einige Linderung geben kan / so habt ihr dieselbe im höchsten Grad zu hoffen: wie ihr sie dann überflüßig verdienet / auch mit solchem Verlangen gesuchet / daß ihr dadurch auch die Undankbarkeit selber soltet bewegt haben / wider ihre Natur zu leben / und die Liebe mit Gegen-Liebe zu belohnen. Der gütige Himmel wird / wie ich hoffe /alle Unruhe besiegen helffen / unh nach überwundenem Streit / beständige Ruhe geben. Lebet dann gesund / mein Herz! und liebet / Eure Macarie . Dieses Brieflein übergab Macarie ihrer Dienerin / und schikte sie / samt etlichen Arzneien / zum Polyphilus: mit Befehl / ihr / so bald es müglich / eine gute Antwort zu bringen. Sie blieb indessen voll Kummer und Traurigkeit / in ihren Zimmer / mit Verlangen eines Berichts erwartend: welchen sie auch / des andern Tages / nicht ohne Vergnügung / durch diese Antwort erhielte. Allerwehrtste Macarie! Die sorgfältige Forschung nach meiner Gesundheit /ist mir billig ein gewisser Zeuge ihrer aufrichtigen Liebe; aber auch eine Aufforderung zu gleicher Verharrung / in dem ich / auch erkranket / gesund leben muss. Ach! liebstes Herz! daß es dem Himmel gefallen wolte / die Schmerzen / so ich durch mein verliebtes Verlangen klagen muß / mit gleich frölicher Entbindung von mir zu nehmen / als er über die Verhinterung der Leibes-Wolfahrt beschloßen! so würden wir beyde in Ruhe leben. Doch suche ich meine Liebe (welche ich ihrer / nun-bewährten Gunst ganz gleich schätze / das ist / im höchsten Grad zu stehen versichere) durch den Trost ihres gezierten Briefleins zu erquicken / und glaube / daß der Himmel / nach überwundenem Streit / werde beständige Ruhe geben. Anlangend meine Unpäßlichkeit / glaube ich / daß dieselbe mehrverliebt / als gefährlich gewesen: Deßgen ich ja nun nicht anderst kan / als gesund seyn / nach dem ich so viel Erfrischung von ihren lieben Händen überkommen. Versichere sie dannenhero / daß ich je gesunder / je mehr nach ihren liebreichen Brieflein werde begierig werden. Darum heile sie ferner / mit ihrer allerangenehmsten Hand / die Schwachheit Ihres Ewig-beständigen Polyphilus . 4. Absatz Vierter Absatz Macarie / auf der Photmena betrügliche Einladung /fähret mit ihr / auch mit Eusephilisto und Kalferte /nach Montefessen. Gespräche daselbst / von der vermeinten Mordthat des Polyphilus: von welchem Phormena vorbringet / daß er die Volinie liebe. Macarien Kummer und Klage hierüber / als sie wieder nach Haus gekehret. Eben hatte Macarie dieses Brieflein durchlesen / und von ihrer Dienerin / die wiedererlangte Gesundheit ihres Polyphilus freudig verstanden / als sie Phormena in ihr Zimmer kommen sahe / und darüber einigen Schrecken empfande / fürchtend / daß vielleicht eine neue Unruhe möchte vorhanden seyn. Phormena nahme solches alsobald wahr / und sagte / nach abgelegter Begrüßung: Sie entsetze sich nicht / hochgeehrte Macarie! über meine Ankunft / weil ich dißmal keine unglückseelige Bötin abgebe. Die Königin Atychintide läßet ihr / durch mich / einen gnädigen Gruß vermelden / und bitten / daß sie sich wolle gefallen lassen / mit mir nach Montfessen zu fahren / und ihr /bey dem daselbst angestellten Jahr-Fest / Gesellschaft zu leisten. Heroarcha und Apatilencheris / welche gleichfalls einen schönen Gruß befohlen / lassen sie hierzu freundlich einladen / und hoffen / durch die Bitte der Königin / die Ihrige kräfftig zu machen / und dißmal die Ehre ihrer Gegenwart und Erkentnus /nach welcher sie sich schon lange gesehnet / zu erhalten. Ich bedanke mich / unterthänig und freundlich /(gab Macarie zur Antwort) so wohl vor Ihr. Maj. als der edlen Apatileucheris / gnädige und höfliche Einladung / und befinde mich schuldig / diesem hohen Befehl zu gehorsamen. Ich fürchte aber / daß die wenige Kundschaft / welche ich von Apatileucheris habe /solche Folge einer Vermessenheit gleichen und beschuldigen dürffte. Im geringsten nicht! (versetzte Phormena) Heroarcha und seine Liebste / tragen nicht weniger nach ihrer Gegenwart Verlangen / als die Königin selber; welche mir bey meinem Abzug streng anbefohlen / mein Gewerb wohl abzulegen / und ja nicht leer wieder zu kommen. Macarie / wiewohl sie nicht wuste / ob sie diese Forderung / einer Freundschaft oder Hinterlist gleichen solte / truge doch Bedenken / solche auszuschlagen / fürchtend / die Königliche Gnade / welche Polyphilus so mühsam erworben / durch diese Weigerung zu verschertzen. Phoimena hingegen / hielte an mit bitten / sich färtig zu machen / weil sie noch zu dem Opfer kommen solten / und sagte: Sie wegere sich nicht / wehrte Macarie! dem Begehren der Königin zu willfahren / und mich hierin bitt-seelig zu machen. Sie hat zu befehlen / geehrte Phormena! antwortete Macarie Aber werden wir auch auf dieser Reise allein seyn? Heroarcha (erwiederte Phormena) hat einen Diener mitgeschicket / und Kalferte einladen lassen: sonsten weiß ich nicht / ob noch jemand anders mitkommen werde. Also bekleidete sich Macarie / und verfügte sich / mit Phormena / nach dem Ufer: da sie sich übersetzen ließen. So bald sie aber die Kutsche ersehen / wurde Macarie auch des Eusephilistus gewar / worüber sie hefftig erschracke / und sagte: Was ist das / Phormena: ist auch Eusephilistus zugegen? Wie ich sehe: versetzte Phormena / mit bestürzten Gebärden. Ach! hätte ich das wissen sollen / (sprach Macarie) ich würde mich dieser Reise entzogen haben. Es ist mir selber leid /(antwortete Phormena) daß sie hiemit beschweret wird / und habe ich gewißlich davon kein Wissen gehabt / auch so genau nicht nachgeforschet. Aber weil es nun geschehen / wird sie ihr / kluge Macarie! seine Gesellschaft nicht verdrüßlich seyn lassen. Sind wir doch alle zugegen: er wird / in unserm beyseyn / seiner Liebe nicht gedenken dürfen. Macarie wolte antworten; aber Eusephilistus kame schon daher / sie zu bewillkommen / und sagte: Wie führet uns das Glück / schöne Macarie! so unverhofft zusammen? Ich wundere mich selbst hierüber: (begegnete ihn Macarie) es scheinet / als ob die Königin Atychintide uns Gelegenheit ertheilen wollen / das Gespräch zu vollführen / welches ihre neuliche Besuchung zu Soletten abgekürtzet. So ist die Vergeltung ungleich grösser / (antwortete Eusephilistus) weder die Versäumnus: weil selbige Verhinterung nur etliche Stunden gewähret / diese Ersetzung aber einen längern Termin zu hoffen gibet. Drum sind es auch Königliche Geschenke / (sprach Macarie mit lächlen) die über Verdienst belohnen. Sie hat recht / kluge Macarie! versetzte Eusephilistus / und geleitete sie damit zur Carrette / da sie auch Kalferte empfinge / und sie also aufsaßen. Eusephilistus war / die ganze Reise / in Macarien Bedienung / sehr bemühet / und gab ihr sein Verlangen / durch so viel verliebte Blicke und sehnliche Seufzer / (dann viel Worte kunte er / wegen der Anwesenden / nicht führen) zu verstehen / daß sie selbst Mitleiden mit seinem Unglück haben muste /und wünschte / daß er seine Gunst / die doch bey ihr vergeblich / weil sie schon an einen andern verbunden / gegen eine Freyere lenken möchte. Als sie nun endlich nach Montefessen kamen / wurden sie / von der Königin und dem Heroarcha sehr freundlich empfangen: und bedankte sich sonderlich Atychintide gegen Macarien / daß sie ihrer Bitte statt geben / und so willfärig erscheinen wollen. Selbige hingegen bate / ihrer Künheit zu vergeben. Ich habe /(sagte sie) wegen der geringen Erkentnus bey Heroarcha und Apatileucheris / nicht gewust / wie ich ohne Verbrechen handeln solte / weil diese Besuchung all zu vermessen schiene. Doch war der Befehl zu hoch /und wolte ich lieber mit Unhöflichkeit / als mit Ungehorsam sündigen. Das ist ein Uberfluß der Höflichkeit; (sprach die Königin) Ich will aber die Künheit /deren sie sich schuldig machet / selber aussöhnen. Das jenige hat keiner Aussöhnung vonnöten / (gab Apatileucheris zur Antwort) was man selbst begierig verlanget. Mein Liebster und ich / sind ihr / schöne Macarie! vielmehr Dank / als Vergebung schuldig /daß sie uns mit ihrer Gegenwart beglücken wollen. Wir wollen uns auch bemühen / unsre Schuldigkeit zu beobachten. Weil es aber nun Zeit war zum Opfer / und nach den Tempel zu spaziren / nahme die Königin Macarien bey der Hand / denen die andere folgten. Nachdem sie also dem Gottesdienst und Opfer beygewohnet / wurden sie vom Heroarcha / in einem herrlichen Zimmer seiner Wohnung / prächtig bewirtet. Macarie / muste neben der Königin / Apatileucheris aber kam bey Eusephilistus zu sitzen; welches Macarie in acht nehmend / bey sich selbst gedachte: da sitzen die unglücklich-verliebte / die so oft unsre Liebe verstöret / und uns zu eifern gereitzet haben / indem Apatileucheris meinen Polyphilus verführet / Eusephilistus hingegen meine Gunst gesuchet. Ach! daß doch nun Polyphiluszu gegen wäre / und die seltsame Begebenheit / da unsre beyde Feinde beysammen / mit ansähe. Diß waren Macarien Gedanken / biß sie hörte / daß Apatileucheris den Eusephilistus fragte: wie es doch mit Macarie beschaffen / und ob sie noch an den Polyphilus würde vermählet werden? Ich weiß es nicht: (gab Eusephilistus / mit betrübten Gebärden / zur Antwort) Macarie will noch nichts davon gestehen. Macarie lachte dieser Frage heimlich / stellte sich aber / als ob sie nicht auf sie merkte / sondern sprachte mit Atychintide / biß Heroarcha anfienge die Königin zu fragen: Wie es komme / daß sie auf dieser Reise / weder von Melopharmis / noch von Polyphilus bedient würde? Polyphilus (sagte Atychintide) ist nun ein Schäfer / und hat unsre Bedienung mit dem Hirtenstab verwechselt; Melopharmis aber / ist / selbigen zu besuchen / weil er ihren Sohn mit sich führet / ausgereiset: bin ich also vor dißmal beyder beraubet. So ist es dann gewiß / (versetzte Heroarcha) daß Polyphilus unter den Hirten sich befindet? ich habe es meiner Liebsten kaum glauben können / so gar verwunderlich ist mir diß Beginnen vorgekommen: ich zweifle auch noch / ob er in solchem Vorhaben verharren werde? Das wird die Zeit geben: (gab die Königin zur Antwort) jezt ist er noch nicht willens zu ändern / wie schwach mir auch seine Ursachen vorkommen. Vielleicht will er / in solchem Stande / die Ermordung des Philomathus abbüssen? sagte Kalferte. Ey! (sprach Atychintide) mit dieser Beschuldigung geschihet dem Polyphilus ungütlich: er ist dieses Lasters unschuldig / und würde den Philomathus lieber errettet /als ermordet haben. Kalferte / den der Haß wider den Polyphilus / und der wenige Verstand solchen einzuhalten / wider die Königin zu streiten / antriebe / gab zur Antwort: E. M. angeborne Gütigkeit / welche viel geneigter ist zu entschuldigen / als zu verdammen /hält ihn vor unschuldig: aber hätten sie so starke Mutmassungen dieses Mords / als wir zu Soletten / sie würden vielleicht auf andere Gedanken kommen. Welche sind es dann? fragte die Königin. Erstlich (begegnete ihr Kalferte) hat er den Philomathus zu sich beruffen / und doch seiner Ankunft / ohne zweifel aus Zorn über seine vorige Bestraffung / nicht erwartet. Wiederum so hat der Mörder in den Gosthofe /mit fast eben denen Umständen / nach dem Philomathus gefragt / welche dieser / des vorigen Tages / dem Polyphilus erzehlet. Ferner so hat er / die Strafe fürchtend / sich verzweiffelt in den Fluß gestürtzet. Letzlich so schauet und meidet er noch unsre Insel / und darf / ohne fremde Kleidung / oder ohn E. Maj. Schutz / wie es ihm jüngst gelungen / nicht hinein kommen. Habt ihr sonst keinen Grund / als diese / (erwiederte Atychintide / mit etwas hönischen Worten) so nicht den geringsten Beweiß geben? Daß Polyphilus den Philomatus nicht erwartet / ist nicht aus Zorn / wie ihr schließet / sondern aus Begierde / ihn eher zu erlangen / geschehen / welche ihn angetrieben / einen Kahn zu ergreiffen / und selbst nach der Insel zu fahren: aber als ein Fremder / dem die Gelegenheit des Flusses unbekant / verfehlete er der Furt / und geriehte in einen Wirbel / da er / den Kahn verlierend / zwischen Wind und Wellen / in eine ganz andere Gegend geworffen wurde / und nach etlichen Tagen mit Talypsidamo in die Insel wieder kam; welches er nicht würde gewaget haben / wann er sich des Mords schuldig gewust hätte. Daß er aber sich ins Wasser gestürtzt /komt von eurer Grausamkeit / da ihr ihn / ungeacht aller seiner und des Talypsidamus Entschuldigung /dennoch / als einen Mörder / gefangen führen woltet: welche ihn angetrieben / sich viel lieber den tobenden Wellen / als so tyrannischen Richtern / zu vertrauen. Und dieses ist noch die Ursach / daß er eure Insel fliehet / die in Haß gegen ihm brennet. Werdet ihr ihn aber vor einem solchen Gericht anklagen / da er Sicherheit hat in der Verantwortung: so zweifle ich nicht / daß er erscheinen / und / euren Anklagen zu begegnen / auch seine Unschuld zu retten / Antwort geben wird. Aber (fuhre sie fort) was bemühe ich mich viel /Entschuldigung vorzubringen / mich denen gleichend / die von weiten Wasser holen / da sie den Brunn im Hause haben? Macarie / um welcher willen Polyphilus / (wie er mir selbst erzehlet) in eure Insel kommen / soll unsern Worten den Ausschlag geben /und zeigen / worinn ich irren mag. Uber dieser Rede /welche die Königin dem Polyphilus bey den Solettischen Inwohnern verhasster / und Macarien seine Liebe schwerer zu machen / vorgebracht / wurde Macarie in solchen Schrecken gesetzet / daß ihr die Farbe zur Stirn ausschluge / und wuste sie nicht / wie sie klug genug antworten solte / auf diese unvermntete und spitzige Frage. E. Maj. (sagte sie) befehlen mir nicht den Ausschlag in diesem gefährlichen Streit /welchen sie selbst weit glückseeliger und kräfftiger geben können. Solte ich / dero hoch-vernünftige Rede / einiges Irrtums beschuldigen / so müste es gewißlich nur dieser seyn / daß sie meiner Wenigkeit das Richter-Amt aufgetragen. Die wenige Wissenschaft / welche ich von dieser Begebenheit habe /heisset mich vielmehr Nachricht fordern / als austheilen. Doch will ich auch / so viel ich hiervon weiß /mehr E. Maj. gnädigen Befehl zu gehorsamen / als einiges Urteil zu fällen / gern entdecken. Ich will nicht bestreiten / ob Polyphilus wegen meiner / wie E. Maj. beglauben / (das vielleicht von einer unverdienten Berühmung des Philomathus möchte hergerühret seyn) oder aber den verblichenen Philomathus selber zu suchen / wie er gegen mich erwehnet / in die Insel gekommen. Dieses aber weiß ich /daß er mit meinem Vetter Talypsidamo übergefahren /und in dessen Begleitung / mich / mit dem Vorwand /Kunst und Tugend zu üben / besuchet: Da er / unter andern Gesprächen / den Tod des Philomathus / so schmerzlich beklagt / daß ich nimmermehr ihm dessen einige Schuld geben kan. Soll Macarie den Richterstul besitzen / (sprach Kalferte mit lächeln) was werde ich anders / als ein partheyisches Urteil / erwarten? angesehen die Liebe zum Polyphilus / gewiß die Wage der Gerechtigkeit neigen / und meine Anklage vor ungültig ausrussen wird. Das soltet ihr / geehrter Kalferte! einer andern / als der Macarie / Schuld geben: gab diese zur Antwort. Weder die Liebe zum Polyphilus / noch die Furcht eurer Feindschaft / machet mich wider die Gerechtigkeit sündigen. Die Warheit sihet ihr allezeit selbst ähnlich / sie werde gleich von Feinden oder Freunden vorgebracht: Der Argwahn aber / als eine verdammliche Höllen-Brut / läslet auch die Tugend selber nicht ungetadelt / und erdichtet allenthalben Laster / da er doch selbst das gröste Laster ist / und / als ein Ertz-Mörder / des Menschen Ehre / die höher ist als sein Leben / frefentlich abschneidet. Durch diesen machet ihr euch der Partheilichkeit schuldig / die ihr mir aufzubürden gedenket / in dem ihr den Polyphilus / sonder genugsamen Beweiß / wegen Ermordung des Philomathus anklaget / selbige auch an ihm / nicht durch ordentlichen Gerichts-Weg / sondern durch eigenthätige Gewalt zu straffen suchet. Sie hat recht / kluge Macarie! sagte hierauf Eusephilistus / als er sahe / daß sie sich etwas bewegte. Die Gerechtigkeit sihet stracks vor sich / und lässet ihr weder durch den Argwahn / noch durch die selbst-Liebe / die Augen blenden. Ich halte selbsten den Polyphilus dieses Mords unschuldig / so lang es mir an mehrerm Beweiß fehlet / und habe ihn gegen meinen Lands-Leuten / wiewohl ohne Erkentnus / schon oft vertheidiget. Es ist nichts verführischer / als der Argwahn / sonderlich / wann er sich mit so scheinbaren Umständen hervor thut. In einer zweifelhaftigen Sache / soll man sich nicht mit dem Urteil übereilen /sondern warten / biß die Zeit ihr Kind / die Warheit /mit welchem sie oft lang schwanger gehet / hervor bringe. Mein Herr redet sehr vernünftig hievon: versezte Heroarcha. Die Zeit hat freylich vielen die Unschuld wieder gegeben / welche der Argwahn angeklaget. Und wann dieser solte einen Beweiß geben /würden die allerredlichste Gemüter strafbar werden /und die Tugend selber / wie Macarie recht erinnert /ihren Namen verlieren. Ich habe in der wenigen Erkentnus mit Polyphilus / so viel Tugenden / Verstand und Höflichkeit wargenommen / daß ich ihn in meinen Gedanken / dieses Lasters unschuldig schätze. Indem ergriffe er ein Glaß / und brachte es Macarien auf Gesundheit des gerechtfertigten Polyphilus. Ich trinke aller Gesundheit mit / (begegnete ihm Macarie) und begehre den Polyphilus / weder zu rechtfertigen / noch zu verdammen / sondern nur meine Erzehlung / der Partheylichkeit zu befreyen. Daran thut sie löblich / (antwortet Heroarcha) und an der Liebe gegen Polyphilo nicht übler: dann ich bekenne / daß er liebens würdig / und könte ich mich / so ich eine Weibs-Person wäre / selbst seiner Bande nicht verwehren. Macarie wolte antworten / aber Phormena kam ihr zuvor / und sagte: Ich muß mich doch auch der schönen Macarie annehmen / und sie wegen dieser Auflage verteidigen. Man beschuldigt sie ohn unterlaß /daß sie vom Polyphilus geliebt sey / da ich doch /wann ich meinen Augen trauen / und meine Gedanken eröffnen darff / viel eher sagen wolte / daß die schöne Schäferin Volinie sein Herz eingenommen. Dann die vielfältige Bedienungen / so er derselben / in meinen Beyseyn erwiesen / lassen mir keinen andern Schluß /als daß Macarie den Namen / Volinie aber den Genieß / von der Liebe des Polyphilus habe. Da haben wir (sprach Macarie) einen Beweiß unsrer vorigen Rede / nun sich die Warheit von dem Argwahn scheidet / und meine Unschuld wunderbar hervor bringet. Wir wollen beedes der Zeit anbefehlen / (redte die Königin darzwischen) und warten / biß dieselbe nicht nur den Polyphilus loß zehlet / sondern auch die Gewißheit entdecket / ob Macarie oder Volinie den Sieg über ihn erhalte: indessen aber muß seine Gesundheit nicht verstehen / sondern auch andern zugebracht werden. Macarie nahm hierauf das Glaß / und brachte es der Apatileucheris: die über solcher Gesundheit nicht geringe Freude verspüren ließe. Macarie aber / dachte der Rede Phormenen etwas nach: und ob sie wol in den Gedanken war / sie hätte selbige / nur bloß zu ihrer Entschuldigung / erdichtet / so wolte ihr doch der Name Volinie / nicht aus den Sinn / und stellete ihr immer eine halbe Warheit vor. Eusephilistus hingegen / der dieses alles sicher glaubte / wurde dadurch in unglaubliche Freude versenket / und vermeinte /Macarie nun schon in den Armen zu haben / weil er diesen Neben-Buhler nicht mehr fürchten durfte: massen er auch sie nun viel eifriger zu bedienen anfienge. Also vertrieben sie die Zeit / unter mancherlei Gesprächen / biß die Königin von der Tafel aufbrache. Macarie / der Gelegenheit sich bedienend / weil die andern redeten / führte die Phormena zur Seiten / und fragte sie / wie die Erzehlung von Volinie und Polyphilo zu verstehen / und ob es scherz oder ernst wäre? Ich weiß es nicht! gab Phormena lächlend zur Antwort / die nun vermeinte / daß es Zeit wäre / ihre List anzubringen. Wie? (versetzte Macarie) ist es wahr /daß Polyphilus die Volinie liebet? Nein / nein! (antwortete Phormena) ich habe nur also gescherzet. Macarie / die aus diesen verdeckten Nein vielmehr ein Ja schloße / wurde voll Bestürtzung / und bate die Phormena / um aller ihrer Freundschaft willen / ihr die rechte Warheit zu eröffnen. Ach schöne Macarie! (erwiederte diese mit gezogenen Schuldern) sie befehle mir nicht eine so gefährliche Erzehlung / mich reuet /daß ich jemals etwas davon gedacht. Das verfaulte Geheimnus im Munde / gibet einen lieblichen Geruch von sich: Die unzeitige Eröffnung aber / kan leicht einen häßlichen Gestank der Uneinigkeit erwecken. Und wie würde ich bey Polyphilo ankommen / wann er erführe / daß ich dergleichen von ihm ausgebe? Die Warheit (fuhr Macarie fort) gehet gerad zu / und fürchtet keinen Streit / kan auch nicht anderst als lieblich riechen / weil sie an dem Strauch der Tugend blühet. Eröffnet mir nur / Phormena / worum ich bitte! Polyphilus soll davon entweder gantz nichts / oder doch das nicht erfahren / daß es von euch herkomme. Was soll ich sagen? (begegnete ihr Phormena) es sind meine Gedanken / und kan seyn / daß ich mich verführe. Doch / was die Augen fassen / dringet allzusehr ins Hertz. Ich habe gleichwol gesehen / das ihm Volinie einen Kranz gewunden / und selbst mit vielen Lob-Reden aufgesetzt / auch ein schönes Lied ihm zu ehren gesungen. Er hingegen / hat ihr davor höflich gedanket / die Hand geküst / und sich auf ewig zu ihren Diener verpflichtet. Er bedienet sie auch noch täglich nach allen Vermögen / begleitet sie nach Hause / und unterlässt nichts / das ein warhafftig-Verliebter üben kan. Ich habe vor Wunder und Eifer /wegen der schönen Macarie nicht länger zusehen können / sondern nach Hause geeilet / und bin in Zweifel geblieben / ob ich davon etwas gegen ihr gedenken solte oder nicht? Ich wünschte auch / daß ich noch still geschwiegen hätte / weil ich schon sehe / daß sie sich darüber bewegt. Solte es auch Wunder seyn /(gab Macarie zur Antwort) wann ich über dieser Untreu erstaune? Ich hätte mich ehe des Himmel-falls /als dergleichen Zeitungen versehen. Jetzt sehet ihr /Phormena! wie vergeblich ihr den Polyphilus / wegen seiner Beständigkeit gegen mir / gerühmet / und wie schändlich ich in seiner Liebe betrogen worden. Es ist mir leid: (sagte Phormena) doch wer hätte das denken sollen / von einem solchen / als Polyphilus ist? Zu diesem Gespräche kam Apatileucheris / und zerstörte solches. Aber Macarie / von dieser Erzehlung gantz betrübt und ungedultig / suchte die Einsamkeit / und eilete nach Haus / dieser Gesellschafft loß zu kommen / und ihren Gedanken raum zu geben. Heroarcha und seine Liebste baten gar sehr / diese Nacht zu verharren: so brauchte auch die Königin (ob sie wohl aus der Veränderung Macarien schließen kunte / was mit Phomena vorgelauffen) viel Höflichkeit / und wolte die Bitte der andern bestättigen. Aber Macarie entschuldigte sich / mit vielerley Verrichtungen / und bate / ihr dißmal die Heim-Reise zu erlauben; mit Versprechen / daß sie mit nechstem Gelegenheit suchen wolte / sie wieder zu besuchen. Also ließ Heroarcha / weil er nichts erhalten kunte / die Kutsche bespannen: auf welcher Macarie samt Eusephilisto und Kalferte / nachdem sie sämtlich einen höflichen und dankbaren Abschied genommen / davon fuhren. Unterwegs erneuerte Eusephilistus seine verliebte Anwerbungen / und suchte alle seine Kunst hervor /einiges Versprechen von Macarien heraus zu locken: bekam aber keine andere Antwort / als daß sie die Einsamkeit liebe / und sich nicht überwinden könne /selbige zu verlassen / oder mit der beschwerlichen Liebe zu verwechseln. Heimlich aber gedachte sie: was wäre jetzt billiger / als daß ich des Polyphilus Untreu mit des Eusephilistus Liebe rächete / und ihn mit gleicher Münze bezahlte? Doch nein! meine Tugend soll durch seine Laster nicht abnehmen: Ich will / durch meine Beständigkeit / seine Falschheit noch schändlicher machen / und der ganzen Welt seine Boßheit vor Augen stellen. Unter dergleichen Reden / und Gedanken / erreichten sie das Ufer: da sie die Kutsche zurück schickten / und sich überführen ließen. Eusephilistus wolte Macarien nach Haus führen: sie aber bedankte sich / nahm einen geschwinden Abschied von ihm und Kalferte / und eilete / mit beyder Verwunderung / nach ihrer Wohnung. So bald sie in ihr Zimmer eingetretten / warff sie die Kleider von sich / legte den Kopf in die Hand /und ließe alle die Seufzer / welche sie bißher mit höchster Beschwerung / im Herzen gefangen gehalten / ausbrechen. Ihre Dienerin Nabisa / über solcher Bezeugung hefftig erschrocken / fragte: ob vielleicht ein Unglück vorhanden wäre? Keines! (sagte Macarie) aber Polyphilus liebet eine andere / und vergilt meine Treue / mit Falschheit und Betrug. Das ist nimmermehr müglich! (sagte Nabisa) wer mag mit so ungegründeten Zeitungen unsere Ruhe zerstören? wolte ich doch selbst vor seine Treue schwören. Ach! still /(versetzte Macarie) ich habe allzugewisse Nachricht /daß er die Schäferin Volinie liebet und bedienet. Hierauf befahle sie ihr eine Verrichtung / damit sie nur nicht hören dürffte / wie sie den Polyphilus vertheidigte. Wie sie nun sich allein befande / fienge sie an / ihr Unglück zu beklagen / und des Polyphilus Untreu zu schelten. Ist dann nun dieses / (sagte sie) du ungerechte Liebe! die Vergeltung aller der Mühe / Sorge und Gefahr / die ich in deinen Diensten erdultet / daß du mich zum Spiegel deiner Grausamkeit vorstellest? Ist dieses die Freude / welche du mir durch die Hoffnung zugesagt / die sich nun in Betrug verwandelt? Pflegest du gegen deine Freunde also zu handeln? Ach! ich empfinde nun den Stachel / an statt des Hönigs; die Dornen / an statt der Rosen; und eitel Hertzenleid /vor verhoffte Ergötzung. Ist diß nicht ein Frevel / den Polyphilus an mir verübet? Wie offt habe ich diesen Untreuen vermahnet / erinnert und gebetten / mich mit seiner Liebe zu verschonen / und seinen Gedanken ein anders Ziel zu setzen / und er hat sich allezeit mit der Unmüglichkeit entschuldiget? Ist es dir nun müglich /du Grausamer! daß du eine andere liebest / nachdem du meiner Liebe überdrüßig worden? Wie vielmals habe ich ihn gewarnet vor Falschheit / und vorgesagt /daß er mich allein / und sonst keine lieben müsse /weil ich mit keiner andern theilen könne? Ist auch ein Versprechen / damit er sich nicht gegen mir verpflichtet? oder ein Eyd / der ihm nicht zu seinen Betrug dienen müssen? hat er mir nicht tausendmahl geschworen / keine andere ausser mir in Ewigkeit zu lieben? und dennoch liebet er nun die Volinie. Ach! ist dann keine Gerechtigkeit / welche die Laster straffet? sind keine Donnerkeile im Himmel / die den Mein-Eyd rächen? Warum bleibet Polyphilus in seiner Boßheit sicher / und empfindet nicht noch heute / die Rache des Himmels? Ist es vielleicht gewiß / daß die Götter der Buhler Eyd nicht straffen / wie die boßhaffte Menschen glauben / und deßwegen ohne scheu freveln? Nein / nein! der Himmel bleibet gerecht / und seine Strafe wird durch die Langsamkeit nur gedoppelt. Ergetze dich demnach / Lasterhafter Polyphilus! in der Liebe Volinien / und schaue wohl zu / daß du sie länger / als mich / behaltest / weil dir dort keine Abwechselung wird gestattet werden. Deine Untreu soll mir eine ewige Warnung vor der Liebe / dir aber eine immerwehrende Qual des Gewissens seyn. Keiner soll hinfüro seine Freude an diesen ermatteten Augen suchen; keiner soll sich berühmen / daß er von Macarien geliebt werde. Ich will nun wieder / aus der Furcht /zur Sicherheit der Einsamkeit lauffen / und viel vester bewahren / was ich einmahl durch Unvorsichtigkeit verlohren. Polyphilus habe die Ehre / daß ihm Macarie geliebet: aber auch die Schande / daß er solche Liebe verachtet. Ich habe geliebet / aber mit keinem andern Nutzen / als daß ich / betrogen und verführet /zu lieben aufhöre / mein Unglück verfluche / und den Himmel um Rache anschreye. Mit solchen und dergleichen Gedanken und Worten / plagte sich Macarie / etliche Tage. Sie wolte die Liebe verbannen / und behielte sie doch im Hertzen. Sie wolte den Polyphilus hassen / und kunte sein doch nicht vergessen. So lang sie sich seiner Freundlichkeit erinnerte / begunte die Liebe zu wachsen: so bald sie aber an Volinie gedachte / wurde sie auf einmal ausgereutet / so gar / daß sie nicht leiden kunte / wann ihr Nabisa zuredete / nicht alles zu glauben / sondern der Sache gewisser zu werden. Sie wurde auch in diesem Glauben immer mehr gestärket / weil ihr Polyphilus keinen Brief zuschickte / daß sie sonst nicht gewohnt war: Deßwegen sie schloße / daß er ihrer ganz vergessen / und nur auf die Schäferin Volinie gedächte. 5. Absatz Fünfter Absatz Macarie begibt sich nach ihrem Lusthaus / hört daselbst einen Gärtner ein Lied singen / und darinn über Untreu klagen. Sie erkennet denselben für den Polyphilus . Sie verheben einander ihre vermeinte Untreu. Er will sich erstechen: Sie verwehrt ihm solches. Sie finden der Phormena Verrähterey / und erneuren ihre Wechsel-Liebe. Polyphilus / zu den Triften wiederkehrend / erzehlt diesen Handel der Melopharmis: die verhebt solches der Phormena /durch ein Schreiben. Atychintide / hierüber erzürnet /schaffet den Servetus und die Melopharmis von Hofe. Weil Macarien nun die Zeit in solcher Verwirrung lang wurde / reisete sie auf ihr Landgut: fande aber auch daselbst so gar keine Ruhe / daß sie vielmehr doppelte Plage fühlte. Dann wo sie sich hinwendete /hatte sie Erinnerung ihrer Liebe / und schiene ihr alles zuwider / alles finster und trübselig: wie aus diesem Sonnet / welches sie daselbst verfasste / zu ersehen ist. Du Anfang meiner Lieb / und Ursprung meiner Pein / Betrübtes Garten-Zelt! kan ich dich auch noch kennen? Bist du es / oder nicht? das ich vor pflag zu nennen / Die Stette meiner Ruh: hie seh ich zwar die Stein / Die Fenster / und was mehr / den äusserlichen Schein: Das ander ist dahin / und hat sich müssen trennen. Geschwinder / als ein Pfeil / kan fahren von der Sennen Ist alle Lust von mir. Hier leb ich ganz allein. Wie bist du mir so schwarz / so dunkel und geschändet / Nun meiner Seele Tag sich hat von dir gewendet / Und einer Fremden leucht. Doch weg mit diesen Liecht! Es flammte von Betrug / und hat mich schon geblendet. Ich hasse ein Gemüt / das End und Glauben bricht; Und habe nun den Sinn zur Einsamkeit gericht. Als sie diß geschrieben / steurete sie sich an ein Fenster / und sahe den Gärtnern in ihrer Arbeit zu / unter tausenderley Gedanken. Endlich hörete sie den einen von ihnen ein Lied singen / dieses Inhalts. 