Christian zu Stolberg Gedichte An Bürger 1773. Dir mich weihen? ich dir? stygische Furie, Afterthemis, ich dir? die du mit Schlangenlist Unser göttliches Recht, welches Natur uns gab, Raubtest, und mit des Tigers Klau? Ha! wie schallt's am Altar! Bosheit und Hadersucht, Aemsig spähend den Zwist, hämische Rachbegier, Groll und gieriger Geiz, Vater des feilen Spruchs; Ha, wie tobet die Höllenbrut! Und dein Nattergezisch, schlaue Chikane, du Misgeschöpfe des arglistigen Fremdlinges, Ungenannt von dem Volk, welches die Zunge spricht, Die Thuiskon und Mana sprach! Weß der ächzende Laut? – – Ach der bekümmerten Unschuld Seufzer! Sie naht weinend der Göttin sich, Fleht Erbarmen. Umsonst! Ihre verruchte Schaar Schreckt mit grimmigem Hohn sie weg! O des goldenen Tag's, da bei dem Volke Teuts Noch Gerechtigkeit galt, noch, von der heiligen Eiche Schauer umrauscht, sie in dem richtenden Kreis' ehrwürdiger Väter saß! Da vom albernen Wahn lauter der hellere Geist, und lauter vom Schwall wirrender Satzungen; Da noch Tugend, und du, Erbe Germaniens, Treue, lehrtet den Biederspruch! Ach, entflohn ist, entflohn längst die Gerechtigkeit Vom entarteten Stamm! Wenigen Lieblingen Lächelt Weihe nur noch, segnend, vom nächtlichen Pol herab, die Geflohene. Weihe lächelte sie, edler Cheruskasohn, Dir, o Bürger, der du heiligen Druden gleich, Richter-Tugenden übst, heiligen Barden gleich, Braga's Kranz um die Locke schlingst. An Curt, Freiherrn von Haugwitz 1773. Elegie. Süßer duftet die Flur, und kühler hauchet der Abend; Nur ein welkendes Roth weilt am azurenen West. Stille thauet herab, und Ruh', und sanfte Begeist'rung Auf den einsamen Pfad, welchen der Waller betritt. Hesperus schaut auf ihn mit freundlichen Blicken hernieder, Lispelt segnend ihm zu: Geh' in Frieden dahin! Ich auch wander' umher, und such' auf einsamen Pfaden Ruh' und lindernden Trost für mein sinkendes Herz. Ach vergebens! – O du der besten Jünglinge Bester, Den ich liebe, so sehr, als ich zu lieben vermag; Dem die milde Natur der Gaben schönste, die selten Sie verleiht, ein Herz zarter Empfindung, verlieh; Den sie der Freundschaft schuf, der Lieb', und stilleren Freuden; Sanfte Melancholie, deine Feindinnen nicht! Ach! du windest dich los aus deines Freundes Umarmung; Scheidest zögernd von ihm – ach! auf ewig vielleicht! – – Also sind sie dahin, der Freundschaft heilige Jahre, Deren jeglicher Tag fester und fester uns band? Also sind sie verblüht die Veilchen, welche mir oftmahl Deine gefällige Hand streut' in den mühsamen Weg? Nein! sie sind nicht verblüht! In jeder heiteren Stunde Kehrt mir lächelnd zurück jede genossene Lust. O dann sollen mich oft Phantome der Abend' umschweben, Die, uns jeglichesmahl täuschend, zu flüchtig entflohn! Jetzo wanderten wir, mit Frühlingsruhe gesegnet, Arm geschlungen in Arm, blühende Thäler hinab; Lagerten jetzo uns hin am moosigen Ufer des Baches, Und dem süßen Geschwätz horchte vertraulich der Mond. O, wie schmolz uns dann das Herz in sanfter Empfindung! O, wie schmeckten wir dich, himmlische Freundschaft, so süß! Einstens pflückt' ich zwo junge Vergißmeinnicht, und streute, Wo am klärsten er floß, sie in den kräuselnden Bach. Eine riß er hinweg; die andere weilt' am Ufer! Und du starrtest mich an; Thränen bewölkten den Blick! Ich verstand dich! Auch mich ergriff der bängste Gedanke: Ach! wenn einst das Geschick uns wie die Blumen verstreut! So schlich Wehmuth oft in unsere Freuden; so sprosset In dem Myrtengebüsch' eine Zypresse mit auf. Oftmahl standen wir still am schroffen Hange des Felsen, Müden Pilgern gleich, über die Stäbe gelehnt; Und umhüllte mich dann der Nebel der schwarzen Schwermuth, O so schüttet' ich, Freund, dir in das deine mein Herz! Seufzend hörtest du mich, und jede Sorge, die theilend Du mir nahmest, erhob meine beklommene Brust! Phantasie, wo gaukelst du hin? – O Bester, nun leichterst Du nicht wieder die Last meiner beklommenen Brust! Ach, nun fliehst du! Verweil'! daß in der letzten Umarmung Eine Thräne nur noch misch' in die meinige sich. Segen geleite dich, Freund! O sei der Liebling des Glückes, Jenes reineren Glück's, welches der Weise nur kennt; Sei deß Liebling, wie du der menschenfreundlichen Tugend Und der Weisheit es bist! Segen geleite dich, Freund! An meine sterbende Schwester Sophie Magdalene 1773. Rosenknospe! So schön blühete keine noch Von den Töchtern des Mai's, welchen der Morgenthau In den duftenden Busen Schimmer träufelt und Lenzgeruch. Und nun neigst du herab, Rose, dein lechzendes Ach, dein welkendes Haupt! – Wenige Sonnen nur Und du blühest, o Schönste, Schöner wieder in Eden auf! Labung thauen auf dich, kühlende Labung dann Lebensbäume hinab; Lüfte der Sommernacht Weht die Palme des Sieges Dann entgegen der Dulderin! Deiner Leiden entkeimt jedem ein blühender Zweig zum Kranze des Lohns, der dich umflechten soll! Wie so heiter, o Beste? Zeigt dein Engel den Kranz dir schon? Weinend naht' ich, und sank sprachlos an deine Brust, Lächelnd küßtest du mich, aber nur bitterer Floß die Wehmuth, und netzte Deine Wange, Geliebteste! An meine Schwester Augusta Luise 1773. Beste, du klagst nicht; doch entschleicht, ich weiß es, Mancher sehnende Seufzer deinem Busen, Trübt dein blaues schmachtendes Aug' ein Schleier Schweigender Wehmuth. Dir, die so zärtlich meine Seele liebet, Dir, ach zürne nicht! schwieg ich seit dem bangen Abschiedskuße! Sage mir, bestes Mädchen, Sage, wie konnt' ich? Die Blicke 1774. An Dora. Röthliche, goldbesäumte Wolken hüllen Ihre Strahlen nicht mehr! Sie kommt, die Sonne! Blickt allgütig lächelnde Freud' und junges Leben hernieder! Schimmernder blüh'n die thaubenetzten Fluren; Jedes zitternde Blümchen athmet Freude, Strahlt in Regenbogen die Sonnenblicke Lieblicher um sich. Himmlischer aber lächelt mir das Auge, Ach! das Grazienauge meines Mädchens! Blicket mild in's Herz mir noch ungefühlte, Selige Freuden! Wallendes Leben bebt durch jede Nerve, Klopft in jeglichem Pulse; frohe Schauer Strömen in die trunkene Seele namenloses Entzücken! Aber ach! Wehmuth blickt mir oft ihr blaues Auge! Wehmuth und Trübsinn! Dann entquellen Sehnsuchtsseufzer, thaut mir der Liebe Zähre Ueber die Wange! Duftige Nebel locket so die Sonne Aus dem Blumengefild' am Sommerabend; Trübe steigt der wolkige Schleier, träufelt Labende Kühlung. – Blicke mir, meine Dora, blicke Wehmuth Mir in's liebende Herz! Auch sie gewähret Süßes namenloses Gefühl, der Liebe Traute Gesellin! Bis du mir einstens (Ahndung lispelt's leise Ahndung, ach! die zur Hoffnung noch nicht reifte!) Bis du Lieb' im schmachtenden Auge, Liebe, Liebe mir lächelst! Elise von Mannsfeld 1775. Eine Ballade aus dem zehnten Jahrhundert. »Wie viele sehnten sich nach dir, Du kühle, stille Nacht! Nun hast du ihnen Labung, Ruh Und sanften Schlaf gebracht. Auch mir kommst du erwünscht; jetzt kann Ich frei und einsam seyn; Durch manchen tiefen Seufzer nun Mir lindern meine Pein. Ach Gott! was hab ich denn gethan, Daß sie so grausam sind? Mein Vater nannte mich ja stets Sein liebes, gutes Kind; Und ihren besten Segen gab Die Mutter sterbend mir. Der wird im Himmel einst erfüllt; Doch wahrlich! nicht auch hier. Daß dieser Segen sich nur nicht In Fluch verkehr' für die, Die so mich kränken! Gott verzeih Es ihnen! beß're sie! Ach, alles trüg' ich mit Geduld, Wenn, Liebe, du nicht wärst, Die du durch hoffnungslose Quaal Mein krankes Herz verzehrst! Kann ich's nicht dulden, nun wohlan So hab' ich Einen Trost: Dann brichst du, armes Herz! Drum sei, Bis daß du brichst, getrost!« – So eben kehrt' ein Rittersmann Von seinem Ritt zurück, Und kommt, geführt von seinem Pfad, Hart an des Schlosses Brück'. Da dringt des Fräuleins Klageton Ihm tief in's Herz hinein; Er wähnt', um Hülfe fleh' sie ihn, Und will ihr Retter seyn. Voll Ungeduld und voll Begier Umher sein Auge glüht, Bis endlich hoch am Fenster er Das Fräulein stehen sieht. »Ach Fräulein! sprich, was jammerst du? Vertraue mir dein Leid! Dies Schwert, der Arm, dies Leben sei Zu deinem Dienst geweiht.« – »Ach, edler Ritter, Schwert und Arm Ist nicht, was mir gebricht; Nur Trost für mein beklomm'nes Herz: Und ach, den hast du nicht!« – »Entdecke mir dein kränkend Weh, Das wird dir Lind'rung seyn, Und meine Mitleidsthräne wird Dir einen Trost verleih'n.« – »Du guter Jüngling! höre denn, Ich eine Waise bin, Und mit den lieben Eltern starb Mir Ruh' und Freude hin; Ein Ohm und eine Muhme jetzt An Eltern Statt mir sind, Die quälen mich, daß Gott erbarm'! Und tödten schier ihr Kind. Mein Vater war ein reicher Graf, Nun ist das Erbe mein. O, wär' ich arm! dies schnöde Gut Ist Ursach meiner Pein. Mein Oheim dürstet Tag und Nacht Nach meinem Hab' und Gut, Drum sperrt in diesen Thurm mich ein Des harten Mannes Wuth. Hier bleib' ich, droh't er, wo ich nicht Erwähl' am dritten Tag, Ob ich den Sohn zum Ehemann, Ob ich in's Kloster mag. Wie eilig wär' die Wahl gescheh'n, Ich thät' den Schleier an, Ach, liebte nicht mein junges Herz Den besten, schönsten Mann, Jüngst bei'm Turniere sah ich ihn, Ich sah' und liebt' ihn gleich, Wie frei, wie edel und wie kühn! Nicht Einer war ihm gleich.« – »Sei, edles Fräulein! gutes Muth's, In's Kloster sollst du nicht, Noch minder sollst du seyn die Schnur Vom alten Bösewicht. Ich kann's, ich will's, ich rette dich, Das ist mein fester Sinn, Bring' dich in deines Jünglings Arm, So wahr ich Stolberg bin.« »Du? Stolberg? o mein Leid ist hin! Mein Engel führte dich; Du bist mein trauter Jüngling, du! Nach dem ich sehnte mich. Jetzt sag' ich frei und offen dir, Was schon mein Blick gestand, Als ich um deine Lanze jüngst Den Eichenkranz dir wand.« – »O Gott! du? mein geliebtes Kind, Elise Mannsfeld? O! Dich liebt' auch ich bei'm ersten Blick; Noch keiner liebte so! An meiner Lanze sieh den Kranz, Den sie nun ewig trägt. Ach, könntest du dein Bild auch sehn, So tief hier eingeprägt! Jedoch was säumen wir? ich bring Dich heim vor Sonnenschein, Und uns'rer keuschen Liebe soll Nichts mehr im Wege seyn.« – »Von ganzer Seele lieb' ich dich O Jüngling! aber doch Sträubt sich mein jungfräulich Gefühl Bei'm raschen Vorsatz noch. Du kennst die arge Welt; du weißt Wie im Triumphe sie Mir Stand und Ehr', und Tugend nimmt, Wenn ich mit dir entflieh.« – »O Mädchen, was ist uns die Welt? Laß immerhin sie schrei'n; Dein Beifall nur, mein Beifall nur Soll unser Richter seyn. Und keiner deines Stammes soll Vernehmen deine That, Bis uns des Priesters Segenshand Zur Eh' geweihet hat. Auch führ' als Gattin ich dich erst In meine Burg hinein; Nun geht's zu meiner Schwester hin; Da soll die Trauung seyn. Wie wird mein liebes Gustchen sich Der lieben Schwester freu'n, Wie wird des lieben Bruders Glück Ihr eig'ne Wonne seyn! Elise, laß uns eilen! komm, Gleich ist es Mitternacht! Der Mond, der jetzt so hell uns scheint, Hat bald den Lauf vollbracht.« – Nun schlich das Fräulein leisen Tritts Hinab den Windelsteig, Bis unten sie zum Fenster kam, Da ward sie todtenbleich; Doch schnell ergreift sie wieder Herz Und öffnet es behend, Und wagt's und springt dem Ritter zu, Der ihr entgegen rennt. Sein Mädchen drückt' er sprachlos jetzt Fest an sein klopfend Herz, Für ungefühlter reiner Lust Vergaß sie allen Schmerz. Dann hob er freudig sie auf's Roß, Und vor ihr setzt' er sich, Sie schlang die weißen Arm' um ihn; Fort ging's nun ritterlich. Vom Roß und freudigem Gebell Des treuen Greifs erweckt, Lief schnell die Zof' an's Fenster hin, Ihr Fräulein sie erblickt. Sie tobt mit wildem Angstgeschrei, Klagt allen ihre Noth; Der Alte schäumt, und flucht und schwört Der Nichte Schmach und Tod. Er fodert seine Sassen auf, Und eh' der Tag begann, Verließen rüstig sie das Schloß; Er führte selbst sie an. Indessen war das Ritterpaar Durch Anger, Wiese, Feld, Weit über Berg und Thal und Forst; Vom günst'gen Mond erhellt. Mit lautem Schaumgetöse stürzt Die Bude vor sie hin: »Es geht, mein Kind erzitt're nicht! Des Stroms ich kundig bin.« – Der Rappe stutzt und hebt den Fuß Und prüft den Fluß gemach, Drauf strebt' er wiehernd durch, als wär's Nur ein Forellenbach. Nun kommen sie zum Schloß gesprengt, In Himmelswonn' entzückt; Beschreib's, wer eine Freude je, Wie diese war, erblickt'. Nun saßen sie bei'm frohen Mahl, Der Becher ging umher; Ein Knappe kam: »Auf, edler Graf! Der Mannsfeld rücket her!« Und Braut und Schwester jammerten, Zerrauften sich das Haar; Indeß der Graf zu Pferde schon Im vollen Harnisch war. Dem Zug' er schnell entgegen kam, Und rief dem Mannsfeld laut: »Umsonst ist deine Müh'; sie ist Als Weib mir angetraut! Und bin ich nicht aus edlem Stamm, Deß Ruhm erschallet weit, Der Fürsten unserm Volke gab Schon zu der Heiden Zeit?« 1 – Mit eingelegter Lanze sprengt Der Alte gegen ihn; Sein Haufe folgt; erwartend bleibt Der Ritter kalt und kühn, Und zieht sein Schwert. Als Mannsfeld naht, Verhaut er ihm den Stoß Und haut, und haut den Schedel durch, Daß er zur Erden schoß. Die Reisigen zerstreuen sich, Und Stolberg eilt nach Haus, Und ruht die lange, süße Nacht In Lieschen Armen aus. Fußnoten 1 Das Geschlecht der Stolberge gehörte unter die zwölf Edlen Häuser der Vierfürsten des sächsischen Reichs, aus welchen zu Kriegszeiten Herzoge und Könige erwählt wurden, ehe Karl der Große Sachsen eroberte. An die Unbekannte 1775. An's Mägdlein sei dies Lied gericht't, Die mich nicht kennt, und ich sie nicht, Nicht weis, in welchem Land sie lebt, Da doch mein Geist sie stets umschwebt. Wenn ich aus dem Getümmel bin, Erfüllt sie immer meinen Sinn; Und wenn ich irre über Land, Geht sie mit mir an meiner Hand. Wenn's wohl mir wird in Wies' und Wald; Der Mond durch lichte Wolken wallt, Erhöht den seligen Genuß Mein Mädchen mir durch manchen Kuß. Oftmal, mir selber unbekannt, Drückt meine Hand dann ihre Hand; Ich fühl's, und seufze, daß ihr Bild Den heißen Wunsch so schwach erfüllt. So sehnlich sucht' ich, und so lang'! Nun wird's im Herzen trüb' und bang', Daß ich das liebe, gute Kind, Das für mich da ist, nimmer find'. Wenn, Beste, du dies Liedchen siehst, Und dir vom Aug' ein Thränlein fließt, Und seufzest leis': der gute Mann! Wie ich ihm nachempfinden kann! So glaub', daß du mein Mädchen bist, Das nur für mich geboren ist, Und liebe mich, und sag' es mir, So eil' ich, Beste, froh zu dir! Lied an einen Freimaurer bei seiner Aufnahme 1775. Mit Beben, wie die Freude bebet, Und dankbar segnend dein Geschick, Von kühner Ahndung neu belebet, Voll Bruderliebe Herz und Blick; So, Bruder, tritt in unsre Mitte So schwör' den schauervollen Eid, Und jeder ist, nach Maurersitte, Dein Herzensfreund zu seyn bereit; Und willig, Habe, Blut und Leben, Nimm diesen Bruderkuß zum Pfand! Für dich, und jeden hinzugeben, Der sich, wie du, mit uns verband. Auch dir sei Habe, Blut und Leben Zu theu'r für deine Brüder nicht, Mit Freud' und Demuth es zu geben, Das, Bruder, ist des Maurers Pflicht! Ach! rauh und steil sind unsre Pfade Und harte Kämpfe kämpfen wir; Fliehst du den Kampf, fliehst du die Pfade, Dann wehe! wehe! wehe! dir. Getrost! du fliehst sie nicht. Beginne Mit Muth und Vorsicht deine Bahn, Und dringe zu des Gipfels Zinne, Zu der nur Hochgeweih'te nah'n. Die Stärke stütze deine Rechte, Wenn machtlos sie im Streite ficht; Des Irrsals und des Zweifels Nächte Erhelle dir der Weisheit Licht. Schon sank die Hülle! Sieh, es winket Dir fern Aurorens junger Schein, Doch grauer Nebel wallt und sinket Und hüllt in Dämmerung dich ein! So wallte Nebel einst, und deckte Des Tempels Heiligthum; es bebt Der Söhne Levi Schaar; sie schreckte Gott, dessen Schauer sie umschwebt. Da schwiegen Psalter, schwiegen Lieder; Da flehte Salomon; da goß Ein Strom des Lichtes sich hernieder, Der in des Weisen Seele floß. So quill' auch dir des Lichtes Quelle, Ergieß' im vollen Strome sich, Verscheuche Nebel, und erhelle Und kräft'ge und belebe dich! Wohl dir, in unsrer Brüder Kreise! Wohl uns! wir feiern diesen Tag! Ihm folge, nach der Väter Weise, Ein froh bekränzter Abend nach. Bei unserm Freudenmahl' erneue Der volle Becher unser Band; Die Freud' erschein' uns! Wahrheit, Treue, Und edle Zucht an ihrer Hand. Dann schallen festlich unsre Lieder, Wir trinken ferner Brüder Glück, Und blicken auf bedrängte Brüder, Und lindern freudig ihr Geschick. Grabschrift eines Jünglings, dem eine unglückliche Liebe den Tod gab 1775. Kühle, moosige Gruft, willkommen! Schwül war des Lebens Tag mir, vollendet ist er, gönnet die Ruhe mir nun! Wand'rer, auch du hast geliebt, du liebest, oder du wirst noch Lieben, Armer! es fiel mir ein erwünschteres Loos! Anmerkung. Im Jahre 1775 las man in Lausanne, auf einer Fensterscheibe des Zimmers, wo dieser Jüngling gewohnt hatte, folgende Zeilen: I love but one and only one And that is only Thee, Love Thou but one and only one And let that one be me! Der wahre Traum 1778. Eine Ballade. Wundersam, durch Dunkelheiten, Geht, allheilige Natur, Deines Zaubertrittes Spur; Ahnend folgen die Geweihten; Aber sieh, es irren, gleiten Klüglinge, die selbst sich leiten, Die des Dünkels Irrwischschein Zieht in Sumpf und Pfuhl hinein. Wohl mir, Göttinn, daß zu deiner Hochbeglückten Jünger Schaar, Als die Mutter mich gebar, Du mich lasest, von gemeiner Bahn mich führtest, zu geheimer Weisheit Pfad, wo heller, reiner Jeder Wahrheit Urborn quillt, Und des Forschers Schmachten stillt. Bald, als Feuersäul, erhebet Sich dein Haupt gen Himmel; wir, Voll Begeistrung, folgen dir In die Himmel, neu belebet; Bald, als Wolkensäul', umschwebet Heilig Dunkel uns; dann bebet Ahnungsschauer, der uns mild Lockt in Edens Duftgefild'. Oft, um mütterlich zu walten, Lehr' und Warnung zu verleihn, Wenn Gefährlichkeiten dräun, Muth und Glaub' in uns erkalten, Bei der Rechten uns zu halten, Hüllst du dich in Traumgestalten, Lispelst, in des Schlummers Ruh', Offenbarungen uns zu. So noch gestern. – Freunde, hören Sollt ihr staunend, was geschah, Welches Traumgesicht ich sah; Eu'r Vertrauen zu vermehren, Soll euch dieser Handschlag schwören, Daß ich euch nicht will bethören, Wahrlich dieser Traum nicht sei Ein Gespinnst der Phantasei, Als ich sanft und schlummernd ruhte, Alles Kummers unbewußt, Wohl auf meines Weibes Brust, Horcht, da kam mit hohem Muthe, Wie entsproßt aus edlem Blute, Zu der Eich', an der ich ruhte, Schön gewappnet, angethan Nach der Ritter Brauch, ein Mann; Reichte traulich mir die Rechte, Traulich schlug ich drein, alsdann Seine Red' er so begann: »Müßig ruhst du hier? Ich dächte, Lieber, kämst mit mir; ich möchte Wetten schier, wohin ich brächte Dich, da solltest du gestehn, Daß du nie so was gesehn.« Sonder Säumen thät ich wallen Mit dem Ritter, der mich bald, Wo am dunkelsten der Wald Schattete, bald, nach Gefallen, Leitete durch Felsenhallen, Bald durch Trümmer wild verfallen, Dann der schroffen Kluft entlang, Dann bedroht vom Klippenhang. Endlich langten wir zur Stelle, Zu des Ritters Fehdeschloß, Das ein Zwinger rund umschloß; Brücken, Warten, Zinnen, Wälle, Pforten, Stein so Pfost' als Schwelle, Sicherten für Ueberfälle Diese Burg; als wir davor, Schloß von selbst sich auf das Thor. Aus dem Thore schlich zur Linken, Unterirdisch, wüst' und bang, Ein gewölbter Niedergang; Unter'm Fuß, so thät mir's dünken, Sah ich Leichensteine blinken; Aengstlich folgt' ich, sahe sinken Eine Fallthür; Leichenduft Athmete die grause Gruft. Särge standen hier die Fülle. Einer, schön von Marmelstein, Hatt' ein eigen Kämmerlein. »Hier in dieses Grabes Stille,« Sprach der Ritter, »ist mein Wille, Daß du sehest, Freund, die Hülle Des Gebeins, einst weich und warm, Ach! des Weib's in meinem Arm!« Auf des Todtenmaales Mitte War, von Silber, glatt und schön, Ein gediegner Kelch zu sehn. »Sage, Ritter, sag', ich bitte« – – Zürnend blickt' er, winkt' und litte Nicht zu enden, stieg drei Tritte, Gab den Kelch mir, sah mich an: »Zittre nicht! Du bist ein Mann!« Kaum hatt' er den Kelch gegeben, Als es in dem Wunderding Brausend an zu gähren fing Und mit Macht herauszustreben, Gleich als ob der Traube Leben Perlte drinnen; sich erheben Thät alsbald der weiße Schaum Höher denn des Kelches Saum. Aus dem Schaumgesprudel stiegen Holder Blümlein drei heraus, Wanden sich in einen Strauß; Schaum und Gährung sanken, schwiegen. Schwebend sich im Kelche wiegen Sah ich Ros' und Veilchen, schmiegen Sich um beide, unschuldweiß, Das geliebte Kind des Mai's. Hold und lieblich duftend, blühten Meine Blümlein; plötzlich gohr Schaumgezisch im Kelch empor; Sausend stieg's, verschlang mit Wüthen Meine Blümlein; drauf versprühten Gischt und Blasen, ängstlich mühten, Ach! nicht lieblich, wie zuvor, Meine Blümlein sich hervor. Aschenfarb und welk, verblichen Jede Schöne, süßer Duft Nun verkehrt in Grabesluft! Todesschweiß und Schauer schlichen, Ob dem bangen, fürchterlichen Anblick, über mich; entwichen Wär ich schier. Der Rittersmann. Sah's und hub zu reden an: »Einst hatt' ich ein Weib! Besingen Thät kein Dichter je ein Weib, Schön, wie sie, an Seel' und Leib; Keinem Maler (hundert gingen Stolz zum Werke!) thät's gelingen, Sie auf Leinewand zu bringen; Sie nur malte fein und glatt Einst sich auf ein Rosenblatt. Einst hatt' ich ein Weib!« (Es bebten, Als er's seufzte, perlenklar, Thränen an der Wimper Haar.) »Lieb' und Gegenliebe lebten In uns; Ruh' und Wonn' umschwebten Uns, und Heiterkeit; die webten In des Lebens Ungemach Süße Freuden, Nacht und Tag.« Dennoch – Ach! der Weiber Herzen Sind ein Räthsel allzumal! – Fand sie Kurzweil manches Mal Mir zu brüten Sorg' und Schmerzen, Kalt zu küßen, kalt zu herzen, Leicht mit meiner Ruh' zu scherzen, Meiner Liebe! warm und treu, Immer alt und immer neu! Immer thät das Wunder währen In dem Kelch; es saus'te, stieg, Blühte, welkte, braus'te, schwieg. »Was dies Sträußlein sei, dies Gähren, Sollst du,« sprach er, »staunend hören. Dieser Kelch faßt meine Zähren, Die der Liebe Freudendrang, Und auch Gram, vom Auge zwang!« – Da erwacht' ich bebend. Sehen Thät ich, statt des Traumes Bild, Nur mein Weiblein süß und mild. Ihres Odems leises Wehen, Ihres Busens sanftes Blähen Hieß mein Beben schnell vergehen. Deine Warnung, Nachtgesicht, Dank der Liebe! schreckt mich nicht! Der siebente November 1778. An meinen Bruder. Auf! mit des Adlers Schwingen, fleuch, Hin zu ihm, mein Gesang, und mit dir Mein frohlockender Morgengruß! Hin zu ihm, der mir ist, Was kein Sterblicher je Sterblichen war! Röthliche Schimmer erwachen schon; Sie verkündigen den Tag, Ach! den entzückenden, Der dich, Lieber, ins Leben rief! Seht, wie er pranget im herbstlichen Schmuck! Feiernd naht er, und stolz, umtanzt Von der Stunden Reigen, und begrüßt Von der Sonne, dem Mond und dem weilenden Stern! Eile, der du mir schwebst Auf der lechzenden Lippe, Bruderkuß! Schnell gleit' auf dem ersten Strahl, Feuervoll, und erquickend, wie er, Hin zu ihm, der mir ist, Was kein Sterblicher je Sterblichen war! Lagre behend auf seine Lippen dich, Scheuche nicht den Morgentraum, Der mit duftenden Kränzen, Der mit windenden Epheuranken Fesselt den Schlummernden! Träufle deinen Honig, und laß das Bild, Ach, mein Bild! Vor seiner ahnenden Seele schweben, und mit ihm Schmachtende Sehnsucht, ach, nach mir! Dann erweck' ihn ungestüm, mit dem Fittigschlag Der Lieb', und ruf' es laut Mit Flammenwort ihm zu: Daß er mir sei, Was kein Sterblicher je Sterblichen war! Mein Bruder! Siehe, wie sie bebt Der Freude Zähre, Daß Du's bist, und daß Du Mehr denn Bruder und Freund, Daß du bist Meines Herzens Vertrautester! Sage, sproßte dir je, Keimte mir je ein Gedank', Dessen Hülle nicht Du Hobest, nicht ich? Wie, durch der heiligen Natur Tief verborgne Wunderkraft, Der unberührten Leyer Saite bebt, Wenn des Sängers Stimme den Ton Der Bebenden hallt; O! so stimmte Mutter Natur Unsrer Zwillingsseelen Immer tönende Harmonie! Tönend, wenn das Feuerblut Lodert in der Jünglinge Brust, Tönend, wenn der Rührung Zähre sanft Ueber die blässere Wange rinnt. Ach! Du, der du mir bist, Was kein Sterblicher je Sterblichen war! An der Begeistrung und der Muse Hand, Deiner Vertrauten, zu denen du sprichst: »Du bist meine Schwester! und du Bist meine Braut!« – Oft besucht ihr in stiller Nacht Du, den Bruder, und du, In der einsamen Halle, Deinen Wonneberauschten, Deinen Buhlen, o Göttliche! – Ha! ich kenne sie auch! Schwester, und Braut! An ihrer Hand Schweb' ich zu dir, Ueber Länder und Meere, zu dir! Schütte dir aus Mein überströmendes Herz. – Bruder! uns ist gefallen das Loos Lieblich, unser Erb' ist schön! Ach! aber warum träuft In des Jubels Becher die Thräne? Ach! warum sind wir getrennt? Heute getrennt? Wie nach dem Thau das Sommergefild', Wie die Sonne lechzet nach des Meeres Schoos, Wie der Weinstock nach der beschattenden Ulme strebet; O! so streb' ich, so lechz' ich nach dir, Der du mir bist, Was kein Sterblicher je Sterblichen war! Kehre wieder, du der Freude Tag, Segenschwanger, und triefend Deine Tritte von Milch, Von Honig, Und von der Rebe Blut! Immer komm', die Schläfe bekränzt Mit herbstlichem Schmuck! Ach, bald nahet auch uns Unser Herbst! Auch er komme, die Schläfe bekränzt Mit herbstlichem Schmuck! Und mit Früchten, o! mit Früchten, Mit unvergänglichen Reich beschwert! Nimmer find' uns dann, schöner Tag, Wie heute getrennt! O! Erfüllung, Erfüllung! Des sehnlichsten Wunsches Erfüllung! Hell blickt mein Aug' In der Zukunft Fern', es späht Goldne Tag' am Ende der Bahn! Endlich kommt der Winter einher, Ein sanfter freundlicher Greis, Beut uns beiden die Hand, und führt, O der Wonn'! uns ungetrennt Dorthin, wo, unter Lebensbäumen, Wo, in Lauben der Himmlischen, Ach! unter eurem fruchtbelasteten, Ruhe gewährenden Feigenbaume, Dorthin, ach! wo, unter eurem Freud' und Schatten Bietenden Weinstock, Bester Vater! und du, Die mich gebar, die mich säugte, Beste Mutter! Wechsellos blühet Ewiger Lenz. An meinen Bruder 1779. Tönet Dir, tönt Dir ohne Täuschung, lieblich Wie der Nachtigall Lied, des Todes Name, Und wird Dir sein rauschender naher Fittig Schwanenflug tönen? Blumen umkränzen, wie sie Dir nur blühen, Deine wallenden Locken, und den Becher, Den mit Götterwein die Natur Dir immer Schäumender anfüllt: Blumen des Bachs, der Wiese pflückt die Freundschaft Dir, den stolzeren Lorbeer Dir die Muse, Bald auch wird (schon röthelt ihr Rosenknöspchen!) Liebe Dich kränzen. Aber, o wähnst Du, daß der Liebe Rose, Selbst der süßesten Liebe, wenn nun endlich, Athemlos, mit schmachtendem, feuchten Auge, Bebenden Lippen, Die sich zu matten, halbgeküßten Küssen Kaum zu schließen vermögen, ach! an Deinem Trunknen Busen, sie, die Du liebest, die Dich Liebet, dahin sinkt; Wähnst Du, sie dufte, diese Rose, stärker Als das Rankengewebe, das, mit tausend Armen, uns, und kräuselnden Sprossen, fester Stets uns umschlinget? Aufgang der Sonne flammet Dir des Todes Fackel? Sie, die der Ranken keiner schonen Und austrocknen würde die Borne meines Lechzenden Lebens? Daß, den Du wünschest, ich nicht fürchte, weißt Du! Kanntest lange den Durst in meinem Herzen, Heldentod einst in der gerechten Feldschlacht Blutig zu sterben! Siehe, schon schwebt er! – Ha! ich kenne deines Fittigs Todesgesang! Mich schreckt nicht, Droher, Deine Rechte! Trennung von meinen Lieben, Droher, die schreckt mich! Leben, o leben will ich! schwebt gleich manches Trübe Wölkchen heran, ihr Schwestern, Freunde, Leben! Mein braunlockiges Weib, mein Bruder, Leben, o leben! Aber wenn – doch der Menschheit Loos verbeut es! Wenn zugleich dem vertrauten Häuflein winkte Er, der Ruhegeber; ich säh' ihn, lächelnd: »Bruder, er schreckt nicht!