1. Tödliches Leben / ängstiges Hertz / Schädliches Lieben! ende den Schmerz. Felsichte Seele! lasse mich wissen / Was mich aus deiner Gnade gerissen. Zeige mir an / Was ich gethan. 2. Hab ich nicht deinen himmlischen Pracht / Grausame schöne! mühsam bewacht? Hat dich dann jener höher gelieb et / Daß sich dein Herz so leichtlich ergiebet / Wider die Pflicht / Welche dich richt? 3. Haße nicht / Liebste! Tugend und Treu. Sträfliche Thaten / schenken nur Reu / Alle die Threnen liebender Seelen / Endlich das Herz der Wankenden quälen. Göttliche Rach / Folget der Klag. 4. Billich verfluch ich Herde und Stab / Haße das Leben / eile zum Grab. Zorniger Himmel! schlage mich nieder! Alle Geschöpfe sind mir zuwider. Komme nur / Tod! Ende die Noht. 5. Führet / ihr Winde / was ich jetzt singe / Eilend von dannen / daß es erklinge / Dieser in Ohren / die nicht errötet / Fremde zu lieben / daß sie mich tödtet. Ruffet und sagt / Was ich geklagt. Macarie hatte diesem Gesang mit solcher Empfindlichkeit zugehöret / daß sie die Threnen nicht halten kunte: dann es kam ihrem Unglück so nahe / daß sie alle Worte als ihre eigne schätzte. Bist du dann / (gedachte sie) arbeitseliger Gärtner! mit mir in gleicher unseeligen Liebe? so trage ich billig Mitleiden mit deinem Schmertzen. Ich empfinde aber auch Trost in meinen Elend / weil ich dich zum Gefärten habe. Aber / soll ich glauben / daß ein schlechter Gärtner dieses Gedicht verfasset? ist / ein so grobes Gemüte /subtiler Bewegung fähig? Ich muß sehen / daß ich diesen verliebten Gärtuer zu Gesicht bringe. Hierauf bemühete sie sich / denselben unter Augen zu sehen. Weil er ihr aber stäts den Rücken kehrete / russte sie ihrem Gärtner / und fragte: Was er vor einen Gehülffen habe? Es ist ein Fremder / (gab dieser zur Antwort /) und hat vor etlichen Tagen Arbeit bey mir begehret: welche er auch so ämsig und geschickt verrichtet / daß ich ihn etliche Zeit zu behalten / willens bin. Das ist gut! versetzte Macarie / ließ damit den Gärtner wieder von ihr / und verfügte sich kurz hernach selbst hinunter / den fremden Gärtner zu sehen; kunte ihn aber nie recht beobachten. Sie gieng endlich näher hinzu / und sagte / weil es nun fast Mittag war: Ist die Sonne nicht zu heiß / zum arbeiten? Es will freylich allmählich zu heiß werden /(gab der Gärtner zur Antwort) der Morgen ist am bequemsten zur Garten-Arbeit. Sonderlich (begegnete ihm Macarie) einem Verliebten / den der Eifer von innen plaget / (wie ich heut einen klagen und singen gehöret) kan der Sonne Hitz / wann sie von aussen dazu komt / leicht gar zu warm machen. Ach! (sagte der Gärtner) das heutige Lied / hat weder meine Gedanken noch meine Verfassung vorgestellet / (denn arbeiten und lieben / graben und dichten / finden sich selten zusammen) sondern ich habe es von einem verliebten Schäfer entlehnet. Wie kommet ihr und der Schäfer zusammen? fragte Macarie ferner. Als ich jüngsthin (versetzte der Gärtner) aus der Fremde in dieser Gegend ankommen / und unfern von diesem Lusthause / unter einem Baum die Ruhe genommen /ersahe ich / nicht weit davon / einen Schäfer / der sich / auf seinen Stab lehnend / alle die Klagen ausschüttete / welche ein betrogner Liebhaber ersinnen kan. Ich kunte zwar wenig davon vernehmen / noch weniger aber behalten / ausser daß er von der Untreu seiner Liebsten / die ihm verlassen / und einen andern erwehlet / (der ohne Zweifel Eusephilistus heisset /denn diesen Namen hörete ich etlichmal nennen) viel zu klagen wuste. Endlich fieng er an zu singen / und machte / daß ich näher hinzu gieng: da ich dann dieses wenige / was ich heut nachgesungen (dann alles kunte ich nicht fassen) im Gedächtnis behielte. Macarie tratte hierauf zurücke / und dachte der Erzehlung dieses Gärtners weiter nach: kunte auch /wegen des Namens Eusephilistus / nicht anderst schließen / als daß es der klagende Schäfer Polyphilus seyn müsse. Was soll ich doch / (sagte sie) von diesem Bericht halten? Ist Polyphilus warhaftig in die Volinie verliebt / wie mir Phormena vorgesagt? oder lebt er ingleichen Argwahn gegen mir? Ich solte es fast / aus dieser Erzehlung / glauben. Vielleicht ist das Gifft der Verleumdung / in die Süssigkeit unserer Liebe gefallen / und hat uns beyde vergiftet? Ich muß sehen / daß ich gewissere Nachricht vom Polyphilus bekomme. Indem wendete sie sich / und wolte ferner mit dem Gärtner reden: wurde aber unversehens gewar / daß es Polyphilus selber war / der sich unter diesen Kleidern verborgen / ihre Gedanken zu erkundigen; wie er dann ihre Gebärden gar genau beobachtet / und eben im Nachsehen von Macarie erkennet wurde. Sie / hierüber erzürnet / und bestürtzet / sagte: Darfst du Leichtfärtiger dich noch unterstehen / mit deiner Untreu vor meine Augen zu kommen? mit was vor einer Stirn kanst du mich anreden? hast du nicht genug / daß du biß daher meine Unschuld und Leichtglaubigkeit mißbraucht: must du nun auch den Spott zu der Falschheit legen / damit ja das Maß der Laster voll werde. Sie thut wohl / schöne Macarie! (gab Polyphilus zur Antwort) daß sie ihre Falschheit zu beschönen /mich dergleichen beschuldiget. Meinet sie vielleicht /wann sie ihre Klag am ersten führe / so wolle sie dadurch die Meinige aufheben? Ach nein! Polyphilus soll wohl die Treue erhalten / ob gleich Macarie selbige gebrochen. Nimmermehr hätte ich geglaubet / daß unter dem Glanz ihrer Schönheit solche Finsternus /und unter dem Ruhm ihrer Tugenden / solche Laster verborgen lägen. Stille mit unbilligen Auflagen! (versetzte Macarie) wollet ihr Macarie der Tugend berauben / so beraubet sie zuvor des Lebens: Dieses wird euch viel leichter werden / als jenes. Ihr müst euch zuvor der Liebe gegen Volinie befreyen / ehe ihr mich der Untreu beschuldiget. Damit wolte sie weggehen; aber Polyphilus hielte sie auf / und sagte: Wo will sie hin / schöne Macarie! Sie überzeuge mich zuvor /wessen sie mich beschuldiget / oder höre meine Entschuldigung an. Ich bin nicht gewohnt / dergleichen Scheltworte ohne Schuld / anzuhören / (erwiederte Macarie) und habe mich schon zu lang bey einem kühnen Betrüger aufgehalten. Habe ich gesündiget /(gab Polyphilus zur Antwort) so setze sie / erzürnte Macarie! die Strafe: oder sie schaue doch an / wie ich mit diesem Eisen bezeuge / daß ich ihr ewig-getreuer Liebhaber sterbe / und viel lieber todt seyn / als sie in einen andern verliebt wissen will. Mit diesen Worten / zoge er einen Dolch / welchen er zu diesem Ende mit sich genommen / unter dem Kleid hervor / und wolte ihm selber damit die Brust öffnen. Macarie aber / solches ersehend / lief eilend hinzu / risse ihm den Dolchen aus der Hand / warff ihn in den Busch / und sagte: Was machet ihr / verzweifelter Schäfer! wollet ihr euer beflecktes Gewissen mit Blut abwaschen? oder hat vielleicht eine Verrähterey unter uns eingewurzelt / und euch dieses Gärtner-Kleid angezogen? Mein Gewissen (versetzte Polyphilus) bedarff keiner Reinigung / weil es ohne Mackel / und sich mit fremder Liebe nicht beflecket. So kan ich auch nicht glauben / daß eine Verrähterey zwischen uns walte: weil ja Macarie nicht laugnen kan / daß sie mit Eusephilisto / ihrem Liebsten / nach Montefessen gefahren / demselben alle Freundlichkeit erwiesen / und den armseeligen Schäfer Polyphilus /bey seiner Heerde / nicht eines Grußes gewürdigt. Macarie / über dieser Rede erschrocken / sagte: So kränket euch eine solche Handlung / Polyphilus! darein ich / durch eine unverhofte Begebenheit / wider meinen Willen gerahten / und darinnen nicht das geringste wider meine Pflicht gehandelt? Wie solte mich hingegen nicht kränken / daß ihr die Schäferin Volinie / täglich und stündlich / aus eigner Bewegung liebet und bedienet? Wäret ihr so unschuldig in der Liebe gegen Volinie / als ich gegen Eusephilisto / so dürffte weder ich eure Unbeständigkeit anklagen /noch ihr dieselbe entschuldigen. Hilf Gott! Macarie! (sprach Polyphilus) wer bringet solche ungegründte Zeitungen vor ihre Ohren? kan sie dann glauben / daß Polyphilus / aller Tugend vergessend / sein eignes Gut verachten / und einem andern das Seinige rauben werde? Volinie ist eine Ehe-Frau / und hat den Schäfer Filato zum Liebsten. Er hätte gern gesagt: sie ist ihre Schwester! aber es war noch nicht Zeit / ihr solches zu entdecken. Was war dann Apatileucheris: fragte Macarie ferner. Polyphilus hierüber etwas errötend / gab zur Antwort: Vergebene Sünde / pfleget man einem Bekehrten nicht wieder aufzurucken: Polyphilus war dazumahl noch sein eigen / und hatte / wegen seiner ungeübten Jugend /noch nicht die Kräffte / einer verführischen Schönheit zu widerstehen: Nachdem er aber der Liebe Macarien versichert worden / hat er niemals mit Unbeständigkeit gesündiget. Ach! solte sie / schönste Macarie! dieses Hertze spalten: sie würde in warheit / nichts anders / als ihr eignes Bildnus darinn finden. Hat sich meine Liebe jemals gegen ihr verändert: so soll der Himmel nimmermehr seinen Grimm gegen mir ändern. Allein Macarie ist es / die ich verehre: alle die andere / sehe ich an / als gemahlte Bilder / denen das Leben mangelt / und die deßwegen keine Bewegung in mir wirken können. Auch die Schäferin Volinie /habe ich nie / außer mit einer notwendigen und gemeinen Höflichkeit / bedienet. So winden euch dann alle Schäferinnen Kränze /(sagte Macarie) setzen euch selbige auf und singen euch herrliche Lob-Lieder? Und pfleget ihr auch allen Hirtinnen die Hände zu küssen / sie allenthalben zu begleiten / und euch als ihr ewiger Diener zu verpflichten? oder hat allein Volinie die Ehre dieses Vorzugs? Sie hat alles fleißig behalten / (versetzte Polyphilus voll Verwunderung) und muß ich einen gar gemerksamen Aufseher gehabt haben. Aber ich will ihr bald aus dem Traum helffen. Niemand als Macarie ist die Ursächerin / daß Polyphilus von Volinie bekränzet und besungen worden / dafür er ja / von Höflichkeit wegen / einen freundlichen Dank ablegen müssen. Ihr Urtheil / meine Schönste! in welchem sie mir die Oberstelle unter den Hirten-Gedichten zuerkennet / hat mir dieses Glück / oder vielmehr Unglück /zu wegen gebracht. Volinie hat den Kranz den jenigen gewunden / welcher am besten fingen würde: Weil mir nun Macarie / die ich / mit ihrer aller Belieben /zur Richterin erwehlet / den Vorzug gegeben / was ist es Wunder / daß ich solchen Preiß von ihren Händen erlanget? habe ich hierinnen gesündiget / so wird sie /gerechte Macarie! einen Theil der Schuld auf sich nehmen: Dann allein ihr Urtheil / ist der Ursprung der Beehrung Volinie / und meines Dankes. Aber mein Herz! sie gönne mir doch / zu wissen / wer mich also gegen ihr verleumdet? Das ist keine Verleumdung / (sagte Macarie) was ihr selbst gestehet. Entdecket ihr mir zuvor / woher ihr die Reise nach Montefessen erfahren? Phormena (gab Polyphilus zur Antwort) hat uns solches / durch einen Brief / eröffnet. Phormena! (begegnete ihme Macarie) darff diese eröffnen / was sie selbst befördert / und vielleicht auch angestellet? So solte ich nochmals wehnen / daß wir / verrahten und verkaufft /in ihren verleumderischen Stricken herum lauffen. Erzehlet mir doch / Polyphilus! was sie geschrieben hat: so will ich weiter kein Bedenken tragen / euch auch eine von ihren Heimlichkeiten / weil sie nur Betrug wirken / zu entdecken. Ich habe zwar den Brief nicht bey mir / (sprach Polyphilus) von dem Inhalt aber / und wie ich dazu gelanget / scheue ich mich nicht zu berichten. Als ich meiner schönsten Macarie den lezten Brief durch ihre Dienerin geschicket / und nun bey meiner Heerde einer frölichen Antwort erwartete / sahe ich Melopharmis / voll Zorn und Entsetzung / auf mich zu laufen / welche / vor Keichen / kaum diese Worte hervor bringen kunte: Ach! Polyphilus! was bringe ich vor Zeitung? Wie schändlich seit ihr in der Liebe Macarien betrogen? Hier leset / was ich so lang gefürchtet /und vor Grimm nicht erzehlen kan. Ich nahm den Brief mit zittern aus ihrer Hand / und lase mit Bestürtzung / erstlich / daß wir sämtlich / auf der Königin Befehl / nach Sophoxenien kommen solten; hernach aber / als etwas neues / diese Worte / welche mir gar eigentlich in dem Sinn geblieben: Gestern sind wir / in Ihr. M. Bedienung / auf dem Fest zu Montefessen gewesen / und haben daselbst die Macarie / mit Eusephilisto (wie man sagt) ihrem Liebsten / angetroffen. Sie ist (welches mich wundert) mit ihme hin /und wieder zurück gefahren / hat ihm auch alle Freundlichkeit erwiesen. So bald ich diese Worte gelesen / warff ich den Brief von mir / und zugleich alle Sinne / und gerieth in eine solche Onmacht / daß Melopharmis nicht wuste / wie sie mich ermundern solte / und ganz erschrocken nach Agapisten liefe /selbigen zu mir zu holen. Als dieser herzu kame / hatten sich meine zerstreute Sinne wieder etwas gesamlet / aber zu meinem noch grössern Schmerzen: Dann ich fieng mit solcher Hefftigkeit an / mein Elend zu beklagen / daß Agapistus nicht wuste / wie er mich befriedigen solte. Er war sehr bemühet / ihre Beständigkeit zu vertheidigen / und wolte diesen Brief / als eine Verleumdung anziehen. Melopharmis aber redte dagegen / und sagte: Daß sie diese Falschheit längst gemutmasset /und nicht gewust / warum doch Macarie die völlige Verbindung aufschobe / und nicht leiden wolle / daß des Polyphilus Liebe in der Insel Soletten kund würde. Ich hörete ihren Streit mit Verdruß an / und wufte keinem den Sieg zu geben. Ich stellte mir aber der Phormena Worte ohn unterlaß vor: dann sie waren gar zu klar / und benahmen mir allen Zweifel. Agapistus bothe sich an / selbst nach Soletten zu reisen /und alles zu erkundigen. Melopharmis aber wolte /ich solte nach mir fragen lassen / und alsdann meine Klage führen: Dann / (sagte sie) ein Weibsbild / (welches ich euch als ein Geheimnus entdecke) lässet ihr keinen unter ihren Liebhabern entwerden / und wann sie sihet / daß der / den sie sonst verachtet / anfängt sie wieder zu verachten / so wird sie ihm wieder etwas freundlicher / damit er nur nicht ablaße / sie zu verehren. So lang ihr Macarien so göttlich verehret / ists nicht Wunder / wann sie euch als einen Slaven tractiret. Lasset ihr aber ab / sie zu suchen / so wird sie anfangen / euch zu suchen: und alsdann habt ihr Gelegenheit / ihr Gemüte zu erkundigen / und ihre Untreu zu straffen. Nimmermehr wolte ich etwas von Polyphilus halten / wann er Macarien ohne die Tugend /die er allezeit von ihr gerühmet / lieben wolte. Lasset die jenige fahren / welche euch mit betrüglichen Verheissungen und falschem Liebkosen aufhält / indessen aber einem andern ihre Gunst ertheilet. Ach! Macarie ist keine solche: (versetzte Agapistus) sie liebet mit Tugend und Beständigkeit. Daß sie aber solches /noch zur Zeit / verhelet / das komt von dem Haß der Solettischen Inwohner. Und wer weiß / was sie zu dieser Reise nach Montefessen bewogen hat? Also redeten diese gegen einander / und ich hatte davon keine Hülfe / und wurde auch in meinem Eifer immer gestärket / weil ich keinen Buchstaben von ihr sahe / und deßwegen die Liebe gegen Eusephilisto vor gewiß hielte. Ich lebte etliche Tage in einem so verzweiffelten Zustande / daß ich mir vielmals das Leben würde genommen haben / wo es Agapistus nicht verwehret hätte. Endlich riete er mir / ich solte selbsten zu ihr kommen / und wo nicht offentlich / doch unbekandt / die Gewißheit dieser Zeitung einholen. Er gienge auch selbst mit mir hieher / zum Gärtner / und fragte: ob nicht Macarie bald erwartet würde? Und als dieser antwortete / daß sie albereit vorhanden / baten wir ihn / um dieses Kleid: welches ich anzoge / und entweder eine aufrichtige Liebe / oder einen kurzen Tod darinn erhalten wolte; massen ich auch diesen erlanget / wo sie es nicht verhintert hätte. Solte ich nun auch jenes nicht finden / so hätte ich doppelte Ursach / über sie mich zu beklagen. Was soll ich sagen / Polyphilus! (gab Macarie zur Antwort) Ich erstaune über der Verhängnus des Himmels / und über der Boßheit der Menschen. Ich will /wegen der Liebe des Eusephilistus / mich nicht entschuldigen / sondern nur erzehlen / wie ich in seine Gesellschaft gerahten / und daß Phormena mich nach Montefessen geführet / auch / was sie daselbst mir eröfnet. Hierauf erzehlte sie alles weitläufig / was auf selbiger Reise vorgegangen / worüber Polyphilus ergrimmend / der Phormena tausend Unglück anwünschte: Hilf Himmel! (sagte er) was ist über den Betrug der Weiber? O du verfluchte Königin! was suchest du deinen Lastern vor schändliche Wege? Und du betrügerische Phormena! was hättest du listiger ersinnen können? Ach allerliebste Macarie! sie vergebe meinen unhöflichen Anklagen / und schätze sie / als Zeugen meiner aufrichtigen Liebe / die ohne Eifer nicht seyn kan. Sie sihet ja / wie das Unglück wider uns wütet und alle List und Gewalt zu unsrer Trennung anwendet / so gar / daß auch die jenigen / welche wir vor die besten Freunde hielten / uns zuwider sind. Aber sie betrachte auch dabey / die himmlische Rettung / die der Torheit Atychintiden / und der List Phormenen / den Zügel angelegt / und uns unverletzt aus ihren betrüglichen Netzen gerissen. Forthin wollen wir ihrer Fallen behutsamer warnehmen / und das Band viel fester machen / welches sie zu zerreissen gedachten. Ein Schenkel / welcher gebrochen / und durch einen geschickten Wund-Arzt wieder geheilet worden / hält hernach viel fäster / als der noch nie-verletzte: Also soll nun unsre Liebe / die von den Verleumdungen beederseits gekrachet / viel beständiger als vorhin bestehen. Solcher gestalt / suchte Polyphilus seine harte Besprechung auszusöhnen. Aber Macarie wolte so gar von keiner Abbitte hören / daß sie vielmehr selbst um Vergebung ihres Eifers bate. Wir wollen uns (sagte sie) liebster Polyphilus! nicht bemühen / das jenige zu entschuldigen / was eine fremde und nicht unsre Boßheit verwirket. Wir wollen vielmehr den Himmel danken / daß er die betrügliche Stricke zerrissen / ehe sie uns gänzlich gefället; und uns die Augen eröfnet / ehe wir in gefährlicher Blindheit / schädliche Fälle gethan haben. Forthin glaube er keiner Nachricht mehr / sie werde dann durch meinen Befehl bekräftiget: dergleichen soll er auch von mir zu hoffen haben. An diesem Anker hoffe ich unsere verfolgte Liebe zu erhalten /biß sich das Ungewitter gänzlich geleget / und unser Schiff den Hafen erreichet. Polyphilus bedankte sich für diesen guten Raht / und gelobte demselben nachzukommen. Hierauf fienge er an / seine Liebe / die bißher unter den Verleumdungen fast erstorben geschienen / wieder zu verneuren. Gleichwie eine Flamme / welche durch den Dampf gehintert worden / so bald sie etwas Luft empfindet / mit viel stärkerer Macht hervor bricht: Also eine Liebe / die vom Zorn /ein zeitlang gehemmet gewesen / erzeiget sich / nach der Aussöhnung / viel brünstiger. Also waren auch diese Verliebte / nun sie ihren Eifer nichtig / und ihre Standhaftigkeit hingegen siegend befunden / voll Freude / und ergötzten sich mit den süßen Früchten /die eine so bittere Wurzel getragen. Endlich kündete ihnen die Zeit ihre Lust auf / indem sie Macarien nach Soletten / den Polyphilus aber zu seinen Triften abforderte. Dann ob wohl dieser nicht unterließe zu bitten /daß Macarie diesen Abend verbleiben solte / so entschuldigte sich doch selbige mit vielen Wichtigkeiten / und bate ihn / daß er seine Sachen zu Ruthiben befördern wolte: nahm hernach einen freundlichen Abschied / und fuhr sehr freudig nach ihrer Insel. Polyphilus aber / nachdem er sie gesegnet / und ehest ein Brieflein zu schicken / versprochen / gienge wieder zu seinen Hirten / und erzehlte denselben die List der Phormena / durch welche sie alle beyde in Eifer / und durch denselben in Widerwillen verleitet worden: worüber sich Agapistus sehr verwunderte /Melopharmis aber sich heftig erzürnte / und tausend Scheltworte wider die Phormena und ihre Untreu ausstieße. Sie begehrte / Polyphilus solte mit ihr nach Sophoxenien reisen / und die Phormena / wegen dieser Verrähterey / zu Rede setzen: Als er sich aber dessen wegerte / einwendende / daß es gar gefährlich /das jenige strafen / was ohne zweifel aus Königlichem Befehl geschehen / sagte Melopharmis: Was soll ich dann allein auf dem Schloß machen? ich werde / ohn eure Gesellschaft / kein angenehmer Gast seyn; und wer weiß was sie noch anspinnen / wann ich länger hier verziehe. Das stelle ich dahin / (gab Polyphilus zur Antwort) sie mögen thun / was sie nicht lassen können. Ich habe nunmehr diesem Schloß / (welches mir zwar ehemals mein Leben erhalten / anjetzo aber leichtlich wieder geraubet hätte) gute Nacht gegeben /und bleibe bey meiner Herde. Ihre List wird mir nicht mehr schaden / weil wir uns schon dawider gewaffnet. So habe ich auch keine Strafe von der Königin zu fürchten / weil ich von ihrer Botmässigkeit frey / und unter einem andern Schutz lebe. Höfe und Felder /Zepter und Hirtenstäbe / Königinnen und Schäfere /reimen sich nicht zusammen: ein jeder suche seines gleichen. Weil Melopharmis aus dieser Antwort abnahm /daß Polyphilus nicht zu bereden wäre / schickte sie den Servetus nach Sophoxenien / mit Befehl / die Beschaffenheit daselbst zu erkundigen / und die Königin zu berichten / daß sie / wegen Krankheit nicht wieder zurücke kommen können. Sie gabe ihm auch an Phormena diß Brieflein mit / ihre Boßheit nicht unbestrafft zu lassen. Untreue Phormena! Wer hätte glauben können / daß solche Laster in euch wobneten / die unserer Vertraulichkeit mißbrauchen /und / an statt der versprochenen Hülffe / Verfolgung wünschen solten? Wisset ihr nicht / wie vest und heilig die jenige verbunden sind / welche ihr durch eure List zu trennen suchet? Gedenket ihr / die Torheit der Atychintide / durch eure Falschheit zu befördern / und wollet eine leichte Hof Gnade dem Ruhm der Aufrichtigkeit vorziehen? So wisset / daß ihr dieses verlieren / und jenes nicht finden werdet. Dann was hat nun eure Verrähterey für Nutzen / als daß sie entdecket /der Königin Hohn und Gelächter / und euch selbsten Haß und Verachtung / zu wegen gebracht / den Polyphilus und die Macarie aber / viel vester als vorhin verbunden: Dieses ist der Lohn eurer Klugheit / und die Frucht eurer Heucheley. Verzeihet mir / Phormena! daß ich so offenherzig schreibe / wie es mein billiger Eifer der Feder dictiret / und erkennet / in was Torheit ihr gerahten / die / wann sie der Himmel nicht zeitlich entdecket / gewiß dem Polyphilus das Leben geraubet hätte. Berichtet mich doch / was es vor einen Zustand im Schloß habe / damit ich meine Widerkunft darnach anstellen könne. Ich verbleibe indessen Eure Freundin. Mit diesem Brief und Befehl / verfügte sich Servetus /aber zu seinem Unglück / nach Sophoxenien. Atychintide / als sie noch selbigen Abend / da Macarie zu Montefessen Abschied genommen / wieder nach Hause fuhre / ließe ihr von Phormena erzehlen / wie Macarie in Eifer entbrennet / und nachmals an Melopharmis schreiben / was sie vermeinet / daß ihr Vorhaben befördern konte. Weil sie aber hierauf lang keine Post empfienge / und weder den Polyphilus noch die Melopharmis / wie sie gehoffet / ankommen sahe / fienge sie an zu zweifeln / ob ihr Anschlag seinen Zweck möchte erreichet haben. Sie lage eben mit Phormena am Fenster / selbige befragend / wie ihr dieser Handel gefiele / als sie den Servetus ankommen sahen. Sie ließe ihn alsbald vor-fordern / da er / nach abgelegter Reverenz / also anfienge: Durchleuchtigste Königin! Gnädigste Frau! Melopharmis und Tycheno / neben den beyden Schäfern Polyphilo und Agapisto / lassen sich E. M. unterthänig befehlen / und tragen Verlangen / deroselben hohes Wohlergehen zu vernehmen. Melopharmis aber bittet unterthänig um Vergebung / daß sie ihre Widerlunft biß daher verzogen / welches einige Unpäßlichkeit verursachet / dadurch sie gezwungen worden / ihre schuldige Aufwartung zu versaumen. Sie erbietet sich / so bald sie ihre Gesundheit wieder erlanget / bey E. Maj. als ihrer gnädigsten Gebieterin / sich in unterthänige Dienst zu stellen. Ist Melopharmis krank / (fragte die Königin) und hat dieses ihre Heimreise verhintert? so wundert mich / daß sie es nicht eher berichtet / damit wir ihr Arzney verschaffet hätten: Aber hat es sich noch nicht wieder gebässert? Es ist ja etwas leidlicher mit ihr /(versetzte Servetus) allein die Schenkel wollen sie noch nicht in die ferne tragen. So soll sie Phormena morgen mit der Kutsche holen / (sprach Atychintide) da sie vielleicht auch die Schäfere mit bringet. Was machet Polyphilus: ist er frölich bey seiner Heerde? Ich weiß es nicht / gnädigste Königin! antwortete Servetus: Dieser Tagen ist er sehr betrübt gewesen / und hat / wider seine Gewonheit / ganz keine Tröstung annehmen wollen / wiewol mir die Ursach unbekannt ist. Die Königin sahe hierauf die Phormena an / und hoffte noch gute Würkung ihrer Anschläge; befahle hierauf / den Servetus speisen zu lassen. Als nun Phormena mit ihm nach der Küchen gehen wolte /überreichte er ihr der Melopharmis Brief / und gieng darauf / ohne Sorge / zu den andern Bedienten. Phormena lase den Brief / und ereiferte sich dermaßen darüber / daß sie vor Zorn brennte: dann sie sahe / daß nicht allein ihre Falschheit eröffnet / sondern auch die Wirkung derselben gehintert wurde /und die Gnade / die sie dadurch zu erlangen verhoffet / in den Brunn fiele. Damit sie nun nicht allen Gewinn in diesem Spiel verlieren / und das Gespötte zum Schaden haben müste / liefe sie voll Grimmes /mit dem offenen Schreiben / nach der Königin Zimmer / und sagte / mit erblassten Lippen: Nun habe ich den Lohn für meine Arbeit. Ich wuste wohl / daß ich nichts anders erwerben würde / wann ich E. Maj. gnädigen Befehl nachkäme / und meine Pflicht beobachtete. Hier lesen sie / was Melopharmis schreiben dörffen / und wie viel sie bey ihr gelten. Ich kan es leiden / wann es E. M. vertragen können. Aber jetzt sehen sie / wie wahr ich geredet / und wie vergeblich wir uns bemühen / diese Liebe zu trennen / welche von Melopharmis befördert wird. Die Königin / voll Schrecken über dieser Bezeugung / nahme den Brief und lase denselben: ward aber / wegen der Melopharmis verächtlichen Worte / so voll Zornes / daß sie nicht zum Ende lesen kunte / sondern das Papier in stücke zerrisse / und mit Füßen trate. Hat dann (sagte sie) der lebendige Teufel diese unverschämte Bestie aus der Hölle herauf geschikt /mein Gemüte und Glück zu beunruhigen? War es nicht genug / daß diese leichtfärtige Alte vorhin den Grund meines Unglücks geleget / und die Rache des Himmels wider mich gereitzet? muß sie nun auch alles mein Vorhaben verhintern / und meine Gnade mit Schimpf und Untreu belohnen? Doch / ich will ihr das Gelächter theuer gnug machen / und mit der Strafe sie lehren / wie sie von Königinnen schreiben soll. Nimmermehr soll mir diese Verrähterin mehr unter das Gesicht kommen; nimmermehr soll sie diese Schwelle betretten. Gebet euch nur zu frieden / Phormena! und achtet unsre Gnade höher / als die Scheltworte dieser Treulosen. Ich bin nunmehr eurer Aufrichtigkeit versichert / und will dieselbe / auch mißlungen / belohnen. Habe ich jemals die verfluchte Melopharmis geliebet und beschenket / so will ichs euch vielmehr thun. Aber lasst den Servetus / den lieben Getreuen dieser Schäferspursch / wieder vorkommen: Er ist zweifelsfrey mit in ihrem Raht / darum soll er auch bey ihnen bleiben / und meinen Hof nicht länger betriegen. Also muste Servetus / ehe er vollends gespeiset /vor die Königin kommen / welche ihn also anredte: Höre / du Verrähter! der du bißher / deinen Unterhalt allhier / mich zu betrügen / angewendet. Ich hätte Ursach / deinen Frevel mit deinem Blut abzuwaschen /und dir die Strafe zu ertheilen / die deines gleichen Bößwichtern gebühret. Aber ich achte dich nicht würdig meiner Rache / und will dich deiner eignen Strafe überlassen. Gehe hin / und sage deiner Erz-Betrügerin Melopharmis / daß ich alle ihre Boßheit erfahren /alle ihre Verrähterey nun kenne / und deßwegen alle die Gnade / welche ich ihr bißher erwiesen / und noch ferner zu erweisen versprochen / wieder zu rück nehmen. Sie mag mit ihrem Sohn / (dem ich wohl das Königliche Erbgut zugedacht hatte) bey ihren unedlen und nichtswürdigen Schäfern / welchen sie bißher / zu meinem Nachtheil / mit ihrer Falschheit / gedienet /verbleiben / und sich ja hüten / daß sie nicht weiter vor meine Augen komme / wo sie nicht den Lohn ihrer Untreu empfinden / und ihre Laster gestraffet wissen will. Hiemit habt ihr alle / was ihr gesuchet / und ich / was meinen Zorn stillet. Damit wandte sich die Königin von ihme: und er warf sich zwar / mit Zittern / zur Erden / und wolte sich verantworten /wurde aber nicht angehöret. Atychin ide hieße ihn fortgehen / und würde ihm wohl nicht lebendig haben gehen lassen / wo sie die beyde Weisen nicht gescheuet hätte: so gar ergrimmet war ihr Gemüte / als sie ihre Liebe unfruchtbar / und ihren Anschlag umgeworffen sahe. Wie dann nichts so grimmig ist / als ein verschmähtes Weibsbild / das ihre Liebe in Haß verwandelt. 