« Hymnus an die Göttinn der Genesung Im Januar 1780. Hygea, Göttinn, es strömt Von dir aus Heilung und Kraft, Und Leben haucht In die Adern der Natur, Daß ihre pochende Pulse schlagen, Daß schwillt ihr allsäugender Busen, Dein Odem, Beseelende! Schaue, Göttinn, herab, es knieen Der Flehenden tausendmahl tausend an deinem Altar, Bebende Händ' erheben sie dir Und es steigt empor in der Weihrauchwolk' ihr Gebet. Aus den Tausenden der Gelübde sondre du, Himmelstochter, mein Flehen, das nicht Eigener Schmerz entpreßt sterbenden Lippen. Keine Genesungsmaale von mir Harren dein an deines Tempels Wand; Statt der Gaben nimm von mir, o Retterinn, Die bangen Thränen, die mein Aug' und mein blutend Herz Weinen auf Emilia's bleiche Hand! Ach, Emilia, sieh', Emilia liegt Kraftlos und leidend! Es beugt sich welk Herab die Rose der Wang', es umwölkt sich, ach! In Emilia's Auge die Heitre der Himmelsbläue. Hygea, Göttinn, es keimt Da, wo du wallst über der Gebirge Scheitel Und durch den Schooß des grünenden Thals, Labsal unter deinem Fuß empor und Heil! Deine Locken athmen, wenn du vorüberschwebst, Lebenshauche mit der Narde Duft, Und da, wo die Lüfte theilt dein Saffranmantel Gaukeln heilende Würzgerüche dir nach! Helferinn, du bist reich An Rettung! Aber dein Balsamkelch ist er Ach, ausgegossen! – so komm, ich beschwöre dich, komm, Raube von mir der Stärke Fülle, Die aus der Gesundheit überschäumendem Becher, Tobend mir in den Adern fleußt Und in dem Nervenarm schwellend mir zuckt! Nimm was dein ist von mir und träufle Genesung In die lechzenden Lippen Emilia's, daß sie wieder Glüh'n, und daß wieder, wie von Morgenthau erquickt, Blühe die Rose der Wang', und Emilia's Auge Glänze wieder im Schmuck des Sonnenhimmels. Höre, Göttinn, ach! mein Flehn und das Flehen Aller, Aller Guten, die All' Emilia lieben! Gieb mir, o Tochter Gottes, mit der Genesung Meiner Leidenden, wieder Trost und Ruhe! Ach! sie flohen von mir, und es schleicht indessen, Wie der versiegende Bach in des Mohrenlands Wüste, Traurig und öde dahin mein Leben. Inschrift eines Denkmals meiner Freundinn Emilia 1780. Im Namen ihres Gemahls. Ruhe dir und Wonne des Himmels, Emilia! blicke Trost, ich sinke dahin, Trost mir vom Himmel herab! Daß sie rinne die Thräne der stilleren Wehmuth, bis daß ich Wiedersehe, wo Tod, dich, und wo Trennung nicht ist. Schwindet indeß, ihr Tage zu Stunden, zu Tagen, ihr Jahre, Bis mich freundlich der Tod hin zu der Himmlischen führt. An meinen Bruder 1781. Eingeschrieben in einen ihm gegebenen Anakreon. Bis zur späten Schwelle des Lebens freute Sich der weise, singende Greis, und kränzte Seine glatte, glühende Stirn' und haschte Fliehende Nymphen. Bis zu deines blühenden Lebens Schwelle Müsse dir auch jegliche Freude lächeln, Dich kein Bienlein stechen, und deine Leyer Immer ertönen. Pindars Tod 1782. Pindar, den mit der Fülle der Gaben die Götter, der Muse Hohen Gaben, und wen, reicher gesegnet als ihn? Pindar hub die Hände, der Greis, gen Himmel und flehte: »Was am besten mir frommt, gebet, o Götter, mir das!« Fleht's und nicht lange so sank ihm das Haupt an den Busen des Freundes, Leiser athmete der, daß nicht entschwebe der Schlaf. Ach, es war des Schlummers Bruder! – Seliger! hier nicht, Dort im Elysium ward schöner gekrönet dein Wunsch! Elegie 1783. An meine Neffen, die Grafen Johann Hartwig Ernst, Andreas und Christian Günther von Bernstorff, bei ihrer Einsegnung, bald nach dem Tode ihrer Mutter. Tretet näher zu Gottes Altar, ihr Jünglinge, hebet Freudig das Aug' und empor freudig die Rechte des Schwurs! Scheuet nicht den ernsteren Eid, der dem Feigen nur furchtbar Ist, denn der nur verläßt fliehend die Fahne des Heers. So nicht ihr! deß bin ich euch Bürg'! und wolltet, o ihr, die Einer Lüge noch je Keiner vermochte zu zeih'n, Wolltet ihr heute zeugen der Falschheit Zeugniß, es zeugen Wider euch selber, und hier, stehend am Fuß des Altars? Kommt, was säumet ihr? gebt mir die Rechte, gebt mir die Linke, Lasset uns eilen, mich faßt höherer Ahnung Gefühl! O, daß euch, wie einst dem Zeugen, der heiliges Zeugniß Zeugte, als ihn hinab rann von den Steinen das Blut, O, daß euch in der Stunde der Feier der Himmel sich aufthät', Ihr dann schautet hinein – sähet und weintet – und säht Sie mit ausgebreiteten Armen, schlagendem Busen, Ach und blässerer Wang' und mit der Thrän' in dem Blick, Himmlische Thränen zwar auf himmlischer Wange! doch weinend Sähet und flehend ihr Sie, so wie die Mütter nur flehn, Sähet die mütterlichste der Mütter, säht sie an Gottes Thron Erbarmung für euch flehen, Erbarmung für Euch! O wer liebte wie Sie! – ich wende mich, Kinder, verhülle Mich und weine mit euch – Kinder, wer liebte wie Sie! – Siehe, sie kniet an der Schwelle des Thrones, die Krone geworfen Vor sich nieder, des Siegs Palme zu Boden gesenkt. Bittende Hände streckt sie empor, zu Schimmer erblasset Ihres Gewandes Glanz, ach, und die Harfe verstummt! Lauter und lauter erschallet das Flehen der Mutter, es beben Ihre Lippen, es stürzt heller die Thrän' in den Schooß, Gnade, Gnade! fleht sie für euch – erbarmet der Mutter – Bleibet redlich und fromm! – Kinder, erbarmet euch ihr! So wie der Jüngstgeborne der sieben Söhne der Mutter Sich erbarmet' und starb, o so erbarmet euch ihr, Kinder, und lebet, und wallet auch ihr den Pfad, den sie selber Wallete, ach, ihr saht, wie sie ihn strahlend beschloß! – Saht, wie der Tod nicht Tod ihr war! – O daß ich's vermöchte Auszureden! und, o, daß ich ihn stürbe den Tod Dieser Gerechten! – und ihr! daß einst am Tage der Tage Auch mit schlagender Brust, auch an der Schwelle des Throns, Auch mit bebenden Lippen und ausgebreiteten Armen, Kniee, flehend nicht mehr! dankend mit innigstem Dank, Eure Mutter! Siehe, wie Sonnen leuchtet die Krone, Und das Gewand, als gewebt hell von des Sirius Strahl, Siehe, die Palme wehet empor und die Harfe verstummet Nun nicht mehr, sie tönt Jubel und preisenden Dank. Lauter und lauter erschallet die Freude der Mutter, ihr rinnen Thränen der Lieb' und der Wonn' über die Wang' in den Schooß. Theure Sprossen, erbarmet euch ihr! daß die frohste der Mütter Schnell sich erheb' und euch, selige Schaar, zu dem Thron Führ', und sich niederwerfend mit euch, in der Stimme des Jubels Laut ausrufe – erbarmt, Kinder, erbarmet euch ihr! – »Herr, hier sind wir, Mann und Weib und alle die Kinder, Dir Anbetung und Dank! die du gegeben uns hast.« Ach, daß dann sich erhüb' auch meine dankende Stimme! Denn ich lieb' euch, und mehr, Kinder, vermöcht' ich es nicht, Hätt' ich auch selbst euch gezeugt und hätte meiner Luise Schooß euch geboren, genährt Sie euch aus säugender Brust. Aber ach, mich schaudert und Todesschrecken umhüllen Mich, die Leyer entsinkt meiner erbebenden Hand! Ach, wenn einst an dem Tage der Tage, wenn Sie mit der Sehnsucht Ungestüm – ach erbarmt, Kinder, euch ihr! – wenn sie dann Ueberschaute mit Mutterblicken das Häuflein der Lieben, Ach, und ihr forschender Blick suchte dann Einen umsonst! O, dann wäre der Himmel für Sie nicht Himmel! wie Rahel Auf den Gebirgen einst jammernde Klagen erhub, Weinend irrte die Mutter umher und verschmähte die Tröstung, Denn mit den Kindern war's und mit den Säuglingen aus. Ach, so würde sie jammernd, daß alle Gebirge des Himmels Wiederhallten, das Kind fordern, das sie nicht fand! Wie der Hirte die Neunundneunzig, so würde die Zwölfe Sie verlassen, und ach! suchen das Eine umsonst. Das sei fern', o Gott der Götter! erbarme der Mutter Du dich, o und Sein, deß den sie liebte, der dir Reine Hände der Unschuld erhub als Jüngling und dir jetzt – Furchtbar traf ihn dein Schwert! – feuriger dienet als Mann. Edle, ihr seyd entsprossen aus Heldenblute! Die Väter Waren bieder und fromm, züchtig die Mütter und fromm, Waren Säulen in Gottes Tempel, Väter und Mütter, O, die blicken auf euch nun von den Wolken herab! Kommt, ihr Jünglinge, tretet zu Gottes Altar und erhebet Freudig das Aug' und erhebt freudig die Rechte des Schwurs! Ode Die Stunde der Gegenwart 1783. Der Weise hebet oft zu der Zukunft hin Den Blick und senkt ihn oft zur Vergangenheit, Nur Er genießt in heiterm Gleichmuth, Stunde der Gegenwart, deine Segen. Ist sie's denn nicht, die ehmahl uns Zukunft war, Und wird sie einst nicht seyn uns Vergangenheit? Umschwebt sie mich nicht näher, als was War, und als alles was einst noch seyn wird? Trübt oft nicht Reu', umwölkt nicht Erinnerung Ein ernstes Auge, wenn's in die Vorzeit schaut, Färbt Aberwitz und Thorheit oftmahl Nicht der Erwartungen buntes Spähglas? O Labyrinth des Irrsals, du Menschenherz! O Labyrinth des Irrsals mein eignes Herz! Das für gehoffte, ferne Freuden Oft die gewissen, die nahen, wegwarf! Daß ich mir ämsig oft mit der Mühe Schweiß Den Wermuthtrank der Reue bereitete, Oft, die zum Kranz ich flocht, entblättert Welkte die Rose, nur Dornen blieben. Der Freude wallt das strebende Herz empor, Doch dies verzagte, trotzige Mißgeschöpf Pflanzt sich oft selbst des Kummers Keime, Erndtet mit Schaam, was es mühsam säete. Mit Bergstroms Eile fliehet die Stund' hinweg, Stürzt jähling sich in's Meer der Vergangenheit, Dort schifft in stiller Mondnacht oft, und Oft die Erinnrung im Klippenstrudel. Daß sie im Klippenstrudel nicht strande, daß Sie schiff' in stiller, lieblicher Mondesnacht, Daß sanft der Nachen gleite, Sterne Unter ihm spiegeln und Fische scherzen, Dies harret dein, wenn Weisheit die Blume des Genusses pflücket, die dir im Pfade sproßt; Den, der sie pflückt, den kränzt sie, hold ist Ihm die Vergangenheit, ihm die Zukunft! In das Stammbuch der Frau von der Reck 1784. Eingeschrieben in Dresden. Sahst du, Freundinn, wie gestern, am Morgen des herrlichen Tages, Als der Fels und der Strom Zeuge des Bundes uns war, Sahst du die Nebelschleier, die uns umwallten? sie hüllten Gold und Purpur uns ein, löschten den östlichen Strahl. Lange schwebte die Wolke, sie sank und jegliches Gräschen Neigte sich, von der Last weinender Tropfen beschwert. Da erschien die Sonne, da blühte mit leuchtenden Sternen Halm und Blum' und Gebüsch, jegliches Gräschen ein Stern! Freundinn, so enthüllen sich uns die Nebel, es wandelt So sich in Perlen die Saat unserer Thränen dereinst. Viele weintest du, Edle, der bittersten Thränen, wie strahlend Flammet, o Siegerinn, einst deiner Belohnungen Kranz! Grabschrift meiner Tauben, die ein Marder in der Nacht tödtete 1785. Leicht sei euch die Erd', ihr Schlummernden! Ruhet und schwebt ein Traum um das schattige Grab, sei es ein freundlicher Traum, Der euch Küsse der Lieb' im Morgenstrahle des Lenzes Bild', und die Kinder im Nest und das erwachende Ey, Ach, und meine Hand, aus der ihr wählend die Gerste Laset, indeß ich den Hals kos'te, den schimmernden Hals. Blutig war der Mord, doch schreckenlos; denn des Todes Bruder zuckte den Pfeil, schnell und erbarmend, der Schlaf. Glücklich seyd ihr Vögel der Unschuld! – Thränen der Sehnsucht Weint mein Auge! – der Tod trennte die Liebenden nicht. Einst umschwebt ihr vielleicht die himmlischen Lauben der Meinen, Leset des strahlenden Halms Saat mir auch dann aus der Hand. Wasserschlebens Tod 1 1787. Elegie. Wehmuth weinet dir nach, doch keine Thräne des Jammers Stürz' entweihend, o Greis, dir auf die friedliche Gruft. Selig war dein Loos, du Redlicher! So wie des Baumes Zeitige Frucht in die Hand leise dem Pflückenden sinkt, Also sankest, gereifet an achtzig Sonnen, dem Tode Du, von dem Freunde berührt, sanft in die lösende Hand! – Freunde, ihr auch liebtet den Edlen, dem von der heitern Weisheit glänzte die Stirn und von der Milde der Blick, Seines Lebens freuten wir uns; o, laßt uns des schönen Todes, den unsern im Sinn, schauend gen Himmel, uns freun! Wie die Verlobte der Jüngling, so liebte der Greis, von des Winters Reife bethaut, doch wie schön lockte sich silbern sein Haar! Liebt' er die Frühlinge, liebte, wie Väter die Kinder, der Blumen Holdes Geschlecht, und des Kerns pflegebelohnenden Stamm. Freudig eilt' er entgegen dem Lenz zu der lieblichen Hütte, Die sich der Siebziger erst, lächelnd und sorglos, erschuf, Sorglos, ob Ihn schirme das Dach, Ihm dufte die Staude, Nur von dem Schatten gewiß, den die Cypress' ihm versprach. Freudig eilet' er heim, die Stadt 2 und des Hafens Getöse Nun im Rücken, ihn führt gleitend in säuselndem Hauch, Links das Waldgestad' und rechts das Meer und den Himmel, Lind' ein Nachen, und schon freute des Gartens der Greis, Freute der Blumen sich und der Sonn' am Rebengeländer, Und schon dröhnte der Kahn über die Kiesel des Strands. Heiter betrat er die Erde, da sank er leis' in der Seinen Arm, und sank – und entflohn war aus der Hülle der Geist! Dankend blickte des Sterbenden Auge, dankend gen Himmel, Und zu den Seinen umher blickt' es, erlöschend, noch Dank. – Schnell wie der Tode schönster, wenn Gottes feuriger Wagen Heim den Erkornen im Strahl fliegendes Blitzes entführt, War dein Tod, doch es grüßte dich nicht dein Engel im Donner, Sanft im säuselnden Hauch lispelt' er leise dir zu: »Komm, du hartest der Ruh' und der Freude des irdischen Gartens; Ruhe des Himmels sei dein, komm! und ein ewiger Lenz!« – Fußnoten 1 Der aus dem Halberstädtschen gebürtige dänische Conferenz-Rath Wasserschleben war ein vieljähriger Freund und Hausgenosse Berstorff's und dessen würdigen Neffen und Nachfolgers gewesen. In seinem hohen Alter zog er zur Unterstützung seiner Angehörigen nach Flensburg. Ein zwei und zwanzigjähriger Aufenthalt in Paris hatte nicht vermocht, seine Einfalt und Unschuld zu trüben. 2 Die Stadt Flensburg. Nach einem unerwarteten genußreichen Besuch 1787. Schöne Stunden, schnell verschwandet, Schnell, doch rein genossen ihr, Schöne Blumen wart ihr, wandet In des Lebens Kranz sich mir. Ewig unverwelkt und blühend, Wie des Himmels Eden blüht, Ewig frisch mit Früchten glühend, Wie mein Dank im Herzen glüht. Chorgesang aus einem unvollendeten Singspiele: Eros und Psyche 1787. Erste Strophe Mit Rabenfittig deckte die Urnacht noch Die Ungestalten; starrender Schlummer lag Noch ausgegossen über rohe Felsengerippe des öden Weltalls; Noch ungesondert lagen die Trümmer der Gestirne, lagen Trümmer des Mondes und Der Sonn' und Erde, lagen graunvoll Noch in dem Schooße des alten Chaos. Erbarmend schaute Gott, in dem Vaterblick Der Liebe Fülle, nieder vom strahlenden Olympos – schnell verwandelt war in That der Gedank', in der Thaten schönste. Erste Gegenstrophe In sanftem Säuseln schwebte die Liebe, Wärm' Und Leben athmend, unter der Schwebenden Erwachtest du, Natur, und schloß sich Auf dein gebärender Schooß, Allmutter! So dehnt sich brütend über die Werdenden Des Schwanes Fittig, ehe die Schwänlinge Sich hoch im Glanz der Schöne, hoch im Silbergelispel des Flügels heben. So hoben Sterne, so in der Schöne Strahl Sich Mond und Sonne, so sich im Jubelklang; Geläutert floß der Strom des Aethers Hell um die schwimmenden goldnen Inseln. Zwote Strophe Mählich ründete da sich um den marmelnen Kern die Erde; das Meer, wie es auch brausete, Schwieg, und Wellchen an Wellchen Netzte leise den Ufersand; Wälder kränzten ihr Haupt, Wälder begürteten Sie, und über dem Gurt wölbten, der Nährerinn Brüste, wölbten, von Milch und Fülle triefend, sich Berg' empor. Ströme stürzten herab, tränkten die Fluren des Mutterschooßes, und sanft flossen in rankendem Bachgeäder die Quellen, Säugten Auen und Blumenthal. Erde, jugendlich schön lächeltest, Erde, du! Sei auch stolz, denn auf dir weilte das Auge der Liebe segnend, und schöner Ward die Schöne der Lächelnden. Zwote Gegenstrophe Purpurn hub sich empor tief aus des Oceans Schooß ein Jüngling, das Haupt strahlend mit goldenem Haar, die Sonn', und sein erster Blick war flammender Liebesgruß. Ueber Wangen und Stirn streuten der Erde da Rosen, Unschuld und Schaam, daß durch den bräutlichen Nebelschleier der Schimmer Ihrer Blüthe noch röthelte. Iris prangt nicht so schön, wie in dem Glanze des Duftgewandes die Braut, doch vor dem Flammenden Thaute nieder der Schleier, Schwollen Wolken zum Liebesbett. Ausgegossen um sie lagen zum Brautgeschenk Schöne Gaben, die ihr freundlich im Tanze die Horen brachten, des Lenzes Kranz und Fülle des Traubenmonds. Dritte Strophe O Liebe! Liebe! wehend umsäuselten Da deines Odems Hauche mit Wonneduft Der Neuvermählten gürtellosen Schooß, und beseelten die Lebenskeime. Und schnell entfaltet blühte die Knospe mit Des Himmels Blüthe, prangte mit Himmelsfrucht, Da schwirrt' es zahllos, sonnte junges Lebengewimmel im Freudenstrahl sich. Dritte Gegenstrophe O Liebe! Liebe! Quelle des Lebens, dir Entströmt des Segens lauterste Fülle, da, Wo deines Blickes Weihe ruhet, Wandeln sich Wüsten in Paradiese! Dir scholl der Hymnus, dir in der wonnigen Entzückung, scholl in süßen Gefühlen dir Des Daseyns! Zahllos, wie des Meeres Tropfen, erschollen die Preisgesänge – Der ganze Chor Des Einen Hymnus! Sonne, du hallst in ihm Des Chores Leyer, Cymbel und Harfe tönt Von Stern zu Stern, und sanfter athmet, Sanft wie ihr Schimmer, Selena's 1 Laute! Ein Hymnus! liebend neigt ihm das Vaterohr Der Allbeleber, neigt es dem Abendgesang Der Mücke, wie den Harmonien Tanzender Sphären im Feier-Chore. Fußnoten 1 Selena, Luna. An die verwittwete Gräfinn von Schimmelmann, bei Ueberreichung einer kleinen Geburtstagsgabe 1787. Nimm und verschmähe Du nicht der Gaben kleinste; gen Himmel Hebt, der Gelübde Bild, nichtiger Rauch sich ja selbst. Sieh, am Altare kniet das fromme Häuflein, die Söhne, Töchter, Eidame, Schnür' und Enkelinnen umher. Alle flehen für Dich mit aufgehobenen Händen, Und auf der Mutter Arm lallet des Enkels Gebet. Auch wir Freunde drängen uns dicht um die Opfernden, heben Flehende Händ', und, wie sie, thränende Augen empor. Edle, Dich segnete Gott mit der schönsten Fülle der Segen, Sage, was bleibet dem Wunsch, das er Dir wünsche, zurück? Was Er Dir gab, erhalte Dir Gott, erhalte der Deinen Häuflein Dir, und Dich, ach, Er erhalte Dich uns! Grabschrift eines Denkmaals, welches Freunde dem, in der Blüthe der Jugend vorangegangenen, hoffnungsvollen Grafen Andreas Bernstorff widmeten 1787. Leer ist dieses Grab. Doch decket jenes, in das sie Weinend ihn legten, nicht auch Asche nur selber und Staub? Er ist nicht ein Gruftbewohner. Da, wo nicht Tod, nicht Schmerz und die Thräne nicht ist, lebt der Unsterbliche nun. Unsre flossen für Dich; sie netzten die duftenden Stauden, Netzten die Blumen des Maals deiner Erinnrung geweiht. Auch uns liebtest du. Blick' herab, und bereite du dort, wie Deine Mutter für dich, Lauben des Himmels für uns! An die Gräfinn Caroline von Baudißin, bei Uebersendung einer Locke ihres verstorbenen Töchterchens, in einem Halsgehänge 1787. Weinend reichet, o weinende Mutter, der Freund Dir die Urne Deines Engels, in ihr, welkend, die Locke noch schön. Der, wie die Stern' am Himmel, die Haar auf dem Haupte der Seinen Zählt, der gebot, und die Saat sank vor der Reife gemäht. Deine Thränen zählet Er auch! in Thränen der Freude Wandeln sie einst sich, und dann tönt von der Lippe Dir Dank, Dank, daß uns nur schien gemäht vor der Reife, die sollte Schöner, in Eden verpflanzt, strahlen mit Blüthen und Frucht. An die junge Gräfinn Henriette von Baudißin 1788. In ihr Stammbuch. Henriette, woll'st des alten Oheims Liebe nicht verschmähn, Nicht in seiner Stirne Falten Nur den mürrischen, den kalten, Den verlebten Vierz'ger spähn! Noch, ich dank's dem guten Gott, Noch ist mir der Freude Quellchen Nicht versiegt; in seinen Wellchen, Manchem Jünglinge zu Spott, Strahlt in meines Abends Schimmer Jedes Blümchen, wo's nur immer Mir am Wege keimt, so klar, Wie's in meiner Jugend Morgen Strahlte, da mir Mühen, Sorgen, Und ein graues Kummerhaar Unbekannt, wie dir, noch war. Sei du glücklich, gutes Mädchen! Nur mit sanftem, seidnen Drähtchen Spinne sich dein Lebensfädchen; Sei du glücklich, liebe, süße Kleine, glücklich, und genieße Jede reine Seligkeit, Die dir Einfalt, die dir Unschuld beut! Immer lächl' im Segensblick, Strahlend, wolkenlos und blau, Dir der Himmel; ach, so strahlend, Und so wolkenlos, so blau, Wie dir deiner Mutter Blick Lächelt, jener, den ich auch Kenne, wenn im warmen Hauch Schneller Rührung, fromme, milde Wehmuth sie zum Engelbilde Malt, und durch den hellen Thau Schöner blickt des Auges Blau. Mädchen, dieser Himmelsthau Träufl' auch dir! In seinem Glanze Schimmert selbst der Freude Pflanze Schöner, wenn im Blüthenschooß Diese lautre Perle bebt, Die zur Ahnung uns belebt, Unser schönstes Erdenloos Sei die Sehnsucht, sie, die schmachtend, Jenseit Mond und Sonne trachtend, Uns zu höh'rer Wonn' erhebt. Größe der Erde 1788. Klein ist die Erde, schwimmet wie ein Bläschen Auf den Wogen des Welten-Oceanes, Dessen kleinsten Busen der Mensch erspähet: Klein ist die Erde! Aber der kleinen Erde Ströme trennen Von dem Freunde den Freund; sie sondern Brüder. Elb' und Weser sondern auch mich vom Bruder. Groß ist die Erde! Blühet dereinst ein Strauch auf meinem Grabe, Weithin über's Gebein des Todten schattend; Dann wird mir des winzigen Hügels Erde Reichlich genügen! Aber des Welten-Oceanes Inseln Wird der fliegende Geist dereinst erspähen, Wird zu weiten Flügen auf kurze Zeiten Lächelnd sich trennen. An ein junges Mädchen in Dresden 1792. In's Stammbuch. Mädchen, Freud' und Liebe pflücken, Jenes schönste Schwesternpaar, Treu dir Blum' und Blüthe, schmücken Deiner Jugend Brust und Haar! Reift dir einst, nach langem Lenze, Sommers Fülle, glühend strahlt Deine Garbe, Aehrenkränze Krönen dann dich, blau durchmalt. Schreckt dein Herbst dich? – Dichter waren Seher stets – ich schau' umschwebt Dich von froher Enkel Schaaren, Die ein Unschuldshauch belebt. Jedes Händchen Blumen, Früchte Spielend dir in's Körbchen füllt, Dir, in frommer Ahnung Lichte Schimmert vor ein Himmelsbild! An den Geheimen-Rath Carstens, Director der Deutschen Kanzlei in Kopenhagen 1793. Nach einer im 83sten Jahre überstandenen Krankheit. 1 Du, ehrwürdiger Greis, genasest! Thränen des Dankes Fließen, es wallet empor frommer Gelübde Gewölk. Zahllos sind sie, die Perlen des Auges, die Perlen des Weihrauchs, Deines Jüngers Hand nähret die Glut des Altars. Bleib', und walte du ferner, ihr Herold der richtenden Wage, Deren Urbild schwebt hoch an des Ewigen Thron! Wohl bedarf es hienieden des hellen Geistes, des reinen Herzens, und beides, o wem ward es – ach bleibe! – wie Dir! Fußnoten 1 In einer kleinen, nur für Freunde gedruckten Sammlung lateinischer Gedichte des Geh. Rath Carstens, findet sich folgende Inschrift, die er unter die vereinigten Bilder der beiden Brüder Grafen zu Stolberg geschrieben hatte: Sub C. et F.L. fratrum junctis iconibus. Sanguine conspicui, dignis virtutibus ambo, Ingenio, fama, carmine, mente, pares. A tantis proavis nomen deducere pulchrum, His proavis pulchrum non eguisse magis. Epigramm 1793. Rückkehr des goldenen Alters verheißen uns Gallia's Weisen, Aber ihr Reich des Saturns ist Saturnalengelag. Pfui! verläumde nicht so muthwilliger, schuldloser Knechte Kurzweil, dort in dem Rath thront Kanibalen-Gezücht. Sonnett an meine Freundinn, die Gräfinn Amalia von Münster, als sie aus Holstein nach Sachsen zog 1795. Wenn einst der Becher jener Strom-Najade Des Rückblicks eitlen Sehnsuchtsdurst mir stillt, Wenn mir Vergessenheit die bunten Pfade Der Lebenswandrung nun in Nebel hüllt; Verschwinde dann, am seligen Gestade, Dort wo der ernsten Wage Loth nur gilt, Du tanzender Phantomen Myriade, Verflogner, leerer Stunden Dunstgebild. Doch eh' die Lipp' ich netze: Gnade, Gnade! Fleh' ich, o Nymph'. Erbarmend blick' und mild' Auf diese Zähre, die mir wünschend quillt: Verschone du mit deinem strengen Bade Ein Heiligthum in meiner Kleinods-Lade, Ein Täflein, das Amalia's Nam' erfüllt. An die in mehreren Aschenkrügen, unter großen Felsstücken, in einem Hünenhügel gefundenen, und in Einer Urne wieder eingegrabenen Gebeine 1797. Ruht starke Kinder starker Zeit Im Schauer dieser Einsamkeit, Es trennte euch der Zeitgenoß, Nun faßt euch Einer Urne Schooß. Des Hügels Erde sei euch leicht! Und war't ihr Mann und Weib vielleicht, So schlaft selbander manche Nacht, Bis ihr dereinst vereint erwacht; Und war't ihr Feinde stolz und kühn, Doch soll Ein Grab euch beiden blühn, Bis ihr, nach langer, schwarzer Nacht, Selbander, und versöhnt erwacht. Weihnachts-Gabe an den französischen General Matthieu Dumas, der, während des barbarischen Zustandes seines Vaterlandes, zwei Jahre als Gastfreund mit Frau und Tochter in meinem Hause zubrachte 1797. Theile die Freude des Hauses, o Gast, – nicht Gast mehr, des Hauses Angeborner, – verschleuß heute dem Grame das Herz. Unser Fest ist kein Saturnal! Was der ahnenden Deutung Dämmert' im Reiche Saturns, feire du heute mit uns! Anmerkung. Die Saturnalien, im höheren Sinne, sind uns wenig bekannt; selbst bei ihrer Feier durfte, wie Macrobius uns lehrt ( Saturn. L. 1.c.7.) »der verborgene, dem lautern Borne der Wahrheit entquellende Zweck des Festes, und dessen Bezug auf die geheimnißvolle Natur der Gottheit, nicht durch die Rede entweihet werden.« Die gelöseten Knechtschaftsbande während dieses uralten Festes, deuteten auf die, in den Sibyllischen Büchern geweissagte Rückkehr des goldenen Alters, auf die Glückseligkeit des veredelten Menschengeschlechts und die Ertödtung des, stets unter der Gestalt des Drachen, des Typhon, des Pytho, dargestellten Ur-Bösen, durch die Geburt eines göttlichen Knaben, dessen Erscheinung in den Zeiten Augusts erwartet wurde. ( Suet. Aug. Cap. 94.) Zwar fand die, »nach jenen Büchern von Judäa her ausgehende Herrschaft,« ( Tacit. Hist. L.V.c. 13.) so wie gleichfalls die, den König Herodes schreckende Sage (Matth. 2. v. 3.), eine irdische Deutung, zwar flocht Virgil ( Ecl. IV.) aus den herrlichen Blumen jener Verheißung für das neugeborne Söhnlein seines Freundes einen dichterischen Kranz, doch der Mißbrauch dieser prophetischen Bilder vermag nicht ihren wahren Gegenstand zu entwürdigen. Jenes Fest, dessen frohe Feier auch in ausgetheilten Gaben bestand, an Kinder, Freunde und Hausgenossen, begann mit der winterlichen Sonnenwende, anspielend auf den neuen, mystischen Kreislauf; ein Wink, der sich in dem Namen unsers, zu gleicher Zeit gefeierten Weihnachts-Festes bei manchen Völkern wol nicht verkennen läßt; Noël, Juul, welches letztere Wort in den Skandinavischen Sprachen, zwar anders geschrieben, doch gleich ausgesprochen, mit dem Worte Hiul, Rad, eins ist, auch bereits in den heidnischen Zeiten ein alterthümliches Fest bezeichnete, das mit den Saturnalien überein kam und ebenfalls in den Tagen der erneuerten Sonnenbahn gefeiert wurde. Prolog zu einer gesellschaftlichen, dramatischen Vorstellung in Emkendorff, dem Landsitze des Grafen Friedrich und der Gräfinn Julia von Reventlow, am Neujahrstage,1798, gesprochen von ihrer Pflegetochter, der jungen Gräfinn Ina Holk 1798. Zum guten neuen Jahr, wo nehm' ich her Den Blumenkranz, den ich, mit frommen Wunsch, Zum Weihgeschenk den Eltern wind'? Es starrt Der Winter, jedes Sprößlings Haupt ist welk, Und eisern ist der Erde Mutterschooß – Doch warm glüht dieses Herz! ach, ihm entsprießt Der Blümlein manches, doch verborgen blüht's Und duftet's hier – ich ging und sann und sann, Da öffnete mein Blick sich und ich sah Der Musen Gärten, reich im schönsten Schmuck Des unverblühten Lenzes – Freundlich ist Und leicht geschürzt Thalia, eilend trat Sie vor, ergriff die Hand mir, lispelte Mir leise zu: »Du gutes Mädchen schweig', Ich weiß schon dein Begehren; sehn sie dich, Die Schwestern, o dann dränget sich hervor Calliope, ja Melpomene zuckt Wol gar auf mich den Dolch, Urania Schwebt dann herzu, und geltend ist ihr Recht, Sie, die verschwisterte mit Ihr, mit Ihr, Auf der in Lieb' und Wünschen immer ruht Ach, unser Aller Auge – Ina nimm Des ganzen Körbchens Fülle, winde Strauß Und flechte Kränze; jedes Blümchen blüh' Ein schöner Segen! Deiner Eltern Heerd Ist unser Heiligthum. Geh' – doch noch Eins: Verkennt mich dort nicht! Meine Larve birgt Der Rührung Zähren oft und im Gewand Des Lächelns bebt, der wahren Freude Freund, Der Ernst, auf meiner Lippe. – Schallet nicht Mit heller Saite, wie mit tiefem Ton Apollons Leyer? Einer, Einer nur Ist unser Musenreigen! – Hüpfe du Nun heim, und opfre töchterlich Gelübd' Und Wünsche; wäre nicht den Sterblichen Das Ohr verschlossen, o so hörtet ihr Auch unsers Chores Stimme sich in Wunsch Erheben für das beste Menschenpaar.