6. Absatz Sechster Absatz Melopharmis / über ihrer Abschaffung beängstigt /verkleidet sich / mit dem Servetus / in Einsidler /warsaget im Wald bey Sophoxenien / zweyen Hof-Bedienten / und folgends auch der Atychintide /mit scharfer Vermahnung / ihre Verstossene wieder aufzunehmen / endlich auch dem Eusephilistus. Agapistus bringet Macarien des Polyphilus Schreiben / darinn er ihr der Königin Ungnad entdecket: und kommet mit ihren Antwort-Schreiben zu rucke. Also muste der armseelige Servetus / mit noch hungrigem Magen / aus dem Schloße / und / weil er wegen einbrechender Nacht nicht mehr zu den Schäfern kommen kunte / in dem nächsten Dorffe bleiben. Er beweinte daselbst / an statt des Schlafes / sein Unglück. Des folgenden Morgens aber / hinterbrachte er der Melopharmis diese böse Botschaft: die darüber des Todes hätte seyn mögen. Sie wande die Hände / risse in den Haaren / und weinete über ihre Unbedachtsamkeit und der Phormena Betrug. Polyphilus und Agapistus lachten dieser Bezeugung / und sagten: Sie solte die Königin zürnen lassen / und mit ihnen die Herde weiden. Aber das war kein Raht vor Melopharmis /die den Stachel des Geitzes fühlte / und das Königliche Erbe nicht verlieren wolte. Daher sie bald dieses /bald jenes / vorschluge / die Gnade der Atychintide wieder zu erwerben / und sich in vorige Hofnung zu schwingen. Nichts war ihr verdrüßlicher / als daß sich Polyphilus ihrer Noht so wenig annahme / da sie doch seinetwegen darein gerahten. Als sie sich nun so gar übel gehube / sagte Polyphilus: Wollet ihr dann ja /Melopharmis! unsern Raht nicht folgen / und vermeinet / ihr müsset zu Hof leben / so brauchet List. Der das Schloß aus den Wellen gezogen / kan euch auchwieder in der Königin Gnade bringen. Ich meines theils kan / auch ohne diese Gnade / frölich seyn. Melopharmis erschrack über dieser Rede / und merkte wohl / daß Polyphilus auf Zauberey zielte /davon sie doch nichts hören wolte: Dann ob es ihn gleich nicht schwer fallen mögen / durch verbottene Künste ihr Hülffe zu schaffen / so wuste sie doch /daß sie albereit bey den Weißen / wegen der wunderlichen Errettung des Schloßes / verdächtig / und durch die Verleumdung der Phormena / in ihrer Abwesenheit / leichtlich gar angegeben / und in verhafft kunte gebracht werden. Darum suchte sie mehr mit List und Betrug / als zauberischer Kraft / ihren Zweck zu erreichen. Sie blieb in unterschiedlichen Nachdenken / selbige Nacht / ohne Schlaf / kunte auch keine fröliche Stunde haben / biß sie etwas ausgedacht hatte / daß ihr Hofnung zu ihrer vorigen Glückseeligkeit gabe. So bald sie aber einen / ihrer Meynung nach / richtigen Raht erfunden / wurde sie munderer / und hieße den Servetus getrost seyn / weil sie ihm nun bald mit ihr wieder nach Hofe bringen wolte. Das möchte ich sehen! (sagte Agapistus) verheißet nur nicht zu viel /Melopharmis! es gehen uns / das Jahr über / um etlich tausend Gulden Anschläge zurücke. Dieser aber gar schwerlich: (versetzte Melopharmis) Ihr sollet erfahren / daß man uns nicht allein wieder nach Hof zu kommen erlaubet / sondern auch darzu bittet. Da wünsch ich Glück zu! sprach Agapistus. Helffet ihr uns dann auch wieder zur Königlichen Gnade? fragte Polyphilus? Wie ihr mir dazu geholfen: gab Melopharmis lachend zur Antwort. Aber spottet nur immerhin / ich will schon eurer wieder spotten / wann ich mein Geweb zu End gewürket. Melopharmis unterließ hierauf nicht / ihren Anschlag zu vollführen. Was thut aber diese Listige? sie machet ihr / auf eine besondere Art / priesterliche oder Eremiten-Kleider / und verstellet das Gesicht mit einem grauen Bart / versihet auch den Servetus mit dergleichen. In solchem Habit / dessen die Schäfer /und ihr Sohn / nicht gnug lachen kunten / gienge sie mit dem Servetus in den Wald / der nächst dem Schloß Sophoxenien lage / ließe ihr daselbst ein kleines Hüttlein von etlichen Brettern aufschlagen /machte ein Tischlein darein / gleich einem Altar / und setzte darauf ein Rauchfaß / eine Kertze / und was sie sonsten / zur Hülfe ihres Betrugs / dem Servetus aufgeladen. Sie hatte kaum ihren Kram ausgelegt / da sahe sie einen jungen von Adel daher kommen / der ein Rohr über der Achsel truge / und Vögel zu schießen willens war. Sie befahle sobald dem Servetus /sich zu verbergen / zündete hierauf ihre Kerzen an /legte Weihrauch auf die Glut / und knihete / mit vielem Murmeln / vor dem Altar. Indessen war der Edelknab begierig / die Hütte / welche er sonst daselbst nie gesehen / zu beschauen / und gieng gerades Fußes dahin: da er den Alten in seiner Andacht so lang zusahe / biß der sich umkehrt / und mit ernstlicher Stimme / Orakels-weise / also zu reden anfienge: Wer ist / der mir zerstört die heiligen Gedanken / Und mit gemeinem Fuß / in die geweihte Schranken Der Hütten tretten darff? die diesem nur erbaut / Durch welchen jederman sein Glük und Unglük schaut. Du kühner Jüngling! du / hast freylich Straf verdienet. Doch / weil ich gleich jetzund den Himmel ausgesühnet Durch Opfer und Gebet: so steh / und fürcht dich nicht. Hör aber fleissig zu / was dir mein Mund verspricht. Du bist / zu guter Stund / in diese Gegend kommen. Nimm nur genau in acht / was dient zu deinem Frommen. Eh dieses Jahr vorbey / und jenes komt heran / Ist dir ein großes Thor zur Wohlfart aufgethan. Du bist nun eine Zeit / in harten Dienst gestanden: So mache dich jetzt loß / von so beschwerten Banden. Dein Glücke grünt hervor / und steiget in die höh. Dir gönnt des Himmels-Gunst / viel Reichtum durch die Eh. Mehr ist mir nicht erlaubt / von Künftigen zu sagen; Drum sey damit vergnügt / und thu nicht weiter fragen. Nim deiner selbsten war / und sey nicht unbeherzt: Dann / wo es fehlen solt / hast du es selbst verscherzt. Uber dieser unverhoften Weissagung / wurde der junge Edelmann ganz erstarret: freuete sich aber doch der guten Zusage / einer glücklichen Heuraht / und wolte dem fremden Propheten eine Verehrung geben. Er aber schüttelte den Kopf / und wolte nichts annehmen / sondern winkte / er solte seines Wegs gehen. Also gieng dieser Betrogne / voll Schrecken und Verwunderung / wieder zurück / und ließe vor dißmal die Vögel ungeschossen. So bald er aber hinweg war /riefe Melopharmis dem Servetus / und fragte: wie ihm dieser Anfang gefiele? Sehr wohl! sagte dieser / mit großem Gelächter. Der gute Kerl schätzet sich nun schon glückseelig. Wann es die Königin höret / so komt sie selbst heraus. Darauf ists auch angesehen! versetzte Melopharmis Reichet mir nur jetzund zu essen: ich wil ihnen noch Lugen genug verkauffen. Also hielten sie Malzeit von der mitgebrachten Speise / unter vielen Gesprächen. Sie hatten kaum gespeiset / als sie den Edelknaben wieder daher kommen sahen / und Erothemitis / eine aus den Frauenzimmer / mit ihme. Was will diese? sprach Melopharmis: soll ich ihr vielleicht auch einen Mann verschaffen? ich such nicht ihre / sondern ihrer Königin Ankunft. Doch haltet euch versteckt / Servetus / so will ich ihr auch etwas daher dichten / und sehen / daß ich diese beyde zusammen koppele. Hierauf verbarge sich Servetus / Melopharmis aber setzte sich bey ihr Buch / und erzeigte sich gar tiefsinnig /biß diese beyde hinzu kamen. Erothemitis kam allein hinein / (dann der Jüngling wolte nicht gar mitgehen) und sagte / voller Schrecken: Verzeiht mir / andächtiger Vatter! daß ich eure Andacht verhintere. Ich vernehme / daß ihr aller Menschen Zustand kennet / und bitte / ihr wollet auch mir / wie andern / mein Glück oder Unglück offenbaren. Mehr kunte sie / vor Furcht / nicht heraus bringen. Melopharmis aber neigte das Haubt / und gab so viel zu verstehen / sie wolte ihrer Bitte willfahren. Hierauf zündete sie ihre Liechter an / legte etliche Kräuter-Wurzeln / und was mehr zu Erforschung zukünftiger Dinge gehöret / in einen Kreiß / und fieng an viel undeutliches zu murmeln /und sahe darauf die Erothemitis an / die in tausend Aengsten stunde / und sagte: So rühmt sich meine Kunst / wann Jung fern sie befragen. Was soll ich diesem Volk / als nur von Liebsten sagen? Die Jugend hat die Lieb nur bloß zu ihren Ziel: Drum Jungfer! höre zu / was ich dir sagen wil. Dich hat vor kurtzer Zeit! ein Alter wollen freyen: So trug dein frischer Sinn ob seinen Haaren scheuen / Die eben so beschneyt / als meine / sahen aus / Und zeugten / was vor Hitz in seinem kalten Haus. Drum woltest du das Geld / nicht vor die Lust erwehlen. Doch Schöne! handle klug: es könt dir leichtlich fehlen. Noch einer steht dir vor: und schlägst du da nicht ein / So wehr dich / oder nicht / du must des Alten seyn. Es wird / eh du vermeinst / dich noch ein Junger lieben: Und dem ergib dich bald / wie ich dir vorgeschrieben; Sonst führt dich jener heim. Diß fordert dein geschik. Erothemitis! hör / und folge deinem Glück. Die Jungfer hatte diesem allen / mit grossem Eifer zugehöret / und wolte nun auch ihre Dankbarkeit gegen Melopharmis erweisen: allein sie nahme nichts / wie sehr auch Erothemitis bate. Derowegen dankte sie mit Worten / und verfügte sich mit dem jungen Edelmann wieder nach dem Schloß. Melopharmis und Servetus hingegen warteten auf die Königin / biß an den Abend: worüber sie sehr wunderten. Doch hatten sie die Hofnung auf den andern Morgen: blieben also diese Nacht in der elenden Hütten beysammen. Melopharmis schlief wenig / und sorgte / es möchte ihr Anschlag mißlingen / und Atychitide so erzürnet seyn /daß sie nichts mehr von ihnen horen wolte; oder sie möchte wol gar diesen neuen Warsager suchen und einziehen lassen / da man dann seltsam mit ihr umspringen würde. Diese Angst aber nahme bald ein Ende: Dann als sie des Morgens in der Hütten beysammen sassen /und an ihrer Hofnung fast verzweifelten / sahen sie Phormena daher gehen / mit einer andern unbekandten Weibs-Person. Melopharmis erschrake erstlich über dieser Ankunft / und bildete ihr ein / es werde sie Atychintide zur Kundschafferin ausgesandt haben. Als sie aber etwas näher kamen / wurde sie gewar / daß die Königin selbst / in einem fremden Habit dabey war. Sie schaffte demnach den Servetus hintan / und lase /nach ihrer Gewonheit / in einem alten Buch. Atychintide trat in die Hütten / und sprach: Höre / du künstlicher Alter! der du jederman seinen Zustand entdeckest / und dich rühmest / ihr Künftiges zu wissen. Ist etwas in deinen Kräften / dadurch du mein Verhängnus sehen / und von meinem Glück zeugen kanst / so eröffne mir unerschrocken / was ich in meinen verwirrten Anschlägen zu fürchten oder zu hoffen habe. Melopharmis fieng hierauf an / ihre Gauckeley hervor zu suchen / und machte so viel abenteurliche Gebärden und Handlungen / daß die Königin recht furchtsam wurde / und der Phormena winkte / zu ihr zu sehen. Melopharmis sahe unter ihrem Gebet die Königin etlichmal an / schüttelte den Kopf / stellete sich voll Wunders / und fienge endlich also an zu reden. Eh ich die Antwort sag / so muß ich warlich lachen / Daß eine Königin sich will verborgen machen / Durch ein entlehntes Kleid. Soll / der des Himmels Raht Und den Verhängnis-Schluß / vor seinen Augen hat / Der durch die Tiefe kan der Parcen Anschlag hören / Der Glück und Zufäll weiß / sich lassen jetzt bethören Durch einen fremden Rock? Ach nein! ich sehe weit / Und kenn des Purpurs Glanz auch unter schlechtem Kleid. Drum / Königin! vernim / was ich dir werde zeugen. Die Warheit lässet sich durch keine Hoheit beugen. Ich öffne / deiner Bitt / den Göttlich-hohen Schluß / Vor dem die ganze Welt / in Demut zittern muß. Im fall nun dein Gemüt vor solcher Macht erbebet / So wisse / daß dein Glück jetzt auf der Spitze schwebet / Daß dein verlassnes Schiff geräht im Wirbel-wind / Und dein verirrter Lauf nun bald die Grube find. Du hast der schweren Straf des Himmels schon vergessen Und daß dein schönes Schloß / mit dir versenkt gewesen. Was deine Rettung war / hast du von dir verbannt / Und hegst an solcher Stell / die fördern deine Schand. Man siht der Tugend Pest / die Wollust in dir brennen. Was reine Liebe bindt / das suchest du zu trennen Durch List und Tyranney. Drum höre / was ich sag. Der Himmel rüstet sich schon wider dich zur Rach. Und wo du länger wirst in solchem Laster Leben / Und deinen schnöden Sinn der tollen Lieb ergeben; Wann du die / so zuvor gedienet deinem Glück / Durch Gnad und Freundlichkeit nit ruffest bald zurük: So wisse nur gewiß / daß / was du vor ertragen / Nicht zu vergleichen sey den allzuharten Plagen / Die dir bereitet sind / und schon im Warten stehn / Biß dein Verhängnus sie wird heissen an dich gehn. O Tochter! denke nach / es gilt hier kein verweilen: So schnell die Sonne fährt / wird auch dein Unglük eilen. So eile du mit Raht / und stoß aus deiner Brust / Die blind entbrannte Lieb / die Laster-volle Lust. Laß / was der Himmel selbst durch Tugend hat verbunden Dir nicht entgegen seyn. Und welche wieder funden / Was dir verborgen war / das helle Sonnen Liecht / Die lasse länger ja aus deinem Hause nicht: Sonst wirst aufs neue du / und ewig / dich versenken / Und dörftest nimmermehr auf keine Rettung denken / Weil die so schlechten Dank / bey dir gewürcket hat. Atychintide! wach! diß ist der Sternen Raht. Die Königin wurde durch diese Weissagung / als vom Blitz gerühret / und so beschämet / daß sie die Augen zur Erden schlug / und sich ganz onmächtig auf Phormena steurte: Sie war so voll Schrecken und Ungedult / daß sie wünschte / den Propheten nie gesehen zu haben: Dann sie wuste sich / in ihrem Gewissen /aller der Laster schuldig / welche ihr der Warsager aufgebürdet / und kunte deßwegen auch an der angedrohten Strafe nicht zweifeln. Also stunde sie in äussersten Aengsten. Ihre Heimlichkeit war entdecket /ihre List war umgeschlagen / und ihre Hofnung lag darnieder. Solte sie von ihrem Vorsatz weichen / und die Verstossene wieder beruffen / das wäre schwer und schimpflich: solte sie dann darinn verharren / so wäre es gefährlich und schädlich. Schon einmal hatte sie die Rache des Himmels empfunden / und das andere mal muste sie dieselbe fürchten. Demnach wuste sie ihr nicht zu helffen / und hatte kaum die Kräffte /der Phormena zu befehlen / sie solte dem Warsager ein Geschenke geben: welches er aber nicht annahme. Also giengen sie / weil sie nichts mehr zu suchen wusten / wieder zurücke / und nach ihrem Schloße. Melopharmis / so bald sie die beyde aus dem Gesicht verloren / riefe dem Servetus / und sagte: Nun haben wir unsern Zweck erreichet / und der Königin angekündet / was zu unsrer Widerberuffung vonnöten ist. Nun ist übrig / daß wir uns bald von hinnen ma chen / ehe unser Betrug entdecket / und unser Anschlag verderbet werde. Geschwinde / Servetus! brecht die Hütten ab / und lasst uns fortziehen. Also eilete dieser / dem Befehl der Melopharmis nachzukommen / und brache alles zu stücken / damit sie nicht gehintert würden. Eben aber / als sie fortgehen wolten / sahe Melopharmis den Eusephilistus daher reiten / welcher / wie sie mutmassete / nach Sophoxenien wolte. Sie besanne sich bald einer List / und sagte zum Serverus / er solte mit den Sachen fortgehen. Sie aber blieb in tiefen Gedanken stehen / biß Eusephilistus näher kam / und diesen ungewöhnlichen Aufzug mit Verwunderung ansahe / aber ohne Besprächung vorbey reiten wolte. Als dieses Melopharmis warnahm / fienge sie an mit lauter Stimme zu ruffen: Verliebter Jüngling! halt! du darffst so sehr nicht eilen. Die Wunde / die du denkst an jenem Ort zu heilen / Findt Kraut und Pflaster hier. Ich weiß / wohin du rennst / Und kenne dein Gemüt / ob gleich du mich nicht kennst. Ich will / eh das ich wuß aus dieser Gegend reisen / Dir / noch den rechten Weg / in deiner Liebe weisen: Du reitst auf jenes Schloß / zu forschen eine Sach / Die ich viel besser weiß. Drum hör / und folg mir nach. Die du bißher geliebt / und noch nicht wilst verlassen / Um welcher wegen du auch reisest diese Straßen / Wird dir nicht zuerkannt durch Gott und d. in Geschik. Ein andre gönnet dir in kurtzen süße Blick: Die nim gewogen auf / so kanst du frölich leben / Da jene Liebe dich nur heist in Unglück schweben. Diß nim in acht / mein Sohn! der Mensch ist gantz bethört / Der etwas wider Gott / zu seinem Fall begehrt. Was der uns nicht erlaubt / soll unser Herze fliehen / Weil wider seine Macht wir uns umsonst bemühen. So gib den Schäfer hin / was ihn der Himmel gibt / Und lieb hingegen die / so dich schon heimlich liebt: Alsdann wird Glück und Freud aus deiner Heurat sprossen. Diß find / im großen Raht ich jetzt also beschlossen. Vollbringst du / was ich sag: so hast du klug gethan. Wo nicht: so bleib gestürtzt / und klag dich selbsten an. Ob Eusephilistus / über dieser unverhofften Weissagung erschrocken / ist leicht zu vermuhten: Dann er war vorhin in höchster Ungedult / und hatte zu Soletten verstanden / daß Macarie abermal mit dem Polyphilus zusammen gewesen / da er doch zuvor aus der Erzehlung Phormenen / viel ein anders geschlossen. Er reisete dennoch zu der Königin / die Gewißheit der Liebe des Polyphilus zu erforschen / und einen endlichen Schluß zu vernehmen / was er in seinen Verlangen zu fürchten oder zu hoffen habe. Dieses erfähret er nun auf dem Weg ungefehr / wiewol nicht nach seinem Willen: weßwegen er darüber sehr bestürtzt wurde. Er sahe den seltsamen Warsager mit unverwandten Augen an / und wuste nicht / ob er ihm danken / oder ihn schelten solte. Melopharmis aber eilete mit ihrem Knecht von dannen / aus Furcht / erkennet zu werden / und wolte ihr nicht lang unter das Gesicht sehen lassen: den Eusephilistus im Zweifel verlassend / ob er weiter reiten / oder wieder umkehren solte / weil er albereit mehr gehöret / als er gewünschet. Doch entschloße er sich letzlich / gar nach dem Schlosse zu reisen / und des Warsagers Worten nachzuforschen / damit / wann sie mit der Warheit einträffen / er seine Handlungen darnach richten / und / weil er ohndas unbeständiges Sinnes war / eine andere erwehlen könte. Die Schäfere hatten inzwischen / nach ihrem Abzug / sich berahten / der Macarie die Ungnade der Königin zu eröffnen / weil sie es doch sonst erfahren /und dadurch in neuen Kummer gerahten möchte. Demnach schickte Polyphilus Agapisten nach Soletten / und ließ seiner Liebsten die ganze Handlung erzehlen / gab ihm auch ein Brieflein an sie / dieses lauts. Liebstes Herz! Weil ich nicht zweifle / es werde das Geschrey / daß sich mehr auszubreiten / als zu verbergen pfleget / die Handlung der Königin zu Sophoxenien / wider uns /derselben / und zwar / seiner gewohnten Art nach /mit meinen Schimpfe / für Ohren gebracht haben: als habe ich / durch unsern Agapistus / ihr davon mündlichen Bericht zu geben / nicht verabsaumen wol en. Er wird von allem / was geschehen / und künftig geschehen möchte / Bericht ertheilen. Weil aber des Agapistus Herz / hierinn fast der schönen Macarie ihrem gleichet / daß es etwas furchsam / und ohne Ursach erschrocken ist / wolle sie / mein Kind! keine unnötige Sorge in ihr herrschen lassen / sondern vielmehr der beherzten Künheit ihres Polyphilus nachfolgen /und gewiß glauben: daß / dafern Witz und Bedacht noch etwas vermögen / ich diesem Ubel bald Rath schaffen / und anjetzo eine süße Rache / an der bißher von der Königin erlittenen Boßheit / mit nächsten verüben werde. Sie lebe nur ohne Furcht / mein Herz! und in der Liebe Ihres biß in den Tod beständigen Polyphilus . Als Agapistus diesen Brief Macarien eingehändiget /fragte sie / nach dessen Ablesung: was dann mit der Atychintide vorgelaufen wäre? und als ihr Agapistus solches nach der Länge erzehlet / wunderte sie heftig darüber / und bate Agapisten / daß er Polyphilo zureden / und ihn vermahnen solte / der Königin nachzugeben / und sich mit ihr in keine öffentliche Feindschaft einzulassen / weil sich dergleichen Handlungen im Lande auszubreiten / und in allerhand schimpfliche Nachreden auszuschlagen pflegen. Dem ist also! (sagte Agapistus) Ich habe den Polyphilus dessen allbereit erinnert / und will es / auf ihren Befehl / schöne Macarie! noch ferner thun. Damit es aber nachdrüklich geschehe / so bitte ich um etliche Zeilen / die meinem Zusprechen mögen Glauben erwerben. Wann ich ihn damit beschweren darff / (versetzte Macarie) so soll es an meiner Feder nicht mangeln. Hierauf setzte sie sich über / und schriebe folgendes. Mein Herz! Bleichwie die Tugend / wan sie nicht auf einem Diamantenen Fuß der Beständigkeit ruhet / vor keine Tugend zu halten / sondern vielmehr / ein löblicher Anfang / eines sträflichen Endes zu nennen ist: also wil hingegen solcher Ruhm der Beständigkeit / nicht auf weichen Polstern / sondern in den Stürmen der Widerwärtigkeit erlanget werden / weil ohne Streit kein Sieg zu boffen ist. So lasse er sich den Haß der Königin /mit welchem sie seine Ruhe bekrieget / nicht anfechten / sondern lebe versichert / daß alle unschuldige Verfolgungen ihm / an statt eines Schatzes / dienen werden / sein Glück vor der Fäulung zu bewahren. Damit man aber doch vorsichtig handele / möchte ich wünschen / er ließe ihm meine Bitte und seines Apagistus Raht gefallen / und begegnete dieser Erzürnten mit Demut: Ich bin gelliß / daß dieser hochmütige Löw durch die Anbetung besänfftiget / und wo nicht ein Lams-Fell / doch einen Fuchs-Beltz anziehen würde. Weiß ich doch / daß er von dem Himmel / mit einer so ungemeinen Freundlichkeit beschenket ist /daß er dadurch auch die wildste Gemüter zahm machen könte. Und diese lasse er vor dißmal / an stat der Rache / gelten / und folge der Bitte / Seiner Macarie . Nachdem Apapistus dieses Brieflein von Macarien erhalten / nahme er einen höflichen Abschied / und kehrte damit wieder zum Polyphilus / erzehlte denselben seine Verrichtung / und überreichte ihm das Schreiben seiner Liebsten / welches er lese / und dadurch in Zweifel gesetzt wurde / was er thun solte? Der Königin nachzugeben / und um ihre Gnade zu bitten / wie Macarie und Agapistus riehten / war wider seine Natur und Gedanken: seiner Liebsten Bitte aber zu verachten / war wider das Gesetz der Höflichkeit / und Liebe. Also schwebte er in Ungewißheit / und hatte mit Agapisten viel Streitens hierüber. Endlich kam Melopharmis dazwischen / welche den beyden Schäfern ihre verübte Warsagerey mit solchen Umständen erzehlet / daß sie darüber sich nicht satt lachen kunten. 7. Absatz Siebender Absatz Atychintide berufft die Verstoßenen wieder nach Hof. Der Bot erzehlet / was sich mit dem Warsager im Wald begeben / wie die beyde Alten / mit Begehr ihrer Dienst-Erlassung / die Königin von ihren unverantwortlichen Handlungen abgemahlet / und sie solches wol aufgenommen; wie ihm Eusephilistus die Erothemitis vermählet. Sie reisen miteinander nach Sophoxenien / und werden gnädig bewirtet. Indem sie nun also bey ihrer Heerde saßen / und sich mit den Vorbringen dieser Prophetin ergezten / ihre List bewunderten / und zu wissen verlangten / was selbige würcken würde / sahen sie den Edel-Knaben /welchen Melopharmis am ersten betrogen / daher kommen. Ha! ha! (sagte Melopharmis) dieser bringet gewiß eine Frucht von meinem Samen; Gott gebe sie nur nach meiner Hofnung! Mit diesem kam der von Adel herbey / und wünschte der Gesellschaft alle Glückseeligkeit. Wo solten wir Glück hernehmen /(sagte Melopharmis) da wir von Sophoxenien verstossen sind. Verstossen! (erwiderte der Edelman) ich habe hier viel einen andern Brief. Das wäre was neues! sprach Melopharmis! nahme damit den Brief von ihm / und / weil die Uberschrifft an sie stunde /erbrach sie denselben / und fande darinnen von der Königin eigner Hand / diese Worte. Melopharmis. Wann euch die Botschafft / welche wir durch Serveten anbringen lassen / fremd und unsrer vorigen Gnade zuwider vorkommet / so wisset / daß sie aus Zorn hergeflossen / und daß eure unbedachtsame Feder denselben erreget. Soltet ihr also alle unsere Gutthaten mit Hinterlist belohnen / Unsern wohlgemeinten Raht in ein Gelächter ziehen / und von eurer Königin so verächtlich zu schreiben nicht erröten: Bedenket / Melopharmis! wie sehr ihr uns verletzet / und wie billig wir darwider geeifert / auch noch ferner eifern würden / wann nicht der Befehl des Himmels (den auch die Könige unterworffen) uns ein anders auflegte: welchem zu gehorchen / wir euch nicht nur alles Verbrechen schenken / sondern auch vorige Gnade und Hoffnung aufs neue zusagen. Kommet / mit eurem Sohn / der seiner Mutter Schuld büßen sollen / wieder zu uns / und bringet die beyde Schäfer / den Polyphilus und Agapistus / auf eine Besuchung mit / berichtet auch jenen / daß wir zwar die Liebe / so er gegen Macarien heget / aus einer gnädigen Meinung / bißher gehintert / anjetzo aber / ihm solche nicht nur erlauben / sondern sie auch befördern / und also dem Göttlichen Willen gehorsamen / euch auch alle Gnade er weisen werden. Atychintide . Ich weiß nicht / (sagte Melopharmis / als sie diesen Brief gelesen) was ich hievon halten soll. War die Königin so gar wieder uns erzürnet / wie Servetus erzehlet / warum heisset sie uns dann nun wiederkommen? oder wer hat sie auf einen andern Sinn gelenket? oder meinet sie vielleicht / uns mit guten Worten nach Sophoxenien zu bringen / und daselbst erst ihren Grimm sehen zu lassen? Ach nein! (versetzte der Edelknab) es sind viel andere Ursachen dieser Veränderung / als ihr vermuten krünet. Es gehet zu Sophoxemen seltsam zu / und wann ich alles neue erzehlen solte / würdet ihr euch sämtlich darob verwundern. Damit ich aber nur des letzten gedenke / so wisset / daß der Eusephilistus von Soletten die Erothemitis gefreyet. Ihr schertzet! riefe Polyphilus / voll Entsetzung. Ich schertze nicht / (sagte der junge von Adel) in wenig Wochen wird die Hochzeit angestellet werden. So sagt mir doch / (fragte Polyphilus) woher diese Heyraht ihren Ursprung genommen? Der diesen Brief zu wegen gebracht / hat auch diese Ehe gestifftet: gab der Edelmann zur Antwort. Aber / wer ist derselbige? (fragte Melopharmis) haltet uns doch nicht auf / die Wunder zu eröffnen / die sich in unsern Abseyn begeben. Das will ich wol thun / (sagte der Edelknab) dafern ich keine Ausschwatzung / die mich in alles Unglück setzen könte / zu fürchten habe. Melopharmis und die Schäfere schwören ihme / nichts davon zu gedenken / er solte nur ohne falsch entdecken / was er wüste. Nachdem Servetus (fienge er hierauf an) von Hof geschaffet war / bliebe die Königin etliche Tage gar verwirrt und ungedultig / und kam entweder gar nicht zur Tafel / oder saße über derselben gantz stumme. Phormena bemühete sich zwar / sie zu erfrölichen /aber vergebens: Dann sie lebte in solchen Kummer und Zorn / daß nicht nur die beyde Weißen / sondern auch der ganze Hof / darüber wunderte. Wie aber die Hofbediente über diese Weise der Königin sich entsetzten / also wurden hingegen die Weißen darüber zornig / und suchten Gelegenheit / der Königin solchen Ubelstand zu verweisen / weil jederman erriehte / wo ihr Kummer herrührte. Aber mitten in dieser Verdrüßlichkeit / begabe sich eine wunderliche Abenteur. Dann / als ich eines Tags / in das nächste Wäldlein / Vogel zu schiessen /ausgienge / fande ich daselbst einen seltsamen Kefig /und darinn einen noch seltsamern Vogel. Ich sahe ein kleines elendes Hüttlein / und in selbigem / einen alten / wunderlich-bekleidten Mann / der vor einem Altärlein / mit vielem Murmeln kniete / und angebrandte Kerzen / Rauchwerk / und dergleichen Sachen vor sich hatte. Ich entsetzte mich über dieser Begebenheit / noch mehr aber / als der Alte sich gegen mir wandte / meine Künheit schalte / und in gebundener Rede / so wol meinen Zustand mir erzehlte / als mein zukünftiges Glück eröffnete. Was eröffnete er aber? fragte Melopharmis. Er verhieße mir / (sagte der junge Edelman) in kurtzen eine reiche und glückseelige Heurat / und machte mir soviel gute Hoffnung /daß ich einen Lohn suchen wolte / vor so freudige Zusage / da er aber nichts von mir nahme. Also gieng ich halb erschrocken / und halb freudig / wieder zurück / und erzehlte den andern Bedienten / was mir begegnet. Erothemitis liefe eilends zur Königin / dieses zu berichten: welche mich vorfordern ließ / und alles umständlich erforschete / was sich mit dem Warsager begeben / auch der Erothemitis erlaubete / mit mir zu gehen / und von dem neuen Propheten ihr Glück zu vernehmen. Diese / wie sie vorhin aller Seltsamkeit begierig / wolte dieses nicht versäumen / sondern gieng mit mir nach den Ort / wo ich den Alten gefunden / und fragte denselben: was sie künftig zu hoffen hätte? Was sagte er von dieser? fragte Polyphilus. Er erzehlte ihr / (gab der junge von Adel zur Antwort) daß sie einen alten Freyer / von wegen seiner grauen Haare / verachtet / aber noch nicht von ihm frey sey. Dann wo sie dem Jungen /welcher mit nechsten um sie werben würde / nicht zuschlüge / müste sie gewiß des Alten seyn. Wer war aber der Junge? (fragte Melopharmis) wäre ich an eurer Stelle gewesen / so hätte ich diese Weissagung mit der Meinigen vereiniget / und um Erothemitis angeschlagen. Der Edelman stutzte etwas hierüber / und sagte: Ihr soltet mir bald die Gedanken in Sinn bringen / daß der Warsager auf sie gedeutet / weil er sonderlich angehängt: ich solte behertzt seyn / dann wo es fehlte /würde ichs selbst versehen haben. Doch / dem sey wie ihm wolle / Eusephilistus hat sie hinweg. Wiewol /wann schon mein Glück auf Erothemitis bestehen sollen / ich es bey ihr nicht würde gesuchet haben / weil mir ihre Sitten niemals gefallen. Aber daß ich weiter sage / wir giengen / auf Anhörung der Prophezey /wider nach dem Schloß / allwo Erothemitis der Königin das beschehene erzehlte: welche darüber lüstrend wurde / auch eine Künheit zu wagen / und es mit Phormena heimlich abredte / daß sie des andern Morgens verkleidet mit ihm zum Warsager gehen / und von ihm den Ausgang ihres Vorhabens vernehmen wolten. Solches wurde vollzogen / aber vor sie gar unglücklich: weil es die beyde Weißen alsbald erfuhren / und deßwegen ihren Abschied begehret. Dann als die Königin / ohne zweifel mit einer harten Weissagung / wieder nach Hause gekommen / und mit Phormena im Garten gieng / war ich eben in demselb en / und versteckte mich / als ich sie beyde daher kommen sahe / hinter einen Teppich des Sommerhauses / um ihr Gespräche zu vernehmen. Sie waren kaum in den Saal eingetretten / da finge die Königin an / und sagte: Was nun vor Raht / Phormena: der alte Gauckler hat mich ganz aus mir selbst gebracht. Soll ich von meinem Vorsatz weichen / und die / welche sich so hoch an mir vergriffen / wieder zurück holen lassen / wie sein Raht lautet: so haben wir doppelten Schimpf davon. Soll ich dann in meinem Vorsatze verharren / so scheinet Gefahr