« – So sprach die Muse, ach, mir schlägt das Herz, Die Stimm' entfliehet, deutet was mein Blick Und was mein klopfend Herz euch sagt, und nicht Euch sagen kann. Nehmt Willen statt der That! Der neologische Probst und der Schauspieler 1799. Ein wahres Gespräch. Sagen Sie mir, wie es kommt, Herr Roscius, immer ist voll Ihr Musenhaus, und es stehn unsere Tempel so leer? Wir, hochwürdiger Herr, umbilden die Fabel zur Wahrheit, Doch Sie stellen dafür Wahrheit als Fabel uns dar. Anmerkung. Die Wahrheit dieser, von dem berühmten Iffland gegebenen Antwort, läßt sich um so mehr verbürgen, da der Verfasser des Gedichts eben in Berlin war, als dieses Gespräch dort gehalten wurde. Inschrift eines Bildes von meinem Frauen-Bruder, dem Grafen Ludewig zu Reventlow, Freiherrn der Baronie Brahetrolleburg 1801. Mannes Größe, wir kennen dein Maaß: So leicht wie sein eignes Selbst ihm wieget, so ächt sinkt auf der Wage sein Werth. Edler, wie glühte dein Herz bei Edelthaten des Andern, Spreu von dem Winde verweht waren die Eigenen dir! Anmerkung. Der im Jahre 1801, im funfzigsten seines verdienstvollen Lebens, verstorbene Schwager unsers Dichters, hat, besonders durch seine ausgezeichneten Schul-Anstalten und wohlthätigen Einrichtungen mit seinen Untergehörigen, sich ein bleibendes Denkmaal gestiftet. Am Tage meiner silbernen Hochzeit 1802. Uebersetzt aus dem Ausonius. Weib, laß was wir verlebten uns leben; bewahren die Namen, Die wir uns gaben beim Fest unsers geweiheten Bunds; Nimmer find' uns ein kommender Tag mit den Zeiten verändert, Daß nicht Du mir noch Braut, ich Dir noch Bräutigam sei! Uxor, vivamus, quod viximus; et teneamus Nomina, quae primo sumpsimus in thalamo; Nec ferat ulla dies, ut commutemur in aevo, Quin tibi sim Juvenis, tuque Puella mihi! Ausonius, Ad Uxorem suam. Epigr. XIX. Der Adler 1803. Ode. Im Schwung der Sphären tönte die Harmonie Des Götterhimmels; Venus Urania, Ihr Sternenkranz, ihr Auge strahlend, Führte der Grazien Chor und Musen. Die Chöre schollen, hohe Begeisterung Ergriff die Götter, so wie die Thürmungen Des Urmeers, eh' Gestad' es zähmten, Wogte der donnernde Feier-Hymnus. Die Donner schwiegen; Lispel entsäuselten Apollons Leyer, athmeten süßerer Gefühle Zauber, sanft, wie Amors Liebesgeflüster in Psyches Locken. Kronions Adler, wählend zum Ruhethron Des Gottes Zepter, trank die Entzückungen Des Wonnerausches; schmolz dahin, die Sinne gelöset, in Seherträumen. Die Götter sahn's, wie König der Fittige! In heil'gem Schauer wallte dein kräuselndes Gefieder, inwärts sich die Flamme Wandte des Auges, die Schwingen sanken. Sein Nachbarvogel, war es Athenia's, War's Juno's Günstling? wähnt in Erschlaffung ihn Betäubt, und flattert hin, und weckt aus Seiner Entzückung den Strahlentrunknen. Hinab, unwillig, senkt er die Blicke, dehnt Die Flügel, schwebt in engeren Kreisen nah' Und näher; seinen Flug, ihr Schöpfungs- Werde, bejauchzeten Pfau und Uhu. An meine Pflegetochter Luise von Hobe 1803. In einen ihr geschenkten Plutarch eingeschrieben. Heldenthaten der Alten dem jungen Mädchen? – dem Mädchen Der bei dem Guten die Wang' und bei dem Schönen erglüht. Jung auch waren Jene. In Jugendblüthe des Geistes Strahlte des Griechen Aug', hub sich die römische Brust. Liebe sie immer nur, mein Töchterchen! Zur Amazone Wirst Du nicht. – O es ist einzig, untheilbar ist sie, Unsere menschliche Tugend; der Eine göttliche Odem Stählet dem Helden den Arm, feuchtet der Jungfrau den Blick. Wohl dem Helden, der Fremdling nicht ist den Gefühlen der Jungfrau; Wohl ihr, tönt' ihr die Sait' auch in Cornelia's Ton! In Julia Klopstock's Stammbuch 1803. Bald nach Klopstocks, ihres Oheims, Tode. Schwer ist deiner Benennung Gewicht! denn groß ist der Anspruch Jenes Namens an Dich, den Du, o Julia, führst. Ach, Er liebte Dich, zartes Blümchen! Thränen des Jammers Trübten das Auge Dir früh, als uns der Seher entschwand. Herrlich prangt sie empor die Zeder Gottes! in ihrem Schatten dufte Du sanft, Veilchen des stilleren Thals! An meine Schwiegerinn, die Gräfinn Sophie zu Stolberg 1804. In meine ihr gegebene Uebersetzung des Sophocles eingeschrieben. In schönen Stunden schwebet' auf Sophocles Cothurn auch ich einst; Doch es sind schönere, Wenn uns, von Worten unentweihte, Stille Begeistrung der Mus' umsäuselt. Wohl sind die schönen, wohl sind die schöneren Mir werth. Doch was sind schöne, was schönere, Gewogen mit der Stunden schönsten? – Welche? – Du fragst, und wer kennt, wie Du, sie? Wenn Lieb' an heil'gem Strahle das Herz entflammt, Wenn sich auf Ahnungsfittigen schwingt der Geist Empor – denn, ach! die Seinen flossen Nieder! 1 wenn Sehnsucht das Auge feuchtet. In solchen Stunden schlag' ich die Bundeshand Ein in die Rechten meiner Vertrautesten; Dann drück' ich meine Lippen, ewig Theure Sophia! auf Deine Wange. Fußnoten 1 ... »denn, ach! die Seinen flossen Nieder! ...« Eine Anspielung auf folgende Stelle meines Otanes: Die Geister sanken, sanken in Wohnungen, Zwar nicht des Urlichts, doch von der Sonn' erhellt; Die Schwingen flossen weg, des Leibes Banden bestrickten die Strahlgestalten. Die Anmerkung zu dieser Strophe lehrt, daß die morgenländischen Weisen die Beraubung der verlornen Engelgestalt Πτερορυησις nennen: Wegfließung der Schwungfedern. Rede bei Einführung zwoer Schul-Fräulein in das adliche Stift Preez der Gräfinn Wilhelmine zu Reventlow, jetzt vermählten Gräfinn von Holstein und der Gräfinn Asta-Thusnelde von Münster, jetzt vermählten Gräfinn von Moltke, in Beiseyn ihrer Mütter gehalten an die Frau Priorinn, Freiherrinn von Brockdorff und sämmtliche Conventualinnen am 20sten Julii 1804. Zum dritten Mal tret' ich, hochwürd'ge Frau, In diesen heil'gen Hallen vor Dich hin, Durchdrungen tief vom Ernste des Berufs, Zu dem die Freundschaft mich erkohr, am Fest Der Weihe Dir und diesem edlen Kreis', Dem sich des Mannes Fuß mit Ehrfurcht naht, Ein Kleinod elterlichen Hauses, nun Ein Glied des hohen Ordens darzustelln, Dem Oberhaupt Du wurdest, Mutter bist. Zwiefach ist meines Amtes Ehre heut. Zur Seite stehn zwo edle Jungfraun mir, Die Eine, schaut, ein Sprößling jenes Stamms – Die Eich' in Odins Hainen! – jenes Stamms, Bewährt seit grauer Vorzeit in des Arms Wie in des Hauptes Thaten, minder nicht In zarten Spindel-Tugenden; durch Zucht Und fromme Sitte wohlbekannt auch hier Im Heiligthum der Zellen. Nicht dem Feind Allein trotzt seines Ritterschildes Mau'r, 1 Auch Bollwerk ist sie, dämmt, wie's fester Muth, Wie's Eifer nur, wie's Weisheit nur vermag, Den Strom entarteter, entnervter Zeit, Die keiner Segensflur verheerend schont! Gedankt sei's Gott, noch lodert unerlöscht, Verborgen vor der Menge Spötteraug', In mancher Hütt', in manchem Goldpallast Ein Flämmchen, hell und rein wie Silberblick, Auf Vesta's keuschem Heerd, der Jungfrau Brust, Sie selbst Altar, sie selbst auch Priesterinn Des heil'gen Feu'rs, das Andacht schirmt und nährt.– Hochwürdige! Dein ahnend Auge sucht, Zur Jungfrau dort sich wendend, ihren Blick, Der sittsam niederschauend, so noch mehr Verheißt. Gepriesen sei der Tag, da Sie Der Unsern Eine ward! 2 Der Apfel fällt Nicht weit vom Baum, vom Baum Hesperia's, Der, wie Ihr seht, die reife goldne Frucht Mit sanft bescheidner Liljenblüthe paart, Wie sich zum Kranz die Grazie wählt, wenn sie Urania's Hymnus singt im Musen-Chor. Wie sollt' es meiner Anempfehlung wohl Bedürfen? Doch auf meiner Zunge liegt Der Mütter Wort, sie nah'n sich beide Dir Mit Bitten, und die Bitten, wie Du weißt, Sind Gottes Töchter. Nimm, so flehn sie, nimm Mit milder Huld, als treue Zöglinge, Hier unter Dein geweihtes Dach sie auf, Den Schleier ihnen reichend, der die Stirn Der freien Jungfrau schmückt und preislicher Uns sei, weil ihn nicht knüpft des Zwanges Band. Auch Du, ehrwürdiger und edler Kreis, Empfang' in Deinen Schooß gewogentlich Zwo jüngre Bundesschwestern! Ungeprüft Tritt zarter Schülerinnen Fuß, laßt sie Der Hülfe Hand, der Weisheit Rath, ja laßt, Was könnt' ich köstlichers für sie erfleh'n, Der Liebe Herz sie finden unter Euch! Fußnoten 1 Eine Anspielung auf das, in Hinsicht des entschiedenen Familiencharacters sinnbildliche Wappen des Hauses Reventlow. 2 Ihr Vater, der Graf von Münster, war von der Schleswig-Holsteinischen Ritterschaft zu ihrem Mitgliede aufgenommen worden. Der Wanderer und die Cyclopen Gehalten den 1sten December 1804. Was, bei'm Cerberus, treibt ihr Cyclopen? Flammt ja der Aetna Euch auf der Ess', und es hallt donnernd der Ambos umher! Festschmaus, Fremdling, ist morgen im Tartarus, wir zu der Feier Hämmern das Kleinod, und schau, herrlich geräth uns das Werk. Dieses gewaltige Faß! Zwar sah ich jüngst wohl am Neckar Eins, doch es schrumpft im Vergleich nun mir zur winzigen Nuß. Vormals hatten wir ähnlichen Spaß; es sollte Pandora, Lüsterner durch das Verbot, streuen ihr Naschwerk umher. Klein, wie ein Nardenbüchschen, ihr Schächtelchen; jetzt, da das zarte Jüngferchen rüstig und derb' ist zur Titanin gediehn, Soll, auf der Schulter das Orhoft, sie abermal wandern, und morgen Füll'n sie dort unten zum Fest – Füll'n sie mit Nektar das Faß? Thor! Sie häufen Jammer hinein, und Fesseln und Frevel, Trotz, und zu Herrschern erhöht sumpfiger Pilze Gezücht, Hunger und Seuche, des Edlen Entwürdigung, Hohn dem Geweihten, Und aus Alecto's Haar schlüpft wol ein Schlängchen mit durch. Bildet, o Tausendkünstler, ein Hüttchen mir, fern, unerreichbar Vom Basilisken-Ei! – Kaum daß die Urne dich schützt! Hygea 1804. Bei Uebersendung eines Ringes mit dem eingegrabenen Bildnisse der Genesungsgöttinn, an die Frau Doctorinn Dora Hensler, Schwiegertochter und liebevollste Pflegerinn des berühmten Arztes dieses Namens. »Gieb« – so winkt mir die Göttinn – »mich meiner Dora, sie tränket Jene Lampe so treu, der die Genesung entstrahlt.« Sie an Ihn zu seinem Geburtstage den 31sten Januar 1805. Im Namen Seiner Gemahlinn, an den Grafen Friedrich von Reventlow. Wo such' ich, wo find' ich zum würzigen Strauß Ein Blümchen und eins noch? ich kann nicht hinaus, Und könnt' ich's, erstorben ist Wies' und ist Flur, Im Schleier der Flocken verhüllt ist Natur. O, wenn ich sie finde, Zum Angebinde Dem neugebornen Kinde. O, wenn ich sie finde so starr und so kalt, Geschirmt und gepfleget, erwarmen sie bald, Hier lodert der Heerd und in's Kämmerlein blickt Die Sonn', o ihr Blümchen, kommt, werdet erquickt! Kommt, Blümchen, geschwinde, Zum Angebinde Dem neugebornen Kinde. Da sind sie! So bunt und so prangend, so schön, Wie Iris im schimmernden Bogen zu sehn, Als Königinn Aller die Rose – doch nein, Sie hat ja den Stachel! – Mein Sträuschen soll seyn So sanft und so linde, Zum Angebinde Dem neugebornen Kinde. Ich weiß wohl ein Gärtchen, das keiner entdeckt, Im heimlichsten Schooße des Thales versteckt, Hoch über ihm leuchtet der Himmel so blau Und labend erfrischt es der duftende Thau. Dort schonen die Winde Die Angebinde Dem neugebornen Kinde. – Die Blümchen der Liebe, in Wonne beglückt, Auf heimischem Beete die Gärtnerinn pflückt, Ein dornenlos Röschen und, herzend so warm Den stützenden Stab mit umschlingendem Arm, Die rankende Winde, Zum Angebinde Dem neugebornen Kinde. – Ist's Odem der Liebe, ist's zaubernde Macht? Der Heutegeborne zum Mann' ist vollbracht, Zum Mann'! und ich Liebende bin's, die so warm Umschlinge den Trauten mit rankendem Arm! Nun Sträuschen verschwinde Als Angebinde Dem neugebornen Kinde! Zum Kranze nun flecht' ich euch, Blümchen, zum Kranz, Seht, zu euch gesellt sich in purpurnem Glanz Das Blümchen Unsterblich und längst mir bewährt, Jelängerjelieber, durch wachsenden Werth. Ich küß' euch und winde Das Angebinde Dem neugebornen Kinde. Genügt Ihm mein Kränzchen? – Nur mir nicht! O schon Umflicht Ihn mit Kränzen ein höherer Lohn! Dem Herzen entquillet des Heldenmuths Born, Sein Ruhm oft ein Würfel, oft Frevel sein Sporn. Ich suchte, ich finde! Zum Angebinde Dem neugebornen Kinde. Wohl schön ist der Sieg! Oft den schönsten erringt Ein Sieger, den Fama's Posaune nicht singt! – Wie wallt's mir im Herzen! Auf Fittigen hebt Empor mich die Lieb! – Ihr Unsterblichen, gebt Mir Sproßengewinde Zum Angebinde Dem neugebornen Kinde! Sie kommen, sie schweben im festlichen Tanz, Sie flechten aus Lorbeer und Palm' Ihm den Kranz, Aus Wipfel der Eiche, sie weben hinein Das Oelblatt des inneren Friedens und weihn Das Segengewinde Zum Angebinde Dem neugebornen Kinde. Rundgesang am Geburtstage der Frau Gräfinn Julia von Reventlow Den 16ten Februar 1805. Mit strahlbekränztem Haupt' entsteigt Die Nachtbesiegerinn Dem Meer', Orions Flamm' erbleicht Und schwindet vor ihr hin; Des Adlers Gruß, der Lerche Sang, Des Menschen Dank Schallt, Sonne, dir zum Lobgesang. Heil ist ihr Gang, Ihr singt, was lebt, den Preisgesang. Sie steigt, schaut Jammer, schauet Noth In Hütt' und Prunkpallast, Der Wittwe bittres Thränenbrod, Zahlloser Leiden Last, Des Dünkels Ohr für Weisheit taub, Ein fallend Laub Freiheit und Recht, der Buben Raub. Sie schaut in Staub, Ach, Gottes Heiligthum in Staub! Hoch über Sternenbahn entspringt Ein Quellchen, perlenrein, Empor, wer sich zum Brünnlein schwingt, Den labt der Tröstung Wein. Drei Jungfraun stehn am Quellenrand, An Hoffnungs Hand Glaub' und o Liebe knüpft das Band! Ein Himmelspfand Dem Pilger in dem Erdensand! Heut wenden Sonn' und wir uns ab Von aller Gräuel Pest, Der Jungfraun Chor schwebt selbst herab Und segnet unser Fest; Sie weihen, was der Wünsche Schaar Bringt opfernd dar, Stehn Priesterinnen am Altar. Ein Flämmchen klar Wallt, Liebe zündet's, vom Altar! Ach aber blind ist unser Blick Für ächter Wage Loth, Des Wahns Begierde lechzt nach Glück, Was Gold ihm dünkt, ist Koth! Er droben, frommt's Ihr, laß geschehn Das, was wir flehn, Doch frommt's Ihr nicht, in Dunst verwehn! Frommt's Ihr, geschehn, Was unser Wunsch nicht wagt zu flehn! Er, der des Geistes Schwung Ihr stimmt Zu Sphären-Melodie, Des Herzens Saitenspiel Ihr stimmt Zu Himmels-Harmonie – – – Sie schmachtet! – – Er, der nimmt und giebt, Er, segnend, trübt Den Erdentag Ihr, die Er liebt. Ach, Kleinmuth trübt Den Trost, den Lieb' und Glaub' uns giebt! Stolz schied das Jahr, es flocht' um Euch Des Silberfestes Kranz, Der, wonneduftend, segensreich Erschien in Hespers Glanz; Hell, wie Aurora's Lenzgewand, Als Hesper schwand, Strahlt nun erneut des Bundes Band. Von Engelhand Gewebt für's bessre Vaterland. Schließt, Freunde, eng und enger schließt Den Ring in Herzverein, Des Lebens Bächlein uns verfließt Und unsre Zahl ist klein. Je mehr der Phalanx schmilzt, je mehr Zu Schild und Speer Verbündet sei das kleine Heer! Wir schaun umher, Ach manche Stelle sehn wir leer! So sammelt sich der Vögel Zug, Gesondert Art und Sinn, Eh' auf sich schwingt ihr Wanderflug Zum schönern Ufer hin. – Horcht! Unsers Festes Leyermann Vertraut uns an, Schon hauch' ihn Herbstes Odem an. Das heut' begann, Das Blümlein, heut' auch welken kann! Verschmäh', den Wonn' und Wehmuth giebt, Der Zähre Dank Du nicht, Wenn oft uns Sturm und Nacht umgiebt, Strahlt Hellung uns Dein Licht. – »Meins?« – Wer's Dir zündet, wissen wir, Nur nach Gebühr Dankt unsre Wonn' und Wehmuth Dir. Dir opfern wir Dank, nimm ihn auf, und Liebe Dir! Epigramm La Cépede, Verfasser der Naturgeschichte der Schlangen, Hofgeschichtschreiber der Familie Bonaparte. Im Jahr 1805. Ich. Sprich, was erhub dich zur Clio des hohen Geschlechts Bonaparte? Er. Hatt' ich des Otterngezüchts Kunde nicht längst schon posaunt? Buß-Lied 1806. Herr, zu Deines Kreuzes Fuße, Leg' ich flehend meine Schuld, Wollst auf meiner Zähren Buße, Schaun Vergebung, schaun Geduld, Stärken meiner Ohnmacht Willen, Der nicht ohne Dich vermag Seinen Vorsatz zu erfüllen, Den er, ach, so oft schon brach! Tief, o tief bin ich gesunken, Der ich, wähnend hoch zu stehn, Durft', aus Dünkels-Bechern trunken, Stolz hinab auf Beßre sehn! Guter Hirte, komm' erbarme Mein Dich, zeuch mich aus dem Schlamm, Daß an Deiner Brust erwarme Wieder Dein verirrtes Lamm! An meine Freundinn Frau Friederika Brun, geborne Münter, beim Abschied vor ihrer wiederholten Reise nach Italien 1805. Freundinn, Du wallest hin, wo uns hienieden Dämmert, 1 was uns in Eden, dort, dort oben Ward bereitet. Fülle sei Dein des schönsten, Höchsten Genusses! Doch, was, o Freundinn, unser harrt dort oben, Zeugt's nicht lauter hienieden uns des Herzens Göttertausch, der wechselt um Liebe Liebe? – Bleibe Du hold mir! Fußnoten 1 ... ove Natura volse Mostrar quagiù, quanto lassù potea. Petrarca. Sterbelied 1808. Lieg' ich einst an jener Schwelle, Die der Zukunft Schleier hebt, Sinkt des Pulses Abschieds-Welle, Schweigt der Odem und entschwebt; Send' erbarmend Fried' und Ruh' Aus dem Himmel dann mir zu, Daß an Dich, Versöhner, hefte Sterbend ich die letzten Kräfte. Eh', an ihres Kampfes Ende, Nun der Seele Band zerreißt, Gieb, daß ich in deine Hände, Herr, befehle meinen Geist. Trübt sich schwüler mir die Luft In des Todesthales Gruft, Laß in Lieben, Glauben, Hoffen, Dann mich schaun den Himmel offen! Nicht im Tod' erst; weil mein Leben Noch in regen Stunden kreis't Will ich weihend übergeben Deinen Händen meinen Geist; Ihm, den Funken deines Lichts, Gnüge nicht der Erde Nichts, Ach, schon hier, auf Sehnsuchts-Schwingen, Mög' empor er heimwärts dringen! Lied. Der Segen 1808. Wie nach frischem Wasser ächzet Ach, das heißgejagte Reh, Meine Seele schmachtend lechzet So nach Labsal aus der Höh'; Unsrer Wüste hier ergießet Sich kein Born, kein Bächlein fließet, Dort nur aus dem Urquell quillt Trost, der meine Sehnsucht stillt; Aus dem Urquell, der Erbarmen Allen Schöpfenden vertheilt, Der des bangbeklommnen, armen Herzens Reue-Wunden heilt! Tropfen seines Segens wolle Thaun auf mich der Segenvolle; Ström' er Wonne, ström' er Schmerz, Nur um Segen fleht mein Herz. Segne mich mit Vatergnade, Leuchten laß Dein Angesicht Ueber mir, Herr, meinem Pfade Sei Du Hüter, sei Du Licht; Wollst auf mich Dein Antlitz heben, Den die Welt nicht giebt, ihn geben, Flehend lieg' im Staub' ich hier, Geben Deinen Frieden mir! Trübsal 1810. Lied. Trüb und immer trüber ziehet Wolk' auf Wolke schwer empor, Bleicher Abendschimmer fliehet Und kein Sternlein blickt hervor. Auf des Lebens Ocean Schwanket einsam hin mein Kahn, Sorge sitzt am Steu'r, im Wider- Winde rauscht das Segel nieder. Hoch und immer höher thürmen Sich die Wogen, tiefer klafft Meeresschlund, in wilden Stürmen Aufgelös't sinkt meine Kraft! – – – – Zucke, Schmetternder, herab, Flamm' und Abgrund sei mein Grab, Unter Blitz und Donner-Krachen Auf! zerschelle du, mein Nachen! Fern die Schmach! des Menschen Würde Trotzet siegreich dem Geschick, Schleudert ab die Trübsalsbürde, Schaut mit Hohn hinab auf's Glück; Unsers welken Fittigs Band Löset nur die eigne Hand, Nur im innern Herzensspiegel Pranget unsrer Hoheit Siegel. – – – – Gräuel, Schauder! schone, schone, Blick in's nackte Menschenherz! Ach, alsbald vom Dünkelthrone Stürzt er uns in Schaam und Schmerz! Trotzig und verzagt bist du, Herz, des Menschen! Trost und Ruh' Kann, des Jammers Sturm zu stillen, Nicht aus deinem Schlamme quillen! Rettung! wo? – – – Erreicht wohl Klage Jenes hohen Weltgeists Ohr, Der, so lehrt der Schule Sage, Kreiset in der Sphären Chor, Sprüht im Funken, grünt im Baum, Wiegt sich in der Welle Schaum? – – – Nein! Es beut des Uralls Oede Meinem Anker keine Rhede! – – – – Heil mir! Wohl an wen ich glaube Weiß ich, Truggestalten weicht! Kenn' Ihn, den, wenn ich im Staube Flehe, mein Gebet erreicht, Ihn, der Liebe Urquell, Ihn, Vater ist sein Nam', o Ihn, Der im Vaterherzen heget, Was im Schöpfungsraum sich reget! Allbarmherzig Er, es blühe Ros' und Myrt' auf meinem Pfad, Oder ach in Trübsals Mühe Schleich' er durch die Distelsaat. Wohl ein selig Loos mir fiel Führt es sich'rer mich zum Ziel, Schweb' ich aus dem Läut'rungstiegel Leichter hin zum Grabes Hügel! Das Eine 1810. Eins ist Noth! Wer die Perle nicht fischt, ihm hänge die Auster, Oder die Muschel im Netz, Armer, die Müh' ist umsonst! In's Stammbuch der Prinzessinn Güntherin zu Schwarzburg, Pflegetochter der, den Tod ihres Bruders des Kronprinzen von Schweden betraurenden herzoglichen Prinzessinn Luise zu Holstein Am 24sten Juli 1810. Schwarzburgs fürstliche Tochter, ich grüße Dich! Freundliches Auges Nimm aus der Hand mir den Strauß, den ich Dir pflückte zum Fest. Liebliche Blume du Selbst, sei hold den Blumen der Muse, Hold dem Gärtner noch mehr, ihm, der sie wählte für Dich! Wisse, nicht fremd' ist er Dir, seit alterthümlicher Urzeit Einigte Sippschaftsband unser verbündet Geschlecht! – Güntherin, laß welken die Blumen! Trockne die Thränen Ihr, die des Herzens, des Geists Pflegerinn, Mutter Dir ist! Alles vermag ja die Liebe, die tröstende! Starreder Jammer Thauet, geschmeidigt von ihr, sanfter in Wehmuth herab. Ach, wie brennt mir im Herzen die Zähre der Edlen! Doch Sie, die Trösten wir wollen, sie schöpft selbst ja aus höherem Quell. Lied 1810. Holdes Knäblein in der Krippe, Lächelnd nimm zum Weihnachtsgruß Ihn, den bietet meine Lippe Deiner Hülle Saum, den Kuß. Wort des Anfangs, dessen Werde, Gottheitsfülle wohnt in Dir, Sonne, Sterne, Mond und Erde Schuf, und Leben gab auch mir! Bethlems angefüllte Hütte Ließ im Stalle Raum Dir nur, Selbst des Neugebornen Tritte Wallten schon auf Kreuzes-Spur. Der des Aufgangs Fackel zündet, Spangt Orions Flammenschwert, Darbt in Noth und Kummer, findet Ihn zu wärmen keinen Heerd! Scholl alsbald nicht Juda's Meistern Wunderkund' in's Forscherohr, Strahlte Glanz von Heroldsgeistern Ihnen nicht und Levi's Chor? Unschuld! Einfalt! Hirten waren Ersterkohrne – – – Auf sich schloß Gottes Himmel, Engelschaaren Schwebten, Licht sich rings ergoß. Eines Stimme, furchtbezwingend, Deutet auf das Knäblein, bald Aller Hymnus Ihn lobsingend, Um die Staunenden erschallt. »Preis Gott in der Höh', hienieden,« Heilverkündend tönt's ihr Mund, »Große Freud' und Gottes Frieden, Adams Stamm der Gnade Bund.« Wer sind, die aus weiter Ferne Ihm mit Opfergaben nah'n, Die, geführt von Seinem Sterne, Wall'n die hochgeweihte Bahn? Wahrer Weisheit Jünger schauen Schmachtend himmelwärts nach Licht, Glaubensvoll und ihr Vertrauen Täuscht Er, der's erweckte, nicht. Herr, wir schaun Dich nicht! doch selig Sind die glauben und nicht sehn, Die, Dir allvertrauend, fröhlich Hellerm Schaun entgegen gehn! Grabschrift Ophelia's 1811. (einer kleinen englischen Hündinn.) Hier im Hügel ruhet Ophelia. Dauret der Treu' und Liebe Werth, so verstäubt nicht was im Herzen ihr schlug. Mamia's Grabschrift 1812. India's liebliche Tochter, wohin sind entflohen die Gaben, Schooßkind du der Natur, die sie so milde dir gab. Schönheitsblüthe, Zauber des Reitzes? – Sieh' es entschwebt aus Scheiterflammen der Geist, herrlich ein Phönix empor! Liebe hatte gewebt dein zartes Gewebe, dich opfernd Deinem Geliebten, und wie? gab dir die Liebe den Tod. Kehrest du wieder zur Erde, so falle deiner Gespielinn Seliges Loos auch dir, welches ihr Sänger uns sang! Anmerkung. In der holländischen Beschreibung einer ostindischen Reise von van Haffner, finden wir eine junge Bajadere, die durch Treue, Liebe und bis in den Tod zur Rettung des Geliebten, eine sich selbst vergessende Aufopferung bewies, die auch durch die trocknen und kalten Worte jenes Handelsmannes, dem Leser tief in's Herz dringt. Wer in uralter Orientalischer Sitte und Religionslehre kein Fremdling ist, der wird weder Mamia, noch den hohen Sinn jener, hier angedeuteten, sich auszeichnenden Dichtung von Goethe, verkennen. Der Siebente November 1812 1812. Ode. Spartacum si qua potuit vagantem. Fallere testa. Hervor aus innerm Schatze, Bewährtester, Du ächter Achtundvierziger! unentweiht Wie Tiburs Nektar, unumleuchtet Du, von des Spartacus Mordbrandsfackel. Längst glomm ihr Zunder, mählig emporgefacht Flammt Gluthenlohe, tanzet auf Trümmerschutt, Im Saturnalgelage, trotzend Heiligen Maalen, die freche Rotte! Hervor! was säumst du? Auf! du Gebanneter, Nun fünfundsechszig Herbste, du Lebenshauch, In schwachen Scherben, doch selbst dieser Saugt aus dem Gaste sich Kraft und Wärme. Wißt, heut' ist Feier! Kränzet das Heiligthum Der frommen Freude, zündet ihr Flämmchen, schließt Der Halle Thore, nur das Pförtchen Oeffne sich leise den Auserkohrnen. Heil, Bruder, Heil Dir! Fülle des Segens – o, Du ruhst an seiner Quelle! – beströme Dich! Empor aus hochgehob'nem Kelchglas' Athmet das Opfer der Herzenswünsche. Klinget an, ihr Söhn' und Töchter und Eidame, Mit Jedem leer' ich's! Enkel und Enkelinn, Und's Hännschen dort im Keller! – Ha! zur Schaar ist erwachsen der Hochgefeirte! Auch meine Baucis bringet ihr Schärflein dar, Im Fingerhütchen, klinget ertönend an, Ein Tröpfchen, traun Gutedel, köstlich Mehr als Kleopatra's stolzer Perltrunk. Hör', Jahrgenosse! brüstest dich, feuriger Und reger stets erglühe dein Traubenblut, Erst Enkels-Enkel schlürf' aus deiner Flasche den duftenden Götterbalsam. So ich! es wallt mir immer und immerdar Für meinen Pollur höher noch, flammender Die Kastorbrust! Der Jahre Neige Ebbet, doch freier und freier schwingt sich Der Liebe Fittig, höhnet die schmählige, Des Raumes Fessel! – Doch, o was netzet mir Die Wange, hemmt des Sanges Flug? ist's, Was mir die Saiten umschleicht, ist's Wehmuth? In deinen Schleier hüll' ich, Sophia, mich, Verzeih den Zähren, die ich an deinem Fest Verbannte – Ach, sie schaut das Sonnen- Auge, sie rinnen der Sterne Reigen! Erstumme heut', o Klage! Des Wiedersehns, Des oft erneuten Bilder, umschwebet mich, Wenn nun der Wonne Stunde hertanzt, Wir in die offenen Arm' uns stürzen. Die Leyer schwieg. Da säuselt' es, gaukelt' es Auf zarten Zehen, nahte mir, flüsterte: »Grüß' Seine« – neigt' ein Köpfchen – »hohe Muse, von deinem Camönen-Mädchen.« Die Turteltaube Ode. Im Jahr 1812. Mein Turteltäubchen girrte, die süßeste Der Wehmuthsstimmen athmete Liebeshauch Aus Unschuldskehle – ach, und doch mir Dröhnt' es in Mark und Gebein ein Donner! Sangst, Sehervogel, warnende Töne du? So deutet's Reue. – Brausender schnob empor Mir Grolles Lohe, hadernd mit den Gräuelgeburten der trüben Stunde. Da girrt' es! Hauchte, Turtelchen, dir allein In's fromme Herzchen schmachtendes Sanftgefühl Allvater, ach und linde, wie dein Busengefieder, die Sehnsuchtsseufzer? Da schwieg die Windsbraut, löschte den Flammenblick Die milde Zähre. – Zwar das Gefilde lag Noch vor mir schwer an Jammerssaaten, Saaten des Drangsals und schnöden Frevels; Doch still und stiller ward's, es umsäuselten Mich leise Lispel, flüsterten, deuteten Auf jene Vaterhand, die Sonnen Gängelt, und schützt in dem Nest den Sperlig. Ich hub das Aug', es schimmerte Hesperus Und Luna's Nachen – Ewig unwandelbar Dort oben wallt der Sterne Reigen, Knospet hienieden und blüht die Rose, Drehn Freud' und Kummer wechselnd im Ringe sich, Brautkuß und Thräne, sie die den Aschenkrug Der Unsern netzt – Kartaunen brüll'n, es Schlummert der Säugling im Schooß der Mutter. Getrost! Vom Himmel steiget zu uns herab, Wie Edens Rosen blühend, und flammender Als Sonnen, Liebe, die uns reicht das Leitende Knaul in des Lebens Irrgang. Eingeschrieben in Adelungs Wörterbuch, das ich an meinen Freund, den Grafen Cai von Reventlow, in einer Wette über die Cicloïde verloren hatte 1813. Wohl ist's ein goldnes Sprüchlein, das da deutet Auf jenen Ring, der magisch uns umkreis't, Durch den begränzt, sich enget und sich weitet Sein eignes Feld dem Odem und dem Geist; Aus dem nicht ungestraft der Fuß uns gleitet, Weil dort nur uns Natur den Kranz verheißt, Den, wenn wir unser wahres Pfund ergründen, Wir, reicht die Mus' ihn, um die Schläf' uns winden. Wenn ich das goldne Sprüchlein achtsam hätte Bewahrt in einem guten, feinen Sinn, So büßt ich jetzt nicht, ginge meiner Wette Verwirkter Preis, mein Ad'lung nicht dahin; Mir klebte heimlich fest des Dünkels Klette, Gewahr ward ich's und mein ist der Gewinn! So lehrt das Sprüchlein, für uns All' ein Muster: Bei deinem Leisten bleibe du, o Schuster! Was kümmern mich – war's je denn meine Weise Zu angeln nach des Polyhistors Tand? – Was kümmern mich des Rads verschlung'ne Gleise, Was Bahnen, die des Grüblers Lamp' erfand? Ach, schier am Ziel der anspruchlosen Reise, Lockt mich ein Irrwisch in dies Fremdlingsland! Doch mein ist der Gewinn! – Mit dir sei Friede Gestiftet, lebe wohl nun Cicloïde! Und du, sieh' deß nicht scheel, dort mehrst die Menge Du deiner Ruhmgenossen, Adelung, Die meines Freundes Saal in Breit' und Länge Verherrlichen, durch Wahl, durch Werth und Prunk, Dein harrt ein gutes Plätzchen im Gedränge Von jeder Zung' und Art, von Alt und Jung, Auch pilgr' ich oft – dein Herr vergönnt's, drum letzen Getrost wir uns – zu deines Füllhorns Schätzen. Bei'm Anblick des vom Tode erstandenen Hamburger Correspondenten Den 20sten März 1813. Sei mir gegrüßet, Wappen Hamonia's, Du Maal der Urzeit! Düstere Mitternacht Gebahr den schönsten Morgen, prangend Ragen erglühend die freien Thürne! Werft euch auf's Antlitz, Bürger, es hebe sich Des Dankes Opfer! Siehe, die himmlische, Der Rettung Stunde, schwebt als Erstlings- Tochter des schönsten der Lenze nieder. Bekränzt mit Blüthen strahlender Hoffnungen, O jede Knospe reife zu Edens Frucht! Doch den nur krönt Allvaters Segen, Der ihn ergreift mit des Strebens Inbrunst. Die weisen Väter gaben dem Hansa-Schild Zween kühne Wächter, deutend mit Seherblick Auf unsern Tag – Nun gilt's! du Löwen- Rachen, ihr Klaun und du Flamm' im Auge! Auch mich, wo sie sich stürzt in des Elbgotts Bett, Gebahr die Alster-Nymphe. Mir zucket schon Mein Arm; schon blitzt, gewetzt, das gute Schwert, und ich spotte des Silberhaares. Der alte Leyersänger an Hamburgs Krieger Im April 1813. Wachst du, Alter? Traumgebilde, Schmeichelt meinem Wunsch ihr nicht? Statt der Geier, Hamburgs Schilde? Wo der Zöllner Raubgezücht? Frischer Bursche reges Leben Wallt auf Straß' und Markt einher! Wogt's