und Unglück auf mich zu warten. Ich weiß nicht / gnädigste Königin! (gab Phormena zur Antwort) was von diesem Spiel zu halten sey. Ich gebe dem abenteurlichen Alten keinen Glauben. Woher sollen die Sterblichen üm Göttliche Rahtschläge wissen? E. Maj. haben Ursach / wider ihre Beleidiger zu eifern / und sehe ich ganz nicht / wie die Gottheit durch gerechte Strafe der Verbrecher solte erzürnet werden: angesehen sie selber die Laster straffet / und nicht will / daß sich Unterthanen wider ihre Oberkeit auflehnen. Das ist wol etwas! (sagte die Königin) aber ihr wisset / in was vor Unglück ich allbereit gewesen / und wie ein schweres Verhängnus der Himmel über mich geführet. Was solte ich machen / wann mich dergleichen wieder träffe. Indem die Königin also redte / klopffte jemand an der Thür des Saals: darum sie der Phormena befahle /zu sehen wer vorhanden wäre? Als diese berichtet /daß Cosmarites und Clierarcha geheime Verhör begehrten / sagte die Königin voll Schrecken: Hilf Gott! was werden diese wollen? ist ja unterdessen nichts vorgelauffen? heisset sie herein kommen / Phormena! und lasset uns etwas allein / daß ich sie anhören könne. Also kamen die beyde Weißen in den Saal /und hatten sie kaum ihre Ehrerbietung gegen die Königin abgelegt / als sie anfienge: Seit willkommen /meine Freunde! Was habt ihr mir gutes zu sagen! Durchleuchtigste Königin! (gabe Cosmarites zur Antwort) E. Maj. bißher gehorsamste Diener kommen vor dißmal / eine unterthänige Bitte vorzubringen. Was bittet ihr dann? fragte Atychintide. Um einen gnädigen Abschied / und um Erlassung unserer Dienste: versetzte Cosmarites. Was ist das vor ein Anbringen? sagte die Königin / mit höchster Bestürzung. Ist euch etwas an meinem Hof zuwider / oder habt ihr sonst über einigen Mangel zu klagen / daß ihr uns zu verlassen gedenket. Keines von beyden! (erwiederte Cosmarites) aber wir gedenken unsere noch wenige Tage /in sicherer Ruhe / mit unverletztem Gewissen zuzubringen. Kan dann dieses nicht auch bey mir geschehen? fragte Atychintide ferner. Ihr erinnert euch ja /daß ihr meinem seeligen Gemahl / vor seinem Abschied versprochen / meinem Wittib-stande / durch euren verständigen Raht Hülffe zu leisten. Was ist dann die Ursach / das ihr solche Zusage zurück nehmet? bekennet aufrichtig / was euch an mir oder in meinem Thun zuwider ist / und verlasset mich nicht /in so einsamen Zustande / sondern glaubet für gewiß /daß ich euren Erinnerungen / nicht nur gnädiges Gehör / sondern auch willige Folge leisten werde. E. Maj. gnädiges Erbieten (versetzte Cosmarites) giebet unserm Amt den Muht / und unsern Anbringen eine gute Hoffnung. Zwar treffen sonst unerschrockene Zungen nicht leicht günstige Ohren an / und findet man gar selten die glückseelige Vereinigung eines Hof-Bedienten / der die Warheit ungescheut saget /und eines Potentaten / der sie gnädig anhöret. Dann die edle Warheit ist so verhasst / als berühmt / und wer heutiges Tags zu steigen gedenket / muß eine andere Leiter / als die Aufrichtigkeit anlehnen. Daher komt es auch / daß alle Höfe von dem Gifft der Heucheley eingenommen / und kein Purpur von dieser Schabe unbenaget / kein Zepter von diesen Wurm undurchbort bleibet: weil niemand gern einen Thon hören lässet / der den Ohren des Fürsten unannemlich klinget / sondern ein jeder die Saiten mit allem Fleiß /nach seines Fürsten Gedanken stimmet / damit ja /zwischen dessen Willen und seinem Raht / eine liebliche Harmonie bleibe / solte es auch schon wider sein Gewissen lauffen / und die Gerechtigkeit verletzen. Aber wüsten die Potentaten / wie schädlich solche höfliche und freundliche Rähte / ihnen und ihren Ländern wären / sie würden sie vielmehr abstraffen als belohnen: weil mehr Länder durch Heuchelcy als durch das Schwerd zu Grund gegangen. Wann wir an einer gefährlichen Wunden erkranket / so suchen wir einen bewährten Arzt / und geben ihm frey / wo es die Noht erfordert / in die Haut zu schneiden / Eisen und Feuer zu brauchen: Wir würden es ihm auch wenig Dank wissen / wann er / aus törichtem Mitleiden / unsern Schmerzen scheuen / und dadurch dem Brand / und der Faulung Raum geben wolte. Warum fordert man dann von denen / welche einen Staat zu curiren befehligt sind / eine so grausame Gelindigkeit / die der Wolfart des ganzen Landes den Tod bringet? Warum gedenket man seinen Willen Göttlichem Befehl vorzuziehen? Warum ich dieses rede / können E. M. unschwer ermessen. Ihre bißher geführte Handlungen / zeigen von einer gefährlichen Wunden des Gemüts / die mit verborgenem Eiter hervor schwüret. Wann ich bedenke / auf wie vielerley Wege sie / die Liebe des Polyphilus gegen Macarien /zu hintern getrachtet / und zu wie vielen ärgerlichen und ihrem hohen Stande unanständigen Thaten / sie schon dadurch verleitet worden / und noch werden: so kan ich nicht anderst mutmaßen / als daß eine wollüstige / unbedachtsame / und schädliche Liebe / die gifftige Wurzel sey / aus welcher diese verderbliche Früchte hervor wachsen. Ich scheue mich nicht / dieses Verfahren zu tadeln / weil sich E. M nicht scheuen / dasselbe zu begehen: dann kein Laster soll unbestraffet bleiben. E. Maj. bedenken / wie sie / auf der Reise nach Soletten und Montefessen ihr hohes Ansehen vergeringert und verletzet / indem sie also mit Privat-Personen gespeiset / und geherberget / und sich also ihnen Dankschuldig gemacht / wie sie / der Witiblichen Einsamkeit entgegen / den Uppigkeiten nachgezogen /und hintangesetzt aller Tugenden / ihren Vorsatz befördern wollen. Was werden die Inwohner dieser Orten gedenken / daß eine verwittibte Königin / Eitelkeiten zu sehen / im Lande herum fähret / und sich allerwegen gemein machet? In warheit / gnädigste Königin! ihre Sinne / die jetzo mit der Eitelkeit benebelt / werden / so bald sie das Liecht eines gesunden Verstandes wieder erlanget / vor solchen Handlungen einen Eckel empfinden / und ihre jetzige Lebens-Art verfluchen. Dann es ist nicht genug / daß sie sich auf diese Weise verächtlich machen / sondern sie suchen auch ihren gänzlichen Untergang / indem sie Melopharmis und ihren Sohn (weil sie ihren Anschlag verhintert) von Hof jagen / und sich also in äuserste Gefahr eines neuen Unglücks stürzen. Erinnern sich E. M. nicht mehr des erbärmlichen Zustandes / in welchen uns der Himmel / durch seinen Willen / oder durch seine Verhängnus / gerahten lassen / und wie wir / eben wegen Melopharmis oder ihres Sohns /unter den Wellen nach dem Glanz der Sonnen geseufzet? wollen sie dann noch einmal / und vielleicht ewig (weil keine so wundersame Errettung mehr zu hoffen) die Rache des Himmels wider sich und die ihrige reitzen? oder hat vielleicht der zauberische Warsager /welchen sie heimlich zu Raht gezogen / ihnen was bäßers verheissen? Mit Schrecken haben wir verstanden / daß E. Maj. sich nicht entblödet / dergleichen verdächtige Leute /vor welchen sie ihre Bediente warnen solten / selbst zu befragen. Aber also pfleget man immer tiefer in den Schlamm der Laster zu sinken / biß man darinnen den Grund und zugleich den Tod findet. Und dieses ist die Ursach / daß wir beyde / unser Gewissen zu reinigen / und den Befehl unsers hochseeligsten Königs zu erfüllen / E. M. gefährliches Verfahren zu unterbrechen / und unser aller Untergang zu verhüten /hieher gekommen: der Hofnung / dieselbe entweder aus diesem Irrgarten zu führen / oder aber unsrer Pflicht loß zu werden. Wir bitten auch nochmals unterthänigst und demütig / unsre Erinnerung gnädig aufzunehmen / und die Melopharmis samt ihrem Sohn wieder zu beruffen / üm damit das Unglück abzuwenden / weiches hierdurch E. M. und uns allen gedrohet wird. Solten wir aber E.M. durch diese Besprechung erzürnet haben / so lassen sie uns das Leben nehmen /das wir ohne das am längsten genossen haben: Dann wir wollen viel lieber todt seyn / als ohne Tugend /und in steter Unglückseeligkeit in der Welt leben. Diß ware in Warheit eine kühne und tugendhafte Rede! (sagte Agapistus) aber wie hat die Königin solche aufgenommen? sind die Weißen nicht mit ihrer Red-Freyheit übel angelaufen? Ganz nit! versetzte der Edelmann. Die Königin gab zur Antwort: Euer Vorbringen / ihr liebe Getreue! ist freylich kühn genug /vor hohe und arte Gemüter: dürfte auch wol / bey andern meines Standes / ungedultige Ohren gefunden haben. Aber ich erkenne / daß sie aus den Brunnen der Wolmeinung hergeflossen / und / durch eure Treu und Aufrichtigkeit / erreget worden: darum ich vielmehr euch danke / als darüber zürne. Es ist wahr /Cosmarite! daß ich nun eine zeither in verwirrtem Zustande gelebet / und des Polyphilus Liebe / nach allen Kräfften / durch zuläßige und verbottene Mittel gehintert. Solches aber ist geschehen / nicht aus einer wollüstigen Liebe gegen ihm / wie ihr mir ohne Grund aufbürdet / sondern in der Meinung / den Polyphilus höher zu setzen / und / weil ihn der Himmel durch unsre Erlösung erhaben / mit etwan einer vornehmern Dame zu verehelichen: angesehen seine Beschaffenheiten eine höhere Geburt zeigen / als er eröffnen darff. Nun ich aber sehe / daß ihm die Göttliche Vorsehung Macarien zuerkennt / gedenke ich nicht länger wider die Macht zu streiten / welche mich leicht zerschmettern könte. Irren ist menschlich / und können die Könige so wenig / als gemeine Leute / von den Fehlern frey seyn / sonderlich in einer zweiffelhafften Sache / deren Grund ungewiß ist. Darum seyt zu frieden / und glaubet / daß ich eure Tugend rühmen /eurem Raht folgen / und Melopharmis gleich wieder zu mir beruffen / auch eure wolgemeinte Erinnerung gnädig zu belohnen nicht vergessen werde. Bleibet ferner in eurem Thun getren / und befördert / durch euren klugen Raht meine Wolfahrt: biß ich diese jrrsame Erden-Bahn gesegne / und dieses Schloß / wie ich gesonnen / durch meinem Tod / zu einer Wohnung der Kunst und Tugend-suchenden Jugend / werde gemacht haben. Dieses war der Königin Antwort: auf welche die beyde Weißen wieder Abschied nahmen / und vor die gnädige Anhörung unterthänigen Dank ablegten. Wie mir aber diese Zeit über / unter den Tapeten zu muht gewesen / darf ich nicht erzählen / weil es ein jeder selbst muhtmaßen kan: dann ich hatte mich dergleichen Heimlichkeit nicht versehen / und muste immerdar fürchten / daß ich ertappet / und wegen solcher Vermessenheit / gestrafft werden möchte. Aber es traf sich viel besser: dann die Königin / gieng mit den Weißen / etwas über den Saal / in den Garten. Gleich aber / als diese hinweg waren / kam Eusephilistus von Soletten / der Königin aufzuwarten: mit welchem sie auf die Tafel-Stuben (weil es albereit Zeit zu speisen war) sich begabe / und mir also Gelegenheit machte / wieder hervor zu kommen. So bliebe Eusephilistus bey der Tafel? fragte Polyphilus. Freylich / (erwiederte der vom Adel) und über derselben ward auch die Heuraht mit der Erothemitis beschlossen. Dann als Eusephilistus die Königin fragte: Wie es doch mit der Liebe des Polyphili und Macarien beschaffen / und was er endlich davon glauben solte? sagte Atychintide: Diese beyde sind nicht mehr zu trennen! Wir haben uns eine zeitlang darwider gesträubet / befinden aber / daß nicht kan aufgelöset werden / was der Himmel zusammen gebunden. Darum suche ich nun selbst ihre Vereinigung / und will den Polyphilus förderlichst in der Macarie Armen wissen. So hast du nochmals recht / verdrüßlicher Warsager! sagte hierauf Eusephilistus Was ist dieses? (fragte die Königin) Man hat vielleicht den seltsamen Propheten auch angetroffen. Ach ja / gnädigste Königin! (versetzte Eusephilistus) er hat mir auf dem Weg / ungebetten eröffnet /was ich hier zu erforschen gesuchet: und darneben gerahten / daß ich / die jenige / welche mich in kurzem lieben würde / an stat Macarien erwählen solte / wo ich anderst eine glückliche Ehe verlangte. Und vielleicht ist dieses unsre Erothemitis: (sagte Atychintide) deren er gleichfalls / in wenig Tagen / einen jungen glückseeligen Freyer zugesagt? Eusephilistus lächelte hierauf / und sagte: Es würde ihm hierzu an Würde manglen. Er fienge aber gleich darauf an / die Erothemitis zu bedienen: und weil sie ihm / vielleicht auf des Weissagers Befehl / freundliche Augen gönnte /wird die Höflichkeit endlich zu Liebe / und noch gestern Abends / die Verlöbnus / mit der Königin grossem Vergnügen / zwischen diesen beyden aufgerichtet / welche auch in kurzem wird vollzogen werden. Hiernächst aber übergabe mir die Königin diesen Brief / mit Befehl / die Melopharmis und Tycheno /auch / wo es müglich / beyde Schäfere / mit nach Sophoxenien zu bringen. Sie hat den Brief / welches mich wundert / selbst geschrieben / und ist es billig /daß ihr / geliebte Freunde! ihrer Bitte stat gebet / und mit mir nach dem Schloß reiset. Dieses war die Erzählung des jungen Edelmanns /welche den Schäfern große Freude brachte / so wol wegen der Königin Gnade / als wegen der Verehlichung des Eusephilistus. Und weil Polyphilus vorhin den Befehl von Macarien hatte / die Königin zu versöhnen / entschlosse er sich neben den andern / mit dem Edelmann zu gehen / und die neue Braut zu besuchen. Sie nahmen demnach / von Cumenus / und ihren andern Gesellschafftern / auf etliche Tage Abschied / und giengen zugleich nach Sophoxenien. Auf dem Weg ergetzten sie sich / mit Bewunderung des seltzamen Warsagers / und fragte Polyphilus den Edelman: wo er denselben gefunden? weil er selbst nach dem Ort gehen / und wegen seines Glücks Bericht holen wolte. Als aber dieser sagte: daß er allbereit hinweg / und Eusephilistus ihn schon abreisend gefunden hätte / giengen sie vollends / mit heimlichen Gelächter / nach dem Schloße: aus welchem sie den Eusephilistus reitend gegen ihnen kommen sahen / der sie gar Ehrerbietig grüste. Polyphilus fragte die Melopharmis: wer dieser wäre? die zur Antwort gab: ob er seinen Feind nicht kenne? Ist diß Eusephilistus: (versetzte Polyphilus) so ist er in warheit viel ansehlicher / als ich vermeint / und glaube ich wol / daß Macarie noch etwas Liebe gegen ihm gehabt. Endlich kamen sie in das Schloß / und wurden von den Hof-Bedienten frölich empfangen / auch gleich zur Königin beruffen: die sie zwar gnädig / aber nicht sonders freundlich empfienge: dann der Melopharmis Beleidigung steckte ihr noch im Gehirn / und war sie zu dieser Widerholung / durch die Weissagung des Alten / und durch die Strafe ihrer Rähte / gezwungen worden. Doch dankte sie den Schäfern / daß sie ihr einsames Haus besuchen wollen / und fragte: Wie es ihnen bey der Heerde gienge / und warum Polyphilus so lang verziehe / seine Macarie heim zu holen? Als dieser zur Antwort gabe / wie daß er noch eine Reise nach Ruthiben thun müsse / wünschte sie Glück dazu / erzählte folgends / die unverhoffte Verlöbnis der Erothemitis mit Eusephilisto / und hieße sie zur Hochzeit kommen. Unterdessen war die Tafel bereitet / an welche sie sich auf der Königin Befehl sezten / und ungewöhnlich stattlich tractirt wurden. Dann Atychintide erwiese sich dißmal als eine Königin / und wuste ihre Hoheit so wol in acht zu nehmen / daß sich Polyphilus nicht wenig verwunderte. Dann biß daher war er nur einer verdrüßlichen Freundlichkeit von ihr gewohnet /die nichts dann Verachtung würket: wie dann die Liebe kein Ansehen gestattet / und verliebt und prächtig seyn / sich gar nicht reimet. Darum kame es ihme nun fremd vor / als er sahe / daß sie sich alles gemeinen Gesprächs und Gelächters enthielte / wenig und vernünftig redte / und sich in allen Stücken ernsthaft anstellte / so gar / daß sie dadurch bey ihnen allen eine furchtsame Ehrerbietung erweckte. Als sie endlich von der Tafel aufstunde / und nach ihrem Zimmer zur Ruhe sich begleiten lassen / hinterließe sie unsere Schäfer und die Melopharmis in großer Verwunderung. Dann so bald sie hinweg war /sagte diese gar traurig / zum Polyphilus: wie ihm der Königin Bezeugung gefiele? sehr wohl! (gab Polyphilus zur Antwort) sie agiret jetzt erst eine rechte Königin. Ich aber (versetzte Melopharmis) werde lang zu thun haben / ehe ich meine vorige Würde bey ihr wieder erhalte. Ach! Phormena hat sich wol an mir gerochen: Nimmermehr will ich ihr so viel Raum zu ihrer List lassen / sondern fein mit meinem Sohn hier bleiben. Das möget ihr thun / (erwiederte Polyphilus) wir aber wollen uns nicht lang aufhalten / sondern morgen / mit dem frühsten / wieder zu unsrer Heerde abreisen. Gedenket ihr indessen unser im besten / und berichtet zuweilen / was sich mit Eusephilisto zuträget / damit wir etwas zu lachen haben. Auf dieses wünschten ihr die Schäfer eine ruhige Nacht / und legten sich schlaffen. Des andern Morgens / giengen sie / so bald sich die Königin angekleidet / Abschied zu nehmen; da dann Atyd intide sich wieder etwas freundlicher erwiese /und den Polyphilus fragte: Warum er also von ihr eile? sie solten noch ein paar Tage verziehen. Als sie sich aber mit der Reise nach Ruthiben entschuldigten / wünschte ihnen die Königin Glück auf den Weg / und befahl dem Polyphilus / Macarien von ihr einen gnädigen Gruß zu bringen / und bald mit ihr Hochzeit zu machen. Polyphilus merkte / daß die vorige Liebe albereit wieder über die Hoheit siegen wolte / und es also Zeit war / sich aus dem Staub zu machen. Also schieden beyde Schäfer von der Königin / und nahmen hierauf auch Abschied von den Weißen / von Melopharmis und Tycheno / und den andern Hof-Bedienten: Da dann Phormena sich noch entschuldigte / wie sie alles / was vorgegangen / auf der Königin Befehl gethan hätte; welches die Schäfer / als ungehört / vorbey ließen / und sich auf den Weg begaben. 8. Absatz Achter Absatz Agapistus / mit Polyphilo zurück reisend / errettet seinen Bruder / den Pistimorus / von den Raubern: welcher sich für des Philomatus Mörder bekennet. Des Polyphilus Bericht-Schreiben hiervon / an Macarien . Eine Abenteur liefert ihm die Garine in die Hände / welche er / nachdem sie ihm vom Rondal / seinem Vatter / erzählet / für seine Mutter erkennet. Polyphilus und Agapistus musten durch einen Wald gehen / in dessen Mitten sie zwey Rauber ersahen /die einen armseeligen Menschen / mit geblößten Klingen / überfielen / auszogen / und alles des Seinigen zu berauben gedachten. Agapistus / dieser Gewaltthätigkeit zu wehren / lief eilend hinzu / und risse dem einen unversehens das Gewehr aus der Hand: deme Polyphilus folgte / und dem andern / mit seinem Schäfer-stock / eines auf den Kopf gab / daß er zur Erden sanke. Jener / als er sich unbewehrt / und seinen Gesellen auf der Erde sahe / gab geschwind Versengeld /und liefe behend in den Wald hinein. Dieser hingegen / nachdem er sich erholet / bate mit aufgehobnen Händen um sein Leben / und schwur / sie hätten nicht sein Leben / sondern nur seine Kleider zu rauben gesuchet. Polyphilus fragte den Beraubten: ob sie ihn verwundet? und als er mit nein geantwortet / färtigte er diesen noch mit einem paar Stöße zu dem andern ab / wendete sich hernach zu dem Erlösten / und fragte: Warum er sich gegen diesen Mördern nicht gewehret / da er doch den Degen an der Seiten hätte. Warum solte ich das verwehren / (gab der verbleichte Mensch / mit gebrochener Stimme / zur Antwort) was ich viel lieber befördern wolte? Ich weiß nicht / mitleidige Schäfer! ob ich euch danken oder anklagen soll / daß ihr dißmal meinen Tod verhintert /und mein unglückseeliges Leben verlängert. Meine verzweifelte Seele hatte sich schon auf den Ausgang gefreuet / und mit Freuden gewartet / biß die Schwerdter dieser Mörder / ihr / durch eine Wunden /die Thür ihres Gefängnusses eröffneten: Nun aber findet sie sich aufs neue mit tausend Aengsten gefässelt. Ein Leben / ohne Ruhe und Freude / ist viel unleidlicher / als der Tod selber. Derowegen geliebte Freunde! wer ihr auch seyn möget: vollbringet selbst / was eure Gewogenheit dißmal verhintert / und nehmet diesem Mörder das Leben / welches er vorhin andern genommen; oder / übergebet mich den Innwohnern der Insel Soletten / auf daß selbige den Tod des Philomathus an mir rächen mögen. Wie? (fienge Polyphilus hierauf an) so hast dann du den Philomathus / meinen getreuen Freund / er mordet? Niemand anders / als ich / (sagte der Beraubte) hat ihm den Odem geraubet / und seine Seele mit dem Blut ausgeschüttet. Hilf Himmel! was höre ich? (sprach Polyphilus) Ach Philomathus! allergetreuster Philomathus! soll ich deinen Mörder vor mir sehen /und faul seyn / deinen Tod zu rächen? Ich wolte / dich Ehrvergeßnen Schandbuben / diesen Augenblick erwürgen / wo ich nicht hoffte / durch deine eigne Bekäntnus / die Solettische Innwohner zu stillen / und den Argwahn / welchen sie wegen dieses Mords in mich gesetzet / auszutilgen. Aber / sage doch / du Erz-Bößwicht! was dich bewogen hat / einen unschuldigen Mann vorsetzlich zu ermorden? Die Ursach / (gab der halb-todte Mensch zur Antwort) ist viel heiliger und gerechter / als die That selber; ein Irrtum / und keine Boßheit / hat mich in dieses Laster verleitet / und indem ich gedachte / eine gerechte Rache zu üben / bin ich in diesen Frevel gefallen. Ich bin kein Mörder / sondern ein junger Ritter /von vornehmen Adelichen Eltern geboren / und habe /nachdem ich fremde Länder zu sehen ausgereiset / an dem Fluß Peneus / einen mit den Wellen streitenden und ertrinkenden Ritter / so kläglich über den Philomathus schreyen hören / daß ich nicht anderst mutmassen konte / als daß selbiger an seinem Tod Ursach wäre. Weil ich mich dann / durch die ritterliche Pflicht / verbunden hielte / diesem Sterbenden Hülffe zu leisten / und wann ich seinen Tod nicht hintern könte / doch wenigst denselben zu rächen / begab ich mich vollends in die Insul / und fragte im Gasthof nach des Philomathus Stand und Zustande. Ich bekame von dem Wirt die Antwort: wie daß er / wegen eines verlornen Fremden / in dem Verdacht eines Mords wäre. Dieses nun vermehrte meine Einbildung / und erhitzte meine Rachgier / welche mit vollen Flammen ausschluge / als ich des Nachts / in meinem Bette / (welches / zu grossem Unglück / nächst an des Philomathus Kammer stunde) diesen eine hefftige Klage über den Tod des Polyphilus (also hieße der Ertrunkene) führen hörte / in derer er sich selbst den Urfächer seines Todes nennte. Ich ward so eifrig hierüber / daß ich die baufällige Wand durchborte /mit meinem unseeligen Dolchen ihm die Brust durchrennete / und nach so-vermeinter heilig-schöner That /wieder aus der Insel eilete. Nach der Zeit aber / habe ich von einem Innwohner verstanden / daß dieser Philomathus / des Polyphilus bäster Freund gewesen / und hatte er seinen Tod /weil er dadurch seiner beraubt worden / beklaget. Auf diesen Bericht / fühlte ich solche Qual in meinem Gewissen / daß ich Farb und Gestalt verlohre / und / wie ihr mich sehet / als ein Schatten herum gewandert. Ich war auch willens / mich den Solottischen Inwohnern selbst vorzustellen: aber meine verwirrte Sinne haben mir die Straße unbekandt gemacht / daß ich so lang in der Irre gelauffen / biß mich diese Rauber angesprenget / und vielleicht ermordet / wo es euer Mitleiden nicht verhintert hätte. Polyphilus / welcher kaum das Ende dieser Erzählung erwarten können / fiel dem Ritter um den Hals /und sagte: Ach! vergebet mir / geliebter Freund / daß ich euch so unhöflich besprochen / da ich euch vielmehr danken sollen. Ich bin Polyphilus / den ihr in den Wellen gesehen / und dessen Tod zu rächen / ihr in dieses Unglück gerahten. Darum begehre ich nun auch Antheil an euren Schmerzen zu haben / wie ihr an den Meinen / und so lang ich diese Seele habe /will ich nicht aufhören / eurer Treue zu verehren. Lasset nur keine solche Verzweiflung in euren Gedanken herrschen / sondern glaubet / daß der Himmel dieses Mords schon vergessen / welcher die Tugend zum Grunde gehabt. Ein heiliger Vorsatz / kan durch keinen Irrtum in Laster verkehret werden / und die Göttliche Gerechtigkeit richtet alle unsre Werke nach dem Herzen. Also tröstet mich eure Freundlichkeit / leutseeliger Polyphilus! (gab der Ritter zur Antwort) und wann meine beklemmte Brust noch einiger Freude fähig /solte sie billig aus eurer Findung eine Bewegung empfinden. Aber ich bin todt / ehe ich sterbe. Und was nutzet dem Poilomathus meine Erhaltung / der durch meinen Grimm ermordet ist / und dessen Blut wider mich Rache schreyet. Gebet euch zu frieden /wehrter Freund! (versetzte Polyphilus) Philomathus lebet in der Ewigkeit / und hat nicht Ursach / den jenigen zu verfolgen / der ihm dieses jrrdische Elend verkürtzet / und ihn vor der Zeit zum Frieden gebracht hat. Nehmet an den lebenden Polyphilus / vor den verblichenen Philomathus / und versichert euch / daß derselbe mein Leben / durch seinen Tod / gern würde erkaufft haben. Kommet mit mir / und meinem Gesellschaffter / Agapistus / zu unsrer Heerde / und sehet / wie euch unser Schäfer-Leben gefalle. So bald der Ritter den Namen Agapistus nennen hörte / wendete er sich gegen denselben / und sagte: Verzeihet mir / günstiger Erretter! daß ich frage / ob ihr den Namen Agapistus führet? Ich weiß nicht anderst: antwortete Agapistus. Seit ihr dann (fragte der Ritter ferner) allezeit unter den Schäfern gewesen? ach nein! (versetzte Agapistus) der Schäferstock grünet noch nicht lang an meinen Händen / sondern ich habe solchen vor kurzem / meines liebsten Polyphilus länger zu genießen / angefasset / und bin sonst in Ritterlichem Stande geboren. Kennet ihr dann auch (erwiederte der Ritter) den Pistimorus: Ich weiß nicht /ob mich das Glück / durch euren Namen bescherzet /oder warhaftig erfreuet? Solte ich diesen nicht kennen? (sagte Agapistus) welchen ich so lang / auf mei ner Eltern Befehl / gesuchet? Er ist mein Bruder / geliebter Ritter! und wann ihr mir von ihm einige Nachricht geben könnet / werdet ihr mich hoch verbinden. Ihr begehret Nachricht / von dem jenigen / (sagte der Ritter) welchen ihr selbst / aber gar unglücklich /vor euch sehet. Wie? (versetzte Agapistus) seyd ihr Pistimorus / mein Bruder? Ach! allerliebster Bruder! soll ich euch in so jämmerlichem Zustande vor mir sehen! Mit diesen Worten / fiel er ihm um den Hals: Dann die aufwallende Threnen ließen ihn nicht fortreden. Polyphilus kunte / über dieser Begebenheit / sich gleichsfalls des Weinens nicht enthalten: Dann er sahe da Seufzen und Lachen / Schmerzen und Ergötzung / Traurigkeit und Freude / in des Agapistus Herzen / wettstreiten. Dann / wann der die unverhofte Findung seines liebsten Bruders betrachtete / so regte sich sein Herze: so bald er aber dessen erbärmlichen Zustand ansahe / wurde es wider nidergeschlagen. Doch behielte letzlich / auf des Polyphilus Zusprechen / die Freude den Sieg über die Betrübnus / und bemüheten sich die beeden Schäfer / den Ritter Pistimorus zu trösten. Sie fasten ihn in die Mitte / und suchten alle die Gründe hervor / welche sein bekümmertes Herz befriedigen / und die Entleibung des Philomathus entschuldigen kunten. Agapistus erinnerte ihn / wie sehnlich ihrer beyder Eltern nach ihnen seufzen würden /weil sie ihn / seinen Bruder zu suchen / ausgeschicket / und er auch ohne denselben nicht wieder kommen wollen: daß sie also beeder beraubet wären / und mit unbeschreiblichen Freuden ihre Widerkunft sehen würden. Es erzählte auch Polyphilus / daß er sich /wegen der Solettischen Innwohner / nicht zu fürchten habe / weil aller Argwahn dieses Mords auf ihm beruhe / er aber ihren Grimm nicht mehr achte. Hierauf eröffnete er ihm alles / was er schon deßwegen erlitten /biß sie / unter diesem Gespräche zu ihren Schäfern kamen. Sie verkündigten ihnen des Agapistus Freude / über seinem gefundenen Bruder: Die dann ihre Freude hinzu setzten / und ihm deßwegen Glück wünschten. Dieser bate nun den Polyphilus / ihm zu erlauben /seinen Bruder nach Haus zu führen / ehe seine Eltern vor Kummer ihr Leben enden möchten. Polyphilus führet ihn zur Seite / und sagte: Wollet ihr mich dann verlassen / ehe ich völlig mit Macarien vereinigt bin? Gedultet euch doch nur so lang / biß ich von Ruthiben wieder zurück komme / und meine Liebste ihren Eltern vorgestellet habe. Ich thue wie ihr befehlet: (versetzte Agapistus) aber eilet doch mit selbiger Reise /damit nicht / wegen eurer Freude / die meine verdunkelt werde. Ich will jetzt gleich (sprach Polyphilus) an Macarie schreiben / und derselben / unsre Verrichtung zu Sophoxenien / auch zugleich diese Reise / kund machen. So bitte ich aber / (begegnete ihm Agapistus) nichts von meinem Bruder und seiner Mordthat zu gedenken / damit er nicht von den Inwohnern möchte angehalten werden. Ach! was darffs dieser Bitte? (antwortete Polyphilus) ich wolte lieber selbst sterben /als den bekümmerten und getreuen Pistimorus in Unglück bringen. Also giengen sie wieder zu den Schäfern / und mit denselben / weil es nun Abend / nach Hause / da Polyphilus an Macarie / dieses Schreiben verfasste. Allerliebste! Bleichwie ich die Zierlichkeit ihres Liebsten Briefleine bewundert / also muß ich auch desselben Klugheit rühmen. Es ist freylich also / schönes Kind! daß die Tugend durch die Widerwärtigkeit sieget / und die Ehre durch die Demut steiget. Jenes erweiset / die Uberwindung des verfolgenden Eusephilistus / dessen lächerliche Verehlichung sie allbereit wird vernommen haben. Dieses hingegen bekräfftiget die Gnade der Königin zu Sophoxenien / welche ich durch ihren vernünfftigen Raht erhalten. Sie hat uns nicht allein gnädig empfangen / und prächtig bewirtet / sondern auch mit solcher Freundlichkeit uns abgefärtigt / daß sie zu unser Verlöbnus Glück gewünschet. Diese Ehre nun / wie sie von ihrer Weißheit herrühret / also lege ich sie billig zu ihren Füßen / und sage schuldigen Dank vor ihren glückseeligen Raht: mit Versicherung / demselben künftig allezeit willig zu gehorsamen. Damit ich aber dessen völlig genieße / will ich die Reise nach Ruthiben / so bald ich ihre Verlaubnus erhalten / antretten / und daselbst verhoffentlich so viel erhalten / daß Eusephilistus nicht allein seyn soll / der seines Wunsches genießet / sondern auch Macarie endlich Ruhe erhalte / in den Armen Ihres Ewigliebenden Polyphilus . Diesen Brief / schickte