nicht, wie sich senken, heben Fluthen auf erregtem Meer? Eifer glüht in jedem Schritte, Sprühend strahlt der Flammenblick. Kehrt der alten Hansa Sitte Zur bejochten Stadt zurück? Dieser prüft des Säbels Hiebe, Jener tummelt rasch sein Roß – Zauber ist's, der junger Triebe Kraft in welke Sprossen goß. Fähnlein wehn vor jeder Schwelle, Jubel schallt und Freudenschuß, Schon der flinke Kriegsgeselle Küßt der Braut den Abschiedskuß. Seht! Der alte Leyersänger Wankt aus seiner Zell' hervor, Auf! erzählt die Wunder! länger Harrt umsonst mein dürstend Ohr – Schweigt! Mir flüstert's schon die Leyer, Schon des Sehers Augen schaun Sanft auf eure Freiheitsfeier Himmelssegen niederthaun. Alles neu und alles anders, Was in Aug' und Ohr mir dringt. – Füllt die Becher! Alexanders Nam' ertöne! Kinder, trinkt! Heil Ihm! Gürtet euch, ihr Krieger, Wallt der guten Sache Pfad! Leyersang umschwebt den Sieger, Ruhm bekränzt des Helden That! Die geweihte Fahne Im April 1813. Die Fahne weht, sie dringet vor, Entfaltend ihren Glanz, Und Gruß und Lied wallt ihr empor Bei'm frohen Waffentanz. Sie strahlt, des freien Bund's Panier, Im schönsten Morgenroth; Wir schaun auf dich, wir folgen dir, Zu Sieg, zu Heldentod! Ein köstlich Weihgeschenk, gewebt Von edler Frauen Hand, Von ihrer Wünsche Chor umschwebt, Für's Deutsche Vaterland. Gehobnen Busens, Perl' im Blick, So trug die fromme Schaar, Daß kröne Segen ihr Geschick, Sie hin zum Hochaltar. Ein heil'ger Priester sprach ihn aus, Den Weihspruch über sie, Und Amen! scholl das Gotteshaus Und Alles stürzt' auf's Knie. Der Reigen zog vor's Kirchenthor, Wir standen harrend da, Und flehend Aller Aug' empor Zu Fahn' und Himmel sah. Ein holdes Weib, mit edler Schaam An Wang' und Stirn geschmückt, Trat sittsam vor, das Wort sie nahm, In Andachtsgluth entzückt: »Dringt, Brüder, wo sie wallt, in's Herz Dem dichten Feindesschwarm! Wenn ernster Will' ihn hebt – ist Scherz Der Sieg dem deutschen Arm! Seyd Löwen in des Treffens Graun; Doch schweb' ein Bild euch vor Von Braut und Schwester, das euch raun' Erweichten Sinn in's Ohr. Nun Gott mit dir, du hehre Schaar! Für Weib und Kind und Heerd, Für Recht, für Freiheit, für Altar Schwingst du das Rächerschwert!« Sprach's mit verklärtem Aug'. – Es strebt Das Kleinod nun voran, Und felsenfester Glaub' erhebt Den Muth uns himmelan. Die ernste Stunde schlägt; wir gehn In Sieg, in Heldentod, Laut schallt's im Thal und auf den Höh'n: Sieg oder Heldentod! Eingeschrieben in das Stammbuch meiner Nichte, Nandine, Gräfinn von Bernstorff, gebornen Freiherrinn von Hammerstein 1813. Wohl oftmal, wenn ich locke, kommt geflogen, Wie's Turteltäubchen mir durch's Fenster schwebt, Die Mus' in süßer Liebe mir gewogen; Und folgsam meiner Leyer Sait' erbebt; Nicht mein ist, ihren Lippen ist entsogen Der Sang, der sich mit meiner Stimm' erhebt, Er schweift umher, und wohl will ich mich hüten, Dem freien Flug als Steurer zu gebieten. Doch Göttermädchen hat auch ihre Launen, Mir weigert meine Bitte Jahre lang Sie schon, vertrau' ich's euch ihr werdet staunen, Denn mir gebührt Gewährung und ihr Dank; Ich fleh' umsonst, sie woll' in's Ohr mir raunen, Was ohne sie dem Sänger nie gelang, Und zwar für Dich, der ich als Ritter diene, Die liebt, und wie! der alte Ohm, Nandine! In ihre Grillen muß ich wohl mich fügen, Und schöpfen, was im eignen Born mir quillt, Doch wird ein schlichtes Sprüchlein Dir genügen, Das ohne Muse nun dies Blättchen füllt? – – Da schwebt Sie her! In ihren Himmelszügen Dem Seherblick das Räthsel sich enthüllt, Sie wollte zwischen Dir und mir die Dritte Nicht seyn, drum blieb sie spröde meiner Bitte. Die lose Nymphe spottet, laß sie scherzen, Ich drück' indessen Deine zarte Hand An meine Lipp' und warm wallt mir im Herzen Der Freude Dank für unser Sippschaftsband. Ach, aber nicht vermag ich's zu verschmerzen, Daß zwischen uns sich dehnt ein weites Land! Wollst oft vergönnen Deiner Engelmiene Holdseligen Genuß mir, o Nandine! Leipzigs Schlacht 1813. Ode. Wie Aetna's Wucht belastet die Riesenbrust Des Typhon – zuckt er, dumpf das Gebirg' erkracht Mit Kluft und Hainen; stöhnt er, Wolken Wirbeln empor sich mit Asch' und Flammen – So lag des Grames Bild auf der Seele mir In jener schwarzen Stunde des Strafgerichts, Die ausgoß ihres Zornes Schaalen Ueber den Busen des Vaterlandes. Nun kränze deine Locken, Germania, Dein Haupt erhebe hoch und dein Aug' umher, Dein großes, blaues Auge! Welch ein Morgen verscheuchte die Nacht des Drangsals! Ihr Vortrab schwärmte längst in der Dämmrung Graun, Ein täuschendes Gewimmel von Geisterchen Des Irrsals, Schwindels, gleich umflatternd Tempel und Thron und des Schreiblers Lampe. Schlau ihren Apfel hatt' in die Völkerschaar Des Einen Urstamms Eris-Tisiphone Geworfen, und der Zwietracht Saaten Ernteten Jene, die nun verstäubt sind, Wie Sand des Heerwegs! Siehe, wie starren dort Gefild' und Ströme, wo sich die Hord' ergoß In Roßbachs Flucht, von Leichen, Waffen Fernhin geschleudert und Geier-Fahnen! Ja Geier sind es! Nenne nicht Adler sie, Du deutsche Zunge! Geier! und Hornisse, Nicht Bienen sind's, die nun den Prunkschild – Blühender Lilien einst – umschwirren. Gab Moskow's Schlitten Flügel dem Fliehenden? Ha Xerxes Nachen! – als Er im Huy dem Heer Den Rücken kehrte, Held und Klepper Reichend in Angst vor des Treibers Geißel! Die Rach' erkohr Ihn! Unter des Corsen Fuß Gestampfet, solltest büßen du, Gallia, Das Blut der Bessern, die zum Schmaus des Thronenden Pöbels dein Mordstahl würgte. Verduftet war die Würze des Mörderspiels, Da schwoll empor Er selber die lebende – Verzeih mir's, Muse! – Guillotine, Schleppend zur Schlachtbank auf Heerschaar Heerschaar; Bartloser Fäntchen Schwärme, wie Abendhauch Die Mückenwolke, jagend zum Acheron, Von Heerd und Pflug, gleich Südpols Wilden, Fällend den Baum um die Frucht zu naschen. Bist deutsch nun, Vater Rhein! doch erzürne nicht, Wenn ich den Wonnebecher bei'm Kaiserfest, Das unserm Franz mit freier, deutscher Krone noch einmal die Schläfen gürtet, Statt deines Goldes fülle mit Purpurwein, Den, säh' er meinen Jubel – o lächle nur – Mir durch Garonna's Nymph' als Feirtrunk Sendete Wellington, Englands Blücher! Parodie des Chorgesangs (das Traumgesicht Nebucadnezars) im Schauspiel Belsazar: 1813. »In Babels Aue stand an dem Stromgestad' Ein Baum des Schattens; dick aus der Wurzel schoß Sein Riesenstamm, die schönen Aeste Huben sich stolz in des Himmels Wolken« – Im Unflathspfuhl der jüngeren Babylon, Dort wo die Gräuel ihrer Erwürgungen Der Höh' entspühlten, wo der Sumpf die Lüfte verpestend und schäumend aufgohr – Einst im Triumphe zog, mit vergoldetem Gehörn und Kränzen prangend, ein Stiergespann Die Göttinn Freiheit, ihre Schwester- Metze Vernunft auf dem Hochaltar stand; Die Schlachtbank witternd, brülleten, sträubten sich, Wo strömend floß das Blut der Enthaupteten, Die Stiere, eingewurzelt standen Sie, und es kroch in ihr Joch der Pöbel – Dort schwoll empor, des Mords und der Fäulniß Sohn, Ein Riesenaufwuchs unter dem Pilzgeschlecht, Er prunkend, strotzend, hoch und breit sich Dehnend und brüstend in eitler Hoffart. Das Schlammgewürm umkroch, es umflattert' ihn Des Fliegenkönigs stachelbewaffnete Ha! Ehrenlegion! Anbetend Summte von fernher das Ungeziefer. Der Aufgeblähte dunstete Moderhauch Umher; doch Dank der Wolke des Ekelqualms, Sie winkte Warnung, daß ein keusches Auge sich wende vom Scheusal abwärts. Da scholl der Rache Stunde! Zertreten lag Zu Staub und Koth gemalmet der Wunderpilz, Und seiner Sippschaft Pfifferlinge Waren verstiebt mit dem Schwarm der Schranzen. So Er, deß Bild der Sprosse des Pfuhles war, Gestürzet liegt Er! Jubel! mit Wurzel und Mit Stamm! – Was Stamm und Wurzel? Er ein Dämmerungs-Fündling aus fernem Eiland! Ihm schlug im Sturze nicht des Gewissens Puls, Er schnob noch Mord und Frevel und Flammenwuth; Doch bald entsank die Heldenlarv', es Schrumpfte der Prahler in eigne Kleinheit. Er schwind' und schwinde, winzig und winziger! Einst ein Kolossus seiner Verblendeten. – Kommt nun, beschaut, enttäuscht, ihn nah' und Näher, nicht ohne Vergrößrungsbrille! An meinen Urneffen, den Grafen Christian zu Ranzau, an seinem neunzehnten Geburtstage 1814. Eingeschrieben in ein Exemplar der »Schauspiele mit Chören.« Frei wie von Morgen wehn und von Abend die Lüfte des Himmels, Athmet Aurora's Hauch, säuselt um Flora ihr West, Also spielen umher die freien Gaben der Muse, Die kein Sterblicher je, grübelnd und keichend erwarb. Ruhend im Duft und im Labsal der sommernächtlichen Stille, Sanft auf des Mooses Flaum, schlummert' Endymion einst, Phöbe erblickt ihn vom blauen Gewölbe, leis' in der Jungfrau Keuschem Busen erglimmt sehnender Liebe Gefühl; Schüchtern neiget und neigt sich und nahet sie näher und näher, Bis auf des Jünglings Mund athmet ihr himmlischer Kuß. Bande des Schlummers umschlingen Endymion, doch es umschweben, Wie aus Elysiums Hain, Träume der Seligen ihn. Phöbus stieg aus dem Schooße der Thetis. Erbleichend verbarg sich Phöbe. Des Glücklichen Aug' öffnet sich, staunet umher; Sonn' und Morgenschimmer und Meer und Wald und Gestade, Murmelnder Bach im Thal, Alles ist hehr ihm und neu, Fülle des wallenden Herzens beseelet ihm Alles mit Leben, Hügel und Ros' und Gewölk – Freundinn ist Nachtigall ihm! Also spendet auch Jene die Gaben, es ahnet dem Liebling Nicht, wenn die Muse das Haupt ihm mit dem Lorbeer bekränzt – Ward auch mir ein Blättchen des Daphne-Baumes, so ist's nicht Garbe des Fleißes, nur Ihr dank' ich das Wiegengeschenk. Einst umgürtete mir mit zarten Händen die Sohlen Sie, und ich wagt' es, einher schritt ich auf hohem Kothurn. Mein Getön' und was Sie in süßer Umarmungen Zauber Flüsterte Ihm, der mir ist mehr noch als Bruder und Freund, Nimm es zum Angebinde mein Söhnlein! –Siehe das Alter Ist redselig, und schon eifr' ich dem Nestor ja nach. War nicht Er, deß Enkel Du bist, mein Lebensgefährte? Ach, mein Bernstorff! Er, von Millionen beweint! Bernstorff! Er, dem wie wenigen Auserwählten, in Fülle So des Schöpfers Hauch Weihe des Himmels verlieh! – Höre nun! Wird's Dir im Herzen so warm, so voll und so drängend, Steigt aus der Tiefe Dir Stern, Stern und Gestirn Dir empor, Dann ist nicht ferne die süße Sängerinn! Lausche dem Fittig', Oeffne das Pförtchen und führ' ein in das Kämmerchen Sie! Einsam die Einsame! – Rauscht dir im Taubenschlag oben Gewimmel, Laß in die Wildniß hinaus flattern den luftigen Schwarm! Jene stammt aus Göttergeschlecht, und vom höheren Eins ist Noth! – verscherzte sie's nicht – fiel ihr ein Perlchen anheim! Pfingst-Seufzer 1814. Heilige Himmelstaube, Du des Hohen, Unerforschlichen Sinnbild, schwebe nieder, Athm' in's Herz mir schmachtende Sehnsucht, frommer Liebe Vertraute; Oeffnet es ihr sich, o, dann weih's zu Seinem Tempel! Segnendes Säuseln hauch' hinweg der Erde Staub, es komme der Gast und nehme Bleibende Wohnung! Der 18. October 1814 1814. Ode. Purpur strahlet und Gold, wo der Erwachende Scheucht die Dämmerung, schwebt trunken in Wonn' empor; Heil dir, du mit dem Sieger- Kranze, herbstlicher Göttersohn! Jahrstag Leipzigs, begrüßt sei du mit Musensang, Dein harrt Jubel und Fest! Schüttle die duftende Locke, daß dich empfang' im Thaugeschmeide die Schimmerflur! Flammend glühte – wie Sie, die sich dem Meer entschwingt, Die mit Rosen bekränzt junge, gekräuselte Wellen – so in des Schwertes Purpurtriefendem Siegesschmuck Glühte flammend die Schlacht! Segnend wie Sonnenlicht Warst du, bleibst du; doch ha! warst ein vertilgendes Sturmgewitter: zertrümmert Liegt in Scherben der Thon-Koloß. Pfade bahnetest du hin zu dem Drachennest Unserm Heer, das, Triumph! treibend die fliehenden Horden, pflückend des Lorbeers Saat, von Siegen zu Siegen flog. Schonung waltete da – jenes erwärmeten Busen-Gastes gedenkt! – winkte das Schwert zurück, Das schon streckt' in die Wagschaal Blücher: »Weh den Besiegeten!« Wo, Heroen des Schwarms, war't ihr, vergoldete Spießgesellen? Ihr fielt, wie vom gerüttelten Dornstrauch regnen die Käfer, So vom schwindenden Götzen ab. Fodr' in tobender Wuth nun die zerstäubeten Legionen zurück, gegen des Inselchens Felsen schmetternd die Kronen- Scheitel, Elba's Augustulus! In das Stammbuch einer jungen Dame 1814. Liebliche Gärtnerinn, sauber geschmückt und gehegt ist das Gärtchen, Das Du zu eigener Pfleg' emsig erlesen Dir hast; Bäumchen erheben zu Früchten sich hier, es gesellen zu Blumen Blumen sich dort, und es grünt würzig der Kräuter Gemisch. Freundlich begehrest Du von dem alten Gärtner ein Pflänzchen, Nimm's! und im Winkelchen sproß einsam das Blümchen – indeß Bald wird auch verpflanzet der Alte! Sanftere Wehmut Athme das Blümchen alsdann Dir in die wallende Brust. An die deutsche Rathsversammlung in Wien 1814. In Habsburgs Kaiserhallen Versammelte, Gott grüß' Euch, deutsche Männer! Geheftet starrt Des Vaterlandes Aug' auf Euch, ihr Waltenden Hüter des Seyns und Werdens. Wann dröhnten jemal so auf des Rathes Tisch Verhängnißschwanger, furchtbar umsäuselt – ach Vernehmt der Warnungsschauer Flüstern! – Rollend Entscheidung, die Schicksalswürfel? Der Väter Ahnherrn, wenn sie bei'm Festgelag' Im Eichenschatten ruhten, des Uhres Horn Umherging; wie sich schimmernd heben Stern und Gestirn an der blauen Wölbung, Empor so strahlten ihnen aus Heldensinn Gedanken auf Gedanken, es rastete Jedoch der Arm, bis erst bei kaltem Ernste sich senkte die Prüfungswage. Uns unsre Sieg' entflammten zu Nektarrausch, Und Babels Einzug! huben die Fittige Des trunknen Geistes – Ha! und stürzten Nicht, nun gelös't von der schnöden Fessel, In unsre Feierbecher beim Lebehoch Des deutschen Rheines, Vater Johannesberg Mit seinem Rebenwald, und ihr in Goldenen Strömungen, Hochheims Hügel? – Fein nüchtern, Muse! Nahe mit frommen Sinn Dem ernsten Kreise, deines Berufes, o Des hohen kundig! Heil'ge Zauber Weih'n dir die Lippe zu Göttersprüchen. Geleitest du nicht Bitten und Sühnungen, Gelübd' und Dankesopfer und Tempelsang Gen Himmel? Flammt nur deiner Schwester, Dir, Uranide, nicht auch der Sternkranz? Heut' athme Segenswünsche die sanfte Brust, In Wünschen lisple leise das Saitenspiel, Und Segen fleh', in ihm der Inbrunst Perle, der Blick, den nicht hemmt die Wolke: Ach, daß herab Sie schwebe, die Spenderinn Des wahren Rathes, daß sie