Polyphilus / durch einen Schäfer-Knaben / auf das Lusthaus Macarien / und ließ dem Gärtner befehlen / solchen alsbald auf Soletten zu senden: er aber bemühete sich / mit Agapisten /den noch immer betrübten Pistimorus frölich zu machen / und giengen sie mit dem Cumenus und Filato spaziren / üm / bey so heiteren Tag / auch das Gemüte dieses Ritters aufzuklären / und ihm die Gegend des Landes zu zeigen. Als sie aber / an dem Fluß Peneus /etlicher Fischer gewar wurden / setzten sie sich auf einen Hügel / und betrachteten die anmutige Landschafft / und sahen den Fischern zu / wie sie ihre Nahrung sucheten. Indem komt ein grosses Schiff / in vollen Flammen / daher gefahren / in welchem sich die Leute heftig bemüheten / entweder den Brand zu leschen / oder an Land zu kommen. Es war wunderlich anzusehen /wie sich / die sonst widerwärtige zwey Elemente / zu Verderbung der Sterblichen vereiniget / und das Feur wider seine Natur im Wasser brannte / und dadurch fast mehr entzündet / als geleschet wurde. Die Schäfer erschracken sämtlich über diesem Anblick / noch mehr aber / als sie eine (dem Ansehen nach) vornehme Weibs-Person aus dem Schiff springen sahen /die / dem Feur zu entfliehen / sich ins Wasser wagte /und ihr Leben einem geringen Bret vertrauete. Sie hatten groß Mitleiden mit dieser Unglückseeligen /und erbaten die Fischer / daß sie mit ihrem Nachen hinzu fuhren / und sie erretteten. Also ward dieses halb-todte Weibs-bild / mit großer Mühe / in das Schiff / und durch dasselbe ans Land gebracht. Als sie ihre halb-gebrochene Augen wieder eröffnet / und ihre Geister aus den Todes-Aengsten gerissen hatte / sahe sie sich um / und sagte mit schwacher Stimme. Ach Philomathus! wo bist du? soll ich ohne deine Hülffe leben / so wäre mir der Tod viel erträglicher. Damit sanke sie / aus Tod-Schwachheit wieder zur Erden. Die Schäfer hingegen / welche / an dem Ufer / auf diese Armseelige gewartet / so bald sie den Namen Philomathus gehöret / wurden nicht wenig bestürzt /und glaubte sonderlich Pistimorus / diese müste mit ihren Sinnen / allbereit unter den Todten gewandelt /und den Geist Philomathi erkennet haben: Polyphilus fragte die Onmächtige / nach wem sie verlange? Nach dem Philomathus von Soletten / (gab sie etwas munderer zur Antwort) ach! helffet / geliebte Freunde! so ihr jemals die Bitte einer bedrangten Weibs-Person beachtet / daß dieser Elende / welcher / gleich mir / in dem brennenden Schiff gefangen ligt / erlöset werde. Wie die Schäfer über dieser Rede erstaunet / ist nicht zu beschreiben. Sie wusten / daß Philomathus todt war / und hatten dessen Ermorder bey sich. Sie hielten endlich dafür / diß müste Charons Nache / oder sonst ein höllisches Schiff seyn / in welchem die abgeleibte Seelen herum irreten. Sie stunden so erschrocken / als verwundert / vor dem Weibsbilde / welche auf ihre Kniehe fiele / und nicht abließe / um die Errettung des Philomathus zu bitten. Letzlich beschlosse Pistimorus / diese Abenteur zu wagen / und sagte / er wolte diesen Philomathus sehen und retten / oder mit ihm verderben. Also gaben sie den Fischern Geld / sie dem Flanden Schiff nachzuführen / und saßen in einen Nachen / Agapistus / Pistimorus und Filato mit denen Waffen / so sie bey der Hand hatten. Polyphilus / der / aus einer heimlichen Natur-Regung / das errettete Weib nicht verlassen kunte / hieße sie vorsichtig fahren und verfahren / satzte sich mit dem Cumenus zu dieser Frauen / und fragte / als er den Kahn aus den Augen verlohren: was es vor ein Schiff / aus welchem sie gesprungen / und wie sie dar ein gerahten wäre? Diß heisset mit wenig Worten /viel gefragt! (gab die Frau zur Antwort) doch das erste zu beantworten / so wisset / geneigte Schäfer! daß dieses ein Raub-Schiff ist / welches viel Gefangne führet / und nun / durch Unachtsamkeit der Ruder-Knechte / oder vielmehr durch Göttliches Straf Verhängnis / in Brand gerahten / elendiglich verderben muß. Wie ich aber in dasselbe kommen sey / solches bedarf einer langen Erzählung / und will ich eure Ohren / mit Eröffnung meiner Unglücks-fälle / nicht belüstigen. Genug ist / daß ihr sehet / wie ich / von Menschen und dem Glück verlassen / nichts als ein trauriges Ende meines kümmerlichen Lebens zu hoffen habe. Polyphilus / welcher mit dieser Nachricht nicht vergnügt war / sondern eine mehrere Erklärung wegen des Philomathus verlangte / bate die Frau gar bewegl ch / sie wolte ihr doch nicht beschwerlich fallen lassen / den Anfang dieser ihrer Gefängnus / weil sie doch auf ihre Gesellschaft warten müsten / zu eröffnen. Könten sie ihr mit keinem Raht an die Hand gehen / so wolten sie doch wenigst Mitleiden mit ihren Schmertzen haben. Eure willfährige Rettung / freundliche Schäfer! (gab die Verlaßne zur Antwort) erfordert eine höhere Vergeltung / als diese / und das Gesetz der Dankbarkeit erlaubet mir ferner keine Entschuldigung / weil der Freunde Bitten ein Befehl ist. Wisset demnach /geneigte Freunde! daß der Anfang meines Lebens viel glückseeliger / als dessen Fortgang gewesen: weil ich nicht allein von edlen und vermögenden Eltern erzeuget und erzogen / sondern auch / nach erwachsenen Jahren / mit einem Ritter / meines gleichen / verehlichet worden / auch mit demselben in so vergnügter Liebe gelebet / daß ich nichts als die Beharrlichkeit wünschen kunte. Aber das Glück handelt öffters mit uns / wie die Adler mit den Schild-Kröten / und führet uns nur deßwegen in die höhe / damit es uns hernach desto tiefer stürtzen möge. Also fiele auch ich in einer Stunde / von der höchsten Staffel der Glückseeligkeit / in die tiefste Gruben des Elendes. Dann als wir auf einer Reise / welche mein Liebster zu einem seiner Freunde thun wolte / begriffen / und mit allem dem / was unserm Stande nötig / versehen waren /begab sichs / daß wir / wider alles Vermuten / von einer feindlichen Partey Reuter angesprenget und bestritten wurden. Rondal / (also hieße mein Liebster) so bald er sich übermannt sahe / bate mich / um aller Liebe willen /mit unsern einigen fünfjährigen Söhnlein / welches wir mitführten / zu entfliehen: er wolte versuchen / ob er / von diesen Soldaten / mit Freundlichkeit und Geld sich loß kauffen könte. Ich sprange / seiner Bitte zu gehorchen / aus der Kutschen / und liefe mit dem Kinde / indem sich die Reuter meines Mannes und der Knechte bemächtigten / in tausend Aengsten / durch den Wald: und als ich / zu Ende desselben / einen Schäffer weiden fande / übergab ich ihm das Knäblein / samt einem Ring und einer Hand voll Kronen /mit Bitte / dasselbe / biß zu meiner Widerkunft / zu verwahren. Als ich hierauf wieder zurücke kehrte /fande ich meinen Liebsten / allbereit überwältigt /(dann ein Schwerd vermochte nicht wieder so viele zu siegen) und mit seinen eignen Pferden gefangen davon führen. Er winkte / so bald er meiner ansichtig worden / ich solte zu rück bleiben. Aber die Soldaten waren nicht auch mich zu fangen / und ich begehrte auch nicht zu fliehen / weil ich viel lieber mit meinem Rondal gefangen / als ohne ihn frey seyn wolte. Also wurden wir etliche Tage durchs Land geführet / und endlich auf eine Vestung / dem Konig in Thesallien zuständig / in Verhafft gebracht. Dieses Schloß bewahrete ein mehr hoffärtig- als behertzter Ritter: Der ließe uns vorfordern / und befragte uns wegen unsers Standes und Landes. Rondal / der es vor Unedel hielte / sein Geschlecht und Vatterland zu verlaugnen / bekandte aufrichtig / wer und woher er wäre / und bote benebens eine ansehliche summa Gelds an / sich damit loß zukauffen: Aber dieser stoltze Befehlshaber / wolte von nichts als Gefängnus hören / und als Rondal alle die Höflichkeit / und Demut / welche er jemals gelernet / hervor suchte /und gar inständig um seine Freyheit bate / wurde dieser aufgeblasene Ritter dadurch nur stutziger / wie jener Esel / der das Bild der Göttin Isis tragend /ihm / die dem Bildnus gethane Ehre fälschlich zugeeignet: also bildete ihm auch dieser dölpische Beampte ein / daß alle die Ehrerbietung / welche Rondal seinem Amt und Kleid erwiese / sein eigen wäre / und erzeigte sich so hochmütig / daß wir nichts dann hönische / und verächtliche Antwort von ihm erhielten. Also vergaße Rondal endlich aller Gedult / und warff ihm etliche spitzige Worte in die Haut / sagte auch ungescheut: daß er lieber sterben / als einem solchen Feugen-Mämmen / der hinter der Mauer trotzete / länger zu Fuß fallen wolte. Da hat er meine Natur gehabt / (gedachte Polyphilus) und scheinet aus allen Umständen / daß er mein Vatter gewesen. Hier ware nun (sagte sie ferner) alle Hoffnung unsrer Erlösung in den Staub geleget / und ließ der erzürnte Ritter / seine Rache über diese Ungedult / so empfindlich sehen / daß er uns lange Zeit gefangen hielte / ehe er seinen König hiervon berichtete; und thäte er solches endlich mit so viel Verleumdungen /daß er Befehl erhielte / uns streng zu verwahren. Wie elend wir diese Zeit über gelebet / bedarf keines Erzehlens / weil es ein jeder selbst ermessen kan. Das bäste war / daß wir einander liebten / und aus Liebe eins das andere trösteten. Rondal bekümmerte sich meist um seinen Sohn: ich aber gabe ihm immer die Hofnung / er würde wol versorgt seyn. In solchen Aengsten / haben wir lange Zeit vergeblich auf Hülffe gewartet / und wurde Rondal so verzweifelt / daß er sich vielmals ermordet / wann ihn nicht meine Liebe davon verhintert hätte. Letzlich aber traf es sich / daß der König diese Vestung besuchte: bey welchem wir /durch unsern Hüter / der gleichfalls der Tyranuey seines Obersten müde war / und mit unserm Elend Mitleiden hatte / heimlich so viel zu Weg brachten / daß er uns vorfordern / und nach Anhörung unsrer Unschuld / auch des Ritters Bestraffung / loß ließe. Es schiene nun / als ob das Glück ausgewütet / und uns nun der vorigen Gunst wolte genießen lassen. Aber es war nur ein betrüglicher Blick / mit welchem uns diese Boßhaftige aufs neue in ihre Stricke brachte. Nach diesem letzten Glantz / gienge das Liecht meiner Freuden gantz aus / und hinterließe mich in dicker Finsternus. Dann als wir auf der Heimreise begriffen waren / verirrten wir uns / als der Strassen unwissend / in einem Wald / da wir unversehens / von einem grimmigen Tiger-Thier angefallen wurden: wider welches mein Rondal mit seinem Degen so lang stritte / biß er es todt zur Erden legte. Es hat ihn aber diese Bestie / durch einen Sprung / so gefärlich in die Seite verwundet / daß das Blut häufig heraus drange /und er ganz kraftloß zur Erden sanke. Ich bemühete mich / mit allem / was ich bey mir hatte / das Blut zu stillen / und sprache ihm nach allem Vermögen tröstlich zu: er aber ward je länger je onmächtiger / und gab endlich / als er mir seinen Sohn anbefohlen / und einen kläglichen Abschied genommen / in meinen unseeligen Armen / seinen Geist auf. Bey dieser Erzehlung / wurden die Augen dieser bekümmerten Frauen zu Bächen / und bewegten gleichfalls die beyde Schäfer / sonderlich den Polyphilus / zum Weinen. Wie mir (fuhre sie endlich fort) ihr mitleidige Schäfer! bey solchem jämmerlichen Zufall /zu Muht gewesen / kan ich nicht anderst als durch diese Threnen / welche mir vor die Zunge dienen / erzehlen: Ich liefe ganz verzweiffelt im Wald hin und her / beklagte mein Verhängnus / fluchte meinem Unglück / und gedachte mit meinem Schreyen ein wildes Thier herzu zu locken / daß es mich / gleich meinem Rondal / zerrisse. Aber der Tod fliehet die / so ihm nachlauffen / und eilet denen nach / welche vor ihm fliehen. Ich sprange bald mit Füßen in das ertödtete Tiger / und wolte meine Rachgier an demselben sättigen; aber es lag ohne Empfindlichkeit. Bald fiele ich wieder onmächtig auf meinen erkalteten Liebsten /und vermeinte die ausgefahrne Seele wieder zurück zu ruffen: aber er blieb ohne Bewegung. Endlich ergriffe ich / voll Unsinnigkeit / den noch blutigen Degen /und suchte damit mein Schmerzen zu enden / würde mich auch ohne Zweifel / in solcher Raserey ermordet haben / wann nicht / durch die Vorsehung des Himmels / ein bescheidener Wandersmann solches verhintert hätte: welcher / als er die Ursach meiner Verzweiflung hörte / mich / mit vielen Tröstungen / zur Gedult und dem Göttlichen Willen still zu halten /vermahnete. Er brachte auch den blutigen Cörper /meines ewig-geliebten Rondals / zur Erden / und fragte / wohin ich meinen Weg nehmen wolte? Als ich zur Antwort gab / daß ich in der Gegend Brunsile noch einen Sohn hätte / geleitete er mich auf selbige Straße / und nahm hernach von mir / mit noch gar beweglichem Zusprechen / seinen Abschied. Ich vermeinte / in selbiger Landschafft meinen Sohn zu finden / und meinen verblichenen Rondal /durch denselben / etlicher massen wieder zu beleben. Aber das Unglück / welches mir alle Strassen zu meiner Vergnügung verhauet / hatte mir auch diesen Trost geraubet: Dann als ich meinen Sohn / von dem Schäfer / dem ich ihn vertrauet / wieder abforderte /berichtete mich selbiger / wie daß mein Sohn / vor kurzer Zeit / den Schäferstok von sich geworffen / und Kunst und Tugend in der Welt zu erlernen / sich in die Welt begeben. Also fande ich wieder Ursach /mein Elend zu beweinen: und wird es mir auch in warheit eher an Threnen / als deren Ursach / ermangeln. Dann so offt ich an die grösse meines Leides denke / so überlaufen mir meine Augen mit Wasser /und kan ich fast nicht aufhören / mein Verhängnus zu beklagen. Hier fieng die gute Garine (also nennte sich diese Edle) abermal an / ihre Threnen-Brunnen zu öffnen /und bewegte dem Polyphilus dermassen / daß er sie nicht länger ohne Trost lassen kunte / sondern zu ihren Füßen fiele / und mit weinender Stimme sagte: Stellet das Klagen ein / meine Mutter! und trucknet eure Wangen: Hier habt ihr den Polyphilus / euren Sohn / welchen ihr bey dem Brunsilischen Schäfer gelassen / und dessen Verlierung ihr jetzt beweinet. Vergebet mir / daß ich / durch meine Abreise / unwissend euren Schmertzen gehäuffet / und erwartet von mir künftig alle Dienste und Gehorsam. Vergesset den Tod Rondals / meines seeligen Vatters / weil ihr nun wieder von ihm seinen Sohn habet. Polyphilus küssete der weinenden Garine hiermit die Hand / welche hierob so freud-bestürtzt wurde /daß sie nicht zu antworten wuste. Sie sahe den Polyphilus unverwandt an: Dann die Zeit und der Wachstum hatte ihr denselben fast unkäntlich gemacht. So bald sie sich aber seiner erinnerte / fiele sie ihm um den Hals / und hieße ihn mit vielen Küßen willkomm seyn. Sie dankte hiernechst dem Himmel / vor diese glückliche Stunde / deren Ergetzung aller überstandenen Widerwertigkeit vorziehend. Cumenus / welcher dieser Begebenheit / nicht ohne Entsetzung / zugesehen / bewunderte die Göttliche Vorsehung / und wünschte diesen beeder tausend Glückseeligkeit. Er sagte auch zu Polyphilo / daß er den Himmel unaufhörlich anflchen wolle / ihn dergleichen Glück / in Findung seiner Tochter Macarie / vor seinem Tod sehen zu lassen. Ichzweifle ganz nicht / (erwiederte Polyphilus) daß ich die Macarie bald in den Armen des Cumenus finden werde. Uber diesen Wunsch /ließe Cumenus einen tieffen Seufzer / und vergaßen sie bey solcher Freude / der Garine fernern Erzehlung Raum zu lassen. 9. Absatz Neunter Absatz Agapistus und Pistimorus / erretten eine Person von den See-Raubern: die sich für den Philomathus zu erkennen gibet / und dem Polyphilus nachmals erzehlet / wie ein anderer für ihn erstochen worden. Nachdem Garine in ihres Sohns Schäfer-stand gewilliget / poetisirt er von seinem Glück / und bekomt einen Brief von Macarien . Polyphilus wolte gleich wieder anfangen / seine Frau Mutter zu fragen: wie sie in das Schiff gerahten / und was er von dem Philomathus halten solte? als er seine Gefärten / in ihrem Schiff / wieder daher fahren sahe /die er zu empfangen aufstunde. Es hatten dieselbe /als sie dem brennenden Schiff nachgefahren / solches schon gescheitert / und einen Theil von den Raubern /an der andern Seite des Flusses gefunden / auch von denselben den Philomathus begehret. Selbige hatten sichzwar dessen erstlich gewegert / als man ihnen aber mit der Obrigkeit gedrohet / aus Furcht ihnen diesen Gefangenen abfolgen lassen: welchen die Schäfere / nicht ohne Bestürtzung / ihn lebendig zu sehen / in ihren Nachen genommen / und also mit ihm davon gefahren. Philomathus / so bald er sich aus der Rauber Händen / und in Sicherheit sahe / fieng an / den Schäfern vor ihre willfärige Errettung hertzlich zu dancken /und fragte: Was sie bewogen hätte / einem Unbekanten so gefährliche Hülffe zu leisten / und wer ihnen seinen Namen eröffnet? und als Agapistus ihm erzehlet / wie die Frau / so aus seinem Schiff gesprungen /und durch sie ans Land gebracht worden / inständig um des Philomathus Errettung gebeten / sagte er: Ach! so lebet auch Garine noch / und ist / gleich mir /durch euch erhalten worden? so habe ich ja doppelten Dank abzulegen. Aber saget mir doch / leutseelige Schäfere! in welcher Gegend ich mich befinde? In der Landschaft Brundois: gab Agapistus zur Antwort. Hilf Gott! (versetzte Philomathus) sind wir der Insel Soletten so nahe? wie soll ich dem Himmel / vor seine Vorsehung / gnugsam danken? Nun hoffe ich / der betrübten Garine / ihren Polyphilus bald zu zeigen. Uber dieser Rede / wurde Agapistus und Pistimorus ganz verwirret / und wiewol schier keiner so kühn /ihn ferner zu fragen / so kunte doch Agapistus sich dessen endlich nicht enthalten. Vergebet mir / mein Herr! (sagte er) daß ich frage /wer dieser Polyphilus sey / von welchem er saget /und wo er sich aufhalte? Ich habe denselben / (erwiederte Philomathus) als einen Schäfer / gekennet / und verlassen / wiewol er nicht also geboren ist. Was er aber jetzt sey / kan ich so eigentlich nicht wissen /ohne / daß ich gehöret / er befinde sich bey der verwittibten Königin zu Sophoxenien. Er ist aber der betrübten Garine / welche ihr aus den Wellen gerissen /ihr einiger Sohn / den sie zu suchen ausgereiset. Ist Polyphilus ihr Sohn? (gab Agapistus zur Antwort) so wird sie ihn bereit erkandt und gefunden haben: denn er ist nicht mehr zu Sophoxenien / sondern weidet unter uns Hirten. Ach! was höre ich? (begegnete ihm Philomathus) hat Garine ihren Sohn schon bekommen? so habet tausend Dank vor eure Hülffe. Ach Himmel! soll Philomathus noch heute seinen Polyphilus sehen? so hast du dann wohl vor uns gewachet. Sind dann (fragte Agapistus) zween Philomathen in der Insel Soletten? Ich weiß sonst keinen / (versetzte Philomathus) der meinen Namen führet. Wie hat dann (fragte Agapistus ferner) Polyphilus mir erzehlet / daß Philomathus von einem Unbekandten ermordet worden / und daß er noch diese Stunde / den Solettischen Inwohnern / wegen dieser Entleibung / wiewol unschuldig / im Verdacht sey? Diese Meynung / (antwortet Philomathus) ist aus einem Irrtum hergeflossen / indem ein anderer vor mich ermordet worden /wie ich dem Polyphilus weitläuffig erzehlen will. Indem Agapistus ferner fragen wolte / waren sie eben am Ufer / allwo Polyphilus / mit seiner Mutter Garine / und dem Schäfer Cumenus / ihrer wartete. So bald Philomathus ausgestiegen / wolte er den Polyphilus umarmen: der aber erschrocken zurück wiche. Erschrecket nicht / mein Polyphilus! (ruffte Agapistus) dieser ist kein Gespenst / sondern der warhafte Philomathus. Hierauf fiel er ihm gleichfalls um den Hals /und sagte: Ach allergetreuester Philomathus! darf ich euch noch lebendig sehen / den ich längst / als todt /beklaget? Haltet mich doch nicht auf / mir das Wunder zu erzehlen / welches euch aus dem Grab genommen / und meinen Armen wieder gegeben hat. Philomathus lachte / und sagte: Ich bin niemals im Grab gelegen / geliebter Polyphilus! wie ihr aus der gemeinen Erzehlung glaubet / sondern der Himmel hat mich wunderlich erhalten. Lasst uns nur zusammen sitzen /daß ich euch diese Begebnis erzehle. Polyphilus führte den Philomathus zur Seite / und bate / nichts von Macarie zu gedenken / weil ihr Vatter / der sie verloren / zugegen wäre / deme er / mit ihrer wunderbaren Findung / grosse Freude zu machen gedächte. Als sie hierauf an dem Ufer sich niedergelassen /fienge Philomathus also an zu reden. Wann ihr euch wundert / wehrte Freunde und Erlösere! wie ich ermordet / und doch lebendig; begraben / und doch zugegen seyn könne? so wisset / daß ein einiger Irrtum /diese ganze Verwirrung würke. Dann als ich euch /geliebter Polyphilus! an den Peneus-strande vergeblich gesuchet / und glauben muste / daß ihr / entweder von einem wilden Thier wäret zerrissen / oder von den Wellen ersäufft worden / geriehte ich in solche Traurigkeit / daß ich nicht wuste / wo ich mich lassen solte: zumal bey der Einbildung / daß meine Nachlässigkeit / indem ich euch allein gelassen / (welches aus Furcht der Inwohner geschehen) die Ursach eures Verderbens wäre. In solchem Kummer / gelangte ich nach Hause / und gedachte / durch den Schlaf / meinen Gedanken zu entfliehen. Aber ich fande auch in der Ruhe so gar keine Ruhe / daß ich vielmehr ängstiger wurde / und mich ohne unterlaß / als euren Mörder anklagte. Ich stunde dennoch wieder auf / und vermeinte / bey meinen Büchern Trost zu holen / hielte mich auch in meinem Cabinet so lang auf / biß ich merckte / daß mir der Verzager der Sorgen seine Dienste anbieten wolte. Wie ich mit dem Liecht in die Kammer gienge /fande ich daselbst / mit unbeschreiblichem Schrecken / einen blutigen Cörper in meinem Bette liegen /und vermeinte nicht anderst / als daß dieses der ertödete Geist des Polyphilus wäre / der seinen Tod zu rächen / käme. Ich wiche deßwegen erstaunet zurücke /trate aber nach kurzer Besinnung wieder hinzu / und erkannte / daß dieses kein Gespenst / sondern ein menschlicher Leib ware / welcher / mit einer Wunden in der Brust / in seinem Blut geweltzet / starr todt lage. Wie sehr ich erschrocken / könnet ihr selbst mutmassen / weil ich vorhin in der höchsten Betrübnus war. Ich wuste nicht / ob ich diesen Mord offenbaren / oder verschweigen solte / weil beydes gefährlich schiene. Ich bemühete mich / den Ermordeten zu erkennen / und fande einen Dolch bey ihm ligend /und neben dem Bette in einer Ecken seine Kleider /derer Armseeligkeit von seinem geringen Zustand zeigte. Ich suchte weiter / und fande in denselben einen Brief / aus dessen Innhalt ich verstunde / daß der ertödtete einer von denen Meuchel-Mördern und Waghälsen ware / die einen andern / um Gelds wegen / zu ermorden / kein Bedenken tragen. Dann es hatte ihm / einer von meinen ärgsten Feinden / auser der Insel / geschrieben / und darinn diesen Schelmen gebetten / mich heimlich hinzurichten / mit Versprechung einer grossen Belohnung. Ich wuste nun nichts anders zu schließen / als daß dieser in meine Kammer geschliechen / und nachdem ich aufgestanden / meine Stelle eingenommen / willens / so bald ich wieder käme / mit dem bey sich habenden Dolche / meines Feindes Befehl zu vollziehen. Nur dieses kunte ich nicht errahten / wer ihn erstochen hätte. Dann ob ich wol erstlich gedachte / er würde aus Verzweiflung /sein eigner Mörder worden seyn / so muste ich daran zweiflen / weil ich an dem Dolche nicht das geringste Blut sahe. Was solte ich nun machen? Alles zu eröffnen / hielte ich wohl für das aufrichtigste: aber weil mir der Inwohner Eigensinnigkeit und scharffes Recht bekannt war / muste ich besorgen / daß ich / weil ich den Mörder nicht stellen kunte / als selbst für denselben hätte mögen gehalten und angehalten werden. So wäre auch der Brief ja so bald zu meiner Beschuldigung / als Entschuldigung / anzuziehen gewesen. Den Cörper heimlich zu begraben / ware auch bedenklich / in dem ich hierdurch / wann es nach langer Zeit wäre offenbar worden / abermals hätte in Verdacht kommen können: Also erwählte ich das sicherste / und gedachte / so lang die Insel zu fliehen / biß ich erführe / wie es mit diesem Handel abgelauffen. Zu diesem Ende verstellte ich mich mit des Ermördeten Kleidern: verbarge den Brief / und Dolch in einem heimlichen Winkel des Hauses / und begabe mich mit frühsten aus der Insel. Als ich mich nun an einem sichern Ort sahe / ließe ich mich wieder kleiden / (dann ich hatte die Notturft an Gelde zu mir genommen) und fieng an / etliche Städte und Länder zu durchreisen / damit ich die Zeit nicht unnützlich zubrächte. Aber in solcher Wanderschaft / kam ich mit einem Solettischen Inwohner zu reden / und fragte denselben / was er neues von Haus mitbrächte? Dieser erzählte mir wie daselbst einer / Namens Philomathus /vor kurzer Zeit ermordet / und begraben / und Polyphilus / ein fremder Schäfer / vor den Thäter angehalten worden / welcher / der Verhaftung zu entfliehen /sich in den Fluß gestürtzet / aber nicht ohne Wunder /in demselben erhalten / und mit dem versenkten Schloß Sophoxenien wieder hervorgekommen wäre. So bald ich nun hörte / daß der erstochene Mörder an meiner statt begraben / und Polyphilus noch bey Leben wäre / nahme ich mir vor / zu ihm zu reisen /und alsdann auch den Solettischen Inwohnern unsern Zustand zu entdecken. Zu diesem Ende / begab ich mich in ein Schiff / welches nach der Gegend Tempe segelte. Wir wurden aber / von dem widerwärtigen Wind / so sehr verfolget / daß wir an der Landschaft Brunsile Anker werffen und aussteigen musten / biß sich der Sturm geleget. Wir funden daselbst / die damals betrübte / jetzt aber erfreute Garine / welche bate / sie auf das Schiff zu nehmen / so auch geschehen. Unterwegs / als wir wieder abgefahren / merkte ich aus ihren Gebärden / und Seufzen / daß sie ein großes Anligen hätte / und fragte: wohin sie gedächte? Das weiß Gott! (gab sie traurig zur Antwort) Ich habe einen Sohn bey den Schäfern verlassen / der meiner Widerkunft nicht erwartet / sondern / Kunst und Tugend in der Fremde zu erlernen / abgeschiffet ist. Diesen / wie er das einige ist / das mein Leben noch unterhält / gedenke ich durch alle Länder zu suchen / und entweder seine Beywohnung / oder den Tod zu finden. Ich hatte Mitleiden mit der betrübten Frauen / und fiel mir gleich eure Erzehlung ein / geliebter Polyphilus! welche mit dieser gar genaue zutraffe. Darum fragte ich ferner / wie ihr Sohn hieße? und als sie geantwortet / Polyphilus: fieng ich an / sie mit der Zeitung zu trösten / daß er noch bey Leben /und daß ich eben jetzt zu ihm reisete / auch ihn bald in ihre Arme liefern wolte. Hierüber wurde Garine höchst erfreuet / und sagte mir tausend Dank / hoffte auch nun ihren Sohn bald zu sehen. Aber das Unglück wolte ihr noch einen Tuck beweisen / und sie das letzte von ihrer Grausamkeit sehen lassen. Dann wir wurden bald hernach von einem Raub-Schiff angefallen /und / nach vergeblichen Widerstand / gefangen genommen. Garine / als sie nun zum andernmal sich gefangen sahe / stellte sich so verzweifelt an / daß ich nit Worte genug finden kunte / sie aufzurichten. Und ob mich wol / der Verlust meiner Freyheit / selbsten über alles kränkte / so vergaß ich doch fast meines eignen Elends / und war nur bemühet / der armen Gärine Trost beyzubringen. Die Rauber hingegen / lachten unsrer Threnen / und baueten / aus unserm umgeworffnen Glück / die Stuffen ihrer Ergötzung: wusten aber nicht / daß ihr Verderben so nahe / und daß der Himmel / durch ihren Untergang / unsere Errettung würcken würde. Dann ihr Schiff geriehte / durch sonderbare Strafe Gottes / kurz hernach in Brand / mit welchem sie nun / nicht nur die Gefangene / sondern auch das Nest ihrer Rauberischen Beute / verloren. Als Philomathus ausgeredet / fiele ihm Pistimorus zu den Füßen / und bate demütig um Vergebung seines Verbrechens. Philomathus / der nichts hierum wuste / hube ihn auf / und sagte: Ich weiß nicht /Edler Ritter! was ich dem jenigen verzeihen soll / der sich nie an mir versündiget? Ich hab Hülfe / und keine Beleidigung / von euch empfangen / und deßwegen mehr Ursach / zu danken / als zu vergeben. Polyphilus legte sich zwischen die beyde / und erzählte Philomathus / was sich mit dem Pistimorus begeben / und wie derselbe / aus übereiltem Eifer / seinen Tod zu rächen / den jenigen ermordet / welcher von jederman für den Philomathus gehalten worden. So hat er dann / wie ich vernehme / (sagte Philomathus) mich zweymal beym Leben erhalten / und mich also zu doppelten Dank verpflichtet. Was ist es dann / daß er abbittet / da er Lohn fordern solte? Der gnädige Himmel / hat / durch diesen Irrtum / mir die Sicherheit /dem Meuchel-Mörder die Strafe seiner Laster / euch aber / Edler Ritter! die Tugend der Vorsichtigkeit / ertheilen wollen. Dapferkeit ist keine Vermessenheit /und unser Mitleiden soll sich durch Gerechtigkeit /nicht durch die Selbst-Rache erweisen. Doch es ist alles wol abgelauffen / und wird nun das bäste seyn /daß wir sämtlich nach Soletten reisen / und selbigen Inwohnern das Wunder meiner Erhaltung / und den billigen Tod meines Mörders / so wol durch Vorlegung des Briefes und Dolches / als durch dieses Ritters eigne Bekenntnus / vorlegen / damit Polyphilus hinkünftig ihres Argwohns befreyet / Pistimorus aber an seiner Heimreise nicht gehintert werde / und ich selbst meine einsame Ruhe wieder erlange. Polyphilus bate / sie mögten diese Reise so lang aufziehen / biß er von Ruthiben / da er eine nöthige Verrichtung hätte / wieder zurücke käme / er wolte sie über etliche Tage nicht aufhalten. Indem sie alle ihm dieses zusagten / fragte Garine: Was er zu Ruthiben suche? und als er zur Antwort gab: Eine Beförderung / und vielleicht zu einer Vorstehers Stelle unter den Schäfern: fragte sie ferner: ob er dann ein Schäfer bleiben / und nicht mit ihr in sein Vatterland ziehen wolte? Ach! meine Mutter! (gab Polyphilus zur Antwort) ich habe so viel Ungemach im Ritterlichen Stand erlitten / daß ich dem Himmel gelobet / nimmermehr aus diesem Orden zu tretten. Ich bitte demnach / daß sie dieses Gelübde durch ihren Beyfall billigen wolle. Ich genieße in demselben so viel Vergnügung / daß ich Ursach habe / dessen Beharrlichkeit zu verlangen. Ich weiß / wann sie eine zeitlang bey uns verbleibet / daß sie nicht mehr das unruhige Getümmel der Städte verlangen / noch die Gefahr des Adelsstande achten / sondern der Welt ihr betrügliches Glück lassen / und auch ihre Vergnügung unter den Schäfern suchen wird. Garine stutzte etwas über dieser Rede / und vermeinte / es wäre ihrem Stande verkleinerlich / wann sie ihren Sohn unter den Schäfern lassen solte. Aber Cumenus (der durch einen Wink von Polyphilus verstanden / daß er sich seiner annehmen solte) sagte: sie solte ihrem Sohn diese Bitte nicht verwegern / sondern gedenken / daß der Schäferstand vielhöher sey / als er von hoffärtigen Hofleuten geachtet würde; massen viele von denen / welche zum Regiment geboren worden / den Zepter von sich geworfen / und dagegen den Hirtenstab genommen hätten. Er selbst / ob er gleich nicht von den Höchsten / wäre doch nicht in diesem Orden / sondern unter den Edlen gebohren / hätte aber die Vergnügung vor den Titel /und die Ruhe vor das Wappen erwählet / wüste auch /daß sie selbst noch dieses Sinnes werden / und unter den Schäfern weiden würde. Das will ich weder bejahen noch widersprechen / (versetzte Garine) indessen aber meinem Sohn seine Freyheit lassen / und sehen /wie man unter den Hirten lebet. Polyphilus erfreute sich über diese Antwort / noch mehr aber / als er hörte / daß auch Cumenus einer von den Edlen / und also seine Mutter destoweniger Ursach haben würde / seine Verehelichung mit Macarie zu hintern. Weil er dieser seiner Hirtin Antwort sehr verlangte / als ohne welche er nicht abreisen wolte /verließ er die Gesellschaft beysammen / und gienge /unter dem Vorwand / seine Reise anzuordnen / nach Macarien Lusthause / in Hofnung / ihren Brief zu erhalten. Unterwegs dachte er dieser angenehmen Begebenheit mit Verwunderung nach / dankte der Vorsehung des Himmels / und schnitte in die Rinde eines Baums folgendes Sonnet. Beherrscher dieser Welt / Fürst über alle Götter! Durch dessen weise Macht sich ordnen alle Ding? Ach! höre gnädig an / wie ich dir dankend sing / Vor deine Wunder-Hülf / du mächtiger Erretter! Du hast nun ganz gestillt das ungestümme Wetter / So / daß ich meinem Kahn vergnügt ans Ufer bring. Ja / HErr! du bist zu groß / und ich bin zu gering. Hätt ich so manche Zung / als diese Baume Blätter / Sie würden deinem Ruhm doch viel zu wenig seyn. Drum raum ich dir mein Herz / voll deines Lobes / ein. Ach! laß dasselbe dir / ein süßes Opfer heißen. Vollende / was bißher geführet deine Hand: Damit Macarie / wer / wie sie heist / erkandt / Und ich / mit ihr vereint / dich ewig möge preisen. Eben war er in dem Schneiden des letzten Wortes begriffen / als er den Gärtner-Jungen gegen ihm kom men sahe / und von demselben den Brief seiner Liebsten erhielte / der also gelautet. Mein Herz! Wie mich / die unbillige Verfolgung / der Königin zu Sophoxenien / in nicht geringen Kummer gesetzt; also erwecket nun / ihre wieder-erlangte Gnade / bey mir desto grössere Freude. Den allzu grossen Dank aber /welchen seine Höflichkeit meinem einfältigen Raht beyleget / wollen wir / mit viel besserm Recht / dem gnädigen Himmel aufopfern / als dessen Gütigkeit allein unsre Anschläge zum verlangten Ziel bringet: demütig bittende / daß er ferner seine Verrichtungen segnen / und die vorgenommene Reise glücklich wolle vollführen helffen. Damit also seine Liebe / der Vergnügung des Eusephilistus / nichts bevor lasse /und ich Gelegenheit erlange / seine beständige Gewogenheit mit dankbarer Gegen-Gunst zu erwiedern / die ich indessen mit stätigem Andenken verehre / biß ich mit recht heißen kan Seine vergnügte Macarie . So bald Polyphilus diesen Brief erhalten / verfügte er sich wieder zu seinen Hirten / sprachte mit ihnen von unterschiedlichen Sachen / und ergetzte sich mit ihrer Gegenwart / biß der Abend herbey kam / und sie sämtlich zu ihren Hütten eilten. Polyphilus bate den Cumenus / seine Gäste wol zu tractiren / nahm hernach von ihnen sämtlich Abschied / und versprache /mit nächsten wieder bey der Herde zu seyn. Selbige Nacht aber / schliefe er bey seinem Agapistus / welcher zu ihm sagte: Nun möchte ich wissen / was Macarie thun würde / wann sich Polyphilus anstellete /als wann er sie verlassen / und eine andere lieben wolte. Jetzt könte man ihre Treu ohne Gefahr prüfen da Eusephilistus schon eine andere anbetet: und würde sie / wann sie darüber sich erzürnte / durch die Vorstellung ihrer Eltern / leicht wieder zu begütigen seyn. Polyphilus lachte dieser Rede / und gab zur Antwort: Er wäre der Treue seiner Macarie vorhin versichert / und hätte keiner Prüfung vonnöten. Gleichwol dachte er diesem Raht nach / und nahm ihm vor / eine Künheit zu wagen. Nachdem er nun Agapisten gesegnet / gienge er mit dem Hirten-Knaben in die Gegend Ruthiben / und besanne sich unterwegs / wie er diese Liebes-Probe am füglichsten zu Werk richten möchte. Zu Ruthiben ward er von den Schäfern wol empfangen / und alsbald zu einem Vorsteher in selbiger Gegend bestättiget. 10. Absatz Zehender Absatz Macarie wird von einem Traum erschreckt / und vom Polyphilus / auf die Probe gesetzet. Sie beantwortet sein Schreiben / klaget / und fraget den Gegenhall. Sein zweytes Schreiben / und erdichteter Bericht / wie er gezwungen werde / sie zu verlassen. Ihre Unlust /und Antwort. Er kommet zu ihr auf ihr Lusthaus / und begütiget sie wieder mit der Erzehlung / daß er ihre Eltern und den Philomathus gefunden. Inzwischen nun Macarie der Wiederkunft ihres Liebsten begierig erwartete / hatte sie in der Nächte einer einen Traum / welcher ihr nicht wenig Nachdenken machte. Sie sahe den Polyphilus mit grossem Gelächter zu ihr kommen / und einen Kranz von Perlen in Händen halten / als sie solchen / (ihrem schlaffenden Bedünken nach) in die Hand fassete / wurde sie gewar / daß die Perlen ganz verkehrt und sich in Rosen verwandleten / worüber sie erwachet. Diesen Traum erzählte sie ihrer Dienerin Nabisa / und als selbige sagte: daß die Perlen allezeit Threnen bedeuteten / fieng sie an sich zu betrüben / fürchtend / es möchte ihrem Polyphilo / auf seiner Reise / ein Unglück begegnen. Sie fühlte auch eine ungewönliche Bangigkeit des Hertzens / deren sie / durch die Seufzer / Luft machte / und keine Tröstung kräftig fande /wie aus diesen Zeilen / welche ihr die Verwirrung ausgepresset / abzumercken ist. Man sagt zwar sonst: Wer viel von Träumen hält / Verwickelt sich mit Lügen / Und muß sich selbst betrügen. Doch / warnt auch oft ein Traum / Eh uns das Unglück trifft. Nicht alle Träum verführen. Ach Himmel! ich besinn mich kaum / So fängt sichs an / in mir zu rühren. Mein Herz sagt mir was vor / es ist zu hart gequält. Es scheint / als ob mein blöder Geist / Vor dem Verhängnus wolte fliehen / Das mich / so grausamlich / gedenkt zu überziehen / Ach wie beschwert ist diese Brust! Und weiß doch nit / warum? die Seele muß es sehen / Die reiner ist / als ich / und zeiget Qual und Lust / Die sich gedenken uns zu nähen. In diesen unruhigen und bestürzten Gedanken / erhielte Macarie einen Brief vom Polyphilus / welchen er durch den Schäfer-Knaben überschickte / dieses Inhalts. Allerliebste! Ich vermag nicht zu beschreiben / wie sehr mich nach ihren liebsten Brieflein verlanget / weil ich in denselben all meinen Tröst suche. Dann was meinet mein Herz / wie ich / auf diesem Gebürge / herum geführet werde / da ich fürchten muß / daß mich ungefehr ein Sturmwind / so ohne das den hohen Klippen gefährlich / in eine Unglücks-Grube herunter stürze / oder auch ein leiser West-Wind fremder Höflichkeit /durch sein anmutiges Rauschen / dergestalt verleite /daß ich / an statt eines kühlen Lüfftleins / vergifftete Bitterkeit schöpffen müße. Hätte ich nun den schönen Buchstaben / als den versicherten Zeugen ihres Andenkens / zu meinem Gefärten / könte ich solchen /vielleicht nicht vergebens / den stürmenden Winden zum Widerstand / der sanfftwehenden Luft der liebsuchen den Höflichkeit aber / zum Betrug / und mir selbsten zur Behutsamkeit setzen: welche meine Augen in ihren Worten / mein Gedächtnus aber bey ihr allein / von allen andern abgewendet / bleiben hieße. Sonsten ists nicht ohn / daß man auf hohen Bergen / die Reiche der Welt sehen kan / und stehet ein fester Grund / wo die Felsen den Bau erhalten. Auch liebet man den Pracht der hohen Spitzen / weil sie der Sonne näher steben. Die Finsternus wohnet in den Wäldern: aber das Liecht beglänzet / was erhaben stehet. Zwar es trohet dem / der die Felsen ersteiget /ein gefährlicher Fall: allein / weil die besteinte Felder auch Blumen tragen / findet man in ihrem Begriff /eben wol einen Augentrost / oder das Blümlein je länger je lieber / welches uns der Beständigkeit versichert. Das ists / schönstes Herz! was mich auf diesem felsichten Gebürge bißweilen tröstet / oder vielmehr aber betrübet. Sie aber erhalte den Ruhm ihrer Treue /und gebe mir durch ein Brieflein zu wissen / wie ich einer besiegenden Gewalt / ohne Verlust der Freyheit / ja wohl gar des Glückes und der Ehre / widerstreben / und die fast geschlossene Fessel zerreissen könne. Mein Schatz lehre mich auch / ob die Liebe dem Glück / oder dieses jener / am nützlichsten vorgezogen werde: Und ob die Ehre / ohne die Beständigkeit / auch eine Ehre zu nennen sey / Ich verbleibe inzwischen Der beständige Polyphilus . Hier hatte nun Macarie die Auslegung ihres Traums /und kunte ihr keine andre Gedanken machen / als daß Polyphilus / mit ihrer Verspottung / eine andere lieben / ihr aber damit die Ursach der Threnen überlassen würde. Liebe und Eifer / Zorn und Verlangen /fiengen an ihr Gemüte zu bestreiten und brachten sie dergestalt aus ihr selbst / daß sie nicht wuste / was /oder wie sie antworten solte? Weil aber der Junge um einen Brief stark anhielte / und sich nicht wolte auf halten lassen. Also fasste sie endlich ihre zerstreute Sinne wieder zusammen / und schriebe (damit sie Polyphilo alle Entschuldigung seiner Untreu benehmen möchte) folgendes. Mein Herz! Wann meine Zeilen so glückseelig wären / ihm einige Ergätzung zu bringen / wie feine Höflichkeit rühmet /so würde ich sie mit viel grösserer Freude empfangen / als ich jetzt thue / da ich fast nicht weiß / wie ich sein Brieflein beantworten soll / theils aus Bestürzung / theils auch aus Verwunderung / daß die ewigsteiffe Sinnen / in sowenig Tagen / sollen wankend gemacht worden seyn. Er darf nicht entdeckter reden /weil ich zuvor schon mehr verstehe / als ich beliebe /so kan ich ihm auch keinen Raht ertheilen / der nicht entweder vor lasterhaft / oder parteylich solte angesehen werden. Ich empfehle ihm demnach / an meiner statt / zur Rabtgeberin / die Edle Tugend selber: Diese lasse er seine Entschließung begleiten und regieren. Mich soll niemand / auch nicht eines andern Laster / von ihrem Dienst verleiten: und wie ich / aus Begierde zur Tugend / und aus Furcht wider dieselbe zu handeln / bißher so manches Glück ausgeschlagen / und so manches Unglück besieget / also bleibe ich ewig Die beständige Macarie . Mit dieser Antwort ließe sie den Jungen wieder ablaufen / sie aber bliebe in so unruhigen / und bestürzten Gedanken / daß kein anders Gemüte / als der Tugend-befesteten Macarie / solche ohne Verzweiflung würde erdultet haben. Soll ich dann glauben / (gedachte sie) daß Polyphilus so vermessen sey / eine andere / als Macarie / zu lieben? ist es auch müglich / daß er /aller Tugend vergessend / seine Seele mit so abscheulicher Untreu beflecke? Nimmermehr kan ich mir einbilden / daß dergleichen Boßheit in dem Tugend-liebenden Herzen des Polyphilus herrschen soll. Doch /was ist beweglicher / als die unvorsichtige und wollüstige Jugend? Was können große Verheissungen und prächtige Ehren-Stellen bey hochgesinnten und stolzen Gemütern nicht ausrichten? Der Rauch der Hoheit / vermag auch die aller-verständigste Augen trüb zu machen / daß sie das Liecht der Tugend nicht erkennen. Was ist es dann Wunder / daß die noch wachsende davon erblinden? Zwar der Atychintide Liebe hat er meinetwegen ausgeschlagen: aber wer weiß /wann es eine junge und schöne Prinzessin gewesen /ob er sich so beständig rühmen könte? Dieser Königin Holdschaft war mehr eine Arzuey wider die Liebe / als Entzündung derselben zu nennen. Zu Ruthiben hingegen wird er von dem Blümlein je länger je lieber / mehrere Befeurung haben. Ach / Himmel! wie habe ich mich betrogen / daß ich Polyphilo getrauet / der schon so vielmals mit fremder Liebe angefochten worden. Doch habe ich auch seine Beständigkeit / durch viel Widerwärtigkeit geprüfet / und ohne falsch gefunden. Was muß doch für eine Vollkommenheit seine Sinne verblenden / daß er nun zu wanken gedenket? Ich weiß nicht / was ich davon halten und glauben soll. Ist seine Bekantnus warhaftig / so hätte er / in warheit / seine Boßheit nicht empfindlicher ausüben können / als eben zu der Zeit / da Eusephilistus mit einer andern sich verlobet / und mich /wegen dieses untreuen Liebhabers / gnug verlachen wird. Ich werde sehen / (sagte sie endlich) wie seine Antwort lautet / und habe Ursach / solche häftig zu verlangen. Dieses waren der Macarien Gedanken: in derer Verwirrung sie einen Spazir-gang erwählte / sie desto freyer zu unterhalten. Als sie / vor ihrer Insel / gegen einem Felsen kam / und in ihrem Gemüte so gar keinen Raht wider diese Begegnis zu finden wuste / fieng sie an / bey dem Gegenschall Hülfe zu suchen / und also mit ihm zu reden: Echo! gönn mir deine Lehre / Und verschaff / daß ich dich höre / Echo. Ich höre. Will Polyphilus / im hassen / Nun / auf ewig mich verlassen? Echo. dich verlassen? Fragst du noch / und wilt nicht sehen / Was am hellen Liecht geschehen? Echo. nicht geschehen. Sagst du du dieses von dem Lieben / Das sein falsches Herz getrieben? Eche. Scherz geschrieben. Was? Er scherzt / im fremden Schoße / Du vertritst ihn nur / du Lose! Echo. Du Lose! Nimfe / schweig! ich bin betrübet. Zeig davor / was jener übet? Echo. Er liebet. Ja! das will ich nicht bestreiten: Aber nicht zu meinen Freuden: Echo. Deinen Freuden. Hierauf wuste Macarie eben so wenig als zuvor /gieng derhalben ungedultig wieder hinweg / und schluge sich noch eine zeitlang mit ihren Gedanken. Als sie / am Abend / nach Hause kam / fande sie daselbst / wider Verhoffen / den Hirten-Knaben / der einen Brief von Polyphilus brachte / welchen sie erbrache / und darinn dieses lase. Tugend-gezierte Macarie! Dieselbe wolle sich nicht wundern / daß ich / wider meine Gewonheit / dieses befremdlichen Tituls mich gebrauche / oder vielmehr zu gebrauchen genötiget werde. Dann der zweifelhafte Zustand / darinn mein unglückseeliges Lieben anjetzt bestehet / leidet nicht mehr / die jenige mit verliebten Worten zu grüßen /die ich zu lieben aller Orten / auch von dem Himmel selber / (wie es scheinet) abgehalten werde. Es ist mir zwar ihr schönes Brieflein / aber zu unseeligen Händen / eingeliefert worden: weil ich / über dem Schatz ihrer getreuen Liebe / in viel größere Bestürzung gerahten / als ich jemals über derselben Erlangung mich ergötzet. Ach Himmel! hast du mir dann eine Freude gegeben / zur Betrübnus? also sehe ich / wann ich die felsichte Spitzen / von denen keine Bahn / ohne durch das gestürzte Glück / herab führet / betrachte. Warum bin ich nicht auf ebnem Feld geblieben / da ich keinen Fall zu fürchten hatte? Ich kan leicht besinnen / daß sie sich / allerwürdigste Macarie! hierüber entsetzen wird / darum ich auch fürchte / entdeckter zu reden. Doch was fürchte ich? schreib nur / unglückseelige Feder! daß nie einem Sterblichen ein verwirrteres Glück / als mir / begegnet. Ach! daß der Kiel nie geschnitten wäre / der die Worte ausgießen muß / daß Polyphilus / seine Schöne / und so herzlich geliebte Macarie verlassen soll. Vergebet mir / Tugend-Edle Macarie! diese Untreu / und entschuldiget den Zwang mit meinem Widerwillen. Ich Unseeliger! es solte mich ja die vielfache Widerwärtigkeit / so unsrer Liebe allezeit verhinterlich / oder zum wenigsten beschwerlich gewesen / gnugsam unterrichtet haben /daß der Himmel ein Mißfallen trage an unserer Verbündnus. Aber ich wolte auch wider die Unsterblichkeit streiten / darum trage ich nun den verdienten Lohn davon. Ich bekenne gern / daß ich unwürdig sey / neben ihrer Hoheit zu stehen / weil ich nicht so beständig die Tugenden verehre / und in die Zahl der jenigen komme / die das Glück und die Ehre / durch Laster bauen. Weil ich nun diesen verzweifelten Schluß erwählen muß / wird sie sich / schöne Macarie! desto leichter befriedigen / und meiner vergessen können / weil sie weiß / daß ich nicht mehr sey / der ich vor dem gewesen. Auch wolle sie dabey gedenken / wie vielen und schweren Sorgen sie entnommen werde / wann ich mich ihrer äusern muß: es fället damit die Furcht / es zerrinnt die Ungewißheit meiner Jugendlichen Liebe / und bleibet dagegen die Freyheit / einen andern aus so vieln zu erwählen / der die Stelle ersetze / die ich bißher durch ein blindes Glück und unwürdig besessen. Wird sie auch an den bösen Namen / und an die Feindseeligkeit gedenken / welcher ich in ihrer Insel unterworffen bin / wird sie Ursach genug haben / sich hierüber mehr zu erfreuen /als zu beklagen / und mich desto weniger verdenken /daß ich mein Glück und Ehre bey denen suche / da ich angenehm gehalten werde. Aber / was werde ich vor einen Ruhm bey ihr hinterlassen? Untreu verdammet doch / und Falschheit verdienet den Nachklang einer geschändeten Ehre Doch tröstet mich die erkante Gedult / die ich so oft an ihr gerühmet. Auch versichere ich sie / treffliche Mcarie! daß ich sie dennoch lieben will / weil ich nimmermehr glauben kan / daß der Zwang die Herzen binde / und der Erwählung vorgehen könne. Ja / meine Beständigkeit zu erweisen / erbiete ich mich noch mit ihr alles zu dulten / von dem Thron der Ehren freywillig abzutretten / und ihr verpflicht zu bleiben. Aber mit was Nutzen? Soll ich ihrentwegen verachtet / verstoßen / und von meinen Feinden verspottet werden? Wie viel erträglicher ists /einen Dank vor alle erwiesene Freundschaft und Liebe geben / und deren zu vergessen / die ich ohne mein Verderben nicht lieben; hingegen diese annehmen /die mich auf ben Sitz der Ehren heben kan / und nun schon gehoben hat. Ich bitte sie demnach / tugendliche Macarie! sie wolle meiner / aber ohne Feindschaft / vergessen / und an meine statt einen andern erwählen / der würdiger sey / in ihren Armen zu ruhen. Wo nicht / so berichte sie mich eiligst / was ihre Meynung sey / ob sie mich lieber glücklich verlassen / oder unglücklich lieben wolle? Ich will ihr Folge leisten. Kan es aber seyn / daß sie mich lasse /so bitte ich nochmals / mir alle Unhöflichkeiten / so ich jemals gegen ihr begangen / zu vergeben / und mir zu erlauben / eine höfliche / schöne / und mit allen weiblichen Tugenden gezierte Dame / die mich so hoch und herzlich liebet / daß ihr die Gegen-Liebe zu versagen unmüglich / zu lieben. Sie wolle auch /schöne Macarie! des jenigen im besten gedenken / der gern / wan ns ihm der Himmel nur gönnte / biß ins Sterben verharren wolte / wie er nun einer andern seyn muß / Ihr gehorsamer und getreuer Polyphilus . Hat sich jemals das Gemüt Macarien von den Bewegungen unruhig befunden / so ist es in warheit dißmal gewesen. Wer auch die Liebe des Polyphilus biß daher betrachtet / und seine vorige Briefe neben diesen leget / wird bekennen müssen / daß sie sich billig vor dieser Untreu entsetze / welche wenig ihres gleichen findet. Sie kunte den vermessenen Brief / vor Schrecken und Bestürtzung / nicht zu Ende lesen /und wurde von Zorn / Eifer / und Ungedult dermassen bestritten / daß sie sich kaum besinnen kunte. Doch scheuete sie den Hirten-Jungen / und wolte in seiner Gegenwart keine Klage hören lassen / sonderlich weil sie sahe / daß er ihre Gebärden sehr genau beobachtete / und davon ohne Zweifel dem Polyphilus Bericht geben solte. So kunte sie auch noch nicht glauben /daß Polyphilus eine andere lieben / und sie verlassen werde / ob gleich sein Brief solches aufrichtig gestunde / sondern sie haftete in der Mutmassung / er werde sie mit diesem Vorgeben nötigen wollen / ihn um seine Liebe zu bitten / das sie nicht willens war. Dann / (gedachte sie) wer wolte den Polyphilus zwingen / eine Fremde zu ehelichen / wann es nicht seine eigne Erwählung thäte? solte es aber diese seyn /warum könte er nicht andere Entschuldigungen vorwenden / als einen so unglaublichen Zwang? Und was dörfte er so einen verächtlichen Abschied von mir nehmen? In warheit / wäre Polyphilus in eine andere verliebt / er würde gewiß andere Ursachen ersinnen /ohne Verletzung seiner Aufrichtigkeit / von mir loß zu werden. Vermeinet er vielleicht mich auf diese Weise zu erzürnen / und zu bewegen / daß ich auf seine Handlungen schelte / und ihn in meiner Verbindnus zu bleiben nötige? das soll er wohl nicht erleben. Ist aber seine Untreu gewiß / so behüte mich der Himmel vor einem so lasterhaften Liebhaber. Ist sie aber / wie ich gänzlich glaube / wegen einiger Ursachen / erdichtet / so schwöre ich / diese Künheit nicht ungerochen zu lassen. Polyphilus soll erfahren / daß Macarie nicht gewohnt sey / dergleichen Beschimpfungen zu dulten / und daß sie die Einsamkeit / wel che sie bißher geliebet / noch ferner lieben könne. Von überflüssiger Süssigkeit wird gemeiniglich die Galle erreget: Und aus allzugroßer Freundlichkeit fließet vielmals die Verachtung. Ich will künftig meine Liebe zurück nehmen / welche Polyphilus also verschwendet / und dörfte ihm schier gar keine Antwort zu schicken. Damit legte sie den Brief von sich / und befahl dem Jungen / er solte den Polyphilus ihrentwegen grüßen. Als aber selbiger nicht abließe / um eine Antwort zu bitten / weil er ohne dieselbe nicht ablaufen dürfte /fasste sie letzlich die Entschließung / ihm etliche Zeilen mitzugeben / und schriebe folgendes. Edler Polyphilus! Ob ich wol ein günstigers Ende meiner Liebe gehoffet / und einen solchen Brief nicht vermutet hätte / so muß ich dennoch rühmen / (wann anderst der Ruhm bey den Lastern stehen kan) daß er das kalte Eyß des Hasses / nicht mit erdichten Flammen einer Passion zu bedecken suchet / sondern seine Untreu öffentlich bekennet. Nun ist einmal die gleißnerische Glut ausgeloschen / und der Betrug geoffenbaret. Ich stelle es dahin / mit was vor einer Ehre er diese Ehre von deren / die er rühmet / besitze / und wünsche / daß er glückseelig fahren / und aller der Zufriedenheit / welche von solchen Thaten zu hoffen / genießen möge. Eine jede Tugend / belohnet sich selber. Ich aber will / nun ich durch den Fall klüger worden / die Seulen der ewigen Einsamkeit viel vester setzen / und gelährter Leute Bücher zu meinen Liebsten erwählen /welche viel getreuer sind als die Menschen selber /und mich auch im Tod nicht verlassen werden. Ihr aber ruhet sanft in dem Schoß eurer neuen Liebsten /und bleibet mit ihrer Erlaubnus ingedenk Der betrognen Macarie . Wie nun Macarie dieses Brieflein gesiegelt / und dem Jungen eingehändiget / sagte selbiger: Es ließe Polyphilus bitten / sie möchte ihm erlauben / nur etliche Worte mit ihr zu reden / er wolte entweder auf ihr Landgut / oder gar in die Insel kommen / nachdem sie ihm befehlen würde. Ist dann Polyphilus nicht zu Ruthiben? fragte Macarie. Nein / (versetzte der Junge) er ist heute wieder zu den Hirten / in die Landschaft Brundois / abgereiset / und erwartet daselbst ihren Bericht. Warum hast du mir dann dieses nicht zuvor gesagt? fragte Macarie ferner. Als der Junge antwortete / es hätte ihm Polyphilus solches zu thun verboten /biß er ihren Brief würde erhalten haben: merkte sie /daß dieses eitel Betrug gewesen / und wurde noch ungedultiger / daß Polyphilus sie so freventlich quälte. Ich habe (sagte sie zu dem Jungen) seine Meinung in dem Brief schon gelesen / und beantwortet / und habe mehrers nicht mit ihm zu reden. Schöne Macarie! (begegnete ihr der Junge) er bittet nur um etliche Worte /und wird / dafern sie ihm keinen Ort zur Unterredung durch mich benennen lässet / gewiß morgen hier seyn. Macarie dieses vernehmend / fürchtete / es möchte seine Gegenwart wieder neue Händel zu Soletten anrichten / gabe demnach dem Jungen / mit etwas erhitzten Worten / zur Antwort: Sie würde ohne das auf ihr Landgut reisen / und / wann er ja etwas notwendiges mit ihr zu reden hätte / daselbst sich finden lassen. Damit nahm der Junge seinen Abschied / und brachte das Schreiben dem Polyphilus: der eben von Cumenns und den Schäfern / auch von seiner Mutter Garine / und den andern Freunden / empfangen und beglückwünschet wurde. Selbiger entsetzte sich über dessen Inhalt / und bewunderte die Tugend und Treu seiner Macarie / nunmehr sorgfältig / wie er diese seine Vermessenheit wieder aussöhnen möchte. Wie hat dann Macarie / (fragte er den Jungen) bey Lesung meines Briefs / sich angestellet? Sie hat solchen (sagte dieser) etwas ungedultig auf die Seite geleget /und mir gar keine Antwort geben wollen / doch endlich / auf mein inständiges Anhalten / Gegenwärtiges ertheilet. Soll ich dann (fragte Polyphilus ferner) nach Soletten kommen / mit ihr zu sprächen? Nein! (versetzte der Junge) sie wird in ihrem Gartenhause zu finden seyn: Wie bald aber / das kan ich nicht wissen. Hiermit muste sich Polyphilus befriedigen lassen /und quälte ihn diese seine gebrauchte Vermessenheit dermassen / daß er nicht ruhen kunte / und darum /gleich des andern Tages / nach ihrem Gartenhaus gienge. Weil er sie daselbst nicht fande / verharrete er eine zeitlang / und bereute seine Torheit / gedachte aber doch alles in ein Gelächter zu ziehen / und seine Liebste bald wieder zu stillen. Macarie hatte sich des andern Tags / nachdem der Junge von ihr gegangen / auch aufgemacht / und fuhr nach ihrem Lusthause / willens / dem Polyphilus ihre letzte Gesellschaft zu gönnen / und sich / mit Verweisung seiner Untreu / von seiner Liebe loß zu wircken. Aber der gütige Himmel hatte es viel bässer versehen / und wolte sie / durch diese Zusammenkunft /aller Unruhe entnehmen / auch zu beständiger Glückseeligkeit bringen. Dann als sie kaum abgestiegen /und in den Garten spazirte / sahe sie ihren Polyphilus auf sich zugehen / und ihr einen höflichen reichen Willkomm ablegen Der billige Zorn / welchen sie über seiner sch mpflichen Zuschrift fühlte / ließe ihr kaum so viel zu / ihm etwas höflich zudanken. Er aber begunte sie also anzureden: Wann ich die feste Gründe ihrer unerschätzbarn Treu / einig- und ewig-geliebte Macarie! gegen dem Verbrechen meiner unnötigen Furcht / und bißher-geführten ungerechten Zweifels / halte / so weiß ich nicht / ob ich mehr Anlaß zu einer Entschuldigung / als zur Abbitte habe? Wie ists müglich / mein liebstes Kind! daß die Tugend / wider alle Anfälle / so unbeweglich stehen kan? Oder / ist sie leicht selbst / O meine außerwählte Seele! die Beständigkeit / welche alle / auch die grösten Versuchungen überwinden / und den Sieg erhalten kan? Wie seelig ist doch der unwürdige Polyphilus / nun er in der Gewißheit unverfälschter Liebe leben kan! Sie aber / schönste Macarie! die ich hinfüro billig ein Bild aller tugendlichen Schönheit nenne / indem ich die lebendige Farben um ihre Treu und Aufrichtigkeit führen muß / vergebe dem allzukühnen Beginnen ihres furchtsamen Polyphilus / und gedenke / daß er / das reine Gold ihrer hochgeschätzten Gunst / nicht anderst / als durch diesen siebenden und lezten Probir-Ofen überkommen können. Sie versichere sich auch / wann anderst das jenige hoch zu achten / was bewehrt erfunden ist / daß ich ihre ruhmwürdige Liebe / als den köstlichsten Schatz meiner Vergnügung / mit solcher Vereyrung hinwieder lieben und bedienen werde / daß sie den wenigen Unlust /den sie über einer angestrichenen Verführung eingenommen / mit viel größerer Freude und Ergötzung vernichten könne. Ich setze diese Liebes-Probe zum Pfand unsrer ewigen getreuen Liebe / daß hinfüro keine Furcht noch Zweifel unser beyder Hertz besitzen / sondern das Band / einer frölichen und vergnügten Verehelichung / den trüben Nebel alles Mißtrauens vertilgen / und hingegen die ewige / im Tod und Leben vest-versiegelte Liebe offenbaren solle. Wie höflich aber und freundlich Polyphilus seine Rede gesetzet / so kunte er doch damit die beleidigte Macarie nicht besänftigen / sondern / bey ihren gar fremden Gebärden / diese Antwort / anhören: Was habt ihr nötig / das jenige zu entschuldigen / warum ich euch / vor dieser Zeit / selbst gebetten? Ich habe vielmals euch gerahten / eine würdigere Liebste / als Macarie ist / zu erwählen / und würde ich solches /wann es zeitlicher geschehen wäre / für ein Zeichen eurer Gewogenheit erkennet haben / da ich es jezt /nach so vielen Verschwörungen / vor nichts bessers /als ein schändliches Laster / halten kan. Bleibet / Polyphilus! wie ihr euch bekennet / und haltet / was ihr geschrieben: Macarie soll dieses Vorhaben / weder verbieten / noch hintern / weil sie nun einmal fäst beschloßen / die ruhige Einsamkeit / vor die betrügliche Liebe / zu erwählen / und dißmal zum letzten eure Beywohnung dultet. Vergesset hin künftig der verächtlichen Macarie / wie ihr angefangen / und liebet die jenige / deren Gaben euer Brieflein so hoch erhebet. Der gerechte Himmel wird einem jeden nach seinen Werken lohnen. Ich aber gönne euch alle Glückseeligkeit / und nehme damit meinen Abschied. Lebet wol / Polyphilus! und geniesset so vieler Freude / als wenig ihr mir derselben hinterlasset. Mit diesen Worten wolte sie hinweg gehen / aber Polyphilus hielte sie bey der Hand / und sagte: Sie fliehe nicht / schönste Macarie! ehe ich meine Torheit völlig abgebetten. Habe ich in dieser Liebes-Probe gesündigt / so strafe sie mein Verbrechen: aber ja nicht mit ihrer Verlassung / welche mich noch heut in den Tod legen würde. Ach Agapistus! Agapistus! welch einen bösen Raht hast du mir dißmal ertheilet /und wie töricht habe ich demselben gefolget: Ach! allerliebste Macarie! lasset doch euren billigen Zorn fallen / und versichert euch / daß ich niemals keine andre / als Macarien geliebet / oder auch in Ewigkeit lieben werde. Ich zürne nicht mit euch / (versetzte Macarie) sondern suche nur / durch meine Einsamkeit / aller bißhererdulteten Widerwärtigkeit / allem Zweifel und Mißtrauen ein Ende zu machen / und uns beede zu Ruhe zu bringen. Ach der elenden Ruhe /(sprach Polyphilus) die ich / ohne Macarien genießen soll. Ach schöne Seele! gedenket sie den jenigen zu verlassen / welcher von dem Himmel selbst / und von der Göttlichen Antwort zu ihren Liebsten erwählet und erkläret ist: zumal ich auch nunmehr ihr Vatterland / ihre Eltern und Freunde gefunden / und selbige ehest vorzustellen willens bin. Erkennet / Macarie! die Vorsehung des gütigen Himmels / und streitet nicht wider dessen weiße Verordnung. Wie? (versetzte Macarie) habt ihr meine Eltern gefunden? oder wollet ihr mich aufs neue anführen? Ach nein / mein Herz! (sagte Polyphilus) ich habe einmal unglücklich mit ihr gescherzet / und werde mich künftig gar sorgfältig davor hüten. Zweifelt sie aber an meinen Worten / so folge sie mir zu meinen Triften /woselbst ich ihr / nicht allein ihren Vatter / Mutter /Schwester / und Schwager / sondern auch den (ihren Gedanken nach / längst verfaulten) Philomathus lebendig zeigen will. Was sagt ihr (sprach die schon halb begütigte Macarie) von Philomathus: Ihr werdet ja kaum Todten auferwecken / oder den Stanb lebendig machen? Dieses vermag ich zwar nicht / (versetzte Polyphilus) aber diesen ertödt-vermeinten will ich gewiß widerbringen. So erkläret mir doch dieses etwas deutlicher / (erwiederte Macarie) und nehmet über euch diese Bemühung zur Strafe eurer unnötigen Liebes-Probe. Wann ich damit meine Schuld abbüßen kan / (gab Polyphilus zur Antwort /) so soll meine barmherzige Richterin nicht nur einen gehorsamen /sondern auch einen dankbarn Vollzieher ihres Urtheils / an mir finden. Damit aber diese Erzehlung uns an Erlangung unsers Wunsches nicht hintere /wolle sie / schönes Kind! ihr gefallen lassen / mit mir zu meiner Herde zu spaziren / und auf dem Wege die Nachricht / bey den Schäfern aber die Gegenwart /von den jenigen / welche sie so lang zu sehen gewünschet / annehmen. Soll ich dann (sagte Macarie) mit euch allein über Feld gehen? was wird man von mir gedenken? Ach liebstes Herz! (antwortete Polyphilus) fürchtet sie dann ferner eine Nachrede? Wir haben ja nicht mehr Ursach / einigen Menschen zu scheuen / und sind so weit gekommen / daß wir wol öffentlich lieben dürfen. Hiermit ergriffe er ihre Hand / sie / nachdem sie bey dem Gärtner etliche Notwendigkeiten bestellet /zu seinen Schäfern zu führen. Auf dem Weg erzehlte er ihr / wie wunderbar er ihre Eltern gefunden / und zu dem Philomathus wieder gelanget. Dieses erweckte bey Macarien eine unbeschreibliche Freude / also daß sie dem Himmel vor seine Güte / dem Polyphilus aber vor seine Hülfe herzlich dankte / und aller der Beleidigung / über die sie sich zuvor so heftig beschweret /gänzlich vergaß: welches dann Polyphilus wohl in acht nahme / und seine Liebe desto begieriger / mit Küssen und Umarmungen / sättigte / biß sie / unter solchen verliebten Bezeugungen / bey den Triften angelanget. 