zum Heiligthum Die Halle widme, zu Asträa's Priestern Teutonia's Häupter weihe, Allvaters Erstgeborne, die Wächterinn Des Urgesetzes, Sie die Erleuchterinn, Die hohe Weisheit, daß sie zünd' in Ihnen des Lichts und des Rechtes Flamme! Dann waltet Eintracht, schirmt in der Bundeshand Die festumschlungnen, ewigverbrüderten Geschosse, nur dem Feind verletzbar, Wenn sich gesondert die Pfeile lösen. O dann erstehet, blühend in Lenzeskraft, Verjüngt das alte, heilige deutsche Reich, Und unterm Adler-Schild erstarrt das Frevelgezüchte Gewalt und Willkür! Rundgesang Der Jahreswechsel von 1814 und 1815. Die ernste Feierstunde nah't, Schon zieht die Mitternacht Einher auf sternbesätem Pfad'; Und bald ist nun vollbracht, Vollbracht – doch Großes hat's gethan – Des Jahres Bahn, Das nun verschlingt der Ocean, So schön wir's sah'n Verschlingt der Vorzeit Ocean! Du gabst uns Sieg und Siegsgesang, Bekränztest uns mit Ruhm; Dereinst dein hoher Name prang' An Freiheits Heiligthum! Das Götterkind verhieß Gedeihn: Wohl über'n Rhein Zog siegend unsrer Helden Reihn, Zum Feind hinein, Am Ersten Jahrstag über'n Rhein! Er kommt! Er kommt! Er schwebt heran, Des Fittigs Schwünge schon Den Himmelsjüngling künden an, Des alten Jahres Sohn. Aus Sternenreigen glänzt hervor, Vom Stunden Chor Umtanzt, das junge Jahr hervor! Es athm' empor Ach, unsrer Segenwünsche Chor! Des Wechsels Stunde schallt! – Auf's Knie! Auf's Knie! und betet an Ihn droben, der uns mehr verlieh Als Dank Ihm danken kann. Auf unsers Heiligthums Altar Ein Flämmchen klar Bring Dank- und Sühnungs-Opfer dar. Das Zwilingspaar Flamm' auf für's alt' und neue Jahr! Er that's! Er hauchte Lebensgluth In Jüngling und in Mann, Daß neubeseeltes Deutsches Blut In Aller Adern rann; Und Glaub' und fromme Siegeslust Auf Stirn' und Brust, Des Himmelsschutzes wohlbewußt, Auf Stirn' und Brust, Das Kreuz sich prägt auf Stirn und Brust. In Ruhm und Segen, junges Jahr, Dem alten eif're nach: Sei strahlend wie's dein Vater war Der unser Joch zerbrach. Web' uns der Deutschen Eintracht Band, Der Freiheit Pfand Besiegle du dem Vaterland. Schling du das Band Um Eintracht, Freiheit, Vaterland! Doch unsre liebe Stadt 1 erlag, Versank in Tigerklau'n; Kein Auge thränenlos vermag Die Gräu'l noch anzuschaun. – Den Frevlern, sich der Wüthrichslust Und Schmach bewußt, Glüht nun ein Maal an Stirn' und Brust, Sich's wohlbewußt, Ihr Brandmaal glüht an Stirn' und Brust! Der Herr ist Gott! Er giebt, Er nimmt. Er Vatersegen giebt, Ob unser Wunsch sein Ziel erklimmt, Ob unser Blick sich trübt. – Aus Trübsalsnächten wunderbar Hub sonnenklar Sich unser Stern, der immerdar Strahlt sonnenklar, Knien Glaub' und Inbrunst am Altar. Mit hohem Wirbelschwung vollführt Bei Sphären-Sang und Glanz Treu seine Kreisbahn, wie's gebührt, Das Jahr im Horentanz; Auch uns – wem nicht das Ziel verschwand – Prägt jene Hand Das Gleis in unsers Pfades Sand, Wohl jene Hand Die Sonnen lenkt am Gängelband. In weitem Rund, in engem Ring, Sei's Kaiser und sei's Knecht, Ein jeder wirke frisch und flink Was gut ist, brav und recht! Zart Weibchen, fern von Saus und Braus, Bewach' ihr Haus, Sä' manches Saamenkörnlein aus, Bei'm Kinderschmaus, Des Guten und des Schönen aus! Ist's so durch's ganze Vaterland Bestellt in Hütt' und Schloß, Dann ist uns Kurzweil, Spiel und Tand Der Feinde Schwarm und Troß. – Gewähr's uns, Jahr das aufwärts zieht, Schon östlich blüht, Der schönern Zukunft Erstlingsglied! Dich grüßt, erglüht, Des alten Stolbergs Schwanenlied. Fußnoten 1 Hamburg, des Dichters Geburtsstadt. An meine, zugleich Nichte und Groß-Nichte, Elisa, Gräfinn von Benstorff, damals in Wien 1815. In's Stammbuch. Venus-Urania auch hat ihren Gürtel, gewebet Strahlend von Grazienhand, Fülle des Zaubers in ihm, Edleren, höheren Zaubers, der jenes bethörende Listwerk, Das selbst Götter umgarnt, himmelan strebend, verschmäht. Diesen – und lieblicher glänzte die Sternenkrone der Göttinn – Schenkte der Jüngerinn Sie, freundlich zum Weihegeschenk. O wie umschmiegte vertraulich das Himmelskleinod des Weibes Busen, wie fühlt es bei ihr sich so behaglich daheim! Solches zeigte die Muse dem Seher, dem in des Bildes Zügen die liebe Gestalt seiner Elisa erschien. An eine schöne, junge-Edelfrau 1816. In ihr Stammbuch. Gaben der Grazien spendeten Dir und der Musen die Götter, Eucharis, dankbar empfang, ernst und gerührt ihr Geschenk. Hoch aus den Wolken strahlet das Ziel des geweiheten Köchers, Jedem siegenden Pfeil sproßet die Palme des Lohns. Doch in der Sterblichen Händen sind furchtbar die Göttergeschosse! – Warnend, ihr Opfer, erschien Held Philoctetes mir einst, Er, der verwundet vom eignen der immertreffenden Pfeile, Er, dem der einsame Strand Hörer der Klagen nur war. – »Wer erscheinet wohl mir?« So fragte lächelnd die schöne Frau, und ihr zauberndes Wort rief die Erscheinung hervor. Tyndarus Tochter war es, geschmückt mit dem Gürtel Cythera's, Doch in dem Himmel des Aug's trübte die Reue den Blick: »Siegerinn war auch ich und zündete Flammen, daß Troja Loderte, ach und es sank Priams Heroen-Geschlecht.«– Schone, Helena, schon'! es ergötzt an Entflammungen sich ja Eucharis nicht, die so gut, strebt wie sie schön ist zu seyn. Bei dem Grabgeleite meiner geliebtesten Freundinn Julia, Gräfinn von Reventlow Am 3ten Januar 1817. Schwebst Du noch um uns, hält mit Liebesbanden Noch die Sehnsucht zurück bei unsern Thränen Dich, Du Theure, hemmend den Flug des Steigenden Fittigs? Lispel' uns Segen, zündend heil'ger Inbrunst Flamme, hebend empor mit Dir der Deinen Herz, o Du, der himmlischen Liebe hier schon Irdischer Abglanz! Schönborns Grabschrift 1817. Freunde, senket die Stirn' in den Staub, anbetend des Lebens Herrn und des Tod's, hier ruht heiliges Pilgergebein! Fremdling war auf der Erde der Achziger! denn ihm verwehte Nie der beseelende Hauch, der für die Heimath ihn schuf. Goldene Schätze verbarg in bescheidener Hülle der Weise, Alle von ächtem Gehalt, blieben im Tod' ihm getreu. Inschrift eines Denkmaals, das einem edlen in Nizza gestorbenen Jünglinge von den Seinigen gewidmet wurde 1817. Ich auch freute mich hier mit den Fröhlichen! Aber die Sense Mähte den Jüngling hinweg, fern an dem südlichem Strand. Unvergänglich ist Liebe; die bleibt mir. Oft ungesehen Schwebt mein Gebild' in dem Chor treuer Gespielen umher. Früher, später fällt euch das Loos! Drum häget die Lampen Wohlgetränkt, und zur Hand harre der Wanderungsstab! Enträthselung des Bruders 1817. Ist's Leib nicht und Leben von Ihrem? wohl kennen Thut Sie's, wenn auch gleich noch kein Nam' es kann nennen, Das Schätzchen, das nie sich und nimmer will trennen In Lieb' und in Sehnsucht von Mütterleins Herzen, Und tritt's in die Weite zu Freuden und Schmerzen, Will selig Ihr lohnen Ihr Säugen, Ihr Herzen. An eine nicht kleine Schaar von dem Verfasser vertilgter Epigramme 1817. Kinder, bei tanzenden Horen gezeugt von dem Witz mit der Laune, Daß ihr mit leichtem Geschoß scherzend genösset der Jagd, Doch an der Spielenden gnügte nicht euch, und die hämischen Zwillings- Buben, Spott und Hohn würzten die Köcher mit Gift. Ha, wie brannten die Wunden! und schwärender weil, wo der schwarze Mackel ihn reizete, flugs haftet' im Maale der Pfeil. Kinder, mir wallet kühler das Blut, und längst hat mein Consul Plancus 1 die Stecken und Beil' Andern zur Rüge betraut. Her in die Flammen, ihr frevelnden Wichte! Zur Sühn-Hekatombe Sollt ihr, in Asch' und in Rauch, büßend verwehen, Gezücht! Aber, ihr Gaffer dort, weg vom Altare! daß nicht entlarv' ein Schauder ihn, der ein Schelm nahet, ein Stümper, ein Geck! Fußnoten 1 Lenit albescens animos capillus, Litium et rixae cupidos protervae Non ego hoc ferrem calidus juventae Consule Planco. Horat. Lib. III. Od. 14, v. 24-27. Mein schon silbern spielendes Haar besänftigt Streits und Jähzorns Wallungen; solches hätt' ich Nicht erduldet, glühend in Jugend unter Plancus dem Consul! Unter dem Consulat seines Freundes Munatius Plancus, dem er die schöne 7te Ode des 1sten Buches zugeeignet hat, war Horaz 23, bei der hier besungenen Rückkehr des Augusts, 42 Jahr alt. Elegie 1817. Bei dem Tode meines vieljährigen Freundes, des Grafen Friederich von Baudißin. Freund und Kriegsgefährt' in des Lebens mißlichem Feldzug, Wo's noch mehr als des Schilds, mehr als des Schwertes bedarf, Treuer, bewährter Bundesgenoß' in der Freud' und im Leide, Den fünfhundert – und wie? – Monde mir pflanzten in's Herz. Bruder, du schreitest voraus, und du, mein Jüngerer, harrst nicht, Bis daß dem Siebziger auch schalle Posaunengesang? Strebtest denn jemal du nach Vortritt, edel in reiner Demuth, verkennend, nur du, was wir verehren in Dir? Gingst, verlassend die Jammernde, Sie, die in Träumen der Liebe Schon für ihr goldenes Fest flocht den erneuerten Kranz; Dich entreißend dem Reigen der Söhn' und der blühenden Töchter, Die, wie Hesperiens Hain, prangen in doppeltem Schmuck; Dich dem süßen Gewimmel der Enkelinnen und Enkel, Dich den Freunden, wie du, selber ein Freund, sie erwarbst. Oede trauret, das du mit beseelter Kunde gebildet Hast, dein Paradies, ernsterer Freude geweiht; Ja, dort weilte sie heimisch und gern' und in Lauben der Ruhe, Mischte die Weisheit vertraut unter die Schwestern sich oft. Herrlicher strahlet dein Eden dir nun; doch im Büthengesäusel Deiner Rosen, die dort blühn in verklärter Gestalt, Unter Beschattung der Lebensbäume, gedenkst du in frommer Sehnsucht der Deinen; auf Ihr ruhet dein segnender Blick, Die, in dem Zauber der Jugend dir Braut, und in reiferer Schönheits- Fülle, Vermählte, zugleich Freundinn und Muse dir war. Ach, nun schmilzt sie hinweg in Niobe's Thränen! Die Quelle Rinnt, doch von Oben herab spiegelt in ihr sich der Strahl. Meine Baucis weint mit der Weinenden, blicket mit ihr Ihm Nach, und des Wiedersehns Hoffnung erhebt ihr das Herz. Meine Baucis! Lina verzeih', wenn der Segen, der Euch nicht Ward – o du gönnst ihn uns ja – wenn ich erfleh' ihn für uns! Dann weiht Lina zwischen der Eich' und der Lind' uns ein Plätzchen Stiller Wehmuth, und gräbt Worte des Trosts in den Stein: »Maal, gewidmet Philemon und Baucis, meines Geliebten Freunden und meinen, die nicht, Glückliche! trennte der Tod, Denen die sterbliche Hülle zugleich entsank und zugleich der Fittig, entfaltet, den Schwung auf zu der Heimath begann.« An meinen Freund, den edlen Ritter und Sänger, Friedrich Baron de la Motte Fouqué Im November 1819. Zum Götterberge wallen, die Thrän' im Blick, Und Weihrauchsperlen zündend am Sühnaltar, Zeus Zwillingstöchter: Reue, Bitte – Mählig entschwebt's, wenn auf Götterstirnen Ein Wölkchen dämmernd weilte; willkommener Empfang begrüßet tröstend die Sühnenden; Am Fuß der Thronensitze deutet Ihnen ein Wink den bestinmten Sessel – Wir Erdensöhne, brechliches Machwerk, taub Der innern Stimme, meidend das Bessere, Uns links hin wendend, unser Pförtchen Wollten wir schließen, wenn bittend anklopft Des Nachbars Reue? – Edler, Du zürnest nicht Dem stummen Freund', und bietet mein Täubchen Dir Dies Friedensölblatt, o ich schau, wie Freundlich Du streichelst die Abgesandtinn! Mir sandtest Gruß und Täflein, und sandtest Du Des Feiersanges Adeler, dienstbar Dir In hohen Lüften, treu wie Deinen Rittern ihr Falk bei dem Federspiele. Ich horchte hoch auf, ahnend den Fittigschlag Des Wohlbekannten, schmeichelnd umkreis't er mich, Die Flamm' im Auge, sie gefacht von Dir, an dem heiligen Freundschaftsheerde. Doch Deines Freundes Leyer und Griffel schwieg! Verzeih's in Wehmuth! Weißest ja, welcher Gram Mich abzehrt, kennst ja Sie, der Krankheits- Bürde nicht dämpfet des Geistes Fackel. Elegie 1819. Sträubend ergreif ich die stumme, verwais'te, die trauerumhüllte Zwillings-Leyer, die ach, ihre Genossinn verlor! Ihre hohe Schwester, der nun sich die Irrdische schmachtend Nachsehnt, lauschend umsonst ihrem vertrauten Getön. Jüngst noch klangen die Saiten in zauberndem Silbergelispel, Wallend umsäuselten rings heilige Schauer ihr Spiel; Stunde der Weihe, du warst es! der himmlischen Weihe, da scholl der Feier-Hymnus im Schwung, den die Begeistrung gebot, Sie nicht die Häusliche! Töchter aus Eden hatten gegürtet Sich mit dem Bogen des Bunds, strahlend die Heitre durchschwebt; Ihnen, aus fliegenden Locken, von schimmernden Fittigen, trof der Heimath balsamischer Thau, hauchte der Lauben Gedüft. Kundig wallte der Seher entgegen der hohen Entzückung, Und zu der Sphären Tanz schwang der Gesang sich empor. Sehnsucht athmeten ein Ihm der Himmlischen weihende Chöre, Sehnsucht entflammte die Brust, strömte die Saiten hinab. Anklang des Sions-Halleluja flüsterte fernher, Und in des Aufflugs Durst sang Er den Schwanengesang, Seinen Schwanengesang! In Jugendfülle des Geistes, Fern von der Erde Staub, kreisend in tönendem Flug. – Ach, es ist uns entschwunden der Herrliche! Flammen der Inbrunst Hatten das irrdische Band, öffnend den Kerker, verzehrt. Bruder, Du starbst den Tod des Gerechten! – Dir, eh' erlosch das Aug', aus der Höh' erschien tagend des Aufganges Glanz; Dir gesandt vom Allbarmherzigen, daß zu des Lenzes Morgen Dir würde die Nacht jenes umschatteten Thals. Jammernde Klage verstumm'! – Ich liebt', o liebte wie viel mehr Als mein eigenes Selbst – Bruder, Du weißt es ja! – Dich. Dennoch thäten sich auf vor meiner Stimme die Gräber, Wahrlich, ich hielte den Ruf, der Dich erflehte, zurück! Deines Himmels erfreu' ich mit reiner Liebe mich, Deines – Heiliger Sehnsucht Lohn! – Schöpfens und Sonnens, o dort, Dort aus dem Urquell, dort an dem Urstrahl ewiger Liebe, Deren Abglanz schon hier Odem des Lebens Dir war! – Ach, Sein Odem! – Nun athmet aus bebender Lipp' er in süßer Stunde des Wiedersehns, mir an der Wange nicht mehr! Einsam ist's und öde dem Schmachtenden! – Hüter, o sag' ob Schier sich neige die Nacht, dämm're die Scheitel des Bergs? – Herr, Dein Wille gescheh'! Es leuchte mir früher, mir später, Jenes Wiedersehns, Deiner Erbarmungen, Tag! Wenn es genannt darf werden ein Wiedersehn, wenn in Seiner Herrlichkeit dort ich Ihn staunend erblick' und entzückt. Mildr', o mildere, Bruder, den Strahl, wenn im Tode mein Auge Bricht, wenn der Liebe Drang Dich zu dem Sterbenden zieht, Dann, o Bote des Himmels, den Strahl! daß wiedererkenne Dich im Erscheinenden, Dich segne mein Erstlings-Gefühl!