11. Absatz Eilfter Absatz Polyphilus / mit der Macarie zu den Triften ankommend / überreicht dem Cumenus diese seine Tochter: welcher / auf des Philamathus Ansuchen /neben der Garine und Anamfe / in ihre Liebe williget. Volinie singet ein Glückwunsch-Lied. Der Gärtner /als er die Macarie nicht wiederkehren sihet / lauft nach Soletten / und macht ein Geschrey / Polyphilus habe sie entführet. Die Soletter eilen zu Feld / und bringen die Macarie / samt dem Polyphilus /Agapistus und Pistimorus / gefangen zurücke: die werden daselbst auf Leib und Leben angeklaget. Es war eben ein lieblicher Herbst-Tag / der die Hirten mit ihren Gästen auf das Felde gelocket: unter denen Agapistus / mit welchem Polyphilus schon alles abgeredt hatte / diese beyde Verliebte daher kamen sahe /und zu seinen Gesellschaftern anfienge. Sehet / dort komt Polyphilus / mit seiner Liebsten. Wie? (sagte Volinie) hat er dann eine Liebste: Wie sie sihet /holdseelige Schäferin! (begegnete ihr Agapistus) und werden sie bald näher kommen. Hiemit stünden sie alle auf / giengen den beyden entgegen / und empfingen sie mit großer Höflichkeit. Polyphilus kehrte sich alsbald gegen den Cumenus / und sagte: Ich erinnere mich / Edler Hirt und wolthätiger Vatter! wie er unlängst / bey Widerfindung meiner Mutter / dergleichen Glückseeligkeit an seiner Tochter Macarie zu erleben gewünschet: und dieses Seufzen hat der gütige Himmel erhöret / auch heute beglücken wollen. Hier ist Macarie / die verlohrne und so herzlich-geliebte Tochter des bekümmerten Cumenus / die / mit eben so viel Threnen / ihre liebe Eltern gesuchet / als sie von denselben ist gesuchet worden. Es wolte die Vorsehung des Höchsten die Ehre dieser Findung meiner Wenigkeit gönnen: und weil ich auch / durch göttlichen Schluß / zu ihren Liebsten erwählet / wird er /Edler Cumenus! hoffentlich sich nicht wägern / den Polyphilus mit der Macarie zu vereinigen. Unsre Liebe hat nun alle Versuchungen überwunden / und erwartet von ihm den Lohn / welchen unsere Beständigkeit erworben. Ich weiß nicht / (versetzte der Freud-bestürtzte Cumenus) ob ich dieses träumend / oder warhaftig anhöre? Ist dieses die Macarie / welche mir von dem Rachen eines grimmigen Wolffes geraubet worden? so hat in warheit die Vorsorge des Himmels / alle meine Hofnung überstiegen / und machet mich so voll Verwunderung / daß ich schwerlich jemand anderem / als ihrem eignen Munde / in völliger Eröffnung dieses Zufalls / glauben kan. Ich kan leicht mutmassen /liebwehrtster Vatter! wann mir so zu reden erlaubt ist / (sagte Macarie) daß meine unverhoffte Gegenwart ihme jetzt mehr Verwunderung als Freude verursachet / und sein Gemüte im Zweifel aufhält. Aber seit versichert / daß ich warhaftig die Macarie sey / die von einem Wolf hinweg gezuckt / aber /durch einen Edlen des Landes wieder erledigt und auferzogen worden. Hierauf fieng sie an / nach der Länge zu erzählen / wie sie biß dahin gelebet / und durch was Gelegenheit sie in dieses Land / folgends auch in des Polyphilus Liebe / welchen ihr das Orakel zugesprochen / gerahten wäre. Dieses erweckte bey Cumenus so große Freude /daß er sich nicht mehr bergen kunte / sondern seiner so lang-verlangten Tochter um den Hals fiele / und mit nassen Augen seine Vergnügung über ihre Gegenwart bezeugte. Anamfe / welche dieser Begebenheit mit Bestürzung zugesehen / so bald sie sich versichert wuste / daß dieses ihre verlorne Tochter wäre / konte ihre Frölichkeit nicht gnugsam an Tag geben / und als Macarie ihr entgegen kam / sie zu bewillkommen /und vor ihre mütterliche Wolthaten zu danken / kunte sie ihr nicht anderst / als mit Threnen / antworten. Sie fuhre fort / und grüste auch ihre Schwester Volinie /und ihren Schwager Filato / endlich auch den wieder-lebenden Philomachus / dem sie wegen seiner Errettung Glück wünschte. Dieser nahme so bald ihre Hand / und führte sie / neben dem Polyphilus / zum Cumenus / und zur Garine / erzählte / wie wunderlich sich die Liebe dieser beyder angefangen / und wie unglückseelig dieselbe eine zeitlang gewesen / nunmehr aber / durch die Hülfe des Himmels / alle Versuchungen überwunden / und sich der völligen Vereinigung würdig gemacht hätte: bate benebens / solche / durch ihren Beyfall / zu bekräftigen / und also diese zwey Tugendlich-Verliebte gänzlich zur Ruhe zu bringen. Sie ließen hierzu sich willig und freudig finden / und gaben diesen Liebhabenden beyderseits ihren Segen /dem gnädigen Himmel aber demütigen Dank / vor so gnädige Schickung. Volinie sange / den Neu-Verlobten eu Ehren / nach ihrer gewohnten Lieblichkeit /nachfolgendes Liedlein: 1. Wer will nun die Lieb verklagen / Und von ihrem Wüten sagen? Weil sie ihre Freund zu letzt In erwünschte Ruhe setzt. Hätten diese nicht geliebt / In so viel verwirrten Stunden / Wer hätt sie so süß verbunden? Ihnen blieben unbekant / Ihre Freund' / ihr Geschlecht und Vatterland. 2. Zwar / beschwerlich ist das Lieben / Welches furchtsam wird getrieben / Und nur Hofnung mit Verdruß Unvergnüget nehren muß: Dennoch bricht der Morgen an / Wann die schwarze Nacht entwichen / Und die Sterne sind verblichen. Offt des Donners Blitzen stralt: Bald hernach Föbus Glanz die Erde mahlt. 3. Dieser vor-erduldtes Leiden Endet sich mit tausend Freuden. Allem dem / was sie bekriegt / Hat ihr Lieben obgesiegt. So genießet nur der Lust / Edle / treue / Tugend-Seelen! Nichts soll eure Liebe quälen / Unsre ganze Hirten-Schaar Wünschet Glück diesem neu-verlobten Paar. Polyphilus und Macarie / bedankten sich sehr höflich gegen Volinie / und sagte Polyphilus heimlich zur Macarie: Ob sie nun glaube / daß er in der Liebe gegen Volinien unschuldig sey? welche solches mit einem freundlichen Lachen beantwortete: aber zum Agapistus sagte sie / sie hätte noch eine Klage wider ihn zu führen / dieser / die Ursach bald merkend /gabe zur Antwort: wie daß er nur Gnade / und kein Recht / verlange. Nach diesem verfügten sich die Schäfer / weil die Nacht einbrache / nach ihren Hütten / und beratschlagten / wo sie die völlige Verbündnus beyder Verliebten anstellen wolten: da dann die meinste Stimmen auf Soletten giengen / weil daselbst der Ort ihrer Betrübnus gewesen / und jetzt billig auch die Stelle ihrer Freude seyn solte. Also waren sie sämtlich gewillet / dahin zu reisen. Aber Anamfe bate / noch einen einigen Tag zu verziehen / damit sie Zeit hätte / ihre Haushaltung vor der Abreise zu bestellen / und andere zur Hochzeit notwendige Sachen zur Hand zu schaffen: welches man ihr auch gern bewilligte. Wir blinde Sterbliche / sind so unwissend unsers Zukünftigen / daß wir mehrmals sorgen / wo keiner Sorge vonnöten ist / und alsdann am frölichsten sind /wann die gröste Gefahr auf uns wartet. Also ergienge es auch der Macarie. Sie ließe ihr gefallen / die Gegend des Landes / welches sie nun bewohnen solte /zu beschauen / und wählte (indem ihre Eltern und Freunde zur Reise Anstalt machten / Philomathus und Garine aber dieser Begebenheit nachdachten) in Gesellschaft des Polyphilus / Agapisius und Pistimorus /einen Spazirgang: da es doch viel nötiger gewesen /einen Boten auf Soletten zu schicken / und zum wenigsten ihrer Dienerin ihren Zustand berichten zu lassen. Diese Sicherheit wird sie in kurzem dem grösten Elend überliefern. Dann sehet / was das gehäßige Unglück / als ob es ihm wehe thäte / diese Liebende zu verlassen / zum Abschied gewürcket! Es hatte der Gärtner auf dem Lusthause Macarien /als er dieselbe erstlich mit Polyphilo streiten / hernach aber also hinweg eilen sahe / so bald einen Argwahn geschöpfet. Und weil er nicht gewohnt war / die Macarie allein mit einem Mannsbilde reisen zu sehen /mutmaßte er / Polyphilus müste sie entführet haben. Doch schwiege er / biß gegen Abend / und gedachte /es möchte ein Spazirgang seyn. Als es aber dunkeln wolte / und Macarie sich nicht einfunde / entdeckte er seinem Weibe / voller Schrecken / seine Gedanken /und liefe mit derselben / heulend und schreyend / um die Felder des Lusthauses / Macarien zu suchen / so lang herum / biß ihn die schwarze Nacht wieder heim jagete: die er dann / ohne Schlaf / mit eitel Weinen und Wcheklagen zubrachte. Das ärgste war / daß der Junge / welcher sonsten die Briefe zu tragen pflegte /und allein den Weg zu den Schäfern wuste / nicht zu Hause / sondern von Macarien in die nechste Stadt /Speise zu kauffen / verschicket war: welcher Macarie bey den Hirten suchen / und den albern Gartner hätte befriedigen können. Dieser nun liefe / so bald es ein wenig zu tagen begunte / mit Ach und Wehe nach der Insel Soletten /und fragte einen jeden / der ihn begegnete: ob er die Macarie nicht gesehen hätte? Nachdem er sich überführen lassen / erzählte er daselbst / wie Macarie mit Polyphilo hinweg gangen / und / wann sie nicht in der Insel / gewiß würde entführet seyn. Unter solchem Winseln kame er zur Wohnung Macarien / und fragte / so bald er die Thür eröffnet / die Nabisa / ob Macarie nicht zu Hause wäre? wie solte sie hier seyn /(gab die Magd zur Antwort) da sie zu euch gereiset? O Gott! (schrye der Gärtner) so ist meine Sorge nur allzuwahr: Polyphilus / der arglistige Betrüger / hat sie gestern mit sich hinweg geführet. Ich habe wohl gedacht / das viele Brief-schreiben / und hin und her reisen / werde letzlich so ein Ende gewinnen. Man solte diesem Unglück längst begegnet seyn. Wo finden wir nun unsere Frau wieder? Ach! ich habe gesehen / wie sie sich gewehret / und wider ihn gestritten: aber er hat sie doch endlich beredet / und entführet. Ey! stellet euch nur nicht so ungebärdig! (sagte Nabisa) Macarie ist nicht entführet / sondern nur bey den Schäfern. Polyphilus ist viel zu tugendhaft / daß er sie betriegen solte. Ja! ja! (versetzte der Gärtner) rühmet nur seine Tugend / welche lauter falsch und Heucheley ist. Ihr habt immer zu seinen Händeln geholsfen /biß unser Frau und wir in diß Unglück gekommen. Also stritten diese beyde / biß die Inwohner / die schon hiervon etwas verstanden / dessen völlig gewar wurden / und mit einem solchen Lermen zusammen liefen / daß die ganze Insel reg wurde. Etliche schalten auf die Macarie / daß sie in so lasterhafte Entführung gewilliget / da sie doch bißher / als ein Bild der Tugend / gerühmet worden. Andere verteidigten sie /und schmäheten allein auf den Polyphilus / daß er sie mit Betrug und List dahin verleitet / die meisten legten die Schuld auf ihre Obern / daß sie so lang mit dieser Sache geheuchelt / den Polyphilus / den Mörder des Philomathus / so oft in der Insel gewust / und doch allemal wieder abziehen lassen. Ihr Schluß war /daß sie sämtlich diesem Ranber nachziehen / ihm die Beute abnehmen / und ihn zu gebührender Strafe bringen wolten. Also ließen sich ihrer eine große Menge überführen / und liefen / sonder Ordnung und Führer /von der blossen Unsinnigkeit getrieben / ins Land /unwissend / welche Straße sie vor sich nehmen solten. Doch führte sie das Unglück / weil es der Macarie zuwider / am ersten in die Gegend Brundois. Eusephilistus war eben zu Sophoxenien / und hielte Hochzeit mit der Erothemitis / als dieser Auflauf entstunde: sonst hätte er vielleicht diese Unsinnige begütigt. So ward auch ihr oberster Vorsteher dessen nicht eher verständiget / biß sie allerdings aus der Insel hinweg waren. Die arme Nabisa aber / stunde in solchen Aengsten / daß sie keinen Raht zu finden wuste. Weil sie auch fürchtete / wegen dieser Handlung / selbst in Verhaft zu kommen / da sie alle Heimlichkeit entdecken müste; als bate sie det. Gärtner / sie mit sich auf das Lusthaus zu nehmen: da sie / mit dem Jungen /nach den Schäfern zu laufen / und die Macarie gewiß zu finden gedachte / ehe sie etwan diesem tollen Hauffen in die Hände fiele. Aber die gute Nabisa vermochte diß nicht zu hintern: Dann indem sie nach dem Lusthaus eilete / waren die Soletter schon in der Landschaft Brundois. Macarie hatte sich gleich mit ihrer Gesellschaft auf den Hügel gesetzet / der nechst an dem Strom lag /und hörte des Polyphilus seine Mutter / von des Philomathus wunderbarer Errettung reden / als sie von fern diesen rasenden Pöfel ankommen sahen. Die Furcht schluge ihr so bald an das Herz / als die Augen ihrer gewar wurden. Ach Polyphilus! (sagte sie) lasset uns fliehen / ehe uns diese den Weg verhauen. Wohin sollen wir fliehen? (gab Polyphilus erschrocken zur Antwort) sie sind uns schon zu nahe auf dem Halse /und wann mir recht / so sind es Inwohner von Soletten. O Himmel! (rufte Macarie) diese nehmen uns gewiß gefangen / und zerstören alles unser Vorhaben. Ach! ich Unseelige! Warum habe ich nicht bey Zeiten diesem Ubel vorgebauet? Warum bin ich bey der gewissen Gefahr so sicher gewesen? Jetzt werden die Vergnügungen / an welchen wir so lange Jahre aufgebauet / in einem Augenblicke zu Boden gerissen. Sie gebe sich zu frieden / schöne Macarie! (sagte Agapistus) mit Klagen ist hier wenig zu erhalten. Lasset uns nur getrost ihrer erwarten / daß nicht unsre Furcht einen Argwahn des Lasters mache. Wir haben ja eine gerechte Sache / und sie würden ungerecht / wann sie selbige nicht gelten ließen. Indem kame diese tobende Rotte daselbst an / und umbringte sie mit großem Geschrey. Finden wir da die saubere Gesellschaft / (sprach einer von ihren Vorgängern) welche nun zum andernmal unsere Insel betrogen / den Philomathus ermordet / auch die Macarie geraubt und entführet haben? Macarie ist weder geraubet oder entführet / (widerredte Polyphilus) sondern sie wird morgen nach Soletten kommen. So sind wir auch des Mords unschuldig: Höret nur an das Wunder / so sich mit diesem begeben / und ihn uns wieder gegeben / auch eben die Ursach ist / daß sich Macarie so lang aufgehalten hat. Was Wunder! (sagte einer von den Führern) wir wissen von keinem Wunder / als daß Macarie / die als eine Göttin der Tugend bißher geehret worden / mit einem leichtfertigen Schäfer / Ehrvergeßner Weise davon gezogen. Diese schmähliche Worte / gleich wie sie der schamhaften und Tugendliebenden Macarie die Farb in das Angesicht / und die Threnen in die Augen trieben; also bewegten sie auch den Polyphilus zu so hefftigen Eifer /daß er / ohne einige Gegen-Antwort / seinen Schäferstock erfasste / und diesen Verleumder seiner Macarie über den Kopf schmeissen wolte? Aber Agapistus fiele ihm in den Arm / und sagte: Gemach! mein Freund! gemach! Wir sind übermannet / und können uns hier mit Gewalt nicht verteidigen; Die Herrn Soletter aber sind so höflich und gerecht / daß sie unsere billige Entschuldigung anhören / und uns von dergleichen Laster freysprechen werden. Höret nur / meine Herrn! durch was vor Gelegenheit wir in diesen Zustand gerahten / und glaubet vor gewiß / daß wir nie Willens gewesen / Macarien zu entführen: wie ihr dann sehet / daß weder sie /noch wir / zur Reise gerüstet / auch auf keiner Landstraßen / sondern bloß auf einem Spazir-Wege sind. Derowegen übereilet euch nicht mit dem Urtheil /damit ihr euch nicht der Ungerechtigkeit theilhaftig machet. Es ist ein geringers Verbrechen / zehen Boßhaftigen vergeben / als einen einigen Unschuldigen verdammen. Der Ausgang dieser Handlung wird erweisen / daß wir eure Insel vielmehr zu erfreuen / als zu berauben getrachtet haben. Diese freundliche und bescheidene Rede legte bey nahe den Grimm der Solettischen Inwohner / also /daß sie etwas stille wurden / und aufzumerken begunten. Kaum aber hatte Agapistus angefangen zu reden /da ersahe der Wirt / welcher nächst dem Hause des Philomathus wohnet / den Pistimorus / der ganz furchtsam hinter Polyphilo stunde / liefe demnach eilends auf ihn zu / und riefe mit großem Geschrey: Hilf Gott! was finde ich hier? ist dieses nicht der Mörder /welchen wir so lang gesuchet. Gewißlich / ihr meine Brüder! diß ist der jenige / der ehemals bey mir geherberget / und den Philomathus ermordet hat. Nun möget ihr schließen / was diß vor eine schöne Gesellschaft sey / und wie nichtig ihre Verantwortung seyn werde? Hier hätte man sehen sollen / mit was Ungestümm diese wieder-erhitzte Leute zugefahren / und den Pistimorus samt Macarien und den beyden Schäfern umringt. Hier halfe ferner keine Entschuldigung / noch Bitte / sondern sie droheten / so bald nur jemand von ihnen den Mund öffnen würde / mit Spießen und Schwertern / und führten sie alle mit vielen Schmäh-Worten gefangen nach ihrer Insel. Wie der unseligen und fast verzweifelten Macarie bey diesem Zustande zu Muht gewesen / weiß ich kaum zu beschreiben. Sie sahe sich beraubet alles Glücks / und aller Ehre. Sie sahe sich gefangen führen von den jenigen / welche sie vormals mit großer Ehrerbietung bedienet hatten. Der Tod selbst wäre ihr viel erträglicher gewesen / als diese schändliche Art zu leben. Sie schlug ihre Augen zur Erden / als ob sie in so schmählichen Zustande nicht wehrt wäre / das Liecht der Sonne anzusehen /und solche ihr zu nichts als Threnen übrig wären. Sie wande ihre Hände / weil sie sehen muste / daß dieselbe von den Banden der Gefängnus gefässelt waren. Aus ihrem Munde gienge nichts als Klagen und Seufzen. Polyphilus unterstunde sich sie zu trösten: aber die Worte starben / ehe sie geboren wurden / und kunte die geklemmte Zunge kaum ein elendes Ach hervor bringen. Pistimorus gienge nicht anderst / als ein zum Tod verurtheilter / der zum Richt-Platz geführet wird. Aber Agapistus / wie er jederzeit der Herzhafteste gewesen / also bote er auch dißmal dem Unglück die Spitze / und sagte: Seyt getrost / ihr meine Gefärten! und nehmet das Zeugnus unserer Unschuld zu hülffe /wider diese gewaltsame Gefängnus. Ist noch eine gerechte Obrigkeit zu Soletten / so wird sie unsre Verantwortung anhören / und diesen Frefel zu straffen wissen. Was solten sie strafen? fragte einer von der Rotte /müsset ihr dann nicht bekennen / daß euer einer unsern Vorsteher / den Philomathus / ermordet hat? Wie kan man ihn ermordet haben / da er noch lebet? antwortet Agapistus. Kommet ihr nur mit zu unsern Triften / wir wollen euch den Philomathus bald zeugen. Ja / das gebe ich gern zu / (versetzte der Soletter) daß ihr uns / mit Hülffe eurer Schäfere / zu dem Philomathus bringen würdet: aber es ist uns ungelegen. Wir wollen euch lieber selbst / durch unsere Obern / in das Land verhelffen / wo Philomathus lebet. Agapistus sahe / daß bey diesen thummen Leuten wenig zu gewinnen / mochte sie also keiner Widerrede würdigen /sondern folgte mit seinen Gefärten / in höchster Gedult / biß nach Soletten. Es war eben der Tag zum Ende / als sie bey gedachter Insel ankamen. Ihre Führer schickten einen aus ihrem Mittel zu ihrem Obersten / und ließen demselben ihre Widerkunft und glückliche Verrichtung andeuten: der sie zwar / wegen ihres unbefohlenen Ausfalls / heftig strafte / jedoch / die Gefangenen wohl zu verwahren / befahle / weil er sie morgen vor Gericht fordern wolte. Also wurden sie sämtlich übergesetzt / und unter der Wacht vieler Soldaten in ein Gefängnus geführet. Die ganze Insel liefe zusammen /und wolte die Gefangene sehen: sonderlich / da sie hörten / daß des Philomathus Mörder dabey war / auf welchen sie heftig schmähten. Wie sehr es nun die armseelige Macarie gekränket /daß sie eben an dem Ort / da sie zuvor in höchster Ehrachtung gelebet / solte als eine Ubelthäterin geführet / und schändlich gefangen gelegt werden / ist leichter zu besinnen / als zu beschreiben: sonderlich /weil sie nirgend keinen Trost funde. Sie fragte nach ihrer Dienerin Nabisa / muste aber hören / daß sie allbereit davon geflohen war: welches sie in neues Herzenleid stürzte / sie bate den Talypsidamus zu ihr zu holen: muste aber vernehmen / daß er nicht anheimig wäre. Also sahe sie sich aller Hülfe entblößet / und kunte / nach dem scharffen Recht des Landes / und ihrer bey Handen habenden geringen Entschuldigung /nichts als ein grausames Urtheil des Todes erwarten. Doch quälete sie die Gewißheit des Todes nicht halb so sehr / als daß sie von dem jenigen solte verurtheilt werwerden / den sie ehedessen nicht einer Unterredung gewürdiget: Dann sie wuste nicht / daß Eusephilistus zu Sophoxenien war / sondern meinte / er würde / wie sonsten / dem Gericht beywohnen / und ihre Verachtung gegen ihme / nun mit Schimpfe rächen. Ach du unbarmherziger Himmel! (gedachte sie bey sich selbst) mit welchem Verbrechen habe ich diese Strafe verdienet? hast du so sehr über meine Liebe gezürnet / warum hast du dann nicht dieselbe gehintert /wie ich oft inständig gebetten? Ach des erbärmlichen Elends! soll Macarie / die als ein Exempel der Tugend gelebet / nun als ein Schauspiel der Laster sterben? Doch habe ich ja kein Laster begangen / und mein Gewissen ist frey von aller Befleckung; Aber nein /Macarie! es ist nicht gnug / des Lasters frey seyn /sondern man muß auch den Schein desselben meiden. Du hast deiner Liebe zu viel nachgegeben / und mehr ihrem Befehl / als dem Gesetze der Vorsichtigkeit und Wolständigkeit nachgelebet. Leide nun auch die Strafe der Liebe / weil du ihrer Süssigkeit genossen. Und dieses ist auch mein einiger Trost / daß ich leide um der Liebe willen meines liebsten Polyphilus. In diesen Gedanken fasste sie des Polyphilus Hand / der sich als halb tod auf sie gesteuret / und sagte: Entsetzet euch nicht so sehr / mein Herz! über unserm Unglück / sondern danket vielmehr dem Himmel / daß wir zugleich leiden sollen. Unser grausames Verhängnus wird doch nun zu wüten aufhören müssen / weil es den letzten Sprung vornimt / und den Tod zum Gefärten hat. Haben wir im Leben nicht sollen vereiniget werden / so wird doch unsere Aschen verbunden bleiben / und was uns das Brautbett nicht vergönnet / das wird uns doch das Grab erlauben müssen. Ich meines theils sterbe vergnügt / weil ich mit euch sterbe / und gedenke die Ruhe / welche ich lebend nie finden können / im Tode anzutreffen. Ach getreueste Macarie! (versetzte Polyphilus mit einem starcken Seufzer) wo nehme ich Worte / in dieser Verwirrung / die eure Tugenden rühmen / und eurer Beständigkeit danken können? In warheit / diß unversehene und allerschrecklichste Unglück / hat mich ganz aus mir selbst gebracht / also daß ich zu nichts übrig bin / als die Schmerzen des Todes zu empfinden. Zwar habe ich dasselbe / als die Letze von meinen Plagen / vielmehr zu wünschen / als zu fürchten. Allein / daß Macarie sterben soll / die mehr verdienet / gekrönet / als verdammet zu werden / diß befördert meine Verzweiflung. Könte ich / durch meinen Tod / der Macarie das Leben kauffen / ach schöne Seele! wie willig wolte ich meinen Hals darstrecken /und in ihren liebsten Armen meinen Geist aufgeben. Ach Polyphilus! sagte der schon halbsterbende Pistimorus / warum wolt ihr sterben / da ihr doch keinen Tod verschuldet? Ich allein bin die Ursach eurer Gefängnus! Es soll niemand an meiner Strafe Theil haben / weil auch niemand mit mir gesündiget. Es ist genug / daß ich sterbe / der ich den Mord in dieser Insel begangen. Worzu dienet diese verzweifelte Klage? (gegenredte Agapistus) und wer wird uns /bey offenbarem Beweiß der Unschuld / den Tod anlegen? Allzu verzagt seyn / bey gerechter Sache / stehet keinem Vernünftigen wohl an. Lasset uns unsre Verkläger hören / und beantworten; Es gehöret mehr / als eine bloße Anklage / zu einem Urtheil des Todes. Ach Agapistus! (versetzte Macarie) wären euch die strenge Gesetze dieser Insel so wol als mir wissend /ihr würdet gewiß diese Freudigkeit verlieren. Sind es Gesetze / (gab Agapistus zur Antwort) so müssen sie gerecht seyn / oder es bleiben Tyranneyen. Kein solch Gesetze ist in allen Landen zu finden / daß man einen / ohne Uberzeugung der Ubelthat / zum Tode verdammet. Die Furcht ist bey euch viel größer / als die Gefahr. Uberlasset mir die Verantwortung / und vergesset die allzuängstigen Klagen. Sie müssen den Beweiß herzu bringen / oder aller Gerechtigkeit gute Nacht geben. Dergestalt tröstete Agapistus seine Gesellschaft / und machte sich über sein Vermögen behertzt / biß sie diese elende Nacht zum Ende brachten. Des andern Morgens wurde bey früher Tagzeit das Gericht / an einem öffentlichen Ort / angestellet / und die Gefangene durch einen Diener des Gerichts abgeholet / ihre Ankläger zu vernehmen und zu beantworten / sie waren sämtlich zornig und bekümmert / über diese Verfahrung und öffentliche Beschimpfung: Daher Macarie / vor Scham und Aengsten / nicht warname / die Menge des zulauffenden Volks / und die schmähliche Reden / welche theils derselben wider sie führten / sondern als entgeistert fast dem Todes-Urtheil vor sturbe / und vor den Augen des Richters in eine Onmacht sanke. Polyphilus diß ersehend / liefe eilends zu ihr / sie zu erquicken. Nachdem sie sich etwas wieder ermundert / konte er vor Grimm und Eifer / nicht länger verziehen / sondern fieng ungescheut an / also zu reden: Vergebet mir / hochgeehrter Richter! daß ich rede / ehe man es von mir begehret. Die Unbilligkeit / welche an Macarie / dem Spiegel der Tugenden / und dem Liecht dieser Insel / verübet wird / lässet mich der Ankläger nicht erwarten. Ich bitte / erinnert euch doch ihrer Würde / und gedenket /daß es Macarie sey / die also öffentlich beschimpfet wird. Könnet ihr uns einiger Missethat überführen /so sind wir billig vor dieselbe zu büssen. Allein dieser Unschuldigen gönnet die Freyheit / wann ihr nicht die Tugend selbst beleidigen / und an der Gerechtigkeit sündigen wollet. Haltet inn / Polyphilus! (begegnete ihm der Richter) mit dieser freflen Erinnerung! Wir kennen den Weg des Rechtens / und haben nicht Ursach / von einem hoffärtigen Schäfer Unterricht anzunemen. Hätte Macarie nichts verbrochen / so würde sie diesen Ort nicht haben betretten müssen. Wir betrachten sie heute nicht / als die Macarie / deren sich ehmals unsere Insel berühmet / sondern als die jenige / welche durch euch verführet / unserer Insel zur Schande worden ist. Die Gerechtigkeit sihet stracks vor sich / und betrachtet nicht die Person / sondern das Verbrechen des Beklagten. Trettet hervor / die ihr etwas wider diese Gesellschaft zu klagen habet / damit Polyphilus sehe / daß wir nicht ohne Ursach die Macarie hieher bringen lassen. Auf dieses trate her der Wirt / welcher am ersten den Pistimorus erkennet / und redte nach abgelegter Reverenz / im Namen der ganzen Gemein / folgender massen: Edler / hochverständiger Richter / und gerechter Beschützer dieser Insel / und deren Inwohner! Demselben mache ich / an statt dieser Gemeine / unterthänig zu wissen / daß gegenwärtige Schäfer / welche ehemals unserer Insel nicht geringe Widerwärtigkeit zugezogen / und wegen der seltsamen Erlösung des Schloßes Sophoxenien / der Zauberkunst sehr verdächtig worden / nun auch / die Macarie / die wir /wegen ihrer ungemeinen Beschaffenheiten / als einen Schatz unserer Insel / bißher mit großer Sorgfalt und Ehrerbietung unterhalten / vermessener Weise zu rauben / sich unterstanden: wie sie dann selbige allbereit zu ihren Triften gebracht / und ohne Zweifel würden entführet haben / wann wir nicht / diesem Frefel zu begegnen / hinaus gefallen wären / sie ereilet / und ihr Vorhaben unterbrochen hätten. Daselbst funden wir auch bey ihnen / wider alles Vermuten / den boßhaftigen Zerstörer und Beleidiger unsrer Insel / welcher das Liecht derselben ausgeleschet / und uns in eine finstere Verwirrung gestürzet. Dann ich bezeuge hiemit öffentlich / gedenke es auch / auf Erforderung /mit einem heiligen Eydschwur zu bekräftigen / daß dieser (damit zeigte er auf den Pistimorus) eben der jenige ist / welcher vor ungefähr zwey Jahren / bey mir geherberget / und den Philomathus / unsern getreuen Vatter / und weißlich-gerechten Vorsteher / unschuldiger und lasterhafter Weise ermordet hat. Wie nun seine Weißheit / hoch-verständiger Richter! leichtlich urtheilen wird / was von denen zu halten sey / welche sich / Menschen zu rauben / unterfangen / und in der Mörder Gesellschaft leben. So wird demnach seine Rechtfärtigkeit wissen / solche Laster zu strafen: Wie wir dann hiemit sämtlich unterthänig bitten / diesen frefelhaften Ubelthätern das Recht ihrer Verdienste zu zeigen / und den Tod des Philomathus /unsers getreuen Philomathus zu rächen. Auf diesen Schluß seiner Rede / schrye das ganze Volk: Ja / der Tod des Philomathus muß gerochen /und mit dem Blute dieser Mörder abgewaschen werden! Aber der Richter hieße sie stille seyn / und fragte die Beklagten / ob sie etwas wider diese Klage einzuwenden hätten? Polyphilus wolte geschwind antworten / aber Agapistus winkte ihme zu schweigen / weil er fürchtet / daß er / nach seiner Art / hart antworten /und ihre Sache verderben möchte / nahme damit selber das Wort / und sagte mit einer höflichen Reverenz: Ich bin sehr freudig / unsere Ankläger zu beantworten / weil ich sehe / daß wir einen gerechten Richter haben. Die Gerechtigkeit ziert die Gericht-Stüle /und tröstet die Unschuldig-Beklagten. Seine Höflichkeit / hochverständiger Richter! wird unsere billige Entschuldigung gedultig anhören / und durch einen gerechten Ausspruch uns von den schändlichen Auflagen unserer Ankläger frey sprechen. Ich will die bloße Warheit zum Beystande wählen und hoffen / man werde dieser Tugend ein offnes Ohr / und eine willige Hülfe geben. Wir werden erstlich angeklaget / daß wir dieser Insel viel Widerwärtigkeit zugezogen / und wegen des Schloßes Sophoxenien der Zauberey verdächtig seyn. In beyden Stucken geschiehet uns das gröste Unrecht /weil ja ich allhier niemals einigen Tumult / außer dem jetzigen / gesehen; Polyphilus hingegen vielmehr alle Widerwärtigkeit von hiesigen Inwohnern erdultet / als daß er ihnen solte erreget haben. Er wurde wegen des Philomathus Ermordung angehalten und gefangen gelegt / da er doch dessen unschuldig gewesen / wie man nun damit gestehet / indeme man den Pistimorus vor den Thäter anklaget. Und wie können wir Sophoxenien durch Zauberey errettet haben / da ich / erst nach der Erlösung / selbiges Schloß gesehen / Polyphilus aber / wie jederman wissend / wider seinen Willen / und Gedanken / da er sich verzweifelt in den Fluß gestürzet / daselbst angelanget / auch samt der Königin und allen Inwohnern auf eine ungewönliche Art ist wieder aus Liecht gebracht worden. Soll Sophoxenien durch Zauber-Kunst errettet worden seyn /welches wir weder gestehen noch läugnen wollen / so hat Polyphilus mehr Antheil nicht dabey / als daß er sein Leben / ohne seine Hofnung / erhalten: Dann Zauberey hat in seinem Tugendhaften Gemüte niemals Herberge gehabt / und wer ihm dieselbe zuschreibet / wird nicht wenig wider die Warheit sündigen. Was dann anlangt die Entführung der Macarie /welches das andere ist / das uns unsre Verkläger aufbürden: so gestehen wir zwar gern / daß sie Polyphilus / wegen ihrer überweiblichen Wissenschaft und vollkommenen Tugend / schon eine geraume Zeit geliebet / und bedienet / auch / sich mit ihr / durch das heilige Eheband / völlig zu vereinigen / nach allen Kräften gesuchet. Aber eine gewaltsame Raubung /oder leichtfärtige Entführung ist / weder seinem Ehrbegierigen Herzen / noch ihrer keuschen Seele / nimmermehr zu Sinn gekommen. Als aber Polyphilus von dem Edlen Schäfer Cumeno und seiner Schäferin Anamfe verstanden / daß Macarie ihre Tochter sey /welche ihnen in der Kindheit durch einen Wolf geraubet worden / hat er solches seiner geliebten Macarie eröffnet / und dieselbe (wie das Orakel längsten geweissaget) ihren bißher unbekandten Eltern zugeführet. Dieses ist die Ursache / Hochgeehrter Richter! daß Macarie / wider ihre Gewonheit / mit uns zu den Schäfern gekommen / und könnet ihr daraus leichtlich urtheilen / mit was schmertzlicher Empfindung / ihr tugendhaft Gemüt diese schimpfliche Gefängnus und schändliche Verklärung aufnehme / und wie unbillig und vermessen die jenige gehandelt / welche / ohn genugsame Nachricht / eine so gefärliche Handlung wider sie angestelltt. Der Macarie tratten / über diesen Worten / die Threnen in die Augen / und bewegten die Anwesende dermassen zum Mitleiden gegen sie / die sie zuvor höchlich geliebet / daß die meisten mit ihr zu weinen anfiengen / Agapistus aber fuhre in seiner Rede fort /und sagte: Das Letzte / dessen uns unsre Verkläger beschuldigen / ist die Ermordung des Philomathus. An dieser haben wir nicht mehr Theil / als daß wir seinen Mörder in unserer Gesellschaft leiden: wie es aber mit derselben beschaffen / will ich / mit wenig Worten eröffnen. Nachdem dieser Pistimorus / mein so lang verlohrner Bruder / ungefähr hiesigen Fluß vorbey gereiset / und in demselben den Polyphilus zu grund gehen sahe / auch über den Philomathus klagen hörte / vermeinte er / daß seine Ritter-Pflicht hierzu erforderte / diesen Unseelig-sterbenden entweder zu erretten oder zu rächen. Und weil er jenes nicht vermochte / versuchte er dieses zu erhalten / und begabe sich in hiesige Insel / zu gegenwärtigem Wirt / unserem jetzigen Ankläger / begehrte Nachricht von des Philomathus Zustand / und erfuhr so viel / daß er /wegen der Ermordung eines Fremden sehr verdächtig sey. Dieses nun vermehrte seinen Irrtum. Als er aber selbige Nacht in einer Kammer schliefe / in welcher er den Philomathus den Tod des Polyphilus beklagen /und sich dessen Mörder bekennen hörte / ward er dermassen erhitzet / daß er die baufällige Wand durchborte / und den vermeinten Mörder des Polyphilus wieder ermordete. Es hat aber / die gütige Vorsehung des Himmels / diesen gerechten Vorsatz zu einem löblichen Ende führen wollen / indem er gefüget / das nicht Philomathus / wie Pistimorus vermeinte / sondern ein warhafter Mörder / der den Philomathus / aus Befehl seines Feindes / heimlich erwürgen wolte / diesen Stoß bekommen / und also den verdienten Lohn seiner Boßheit empfangen / Philomathus aber bey Leben geblieben. Allhier fiele ihm das Volck in die Rede / und schrye: man solte diesem Betrüger nicht länger Gehör geben / weil sie den Tod des Philomathus allzu gewiß wüsten / und ihn begraben hätten. Es fieng auch der Richter selbst an zornig zu werden / und sagte: Ich hätte eurer vorigen Entschuldigung / vermessener Schäfer! fast beygefallen / aber diese letzte und falsche Erzählung machet / daß wir auch an der ersten zweiffeln. Dann / wer einmal die Warheit verletzet /kan schwerlich vor derselben Freund erkannt werden. Der Tod des Philomathus ist viel gewisser / als eure leichte Beredung / massen ja derselbe bey uns beerdigt worden. 12. Absatz Zwölfter Absatz Unter währendem Gerichte / kommen Philomathus /Cumenus und Filato / mit Garine und Anamfe / nach Soletten. Philomathus / von denen zu Soletten mit Freuden empfangen / entschuldiget und errettet die Gefangenen. Macarie und Polyphilus / halten daselbst ihre Hochzeit-Schluß-Gedichte dieses vierten und letzten Buches. Agapistus wolte eben wieder antworten / als sie den Philomathus / Cumenus und Filato / mit Garine /Anamfe und Volinie / neben der Nabisa daher kommen sahen. Dann diese letzere / so bald der Tumult in der Insel entstanden / war mit dem Gärtner nach dem Lusthaus gegangen / und hatte daselbst des Gärtners Jungen noch bey Nacht / nach der Hütten des Cumenus / ihr den Weg zeigen lassen: deme sie die Gefahr der Macarie / zu ihrer allerhöchsten Betrübung eröffnet. Sie säumten sich demnach nicht lang / solchem Unheil zu begegnen / und giengen alsobald aus / die Macarie mit den Schäfern zu suchen. Als sie nun nichts von ihnen gefunden / und von etlichen Leuten berichtet wurden / daß sie allbereit nach Soletten wären geführet worden / eileten sie ingesamt nach der Insel / und kamen eben zu der Zeit / als die Gefangene in der höchsten Gefahr waren. Es ist nicht zu glauben / mit was Bestürzung /Schrecken und Verwunderung die Solettischen Inwohner den Philomathum (den sie gewiß vor tod gehalten) kommen sahen: sonderlich als er beherzt und fast erhitzt dem Gericht zueilete. Er fienge / mit etwas häfftigen Worten / also an zu reden: Vergebet mir / geliebte Freunde und Nachbaren! daß ich euer Vorhaben verhintere. Ich sehe euch in einer so ganz unbilligen Handlung begriffen / und muß der Gerechtigkeit zu steur / euch hiemit die Notturft eröffnen. Ihr werdet nicht zweifeln / daß ich Philomathus / euer ehmaliger Vorsteher sey / der von euch als todt beklaget / durch diese tugendhafte Schäfere aber beym Leben erhalten worden. Die Warzeichen / welche in meinem Hause verborgen / werden gnugsamen Beweiß ihrer Unschuld vorzeigen. Darum haltet ein mit dieser Verfahrung / und glaubet / daß ich euch die lautere Warheit von dieser Verwirrung eröffnen werde. Auf diese Rede / erhub sich der Richter von seinem Stul / fiel dem Philomathus um den Hals / und sagte mit frohem Gesichte: Seyt uns zu tausendmal willkommen / allertheurester Philomathus! Die Freude /welche bey uns eure unverhoffte Widerkunft erwecket / ist viel grösser / als das Leid / so uns euren Abschied zu empfinden gegeben. Zürnet ja nicht / wehrtester Freund! daß wir euren Tod an diesen Schäfern zu röchen gesuchet / sondern erkennet vielmehr daraus unsre Liebe / damit wir eure Aschen noch zu ehren gedachten / und bedenket / daß uns das Gesetz der Gerechtigkeit keinen andern Weg führen können. Eröffnet uns aber auch die allerseltsamste Begebenheit / welche sich jemals unter der Sonne zugetragen /die uns auch auf solchen Irrweg geleitet / daß uns niemand anderst / als ihr selbst / davon zurück ziehen kunte. Ich muß bekennen / (versetzte Philomathus) daß meine Widerkunft sehr entsetzlich und kräfftig gnug sey / allerhand Zweifel / Mißtrauen und Irrtum einzuführen. Allein man muß die Vernunfft der Göttlichen Vorsehung unterwerffen / und das / was man nicht begreifen kan / vielmehr bewundern / als lästern oder laugnen. Meine Gegenwart zeiget gnugsam / daß der Wahn von meiner Ermordung nichtig sey. So bin ich auch willig / die Umstände dieses himmlischen Geschickes weitläuffig zu erzählen. Nur bitte ich / daß zuvor diesen tugendliebenden und ganz unschuldigen Schäfern / meinen wehrtesten Freunden / und sonderlich der unvergleichlichen Macarie / die Freyheit wieder ertheilet werde. Dann ihr solt wissen / geliebte Freunde / Nachbaren und Kinder! daß ihr / mit dieser Gefängnus / das gröste Unrecht an ihr begangen / und Ursach habet / dieselbe durch Abbitte und Gutthaten wieder auszusöhnen: Und damit ihr an meiner Rede nicht zweifelt / will ich sie völliger erläutern. Sehet da / den Edlen Vatter dieser Edlen Tochter! Cumenus / der von Geburt und Tugend edle und kluge Schäfer / samt seiner theuren Anamfe / sind leibliche Eltern der hochbegabten Macarie / welche ihnen / in der Kindheit / durch einen grimmigen Wolf geraubet /aber von dem Edlen Firmisco aus Sicilien wieder errettet worden: der sie so lang vätterlich erzogen / biß sie mit eurem gerühmten Vorsteher / dem Honede / ist verehlicht / und durch widrigen Wind in diese Insel getrieben worden: da sie / als deren Ehre / mit / und ohne ihren Liebsten / biß auf diese Stunde / keusch und tugendlich gelebet / wie solches eure eigne Bekentnus (so ihr der Warheit nicht widerstrebet) wird bezeugen müssen. Es hat sich aber begeben / daß Polyphilus / der von Edlen Eltern entsprossen (wie seine Mutter / die Garine / hier zugegen / die mit mir mancher Gefahr obgesieget / und von ihm wunderbarer Weise wieder gefunden und erkennet worden / beglaubet) und durch einen erbärmlichen Schiffbruch an das Ufer dieser Insel geworfen / von mir die Kunst und Tugend dieser Macarie vernommen / und alsbald Verlangen bekam /sie zu sehen: welches er auch / nach vieler Gefahr /durch Hülfe des Thalypsidamus / unsers Mit-Bürgers / erlanget. Damals wurde nun / aus seinem Verlangen eine Liebe / und erkühnte sich / die schöne Macarie um Gegen-Liebe zu ersuchen. Er bekame aber die harte Antwort / daß sie der Einsamkeit ihre Tage geschworen hätte / biß ihr / nach der Weissagung des Orakels / jemand ihre unbekandte Eltern offenbaren würde. Dieses nun triebe den Polyphilus in das äuserste Elend / und bewegte ihn / aller Gesellschaft zu vergessen / und seinen verlassenen Schäferstab wieder zu ergreifen. Selbiger war aber kaum in seiner Hand erwarmet /als er erfuhre / daß Cumenus und Anamfe der Macarie Eltern wären. Wie hoch er sich darüber ergötzte / kan nur der jenige ermessen / der aus einer verzweifelten Liebe in völlige Hofnung gesetzet worden. Dann er gedachte nun dem erwünschten Ziel seines mühsamen Lauffes gar nahe zu seyn / nit wissend / daß die übereilte Rache dieser Inwohner / seine gerechte Tritte hintern / oder garzurück halten würde. Er verfügte sich nach dem Lusthause seiner Macarie / weil er verstanden / daß sie sich daselbst enthielte: und eröffnete er Ihr daselbst freudigst / daß er nunmehr ihre Eltern gefunden / und also selbst durch den himmlischen Schluß zu ihren Liebsten erwählet wäre. Macarie aber / die in dieser Erzählung / vor bestürzter Verwunderung / niemand als ihren eigen Augen trauen kunte / gienge / wider ihre vorige Gewonheit / mit dem Polyphilus zu den Schäfern: da sie von ihren Eltern und Freunden / auch von uns allen /mit Frolocken bewillkommet / und dem Polyphilus /als durch Göttliche Versehung und seine aufrichtige Dienste / ihrem würdigsten Liebhaber zugeführet worden. Wir beschloßen sämtlich / hieher zu reisen /und den gesamten Inwohnern diese verwunderliche Begebenheit / sonderlich aber meine unglaubliche Errettung / kund zu machen: damit sie neben uns ergetzet / und Macarie ihre Hochzeitliche Freude / mit ihrer aller Zufriedenheit / begehen möchte: nur wolte Anamfe zuvor / die zur Reise und Hochzeit notwendige Dinge befördern. Macarie gienge indessen mit diesen Schäfern / die Gegend des Landes zu sehen: da sie / von einem Hauffen hiesiger Inwohner / überfallen / und / mit höchstem Unrecht / schimpflicher Weise / gefangen vor dieses Gericht gebracht worden. In warheit / geliebte Freunde! ich bin erstaunet / als ich diese Göttin der Tugend / (wie ich sie oft betittelt) als lasterhafft / vor eurem Gerichte stehen sehen. Sind dann eure Augen so verdunkelt / daß ihr das Liecht ihrer Würde nicht erkennet? Ich fürchte / eure Gewaltthätigkeit bey ihr zu entschuldigen / und weiß nicht /wie ich diesen Schimpf abbitten soll. Doch ist ja ihre Sanftmut so groß / daß sie aller Beleidigung bald vergessen / und diese übereilte Beschimpffung / weil sie aus Irrtum / und nicht aus Boßheit hergeflossen /nicht zu anten suchen wird. Ach ja! Vergebet doch /allergedultigste Macarie! was eine erhitzte Gäheit verschuldet / und nehmet den Schatz eurer Freyheit / und das offenbare Zeugnus eurer beständigen Tugend / vor das überstandene Unrecht an. Versöhnet auch den so sehr beleidigten und Tugendhaften Polyphilus / und lebet versichert / daß hiesige Insel das Unrecht mit Gutthaten ersetzen / und die fröliche Verehlichung /welche sie beyde so lang verlanget / eben so hülffreich befördern werden / als sie solche bißher / aus einem falschen Verdacht / gehintert haben. Hiemit fasste er die Hand der Macarie / überreichte sie dem Polyphilus / und führte sie also beyde / unter Zuruffung und Glückwünschung des ganzen Volkes /zu Cumenus und Anamfe / gienge folgends wieder vor den Richter / und fuhre in seiner Rede also fort: Nun ist noch übrig / daß ich auch der Unschuld dieses andern Schäfers ein Zeugnus gebe / und offenbar mache / daß er mein Leben durch Ertödung meines Mörders erhalten habe. Dann als ich / liebste Freunde! eben die Nacht / als ich den Edlen Polyphilus /nach kurzer Erkantnus / unglücklich verlierend / meiner Meinung nach in den Wellen zu Grund gehen gesehen / und nun / als ich wieder nach Haus gelanget /bejammerte ich den Tod dieses gelehrten Schäfers /mit vielem Wehklagen. Wie ich nun / aus großer Betrübnus / weil ich ihn allein verlassen hatte / mich silbst als seinen Mörder anklagte / begab es sich / daß ich vor Kummer mein Bette verließ / und bey meinen Büchern Trost suchte. Nachdem ich aber auch daselbst wenig Ruhe gefunden / kehrte ich wieder zurück / und wurde gewar /daß mein Bette von jemand anderem war eingenommen worden. Ich hielte es erstlich vor des Polyphilus Geist. Als ich aber ein Liecht gefordert / erkante ich /daß ein todter und mit blut-besudelter Eörper meine Stelle bekleidet: den ich aber / nach hefftigem Schrecken und eigentlicher Beschauung / nicht erkennen kunte. Er hatte an seiner Seiten einen blossen Dolchen ligend / doch ohne einiges Blut-Zeichen. Diese Begebenheit machte mich lang in Verwirrung stehen / biß ich seine Kleider / und in selben einen Brief dieses Inhalts fande: Deinen Brief habe ich erhalten / und mich über deine willige Dienstfärtigkeit sehr erfreuet / werde auch nicht unterlassen / dieselbe reichlich zu belohnen: wie ich dann hiemir 40. Cronen übersende / damit du desto eiliger meinen Wunsch erfüllest. Sey nur beherzt / meine Rache auszuüben / und den Philomathus / meinen Erz-Feind / zu ermorden / wie du versprochen hast. Siehe aber zu / daß du vorsichtig handelst / daß meine Ehre und dein Leben nicht in Gefahr komme. Die Nacht wird wol hierzu am füglichsten seyn. Ich verlasse mich auf deine Klugheit / und erwarte mit Verlangen deiner Widerkunft und der glücklichen Verrichtung: alsdann werde ich die andere Hälffte des Geldes erlegen / und lebenlang verbleiben dein Danckbarer Gutthäter und Beförderer Gilbertus . Als ich diesen schelmischen Brief meines unbilligen Feindes zu lesen bekam / dankte ich dem Himmel vor seinen gnädigen Schutz / und war willens / diesen Verlauf zu offenbaren. Weil ich aber nicht wuste /wer diesen Mörder getödet / geriet ich in neuen Zweifel / und fürchtete / man möchte mich vor den Thäter anhalten / zumal mir die scharffen Gesetze dieser Insel bekandt waren. Darüm nahme ich mir vor / den sichersten Weg zu gehen / und entwiche / nachdem ich den Dolchen und Brief im Hause verborgen / mit etwas Geld / noch selbige Nacht / aus der Insel / und durchreisete etliche Städte und Länder / biß ich erfahren möchte / wie die Sache abgelaufen. Nach zimlich langer Zeit / vername ich von einem hiesigen Inwohner / daß der ertödzte Mörder / an stat meiner begraben / ich aber / als ermordet / beklaget /und Polyphilus / ein fremder Schäfer / vor meinen Mörder gehalten und verfolget würde. So bald ich vernommen / daß Polyphilus / mein getreuer Freund /noch lebte / begab ich mich / diesen Unschuldigen zu befreyen / auf die Heimreise / fande und erkannte unterwegs die edle Garina / die diesen ihren Sohn zu suchen / umher zoge / und setzte mich mit derselben auf ein Schiff / willens / nach dieser Insel zu segeln. Wir wurden aber / theils durch widrigen Wind / theils durch boßhaffte See-Rauber / so lang an unserm Vorhaben gehintert / biß wir in eine gefährliche Brunst /und dadurch in erbärmlichen Schiffbruch geriethen: daraus wir / durch diese hertzhafte und mitleidige Freunde errettet / und zu dem Polyphilus / welchen wir beyde so heftig verlangten / geführet wurden. Dieser / nachdem er meine unverhoffte Gegenwart bewundert / und sich über seiner Mutter Erkentnis erfreuet / erzählte mir die Handlung des Pistimorus /welchen sie unlangst in einer Wildnis angetroffen / da er sich selbst / als meinen Mörder / bekennet und angeklaget. Damals erkennte ich die Vorsorge des gütigen Himmels / und eröffnete der gesamten Gesellschaft / was ich jezt hier erzählet / versprache auch /diesen irrenden Ritter bey den Solettischen Inwohnern zu entschuldigen. Ich würde auch solches zeitlich geleistet haben / wann nicht dieser Aufstand meiner Hieher-Reise vorgekommen wäre. Dieses ist also / geliebte Freunde und Brüder! der warhafte Verlauf alles dessen / was sich seit meines Abseyns begeben / und daraus so viel Irrtum / Argwohn und gefährliches Beginnen hergeflossen. Darum erlasset nun diese Unschuldige ihrer schimpflichen Gefängnus / die mich zum andernmal beym Leben erhalten / und lasset sie ihren betrübten Eltern nicht länger traurige Nächte machen. Preiset auch mit mir und ihnen die Weißheit des gerechten Himmels / der den löblichen Vorsatz dieses edlen Ritters vom Lastern abgewendet / und in eine billige Strafe ausschlagen lassen. Hierauf begunte der Richter Philomathus also zu antworten: Verständiger und tugendlicher Freund! Wir haben seine weitläufftige Erzählung / mit Freud-Verwunderung / angehöret / und setzen hierbey nicht den geringsten Zweifel / sondern sind vergnüget / daß wir den Philomathus lebendig sehen / den wir vorlängst als todt beweinet. Wir weigern uns auch keineswegs / diese Gefangene loß zu geben / weil sie eure eigne Bekantnus frey machet. Der Edle Polyphilus und seine tugendvolle Macarie mag nun bey uns Hochzeit machen / damit sie in dieser Insel noch einiger Ergötzlichkeit genießen / da sie so viel Schrecken empfunden / und daß wir Gelegenheit überkommen /die begangene Fehler unsers Irrtums / mit Ehre und Freude zu ersetzen. Hierauf führte er den Agapistus und Pistimorus / zu Macarie und den Schäfern /wünschte denselben allerseits Glück zur Ehe und Freundschaft / und begleitete sie / mit einen großen Haufen des Volkes / (die / nach Art des Verstandlosen Pöfels / eben so viel Glückwünsche nachschreyen /als sie zuvor Lästerung ausgestossen) nach der Macarie Wonung. Indem sie also fortgiengen / sahen sie den Eusephilistus mit seiner Liebsten Erothemitis / von Melopharmis und ihrem Sohn / auch etlichen Hofbedienten / begleitet / daher kommen. Diese kamen von der Hochzeit zu Sophoxenien / und wusten von allem dem / was sich begeben / nicht das geringste: weßwegen sie über diese Gesellschaft sich zum hefftigsten verwunderten. Sonderlich entsetzte sich Eusephilistus / als er den Philomathus / den er / gleich wie die andern Inwohner / vor fast verweset hielte / lebendig sahe. Als er aber von demselben aller Umstände berichtet worden / empfingen sie allerseits große Freude / schickten auch alsobald einen von ihren Begleitern nach Sophoxenien / und ließen der Königin dieses Wunder eröffnen / auch sie zugleich zur Hochzeit des Polyphilus einladen. Sie erschiene ungesäumt /und wurde also das Freuden-Fest dieser beyden Tugend-Verliebten / welches / so viel die Eile verstattet /mit aller Köstlichkeit und Ergötzung versehen war /vollbracht: welches sie nicht nur mit ihrer hohen Gegenwart / sondern auch mit Geschenken / beehrte. Es wuste auch die freudige und kurtzweilige Volinie ihre Person bey dieser Frölichkeit zu spielen / indem sie den Polyphilus auffoderte / mit ihr zu Wechsel-singen / wie folget: Wie komt es / wehrter Freund! daß eure Lieder schweigen / Und uns nicht / wie vorhin / von eurer Liebe zeugen? Polyphilus. Die irren / forschen stäts / wo sichre Strassen sind: Wer schon im Hafen ist / fragt nit mehr nach dem Wind. Volinie. Doch denkt man in dem Port / wie hart der Sturm gewesen. Von Krankheit pflegt man nicht auf einmal zu genesen. Polyphilus. Wer plagt auf festem Land / sich mit dem strengen Nord? Ein recht-bewährter Arzt treibt alle Krankheit fort. Volinie. Sonst heilen nach und nach die tiefgeschlagne Wunden: Bey euch ist alle Seuch in einem Nun verschwunden. Polyphilus. Diß ist der Liebe Art / daß sie geschwind verlezt / Doch dem / der treulich liebt / im Ende bald ergetzt. Volinie kehrte sich hierauf zu Macarie / und begunte auch mit ihr zu Reim-wechseln: Wie / Schwester! bist du eins mit deines Liebsten Sinnen / Und glaubest / daß es nun könn keine Noht gewinnen? Macarie. Die Tugend lässet mich nie gäntz lich sicher seyn: Es bricht / nach Klarheit / offt des Donners Blitz herein. Volinie. Doch / wer den Sieg erlangt / ist künftig frey vom streiten Manbraucht sich recht der Lust / nach überwundnen Leiden. Macarie. Der Krieger ist nicht frey / der einmal obgesiegt: Weil / wer zu erst gewinnt / offt letzlich unten ligt. Volinie. So könte man / aus Furcht / fast keiner Freud genießen / Wer wird / um Unbestand / sich recht zu halten wissen? Macarie. Wer an der Tugend hält / im Glück und Noht nit wankt / Im Crentz dem Himmel fleht / und in der Wolfart dankt. Hierauf name Atychintide das Wort / und machte den Schluß mit diesen Zeilen: Diß ist der rechte Schluß. Macarie erreichet / Der Tugend edles Ziel / das keinen Pfeilen weichet. Wer recht vergnüget liebt / heist billig hoch beglückt: Verständig aber ist / der sich in beydes schickt. Offt hindert Gottes Raht / was wir zu fördern denken: Damit wir unser Herz nicht von der Tugend lenken. Drum sey / des Himmels Will / der Führer unsrer Freud. So sind wir gleich gesinnt / in böß- und guter Zeit. Mit solchen und andern lustigen und nützlichen Gesprächen / vertrieben sie die Tage der Hochzeit / und ergetzten sich / nach so vielem Ungemach / mit der vergnügten Ruhe und lang-gewünschten Freude: biß die verlauffene Zeit sie allesamt zum Abzug vermahnte. Die Königin ward von unsern Schäfern nach Sophoxenien begleitet / woselbst sie herlich bewürtet /und zwey Tage aufgehalten wurden / und endlich nach unterthänigen Bedankung wieder nach Soletten abreiseten. Agapistus und sein Bruder Pistimorus / begaben sich nun auch auf ihre Heimreise / welche Polyphilus / mit großer Danksagung vor alle erwiesene Liebe und Treue / nicht ohne Threnen und Weheklagen /von sich ziehen ließe. Nachdem hierauf seine Macarie zu Soletten sich ledig gemacht / und vom Philomathus / auch sonst von allen Solettischen Inwohnern /einen freundlichen Abschied genommen / zoge sie mit ihrem so saur-erworbenen Polyphilus und lang-gesuchten Eltern / in die Gegend Brundois zu seinen Herden: von daraus sie zuweilen auf ihrem Lusthause ergetzung suchten und erwiesen / daß / auf trübselige jedoch standhaffte Tugend-Liebe / ein fröliches Ende noch zu folgen pflege. Schluß-Gedicht des Vierten Buchs Schluß-Gedicht des Vierten Buchs. Nun komt das End / von dem bedrangten Lieben / Von dem Gewirr / daß wir bißher beschrieben. Es ist nunmehr gelangt zu seinem Ziel / Was so voll Müh gezeuget hat der Kiel. Polyphilus hat / was er suchte / funden. Es hören auf zu bluten seine Wunden. Der vor verletzt / ist jetzo gänzlich heil / Und süß verknüpft / mit seinem Seelen-Theil. Macarie / als sie zu zürnen meinet / Trifft freudig an / was sie so oft beweinet / Es findt sich / Ihr und ihres Liebsten Stamm / Durch Gottes Raht / hier wunderbar zusamm. Nun können sie sich voller Lust vermählen / Und dürffen nicht ihr Lieben mehr verhehlen. Philomathus macht sie des Mordes loß / Eusephilist / sucht einer fremden Schoß. So hat sich auch die Königin entschüttet / Der tollen Lust / die sie zuvor zerrüttet / Die so viel List so lang gewürket hat / Und gibet Raum der weißen Alten Rath. Doch heimlich will sie Melopharmis hassen: Die diesen Hof / aus Geitz / nicht kan verlassen / Die lieber wählt Verachtung / Schmach und Pein / Als freyen Muht / ohn Hofnung / reich zu seyn. So mag sie dann an dieser Ketten hangen / Und / mit dem Gut / auf ewig seyn gefangen. Wir sehen jetzt des Agapistus Glück / Der / höchst vergnügt / den Bruder führt zurück. Zwar ängstig gnug er diesen hat gefunden: Doch ist er jetzt von aller Last entbunden. Diß ist der Lohn / den beyder Treu verdient. Des Himmels Gunst bey wahrer Freundschaft grünt. Wer nun bißher die Augen hat gegönnet Dem Liebes-Paar / das so viel Angst berennet / Der schaue jetzt den Freuden-vollen Schluß / Mit welchem sich geendet ihr Verdruß. Polyphilus hat allen / die da lieben / In diesem Streit die Waffen vorgeschrieben. Beständigkeit / Gedult / und Hoffnung siegt / Ob tausend Noth ein liebends Herz bekriegt. Macarie / die oft im Zweifel schwebte / Und die ser Lieb mit Sorgen widerstrebte / Siht wundrend an / wie Gottes weise Macht / In diesem Thun so wohl vor sie gewacht. Sie gibt die Lehr / daß in verwirdtem Quälen / Man alles soll GOtt und der Zeit befehlen: Die schaffen offt durch solche Mittel Raht / Auf die man nie vorher gesonnen hat. Der Königin bekehrter Wandel zeiget / Wie unser Sinn zum falschen Wahn geneiget: Die nie zuvor der Tugend zugehört / Ward noch durch List und Gaukeley bekehrt. Doch ist sie ja in diesem zu erheben / Daß sie nicht will der Warheit widerstreben / Noch so verhärtt behaupten ihren Schluß / Daß ihrem Thun die Strafe folgen muß. Es lebt kein Mensch / der jederzeit erwählet / Was löblich ist / und nicht zuweilen fehlet: Wann er nur nicht der Besserung vergisst / Und stehet auf / wann er gefallen ist. Noch sehen wir / an Melopharmis Plagen / Wie Geitz und Ruh / so selten sich vertragen: Sie hat viel List an dieses Erb gewandt / Und kommt doch nicht in ihren alten Stand. Ja / letzlich bricht / was lang zuvor gewancket. Die Fürsten-Gnad / die einmal ist erkrancket / Steht schwerlich frisch vom Bette wieder auf / An Höfen ist nur Wanckelmut zu Kauf. Die letzte Lehr / kan Agapistus geben: Der / bloß nach Lieb und Freundschaft / sucht zu leben: Er gibet nach / was sonst bedenklich scheint / Damit er nur vergnüge seinen Freund. So wenig nun dergleichen Treu zu finden / So eifrig soll sie unser Herz entzünden. Wer ohne falsch dem Freund geholffen hat / Der findet auch in seinen Nöten Raht. Diß ist das Recht / das die Natur uns lehret: Wer Böses thut / dem Böses wiederfähret; Wer aber sein Gemüt zur Tugend wend / Auf dessen Thun / folgt ein erfreutes Fußnoten 1 [Das Gedicht »Gegen-Satz« ist in der Originalausgabe parallel zum Gedicht »Nach-Wunsch« gedruckt.]